Sachverständige: Gutachterpraxis Grundlagen

Sachverständige in der Gutachterpraxis

• Diese Lerneinheit behandelt grundlegende Begriffe und Zusammenhänge, die für Personen relevant sind, die als Gutachter oder Sachverständige tätig werden.
• Dies gilt auch für diejenigen, die sich für eine solche Tätigkeit bei Industrie- und Handelskammern interessieren.

Wichtige Unterscheidungen

Hauptmerkmale eines Zeugen

• Ein Zeuge berichtet über selbst beobachtete Tatsachen und Zustände aus der Vergangenheit.
• Er kann nicht durch andere vertreten werden und kann nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden.
• Die Glaubwürdigkeit des Zeugen liegt im freien Ermessen des Richters.
• Die Entschädigung eines Zeugen erfolgt nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG).

Hauptmerkmale eines sachverständigen Zeugen

• Eine Person, die aufgrund ihrer Fachkenntnisse oder Ausbildung Tatsachen aussagt, die über Laienwissen hinausgehen, gilt als sachverständiger Zeuge.
• Dieser Zeuge kann zum Beispiel bei einem Ortstermin Beobachtungen für ein privates Gutachten machen, die als spätere Aussage relevant sind.
• Ein sachverständiger Zeuge wird wie ein normaler Zeuge behandelt und nach dem JVEG entschädigt.

Hauptmerkmale eines Sachverständigen

• Ein Sachverständiger zieht Schlussfolgerungen aus wahrgenommenen Tatsachen basierend auf Wissen, Erfahrung und Ausbildung und erstellt eine Beurteilung.
• Er wird als solcher entschädigt.

Hauptmerkmale eines Berufssachverständigen

• Ein Sachverständiger, der mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit mit Gutachtenerstellung verbringt, wird als Berufssachverständiger bezeichnet.
• Die meisten hauptberuflichen Sachverständigen lassen sich öffentlich bestellen oder zertifizieren.
• Die Gewerbeordnung (§ 36 GewO) bzw. die Mustersachverständigenordnung (MSO) der Kammern regeln die Grundlagen der Sachverständigentätigkeit.
• Es ist selbstverständlich, dass Berufssachverständige ihre Qualifikation ausreichend dokumentieren.
• Öffentlich bestellte Berufssachverständige sind verpflichtet, für jedermann gegen angemessene Gebühr tätig zu werden.
• Interessenkonflikte können entstehen, da Sachverständige aufgrund von Auftragsvolumen und Honorarvereinbarungen möglicherweise an gut honorierten Tätigkeiten interessiert sind.
• Das JVEG stellt die Grundlage für die Vergütung jeder gerichtlichen Tätigkeit dar und kann im Zweifelsfall als angemessene Gebühr eingestuft werden.

Zusammenfassender Überblick

• Im Falle eines Verkehrsunfalls kann eine Person Zeuge, sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger sein, abhängig von der Art der Fragen, die ein Richter stellt:
  • Als Zeuge wird eine Person befragt über den Hergang und Ablauf des Unfalls.
  • Als sachverständiger Zeuge wird eine Person befragt über offensichtliche Fahrzeugschäden aufgrund ihrer beruflichen Kenntnisse.
  • Als Sachverständiger wird eine Person befragt über die notwendigen Reparaturen, um das Fahrzeug wieder verkehrssicher zu machen.

Definition des gerichtlichen und privaten Sachverständigen

• Es ist wichtig, frühzeitig zu klären, ob jemand als Zeuge, sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger aussagen soll.
• Wenn Aussagen über die Notwendigkeit hinausgehen, kann der Betroffene auf eine Ladung als Sachverständiger hinwirken oder die Aussagen verweigern.
• Es wird empfohlen, die Aussagen und Einwände protokollieren zu lassen, um später nachweisen zu können, dass man eigentlich als Sachverständiger tätig war.
• Ein Gutachter, der von einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft beauftragt wird, ist ein gerichtlicher Sachverständiger
• Dieser muss der Ernennung Folge leisten, wenn er fachlich in der Lage ist.
• Das Gericht kann auch einen Sachverständigen vereidigen, der häufig von einer bestimmten Kammer hinzugezogen wird.
• Der Umfang der Vereidigung wird vom Gericht festgelegt.
• Der Sachverständige kann werblich darauf hinweisen, das Gericht und die Kammer angeben.
• Wenn ein privater Auftraggeber einen Sachverständigen für ein Gutachten heranzieht, ist er ein privater Sachverständiger und hat keine Pflicht, jeden Auftrag anzunehmen.
• Die öffentliche Bestellung eines Sachverständigen verpflichtet ihn, seine Arbeitskraft auch für Gutachten im außergerichtlichen Bereich zur Verfügung zu stellen, sonst kann die Bestellung widerrufen werden.

Der Entschädigungsanspruch

• Der Entschädigungsanspruch für alle Sachverständigen (auch sachverständige Zeugen und Zeugen) basiert darauf, dass Leistungen auf Grundlage eines Auftrags erbracht wurden.
• Nach Erbringung der Leistung ist eine Leistungsvergütung (meist auf Basis einer zeitlichen Bewertung) und eine Aufwandsentschädigung notwendig.
• Die Entschädigung wird nicht automatisch gezahlt, sondern muss auf Basis nachprüfbarer Rechnungen bei den Auftraggebern beantragt werden.
• Der zeitliche Rahmen für die Beantragung ist festgelegt, da sonst eine Verjährung der Ansprüche möglich ist.

Systematischer Leitfaden zur Ermittlung der Entschädigungsbasis

• Für die Ermittlung der Entschädigungsbasis sind zwei Aspekte relevant:
  • Wer ist der Auftraggeber?
  • Welche Funktion wird ausgeübt?
• Bei Beauftragung durch ein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft ist das JVEG anzuwenden.
• Erfolgt die Beauftragung durch einen privaten Auftraggeber oder eine Versicherung, können die Vertragsparteien die Konditionen frei vereinbaren, solange diese im gesetzlich zulässigen Rahmen liegen.
• Ein Sachverständiger kann beauftragt werden, ein schriftliches oder mündliches Gutachten zu erstellen.
• Wurde er vom Gericht aufgefordert, gelten die §§ 8 bis 14 JVEG.
• Bei privaten Aufträgen kann die JVEG zugrunde gelegt werden, muss es aber nicht.
• Wenn der Sachverständige vor Gericht als sachverständiger Zeuge auftritt, hat er zusätzlich den Sachverstand, um den Sachverhalt fachlich zu bewerten.

Woher erhält der Sachverständige sein Geld?

• In einem solchen Fall erhält der Sachverständige eine Aufwandsentschädigung gemäß §§ 19 ff JVEG, die jedoch weit unter der üblichen Vergütung liegt.
• Zeugen haben Anspruch auf Entschädigung, wobei der Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Vernehmung gestellt werden muss.
• Ein sachverständiger Zeuge, der im Verfahren zu einer gutachterlichen Stellungnahme aufgerufen wird, sollte vor der Erstattung des mündlichen Gutachtens darauf hinweisen, dass er diese Aussage nur in einer Sachverständigenfunktion erbringen kann.
• Er sollte auch darauf hinweisen, dies in Protokoll des Gerichts aufnehmen zu lassen, damit seine Leistung als „Sachverständigenleistung“ abgerechnet werden kann.

Im Zivilprozess

• Im Zivilprozess können sowohl private als auch gerichtliche Sachverständige zum Einsatz kommen.
• Die gerichtlichen Sachverständigen werden nach den Paragraphen des JVEG entschädigt.
• Die JVEG gelten nicht für die Höhe der Entschädigung privater Gutachten, da die private Person keine Zwangsgewalt zum Heranziehen eines Sachverständigen hat.
• Das Gericht muss die Kosten einschätzen und auf Angemessenheit und Üblichkeit prüfen.
• Die Prozessbezogenheit des Gutachtens ist wichtig für die Entscheidung zur Erstattung von Sachverständigen- und Gutachterkosten.
• Die unterlegene Partei muss im Zivilprozess die Kosten des Rechtsstreites tragen
• Die obsiegende Partei ist zu einer sparsamen Prozessführung verpflichtet.
• Eine Erstattung der Aufwendung für ein Privatgutachten bedarf einer besonderen Begründung.
• Aufwendungen für ein vorprozessuales Gutachten werden nur dann als notwendig angesehen, wenn sie in einem späteren Rechtsstreit dem Rechtschutzziel dienen.

Im Arbeits- und Patentgerichtsverfahren

• Gerichtliche Sachverständige werden in diesen Prozessen nach JVEG entschädigt.
• Für privat herangezogene Sachverständige gelten die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen wie im Zivilprozess.
• Die Besonderheit des patentrechtlichen Verfahrens liegt darin, dass die Kosten ganz oder teilweise erstattet werden, wenn sie nach billigem Ermessen notwendig waren.
• Aufwendungen für private Gutachten gehören hier im Allgemeinen nicht zu den notwendigen Kosten.

Im verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Verfahren

• Im verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Verfahren werden gerichtliche Sachverständige nach den Paragraphen des JVEG entschädigt.
• Kosten für private Gutachten sind nur in Ausnahmefällen als notwendige Aufwendungen erstattungsfähig und oft nur im Falle einer prozessualen Notlage.
• Gutachten, die zum Prozess beigebracht werden, können als "notwendige Kosten" ausgeglichen werden.

Im sozial- und finanzgerichtlichen Verfahren

• Die Erstattungsfähigkeit von privaten Gutachten in sozial- oder finanzgerichtlichen Verfahren wird in der Fachliteratur weitgehend einheitlich dargestellt.
• Die Kosten sind nur erstattungsfähig, wenn der Streitfall besondere Sachkenntnisse erfordert und sonst keine "Waffengleichheit" bestehen würde.
• Wenn das Gutachten von einer Finanzbehörde erstellt wird, sind die Kosten nicht erstattungsfähig.

Im Strafverfahren

• Im Strafprozess ist der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nicht anders zu sehen als im Zivilprozess.
• Wenn das Gutachten der objektiven Beurteilung und Förderung der Erkenntnisse des Strafverfahrens dient, handelt es sich um notwendige und zu erstattende Aufwendungen.
• Die Erstattungsvoraussetzungen sind immer dann gegeben, wenn technisch komplizierte Sach- und Rechtsgebiete vorliegen und die sachgerechte Verteidigung besondere Spezialkenntnisse voraussetzt.
• Die Kosten für Gutachten sind unabhängig vom Verlauf des Prozesses erstattungsfähig, wenn sie wesentlich die Prozesslage beeinflusst haben.
• Die Kosten gerichtlich eingeschalteter Sachverständiger werden nach den Paragraphen des JVEG entschädigt.

Umsatzsteuer für gerichtliche und private Sachverständige

• Sachverständigenleistungen unterliegen grundsätzlich der Mehrwertsteuer.
• Die Mehrwertsteuer kann von vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen geltend gemacht werden, muss jedoch grundsätzlich separat ausgewiesen werden.
• Es sind die geltenden Vorschriften für eine ordnungsgemäße Rechnungstellung zu berücksichtigen.
• Bei der Abrechnung von Gutachten mit Endverbrauchern sollte im Vorfeld geklärt werden, ob die Mehrwertsteuer im Honorar enthalten ist.
• Die Umsatzsteuer ermäßigt sich für freiberufliche Gutachter, die ein urheberrechtlich geschütztes Werk auf Basis ihrer Sachverständigentätigkeit erstellen.
• Dem Steuerpflichtigen wird empfohlen, in seiner Kostennote darauf hinzuweisen, dass Fremdleistungen als Nettowerte Eingang finden.
• Grundsätzlich sollte vor Aufnahme der Tätigkeit ein Steuerberater involviert werden, der die relevanten Sachverhalte analysiert und deren Auswirkung auf die Mehrwertsteuer überprüft.