🎧 New: AI-Generated Podcasts Turn your study notes into engaging audio conversations. Learn more

Vergleichende Politikwissenschaft PDF

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

Summary

This document provides an overview of comparative political science, covering various schools of thought, including normative-ontological, critical-dialectical, and empirical-analytical approaches. It also touches upon standard works, such as The Civic Culture and The Silent Revolution. The document explores fundamental concepts and methods of political science research.

Full Transcript

Vergleichende Politikwissenschaft Was vergleichen wir? Schulen der Politikwissenschaft normativ-ontologisch: - Frage nach der „guten“ Regierung: was ist das Gute und Richtige? kritisch-dialektisch: - Kritik der Herrschaftsverhältnisse: was soll sein? empirisch-analytisch - an den N...

Vergleichende Politikwissenschaft Was vergleichen wir? Schulen der Politikwissenschaft normativ-ontologisch: - Frage nach der „guten“ Regierung: was ist das Gute und Richtige? kritisch-dialektisch: - Kritik der Herrschaftsverhältnisse: was soll sein? empirisch-analytisch - an den Naturwissenschaften orientierte möglichst wertneutrale Untersuchung der objektiven Realität: was ist? Historische Entwicklung: Ursprünglich eher normativ-ontologisch geprägt Beispiel: Typologisierung und Vergleich von Regierungssystemen bei Aristoteles - Systemtheorie und Behavioralismus ab den 1950er Jahren Policy-Forschung ab den 1970ern und Neoinstitutionalismus ab den 1980ern - Policy-Forschung: Betrachtung der Outputs in Politikfeldern (policies), der politi schen Steuerung und Koordination von Akteuren Neoinstitutionalismus: Fokus auf Institutionen, die Anreizsysteme für Individuen darstellen und so deren Handeln prägen - Weitere Themen: Wahl,- Parteien- und Verbändeforschung, Politische Kultur und Wertewandel, Systemwechsel und Transformation, Demokratiemes- sung, Demokratische Innovationen Standardwerke The Civic Culture - Einstellung zu vier Zielobjekten - System - Input - Output - “Self” als politischer Akteur - Drei Arten von Einstellungen: - Kognition - Affekt - Evaluation - Kategorisierung politischer Kulturen nach Zielobjekten und Einstel- lungsarten Parties und Party Systems - Klassifizierung von Parteiensystemen nach Fragmentierung (Anzahl) und Polarisierung (ideologische Distanz) - Parteiensystem ohne Wettbewerb: - Einparteiensysteme (UdSSR) - Hegemoniale Parteisysteme (mehrere Parteien aber kein Wettbewerb z.B. DDR) - Parteiensystem mit Wettbewerb: - Parteiensysteme mit dominanten Parteien (Indien, Japan) - Zweiparteiensysteme (USA, England, Kanada) - Parteiensysteme mit gemäßigtem Pluralismus (Belgien, Schweiz, Deutsch- land) - Parteiensysteme mit polarisiertem Pluralismus (Weimarer Republik, Ita- lien The Silent Revolution - „Stille Revolution“ in den 1970er Jahren in der Nachkriegsgeneration: - “The values of Western publics have been shifting from an overwhelming emphasis on material well-being and physical security toward greater emphasis on the quality of life. (Inglehart 1977, S. 3)” - Vom Materialismus zum Postmaterialismus** - Materielle Werte: - Ordnung im Staat erhalten - Steigende Preise bekämpfen - Postmaterielle Werte: - BürgerInnen mehr Mitsprache in wichtigen politischen Entscheidun- gen geben - Meinungs- und Redefreiheit schützen Veto Players - Veto-Spieler: Individuelle oder kollektive Akteure, deren Zustimmung Bedingung für einen Politikwechsel ist - Potential eines demokratischen Systems für Politikwechsel nach ist von drei Faktoren abhängig: - Zahl der Vetospieler - Programmatische Distanz zwischen den Spielern - Kohärenz innerhalb kollektiver Spieler - Das „Winset“ ist der Bereich, in dem die Vetospieler gemeinsame akzep- table Überzeugungen finden können The Three Worlds of Welfare Capitalism - Wohlfahrtsstaaten lassen sich durch unterschiedliche Arbeits- und So- zialpolitik klassifizieren - Unterscheidungskriterien: - Dekommodifizierung (eng. _Commodity_ = Handelsware): - Abkopplung sozialer Sicherheit vom Arbeitsmarkt, d.h. die Verrin- gerung der Marktabhängigkeit von Arbeitnehmern - Stratifizierung: - Unterteilung der Gesellschaft in unterschiedlich privilegierte Klassen - Sozialprogramme (Beispiele): - Altersrente: Privat? Staatlich? Betrieblich? Unterschiedliche Rentensysteme für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen? - Krankenversicherung: Staatlich gesichert? Einzahlungen des Arbeitgebers? Nur gewährleis- tet durch private Absicherung? - Kinderversorgung: Staatlich finanzierte Kindertagesstätten? „Persönliche“ Verantwor- tung? Kirchen und andere soziale Einrichtungen? Making Democracy work - “Why do some democratic governments succeed and others fail?” (Putnam 1993, S. 3) - Untersuchung der Performanz italienischer Regionalregierungen - Kriterien der Performanzmessung: - Responsivität: Aufnahmebereitschaft der Regierung für Ansprüche und Präferenzen der BürgerInnen - Effektivität: Effektive Umsetzung der Ansprüche und Präferenzen der BürgerInnen - Dimensionen der Performanz - Politikprozess - Politikverkündung - Politikimplementation - Erklärung unterschiedlicher Performanz: - Sozioökonomische Modernität / Wohlstandsniveau - Politische Institutionen - Bürgergesellschaft - Bürgerschaftliches Engagement als als zentraler Faktor durch Sozialka- pital: - Defintion: “features of social organisation, such as trust, norms, and networks, that can improve the efficiency of society by facilitating co-ordinated actions” (Putnam 1993, S. 167) Vergleichsmethoden 1. Unterscheidung von Methoden Nach Forschungsinteresse Nach: Deduktiv bestehende Forschung überprüfen Induktiv eigene Forschung Nach Analyseebene: Mikro: Individualdaten Makro: Aggregatdaten Nach Fallzahl: (Einzel-)Fallstudie Small-N (Vergleich weniger Fälle) Large-N (Vergleich vieler Fälle) Forschungsinteresse Beschreibung: Feststellung von Daten/Fakten Kausale Erklärung: Ursache → Wirkung abhängige und unabhängige Variablen in der Regel basierend auf Theorien, z.B.: - generelle Theorien wie z.B. Institutionalismus, - Bereichstheorien, z.B. Sozialkapital im Sinne Putnams, - Bezug zu Typologien/Klassifikationen 3. Induktiv-Deduktiv 4. Analyseebenen 5. Fallzahl Fokus auf einzelnem Land oder einer Region, z.B.: Entwicklung des türki- schen Staats, Fallstudie der Wahl in Brandenburg Vorteile: Gründliche Einsicht, oft auch in Prozesse Historische Entwicklungen und Kontexte werden berücksichtigt Hypothesengenerierung für die weitere Forschung Analyse abweichender Fälle Nachteile: Begrenzte Generalisierbarkeit und Theoriebildung Erfordert i.d.R. umfangreiche Feldforschung/ Sprachkompetenzen Selection bias Gute Begründung der Auswahl des Falls ist notwendig! 5. Fallzahl: Small-N (Vergleich weniger Fälle) Voraussetzungen für Vergleich weniger Fälle: Systematische Fallauswahl Klare theoriebasierte Vergleichskriterien Forschungsdesigns: Most Similar Systems Design: Rahmenbedingungen konstant, abhängige Variable variiert Most Different Systems Design: Rahmenbedingungen variieren, abhängige Variable konstant Vorteile: Kombiniert Tiefe und Breite Kann Variationen zwischen Untersuchungseinheiten identifizieren Ermöglicht Theorien mittlerer Reichweite Nachteile: Beschränkte Generalisierbarkeit Selection Bias Häufiges Problem: zu viele Variablen, zu wenige Untersuchungs- einheiten 5. Fallzahl: Large-N-Studien (Vergleich vieler Fälle) Vollerhebung (Grundgesamtheit) oder Stichprobe (Inferenz auf Grundgesamtheit) Umfragedaten oder amtliche Daten Statistische Analysemethoden (Faktorenanalyse, Regressionsana- lyse, usw.) Querschnittanalyse (cross-sectional): Vergleich mehrer Länder zu einem Zeitpunkt Längsschnittanalyse (time-series): Vergleich eines Landes/meh- rerer Länder zu verschiedenen Zeitpunkten Aggregatdatenanalyse (z.B. Arbeitslosenquote) oder Individual- datenanalyse (z.B. berufliche Situation) Vorsicht: Ökologischer (bzw. individualistischer) Fehlschluss Vorteile: Generalisierbarkeit der Ergebnisse Gute Breitenübersicht hinsichtlich der Untersuchungsgebiete Testbarkeit der Gültigkeit durch Teststatistiken Möglichkeit der Wiederholung und Überprüfung der Ergebnisse Nachteile: Nicht feldnahes Vorgehen und deswegen fehlende Tiefe des Wis- sens über Untersuchungsgebiete und Untersuchungsgegenstände Die Relevanz des Kontextes wird relativiert Statistische Ergebnisse sind nicht zwangsläufig bereits (kausa- le) Zusammenhänge in der Realität Nicht alle Fragestellungen können quantifiziert werden 6. Forschungsprozess Demokratiedefinitionen - Etymologie: “demos” = gr. “Staatsvolk”, “kratos” = gr. “Herrschaft” also Volksherrschaft Minimale Demokratiemodelle - Joseph A. Schumpeter (1942): Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie - Kritik der klassischen Demokratiemodelle: - Diverse Interessen von Individuen und Gruppen - Deshalb keine allgemeine Definition des Gemeinwohls - Ohne allgemein anerkanntes Gemeinwohl auch kein Gemeinwillen (Rousseau: volonté générale) Demokratie als Methode: - „The democratic method is that institutional arrangement for ar- riving at political decisions in which individuals acquire the power to decide by means of a competitive struggle for the people’s vote.” (Schumpeter 1942, S. 269) - Demokratie als Wettbewerb der Eliten um Macht und Stimmen - Joseph A. Schumpeter (1942): Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie BürgerInnen und Willensbildung: - Irrationales und inkompetentes politisches Verhalten der Masse - Wille des Volkes entsteht erst im Zuge des politischen Prozesses - Wille der Mehrheit statt Gemeinwillen - Beteiligung der BürgerInnen ausschließlich in regelmäßigen Wahlen Demokratie als Markt: - Politische Entscheidungen sind „Nebenprodukte“ des Konkurrenz- kampfes um Macht - Basis für ökonomische Demokratiemodelle, welche aber durchaus von rationalen WählerInnen ausgehen („rational choice“ und Nutzenmaximierung z.B. bei Downs) Pluralistische Demokratiemodelle - Robert A. Dahl (1971): Participation and Opposition - Partizipation: Beteiligung der erwachsenen Bevölkerung in Wahlen und Teilnahme in Interessengruppen - Wettstreit: wettbewerbsförmige Interessenartikulation, -aggrega- tion und Entscheidungsfindung - Pluralismus knüpft an klassisch-liberale Demokratietheorie an - Vermeidung autoritärer oder totalitärer Herrschaft durch demokratische Mitbestimmung - Verhinderung der „Tyrannei der Mehrheit“ und Gewaltenteilung in der repräsentativen Demokratie - Voraussetzungen der pluralistischen (liberalen) Demokratietheorie: - Effective Participation - Voting Equality at the Decisive Stage - Enlightened Understanding - Control of the Agenda Robert A. Dahl (1971): Polyarchy: Participation and Opposition - Dahl: Demokratie ist ein Idealzustand - In der empirischen Realität existieren nur Polyarchien („Herrschaft durch Viele“) - Sieben Kriterien der Polyarchie: - 1. Wahl und Abwahl der Amtsinhaber - 2. regelmäßige faire und freie Wahlen - 3. inklusives aktives Wahlrecht - 4. passives Wahlrecht - 5. Rede- und Meinungsfreiheit - 6. Informationsfreiheit - 7. Organisations- und Koalitionsfreiheit 4. Partizipatorische und deliberative Demokratiemodelle - Partizipation als zentrale Voraussetzung für eine demokratische Ge- sellschaft (Pateman 1970) - BürgerInnen nicht per se inkompetent und unmündig, sondern können durch Partizipation sozialisiert werden - Psychologischer und emanzipatorischer Effekt von Partizipation - Partizipation in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären (z.B. Arbeitsplatz) Starke“ Demokratie als „Way of Living“(Barber 1994) - Transformation der privaten Individuen zu freien BürgerInnen durch partizipative Selbstbestimmung in der politischen Gemeinschaft - Zusammenleben nicht nur zum gemeinsamen Vorteil, sondern zum Vor- teil der Gemeinsamkeit - Demokratie als Mittel und Ziel - Deliberation und der zwanglose Zwang des besseren Arguments (Ha- bermas 1992) - Deliberation = Suche nach und die Gewichtung von Argumenten für und gegen Handlungsoptionen - Voraussetzungen: Machtfreiheit, Gewaltfreiheit, Gleichheit, Of- fenheit, Inklusion, Respekt - Deliberation der Öffentlichkeit in einer kritischen Zivilgesell- schaft reflektiert politische Entscheidungen und übt Legitimationsdruck aus - Somit ermöglicht öffentliche Deliberation ein höheres Maß an Selbstbestimmung und Rationalität der Politik 5. Die Krise der (repräsentativen) Demokratie Krisensymptome: - Niedrige Wahlbeteiligung: Ein Viertel der Wählerinnen und Wähler scheint sich dauerhaft von der Wahlurne verabschiedet zu haben; - Entkopplung der etablierten Parteien von gesellschaftlich relevanten Themen: Mitgliederverlust bei etablierten Parteien/Volksparteien; - Vertrauensverlust: 80 % der Befragten haben kein oder wenig Vertrauen in Parteien haben (Ipsos Umfrage Januar 2017); - Die Angehängten/‚Verlierer der Globalisierung‘: wachsender Populismus (Kriesi und Pappas 2015); - Aufstieg, Abstieg und Verfestigung von ‚Anti-Establishment-Parteien‘: En Marche (Frankreich), Podemos (Spanien), 5-Sterne (Italien), die Wah- ren Finnen (Finnland), die Aktion unzufriedener Bürger (Tschechien) oder Syriza (Griechenland). - Krisendiagnosen: - Postdemokratie (Crouch 2004): Demokratische Institutionen als formale Hüllen und Wahlen als po- litisches Spektakel, während Entscheidungen von politisch-ökonomischen Eliten gefällt werden - Krise des demokratischen Kapitalismus (Streeck 2013): Renditeinteressen des „Marktvolks“ versus Interesse an sozialen Teilhaberechten des „Staatsvolks“ Kapitalismus und Demokratie – noch vereinbar? - Krise demokratischer Governance (Papadopoulos 2013): Expertokratisierung/Technokratisierung politischer Entscheidungsprozesse und Advocacy-Democracy (Lobbyismus) - Krise der repräsentativen Demokratie (Tormey 2015): Globalisierung, digitale Revolution, Individualisierung, Entschei- dungen zunehmend außerhalb demokratischer Institutionen usw. führen zu Ablösung des repräsentativen Paradigmas durch neue Formen politischer Organisation und Auseinandersetzungen Demokratische Innovation Robert A. Dahl (1971): Polyarchy: Participation and Opposition - Dahl: Demokratie ist ein Idealzustand - In der empirischen Realität existieren nur Polyarchien („Herrschaft durch Viele“) - Sieben Kriterien der Polyarchie: - 1. Wahl und Abwahl der Amtsinhaber - 2. regelmäßige faire und freie Wahlen - 3. inklusives aktives Wahlrecht - 4. passives Wahlrecht - 5. Rede- und Meinungsfreiheit - 6. Informationsfreiheit - 7. Organisations- und Koalitionsfreiheit 4. Partizipatorische und deliberative Demokratiemodelle - Partizipation als zentrale Voraussetzung für eine demokratische Ge- sellschaft (Pateman 1970) - BürgerInnen nicht per se inkompetent und unmündig, sondern können durch Partizipation sozialisiert werden - Psychologischer und emanzipatorischer Effekt von Partizipation - Partizipation in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären (z.B. Arbeitsplatz) Starke“ Demokratie als „Way of Living“(Barber 1994) - Transformation der privaten Individuen zu freien BürgerInnen durch partizipative Selbstbestimmung in der politischen Gemeinschaft - Zusammenleben nicht nur zum gemeinsamen Vorteil, sondern zum Vor- teil der Gemeinsamkeit - Demokratie als Mittel und Ziel - Deliberation und der zwanglose Zwang des besseren Arguments (Ha- bermas 1992) - Deliberation = Suche nach und die Gewichtung von Argumenten für und gegen Handlungsoptionen - Voraussetzungen: Machtfreiheit, Gewaltfreiheit, Gleichheit, Of- fenheit, Inklusion, Respekt - Deliberation der Öffentlichkeit in einer kritischen Zivilgesell- schaft reflektiert politische Entscheidungen und übt Legitimationsdruck aus - Somit ermöglicht öffentliche Deliberation ein höheres Maß an Selbstbestimmung und Rationalität der Politik 5. Verfassungen - Definition: - „In eine besondere Rechtsform gekleidete politische Grundordnung eines Staates“ (Schmidt 2004, Wörterbuch der Politik: 737) - Festlegung der Struktur des Regierungssystems - Staatsform - Katalog von Grund- und Menschenrechten - Festlegung von Verfahrensprozessen - Verfahren zur Gesetzgebung und Verfassungsänderung - Bestimmung der Umstände der temporären Suspension („Aussetzung“) der Verfassung im Ausnahmezustand (Krieg, Notstand etc.). - „Spielregelwerk des politischen Systems“ (H. Vorländer) - Verfassungen beschreiben Basisstrukturen, z.B: - Wer ist wie, wann und auf welche Art am Gesetzgebungsprozess be- teiligt? - Wer wählt, entsendet, ernennt wen? - Verfassungen dienen auch der Legitimierung staatlicher Ordnung sowie der Begrenzung von Staatsgewalt (vor allem Grundrechte, Gewaltentei- lung). - Ausübung von Macht und Herrschaft erfolgt nach in der Verfassung fest- gelegten Regeln (rechtliche Ordnung): → Verhinderung von Willkür. 2. Das Grundgesetz (GG) der BRD Rechtsstaat inklusive Menschen- und Grundrechte - Zentrale Bedeutung der Grundrechte: - Breiter Katalog, der die Eingliederung in die westliche Wertewelt dokumentiert - Schutz des Individuums vor dem Staat (Art. 1 u.a.) - - Betonung des Rechtsstaats: - Abgrenzung zum NS-Unrechtsstaat - Ziel: Zügelung und Zähmung des Staats - Funktionierende Gewaltenteilung mit Legislative, Exekutive und unabhängiger Judikative - Schaffung des Bundesverfassungsgerichts Demokratie - Repräsentative, parlamentarische Demokratie: - Volkssouveränität und Mehrheitsentscheid - Aber auch Grenzen des Mehrheitsentscheids durch Menschenrechte und Rechtsstaat - Wehrhafte Demokratie: - Möglichkeit des Parteiverbots, Art. 21 GG (z.B.: SRP und KPD) - Mögliche Verwirkung von Grundrechten - Ausschluss vom öffentlichen Dienst - Recht auf Widerstand gegen jeden, der die verfassungsmäßige Ord- nung beseitigen will (Art. 20, Abs. 4, GG, seit 1968) - Einsatz der Bundeswehr im Falle der Gefahr Föderaler Bundesstaat - Staatsaufbau mit Tradition: - Anknüpfend an sprichwörtliche „deutsche Vielstaaterei“ - Aber: Bundesländer in den Besatzungszonen vorwiegend neue Gebilde - Ebenfalls Tradition: Exekutivlastigkeit des Föderalismus (Bundes- ratslösung) - Dank Art. 79, GG, mit der „Ewigkeitsgarantie“ versehene Ziele: - Machtbalance, Zügelung der Zentralregierung - Horizontale und vertikale Verschränkung → Notwendigkeit der Konsenssuche (Politikverflechtung) Der Vergleich von Verfassungen gehört zu den ältesten Tätigkeiten der Politikwissenschaft – seit Aristoteles Verfassungsvergleich: - Wie entstehen Verfassungen? - Haben alle Demokratien eine geschriebene Verfassung? - Welche Normen beinhalten Verfassungen? - Wie werden Verfassungen und Verfassungsänderungen nach der Verfassung legitimiert? - Wie leicht oder schwer sind Verfassungsveränderungen? - Verfassung und Verfassungswirklichkeit? - Gründe für Verfassungen/Verfassungsänderungen: „constitutional moment“ (Ackerman 1998) - Nationale Unabhängigkeit (USA, Indien etc) - Regimewechsel (Spanien, Bulgarien etc) - (ökonomische) Krise (Irland etc) - Anpassung an bereits existierendes Regime (Frankreich etc.) - SchöpferInnen von Verfassungen (traditionell): - Verfassunggebende Versammlung bestehend aus entsandten Abgeordne- ten (Parlamentarischer Rat, Constitutional Convention) - Expertengremium (Padres de la constitución) - Volksabstimmung über Annahme der Verfassung (z.B. Spanien, Frank- reich) Kodifizierung von Verfassungen - Die meisten Verfassungswerke sind kodifiziert aber es gibt Ausnahmen. - - In manchen Fällen bleibt der ursprüngliche Verfassungstext unverän- dert und es werden Ergänzungen beigefügt - Der Text der Verfassung der USA ist seit über 200 Jahren unverändert. - Ergänzungen der Verfassung durch sogenannte “Amendments” begonnen - “Amendments” haben verfassungsmäßigen Rang sind aber auch abänderlich 8. Verfassungsgerichtsbarkeiten: Formen und Kompetenzen - Zuständig für rechtlichen Schutz und rechtliche Garantie der jeweili- gen Verfassung - Zwei Grundformen: - Oberstes Gericht, das verfassungsrechtliche Entscheidungen im Rahmen seiner allgemeinen Spruchtätigkeit ausübt, z.B. _Supreme Court_ in den USA. - explizites Verfassungsgericht, z.B. Bundesverfassungsgericht (BVerfG). - Das Bundesverfassungsgericht: Entstehung - Vorgänger war der Staatsgerichtshof der Weimarer Republik (seit 1919)‫‏‬. - Die Kompetenzen dieses Gerichtshofs waren aber nicht so weitreichend wie die des heutigen Bundesverfassungsgerichts. - Früher: - _Keine Normenkontrolle_ - _Keine Überprüfung von Grundrechtsverletzungen aufgrund von Be- schwerden der Bürger_ - _Entscheidungen bei Streitigkeiten der Reichsorgane konnten nicht getroffen werden_ - Verfassungsgerichte erhalten in vielen Demokratien bessere Zufrieden- heits- und Vertrauenswerte als die jeweils gewählten Parlamente: - Sind sie deshalb „besser“ legitimiert? - Verfassungsgerichte können Gesetze, welche von durch Wahl legitimierte Volksvertreter beschlossen wurden, aushebeln: - Ist dies ein undemokratisches, nicht legitimiertes Vorgehen? Legislative & Exekutive der BRD im Vergleich Keine einheitliche Aufgabenzuschreibung in der Literatur, aber zentrale Elemente (z.B. Bagehot 1963, Oberreuter 1992): Gesetzgebung (evtl. in Absprache mit anderen Veto-Spielern, z.B. Zweite Kammer); Wahlfunktion, z.B.: - Wahl von Richtern, - in parlamentarischen Systemen: Ernennung und Entlassung der Regierung Kontrollfunktion, v.a. Kontrolle der Regierung, Artikulations-, Re- präsentationsfunktion, Kommunikations-, Willensbildungsfunktion Initiativrecht: Rolle als ein Agenda-Setzer, um Interessen aus der Gesellschaft in den Politikprozess einzuspeisen. Vorschläge für Problemlösungen. Diskussion von Gesetzesvorlagen („Lesungen“). Verabschiedung von Gesetzen: Parlament = Ort, an dem die für die Gesamtgesellschaft kollektiv ver- bindlichen Entscheidungen getroffen werden (Legislative). Wahlfunktionen: - In parlamentarischen Systemen: i.d.R. Wahl des Regierungschefs, Mög- lichkeit der Abwahl. - Wahl weiterer Amtsträger und oberster Staatsorgane, z.B. oberste Rich- te Kontrollfunktionen: - Kontrolle der Regierung (Exekutive), „schärfstes Schwert: - – parlamentarischen Systemen: Misstrauensvotum z.B. BRD, - – präsidentiellen Systemen: Impeachment-Verfahren z.B. USA. - Festlegung des Haushalts (Budgetfunktion), damit auch: Parlament/Legislative bestimmt Ausführungsaufgaben der Exekutive. Repräsentations- und Artikulationsfunktion Vertretung der Bürger und Bürgerinnen: Parlamente als Repräsentation verschiedenster Teile der Gesell- schaft. Delegate- oder Trustee-Modell?: Sollen Abgeordnete ihre politischen Entscheidungen an den Präferen- zen der Bürger orientieren („Delegate“, Responsivität) Oder an ihrem eigenen Urteil („Trustee“: Fraenkel, Burke)? – Norbert Lammert, ehem. Bundestagspräsident: „Wir haben den Repräsen- tanten für die klugen Entscheidungen zu danken, die sie an manchen Stel- len auch gegen die erkennbare Mehrheitsstimmung der Bevölkerung getrof- fen haben.“ Repräsentations- und Artikulationsfunktion - Sollte das Parlament ein „Spiegel der Bevölkerung“ sein oder ist dies nicht nötig (Quoten-regelungen, Minderheitenvertretung, usw.)? - Sollten Parlamentarier sich als Vertretung von Interessen betrachten oder als „Hüter des Gemeinwohls“? Legitimationsfunktion: „Legitimation durch Kommunikation“ Parlament als Ort der Diskussion zentraler Grundfragen. Herstellen von Öffentlichkeit. Spannungsverhältnis: zwischen Transparenz und Effektivität: – Transpa- renz erhöht die Legitimation, – Transparenz erschwert manchmal effektive Problemlösung (z.B. Kompro- misse, „Kuhhandel“). Willensbildungsfunktion: „Herausbildung“ von „Willen“/Präferenzen/Problemlösungen in und durch Parlamente, z.B. zum Umgang mit neuen Technologien Ein- und Zweikammersysteme Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen und „second thoughts“/ weitere Perspektiven. Vertretung: – i.d.R. Territoriale Vertretung (BRD, USA, Italien) – selten: Vertretung unterschiedlicher Stände, z.B. Adel vs. Bürgertum (UK) - Nach Lijphart: Zweikammersystem Merkmal von Konsensdemokratien - Einfluss der zweiten Kammer basiert auf deren Zusammensetzung (z.B. Di- rektwahl, Ernennung) und Einflussmöglichkeiten *Rede- versus Arbeitsparlament* Redeparlament: - Betonung der politischen Kontroverse - Adressat ist die politische Öffentlichkeit - Selten Ausschüsse, Ausschüsse öffentlich - Häufige Plenardebatten mit klaren Frontlinien - Detailarbeit durch Regierung und in Partei Arbeitsparlament - Betonung der politischen (Detail-) Arbeit - Adressat der Plenardebatten ist die politische Öffentlichkeit, aber: - spezialisierte Ausschüsse (entsprechen im Geschäftsbereichen der Ministerien) mit Vertretern aller Fraktionen - Zentrale Aufgabe der Ausschüsse: Beratung neuer Anträge und Regie- rungsvorlagen (i.d.R. nicht öffentlich) Legislative in der Bundesrepublik *Rechtlicher Rahmen Grundgesetz: - grundlegende Vorgaben für die Wahlen zum Deutschen Bundestag, - legt die Grundzüge der Organisation und Arbeitsweise des Bundestags fest. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages: regelt detailliert Organisation und Arbeitsweise des deutschen Parlaments. Abgeordnetengesetz: legt Rechte und Pflichten der Bundestagsabgeordneten fest, z.B. Garantie der freie Mandatsausübung und Regelung der Leistungsansprüche der Abgeordneten. Rechtlicher Rahmen: Parteiengesetz: regelt die Rechte der politischen Parteien, Vorgaben zur demokra- tischen Struktur und Parteienfinanzierung. Untersuchungsausschussgesetz: - Untersuchungsausschüsse prüfen v.a. mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern - Untersuchungsausschussgesetz regelt die Rechte dieser Ausschüsse Organisation: Selbstorganisation des obersten Verfassungsorgans: – Eigene Geschäftsordnung (Art. 40 GG). - Präsident, Präsidium und Ältestenrat: - – Gewählt durch das Plenum. - – Präsident mit Hausrecht und Polizeigewalt (Art. 40 GG). - – Konventionen: Präsident ist Mitglied der stärksten Fraktion, je ein/e Stellvertreter/in pro Fraktion, Ältestenrat nach Fraktionsstärken zusammengesetzt. - – Aufgaben Präsident, Präsidium, Ältestenrat? - Fraktionen als politische Einheiten: – Fraktionen entsenden Mitglieder in die Ausschüsse. Ausschüsse als fachliche Arbeitseinheiten: - – Ständige Ausschüsse analog zu Regierungs-Ressorts/Ministerien gegliedert + weitere Ausschüsse (s.u.). - – Besetzt gemäß des Stärkeverhältnisses der Fraktionen. *Ständige Ausschüsse* Werden in jeder Wahlperiode neu benannt und besetzt, in der Regel pro Bundesministerium ein Ständiger Ausschuss – + Ausschüsse, die (Grund-)Gesetz/e vorschreiben, z.B. Petitionsaus- schuss + Sonder- und Unterausschüsse Wechselnde Anzahl von Ausschüssen, z.B.: - – 22 + Unterausschüsse (2009) 26 + Unterausschüsse (2012) - – 23 ständige (17. Januar 2018 eingesetzt) + 2 nicht-ständige - – 25 ständige (11. November 2021 eingesetzt) Besetzung nach dem Kräfteverhältnis: - – Verteilung proportional zum Anteil im Bundestag, - – derzeit 9-49 Mitglieder pro Ausschuss, z.B. Ausschuss für Wirt- schaft und Energie: 49 Mitglieder, Wahlprüfungsausschuss: 9 Mitglieder Auch Anzahl der Vorsitze nach Fraktionsstärke: *Aufgaben der Ständigen Ausschüsse:* Fachliche Vorbereitung von Beschlüssen. Nach erster Lesung im Plenum werden Gesetzentwürfe an die betreffenden Fachausschüsse zur Beratung überwiesen. Ausschüsse können aber auch auf eigene Initiative hin tätig werden! Ausschüsse können öffentliche Anhörungen von Interessens- verbänden, -vertretern und Experten durchführen Ausschüsse tagen i.d.R. nicht-öffentlich, können sich aber entscheiden, öffentlich zu tagen (Sportausschuss!). Unterausschüsse: – Von Ausschüssen gebildet ahlfunktion: Regierungsbildung als zentraler Auftrag* → Wahl des Bundeskanzlers nach Art. 63 GG („Kanzlermehrheit“ = Mehrheit der Parlamentsmitglieder oder Mehrheit der abgegebenen Stimmen?). Mitwirkung bei der Wahl des Bundespräsidenten (Bundestag stellt eine Hälfte der Bundesversammlung). Wahl der Hälfte der Richter des BVerfG. Wahl des Wehrbeauftragten. Besetzung der Hälfte der Sitze im Vermittlungsausschuss. Kontrollfunktion: Kontrollrechte des Bundestags gegenüber der Regierung Konstruktives Misstrauensvotum als stärkstes Instrument: − Abwahl des Bundeskanzlers nur bei gleichzeitiger Wahl eines neuen Kanzlers mit absoluter Mehrheit (Art. 67 GG). → Garant für stabile Regierung. Budgetrecht: Abstimmung über den Staatshaushalt. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Art. 44 GG) falls von mind. 25% der Abgeordneten gefordert. Interpellationsrechte → Regierung wird zu Stellungnahmen gezwungen: – GroßeAnfrage,KleineAnfrage,Anfrage einzelner Abgeordneter, Fragestun- de, Aktuelle Stunde, Befragung der Regierung; – Gewinnung von Informationen und Herstellung von Öffentlichkeit. Vertrauensfrage und konstruktives Misstrauensvotum: Repräsentations- und Artikulationsfunktion: Der Bundestag als Vertretung des deutschen Volkes → einziges Staatsorgan in der BRD mit direkter demokratischer Legitima- tion „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, un- mittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Ver- treter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Art. 38 (1) GG → Abgeordnete als Trustee oder Delegate? Sozialstrukturelle Zusammensetzung entspricht nicht der Wahlbevölke- rung, z.B. Männer, Hochschulabsolventen, Beamte überrepräsentiert. *Repräsentations- und Artikulationsfunktion: Freies Mandat und Frakti- onsdisziplin* Fraktionsdisziplin als Notwendigkeit zur Sicherung der Funktionslogik eines parlamentarischen Systems? – Abgeordnete sollten sich an Partei-Wahlprogramm bzw. Fraktionsabstim- mung halten, nicht „jeder für sich“ entscheiden? – Oder: Abgeordnete sollten ihre Wählerschaft/ihren Wahlkreis vertreten, nicht ihre Partei? *Kommunikation und Willensbildung:* Herstellung von Öffentlichkeit durch Diskussion über politische Positio- nen und Entscheidungen: – → Informationen für die Bevölkerung. Der Bundestag zwischen Rede- und Arbeitsparlament: – Kommunikation im Redeparlament: klare Positionierung, „lebendige Diskussion“. – Arbeitsparlament: in Ausschüssen Detailarbeit. Bundestag als Misch-Typ zwischen Rede- und Arbeitsparlament. 8. *Exekutiven: Konzepte und Typologien* Definitionen und Systematisierungen Nach dem Staatsaufbau und der Position im Staatsaufbau: - – Zentralregierung (in einem Zentralstaat), - – Bundesregierung (in einem Bundesstaat), - – Landesregierung (in einem Bundesland). Nach der Machtverteilung gegenüber den Legislativorganen: Parlamentarisches Regierungssystem (Exekutive relativ abhängig vom Parlament, Legislative und Exekutive verschränkt), Semipräsidentielles Regierungssystem (Exekutive relativ unabhängig vom Parlament), Präsidentielles Regierungssystem (Exekutive unabhängig vom Parla- ment). Modus der Auswahl/des „Zustandekommens“ Demokratie durch Wahlen:* - – vom Volk oder - – durch Parlament (+ Ernennung vom Staatsoberhaupt). Monarchie durch Ernennung oder Vererbung. Durch Gewalt, z.B. Militärdiktatur Wählbarkeit eines Regierungsmitglieds häufig von bestimmten Voraus- setzungen abhängig, z.B. Lebensalter (Demokratie), Geschlecht (Monar- chie, Demokratie?), Abstammung (Monarchie). Präsidentielle und parlamentarische Systeme: *Präsidentielle Systeme:* – Staatsoberhaupt und Regierungschef in einer Person Parlamentarische Systeme: – Funktion Staatsoberhaupt und Regierungschef (z.B. Premier, Premiermi- nister, Kanzler/in) getrennt *Aufbau der Exekutive: In der Regel:* 1. Regierungschef, 2. Kabinett (Minister), 3. Ministerien/Ministerialbürokratien, Verwaltungen. Aufgaben der Exekutive: *Durchführungsfunktion:* - – Umsetzung der Vorgaben der Legislative, v.a. Gesetzgebungsbeschlüs- se (Gesetzesvollzug). - – Ergänzung von Gesetzen durch Rechts- und Verwaltungsverordnungen *Steuerungsfunktion:* - – Nur vollziehende Funktion?? Z.B. Gesetzesinitiativerecht. - – Staatsleitung als kooperativer Prozess zwischen Parlament und Re- gierung? - – „Vorstellung der parlamentarischen Mehrheit in die Form konkreter Gesetzesvorschläge bringen“ (Rudzio 2003: 283). Aufgaben der Exekutive: *Steuerungsfunktion*: „Regierung soll den politischen Willen einer parlamentarischen Mehrheit in die Form konkreter Gesetzesvorschläge bringen [...], eine konsistente Politik entwickeln, welche sich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten bewegt.“ (Rudzio, 1991: 296). *Durchführungsfunktion:* „Regierung soll [...] durch ergänzende Rechtssetzung (Verordnungen) so- wie organisatorische, personelle und sachliche Maßnahmen die Realisie- rung jener Vorstellungen [Mehrheitswillens, Anm. B.G.] sichern.“ (ders., 2003 :283/4). 9. Exekutiven im Vergleich Legitimation: Parlamentarisch, Direkt/vomVolkgewählt, Dynastisch(8 Monarchen als Staatsoberhäupter in Europa). Beispiele: Schwedischer König? Britische Königin? Französischer Präsi- dent? Amerikanischer Präsident? Deutscher Präsident? Funktionen: – Repräsentativfunktionen, – Kontrollfunktionen, – Gestaltungsfunktionen – Informale Funktionen,beispielsweise Identitätsstiftung. *Die Exekutive in der Bundesrepublik Deutschland - Parlamentarisches oder präsidentielles System?* *Regierungsbildung/Organisationskompetenz:* Vorschlag der Minister, Festlegung ihrer Bezeichnung, ihrer Zahl und ihres Geschäftsbereiches. Richtlinienkompetenz: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt da- für die Verantwortung.“ (Art. 65 GG). - Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr im Verteidigungsfall - Kompetenz-Begrenzungen durch Koalitionsverträge, Parteipolitik, Bun- desrat, Berichterstattung in den Medien, außenpolitische Zwänge, Wirt- schaftskrisen, leere Staatskassen, verfassungsrechtliche Schranken oder die EU - Kanzler/in: „Alleinherrscher/in“ („Monokratisches Kanzlerprinzip“) oder „wan- delnder Vermittlungsausschuss“? Kanzlerprinzip (Richtlinienkompetenz): *– „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung“ (Art: 65 GG) (Überstimmung durch Kabinettsmehrheit nicht mög- lich, Vorschlag zur Entlassung einzelner Minister usw.).* → formelle Befugnis ungleich tatsächliche Ausübung. Ressortprinzip: - – „Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung“ (Art 65 GG). - – Kontrolle über beachtlichen Verwaltungsapparat (Personalgewalt). - – Minister verantwortet Politik gegenüber dem Bundestag. Kabinettsprinzip: - – Kabinett als Kollektiv- und Kollegialorgan. - – “Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung“ (Art. 65 GG). - – Kollektives Handeln nach außen als Bundesregierung (z.B. Gesetzesinitiati- ven). Parteienstaat: - Alle poliischen Funktionen und Ämter sind in Deutschland Gegenstand des Par- teienwettbewerbs: - – Position des Kanzlers in seiner Partei entscheidend. - – Häufig Rücksichtnahme auf Parteiflügel und -organisationen notwendig. - Koalitionsregierungen von zwei Parteien (bald mehr?) sind die Regel: - – Ministerauswahl liegt bei den Ressorts des Koalitionspartners bei die- ser Partei. - – Bindende Koalitionsverträge. - – Politikkoordination und Kompromisssuche im Kabinett und Koalitionsrun- den. Föderalislus: Politikverflechtung Gegenmacht im Bundesrat: Länderinteressen oder gar parteipolitische Op- positionsmehrheiten Koordinationsdemokratie: Also: Koordinationsmechanismen dominieren: – Innerhalb der Partei, mit der Fraktion. – Mit dem Koalitionspartner, innerhalb und außerhalb des Kabinetts. – Mit dem Bundesrat und allgemein im Föderalismus. *Die Exekutive in der Bundesrepublik Deutschland: Der Bundespräsident* Alle 5 Jahre gewählt durch Bundesversammlung, bestehend aus den Bundestagsab- geordneten + gleicher Anzahl von Personen, welche die Länder entsenden: *häufig Prominente des öffentlichen Lebens, z.B. Schriftsteller, Gewerkschafter, Unternehmer.* Auf der Basis der Einwohnerzahl errechnet sich die Zahl der von den Landespar- lamenten entsprechend der jeweiligen Fraktionsstärke zu wählenden Bundesver- sammlungsmitglieder. Bis zu drei Wahlgängen, bei den ersten beiden Wahlgängen absolute Stimmenmehr- heit nötig, beim dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit. Wahl- und Parteiensysteme *Konzepte zum Vergleich von Wahlsystemen** - Wahlen: - Legitimationsgrundlage repräsentativer Demokratien. - Demokratische Methode zur Bestellung von Personen in Vertretungs- organe (z.B. Bundestag, Stadtrat) oder Führungspositionen (z.B. Bürger- meister, Präsident). - Wahlsysteme: - Institutionelle Arrangements, die Wählerpräferenzen in Wähler- stimmen und schließlich in Mandate transformieren. - “[…] the most manipulative instrument of politics“ (Sartori 1994). *Ziele/Funktionen von Wahlen:* - Partizipation/Beteiligung der Wähler. - Auswahl der Eliten nach vorgegebenen Regeln → Bildung von Parlament und Regierung. - Durch Wahl Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf eine kleine Gruppe zur Entscheidungsfindung - Legitimation der Repräsentanten - Kontrolle der Repräsentanten durch die Wähler (durch Wiederwahl oder Abwahl). - Repräsentation der Wählerinteressen (auch: Verbindung von Wählern und Abgeordneten). - In direktdemokratischen Systemen auch Abstimmungen über Sachentschei- dungen. *Mehrheitswahlsysteme:* - Einfache Mehrheit in Einerwahlkreisen (first-past-the-post) - relative Stimmenmehrheit - ein Wahlgang - Bsp.: Großbritannien, USA, Kanada, Indien - Absolute Mehrheit in Einerwahlkreisen (Zwei-Wahlgang-Systeme) - absolute Stimmenmehrheit notwendig - Wenn absolute Stimmenmehrheit nicht erreicht wird: zwei Wahlgän- ge/Stichwahl - Bsp.: Frankreich: Präsidentschaftswahlen - Absolute Mehrheit mit alternativer Stimmgebung (Alternativwahl) - Absolute Stimmenmehrheit - Angabe einer Alternative - Australien - *Verhältniswahlsysteme*: Listenwahl: Parteilisten - Proportionale Stimmen-/ Sitzverteilung - Bsp.: Israel, Spanien, Portugal, Niederlandel - Kummulieren und Panaschieren *Übertragbare Einzelstimmgebung (single transferable vote)* - Kandidatenwahl - ranggeordnete Stimmen - Bsp.: Irland, Malta - *Mischsysteme* - Personalisierte Mehrheitswahl - Einzelwahl Distrikt – Liste - keine Verschränkung - keine Proportionalisierung - Bsp.: Japan, Russland, Thailand - *Personalisierte Verhältniswahl (mixed member proportional)* - 1. Stimme = Mehrheitswahl - 2. Stimme = Verhältniswahl - Parteistimme = Sitzverteilung - erst Direkt-, dann Listenmandat - Überhangmandate - Bsp.: Deutschland, Italien, Mexiko Das Wahlsystem der BRD - Art. 20 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt_“ [Hervorhebung B.G.]._ - Art. 38 GG: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in all- gemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt“ _ [Hervorhebung B.G.]._ - Allgemein ist die Wahl, wenn grundsätzlich jeder Staatsbürger an ihr aktiv und passiv teilnehmen kann; - Unmittelbar ist die Wahl, wenn die Abgeordneten ohne eine Zwischenstu- fe (etwa über Wahlmänner) bestimmt werden; - Frei ist die Wahl, wenn kein Zwang oder „Stimmenkauf“ besteht; - Gleich ist die Wahl, wenn alle Wähler über die gleiche Zahl von Stim- men verfügen, deren „Gewicht“ ebenfalls gleich ist; - Geheim ist die Wahl, wenn die Wähler ihren Stimmzettel unbeobachtet und unbeeinflusst in einer Wahlkabine selbst ausfüllen und in einem Um- schlag in die Wahlurne werfen können. Bundestagswahl: personalisierte Verhältniswahl - Mit der Erststimme bekommt die/der Gewählte ein Direktmandat (299 Wahlkreise → 299 Mandate in Bundestag) - 299 Sitze werden aus den abgegebenen Zweitstimmen ermittelt - Die Zweitstimme ist entscheidend für die Sitzverteilung - Die Bundestagssitze werden zunächst mit den direkt gewählten Abgeord- neten besetzt, der „Rest“ wird an die Kandidaten auf den Listen der ein- zelnen Parteien verteilt - …bis jede Partei so viele Sitze hat, wie ihr zustehen. Auf jeden Fall behält eine Partei ihre Direktmandate (Überhangmandate). - Seit 2013 (BVG-Urteil) gibt es Ausgleichsmandate. Der derzeitige Deutsche Bundestag besteht aus **736** Abgeordneten. Über die Mindestgröße von 598 hinaus gibt es 34 Überhandmandate und 104 Aus- gleichsmandate. - Auf das Parteiensystem: - Ermöglichung eines Mehrparteiensystems. - Einschränkung der Fragmentierung durch 5%-Hürde (Bundestagswah- len). - Erschweren des erfolgreichen Bildens neuer Parteien, aber macht sie nicht unmöglich → Einzug der Grünen 1983, AFD 2017 - Auf die Regierungsbildung: - Selten Stimmenmehrheit einer Partei → Koalitionsregierungen die Regel. - Auf das Wahlverhalten: - Möglichkeiten des strategischen Wählens (Stimmen-Splitting): - Bei Erststimme: verhindern der „wasted vote“ → Stimmabgabe nur für Kandidaten großer Parteien. - Bei Zweitstimme: verhindern der „wasted vote“→ Stimmabgabe nur für Parteien, die über 5% kommen können ODER Leihstimmen an kleine Par- teien aufgrund von Koalitionspräferenzen. - Zunahme des Stimmen-Splittings seit 1990er Jahre. Cleavages = Soziale Spannungslinien. Soziale Spannungslinien → Großgruppen → bildeten sie vertretende Organi- sationen → Parteien. Parteiensysteme bilden soziale Interessengegensätze ab → längerfristige stabile Allianzen zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen und politischen Parteien. - Cleavage-Theorie noch aktuell? Erklärungskraft für Entwicklung Partei- enlandschaft BRD? - Grüne? - Linke? - AFD? - - Kritik an Parteien: - Parteien sind abgekoppelt von der Basis (s. auch Michels „Ehernes Gesetz der Oligarchie“) - kaum Unterschiede zwischen Parteien („politische Klasse“ Katz/ Mair) - zu viel Macht in gesellschaftlichen Bereichen (z.B. Medien) - Worin zeigt sich Parteienverdrossenheit? - sinkende Mitgliederzahlen - sinkende Anzahl an Stammwählern - steigende Anzahl an Wechselwählern - Vertrauensverlust in Parteien (werden Umfragen zufolge kaum als Sprachrohr der Gesellschaft wahrgenommen) Politische Kultur im Vergleich Politische Kultur sind die auf das politische System ausgerichteten Ein- stellungen und Wertorientierungen der Bürger Politische Kultur = die subjektive Seite von Politik Einbezug der Bürger in die politische Analyse Politische Kultur als wertfreier, analytischer Begriff! Politische Kultur und Systemstabilität: Politische Kultur als soziokultureller „Unterbau“ des Institutionensys- tems. Nur Unterstützung des politischen Systems durch die Gesellschaft gibt Systemstabilität > Trifft auch auf Nicht-Demokratien zu Gabriel Almond und Sidney Verba (1963): Untersuchung der politischen Kultur in fünf Ländern. – Selbst als politisches Objekt.(Überzeugungen) – Einstellungen gegenüber Systemcharakteristika (System) - Bewertungen der Inputmöglichkeiten - Bewertung der konkreten Leistungen der Politik (Output) Politische Kultur im Vergleich Inglehart: Materialismus und Postmaterialismus (1977) Nicht Institutionen oder Strukturen sind entscheidend für Demokratisie- rung, sondern die Werte und Einstellungen der Individuen. Einstellungen in der Bevölkerung (weltweit) entwickeln sich vom Materia- lismus zum Post-Materialismus. Materialismus und Postmaterialismus Materialistisch: wirtschaftliches Wachstum, Aufrechterhaltung der Ordnung, Kampf gegen steigende Preise, Kampf gegen Verbrechen. Postmaterialistisch: Mitspracherecht bei Regierungsentscheidungen, Mitspracherechte an Arbeitsplatz und in Gemeinden Fortschritt in Richtung humane Gesellschaft. Zunahme an postmaterialistischen Einstellung in westlichen Demokratien seit 1960er Jahren, zunächst v.a. die Jungen und Gebildeten. Gabriel Almond und Sidney Verba (1963): Untersuchung der politischen Kultur in fünf Ländern. – Selbst als politisches Objekt.(Überzeugungen) – Einstellungen gegenüber Systemcharakteristika (System) - Bewertungen der Inputmöglichkeiten - Bewertung der konkreten Leistungen der Politik (Output) Politische Kultur in der BRD 1950er Jahre: Musterbeispiel der Untertanenkultur: – Hohes Vertrauen in Institutionen, insbesondere Verwaltung. – Nur langsam wachsendes politisches Bewusstsein. – Geringe Partizipationsbereitschaft außerhalb von Wahlen. 1960er bis 1970er Jahren: „Pragmatische Demokratiezufriedenheit“ dominiert. Zunahme antiautoritärer, linker Einstellungen, Studentenbewegung 1967/68, größere Skepsis gegenüber „dem System“. – Aufkommen einer minoritären Protestkultur. – Gesellschaftliche Modernisierung und ökonomischer Erfolg. Politisches Interesse und positive Einstellung gegenüber politischer Partizipation wächst. 1980er Jahre: Obrigkeitsstaatliche Einstellungsmuster reduzieren sich. Output-Orientierung + aktiveres Rollenverständnis. Hohe Demokratiezufriedenheit im internationalen Vergleich. Wiedervereinigung als politisches Experiment -> Entwicklung pol. Kultur: Zentrale Unterschiede zwischen Ost und West bis heute. – Geringere Unterstützung der real existierenden Demokratie - niedrigere pol. Zufriedenheit und niedrigeres Vertrauen – Größere Distanz zum System, - Verhaltenere Partizipationsbereitschaft. Langsame Angleichung der politischen Kulturen durch gemeinsame Sozialisation nach der Wiedervereinigung (vgl. Westle 1999). Politische Kultur im internationalen Vergleich Beziehung zwischen politischen Freiheiten und „Self-Expression Values“ dient als Indikator für demokratische Entwicklung Interessenvermittlung und politische Partizipation Interessenvermittlung: Konzeptuelles Akteure Intermediäre Organisation – Parteien – Interessengruppen Weitere Formen der Interessenvermittlung, z.B. – Neue Soziale Bewegungen/Demonstrationen (D. Rucht), – Direkte Demokratie, – Neuere Verfahren wie Bürgerhaushalte, Lokale Agenda 21 → fast jede politischer Partizipation ist Form von Interessenvermittlung Interessengruppen: Organisationen, die Interessen sozialer Gruppen vertreten und die um Einfluss und Ressourcen streiten. Interessen sind subjektiv empfundene und verhaltensrelevante Ziele und Bedürfnisse. Abgrenzung zu Parteien: –keine direkte Übernahme oder Beteiligung an politischer Macht, –In der Regel keine umfassende Programme, sondern Issue-orientiert Probleme der Organisation von Interessengruppen Nicht alle Interessen sind organisierbar und konfliktfähig Hypothese: Problem des „Trittbrettfahrertums“ je breiter ein Interesse gestreut ist und je schlechter potentielle Nutznießer zu einem Beitrag gezwungen oder von der Nutzung ausgeschlos- sen werden können , desto schwieriger lässt sich gemeinsame Interessen- vertretung organisieren -> Tragedy of the commons. Spannungsverhältnis zwischen Interessenverbänden und gefährlichen Macht- & Einflussasymmetrien von Interessengruppen. Gesellschaftlicher Input: demokratienotwendig und gleichzeitig demokra- tiegefährdend. Systeme der Interessenvertretung: Korporatismus und Pluralismus Korporatismus: staatlich-autoritäre Einbindung bestimmter In- teressen zur Lenkung der Gesellschaft, oft ein Kennzeichen totalitärer Regime Neo-Korporatismus: steht für die institutionalisierte Einbin- dung organisierter Interessen in Formulierung und Ausführung staatlicher Entscheidungen Systeme der Interessenvertretung: Korporatismus und Pluralismus Korporatismus: staatlich-autoritäre Einbindung bestimmter In- teressen zur Lenkung der Gesellschaft, oft ein Kennzeichen totalitärer Regime Neo-Korporatismus: steht für die institutionalisierte Einbin- dung organisierter Interessen in Formulierung und Ausführung staatlicher Entscheidungen Pluralismus & Korporatismus Merkmale des (Neo-)Korporatismus: Institutionalisierte Kooperation und Koordination von Staat und Verbän- den Inkorporierung der Verbände in die Politik mit Input- und Output-Funk- tion wenige große und starke Interessengruppen – Verbände koordiniert in nationalen Dachverbänden (z.B. DGB), – „eingebundene“ Verbände haben Vertretungsmonopol (z.B. eine Gewerkschaften pro Segment) Merkmale des (Neo-)Korporatismus: Beratungen, vor allem zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeberver- bänden und dem Staat („Tripartismus“) Koordination zwischen Staat und Interessengruppen (Gewerk- schaften und Arbeitgeberverbände) verbindliche Vereinbarungen Pluralismus: Politische Einflussnahme wenig institutionalisiert: – Fragmentierung, – geringe bereichsübergreifende Politikkoordination viele, konkurrierende Interessengruppen Weitere Verfahren: Demomokratische Verfahren: Volksbegehren, Volksentscheide Demonstrationen Praxis in der BRD: Pluralismus oder Korporatismus? Einige mächtige Dachverbände (BDI, DGB) → Bereichsmonopole. Aber: wenige echte korporatistische Arrangements „Meso-korporatistische“ Muster in einigen Politikfeldern: Gesundheitspolitik: → Ärzte- und Apothekerverbände, Krankenkassen, Pharmaindustrie verhan- deln mit Regierungsvertretern über Gesundheitsreformen. – Bis in die 90er Jahre Agrarpolitik: → das Agrarministerium als „Verbandsherzogtum“. Ansonsten zunehmende Pluralisierung der Repräsentanz und der Einflüsse. Ohne Partizipation keine Interessenvermittlung. Petition an die Regierenden, Kontakt zu Parlamentariern Demonstration Willensäußerung durch friedlichen Protest: z.B. Orangefarbene Revolution Gewaltsamer Protest Aktivitäten, die politische Institutionen, Prozesse und Entscheidungen direkt oder indirekt beeinflussen wollen oder die darauf abzielen, Muster des sozial-politischen Verhaltens zu verändern. Staatsstrukturen: Föderal- und Einheitsstaaten im Vergleich Was meint Föderalismus? Merkmale – Staatsaufbau aus mehreren Gliedstaaten (z.B. Bundesländer, Kantone), die in einem Bund zusammengeschlossen sind. – Gliederung des Staates in territoriale Einheiten. – die zentralen Institutionen Legislative/ Exekutive/ Judikative existieren sowohl auf der Ebene des Bundes als auch der Glied staaten. – gewisse Autonomie der Gliedstaaten. Große Länder (z.B. USA, Indien) und plurale, heterogene Gesell- schaften (z.B. Schweiz, Belgien) häufig föderal aufgebaut Funktionen: Machtaufgliederung und Machtbegrenzung durch Gewaltenteilung Integration heterogener Gesellschaftenunter Beibehaltung der Eigenstän- digkeit, auch Minderheitenschutz Idealerweise Lösung politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen Prinzipien und Merkmale: Territorialität als Grundlage. Freiwilligkeit des Zusammenschlusses (Ausstieg?). „Verteilung“ politischer Macht, funktionaler und territorialer Dezentralisierung. Breite Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger (z.B. bundes- und gliedstaatliche Wahlen). Aushandlung als dominanter Konfliktlösungsmechanismus Häufig:vertikale und horizontale Verschränkung der Finanzen. → vertikale und horizontale Konflikte? Prinzipien und Merkmale: Territorialität als Grundlage. Freiwilligkeit des Zusammenschlusses (Ausstieg?). „Verteilung“ politischer Macht Breite Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger Aushandlung als dominanter Konfliktlösungsmechanismus Häufig:vertikale und horizontale Verschränkung der Finanzen. → vertikale und horizontale Konflikte? Vorteile: Schafft/ermöglicht Einheit in Vielfalt. Dezentralisierte Willensbildung und Entscheidungsfindung. Erhöht Mitwirkungsmöglichkeiten. Aushandlung als grundlegender Konfliktlösungsmechanismus verbessert Chan- cen für Minderheitenpositionen Nachteile: Problem der Regierbarkeit (Konsensfindung nötig): Entscheidungen durch Konsensrunden mit auch informellen Aus handlungsprozessen (The Room where it happened) → Unklarheit bzgl. accountability (Zuständigkeit, Verantwortlich- keit? Formen von Föderalismus Dual/ Trenn-/Zentrifugal (Eigenständigkeit/Vielfalt) – häufig im Sinne von konkurrenzorientiert – strikte Trennung von Kompetenzen/Funktionen von Zentralstaat und Gliedstaaten, –eigenständige Finanzressourcen auf glied- und bundesstaatlicher Ebenen, – Prinzip der Konkurrenz und des Wettbewerbs auf horizontaler Ebene. kooperativ/Verbund-/ zentripetal (Integration/Gleichheit): – Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse anstrebend. – Verschränkte Machtbeziehungen und Kompetenzverteilung zwischen Gliedstaaten und Bund. – Nicht strikt getrennte Finanzressourcen (horizontal und verti- kal verflochten). – Prinzip des Ausgleichs und der Konsenssuche. Formen des Föderalismus Symmetrischer vs. Asymmetrischer Föderalismus: Symmetrische Kompetenzen - Gliedstaaten verfügen über gleichen Rechte, vs. ungleiche Kompetenzzuteilung, d.h. Kompetenzen der Gliedstaaten unterscheiden sich Dezentralisierung (auch in nicht-föderalen Systemen): Zentralstaat obliegt die letztendliche Entscheidungsgewalt. Vollzug der zentralstaatlichen Entscheidungen durch dezentrale Einheiten Zentralstaat kann dezentralen Einheiten Gestaltungsspielraum gewäh- ren - und jederzeit zurücknehmen. Regionalisierung (auch in nicht-föderalen Systemen): Regionen als territoriale Gebiete unterhalb des Nationalstaats mit eigener ethnischen, religiösen oder kulturellen Identität. Zunehmend Forderung von Regionen nach autonomen Regelungskompetenzen (evtl. auch nach Mitspracherecht bei zentralstaatlichen Entscheidungen), Unitarismus Manchmal auch „Zentralstaat“ oder „unitarischer“ („Vereinheitlichung“) Staat genannt Staatsgewalt in Organen verankert, die für das ganze Staatsgebiet zu- ständig sind Unterscheidung in zentralisierten versus dezentralisiertem Einheitsstaat –zentralisiert: gesamte Staatsgewalt in zentralen staatlichen Ins- tanzen konzentriert –dezentralisiert: Staatsgewalt auf verschiedene nachgeordnete Be- zirke aufgeteilt Das Spannungsverhältnis zwischen Unitarismus und Föderalismus Föderal- und Einheitsstaaten im Vergleich Länderbeispiele: Vereinigtes Königreich Formal kein föderaler Staat: seit 1990er Jahren: Übertragung von Macht und Funktionen in auf Regionen Aufgaben- und Kompetenzverteilung in den drei Länderparlamenten unter- schiedlich: – z.B. Schottland auch zuständig für Finanz- und Währungspolitik (Steuern!), Wales und Nordirland nicht, Schottland hat Exekutive (mit „prime minister of Scotland“), Wales nicht Aber: keine territorial organisierte zweite Kammer Der bundesdeutsche Föderalismus Föderalismus: Vorgegeben von Alliierten oder basierend auf deutschen Traditionen? Einrichtung der heutigen Bundesländer mit geringer Berücksichtigung der historischen, traditionellen Ländergrenzen („künstliche Gebilde“ Kilper/ Lhotta S.84) Verwaltung: Gesetzesvollzug als wichtige Funktion der Länder: → Verwaltungsbehörden vor allem auf Länderebene. Bundesverwaltungsbehörden als Ausnahme: – Eigene Bundesverwaltung nur im Bereich Äußeres, Bundeswehr, Luftfahrtverwaltung und Bundeswasserstraßen. – Unter Bundesaufsicht: Bundesagenturen für Arbeit, Bundesfinanzveraltung und Bundeskriminalamt. Finanzverfassung: Horizontale („Geber- und Nehmerländer) und vertikale Verflechtungen. Zwar Unabhängigkeit von Bund und Ländern in ihrer „Haushaltswirtschaft“ Aber Einschränkung der selbstständigen Haushaltswirtschaft der Länder: – da Abhängigkeit von Gesetzgebung und Finanzzuwendungen des Bundes (vertikale Verflechtung). – Forderung nach „Einheitlichkeit“ der Lebensverhältnisse im Bundes-gebiet“ führte zum Finanzausgleich zwischen Bundesländern (hori- zontale Verflechtung). Zur vertikalen Verflechtung: Aufteilung der Steuern nach Art. 106, GG: – Gemeinschaftliche Steuern → machen seit 1969 ca. 70% des Steueraufkommens aus. Daneben existieren auch einige wenige Bundes-, Landes- und Gemeindesteu- ern. Probleme des kooperativen Föderalismus: Hohe Informations- und Koordinationskosten und Konsenszwang Effizienz- und Legitimitätsproblem: Lösungen stellen häufig Kompromisse auf „kleinstem gemeinsamen Nenner“ dar. Europäisierung des politischen Systems/ Mehrebenensystems Mehrebenensysteme: (1) Föderale Staaten (Bund, Gliedstaaten, Kommunen) (2) Europäische Union (EU, Nationalstaaten, Kommunen) (3) Internationale Staaten-Verbindungen Zum Aufbau der Europäischen Union Die EU als politisches System „sui“ generis: Supranational und Intergouvernmental „Europäisierung ist ein politisch-gesellschaftlicher Prozess, der ange- trieben von der Geschwindigkeit und Reichweite der europäischen Integra- tion einen Veränderungsdruck auf Nationalstaaten und europäische Gesell- schaften ausübt, aber auch europäische Institutionen zur Responsivität gegenüber nationalen Interessen zwingt und damit diese zu fortwährendem politischen Wandel und zum Teil auch zu institutioneller Anpassung be- wegt.“ -Pehle/Sturm: Das neue deutsche Regierungssystem, S.12 Folgen der Europäisierung in Deutschland für politische Institutionen: Bundestag Nach Entwicklung seit den 50er Jahren heute: Großteil der Bundesministerien und das Bundeskanzleramt besit- zen eigene Europaabteilungen Neue Möglichkeiten der Bundesregierung durch EU-Integration: Regierungen, also Exekutive, erhalten legislative Funktionen (Ministerrat): → Entscheidung über Gesetzesbeschlüsse auf EU-Ebene. Transformation des EU-Rechts in nationales Recht Ratifizierung gemeinschaftlichen Primärrechts Einfluss des Bundestages auf EU-Gesetzgebung eingeschränkt, da nicht direkt an EU-Entscheidungen beteiligt Verschiedene Europa-Gremien des Bundestags: seit 1994: EU-Ausschuss, besteht aus Mitgliedern des Bundesta- ges und des Europäischen Parlaments. Verbesserung der Einflussmöglichkeiten: Urteil des Bundesverfassungsgerichtshofs zum Lissabon-Vertrag. Immer mehr Kompetenzen des Bundesrates werden auf EU übertragen. Versuche des Bundesrats, dieser Tendenz entgegen zu wirken: Organe des Bundesrates zur europapolitischen Willensbildung: 1. Bildung eines EU-Ausschusses (seit 1957)‫‏‬, 2. Bildung einer Europakammer (seit 1988).‫‏‬

Use Quizgecko on...
Browser
Browser