2.16 - Gerichtlicher Sachverständiger: Aufgaben und Unterschiede

Der gerichtliche Sachverständige

• Ein Sachverständiger besitzt spezialisierte Kenntnisse und Erfahrungen in einem bestimmten Fachgebiet, die er zur Verfügung stellt.
• Er agiert unparteiisch, unabhängig und objektiv, erstellt Gutachten und Analysen, berät, reguliert und kontrolliert.
• Sachverständige arbeiten freiberuflich oder gewerblich, haupt- oder nebenberuflich.

Unterschiede zwischen gerichtlichem Sachverständigen und Privatgutachter

• Der gerichtliche Sachverständige wird vom Gericht oder Staatsanwalt im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens beauftragt und nach dem JVEG entschädigt.
• Privatgutachter erhalten ihren Auftrag von einer Privatperson durch einen Werkvertrag und dienen der außergerichtlichen Streitbeilegung; ihre Vergütung erfolgt nach Privatrecht.

Sachverständiger Zeuge

• Wenn eine Person, die zunächst als sachverständiger Zeuge vernommen wurde, später im gleichen Verfahren als Sachverständiger aussagen soll, ist ein gerichtlicher Beschluss erforderlich.
• Der Sachverständige muss erneut belehrt und gegebenenfalls vereidigt werden.

Ausgangsmaterial für Gutachten

• Das Gericht stellt dem Sachverständigen die relevanten Tatsachen in laienverständlicher Form zur Verfügung.
• Die Tatsachen werden unter Anwesenheit des Sachverständigen vom Gericht erhoben, oder der Sachverständige wird allein mit der Feststellung der Tatsachen beauftragt.

Beweiskraft des Sachverständigenbeweises

• Aufgrund der Sachkunde und Objektivität des Sachverständigen wird seinem Gutachten hoher Beweiswert beigemessen.
• Voraussetzung ist eine optimale Kommunikation zwischen Gericht und Sachverständigem bezüglich Fragestellung und Verwertung des Gutachtens.
• Das Gutachten muss den Aufgabenstellungen exakt entsprechen, vollständig verständlich und nachvollziehbar für das Gericht sein.

Verfahrensordnungen

• Unmittelbare Anwendung der ZPO im Zivilprozess; entsprechende Anwendung in Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz-, Sozialgerichtsverfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Notwendigkeit der Zuziehung eines Sachverständigen

• Die Zuziehung kann gesetzlich vorgeschrieben sein oder durch fehlende Sachkunde des Gerichts notwendig werden.

Eigenes Sachkenntnis des Richters

• Der Richter muss prüfen, ob seine Sachkunde zweifelsfrei ausreichend ist, die Parteien über seine Absicht aufklären, seine Sachkundequelle und voraussichtliche Beurteilung mitteilen, und den Parteien ausreichend rechtliches Gehör gewähren.
• Der Ursprung der Sachkunde des Richters muss im Urteil dargelegt werden.

Verfahrensgrundsätze für die Beweisaufnahme

• Im Zivilprozess beachtet das Gericht gemäß dem Parteibeibringungsgrundsatz nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen.
• Beim Amtsermittlungsgrundsatz klärt das Gericht die Sachlage von sich aus auf; dieser gilt in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Verwaltungs-, Finanz-, Straf- und Bußgeldverfahren sowie in bestimmten Zivilverfahren wie Ehescheidungen.

Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens im Zivilprozess

• Ein weiteres Gutachten kann notwendig sein, wenn die Sachkunde des Sachverständigen angezweifelt wird, das Gutachten mangelhaft oder widersprüchlich ist, es keinen sicheren Beitrag zur Entscheidungsfindung leistet oder ein anderer Sachverständiger über bessere Hilfsmittel und Verfahren verfügt.
• Ein weiteres Gutachten kann auch erforderlich werden, wenn Einwendungen gegen das Gutachten durch ein Privatgutachten erhoben werden.

Bevorzugung öffentlich bestellter Sachverständiger

• Öffentlich bestellte Sachverständige unterliegen der Kontrolle der zulassenden Stelle, wodurch ihre Sachkunde und persönliche Eignung gewährleistet sind.

Ablehnung eines gerichtlichen Auftrags

• Ein öffentlich bestellter Sachverständiger kann einen Auftrag nicht ablehnen, wenn das Gutachten in seinem Sachgebiet erstattet werden soll.
• Soll er jedoch auf einem Gebiet außerhalb seines Sachgebietes tätig werden, kann er den gerichtlichen Auftrag ablehnen.

Vernehmung eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Sachverständiger

• Die Genehmigung des Dienstvorgesetzten ist einzuholen, welche versagt werden kann, wenn dienstliche Interessen oder Amtsgeheimnisse beeinträchtigt werden.

Beauftragung eines privaten Instituts

• Nicht das Institut, sondern nur die in ihm tätigen natürlichen Personen können als Sachverständige beauftragt werden; das Gericht muss diesen Mitarbeiter auswählen.

Unterschied Hilfskraft und Mitglied eines Sachverständigenteams

• Eine Hilfskraft führt unter sachkundiger Kontrolle verschiedene Hilfstätigkeiten durch, die sich bei zunehmendem bewertenden Charakter einer Sachverständigentätigkeit annähern.
• Die Hilfskraft und ihre Leistung müssen im Gutachten dargelegt werden; sie kann nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden und erhält eine Vergütung aus einem Werkvertrag.
• Der Sachverständige erhält eine Entschädigung nach dem JVEG.

Hilfsmittel bei der Auswahl des Sachverständigen

• Sachverständigenverzeichnisse der IHK, HWK und Bezirksregierungen können genutzt und öffentlich bestellte Sachverständige im Internet abgefragt werden.
• Telefonische Erkundigungen sind bei außergewöhnlichen Fachgebieten oder unzureichenden Angaben angezeigt.

Erlass eines Beweisbeschlusses vor der mündlichen Verhandlung

• Zur Verfahrensbeschleunigung kann der Beweisbeschluss vor der mündlichen Verhandlung erlassen werden, wenn die Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter angeordnet wird, amtliche Auskünfte eingeholt werden sollen, ein Zeuge schriftlich antworten soll, eine Augenscheinseinnahme durchgeführt werden soll oder ein Sachverständigengutachten angeordnet wird.
• Eine kostenintensive Beweiserhebung sollte erst beschlossen werden, wenn dem Klageantrag substantiiert widersprochen wurde und keine einvernehmliche Beilegung zu erwarten ist.

Änderung eines Beweisbeschlusses

• Eine Änderung des Beweisbeschlusses kann von den Parteien nicht durchgesetzt werden, solange er nicht erledigt ist.
• Das Gericht kann den Beweisbeschluss von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien aufheben oder ändern; den Parteien ist rechtliches Gehör zu gewähren.

Bedeutung des Parteivortrags für den Beweisgegenstand

• In Verfahren nach dem Grundsatz der Parteieinbringung werden nur die von den Parteien eingebrachten Tatsachen vor Gericht behandelt.
• Der Beweisbeschluss kann demnach nur die Tatsachen eines Beweisgegenstandes enthalten, welche durch die Parteien vorgebracht wurden.
• An den Tatsachenvortrag der Parteien werden in der Regel hinsichtlich Detailliertheit und Begründetheit große Anforderungen gestellt.

Einholung eines Gutachtens und Auslagenvorschuss

• Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wird in bestimmten Verfahren von der Einzahlung eines Auslagenvorschusses abhängig gemacht, da solche Gutachten in der Regel kostenintensiv sind.
• Dies verhindert, dass die Staatskasse belastet wird, und vermittelt den Parteien ein Bild von den entstehenden Kosten, wodurch eine gütliche Einigung angeregt werden kann.

Bedeutung der Frist für die Gutachtenerstattung

• Im Zivilprozess wird je nach Schwierigkeitsgrad von einer Bearbeitungsdauer von zwei bis sechs Monaten ausgegangen.
• Bei Überschreitung der Frist kann dem Sachverständigen ein Ordnungsgeld auferlegt werden.
• Im Strafprozess ist eine zügige Abstimmung der Bearbeitungsdauer mit dem Sachverständigen im Interesse eines zügigen Verfahrensablaufs wichtig.

Auftragsbestätigung des Sachverständigen

• Der Sachverständige muss den Auftrag in erster Durchsicht auf Vollständigkeit der Akten, Übereinstimmung mit seinem Fachgebiet und mögliche Ablehnungsgefahr prüfen.
• Weiterhin muss er überprüfen, ob die Beweisfrage eindeutig ist, alle erforderlichen Unterlagen vorhanden sind und der Auslagenvorschuss ausreicht.

Weitere Untersuchungen und Bewertungen durch den Sachverständigen

• Der Sachverständige kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er weitere, über den Beweisbeschluss hinausgehende Untersuchungen anstellt und Bewertungen vornimmt.
• Ihm drohen auch Einbußen an der Entschädigung.

Freie richterliche Beweiswürdigung

• Es besteht keine rechtliche Bindung des Richters an das Gutachten.
• Der Richter trägt die alleinige Verantwortung für das Verfahren und die Entscheidung.
• Er prüft das Gutachten eingehend und führt bei Entscheidung auf Grundlage des Gutachtens diejenigen Schlussfolgerungen und Wertungen aus dem Gutachten in den Entscheidungsgründen an, auf die sich seine Entscheidung stützt.

Rechtliche Bewertung durch den Sachverständigen

• Der Sachverständige darf in seinem Gutachten keine rechtlichen Bewertungen vornehmen, da dies dem Richter obliegt.
• Andernfalls riskiert er die Ablehnung und seinen Entschädigungsanspruch.

Schwierigkeiten zwischen Juristen und Sachverständigen

• Unterschiedliche Denkweisen von Juristen und nichtjuristischen Sachverständigen können zu Missverständnissen und einer abweichenden Auslegung des Gutachtens führen.

Rechtlicher Hinweis zu "Schaden" im Beweisbeschluss

• Der Begriff „Schaden" sollte in einem Beweisbeschluss mit einem rechtlichen Hinweis versehen werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
• Dies dient der Verhinderung einer Fehlinterpretation des Begriffs und möglicher Unbrauchbarkeit des Gutachtens.

Innere Unabhängigkeit eines Sachverständigen

• Ein Sachverständiger muss sein Gutachten unparteiisch, objektiv und unabhängig erstatten, ohne sich von Vorurteilen, Standesdenken, Karrieredenken, Meinungen oder Gefühlen beeinflussen zu lassen.
• Diese Unbeeinflussbarkeit stellt hohe Anforderungen an die charakterlichen Eigenschaften des Sachverständigen.

Klärung zwischen Gericht und Sachverständigem vor Erlass des Beweisbeschlusses

• Vor dem Erlass des Beweisbeschlusses sollte die Übereinstimmung des Sachgebiets, der Bedarf an Unterlagen und Materialien, die voraussichtliche Dauer, die Formulierung der Beweisfrage und die ungefähren Kosten des Gutachtens geklärt werden.

Streitige Tatsachen

• Das Gericht muss dem Sachverständigen mitteilen, von welchen Tatsachen er bei der Erstattung des Gutachtens ausgehen soll.
• Möglich ist auch die Anordnung eines Alternativgutachtens.

Inhalt des Begleitschreibens

• Das Begleitschreiben zur Aktenübersendung kann Belehrungen und Hinweise zu den Pflichten des Sachverständigen enthalten (z. B. unverzügliche Kontaktaufnahme bei Unzuständigkeit, fehlenden Mitteln).
• Ebenso können organisatorische Dinge geregelt werden, wie die Anzahl der anzufertigenden Gutachtenexemplare.

Vorteile eines gesonderten Termins zur Einweisung

• Ein gesonderter Termin zur Einweisung des Sachverständigen in seinen Auftrag bietet Vorteile wie die Klärung von Fragen nach erstem Aktenstudium, einen tieferen Einblick in die fachlichen Zusammenhänge, das Anhören von Parteien und Anwälten und die Vereinbarung von Ortsterminen.
• Insgesamt wird das Verfahren gestrafft, was Zeit und Kosten spart.

Verpflichtete zur Gutachtenerstattung

• Zur Gutachtenerstattung sind öffentlich bestellte Sachverständige, Personen, die Wissenschaft, Kunst oder Gewerbe öffentlich ausüben und Sachverständige, die sich vor Gericht zur Gutachtenerstattung bereit erklärt haben.

Verweigerung der Gutachtenerstattung

• Ein Sachverständiger, der den Auftrag widerspruchslos annimmt, diesen längere Zeit liegen lässt und später die Gutachtenerstattung verweigert, ist dazu nicht mehr berechtigt.

Gutachten-Verweigerungsrecht aus familiären Gründen

• Der Sachverständige kann die Erstattung des Gutachtens verweigern, wenn er mit einer Partei oder dem Beschuldigten verlobt, verheiratet oder verwandt/verschwägert ist.

Schweigepflicht

• Angehörige bestimmter Berufsgruppen (Ärzte, Anwälte, etc.) unterliegen der Schweigepflicht nach § 203 StGB und haben somit ein Gutachten-Verweigerungsrecht.

Arbeitsüberlastung

• Ein zur Gutachtenerstattung verpflichteter Sachverständiger, der infolge Arbeitsüberlastung seine berufliche Tätigkeit vernachlässigen müsste, kann bei Gericht die Entbindung von der Pflicht zur Erstattung des Gutachtens beantragen.
• Das Gericht kann einen Entbindungsbeschluss erlassen oder den Antrag ablehnen.

Strafrechtliches Ermittlungsverfahren

• Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist der zur Gutachtenerstattung verpflichtete Sachverständige vom Staatsanwalt zu einem Termin geladen und muss erscheinen.

Ablehnung eines Sachverständigen

• Prozessbeteiligte können einen gerichtlichen Sachverständigen ablehnen, da dieser dem Richter mit seiner Sachkunde bei der Entscheidung des Rechtsstreits „hilft" und objektiv vorgehen muss.
• Die Einflussmöglichkeiten auf die Auswahl sind begrenzt, weshalb die Möglichkeit der Ablehnung geschaffen wurde.

Arten von Ablehnungsgründen

• Es gibt absolute, relative und Gründe, die sich aus dem Verhalten des Sachverständigen während des Verfahrens ergeben.

Kontakte zu Parteien

• Der Sachverständige sollte alle Kontakte mit nur einer Partei vermeiden und organisatorische Anrufe seinem Sekretariat übertragen.
• Bei Kontakt durch eine Partei muss er sich äußerst kurz fassen und Gespräche über die Sache vermeiden.

Mangelnde Sachkunde

• Mangelnde Sachkunde ist kein Ablehnungsgrund.
• Reicht die Sachkunde nicht aus, muss ein weiterer Sachverständiger beauftragt werden.