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2024

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Europäische Integration 1. Sitzung: Einführung: Motive und Grundfragen der europäischen Integration Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Europäische Integration 1. Sitzung: Einführung: Motive und Grundfragen der europäischen Integrat...

Europäische Integration 1. Sitzung: Einführung: Motive und Grundfragen der europäischen Integration Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Europäische Integration 1. Sitzung: Einführung: Motive und Grundfragen der europäischen Integration Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Karikatur: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/europaeische-union-345/324569/die-eu-im-krisenmodus-herausforderungen-und-reformimpulse/ (10.4.2022) 2 EU in der Krise? Krise Krise ist „die breite öffentliche Wahrnehmung bedrohlicher gesellschaftlicher Herausforderungen, die unmittelbare grundlegende Entscheidungen und Veränderungen zu ihrer Lösung verlangen“ Bösch, Frank et al.: Für eine reflexive Krisenforschung – zur Einführung. In: Bösch, Frank/Deitelhoff, Nicole/Kroll, Stefan (Hrsg.): Handbuch Krisenforschung. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 5. Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise (2) Formalia und Organisation (3) Programm der Vorlesung (4) Literatur zur Vorlesung (5) Der Begriff der Integration (6) Motive und Strategien der europäischen Einigung 4 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise https://www.tagesschau.de/inland/tv-duell-thueringen-100.html (14.4.24) 5 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise https://www.dw.com/en/eu-receives-nobel-peace-prize-at-oslo-ceremony/a-16440868 (2012; 8.4.2022) 6 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise Feuer nach einem russischen Luftangrif in der Ukraine, fhttps://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ukraine-krieg-russland-lehnt-teilnahme-an- friedensgipfel-ab-19645400.html (vom 11.4.2024, abgerufen 11.4.2024) 7 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise Ukrainische Flüchtlinge bei der Ankunftin Polen, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ukraine- krieg-eu-droht-neuer-streit-ueber-fluechtlingsquoten-a-719bdf22-619a-431a-a152-25d1b8ba8935 (vom 8 20.3.2022, abgerufen 8.4.2022) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise 9 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise https://www.tagesschau.de/ausland/kiew-reise-von-der-leyen-103.html (8.4.2022, abgerufen am 10.4.2022) 10 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise 6.4.2023, https://www.tagesschau.de/ausland/china-von-der-leyen-xi-macron-101.html (16.4.2023) 11 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise Foto 21.1.2020; https://www.reuters.com/world/we-will-never-help-europe- under-attack-eu-official-cites-trump-saying-2024-01-10/ (11.4.2024) 12 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/mittelmeer-fluechtlingshilfswerk-fordert- neue-eu-mission-16115734.html 13 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise 14 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise Standard Barometer 100, Die öffentliche Meinung in der Europäischen Union, Oktober-November 2023, S. 38. 15 Ausgangspunkt: Die EU in der Krise https://www.badisches-tagblatt.de/Nachrichten/Einreisebeschraenkungen-an-der-Grenze-zu-Frankreich- 16 31545.html (Foto vom April 2020, 18.4.2021) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise Foto 2022; https://www.spiegel.de/ausland/eu-parlament-spricht-ungarn-viktor-orban-status- einer-echten-demokratie-ab-a-d8c878df-e803-4b7f-a7b1-688e5d27556d#bild-c2ad5f1a-35cc- 17 4b36-b41d-c9f679bdbfe6 (11.4.2024) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise Ursula von der Leyen am Tag ihrer Wahl, 16.7.2019, https://www.europarl.europa.eu/resources/library/images/20190716PHT57250/20190716PHT57250- pl.jpg 18 Bilanz der Krise: EU als umstrittenes Projekt Antwort auf den Krieg in der Ukraine? Wertegemeinschaft ? Demokratie ? Erweiterung – Ukraine, Moldau, Bosnien-Herzegowina ? Mehr als ein Markt ? Brexit, Frexit, Nexit, Dexit ? Flexibilisierung, Differenzierung ? Demokratische Legitimation ? Neoliberales Europa ? Grenzen der Integration erreicht ? Identität ? Militarisierung der Sicherheitspolitik ? Außenpolitischer Zwerg ? 19 Bilanz der Krise: Drei Diskurse über Europa Europa der Staaten – Nationale Regierungen – Souveränität, Einstimmigkeit Europa der Bürger/innen – Entstehung einer europäischen Föderation – Europäische Öffentlichkeit, gemeinsame Politik Europa der Behörden – Supranationale Bürokratie – Sorgsamer Vollzug der gemeinsamen Regeln Nach: van Middelaar, Luuk: Vom Kontinent zur Union. Gegenwart und Geschichte des vereinten Europa. Ffm 2016, S. 30-32. 20 Bilanz der Krise: Eine „politisierte“ EU Nach der These der „Politisierung“ sind die EU und ihre Politiken immer stärker ein Gegenstand der politischen Auseinandersetzung geworden Wachsendes Bewusstsein: Die Öffentlichkeit erkennt, dass durch die EU verbindliche Entscheidungen gefällt werden und dass durch die Herrschaft ausgeübt wird Polarisierung: Die EU wird zum Gegenstand expliziter Ablehnung, aber auch Zustimmung Mobilisierung: Immer mehr Akteure richten ihre politischen Aktivitäten auf die EU und ihren Entscheidungsprozess aus (Rauh, Christian/Zürn, Michael: Zur Politisierung der EU in der Krise. In: Heidenreich, Martin (Hrsg.): Krise der europäischen Vergesellschaftung? Wiesbaden: Springer VS 2014, S. 121-145. 21 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise (2) Formalia und Organisation (3) Programm der Vorlesung (4) Literatur zur Vorlesung (5) Der Begriff der Integration (6) Motive und Strategien der europäischen Einigung 22 Für wen ist diese Vorlesung ? Obligatorische Vorlesung für Studierende der BA-Studiengänge Politikwissenschaft und Wirtschaft/Politik – Prüfung am Ende der VL-Zeit Wahlpflichtveranstaltung für Studierende der Studiengänge BA Soziologie, BA VWL, BA Geographie, BA Sozio-Ökonomik – Prüfung am Ende der VL-Zeit Studierende des Moduls „Politikwissenschaft“ im Profil Fachergänzung – Prüfung am Ende der VL-Zeit (besondere Bedingungen) Studierende in ausgewählten Master-Studiengängen  Prüfung am Ende der VL-Zeit Interessierte 23 Vorlesung + Basisseminar = Modul Um das Modul „Europäische Integration“ abzuschließen, müssen Sie neben der Vorlesung ein Basisseminar zum Thema besuchen Die Anmeldung erfolgte über OLAT, das Verfahren ist abgeschlossen 24 Zugang zu den Materialien Die Vorlesungsmaterialien werden in OLAT, der zentralen Lernplattform der CAU Kiel, veröffentlicht. Über die Plattform werden alle Informationen, Materialien und Nachrichten zu dieser Vorlesung verwaltet Sie finden den OLAT-Kursus unter folgendem Link: https://lms.uni-kiel.de/url/RepositoryEntry/5468684526 Für die Anmeldung benötigen Sie Ihre persönliche stu-Kennung, die Sie schon nutzen Die Eintragung in die OLAT-Plattform ist für mich der Hinweis, dass Sie an der Vorlesung teilnehmen 25 Regeln für die Vorlesung Die Vorlesung wird in Präsenz durchgeführt Die Folien der Sitzungen werden in OLAT zur Verfügung gestellt Bitte sprechen Sie während der Vorlesung nicht miteinander 26 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise (2) Formalia und Organisation (3) Programm der Vorlesung (4) Literatur zur Vorlesung (5) Der Begriff der Integration (6) Motive und Strategien der europäischen Einigung 27 Was bietet diese Vorlesung? Überblick über die Geschichte der europäischen Integration Einführung in die Theorien und Analyseansätze zur europäischen Integration Überblick über die Funktionsweise des politischen Systems der EU Überblick über die Muster des Regierens in ausgewählten Politikfeldern der EU Diskussion aktueller europapolitischer Fragestellungen („Europäische Schlagzeile der Woche“) Mögliche Klausurfragen 28 Programm der Vorlesung 15.4.2024 Einführung: Motive und Grundfragen der europäischen Integration 22.4.2024 Die Entwicklung des Integrationsprozesses I 29.4.2024 Die Entwicklung des Integrationsprozesses II 29 Programm der Vorlesung 6.5.2024 Die Theorie der Integration: Sachzwänge, Präferenzen, Institutionen und die Rolle des Volkes 13.5.2024 Die vertraglichen Grundlagen - Das politische System der EU: Europäischer Rat 20.5.2024 Pfingstmontag (keine Vorlesung) 27.5.2024 Das politische System der EU: Rat der Europäischen Union, Kommission 30 Programm der Vorlesung 3.6.2024 Das politische System der EU: Europäisches Parlament, Parteien und Wahlkampf in der EU 10.6.2024 Europäischer Gerichtshof, Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ausschuss der Regionen Die Wahlen zum Europäischen Parlament – Ergebnisse und Analysen 31 Programm der Vorlesung 17.6.2024 Erweiterung und Nachbarschaft der EU - Haushalt der EU - Entscheidungsverfahren und policy-making 24.6.2024 Die Politiken der EU I – Binnenmarkt, Währung, Strukturpolitik 1.7.2024 Die Politiken der EU II – Innen- und Justizpolitik - Die Politiken der EU III - Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik 32 Programm der Vorlesung 8.7.2024 Abschluss und Ausblick: Die Zukunft der europäischen Integration 15.7.2024, 10:00 h Prüfung der Vorlesung (Klausur, 1. Prüfungstermin) 7.10.2024, 10:00 h Prüfung der Vorlesung (Klausur, 2. Prüfungstermin) 33 Wie kann ich etwas mitnehmen ? Anwesend sein, Widersprüche aufdecken, Fragen stellen Eine eigenständige Vor- und Nachbereitung parallel zu Vorlesung und Basisseminar ist unerlässlich Zeitung lesen, Nachrichten verfolgen: Machen Sie aus diesem Semester ein europäisches Semester! https://www.die-zeitungen.de/fileadmin/_processed_/d/4/csm_Zeitungsleser_f1398daeab.jpg (10.4.2022) 34 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise (2) Formalia und Organisation (3) Programm der Vorlesung (4) Literatur zur Vorlesung (5) Der Begriff der Integration (6) Motive und Strategien der europäischen Einigung 35 Zum Lesen empfohlen: Handbücher und Lehrbücher 36 Zum Lesen empfohlen: Ständige Begleiter 37 Zum Lesen empfohlen: Englischsprachige Lehrbücher 38 Zum Lesen empfohlen: Soziale und rechtliche Grundlagen 39 Zum Lesen empfohlen: Geschichte der Integration 40 Seien Sie neugierig! EU-Literatur in der Institutsbibliothek: Signaturengruppe EG- xxx Wichtige Journals: Journal of Common Market Studies Journal of European Public Policy European Union Politics Integration 41 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise (2) Formalia und Organisation (3) Programm der Vorlesung (4) Literatur zur Vorlesung (5) Der Begriff der Integration (6) Motive und Strategien der europäischen Einigung 42 Was ist Europa ? Europa ist kein materielles Gebilde, sondern eine Idee Der Mythos: Europa auf dem Rücken des Zeus Europa als… – geographischer Raum ? – sozio-kultureller Raum ? – wirtschaftlicher Raum ? – politischer Raum ? 43 Die politische Geografie Europas 44 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:EU_Member_states_and_Candidate_countries_map.svg (16.4.2023) Der Begriff der Integration Integration = Prozess, in dessen Verlauf Gesellschaften, Staaten und Volkswirtschaften friedlich und freiwillig über bislang bestehende nationale, verfassungspolitische und wirtschaftspolitische Grenzen hinweg zusammengeführt werden (Kohler-Koch/Schmidberger) Aber: Welche Formen nimmt Integration an, welche Aspekte stehen im Vordergrund, wie sind sie miteinander verbunden? Und: Was ist dann Des-Integration? 45 Der Begriff der Integration Quelle: Claus Giering 1997, S. 22 46 Der Begriff der Integration aus politikwissenschaftlicher Sicht Politische Integration = Integration als gemeinsame politische Entscheidungsfindung bzw. als gemeinsame Durchführung politischer Entscheidungen Drei Dimensionen der politischen Integration (Holzinger u.a. 2005: 20-22): – sektorale Dimension = Anzahl der einbezogenen Politikfelder (Ausdehnung) – vertikale Dimension = Kompetenzfülle der integrierten Politikbereiche (Vertiefung) – horizontale Dimension = Territoriale Reichweite der integrierten Politikbereiche (Erweiterung) 47 Der Begriff der Integration aus politikwissenschaftlicher Sicht Integration als gemeinsame politische Entscheidungsfindung bzw. als gemeinsame Durchführung politischer Entscheidungen Supranationale Integration = Verlagerung der Kompetenz zur Entscheidungsfindung und Entscheidungsdurchsetzung auf eine politische Gemeinschaft – Ausschließliche Zuständigkeit – Verbindlichkeit der Beschlüsse – Autonome Rechtsordnung – Unmittelbare Wirkung der Rechtsakte – Vorrang des Gemeinschaftsrechts – Starke Rolle von Kommission, Parlament und EuGH – Mehrheitsentscheidungen 48 Der Begriff der Integration aus politikwissenschaftlicher Sicht Integration als gemeinsame politische Entscheidungsfindung bzw. als gemeinsame Durchführung politischer Entscheidungen Intergouvernementale Integration (oder auch: Kooperation) = zwischenstaatliche Kooperation ohne Verlagerung von Entscheidungs- und Durchführungskompetenzen – Keine originäre Zuständigkeit – Keine unmittelbare Wirkung der Rechtsakte, Beschlüsse müssen in nationales Recht umgesetzt werden – Schwache Rolle von Kommission, Parlament und EuGH – Starke Rolle von Rat und Europäischem Rat – Einstimmigkeitsprinzip – Koordinierung dominiert über Rechtsetzung 49 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Ausgangspunkt: Die EU in der Krise (2) Formalia und Organisation (3) Programm der Vorlesung (4) Literatur zur Vorlesung (5) Der Begriff der Integration (6) Motive und Strategien der europäischen Einigung 50 Motive der europäischen Einigung Suche nach einer neuen Identität Sicherheit und Frieden, insbesondere das „Problem Deutschland“ Freiheit, Freizügigkeit und Menschenrechte Wohlstand Behauptung gegenüber den Supermächten: „Dritte Kraft“  Aber auf welchem Weg? 51 Welches Europa soll es sein ? Bundesstaat Europa ? FÖDERALISTISCHE STRATEGIE FUNKTIONALISTISCHE STRATEGIE Zweckverband Europa ? ÖKONOMISTISCHE STRATEGIE Wirtschaftsraum Europa ? Staatenbund Europa ? UNIONISTISCHE STRATEGIE STRATEGIE DER FLEXIBLEN INTEGRATION Europa a la carte?  Es gehört zu den Erfolgsgeheimnissen der Integration, dass sich – bis heute – keine Strategie durchgesetzt hat  Der Begriff der Integration besaß den Charme der „konstruktiven Mehrdeutigkeit“ (Wessels) 52 Am Samstag kam das Sams zurück… 53 Was ist die Europäische Union? Internationale Organisation ? Supranationale Organisation ? Internationales Regime ? Zweckverband ? Staatenbund ? Staatenverbund ? Bundesstaat ? Konkordanzsystem ? Fusionierter Föderalstaat ? Supranationale Union ? Politisches System ? Mehrebenensystem ?  Auch nach 70 Jahren Integrationsgeschichte wird diese Frage 54 in der Forschung unterschiedlich beantwortet In den nächsten Sitzungen… …geht es um die Geschichte der europäischen Integration von den Anfängen nach dem 2. Weltkrieg bis in die Gegenwart Sie können sich darauf vorbereiten mit Hilfe …der Lehrbücher, die fast alle einen historischen Teil haben …der historischen Überblicken, die es in fast jedem Lehrbuch zur Europäischen Integration gibt Nächste Sitzung: 22.4.2024, 10-12 h 55 Europäische Integration 7. Sitzung: Europäisches Parlament - Parteien und Wahlkampf in der EU Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 1 Terminfolge der Vorlesung 10.6.2024 Europäischer Gerichtshof, Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ausschuss der Regionen - Die Wahlen zum Europäischen Parlament - Ergebnisse und Analysen 17.06.2024 Erweiterung und Nachbarschaft der EU - Haushalt der EU - Entscheidungsverfahren und policy-making 24.06.2024 Die Politiken der EU I - Binnenmarkt, Währung, Strukturpolitik 01.07.2024 Die Politiken der EU II - Innen- und Justizpolitik - Die Politiken der EU III - Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik 08.07.2024 Abschluss und Ausblick: Die Zukunft der europäischen Integration 15.07.2024 10:00 h Prüfung der Vorlesung (1. Prüfungstermin) 07.10.2024 10:00 h, Prüfung der Vorlesung (2. Prüfungstermin) Sie können sich ab heute anmelden: Melden Sie sich zur Prüfung an! Beide Prüfungen werden in Präsenz durchgeführt! 2 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Grundlagen (2) Wahlen und Wahlergebnisse (3) Europäische Parteien (4) Fraktionen (5) Funktionen des EP (6) Literatur 3 Die EU – eine repräsentative Demokratie ? Art. 10 EUV (1) Die Arbeitsweise der Union beruht auf der repräsentativen Demokratie. (2) Die Bürgerinnen und Bürger sind auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten. Die Mitgliedstaaten werden im Europäischen Rat von ihrem jeweiligen Staats- oder Regierungschef und im Rat von ihrer jeweiligen Regierung vertreten, die ihrerseits in demokratischer Weise gegenüber ihrem nationalen Parlament oder gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft ablegen müssen. (3) Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen. Die Entscheidungen werden so offen und bürgernah wie möglich getroffen. (4) Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei 4 Europäisches Parlament 5 Europäisches Parlament 6 Entwicklung des Parlaments EGKS- sowie später EWG- und EURATOM-Verträge sehen eine „Versammlung“ mit Mitgliedern der nationalen Parlamente vor seit 1958 Selbstbezeichnung als „Europäisches Parlament“ (EP), die erst die Einheitliche Europäische Akte (EEA) vertragsrechtlich nachvollzieht seit 1979 Direktwahl des EP, seitdem das einzige direkt demokratisch legitimierte Organ der EU Mit der EEA setzt eine sukzessive Ausweitung der Kompetenzen des EP ein – Vom Verfahren der Zusammenarbeit zum Mitentscheidungsverfahren: Das Parlament ist zum (fast) gleichberechtigten Partner des Rates in der Gesetzgebung geworden – Zustimmung bei der Wahl der Kommission und ihrer Präsidentin Das EP besitzt Selbstorganisationsrecht (mit Ausnahme des Sitzes) 7 Strukturdaten „Das Parlament setzt sich aus Vertretern der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zusammen “ (Art. 14 EUV) maximal 751 Abgeordnete Ab 2024: 720 Abgeordnete (zuvor 705, vor dem Brexit: 751) multinationale Zusammensetzung Wahlperiode: 5 Jahre 3 Arbeitsorte: Straßburg (12 Wochen im Jahr), Brüssel, Luxemburg 8 9 Die Präsidentin Wahl für 2,5 Jahre mit anschließender Wiederwahlmöglichkeit Unterstützung durch 14 Vizepräsidenten und 5 Quästoren mit beratender Funktion Verkörperung des Parlaments nach außen und in den Beziehungen zu anderen Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft Leiterin des Parlaments, der Organe (Präsidium und Konferenz der Präsidenten) und aller Debatten Vertreterin des Parlaments in Außenbeziehungen und Rechtsangelegenheiten Unterzeichnerin bei Verabschiedung des Haushaltsplans der EU sowie bei allen Präsidentin Roberta Rechtsakten, die der Mitentscheidung unterliegen Metsola (Malta, EVP) 10 Degressiv proportionale Verteilung der Sitze! (Stand: 2014) 11 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Grundlagen (2) Wahlen und Wahlergebnisse (3) Europäische Parteien (4) Fraktionen (5) Funktionen des EP (6) Literatur 12 Die Wahl zum Europäischen Parlament Die Wahlen finden innerhalb eines zeitlichen Korridors statt (2024: 6. - 9.6.) Aktives und passives Wahlrecht für alle Unionsbürger In allen Mitgliedstaaten: Verhältniswahlsystem Wahlen sind frei, direkt und geheim Unterhalb dieser Grundentscheidung weichen die Wahlsysteme aber voneinander ab – Prozent-Hürden – Vorzugsstimme – Aktives Wahlrecht 18 / Passives Wahlrecht unterschiedlich Alle Mitgliedstaaten haben ein festes Sitzkontingent 13 14 Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 in Deutschland https://www.europawahl-bw.de/fileadmin/europawahl- bw/2019/ergebnisse/ergebnis_euwahl19_gewinn_verlust_dt.jpg 15 Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 in Deutschland https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2019-05-26-EP- DE/charts/index/chart_384333.jpg 16 Parlamentarier aus Schleswig-Holstein im EP Niclas Herbst Delara Burkhardt Rasmus Andresen Patrick Breyer (CDU, EVP) (SPD, S&D) (Bündnis 90/Die (Piraten, Grüne/EFA) Grünen, Grüne/EFA) 17 Die Wahl 2019 fand noch mit Großbritannien statt, deshalb gab es am Wahltag 751 Abgeordnete! 18 Die „second-order election“-These Die Wahlen zum EP gelten als „second-order-elections“ (Reif/Schmit 1980) – Wähler/innen messen der EP-Wahl nur nachgeordnete Bedeutung bei – Nationale Themen, Parteien und Personen bestimmen die Wahl – „Perhaps the most important aspect of second-order-elections is that there is less at stake.“ (Reif/Schmitt 1980: 9) Konsequenzen – Geringe Wahlbeteiligung – Regierungsparteien verlieren im Vergleich zur letzten nationalen Wahl, Ausmaß der Verluste abhängig vom Wahlzyklus – Große Parteien verlieren im Vergleich zur letzten nationalen Wahl – Wähler/innen sind eher bereit, eine Partei zu wählen, die sie auf nationaler Ebene nicht wählen würden Literatur: Reif, Karlheinz/Schmitt, Hermann: Nine second-order national elections: a conceptual framework for the analysis of European election results. In: European Journal of Political Research 8 (1980), S. 3-45. 19 Wahlbeteiligung 2019 EU Gesamt: 50,7 D: 61,4 20 Second-order election? Träger, Hendrik: Die Europawahl 2014 als second-order-election. Ein Blick in alle 28 Staaten. In: Kaeding, Michael/Switek, Niko (Hrsg.): Die Europawahl 2014. Spitzenkandidaten, Protestparteien, Nichtwähler. Wiesbaden: Springer VS 2015, S. 33-44. Bei Second-Order-Elections… 1) …fällt die Wahlbeteiligung niedriger aus als bei First-Order- Elections. 2) …gibt es mehr ungültige Stimmen (aus Unzufriedenheit). 3) …verlieren die nationalen Regierungsparteien, während Parteien der Opposition zulegen. 4) …gewinnen kleine Parteien, während große Parteien verlieren. 21 These 1: Wahlbeteiligung 2019 Träger, Hendrik/Anders, Lisa H.: Die Europawahl 2019 – wieder eine second-order-election? Eine Analyse der Wahlergebnisse in den 28 EU-Staaten. In: Kaeding, Michael u.a. (Hrsg.): Die Europawahl 2019. Ringen um die Zukunft Europas. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 315. 22 These 2: Ungültige Stimmen 2019 Träger, Hendrik/Anders, Lisa H.: Die Europawahl 2019 – wieder eine second-order-election? Eine Analyse der Wahlergebnisse in den 28 EU-Staaten. In: Kaeding, Michael u.a. (Hrsg.): Die Europawahl 2019. Ringen um die Zukunft Europas. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 319. Für CZ und GB kein Vergleich möglich. 23 These 3: Regierungsparteien verlieren 2019 Träger, Hendrik/Anders, Lisa H.: Die Europawahl 2019 – wieder eine second-order-election? Eine Analyse der Wahlergebnisse in den 28 EU-Staaten. In: Kaeding, Michael u.a. (Hrsg.): Die Europawahl 2019. Ringen um die Zukunft Europas. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 321. Schwarz: Alle Regierungsparteien verlieren, Gestrichelt: Teile gewinnen, Teile verlieren, Punktiert: Spezialfälle. Keine Angaben zu B, FIN, CR. 24 These 4: Kleine Parteien gewinnen 2019 Träger, Hendrik/Anders, Lisa H.: Die Europawahl 2019 – wieder eine second-order-election? Eine Analyse der Wahlergebnisse in den 28 EU-Staaten. In: Kaeding, Michael u.a. (Hrsg.): Die Europawahl 2019. Ringen um die Zukunft Europas. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 319. Als „kleine Partei“ werden alle Parteien gezählt, die bei der letzten Parlamentswahl < 5 Prozent erreicht haben. 25 Immer noch second order? Insgesamt zeigt sich die SOE erstaunlich robust, wenngleich sie nicht jedes Ergebnis gut erklären kann (siehe z.B. Ehin P, Talving L. Still second-order? European elections in the era of populism, extremism, and Euroscepticism. Politics. 2021;41(4):467-485). Deutlich wird aber auch, dass die Fragmentierung der nationalen Parteiensysteme der Erklärungskraft Grenzen setzen 26 Alternative Erklärung: Politisierung Wachsendes Bewusstsein: Die Öffentlichkeit erkennt, dass durch die EU verbindliche Entscheidungen gefällt werden und dass durch die Herrschaft ausgeübt wird Polarisierung: Die EU wird zum Gegenstand expliziter Ablehnung, aber auch Zustimmung Mobilisierung: Immer mehr Akteure richten ihre politischen Aktivitäten auf die EU und ihren Entscheidungsprozess aus Die Ergebnisse der EP-Wahlen sind nicht für alle Menschen second order, sondern für viele first order EP-Wahlen haben ein eigenes Gewicht, sie sind Wahlen über europäische Themen Neue Konfliktlinie (Hooghe/Marks und andere): GAL / TAN Indikatoren: Zugewinn für anti- und proeuropäischen Parteien 27 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Grundlagen (2) Wahlen und Wahlergebnisse (3) Europäische Parteien (4) Fraktionen (5) Funktionen des EP (6) Literatur 28 Europäische Parteien Grenzüberschreitende Kontakte zwischen Parteien haben eine lange Tradition Das Europäische Parlament wird innerhalb von EGKS, EWG und EAG zum Kristallisationspunkt der transnationalen Verflechtung Zur Gründung von europäischen Parteien kommt es im Vorfeld der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament 1979 – Bund der Sozialdemokratischen Parteien der EG (1974) – Europäische Volkspartei (1976) – Föderation der Liberalen und Demokratischen Parteien der EG (1976) – Europäische Freie Allianz (Regionalparteien) (1981) – Europäische Koordination der Grünen Parteien (1984) 29 Die Parteienverordnung Vertrag von Nizza schafft mit dem „Parteienartikel“ (heute Art. 224 AEUV) die Grundlage für eine Formalisierung Anerkennung – Rechtspersönlichkeit in einem EU-Mitgliedstaat – Vertretung mit Abgeordneten im EP (oder der nationalen/regionalen Parlamente) aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten – Akzeptanz der Ziele und Grundsätze der Grundsätze der Europäischen Union – Absicht zur Teilnahme an Wahlen des Europäischen Parlaments Derzeit (Juni 2024) sind 10 europäische Parteien bei der Authority for European Political Parties and Foundations registriert 30 Europäische Parteien EVP – Europäische Volkspartei (u.a. CDU, ÖVP, spanische PP) SPE – Sozialdemokratische Partei Europas (SPD, französische PS, spanische PS) ALDE – Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (FDP, dänische Venstre, niederländische D66) ECR – Europäische Konservative und Reformisten (Schwedendemokraten, polnische PiS) EGP – Europäische Grüne Partei (B90/G, grüne Parteien) IDP – Identität und Demokratie Partei (österr. FPÖ, französische RN, italienische LN) EL – Partei der Europäischen Linken (Linkspartei, griechische Syriza) Europäische Freie Allianz (Regionalparteien, z.B. SSW) ECPM – European Christian Political Movement (Bündnis C, Familienpartei) EDP – European Democratic Party (Freie Wähler) 31 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Grundlagen (2) Wahlen und Wahlergebnisse (3) Europäische Parteien (4) Fraktionen (5) Funktionen des EP (6) Literatur 32 Fraktionen im Europäischen Parlament Weil das EP nicht nach dem Muster Regierung/Opposition funktioniert, ist die Hauptaufgabe die „beständige Suche nach und Stabilisierung von informell verabredeten Mehrheiten“ (Maurer) Zur Bildung müssen mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten (derzeit 7) zusammenkommen Fraktionen weisen mehr oder weniger starke ideologische und politisch-kulturelle Fragmentierung auf Unterschiedliche integrationspolitische Grundpositionen in den Fraktionen Nationalität versus „Parteilinie“ Dennoch nimmt die Kohärenz der Fraktionsabstimmungen zu! 33 Die Wahl 2019 fand noch mit Großbritannien statt, deshalb gab es am Wahltag 751 Abgeordnete! 34 Sitzverteilung aktuell (Stand: Juni 2024) EVP 176 23 CDU, 6 CSU, 1 Familie Christdemokraten, Konservative S&D 139 16 SPD Sozialdemokraten Renew (ehemals ALDE) 102 5 FDP, 2 FW Liberale, Zentristen ID (Identität und Demokratie) 49 Rechtspopulisten, Rechtsextreme Grüne/EFA 21 Grüne, je 1 Piraten, ÖDP, 72 Grüne, Regionalparteien Volt, 1 ex-Die Partei EKR 69 1 Bündnis Deutschland Konservative, EU-Skeptiker GUE/NGL 37 5 Linke Linke, Kommunisten 9 AfD, 1 Die Partei, 1 ex- fraktionslos 61 Tierschutz, 1 ex-AfD 705 96 35 Zusammensetzung des EP 1979-2019 Aus: Maurer, Andreas: Das Europäische Parlament im Spannungsfeld seiner Funktionsprofile. In: Becker/Lippert (Hrsg.): 36 Handbuch Europäische Union. Wiesbaden: Springer VS 2020, 400. Stärkeverhältnisse der Fraktionen Quelle: Von Baba66 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42257098 37 Große Koalition versus Mitte/rechts und Mitte/links Traditionell dominiert im EP eine informelle Koalition zwischen Christdemokraten und Sozialisten Daneben gab es aber auch policy-Mehrheiten, bei denen EVP und S&D versucht haben, ohne einander die Abstimmungen zu gewinnen Seit 2019 besitzen EVP und S&D keine gemeinsame Mehrheit mehr, deshalb geraten Grüne/EFA und renew in eine neue Schlüsselrolle bei der Mehrheitsbildung 38 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Grundlagen (2) Wahlen und Wahlergebnisse (3) Europäische Parteien (4) Fraktionen (5) Funktionen des EP (6) Literatur 39 Funktionen des EP Wahlen Kontrolle Politikgestaltung – Rechtsetzung – Haushalt – Außenbeziehungen 40 Wahlen Das Parlament – wählt den Kommissionspräsidenten, der vom Europäischen Rat unter Berücksichtigung der Wahlen zum Europäischen Parlament vorgeschlagen wird (Art. 17 (7) EUV) – stimmt dem Kollegium der Kommissare nach einer intensiven Befragung zu – wählt den Europäischen Bürgerbeauftragten 41 Wahlen: Investitur der Kommission: Art. 17 EUV (7) Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Erhält dieser Kandidat nicht die Mehrheit, so schlägt der Europäische Rat dem Europäischen Parlament innerhalb eines Monats mit qualifizierter Mehrheit einen neuen Kandidaten vor, für dessen Wahl das Europäische Parlament dasselbe Verfahren anwendet. Der Rat nimmt, im Einvernehmen mit dem gewählten Präsidenten, die Liste der anderen Persönlichkeiten an, die er als Mitglieder der Kommission vorschlägt. Diese werden auf der Grundlage der Vorschläge der Mitgliedstaaten entsprechend den Kriterien nach Absatz 3 Unterabsatz 2 und Absatz 5 Unterabsatz 2 ausgewählt. Der Präsident, der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und die übrigen Mitglieder der Kommission stellen sich als Kollegium einem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments. Auf der Grundlage dieser Zustimmung wird die Kommission vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt. (8) Die Kommission ist als Kollegium dem Europäischen Parlament verantwortlich. Das Europäische Parlament kann nach Artikel 234 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einen Misstrauensantrag gegen die Kommission annehmen. Wird ein solcher Antrag angenommen, so müssen die Mitglieder der Kommission geschlossen ihr Amt niederlegen, und der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik muss sein im Rahmen der Kommission ausgeübtes Amt niederlegen. 42 Schlägt vor mit qualifizierter EU Mehrheit, berücksichtigt das Ergebnis der EP- Europäischer Rat Wahlen Präsident der Kommission Die Wahl der Kommissare Wird Gewählt durch Ernennt mit Qualifizierter Mehrheit EP Europäischer Rat Kommission nimmt ihre Arbeit auf. EP Benötigen Zustimmung durch Ernennen Kommissare + Präsident der Mitgliedstaaten Schlagen Kommissare vor Mitgliedstaaten Kommission im Rat im Rat 43 © Europäische Kommission 2006 Wahlkampf 2024: Bestimmen die Wähler/innen über den Kommissionspräsidenten? 44 Funktionen des EP Wahlen Kontrolle Politikgestaltung – Rechtsetzung – Haushalt – Außenbeziehungen 45 Kontrolle Das Parlament kontrolliert die Kommission und (aber nur im Rahmen der GASP) den Rat – „Die Kommission ist als Kollegium dem Europäischen Parlament verantwortlich“ (Art. 18 EUV) – Das Parlament kann mit 2/3 der Stimmen und der Mehrheit der Mitglieder der Kommission das Misstrauen aussprechen (Art. 234 AEUV) und damit zum Rücktritt zwingen – Untersuchungsausschüsse – Anfragen an Rat, Kommission und EZB – öffentliche Debatten des Gesamtberichts der Kommission – Entlastung der Kommission für die Haushaltsführung Petitionsrecht der Bürger Parlament wählt den EU-Ombudsman Der Präsident des Europäischen Rates berichtet nach den Tagungen der Staats- und Regierungschefs im Parlament 46 Funktionen des EP Wahlen Kontrolle Politikgestaltung – Rechtsetzung – Haushalt – Außenbeziehungen 47 Politikgestaltung: Rechtsetzung Mit Lissabon massive Ausweitung der Legislativbefugnisse – Durch Lissabon Ausdehnung der Mitentscheidung auf weitere 40 Politikbereiche – Nunmehr sind fast alle Politikbereiche im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren – Aber: Von der Mitentscheidung sind ausgenommen z.B. Aufenthaltsrecht, soziale Sicherheit, Steuerharmonisierung, umweltpolitische Fragen mit Finanzbestimmungen, Familienrecht Verfahren der Mitentscheidung („ordentliches Gesetzgebungsverfahren“) als Regelfall, außerdem: – Zustimmung – Konsultation/Anhörung – Unterrichtung – keine Beteiligung 48 Politikgestaltung: Rechtsetzung Vorschläge der Kommission werden in den Ausschüssen bearbeitet (federführend bzw. mitberatend) Zentrale Rolle des Berichterstatters – bereitet den Bericht des Ausschusses an das Plenum vor – Ansprechpartner für die interinstitutionellen Verhandlungen (Trilog) mit Rat und Kommission Dominanz der großen Fraktionen Konsensorientierung Dualismus von Regierung und Opposition fehlt Das Europäische Parlament hat kein Initiativrecht, es kann die Kommission nur zur Gesetzgebung auffordern (Art. 225 AEUV) 49 Politikgestaltung: Ausschüsse des EP Aus: Maurer, Andreas: Das Europäische Parlament im Spannungsfeld seiner Funktionsprofile. In: Becker/Lippert (Hrsg.): Handbuch Europäische Union. Wiesbaden: 50 Springer VS, 407. Nutzung der Entscheidungsverfahren 51 Wessels, Das politische System, 2. Aufl., S. 140 Politikgestaltung: Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren Typische Punkte für Trilog- Verhandlungen © Grafik: Gesellschaft Agora 52 Zeitpunkt der Annahme von Mitentscheidungsbeschlüssen 53 Wessels, Das politische System, 2. Aufl., S. 140 Politikgestaltung: Haushalt Erster Schritt: Festlegung der Eigenmittel der EU (Art. 311 AEUV) – Einstimmigkeit im Rat, Konsultation des EP, Ratifizierung durch die nationalen Parlamente Zweiter Schritt: Mehrjähriger Finanzrahmen (Art. 312 AEUV) – Einstimmigkeit im Rat, Zustimmung des Parlaments Dritter Schritt: Jahreshaushaltsplan – Ordentliches Gesetzgebungsverfahren – Trennung zwischen obligatorischen und nicht-obligatorischen Ausgaben entfällt Bilanz: Das Parlament ist gleichberechtigter Haushaltsgesetzgeber, aber nur innerhalb des Rahmens, den die Mitgliedstaaten setzen 54 Politikgestaltung: Das Haushaltsverfahren Quelle: Informationen zur politischen Bildung 279 (2015), S. 29. 55 Politikgestaltung: EP und Außenbeziehungen Zustimmungsrecht beim Beitritt neuer Mitgliedsstaaten in die EU Zustimmungsrecht bei wichtigen internationalen Verträgen, z.B. i.d.R. bei Außenhandelsverträgen (Art. 218 AEUV) Mitentscheidungsrechte in der Handelspolitik (Art. 207 AEUV) De-facto-Mitspracherecht in der GASP durch Haushaltskompetenz 56 Bilanz Das Parlament hat von den Vertragsreformen seit der EEA enorm profitiert – Ausweitung der Kompetenzen durch die Verträge – Ausnutzung der Spielräume durch das Parlament – Lissabon als Durchbruch Aus dem institutionellen Dualismus (Kommission – Rat) ist damit eine „Dreiergeschichte“ geworden Keine einheitlichen Abstimmungsmuster: Zwischen „großer Koalition plus“ und „Rechts-Links“ Das Parlament ist ein Kind der Demokratisierungsbemühungen, aber auch ein Symbol für deren Schwierigkeiten 57 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Grundlagen (2) Wahlen und Wahlergebnisse (3) Europäische Parteien (4) Fraktionen (5) Funktionen des EP (6) Literatur 58 Zum Lesen empfohlen 59 Klausurfragen Zum Beispiel Wodurch unterscheidet sich das Europäische Parlament von den nationalen Parlamenten? Kennt das EP eine Regierungsmehrheit? Repräsentiert das EP das europäische Volk? Was ist eine „second order election“? Welche Argumente sprechen dafür, dass die Salienz der EU bei den Wahlen zum EP zugenommen hat? Skizzieren Sie die Rolle des Parlaments im politischen System der EU? Kann man von europäischen Parteien sprechen? Welche Möglichkeiten hat das EP, die Kommission zu kontrollieren? 60 Europäische Integration 4. Sitzung Die Theorie der Integration Sachzwänge, Präferenzen, Institutionen und die Rolle des Volkes Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 2 Evolution der Integration Integrationsgrad Lissa- Nizza bon Am- 2003 ster- 2009 Maas- dam tricht 1999 1993 EEA 1987 EWG EGKS 1957 1951 Zeit 3 Evolution der Mitgliedschaft Mitglieder 2007 2013 2020 2004 + 2 + 1 -1 + 10 =27 =28 =27 =25 1995 1986 +3 +2 = 15 1981 +1 = 12 1973 1951 +3 = 10 6 =9 Zeit Zeit 4 Wissenschaft: Dem Wunder auf der Spur… 5 Leitfragen der Integrationstheorie Integrationsgrad Lissa- bon 2009 … ein Wunder ? EGKS 1951 Zeit 6 Leitfragen der Integrationstheorie Integrationsgrad Lissa- bon Was ist hier passiert ? 2009 Warum ? Welche Triebkräfte ? Mit welcher Wirkung auf die Akteure ? Wie funktioniert die EU ? Was ist die EU ? EGKS 1951 Zeit Zeit 7 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 8 Allgemeine Definition Theorie: Theorien sind Systeme von Aussagen, die beanspruchen, die beanspruchen, die Wirklichkeit (bzw. Teile davon) zu beschreiben bzw. zu erklären bzw. zu prognostizieren Funktionales Theorieverständnis: Theorien sind „Sätze von Aussagen, die in einem logischen Zusammenhang stehen, die einer wissenschaftlichen Untersuchung als Bezugsrahmen dienen, eine begrifflich-systematische Ordnung der Ergebnisse ermöglichen und zu praktischem Handeln befähigen können“ (Helga Haftendorn). 9 Funktionen von Theorien Selektionsfunktion (aus einer Vielzahl von Daten relevante Fakten auswählen) Ordnungsfunktion (perzipierte Realität strukturieren) Erklärungsfunktion (allgemeingültige Zusammenhänge erkennen) Operative Funktion (Anwendung von Wissen in Forschung und politischer Praxis ermöglichen) 10 Enger vs. weiter Theoriebegriff „Szientistisches“ (sozialwissenschaftliches) Theorieverständnis – Gesetzmäßigkeit des sozialen Handelns wird unterstellt – Systeme generalisierter Hypothesen, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen bestimmen und ursächliche Erklärungen anbieten „Traditionelles“ (geisteswissenschaftliches) Theorieverständnis – Gesetzmäßigkeit des sozialen Handelns wird eher verneint – Konzeptionen und Modelle, die den Gegenstand beschreiben, analytische Zugänge generieren und Bewertungen ermöglichen – „Verstehen“ 11 Theorienvielfalt und Theorienverzweigung Eine einheitliche Theorie der Integration besteht nicht, vielmehr diversifizieren und verzweigen sich die Theorien – Unterschiedliche Perspektiven und Erkenntnisinteressen – Unterschiedliche wissenschaftstheoretische Grundlagen – Unterschiedliche großtheoretische Anknüpfungspunkte – Konjunkturen des wissenschaftlichen Mainstream – Theorien reagieren auf das reale Geschehen 12 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 13 Föderalismus Triebkraft für Integrationsprozesse: Politische Willensentscheidung Schlagwort: Die Funktion folgt der Form Resultat: stabile Gemeinschaft, in der Konflikte im Rahmen allgemein akzeptierter Verfahren und Normen geregelt werden Wichtige Vertreter: Carl Joachim Friedrich 14 Funktionalismus Triebkraft für Integrationsprozesse: Sachzwang „doctrine of ramification“ Schlagwort: Die Form folgt der Funktion Resultat: Aufbau eines immer engeren Netzes technisch-unpolitischer Aktivitäten aufgrund von Lernprozessen Wichtiger Vertreter: David Mitrany 15 Klassischer Neo-Funktionalismus (I) Ein Beginn der Integration zieht immer weitere Integrationsmaßnahmen nach sich „List der funktionalen Idee“ Spill-Over-Effekt – Functional spill-over – Political spill-over – Cultivated spill-over Ernst B. Haas Rationale Akteure lernen, dass Integration vorteilhaft ist 16 Klassischer Neo-Funktionalismus (II) Resultat: Supranationale politischen Einheit Zwei Schlüsselgrößen: Leistungsfähigkeit supra- nationaler Politik sowie Lernfähigkeit nationaler Akteure. Wichtige Vertreter: Haas, Lindberg/Scheingold 17 Klassischer Intergouvernementalismus Kein Automatismus der Integration Staaten werden in Kernbereichen (high politics) ihre Souveränität wahren Integration findet dort statt, wo Regierungen einen gemeinsamen Nenner finden (insbes. in der Wirtschaftspolitik) Regierungen behalten die Kontrolle über den Integrationsprozess Integration ist deshalb auch reversibel Wichtiger Vertreter: Stanley Hoffmann 18 Neo-Neofunktionalismus Verfeinerung der Modelle Variablenbündel und Akteursstrategien Ergebnisoffenheit Komplexität der Modelle erschwert empirische Prüfung Hauptvertreter: Schmitter, Nye 19 Dark ages der Integrationstheorie 20 Liberaler Intergouvernmentalismus 21 Liberaler Intergouvernementalismus Die Präferenzen eines Staates spiegeln gesellschaftliche Konfliktlinien wider (Liberale Theorie der Präferenzformation) Auf zwischenstaatlicher Ebene werden die zentralen Linien des Integrationsprozesses ausgehandelt Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners (aber auch side-payments) Rationales Institutionenverständnis: principal-agent-Theorie Andrew Moravcsik Regierungen behalten die Kontrolle über den Integrationsprozess Wichtige Vertreter: Moravcsik 22 Historischer Institutionalismus „Institutions matter“ Institutionen: „Persistent and connected sets of rules (formal and informal) that prescribe behavioral roles, constrain activity, and shape expectations.“ (Robert O. Keohane) Präferenzen entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern im institutionellen Rahmen Regierungen sind durch Institutionen in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt, sie können den Integrationsprozess nicht vollständig kontrollieren Pfadabhängigkeit des Institutionenwandels Hauptvertreter: Paul Pierson 23 Sozialer Konstruktivismus Sozialkonstruktivismus stellt die Ontologie des Rationalismus in Frage „Logic of appropriateness“ statt „logic of consequentiality“ Wirkung von Institutionen: EU-Mitgliedschaft bleibt nicht folgenlos, sondern prägt die Identität der beteiligten Akteure Das Handeln basiert auf Normen und Identitäten – EU als Wertegemeinschaft – Sozialisationseffekte der Mitgliedschaft 24 Die EU als politisches System Die EU ist durch mehrere Ebenen übergreifende Handlungssysteme und neuartige Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse gekennzeichnet Die Dynamik der Integration wird durch das policy- making im politischen System der EU bestimmt Perspektivenvielfalt: Internationale Beziehungen und Vergleichende Regierungslehre – Multi-level-Governance – Politikfeldanalyse – Europäisierungsforschung 25 Postfunktionalismus Die weit vorangeschrittene Integration verändert die Sicht der Bürger/innen auf die EU Politisierung als Kennzeichen der EU – Salienz – Polarisierung – Mobilisierung Selbstbestimmung und Identität treten an die Stelle des Funktionalismus 26 Postfunktionalismus Aus dem „permissive consensus“ ist ein „constraining dissensus“ geworden Die Missachtung des Volkes ist ein Problem der Integrationstheorie – Euroskepsis und euroskeptische Parteien – Deutlicher Rückgang der Zustimmung zur EU – Identität statt Funktionalismus Euroskepsis-Falle: Stillstand und Fragmentierung Hauptvertreter: Liesbeth Hooghe, Gary Marks 27 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und -divergenz (5) Literaturempfehlungen 28 Integrationstheorien im Überblick Liberaler Intergouv. Neofunktionalismus Postfunktionalismus Nachfrage nach Integration Akteure Regierungen und nationale Transnationale Nationale Wähler und Interessengruppen Interessengruppen, Parteien supranationale Organe, Regierungen Ziele Wohlfahrt und Wohlfahrt und Selbstbestimmung und Autonomie/Sicherheit Integration Wohlfahrt Handlungsmotive Rational Rational, aber auch Rational und Identität Lernprozesse Angebot von Integration Akteure Regierungen Regierungen und Nationale Wähler und supranationale Organe Parteien Kontext Regierungsverhandlungen Komplexe Nationale Institutionen Verhandlungssysteme (Regierungen und supranationale Organe) Feedbackprozesse eher nicht eher positiv eher negativ Eigene Fortschreibung von Frank Schimmelfennig, Integrationstheorien, in: Becker/Lippert (Hrsg).: Handbuch Europäische 29 Union (2020), S. 7 Elefanten und europäische Integration Puchala, Donald: Of Blind Men, Elephants and International Integration. In: Journal of Common Market Studies 10 (1972), S. 267 – 284. 30 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 31 Literaturempfehlungen 32 Klausurfragen Zum Beispiel: Was versteht man unter dem Begriff „Theorie“? Was bedeutet „form follows function“? Was versteht man unter dem Begriff „spill-over“? Nennen Sie drei zentrale Aussagen des klassischen Intergouvernementalismus! Was bedeutet: liberaler Intergouvernementalismus? Warum können Regierungen nach Aussagen des historischen Institutionalismus die Kontrolle über den Integrationsprozess nicht zurückgewinnen? Wie erklären verschiedene Integrationstheorien das Binnenmarktprogramm? Wodurch unterscheiden sich die Integrationstheorien, wo gibt es Gemeinsamkeiten? Worauf ist es zurückzuführen, das eine Theorienkonkurrenz und – verzweigung haben? Warum gibt es nicht eine Theorie der Integration? 33 Europäische Integration 2. Sitzung: Die Entwicklung des Integrationsprozesses (Teil I) Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Lernziele der heutigen Sitzung: Verschiedene Integrationsstrategien abgrenzen können Etappen und Meilensteine des (west-) europäischen Integrationsprozesses kennen und beschreiben können Motive und Handlungsspielräume der Akteure einschätzen können Beabsichtigte und nicht beabsichtigte Konsequenzen einmal getroffener Entscheidungen beurteilen können 2 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Die Entwicklung des Integrationsprozesses 3 Wann fängt die Integrationsgeschichte an? Je nach der Dimension, die für den Integrationsprozess für maßgeblich gehalten wird, kommt man zu unterschiedlichen Antworten – Identität – Kultur – Gesellschaft – Wirtschaft – Politische Institutionenbildung 4 Pläne zur politischen Integration Erste Pläne in der Zwischenkriegszeit – Paneuropa-Union (1923) – Briand-Plan für eine europäische föderale Union (1929/30) Die Katastrophe des 2. Weltkrieges verleiht der Europa-Idee massiven Zuspruch Europa-Pläne der Exilregierungen und der Widerstandsbewegung Aber: Nachkriegsordnung basiert (wieder) auf dem Prinzip der Nationalstaatlichkeit 5 Ausgangsbedingungen 6 Anfänge: Die Gründung des Europarates März 1948: Brüsseler Pakt zur sicherheitspolitischen Zusammenarbeit (Benelux, F, GB) April 1948: Gründung der OEEC zur Verteilung der Marshall- Plan-Gelder Mai 1948: Haager Kongress fordert die Gründung eines Europarats Streit zwischen Föderalisten und Unionisten lässt einen Durchbruch zur Supranationalität nicht zu Mai 1949: Gründung des Europarates als intergouvernementale Organisation (Benelux, DAN, F, GB, IRL, I, N, SWE) Europarat heute: 47 Mitglieder, Schwerpunkt: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit 7 Der Schuman-Plan vom 9.5.1950 […] Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offensteht. Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern - die erste Etappe der europäischen Föderation - und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer sie gewesen sind. Die Solidarität der Produktion, die so geschaffen wird, wird bekunden, daß jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich ist. Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft, die allen Ländern offensteht, die daran teilnehmen wollen, mit dem Zweck, allen Ländern, die sie umfaßt, die notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen. […] 8 Der EGKS-Vertrag Großbritannien lehnt Teilnahme ab Ausgangspunkt: Integration Deutschlands statt Gegengewichtsbildung Hauptmotive – F: Sicherheits- und Wirtschaftsinteresse (Aufhebung der Prod. beschr. für Stahl stand bevor) – D: Souveränitätsgewinn (Ruhrstatut, Besatzungsregime) und Westbindung 18.4.1951: Unterzeichnung des EGKS-Vertrages 18.4.1951: Jean Monnet, Robert Schuman, Konrad Adenauer, Walter Hallstein (von links) 9 Die Organe der EGKS 10 Föderalismus revisited? Der Plan für eine EVG Hintergrund: US-Amerikanische Forderung nach deutschem Wehrbeitrag im Zeichen des Korea-Krieges Frage: Europäische Armee oder deutsche NATO-Mitgliedschaft? 24.10.1950: Pleven-Plan – Schaffung einer europäischen Streitkraft – Integrierter Generalstab und gemeinsames Budget – Politische Führung durch europäischen Verteidigungsminister – Einseitige Diskriminierungen Deutschlands (keine eigenen Truppen, kein NATO-Beitritt, Rüstungsbeschränkungen) 27.5.1952: EVG-Vertrag unterzeichnet – Integration auf Divisionsebene – 9-köpfiges EVG-Kommissariat statt EVG-Minister 11 Das Scheitern der EVG Plan der konstitutionellen Unterfütterung durch eine Politische Gemeinschaft (EPG) März 1953: Ad-hoc-Versammlung der EGKS legt EPG- Vertragsentwurf vor, auf den sich die Mitglieder aber nicht einigen können 30.8.1954: Franz. Nationalversammlung lehnt EVG-Vertrag ab, damit ist auch EPG gescheitert Deutschland wird Mitglied der Westeuropäischen Union und der NATO 12 Konsequenzen des Scheiterns der EVG Integration bleibt ein politisches Projekt, aber der Schwerpunkt liegt auf der ökonomischen Dimension Europäische Sicherheit bleibt bis zum Ende des Ost-West-Konflikts zur Domäne der NATO 13 Die List der funktionalen Idee: Die Gründung von EWG und EURATOM Fortsetzung der Einigungsbemühungen im wirtschaftlichen Bereich Juni 1955: Außenministerkonferenz von Messina berät über Spaak-Bericht – stufenweise Einführung eines Gemeinsamen Marktes – Errichtung einer Atomgemeinschaft Juni 1956 – März 1957: Regierungskonferenz Interessen sind komplementär: – F: Euratom, sektorale Integration, Sozialpolitik – D, NL, I: umfassender Ansatz, gemeinsamer Markt 25.3.1957: Römische Verträge werden unterzeichnet – Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft 14 EAG EWG EGKS Förderung der Errichtung eines Bessere Verteilung Kernenergie u.a. durch: gemeinsamen Marktes der Güter u.a. durch: u.a. durch: Forschung und Verbreiterung Abschaffung der Binnenzölle Sicherung der der Kenntnisse Gemeinsame Versorgung des Investitionsförderung Außenhandelspolitik gemeinsamen Marktes mit Kohle und Stahl Kontrollen Gewährung eines freien Personen-, Kapitalverkehrs Preisregulierung Einheitliche Sicherheitsnormen Gemeinsame Agrarpolitik Ausbau des Gemeinsames Produktionspotentials Wettbewerbssystem Handels- und Investitionsförderung Koordinierung der Wirtschaftspolitiken Rechtsangleichung 15 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung „Im Unterschied zu Staaten besitzt die Gemeinschaft keine allumfassende Zuständigkeit. Es gilt vielmehr das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Es besagt, dass Organe der Gemeinschaft nur dann Rechtsnormen erlassen dürfen, wenn sie durch die Gemeinschaftsverträge dazu explizit ermächtigt sind. Die Ermächtigungen werden im einzelnen durch die Mitgliedstaaten in dreifacher Weise definiert: Sie sind jeweils an Sachgegenstand, Organ sowie Handlungstypus gebunden.“ (Claus Giering) 16 Organe der drei Gemeinschaften EG EGKS EAG EWG Ministerrat Rat Rat Hohe Behörde Kommission Kommission Gemeinsame Versammlung Versammlung Versammlung Gerichtshof Gerichtshof Gerichtshof 1967 Fusionsvertrag: Nur noch eine Kommission und einen Rat plus Versammlung und Gerichtshof für alle drei Gemeinschaften 17 Entscheiden in der EWG: Grundtypus KOMMISSION (Initiativmonopol) PARLAMENT (Anhörung/Beratung) RAT (Entscheidung) 18 Erfolge der wirtschaftlichen Integration Freihandelszone 1958: 10% Zollsenkung (Abschaffung der Binnenzölle) 1960er Jahre: weiterer 1968: Zollunion erreicht Zollunion Abbau von Zöllen (zusätzlich Einigung auf gemeinsamen Außenzoll) Gemeinsamer Markt (zusätzlich freier Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen, Kapital) Währungsunion zusätzlich (gemeinsame Währung, gemeinsame Zins- und Geldpolitik ) Wirtschaftsunion (zusätzlich koordinierte Wirtschaftpolitik, „Wirtschaftsregierung“) 19 Alternative zur EWG? Die Gründung der EFTA 20 Föderalisierung oder zurück zum Nationalstaat? Die Krise der 1960er Jahre Fouchet-Pläne (1961/62): intergouvernementale Koordinierung Streit: Atlantisches oder europäisches Europa ? 1963: Deutsch-französischer Freundschaftsvertrag Französisches Veto gegen britischen EWG-Beitritt 1963/1967 Charles de Gaulle (1890-1970) 21 Der Luxemburger Kompromiss EWG-V sah schrittweise Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen vor Eine wichtige Etappe dieses Stufenplanes war der 1.1.1966. Nach diesem Datum wäre insbesondere in der Agrarpolitik mit Mehrheit entschieden worden Französische Politik des „leeren Stuhls“ ab dem 1.7.1965 „I. Stehen bei Beschlüssen, die mit Mehrheit auf Vorschlag der Kommission gefasst werden können, sehr wichtige Interessen eines oder mehrerer Partner auf dem Spiel, so werden sich die Mitglieder des Rates innerhalb eines angemessenen Zeitraums bemühen, zu Lösungen zu gelangen, die von allen Mitgliedern des Rates unter Wahrung ihrer gegenseitigen Interessen und der Interessen der Gemeinschaft gemäß Art 2 des Vertrages angenommen werden können. II. Hinsichtlich des vorstehenden Absatzes ist die französische Delegation der Auffassung, dass bei sehr wichtigen Interessen die Erörterung fortgesetzt werden muss, bis ein einstimmiges Einvernehmen erzielt worden ist. III. Die sechs Delegationen stellen fest, dass in der Frage, was geschehen sollte, falls keine vollständige Einigung zustande kommt, weiterhin unterschiedliche Auffassungen bestehen…“ 22 Stagnation und neue Dynamik Luxemburger Kompromiss bedeutet faktisches Vetorecht für jedes EWG-Mitglied Neue Flexibilität erst nach dem Tod de Gaulles Haager Gipfelkonferenz 1969 – Neue Ziele – Norderweiterung der EG um GB, IRL, DAN und NOR – Schaffung der Währungsunion bis 1980 – Ausbau der Kompetenzen des Parlaments – Vollendung des Agrarmarkts 23 Bilanz der 1970er Jahre (I) – Norderweiterung der EG  gelingt, wenn auch Norwegen ablehnt – Schaffung der Währungsunion bis 1980 (Werner- Plan)  scheitert im Zeichen der Wirtschaftskrise seit 1973 – Europäisches Währungssystem (EWS) 1979  Schwankungsbreiten um +/- 2,25 % – Ausbau der Kompetenzen des Parlaments  gelingt (Haushaltskompetenzen bei nicht- obligatorischen Ausgaben, Direktwahl 1979) 24 Bilanz der 1970er Jahre (II) – Außenpolitische Koordinierung  Schaffung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) außerhalb der EWG-Strukturen – Institutionalisierung der Regierungszusammenarbeit  Aus den Gipfeltreffen wird ab 1974 der Europäische Rat – Griechenland wird 1981 zehnter Mitgliedstaat 25 Zum Lesen empfohlen 26 Europäische Integration 3. Sitzung: Die Entwicklung des Integrationsprozesses (Teil II) Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Lernziele der heutigen Sitzung: Verschiedene Integrationsstrategien abgrenzen können Etappen und Meilensteine des (west-) europäischen Integrationsprozesses kennen und beschreiben können Motive und Handlungsspielräume der Akteure einschätzen können Beabsichtigte und nicht beabsichtigte Konsequenzen einmal getroffener Entscheidungen beurteilen können 2 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Die Entwicklung des Integrationsprozesses 3 Bilanz der 1970er Jahre (I) – Norderweiterung der EG  gelingt, wenn auch Norwegen ablehnt – Schaffung der Währungsunion bis 1980 (Werner- Plan)  scheitert im Zeichen der Wirtschaftskrise seit 1973 – Europäisches Währungssystem (EWS) 1979  Schwankungsbreiten um +/- 2,25 % – Ausbau der Kompetenzen des Parlaments  gelingt (Haushaltskompetenzen bei nicht- obligatorischen Ausgaben, Direktwahl 1979) 4 Bilanz der 1970er Jahre (II) – Außenpolitische Koordinierung  Schaffung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) außerhalb der EWG-Strukturen – Institutionalisierung der Regierungszusammenarbeit  Aus den Gipfeltreffen wird ab 1974 der Europäische Rat – Griechenland wird 1981 zehnter Mitgliedstaat 5 Eurosklerose Wirtschaftskrise führt zur Rückbesinnung auf nationale Wirtschaftspolitik Vetomöglichkeit blockiert Entscheidungen im Rat GB stellt Finanzierung der EG in Frage  Dauerstreit um Haushalt Technologischer Rückstand Europas gegenüber USA und Japan  Notwendigkeit politischer und institutioneller Reformen wird offensichtlich Margaret Thatcher 6 Reformbedarf zu Beginn der 1980er Jahre Verhältnis zwischen Einzelinteressen und Gemeinschaft klären Effektivere und demokratischere Entscheidungsstrukturen schaffen Reformen in den Politikfeldern angehen (Agrarpolitik, Regionalpolitik) Finanzausgleich einer heterogener gewordenen EWG schaffen Internationale Handlungsfähigkeit steigern 7 Der Weg zur Einheitlichen Europäischen Akte Zahlreiche Vorschläge zur Reform der Gemeinschaften – Genscher/Colombo: Europäische Akte – Europäisches Parlament: Europäische Verfassung 1986: Beitritt von Spanien und Portugal Juni 1985: Weißbuch der Kommission zum Binnenmarkt Herbst 1985: Regierungskonferenz Dezember 1985: Europäischer Rat von Luxemburg einigt sich auf die Einheitliche Europäische Akte, die am 1.7.1987 in Kraft tritt 8 Zentrale Inhalte der Einheitlichen Europäischen Akte Die EEA ist die erste große Revision der Gemeinschaftsverträge seit 1958 Vollendung des Binnenmarktes bis zum 1.1.1993 Einführung des Verfahrens der Zusammenarbeit für die Binnenmarktgesetzgebung Zusammenführung der drei Gemeinschaften und der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) in einem Vertrag (= einheitlichen Akte) Erschließung neuer Politikfelder: Umweltpolitik, Forschungs- und Technologie, Sozialpolitik 9 Die 4 Freiheiten des Binnenmarktes https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19286/europaeischer-binnenmarkt/ (23.4.2023) 10 Eine neue Integrationsdynamik Das Binnenmarktprojekt entfaltet eine Sogwirkung… – etwa 300 Rechtsakte werden verabschiedet – Weitgehende Öffnung der nationalen Märkte – Prinzip der gegenseitigen Anerkennung …auch in anderen Politikfeldern – Sozialpolitik (EG-Sozialcharta) – Ausbau der Strukturpolitik – Innen- und justizpolitische Zusammenarbeit und Schengen 11 Warum gelingt der Binnenmarktprozess ? Zentrale Elemente durch EuGH bereits vorgezeichnet (cassis de Dijon) Wahrnehmung des ökonomisch- technologischen Rückstandes war verbreitet Kommission Delors als policy entrepeneur erfolgreich Annäherung der ordnungspolitischen Leitbilder der Regierungen (Neoliberalismus, Deregulierung) Typ der „negativen Integration“ erleichtert Kompromisse Jacques Delors 12 13 Von Luxemburg nach Maastricht Interne Faktoren Externe Faktoren – Neue – Ende des Ost-West- Integrationsdynamik Konflikts – Folgeprobleme des – Vereinigung Binnenmarktes Deutschlands – Reformbedarf der – Wunsch nach institutionellen Mitgliedschaft (EFTA) Ordnung – Unsicherheit über Mittel- und Osteuropa – Aufkeimende Debatte über Globalisierung Mehrheit der Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament treten für eine Vertragsreform ein Großbritannien ist gegen eine Vertiefung der Integration 14 Der Weg zum Maastrichter Vertrag April 1989: Delors- Ausschuss legt Bericht zur WWU vor Oktober 1990: Deutsche Vereinigung Dezember 1990: Beginn der Regierungskonferenzen zur WWU und zur politischen Union 15 Maastricht: Keine Stunde Null, aber eine entscheidende Wegmarke Maastricht war die Wegscheide zur heutigen Struktur 3 Säulen – Gemeinschaftssäule – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres Zweite und dritte Säule bleiben weitgehend intergouvernemental 16 Die 3 Säulen der EU nach Maastricht 17 Maastrichter Reformen Kernstück: Wirtschafts- und Währungsunion Einführung des Mitentscheidungsverfahrens für Binnenmarktgesetzgebung Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung Ausweitung der Politikfelder (Bildung, Verbraucherschutz, Gesundheit, Visa) Zusätzliche Kompetenzen für die EU Schaffung der Unionsbürgerschaft Zustimmungsrecht des Parlaments bei der Investitur der Kommission Protokoll zur Sozialpolitik (ohne GB) 18 19 Die Konvergenzkriterien des WWU-Plans 20 Maastrichter Reformen Kernstück: Wirtschafts- und Währungsunion Einführung des Mitentscheidungsverfahrens für Binnenmarktgesetzgebung Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung Ausweitung der Politikfelder (Bildung, Verbraucherschutz, Gesundheit, Visa) Zusätzliche Kompetenzen für die EU Schaffung der Unionsbürgerschaft Zustimmungsrecht des Parlaments bei der Investitur der Kommission Protokoll zur Sozialpolitik (ohne GB) 21 22 Maastrichter Reformen Kernstück: Wirtschafts- und Währungsunion Einführung des Mitentscheidungsverfahrens für Binnenmarktgesetzgebung Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung Ausweitung der Politikfelder (Bildung, Verbraucherschutz, Gesundheit, Visa) Zusätzliche Kompetenzen für die EU Schaffung der Unionsbürgerschaft Zustimmungsrecht des Parlaments bei der Investitur der Kommission Protokoll zur Sozialpolitik (ohne GB) 23 Kompetenzverteilung nach Maastricht © Wolfgang Schumann 24 25 Die Post-Maastricht-Krise Die Ratifikation gerät zur Legitimationskrise – Referendum in DAN scheitert, gelingt in F nur knapp – Euro-Debatte in D: Maastricht-Urteil des BVerfG – Permissive consensus wird brüchig Institutionelle Fragen hat Maastricht nicht gelöst Norderweiterung 1995 stellt institutionelle Ordnung in Frage Bevorstehende Osterweiterung erhöht Reformdruck noch einmal erheblich  Maastricht II-Regierungskonferenz (ab 1996) hat das Ziel, die EU für die Erweiterung fit zu machen! 26 Amsterdamer Vertrag: Ergebnisse Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Neuer Schub für dieses junge Politikfeld – Vergemeinschaftung der Asyl- und Einwanderungspolitik Reform der GASP (Hoher Vertreter) Koordinierung in der Beschäftigungspolitik Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens und des QMV Institutionelle Reformen bleiben weit hinter den Erwartungen zurück  EU ist nach Amsterdam nicht fit für die Erweiterung! 27 28 Die Osterweiterung 1991: Assoziierungsabkommen 1993: Kopenhagener Gipfel: Beitrittskriterien – Das "politische Kriterium": Institutionelle Stabilität, demokratische und rechtstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten. – Das "wirtschaftliche Kriterium": Eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU-Binnenmarktes standzuhalten. – Das "Acquis-Kriterium": Die Fähigkeit, sich die aus einer EU- Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und Ziele zu eigen zu machen, das heißt: Übernahme des gemeinschaftliche Regelwerkes, des "gemeinschaftlichen Besitzstandes " (Acquis communautaire, ungefähr 80.000 Seiten Rechtstexte) – Fähigkeit der EU zur Aufnahme 29 Der Weg zum Beitritt 1994/96: Beitrittsanträge „Strategie der Heranführung“ + finanzielle Hilfe 1997: Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit EST, PL, SLO, CZ, HU, CYP 1999: Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit BUL, LET,LIT, MAL,ROM,SK 2004: Beitritt zehn neuer Mitglieder 2007: Beitritt von Rumänien und Bulgarien 30 Last exit Nizza Die Regierungskonferenz von Nizza (bis 12/2000, Inkraft seit 2/2003) sollte die institutionellen Fragen lösen, die Ergebnisse bleiben schwach – Verkleinerung der Kommission ab 2005: nur noch 1 Komm. pro Staat – Dreifache Mehrheit im Rat: Stimmen, Staaten und Bevölkerung – Nur geringe Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen – Erklärung von Nizza zum Post-Nizza-Prozess: Verträge sollen einfacher, klarer und verständlicher werden  Regierungskonferenz von Nizza offenbart das Scheitern der klassischen Methode zur Vertragsreform 31 Nizza: Neue Stimmgewichtung in Rat und Parlament Aus: Hrbek, Rudolf: Der Vertrag von Nizza…, 32 archiv.wirtschaftsdienst.eu/downloads/getfile.php?id=291 Das „magische Dreieck“ der Reformdebatte Demokratische Legitimation Kollektive Nationaler Einfluss Handlungsfähigkeit 33 34 Auftrag des Konvents Abgrenzung der Kompetenzen zwischen EU und Mitgliedstaaten Rolle der nationalen Parlamente Institutionelle Architektur einschließlich Reform der Entscheidungsprozesse Reform der einzelnen Politiken Status der Grundrechtecharta 35 Verlauf des Verfassungsprozesses 7/2003: Der Verfassungsentwurf des Konvents wird an den Europäischen Rat von Thessaloniki übergeben 12/2003: Regierungskonferenz scheitert  Hauptstreitpunkt: Qualifizierte Mehrheit im Rat, Zusammensetzung der Kommission 7/2004: Einigung über einen Vertrag über eine Verfassung für Europa, der am 29.10.2004 unterzeichnet wird 5/6/2005: VVE scheitert bei Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden Reaktion der EU: Reflexionsphase 36 37 Gründe für das Scheitern Am 29.5.2005 sagen in F 54,7 % „Non“ Am 1.6.2005 sagen in den NL 61,5 % „Nee“ Die Gründe sind vielschichtig – Ablehnung der Erweiterung, insbesondere der Mitgliedschaft der Türkei – Furcht vor Globalisierung und der Einschränkung traditioneller Strukturen – Unzufriedenheit mit der Politik der EU – Unzufriedenheit mit der Politik der eigenen Regierung – Angst vor einer Dominanz der großen Mitgliedstaaten 38 Von der Reflexion zum Vertrag von Lissabon Reflexionsphase offenbart die Ratlosigkeit der EU, die Ratspräsidentschaften erheben vorsichtig die Meinungen der Regierungen zur Zukunft der EU März 2007: Erklärung zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge unter deutscher Präsidentschaft: Die EU soll bis zu den Europawahlen 2009 auf eine neue Grundlage gestellt werden Juli 2007: Regierungskonferenz wird eröffnet, der VVE ist Ausgangspunkt der Beratungen Oktober 2007: Europäischer Rat einigt sich auf Vertragstext, der am 13.12.2007 unterzeichnet wird Der Kern des VVE bleibt erhalten, er wird aber aller Staatssymbolik entkleidet 39 Klausurfragen Zum Beispiel: Benennen und erläutern Sie die Motive für die europäische Integration! Was sind die zentralen Inhalte der Verträge? Warum war die EGKS/EWG auf 6 Staaten begrenzt? Was versteht man unter dem „Luxemburger Kompromiss“? Benennen und erläutern Sie die drei Säulen des Maastrichter EU- Vertrages! Warum wurde der Nizza-Vertrag als nicht ausreichend für die Erweiterung angesehen? Was war das Besondere an der Konventsmethode? In welchem Verhältnis stehen Verfassungsvertrag und Lissabonner Vertrag? 40 Zum Lesen empfohlen 41 Europäische Integration 6. Sitzung: Der Rat der Europäischen Union Die Europäische Kommission Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Der Rat der Europäischen Union (2) Die Europäische Kommission (3) Literaturempfehlungen 2 Rat der Europäischen Union 3 Im Zentrum des politischen Systems: Der Rat Der Rat ist zusammen mit Der Rat sorgt für die dem Europäischen Abstimmung der Grundzüge Parlament das der Wirtschafts- und Rechtsetzungsorgan Sozialpolitik der Mitgliedstaaten. der Union (Art. 16 EUV) Rat der Der Rat schließt im Namen Europäischen der Union internationale Übereinkünfte zwischen der Der Rat bereitet die Union Gemeinschaft und anderen Sitzungen des Staaten oder internationalen Europäischen Rates vor Organisationen. und setzt dessen Leitlinien um Der Rat und das Der Rat entwickelt die Europäische Parlament Gemeinsame Außen- und üben gemeinsam die Sicherheitspolitik auf den Haushaltsbefugnisse aus vom Europäischen Rat (Art. 16 EUV) ausgearbeiteten Grundlagen. 4 Der Rat im Entscheidungsprozess Intergouvernementales Organ: Repräsentation der mitgliedstaatlichen Interessen Je ein Vertreter auf Ministerebene pro Mitgliedstaat An allen Legislativentscheidungen ist der Rat beteiligt, i.d.R. gemeinsam mit dem Parlament Entscheidungsmodi je nach Materie – Qualifizierte Mehrheit (Regelfall, Art. 16 EUV) – Einstimmigkeit – Einfache Mehrheit Der Rat tagt grundsätzlich öffentlich, wenn er als Gesetzgeber arbeitet 5 Der Rat im Entscheidungsprozess Der Rat ist das zentrale Entscheidungsgremium der EU, seine Rolle wird aber eingeschränkt durch – die Europäische Kommission, die Legislativvorschläge machen muss – die Europäische Kommission, die die Beschlüsse des Rates durchführt – das Europäische Parlament, das in den meisten Politikfeldern mitentscheidet – das Europäische Parlament, das gemeinsam mit dem Rat den Haushalt beschließt Die Stärke des Rates ist zugleich seine Schwäche: Er ist nur handlungsfähig, wenn die erforderliche Mehrheit oder sogar die Einstimmigkeit gefunden wird ! 6 Fachministerräte Allgemeine Angelegenheiten Auswärtige Angelegenheiten (Vorsitz: Josep Borrell) Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (JI) Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucher Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt, Industrie, Forschung, Raumfahrt) Verkehr, Telekommunikation und Energie Landwirtschaft und Fischerei Umwelt Bildung, Jugend und Kultur 7 Beschlussfassung im Rat Seit dem 1.11.2014 gilt grundsätzlich das Verfahren der doppelten Mehrheit (Art. 16 EUV) – 55 Prozent der Staaten, mindestens 15 – 65 Prozent der Bevölkerung Um einen Beschluss zu verhindern, sind mindestens vier Länder erforderlich, die mindestens 35 % der EU-Gesamtbevölkerung stellen. In der Praxis versuchen die Mitgliedstaaten dennoch, eine Einstimmigkeit herzustellen 8 Stimmengewicht mal selbst ausprobieren https://www.consilium.europa.eu/de/council-eu/voting- system/voting-calculator/ 9 10 Vorsitz im Rat: Die Ratspräsidentschaft (hier: ECOFIN) 11 Der Vorsitz im Rat Der Vorsitz im Rat wird nach Art. 16 (9) EUV nach einem „System der gleichberechtigten Rotation“ wahrgenommen, d.h. den Vorsitz hat der Fachminister der Präsidentschaft inne System der Trio-Präsidentschaft (seit 2007) – Drei Staaten, deren

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