German Constitutional Law - Staatsrecht I - Lecture Notes PDF

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2023

Prof. Dr. R. Müller-Terpitz

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German constitutional law election law political science government

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This document details lecture notes on German constitutional law, specifically focusing on the German election system, calculations, and the 5% threshold. It covers topics including different voting methods. This document was created in 2023.

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Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Ausführungen zum geltenden Wahlrecht: Hinweis: Das Wahlrecht wurde durch das 25. Änderungsgesetz zum Bundeswahlgesetz im Jahr 2023 wesentlich geändert. Aufgrund der bezweifelten Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgese...

Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Ausführungen zum geltenden Wahlrecht: Hinweis: Das Wahlrecht wurde durch das 25. Änderungsgesetz zum Bundeswahlgesetz im Jahr 2023 wesentlich geändert. Aufgrund der bezweifelten Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgesetzes soll zunächst die bisherige Rechtslage erläutert werden. Die folgenden Ausführungen beziehen sich mithin auf die Rechtslage nach der alten Fassung des BWahlG. 2. Geltendes Wahlsystem ▪ Der Gesetzgeber hat sich für ein System der „personalisierten Verhältniswahl“ entschieden (vgl. § 1 I 2 BWahlG). ▪ Zu wählen sind 598 Abgeordnete, davon 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und 299 nach Landeswahlvorschlägen über Landeslisten (vgl. § 1 I 1, II BWahlG). ▪ Gegenwärtig besteht der Bundestag aus 736 Abgeordneten. ▪ Jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste (§ 4 BWahlG). Für die „quantitative“ Zusammensetzung des Bundestages entscheidend ist nicht die Erst-, sondern die Zweitstimme (vgl. § 6 IV BWahlG). ▪ Für die Berechnung der den Parteien zukommenden Sitze wird zunächst gemäß § 7 BWahlG ein Verbund der Landeslisten fingiert, um festzustellen, wieviel Sitze den jeweiligen Parteien bundesweit zustehen (sog. Oberverteilung – vgl. § 7 I u. II BWahlG). Hiernach wird die Gesamtzahl der einer Partei zustehenden Sitze wiederum auf die einzelnen Landeslisten verteilt (sog. Unterverteilung – vgl. § 7 III BWahlG; Letzteres ermöglicht ein landsmannschaftliches Element bei der Zusammensetzung des Bundestages). ▪ Von der für jede Landesliste ermittelten Abgeordnetenzahl wird sodann die Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes errungenen Sitze abgerechnet. Die restlichen Sitze werden aus der Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt (vgl. § 6 IV). 3. Berechnungsmethoden ▪ Da die Sitze im Bundestag nur als „ganze“ Sitze verteilt werden können, kommt bei einem Verhältniswahlsystem (Proporzsystem) der Umrechnungsmethode (X Stimmen = 1 Sitz) große Bedeutung zu. ▪ Sitze wurden früher nach dem d´Hondt´schen Höchstzahlverfahren bzw. nach dem Hare/Niemeyer´schen mathematischen Proportionalverfahren und werden heute nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren verteilt (vgl. § 6 II BWahlG). Für Einzelheiten vgl. z.B. Maurer, Staatsrecht I, § 13 Rn. 29, vgl. z.B. auch Gröpl, Staatsrecht I, § 16 Rn. 956 ff.. Seite 64 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Rechenbeispiele: Gesamtstimmenzahl 500/Gesamtsitze 10 A-Partei: 250 Stimmen; B-Partei: 140; C-Partei: 110 1. Verfahren nach Hare/Niemeyer (Parteienstimmzahl x Gesamtsitzzahl) : Gesamtstimmenzahl A: (250 x 10) : 500 = 5 => 5 Sitze B: (140 x 10) : 500 = 2,8 => 2 + 1 = 3 Sitze C: (110 x 10) : 500 = 2,2 => 2 Sitze 2. Verfahren nach d´Hondt A B C 1 : 250 (1) 140 (2) 110 (3) 2 : 125 (4) 70 (5) 55 (6) 3 : 83 (7) 46 (8) 36 (9) 4 : 62 (10) 35 27 => 4 Sitze 3 Sitze 3 Sitze Auf den jeweils höchsten Quotienten (Ergebnis der Division) entfällt der jeweils zu verteilende Sitz. 3. Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (aktuelles Verfahren gem. § 6 II BWahlG) ▪ Bestimmung des Divisors (Teilers) gem. § 6 II 4 BWahlG: Gesamtstimmenzahl : Anzahl der zu vergebenden Sitze => 500 : 10 = 50 (Divisor gibt folglich an, wie viele Stimmen auf ein Mandat entfallen) ▪ Teilung der auf eine Partei entfallenen Stimmen durch den Divisor: A-Partei: 250 : 50 = 5 => 5 Mandate B-Partei: 140 : 50 = 2, 8 => 3 Mandate gem. § 6 II 3 BWahlG C-Partei: 110 : 50 = 2,2 => 2 Mandate gem. § 6 II 3 BWahlG 4. 5%-Klausel, Grundmandate und Überhangmandate a) Fall zur 5%-Klausel Fall: Bei der letzten Bundestagswahl scheiterte die L-Partei mit 4,9% knapp an der in § 6 III BWahlG niedergelegten sog. „5%-Klausel“. Sie hält diese Klausel für verfassungswidrig und erwägt rechtliche Schritte. Mit Erfolg? Seite 65 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz ▪ Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Problem: Wahlrechtsgleichheit (Erfolgswertgleichheit) und Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 i.V.m. Art. 38 I GG) versus Funktionsfähigkeit des Bundestages. ➢ BVerfGE 1, 208, 247 ff.: „(…) Die Verhältniswahl begünstigt das Aufkommen von kleinen Parteien, (…) Es kann dahin kommen, dass die gesetzgebenden Körperschaften (…) in eine Unzahl kleinerer Gruppen zerfallen und damit funktionsunfähig werden, insbesondere nicht in der Lage sind, eine politisch aktionsfähige Regierung zu schaffen (…). Diese staatspolitische Gefahr ist ein zureichender, aus der Natur der Sache sich ergebender Grund für eine differenzierende Behandlung der politischen Parteien bei der Zuteilung von Sitzen in der Verhältniswahl. (…)“ ▪ Weitere Leitentscheidungen: BVerfGE 95, 408 (419) – 5% als Höchstgrenze. Anders BVerfGE 120, 82 ff. für kommunalen Bereich (Schleswig-Holstein – letztes Verfahren nach Art. 99 GG!) und BVerfGE 129, 300 ff. für die Wahlen zum Europäischen Parlament (5%-Klausel dort nicht verfassungsgemäß; bestätigt durch BVerfGE 135, 259 ff.: Der mit der Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien ist unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen. Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung kann sich ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, auch konkret absehbare künftige Entwicklungen bereits im Rahmen der ihm aufgegebenen Beobachtung und Bewertung der aktuellen Verhältnisse zu berücksichtigen; maßgebliches Gewicht kann diesen jedoch nur dann zukommen, wenn die weitere Entwicklung aufgrund hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte schon gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren ist.). b) Grundmandatsklausel ▪ = „Ausnahme“ von der Ausnahme 5%-Klausel (vgl. § 6 III Alt. 2 BWahlG) ▪ Parteien, die drei Direktmandate erreichen, sind von der 5%-Hürde befreit; sie erhalten so viele Sitze, wie ihr Anteil an den Zweitstimmen entspricht. Sie bilden dann keine Fraktion, sondern eine Gruppe (vgl. § 10 IV GO BT). ▪ Problem: Beeinträchtigung der (aktiven wie passiven) Wahlrechtsgleichheit solcher Parteien, die nicht über 5%-Hürde springen. ▪ Rechtfertigung: besondere politische Kraft solcher Parteien, Billigung ihrer politischen Anliegen; Partei mit regionalem Schwerpunkt und entsprechender Repräsentationsfunktion (Integrationsfunktion). ▪ Leitentscheidung: BVerfGE 95, 408 (419 f.) c) Überhangmandate ▪ Parteien, die über die Erststimmen mehr Direktmandate erzielt haben, als ihnen nach den Zweitstimmen zustehen, dürfen die überschüssigen Mandate behalten und sind dann im Parlament stärker repräsentiert, als es ihrem Prozentanteil an den Zweitstimmen entspräche. ▪ Problem: unterschiedlicher Erfolgswert der Stimmabgabe („doppelter Erfolgswert“) Seite 66 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 ▪ Zulässigkeit von Überhangmandaten hängt letztlich von der Bedeutung der „personalisierten Verhältniswahl“, d.h. von der jeweiligen Akzentuierung beider Wahlelemente ab: einerseits zulässige Konsequenz der personalisierten Verhältniswahl, andererseits darf das Persönlichkeitselement nicht den Proporz verschieben. ▪ BVerfG früher: grundsätzlich verfassungskonform, solange das Quorum der 5%-Sperrklausel nicht überschritten wird (BVerfGE 95, 335). ▪ Einschränkung nunmehr durch BVerfG, Urt. v. 25.07.2012 – 2 BvF 3/11 u.a. (BVerfGE 131, 316): ➢ Zwar grundsätzlich keine Bedenken gegen Überhangmandate wegen Wahl von Persönlichkeiten ➢ Aber: Wegen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit des Anfalls einer größeren Zahl von Überhangmandaten sind Vorkehrungen nötig. ➢ Richtgröße: 15 Mandate (Hälfte der Zahl, die Fraktionsbildung ermöglicht). ▪ Mögliche Auflösungen des Konflikts: ➢ Abzug von Listenmandaten ➢ Beibehaltung der Überhangmandate, aber Ausgleich durch bundesweites Berechnungsmodell, damit Mehrheiten nicht verfälscht werden (lässt Zahl der Abgeordneten jedoch erheblich anwachsen!). Jetzt geregelt in § 6 V – VII BWahlG. ▪ Wenn ein Abgeordneter, der aus einem Bundesland kommt, in dem seine Partei Überhangmandate erzielt hat, aus dem BT ausscheidet, rückt so lange kein Listenkandidat nach, bis alle Überhangmandate dieses Landes abgeschmolzen sind (§ 48 I 2 BWahlG); beruht auf BVerfGE 97, 317 (328 f.) => ggf. schmelzende Mehrheit u. schrumpfender Bundestag ▪ Leitentscheidungen: BVerfGE 95, 335 ff. – sog. „4:4-Entscheidung“ (vgl. § 15 IV 3 BVerfGG); BVerfGE 131, 316 = NVwZ 2012, 1101 ff. Zur Vertiefung: Guckelberger, JA 2012, 641 ff. (zum „negativen Stimmgewicht“) 5. Nominierung der Kandidaten ▪ Wahlvorschlagsberechtigt sind Parteien und Wahlberechtigte (vgl. § 18 I BWahlG). ▪ Kreiswahlvorschläge sind dem Kreiswahlleiter, Landeslisten dem Landeswahlleiter zuzuleiten (vgl. § 19 BWahlG). ▪ Kreiswahlvorschläge von Parteien müssen vom Vorstand des Landesverbands unterzeichnet sein (vgl. § 20 II BWahlG). Zur Aufstellung von Parteibewerbern vgl. § 21 BWahlG. ▪ Andere Kreiswahlvorschläge müssen von mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein (§ 20 III BWahlG)! Diese unterschiedliche Behandlung der passiven Wahlgleichheit im Vergleich zu Parteibewerbern (s. oben) ist zum Schutz der Ernsthaftigkeit des Wahlvorgangs, der Organisation der Wahl und zur Verhinderung von einer Stimmenzersplitterung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. ▪ Landeslisten können nur von Parteien eingereicht werden (sog. „Listenmonopol“ der Parteien – vgl. § 27 BWahlG!). Die Namen der Bewerber müssen dabei in erkennbarer (und starrer) Seite 67 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Reihenfolge aufgeführt sein (§ 27 III BWahlG). Die Starrheit der Liste ist kein Verstoß gegen die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 I GG (Unmittelbarkeit und Freiheit der Wahl), da sich diese auf die Abgabe der Stimme des Wählers beziehen. ▪ Nota bene: Listenverbindungen verschiedener Parteien sind grds. unzulässig, da sie zu einer Umgehung der 5%-Klausel führen könnten. Exkurs: Änderungen des Wahlrechtes durch das 25. Änderungsgesetz zum Bundeswahlgesetz Im Folgenden erfolgt eine Gegenüberstellung der bereits ausgeführten Rechtslage zur neuen Rechtslage nach dem 25. Änderungsgesetz zum Bundeswahlgesetz nach Bt-Drs. 20/6015 Geltendes Wahlsystem Bundeswahlgesetz alte Fassung Änderung nach BT-Drs. 20/6015 Grundsatz der „personalisierten Verhältniswahl“ - §1 I 2 BWahlG. Betont wurde ursprünglich ein Systemwechsel zum reinen Verhältniswahlrecht. Letztlich bleibt aber Charakter der personalisierten Verhältniswahl, vgl. § 1 Abs. 2 S. 1, 2 BwahlG. Zu wählen sind 598 Abgeordnete, davon 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und 299 nach Landeswahlvorschlägen über Landeslisten (vgl. § 1 I 1, II BWahlG). Jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste (§ 4 BWahlG). Für die „quantitative“ Zusammensetzung des Bundestages entscheidend ist nicht die Erst-, sondern die Zweitstimme (vgl. § 6 IV BWahlG). Für die Berechnung der den Parteien zukommenden Sitze wird zunächst gemäß § 7 BWahlG ein Verbund der Landeslisten fingiert, um festzustellen, wie viele Sitze den jeweiligen Parteien bundesweit zustehen (sog. Oberverteilung – vgl. § 7 I u. II BWahlG). Hiernach wird die Gesamtzahl der einer Partei zustehenden Sitze wiederum auf die einzelnen Landeslisten verteilt (sog. Unterverteilung – vgl. § 7 III BWahlG; Letzteres ermöglicht ein landsmannschaftliches Element bei der Zusammensetzung des Bundestages). Die Zahl der Abgeordneten soll immer auf 630 begrenzt werden, vgl. § 1 Abs.1 S. 1 BWahlG. Es bleibt die Aufteilung in Erst- und Zweitstimme, vgl. § 1 Abs. 2 S. 2 BWahlG „Jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl nach Kreiswahlvorschlägen und eine Zweitstimme für die Wahl nach Landeswahlvorschlägen, auf denen die zur Wahl zugelassenen Parteien ihre Bewerber benennen (Landeslisten)." Die Verteilung der Sitze verläuft nach neuen Regeln, welche in § 6 Abs. 1 BWahlG festgelegt sind: "Ein Wahlkreisbewerber einer Partei (§ 20 Abs. 2) ist dann als Abgeordneter gewählt, wenn er die meisten Erststimmen auf sich vereinigt und im Verfahren der Zweitstimmendeckung (Satz 4) einen Sitz erhält. In jedem Land werden die Bewerber einer Partei, die in den Wahlkreisen die meisten Erststimmen erhalten haben, nach fallendem Erststimmenanteil gereiht. Der Erststimmenanteil ergibt sich aus der Teilung der Zahl der Seite 68 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Erststimmen des Bewerbers durch die Gesamtzahl der gültigen Erststimmen in diesem Wahlkreis. Die nach § 4 Absatz 3 für die Landesliste einer Partei ermittelten Sitze werden in der nach Satz 2 gebildeten Reihenfolge an die Wahlkreisbewerber vergeben (Verfahren der Zweitstimmendeckung)." Die Begriffe der Ober- und Umverteilung werden jetzt in § 4 Abs. 2 und 3 legaldefiniert: "Zwischen den Parteien werden die Sitze im Verhältnis der Zahl der Zweitstimmen, die im Wahlgebiet für die Landeslisten der Partei abgegeben wurden, nach § 5 verteilt (Oberverteilung). […] Für jede Partei werden die auf sie nach Absatz 2 entfallenden Sitze auf ihre Landeslisten im Verhältnis der Zahl der Zweitstimmen der Landeslisten nach § 5 verteilt (Unterverteilung)." 5-% Klausel Von der für jede Landesliste ermittelten Abgeordnetenzahl wird sodann die Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes errungenen Sitze abgerechnet. Die restlichen Sitze werden aus der Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt (vgl. § 6 IV). Die Sitzverteilung der Landeslisten wird jetzt in § 6 Abs 4 BWahlG geregelt: Nach § 6 Abs. 3 HS. 1 BWahlG ist geregelt, dass bei der Verteilung der Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens 5 Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten. Die 5%-Klausel ist nun in § 4 II 2 Nr. 2 BWahlG geregelt: "Nicht berücksichtigt werden dabei 1. die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen Bewerber abgegeben haben, der gemäß § 6 Absatz 2 erfolgreich ist, und 2. Parteien, die weniger als 5 Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben." "Ein Listenbewerber ist dann als Abgeordneter gewählt, wenn er bei der Vergabe der Sitze der Landesliste (§ 4 Absatz 3), die nach dem Verfahren der Zweitstimmendeckung verbleiben, einen Sitz erhält; die Vergabe erfolgt in der Reihenfolge der Landesliste. Bewerber, die nach Absatz 1 Satz 1 gewählt sind, bleiben auf der Landesliste unberücksichtigt. Entfallen auf eine Landesliste mehr Sitze als Bewerber benannt sind, so bleiben diese Sitze unbesetzt." § 6 III BWahlG n.F. bestimmt das Vorgehen bei Stimmengleichheit und bei gleichen Erststimmenanteilen: "Bei Stimmengleichheit und bei gleichen Erststimmenanteilen entscheidet das Los. Es ist zwischen Bewerbern in einem Wahlkreis Seite 69 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 (Absatz 1 Satz 1, Absatz 2) vom Kreiswahlleiter, zwischen Bewerbern im Verfahren der Zweitstimmendeckung (Absatz 1 Satz 4) vom Bundeswahlleiter zu ziehen." Grundmandatsklausel Die Grundmandatsklausel stellt eine „Ausnahme“ der 5%-Hürde dar, vgl. § 6 Abs. 3 Hs. 2 BWahlG. Parteien, die drei Direktmandate erreichen, sind von der 5%-Hürde befreit; sie erhalten so viele Sitze, wie ihr Anteil an den Zweitstimmen entspricht, Sie bilden dann keine Fraktion, sondern eine Gruppe, vgl. § 10 Abs. 4 Go BT. Die Grundmandatsklausel in dieser Form gibt es nicht mehr. Die „Ausnahme“ der 5%-Hürde ist nun annähernd in § 4 Abs. 2 S. 3 BWahlG normiert: "Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung auf Listen, die von Parteien nationaler Minderheiten eingereicht wurden." Die Grundmandatsklausel soll als Gegengewicht zur 5 %-Hürde wirken und dessen Existenz rechtfertigen. Überhangund Ausgleichsmandate Parteien, die über die Erststimme mehr Direktmandate erzielt haben, als ihnen nach den Zweitstimmen zustehen, dürfen die überschüssigen Mandate behalten und sind dann im Parlament stärker repräsentiert als es ihrem Prozentanteil an den Zweitstimmen entspräche. Letztlich sollte die Gesetzesänderung gerade dazu führen, dass keine Überhangs- und Ausgleichsmandate mehr vergeben werden müssen, der Bundestag also nicht immer größer wird. Aus diesem Grund gibt es keine konkreten Regelungen mehr zu Überhang-, und Ausgleichsmandaten. Um die richtige Relation wieder herzustellen, erhalten die übrigen Parteien im Gegenzug „Ausgleichsmandate“, vgl. § 6 Abs. 5-7 BWahlG. Es findet sich jedoch eine ähnliche Regelung in § 4 Abs. 4 BWahlG: "Erhält bei der Verteilung der Sitze eine Partei, auf die mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Parteien entfallen ist, nicht mehr als die Hälfte der Sitze, werden ihr weitere Sitze zugeteilt, bis auf sie ein Sitz mehr als die Hälfte der Sitze entfällt. In einem solchen Fall erhöht sich die Gesamtzahl der Sitze (§ 1 Absatz 1) um die Unterschiedszahl." Seite 70 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Zusammenfassung der Änderungen: - Zwar weiterhin personalisierte Verhältniswahl, aber Augenmerk wird mehr auf den Charakter einer Verhältniswahl gelegt, insbesondere durch Abschaffung der wesentlichen Determinante des Mehrheitswahlrechts, der Grundmandatsklausel. - Die Erststimme verliert erheblich an Bedeutung, eventuell hier sogar Verstoß gegen Wahlrechtsgleichheit wegen unterschiedlichen Erfolgswert (vgl. Ruttloff/Niemann/Misztl, Die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition: Ein Pyrrhussieg?, NJOZ 2023, 512 (513, 514). - Die Anzahl der Bundestagsabgeordneten soll auf 630 beschränkt werden, sodass die Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen - Die Grundmandatsklausel fällt weg, die 5 %- Klausel bleibt jedoch bestehen → Führt dazu, dass besondere politische und regionale Strömungen nicht mehr im Parlament vertreten sind. Mit Abschaffung der Grundmandatsklausel unter Beibehaltung der Sperrklausel wird die Möglichkeit von neuen Bewegungen sich dauerhaft in der Parteienlandschaft zu etablieren deutlich verringert, weshalb die Verfassungsmäßigkeit der Streichung der Grundmandatsklausel angezweifelt wird. Vertiefungshinweise zur neuen Rechtslage: - Ruttloff/Niemann/Misztl, Die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition: Ein Pyrrhussieg?, NJOZ 2023, 512 - Austermann, Wahlrechtsreform mit gleichheitswidriger Zweitstimmendeckung, NVwZ 2023, 625 ff. - Groß, Die Fünf-Prozent-Klausel: Das Hauptproblem der Wahlrechtsreform, NVwZ 2023, 1282 - Michl, Gefangen im System? Zur verfassungsrechtlichen Kritik an der Wahlrechtsreform der Ampelkoalition, ZRO 2023, 93. 6. Wahlprüfung ▪ Gem. Art. 41 I 1 GG ist die Wahlprüfung zunächst Sache des Bundestages. Der Einspruch, mit dem die Wahlprüfung des Bundestages eingeleitet wird, kann allerdings erst nach Abschluss der Wahl eingelegt werden (vgl. § 2 IV Wahlprüfungsgesetz). ▪ Sodann kann gegen die (abschlägige) Entscheidung des Bundestages Beschwerde zum BVerfG (Wahlprüfungsbeschwerde) erhoben werden (Art. 41 II GG). Einzelheiten hierzu sind im Wahlprüfungsgesetz sowie in den § 13 Nr. 3 i. V. m. § 48 BVerfGG geregelt. ▪ Im Interesse der Stabilität der Wahlentscheidung erklärt das BVerfG eine Wahl allerdings nur dann für ungültig, wenn sie bei fehlerfreiem Wahlverlauf zu einem anderen Wahlergebnis geführt hätte. Dabei müsse ein Wahlfehler umso schwerer wiegen, je weiter die Wirkungen einer wahlprüfungsrechtlichen Entscheidung reichten, die an den Wahlfehler geknüpft würden (vgl. BVerfGE 103, 111 [135]). Die Ungültigkeitserklärung erfolgt deshalb im Ergebnis nur, wenn ein schwerwiegender Fehler vorliegt und der Bestand des Parlaments als unerträglich erscheinen muss. Im Ergebnis führt dies zu einem weitgehenden Bestandsschutz des Wahlergebnisses. Seite 71 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz ▪ Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Da dies in der Praxis zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt hat, insbesondere wenn die Rüge eines Wahlfehlers auf der Beschwerde der unzulässigen Nichtanerkennung einer Vereinigung als Partei (i.S. des § 2 I PartG) beruhte, hat der Gesetzgeber 2012 Art. 93 I Nr. 4c GG neu in das GG eingefügt. Eine Konkretisierung hat dieses Verfahren zeitgleich in den §§ 13 Nr. 3a, 96a ff. BVerfGG erfahren. III. Wahlperiode und Auflösung des Bundestages 1. Dauer der Wahlperiode Fall 1: Im Jahre 2010 beschließen Bundestag und Bundesrat mit der erforderlichen 2/3-Mehrheit eine Änderung des Art. 39 I 1 GG. Danach wird die zukünftige Dauer der Legislaturperiode von 4 auf 7 Jahre erhöht. Ist diese Verfassungsänderung verfassungskonform? Fall 2: Wie wäre der obige Fall zu beurteilen, wenn die Dauer der Legislaturperiode lediglich auf 5 Jahre verlängert wird, Bundestag und Bundesrat jedoch zugleich eine Übergangsbestimmung in das GG einfügen, der zufolge die 5-jährige Legislaturperiode bereits für die laufende Wahlperiode gelten soll. Lösungshinweise: (Lösungshinweisblätter Nr. 12) Fall 1: Demokratie bedeutet insbes. Verleihung von Macht auf Zeit. Dem Demokratieprinzip wesenseigen ist es deshalb, dass Wahlen in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden müssen und die Abstände zwischen den Wahlen nicht zu groß sein dürfen, damit das durch die Abgeordneten repräsentierte Wahlvolk (vgl. Art. 20 II GG) effektiven Einfluss auf die Politikgestaltung des Landes nehmen kann. Eine Verlängerung der Wahlperiode nach Art. 39 I 1 GG ist zwar grds. möglich; eine Legislaturperiode von 7 Jahren dürfte dem über Art. 79 III GG geschützten Demokratieprinzip (Art. 20 I u. II GG) aber nicht mehr genügen und wäre deshalb verfassungswidrig. Eine Verlängerung auf 5 Jahre wäre demgegenüber problemlos möglich (und ist in den Ländern auch der Regelfall). Sie wird seit Jahren für die Bundesebene diskutiert. Fall 2: Wie gezeigt, wäre eine Verlängerung der Legislaturperiode auf 5 Jahre zwar verfassungsrechtlich möglich. Allerdings widerspräche es dem Demokratieprinzip, wenn die Amtsinhaber ihre Amtsdauer kraft eigener Entscheidung verlängern würden. Sie wurden für vier Jahre gewählt und können diese zeitlich Begrenzung nicht durch eine Verfassungsänderung verlängern. Dies würde gegen Art. 79 III i.V.m. Art. 20 I u. II GG verstoßen. Seite 72 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 2. Grundsatz der Diskontinuität Fall 1: Aufgrund von Verzögerungen des Beweiserhebungsverfahrens kann der U-Boot-Untersuchungsausschuss seine Arbeit nicht bis zum Abschluss der Wahlperiode abschließen. Rechtliches Schicksal? Fall 2: Kurz vor Abschluss der Wahlperiode bringt die Fraktion „Die Linke“ ein Gesetz zur Reform der Hartz IVGesetzgebung ein. Über diesen Gesetzentwurf kann allerdings nicht mehr beraten werden. Rechtliches Schicksal? ▪ Obwohl es sich beim Bundestag um ein ständiges Verfassungsorgan handelt, gilt der verfassungsgewohnheitsrechtlich begründete Grundsatz der Diskontinuität. Er soll sicherstellen, dass der neu gewählte Bundestag nicht durch die Arbeit des alten, nicht mehr existenten Bundestages gebunden und damit in seiner politischen Gestaltungsmacht eingeschränkt ist („Keine Herrschaft der Toten über die Lebenden.“) ▪ Zu unterscheiden sind die: ➢ materielle Diskontinuität: Anträge, Eingaben usw., die nicht bis zum Ende der Wahlperiode beschieden oder abgeschlossen sind, gelten als erledigt (vgl. § 125 GO BT). ➢ organisatorische Diskontinuität: Organe des BT, insbesondere seine Ausschüsse, Untersuchungsausschüsse und Fraktionen, hören mit Ende der Wahlperiode auf zu existieren. => Der Untersuchungsausschuss (Fall 1) unterliegt mithin der organisatorischen Diskontinuität und hört mit Ablauf der Legislaturperiode auf, zu existieren. Der Ausschuss müsste in der neuen Legislaturperiode neu konstituiert werden. Auch der Gesetzentwurf der Fraktion „Die Linke“ (Fall 2) verfällt (materielle Diskontinuität) und müsste in der neuen Legislaturperiode neu eingebracht werden. 3. Vorzeitige Auflösung des Bundestages ▪ Vgl. Art. 68 GG: Stellung der Vertrauensfrage. ▪ Leitentscheidungen: BVerfGE 62, 1 ff.; 114, 121 ff. ▪ Maßgebliche Entscheidungsgründe BVerfGE 114, 121 ff.: ➢ Die auf Auflösung des Bundestages gerichtete Vertrauensfrage ist nur dann verfassungsgemäß, wenn sie dem Zweck des Art. 68 GG entspricht. ➢ Die auflösungsgerichtete Vertrauensfrage ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Handlungsfähigkeit einer parlamentarisch verankerten Bundesregierung verloren gegangen ist. Handlungsfähigkeit bedeutet, dass der Bundeskanzler mit politischem Gestaltungswillen die Richtung der Politik bestimmt und hierfür auch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß. Seite 73 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 ➢ Das BVerfG prüft die zweckgerechte Anwendung des Art. 68 GG nur in eingeschränktem Umfang: • Ob eine Regierung politisch noch handlungsfähig ist, hängt maßgeblich davon ab, welche Ziele sie verfolgt und mit welchen Widerständen sie aus dem parlamentarischen Raum zu rechnen hat. Die Einschätzung der Handlungsfähigkeit hat Prognosecharakter und ist an höchstpersönliche Wahrnehmungen und abwägende Lagebeurteilungen gebunden. • Eine Erosion und der nicht offen gezeigte Entzug des Vertrauens lassen sich ihrer Natur nach nicht ohne weiteres in einem Gerichtsverfahren darstellen und feststellen. Was im politischen Prozess in legitimer Weise nicht offen ausgetragen wird, muss unter den Bedingungen des politischen Wettbewerbs auch gegenüber anderen Verfassungsorganen nicht vollständig offenbart werden. • Drei Verfassungsorgane – der Bundeskanzler, der Bundestag und der Bundespräsident – haben es jeweils in der Hand, die Auflösung nach ihrer freien politischen Einschätzung zu verhindern. Dies trägt dazu bei, die Verlässlichkeit der Annahme zu sichern, die Bundesregierung habe ihre parlamentarische Handlungsfähigkeit verloren. Zur Vertiefung: Löwer, DVBl. 2005, 1102 ff. IV. Rechtsstellung der Abgeordneten Erwerb der Mitgliedschaft (und damit Abgeordnetenrechte) => § 45 BWahlG 1. Freies Mandat ▪ Art. 38 I 2 GG: Abgeordneter = Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen (sog. „freies Mandat“). ▪ Gegenbegriff: „imperatives Mandat“ (z.B. für die Vertreter der Landesregierungen im Reichsrat der WRV) ▪ Spannungsverhältnis: freies Mandat und Parteizugehörigkeit des Abgeordneten Fall 1: Zu Beginn der neuen Wahlperiode lässt sich der Fraktionsvorsitzende der F-Fraktion von den Fraktionsabgeordneten eine Blankoerklärung folgenden Inhalts unterschreiben: „Hiermit erkläre ich den Verzicht auf mein Mandat.“ Die Erklärung soll nach einer Verabredung in der Fraktion vom Vorsitzenden beim BT-Präsidenten eingereicht werden können, wenn ein Abgeordneter nicht im Sinne der Fraktion entscheidet. Als der Abgeordnete A einmal nicht mit seiner Fraktion stimmt, reicht der Fraktionsvorsitzende die Erklärung beim BT-Präsidenten ein. 1. Ist A damit aus dem Bundestag ausgeschieden? 2. Klagemöglichkeit? Seite 74 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Fall 2: Um möglichst vielen Parteimitgliedern der G-Partei die Teilnahme an der parlamentarischen Fraktionsarbeit zu ermöglichen, beschließen die Mitglieder dieser Partei ein „Rotationsverfahren“. Diesem zufolge soll jedes Fraktionsmitglied, das der G-Partei angehört, nach Ablauf von 2 Jahren sein Mandat freiwillig niederlegen, damit ein anderes Parteimitglied „nachrücken“ kann. Um dieser Absprache Nachdruck zu verleihen, unterschreibt jedes Parteimitglied einen Schuldschein in Höhe von 500.000 €, der von der Partei eingelöst werden kann, wenn das betreffende Mitglied nicht freiwillig zurücktritt. Ist dieses Vorgehen mit Art. 38 I 2 GG vereinbar? Fall 3: Im Bundestag steht die Verabschiedung der Hartz IV-Gesetzgebung an. Die Mehrheitsverhältnisse sind äußerst knapp. Der Abgeordnete A von der S-Partei möchte gegen das Reformpaket stimmen, da er es für „unsozial“ hält. Da seine Stimme jedoch benötigt wird, droht ihm der Fraktionsvorsitzende F mit seiner „Absetzung“ als Vorsitzendem des Sozialausschusses, falls er nicht mit der Fraktion stimmen sollte. Ist diese Drohung verfassungskonform? Fall 4: Die Abgeordnete A der S-Partei weigert sich im Anschluss an die BT-Wahl, die Kandidatin K zur Kanzlerin zu wählen, da diese – entgegen ihrer ursprünglichen Wahlaussage – nun doch mit der L-Partei koalieren möchte. Die S-Fraktion droht der A daraufhin mit dem Ausschluss aus der S-Fraktion. Ist diese Drohung rechtmäßig? Lösungshinweise: (Lösungshinweisblätter Nr. 13) Fall 1: A ist nicht gem. § 46 I Nr. 4 BWahlG aus dem Bundestag ausgeschieden, da die Blankoverzichtserklärung wegen Verstoßes gegen Art. 38 I 2 GG unwirksam ist. Das freie Mandat gehört zu den verfassungsrechtlichen Verbürgungen zugunsten der Abgeordneten und darf durch ein statusbezogenes Druckmittel wie die Blankoverzichtserklärung, die diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz völlig aushöhlte, nicht unterlaufen werden. Zudem fehlt es augenscheinlich an der notariellen Beurkundung der Verzichtserklärung (vgl. § 46 III BWahlG) Als Klagemöglichkeit kommt ein Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG i.V.m. §§ 63 ff. BVerfGG in Betracht. Dieses könnte gegen die F-Fraktion (Feststellung der Unwirksamkeit der Blankverzichtserklärung) oder gegen den BT-Präsidenten gerichtet werden, wenn Letzterer den Verlust der Abgeordneteneigenschaft von A gem. § 47 I Nr. 4 BWahlG feststellte. Fall 2: Nein! Die Freiheit des Mandats umfasst zwar auch das Recht des Abgeordneten, freiwillig auf seine Abgeordnetenstellung zu verzichten (s. hierzu die in Fall 1 genannten Normen). Von daher wäre es grds. vorstellbar, dass Abgeordnete aus Gründen der Rotation nach einer vereinbarten Zeit ihr Amt Seite 75 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 zugunsten eines Nachrückers (vgl. § 48 I BWahlG) aufgeben (str.). Vorliegend fehlt es indes an der Freiwilligkeit dieses Mandatsverzichts, da durch die Hinterlegung des Schuldscheins unzulässiger Druck auf die Entscheidung und damit auf das freie Mandat ausgeübt wird. Fall 3: Diese Drohung ist verfassungskonform, da sie lediglich die arbeitsorganisatorische Sphäre des A betrifft, ohne sich auf seinen Status als Abgeordneten auszuwirken und auf die Freiheit seiner Gewissensentscheidung eine Zwangswirkung auszuüben. Die Fraktion hat ihrerseits ein legitimes Interesse daran, für ein möglichst einheitliches Stimmverhalten ihrer Fraktionsabgeordneten Sorge zu tragen. Nur so kann die Partei über die Fraktion ihre Wahlversprechen bzw. ihre politischen Gestaltungsvorstellungen realisieren. Es handelt sich in Fall 3 mithin um einen verfassungsrechtlich zulässigen Fall der Fraktionsdisziplin. Vor diesem Hintergrund sieht die GO BT i.Ü. vor, dass die Ausschussmitglieder von den Fraktionen benannt werden (vgl. § 57 II GO BT). Es gibt mithin kein Selbstvorschlagsrecht der Abgeordneten für eine Mitgliedschaft in einem bestimmten Ausschuss. Fall 4: Die Drohung ist nicht rechtmäßig. Wie bei Parteien (s. oben § 2 G. I. 1.) ist der Ausschluss von Abgeordneten aus der Fraktion nur eingeschränkt möglich (als rechtlicher Maßstab mag hier § 10 IV PartG in analoger Anwendung dienen). Denn ohne die Fraktionszugehörigkeit bleibt die politische Arbeit des Abgeordneten im Bundestag praktisch wirkungslos (sehr eingeschränktes Rederecht, kein Stimmrecht in den Ausschüssen etc.). Durch die Bedrohung mit dem Ausschluss wird A deshalb faktisch gezwungen, mit der Fraktion zu stimmen. Diese kann sich insoweit jedoch nicht auf legitime Belange berufen, da die Wahlentscheidung eine höchstpersönliche (und keine rein sachliche) Entscheidung ist und A zudem gute politische Gründe (Bruch eines Wahlversprechens) auf ihrer Seite weiß. Es würde sich hier deshalb letztlich um einen unzulässigen, da mit Art. 38 I 2 GG nicht vereinbaren Fall von Fraktionszwang handeln. 2. Weitere Statusrechte und -pflichten der Abgeordneten ▪ Allgemein fließt aus Art. 38 I 2 GG neben dem Bestand des Mandats auch das Recht und sogar die Pflicht zur Ausübung des Mandats. Insbesondere steht dem Abgeordneten ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Arbeit des Parlaments zu. ▪ Im Einzelnen folgt hieraus: ➢ Stimmrecht (Recht, an Abstimmungen im Bundestag teilzunehmen und inhaltlich frei abzustimmen) ➢ Rederecht (vgl. aber § 35 GO BT) ➢ Initiativrecht (vgl. aber § 75 ff. GO BT) ➢ Frage- und Informationsrechte (vgl. §§ 100 ff. GO BT – Nota bene: Keine Ausforschung laufender Entscheidungsprozesse der Regierung – = „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“) Seite 76 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 ➢ Pflicht zur Wahrung seiner Unabhängigkeit und aktiver Ausübung seines Mandats (vgl. § 44a I AbgG – sog. Mittelpunktregelung – sowie § 44b AbgG – Offenlegungspflicht – s. dazu BVerfGE 118, 277 ff.) 3. Indemnität, Immunität, Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahmeverbot, räumliche Integrität ▪ Vgl. hierzu Art. 46, 47 GG. ▪ Unterschiede zwischen Indemnität und Immunität: Indemnität (Art. 46 I GG) beschränkt sich auf Äußerungen im BT – Immunität (Art. 46 II GG) betrifft auch den gesamten außenparlamentarischen Bereich; Indemnität gilt zeitlich unbegrenzt – Immunität nur für die Zeit der Mitgliedschaft im BT. ▪ Nicht zu verwechseln ist die Immunität mit dem Zeugnisverweigerungsrecht und dem Beschlagnahmeverbot (Art. 47 GG). Immunität schützt vor eigener Strafverfolgung, während Art. 47 GG greift, wenn Abgeordnete im Verfahren gegen Dritte aussagen oder Unterlagen herausgeben sollen. ▪ Geschützt wird auch die räumliche Integrität des Abgeordnetenbüros. Aktuelle Rechtsprechung: Abhängen von Symbolen kurdischer Milizen von den Fenstern eines Abgeordnetenbüros während eines Besuchs des türkischen Staatspräsidenten (BVerfGE 154, 354) ▪ Leitentscheidung: BVerfGE 104, 310 ff. – Pofalla: ➢ Der Genehmigungsvorbehalt des Art. 46 II GG dient vornehmlich dem Parlament als Ganzes. ➢ Dass die Immunität aber auch den einzelnen Parlamentarier schützt, folgt aus dem Repräsentationsprinzip: Da das Volk nur durch die Gesamtheit aller Abgeordneten angemessen repräsentiert wird, muss die Mitwirkung aller Abgeordneter auch gewährleistet sein. ➢ Ferner soll der Abgeordnete durch die Immunität vor Eingriffen der anderen Gewalten sowie ggf. der Parlamentsmehrheit selbst in seine parlamentarische Arbeit geschützt werden. ➢ Der einzelne Abgeordnete hat demnach aus Art. 38 I 2 i.V.m Art. 46 II GG einen verfassungsgerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der Bundestag die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität im Hinblick auf den repräsentativen Status des Abgeordneten frei von Willkür und sachfremden Erwägungen trifft. Fall: Sebastian Edathy war Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Gegen ihn wird ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornografischer Schriften geführt. Am 6. Februar 2014 erklärte Edathy gegenüber einem Notar den Verzicht auf sein Bundestagsmandat. Die hierüber ausgefertigte Urkunde legte er am 7. Februar 2014 dem Bundestagspräsidenten vor und machte dies u.a. auf seiner Homepage bekannt. Durch Schreiben vom 10. Februar 2014 bestätigte der Bundestagspräsident den Verzicht auf die Bundestagsmitgliedschaft und teilte Edathy schriftlich mit, dass er mit Ablauf des 6. Februar 2014 aus dem Bundestag ausgeschieden sei. Mit Beschluss vom 10. Februar 2014 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohnung, eines Nebenwohnsitzes sowie zweier Bürgerbüros Seite 77 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Edathys an, da zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Hätte eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg? (BVerfG, 2 BvR 969/14 v. 15.08.2014 = NJW 2014, 3085) Lösungshinweise: (Lösungshinweisblätter Nr. 14) ▪ Art. 46 II GG gewährleistet weder ein Grundrecht noch ein grundrechtsgleiches Recht des einzelnen Parlamentsabgeordneten. ▪ Der Abgeordnete kann aus Art. 46 II i.V.m. Art. 38 I 2 GG gegenüber dem Parlament jedoch beanspruchen, dass dieser willkürfrei über die beantrage Aufhebung der Immunität entscheidet (s. vorstehend den „Pofalla“-Fall). ▪ Macht ein Beschwerdeführer die Verletzung seiner Immunität als ein subjektives Recht gegenüber einem Träger öffentlicher Gewalt geltend, ist die Klärung der Rechtsverletzung i.R.d. Verfassungsbeschwerde statthaft. ▪ Art. 46 II GG gewährt den Bundestagsabgeordneten Schutz gegen jede Form strafgerichtliche oder behördlicher Untersuchung, wozu auch Durchsuchungen und Beschlagnahmen gehören. ▪ Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Abgeordnete dürfen nur nach vorheriger Genehmigung des Bundestages durchgeführt werden. ▪ Ist eine derartige Genehmigung nicht beantragt oder erteilt, verhindert Immunität eine Strafverfolgung jedenfalls so lange, bis der Abgeordnete seinen Status als Parlamentsmitglied verliert. ▪ Gem. § 46 I Nr. 4 BWahlG verliert Abgeordneter die Bundestagsmitgliedschaft u.a. durch notariell beglaubigten Verzicht. ▪ Der Zeitpunkt des Ausscheidens wird dabei durch § 47 I Nr. 4 BWahlG bestimmt. ▪ Maßgeblich ist deshalb die Entscheidung des Bundestagspräsidenten, der keine Befugnis besitzt, den Zeitpunkt abweichend festzusetzen. ▪ Daran ändert auch nichts, dass Edathy in den sozialen Medien selbst ein früheres Datum genannt hat. ▪ Der von Gesetzes wegen klar und einfach festzustellende maßgebliche Zeitpunkt für die Beendigung des Mandats soll jeder Einflussnahme durch abweichende Erklärungen entzogen sein. => Eine Verletzung der Immunität liegt vor, da diese erst am 10. Februar 2014, 24:00 Uhr endete; die Verfassungsbeschwerde hat deshalb Erfolg. Zur Vertiefung: − Görisch, Strafverfolgung des Abgeordneten, in: Pieroth/Görisch/Hartmann (Hrsg.), Hausarbeit im Staatsrecht, 3. Aufl. 2015, S. 204 ff. (Fallbearbeitung unter Einbezug kompetenzieller Probleme – aktuelle 4. Aufl. umfasst diesen Fall nicht mehr) Seite 78 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz − Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Pabel, BVerfGE 103, 81 u. 104, 310 – Pofalla. Grundfragen der parlamentarischen Immunität, in: Menzel/Müller-Terpitz, Verfassungsrechtsprechung, 3. Aufl. 2017, S. 678 ff. Nota bene: In der Praxis kommt dem Immunitätsrecht und dem aus ihm fließenden Schutz wenig Bedeutung zu. Namentlich verhält es sich so, dass zu Beginn einer jeden Legislaturperiode der Bundestag durch Beschluss die Immunität grundsätzlich als aufgehoben erklärt. Staatsanwaltschaften dürfen deshalb Ermittlungen beginnen, ohne dass der Immunitätsausschuss des Bundestages und anschließend dessen Plenum eigens eine Entscheidung zur Aufhebung der Immunität herbeiführen müssten. Die Staatsanwaltschaft muss lediglich einen Ermittlungswunsch beim Bundestagspräsidenten anmelden. Dieser setzt sich sodann mit dem Vorsitzenden/der Vorsitzenden des Immunitätsausschusses ins Benehmen. Der Ausschussvorsitzende hinwiederum nimmt Kontakt zu den jeweiligen Ombudsmännern derjenigen Fraktion auf, die betroffen ist. Wenn Einigkeit herrscht, dass dem Ansinnen der Staatsanwaltschaft Rechnung zu tragen ist, reicht es, wenn der Bundestag dem Wunsch der Justiz 48 Stunden lang nicht widerspricht. Durch dieses vereinfachte Verfahren soll insbesondere erreicht werden, dass Ermittlungen wegen kleinerer Vergehen nicht in der breiten Öffentlichkeit breitgetreten werden (Die Medien würden über den Aufhebungsbeschluss des Bundestagsplenums berichten!). Will die Staatsanwaltschaft jedoch weitere Ermittlungsverfahren ergreifen, etwa eine Wohnung des Abgeordneten besuchen oder einen Strafbefehl erlassen, dann müssen die 14 Mitglieder des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zusammentreten, eine Entscheidung herbeiführen und anschließend über diese im Plenum des Bundestages abstimmen lassen. Die Sache wird dann öffentlich, weshalb Abgeordnete mitunter versuchen, durch Verzicht auf ihr Mandat eine öffentliche Befassung mit dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Deutschen Bundestag zu verhindern (s. Fall Edathy). 4. Anspruch auf angemessene Entschädigung ▪ Vgl. Art. 48 III GG ▪ Regelung dient der Gewährleistung des freien Mandats ▪ Für Einzelheiten vgl. § 11 f. AbgG. ▪ Nota bene: Aus der Gleichheit der Abgeordneten fließt der Grundsatz gleicher Entschädigung. Funktionszulagen dürfen deshalb nur in geringer Zahl und nur für besonders hervorgehoben politisch-parlamentarische Funktionen gewährt werden (z.B. Funktion des Präsidenten bzw. Vizepräsidenten, Fraktionsvorsitzenden – vgl. BVerfGE 102, 224 ff. – 2. Diäten-Urteil). 5. Ausscheiden aus dem Bundestag ▪ Mitgliedschaft im BT endet i.d.R. mit dem Ende d. Wahlperiode und somit mit dem Ende des jeweiligen BT. ▪ Auch vorzeitige Auflösung des BT führt zu Ende der Amtszeit des Abgeordneten (zu der daraus resultierenden Antragsbefugnis d. MdB im Organstreitverfahren vgl. BVerfGE 114, 121 ff. – Bundestagsauflösung). ▪ Sonstige Gründe des Verlusts der Mitgliedschaft sind nicht abschließend in § 46 I BWahlG geregelt. Seite 79 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz ▪ Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Scheidet ein Abg. aus dem BT aus, rückt der nächste auf der Liste der Partei stehende und bisher noch nicht berücksichtigte Kandidat nach; gilt auch bei durch Direktwahl gewählten MdB, nicht jedoch bei Überhangmandaten, diese fallen ersatzlos weg (vgl. § 48 BWahlG und BVerfGE 97, 317). V. Organisation und Verfahren des Bundestages 1. Geschäftsordnung Fall 1: Entgegen § 76 GO BT wird ein Gesetzentwurf nicht von einer Fraktion oder von mindestens 5 % der Mitglieder des BT unterzeichnet. Der Gesetzentwurf wird dennoch im BT beraten und beschlossen. Ist der Beschluss wirksam? Fall 2: Entgegen § 38 I 3 GO BT wird der Abgeordnete A wegen gröblicher Verletzung der Ordnung vom BTP für 31 Sitzungstage ausgeschlossen. Ist dieser Beschluss wirksam? Welche Möglichkeiten stehen A zu, um sich gegen diesen Ausschluss zur Wehr zu setzen? ▪ Als Verfassungsorgan verfügt der BT über Parlamentsautonomie (= Regelungsmacht des BT in eigenen Angelegenheiten). ▪ Ausdruck dieser Parlamentsautonomie ist die Geschäftsordnungsautonomie (s. Art. 40 I 2 GG). ▪ Die GO regelt organisatorische Frage und das Verfahren im BT; sie konkretisiert damit das GG. ▪ Die GO gilt allerdings nur für den bundestagsinternen Bereich und für die Bundestagsmitglieder. ▪ Rechtsnatur der GO: Streitig (Satzung, Verwaltungsvorschrift, Verfassungssatzung oder „parlamentarisches Innenrecht“). ▪ Nota bene: Wegen Art. 20 III GG gilt jedenfalls das Prinzip des Vorrangs der Verfassung. Ob daneben auch das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes gilt, ist streitig. Im Ergebnis ist hier wohl eher von einem lex specialis-Verhältnis auszugehen. ▪ Die GO wird jedenfalls in einem Verfahren vorbereitet und erlassen, an dem nur die Mitglieder des Bundestages mitwirken. Gem. Art. 42 II 1 GG beschließt der BT mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen über die GO. Im Einzelfall kann von den Vorschriften der GO jedoch mit einer 2/3 Mehrheit der anwesenden Mitglieder des BT abgewichen werden (vgl. § 126 GO BT). ▪ In der Regel wird die GO vom nächsten BT (mehr oder weniger) unverändert übernommen (wobei die Übernahme auch konkludent – durch Anwendung erfolgen kann). ▪ GO im materiellen Sinn: alle Rechtsnormen, die den parlamentsinternen Bereich betreffen; v.a. Parlamentsgewohnheitsrecht (nicht jedoch Parlamentsbrauch/parlamentarische Praxis => keine verbindliche Rechtsnorm) Seite 80 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 2. Organisation und Untergliederung des BT a) Bundestagspräsident ▪ BTP = (Teil-)Organ des Staatsorgans BT (= „Beteiligter“ i. S. d. Art. 93 I Nr. 1 GG) ▪ Wahl: Art. 40 I 1 GG (vgl. auch § 1 IV u. § 2 GO BT) ▪ Parlamentarische Praxis: stärkste Bundestagsfraktion benennt BTP. ▪ Aufgaben des BTP (vgl. § 7 GO BT), insbes.: ➢ Vertretung des BT ➢ oberste Dienstbehörde der Bundestagsbeamten (nicht aber der Abgeordneten!) ➢ Ausübung des Hausrechts und der Polizeigewalt im Bundestagsgebäude (vgl. Art. 40 II 1 GG) ➢ Sitzungsleitung (§ 22 GO BT) ➢ Sitzungsgewalt (§ 36 ff. GO BT) ▪ Doppeltstellung des BTP: ➢ verfassungsrechtliche Funktionen (z.B. Ausschluss eines BT-Abgeordneten gem. § 38 I GO BT) ➢ verwaltungsrechtliche Funktionen (Festsetzung und Auszahlung der Parteienfinanzierung gem. §§ 18 ff. PartG; Ausübung des Hausrechts) ▪ Weitere Leitungsorgane (zu Unterstützung und ggf. Vertretung d. BTP) ➢ Vizepräsident: mindestens einer pro Fraktion, vom BT zu wählen (§ 2 II 2 GO BT) ➢ Präsidium: besteht aus Präsidenten u. Vizepräsidenten (§ 5 GO BT) ➢ Ältestenrat: besteht aus Präsidenten, Vizepräsidenten u. 23 weiteren von der Fraktion zu benennenden Abg. (§§ 5 ff. GO BT); stellt Beziehung zwischen Präsidium und Fraktionen her b) Ausschüsse ▪ Leisten die eigentliche parlamentarische Sacharbeit durch Vorbereitung der Bundestagsentscheidungen. ▪ Ausschüsse sind nach Stärke der Fraktionen zusammengesetzt und damit „verkleinerter BT“ (vgl. § 12 S. 1 GO BT) (= Gebot der Spiegelbildlichkeit) ▪ Ausschussmitglieder werden von den Fraktionen benannt (vgl. § 57 II GO BT – dort auch zum fraktionslosen Abgeordneten – BVerfGE 80, 188 – Wüppesahl). ▪ Informations- und Kontrollrechte ggü. der BReg (Art. 43 I GG) ▪ Man unterscheidet ständige Ausschüsse, Sonderausschüsse und Enquete-Kommissionen (vgl. § 54 u. 56 GO BT). ▪ Nur wenige Ausschüsse werden durch das GG oder Bundesgesetze ausdrücklich vorgegeben (vgl. Übersicht in § 54 II GO BT). Seite 81 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 ▪ Die Einsetzung von Unterausschüssen ist grundsätzlich zulässig (vgl. § 55 GO BT). ▪ Zur Bestimmung des Ausschussvorsitzenden vgl. § 58 GO BT. ▪ Die Ausschüsse beraten grundsätzlich nicht öffentlich (vgl. § 69 GO BT). Bedeutsame Ausnahme: Untersuchungsausschüsse (vgl. Art. 44 I GG). c) Fraktionen und Gruppen ▪ Funktion der Fraktionen: ➢ „Verlängerter Arm der Parteien in den BT“ (vgl. Legaldefinition in § 10 I 1 GO BT). ➢ Fraktionen leisten einen wesentlichen Teil der parlamentarischen Arbeit (Diskussionen, Vorklärungen und Vorabstimmungen, Rückkopplung zur Regierung). ▪ Rechtsgrundlagen: ➢ Im GG werden sie nur an einer Stelle erwähnt (Art. 53a I 1 S. 2 GG – Gemeinsamer Ausschuss). ➢ §§ 10 – 12 GO BT ➢ §§ 45 ff. AbgG (Fraktionen = rechtsfähige Vereinigungen des Privatrechts; ≠ Teil der öffentlichen Verwaltung, da sie keine öffentliche Gewalt ausüben) ▪ Gruppen = Gruppe von Abgeordneten, die keine Fraktionsstärke erreichen (also unter 5 %Grenze bleibt). Die nach § 10 IV 1 GO BT anerkannten Gruppen haben z. T. die gleichen Rechte wie die Fraktionen; insgesamt verfügen sie aber über weniger Rechte als diese (zu den Rechten einer Gruppe vgl. BVerfGE 84, 304 [327 ff.]). d) Fraktionszwang oder Fraktionsdisziplin? S. o. IV. 2. (Statusrechte der Abgeordneten) e) Koalitionsvereinbarung ▪ Koalitionsvereinbarung = Verabredungen zwischen 2 oder mehreren Parteien über ein gemeinsames politisches Vorgehen, welches über die Fraktionen dieser Parteien im BT realisiert werden soll. Die Koalitionsvereinbarung dient i.d.R. der Bildung der parlamentarischen Mehrheit im BT, welche die Regierung „trägt“. ▪ Rechtsnatur des Koalitionsvertrags ist umstritten. Z.T. wird dieser als öffentlich-rechtlicher Vertrag qualifiziert. H.M. geht allerdings zu Recht davon aus, dass es sich um eine unverbindliche politische Absprache handelt. ➢ = Absprache zwischen den Regierungsparteien über Bildung der Regierung, Verteilung der Ämter und die Regierungspolitik ➢ Keine rechtliche Verpflichtung des BK und der Minister zur Umsetzung der Vereinbarungen ➢ Kein rechtlich verbindlicher Vertrag (h.M.; a.A.: „Verfassungsvertrag“), sondern informelle Absprache mit faktisch-politischer Bindungswirkung Seite 82 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 ➢ Bruch hat daher nur politische, keine rechtlichen Folgen Zur Vertiefung: Maurer, Staatsrecht I, § 14 Rn. 23 ff. f) Opposition ▪ Der Begriff „Opposition“ wird vom GG nicht verwendet. ▪ Es handelt sich um einen rein politischen Begriff, mit dem herkömmlicherweise die parlamentarische Minderheit im BT qualifiziert wird. ▪ Das GG wie auch die GO BT billigt dieser Minderheit an verschiedenen Stellen Minderheitenrechte (z.B. Art. 44 I GG) oder Sperrminoritäten (vgl. Art. 79 II GG) zu. 3. Verfahren des Bundestages a) Öffentlichkeitsprinzip ▪ Vgl. Art. 42 I GG ▪ Gilt nur für das Plenum (für die Ausschüsse vgl. § 69 GO BT). ▪ Umfasst sowohl die Sitzungs(Saal-) als auch die Berichterstattungs(Medien) Öffentlichkeit (h.M.). ▪ Das Öffentlichkeitsprinzip aus Art. 42 I GG wird sekundiert durch das Medienprivileg in Art. 42 III GG. ▪ Beide Bestimmungen konkretisieren das Demokratieprinzip und dienen der Herstellung größtmöglicher Publizität des parlamentarischen Handelns. Seite 83 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 b) Mehrheitsprinzip Fall: Bei einer Abstimmung im Bundestag stimmen 100 Abgeordnete für den eingebrachten Gesetzesbeschluss, 70 dagegen und 170 enthalten sich. Die A-Fraktion meint, aufgrund der Anzahl der Nein Stimmen und den Enthaltungen sei der Beschluss wohl abgelehnt worden. Zu Recht? ▪ Grundsatz: „Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ (vgl. Art. 42 II GG, § 48 II GO BT) = einfache oder relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen; Enthaltungen werden nicht mitgezählt. Andernfalls würden sie faktisch als Nein-Stimmen zählen. ▪ Ausnahmen („soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt“ – vgl. Art. 42 II 1, 2. Hs.): Abweichend von dieser Abstimmungsmehrheit sieht das GG an manchen Stellen auch eine Mitgliedermehrheit vor (vgl. z.B. Art. 79 II GG) = absolute Mehrheit (zum Begriff vgl. Art. 121 GG). Folge: Es werden nicht nur die Enthaltungen und ungültige Stimmen, sondern auch abwesende Mitglieder mitgezählt, wobei sich diese als Ablehnung (Nein-Stimmen) auswirken. c) Abstimmungsverfahren ▪ Vgl. § 48 ff. GO BT ▪ Zu unterscheiden sind: ➢ Abstimmungen durch Handzeichen (§ 48 GO BT), (oder Aufstehen?) ➢ Wahlen mit verdeckten Stimmzetteln (bei geheimen Wahlen – vgl. § 49 GO BT), ➢ namentliche Abstimmungen (vgl. § 52 ff. GO BT). (wer kann das wann beantzragen?) ▪ Herrscht Uneinigkeit über das Ergebnis der Abstimmung, so kommt es zum „Hammelsprung“ (vgl. § 51 II GO BT) Seite 84 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 d) Beschlussfähigkeit Fall: Bei der Abstimmung im Bundestag über eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes sind 200 Abgeordnete anwesend. Mit 150 zu 50 Stimmen wird der Gesetzesbeschluss angenommen. Die F-Fraktion hält die Abstimmung aufgrund der geringen Zahl der Anwesenden Mitglieder des Bundestags für unwirksam. Zu Recht? ▪ Besteht, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des BT im Sitzungssaal anwesend ist. ▪ Wird vermutet, sofern nicht vor der Abstimmung das Gegenteil festgestellt worden ist (vgl. § 45 I, II GO BT). Seite 85 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 B. Bundesrat I. Wesen des Bundesrates 1. Bundesrat als „föderatives“ Organ Über den Bundesrat (BR) erhalten die Länder die Möglichkeit, in Bundesangelegenheiten mitzuwirken und dort ihren spezifischen Sachverstand (vor allem in Fragen des Gesetzesvollzugs) einzubringen (vgl. Art. 50 GG). „(G)rundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung gehört gemäß Art. 79 III GG auch zum änderungsfesten Kern des Bundesratsprinzips. 2. Bundesrat als Bundesorgan Nota bene: Auch wenn im BR die Länder repräsentiert sind, welche dort Landesinteressen artikulieren können und sollen, handelt es sich trotzdem beim BR um ein Organ des Bundes. Als Bundesorgan schuldet der BR den anderen Organen des Bundes die sog. „Organtreue“ und ist auf die „gesamtstaatliche Verantwortung“ des Bundes verpflichtet (vgl. Art. 23 V GG). Der BR ist keine echte „zweite Kammer“, da er neben dem BT nicht durchweg über eine gleichberechtigte Gesetzgebungskompetenz verfügt. = Ständiges Organ; Grundsatz der Diskontinuität greift nicht ein. II. Aufgaben des Bundesrates 1. Mitwirkung bei der Gesetzgebung des Bundes Vgl. Art. 50 Alt. 1 i.V.m. Art. 76 ff. GG 2. Mitwirkung bei der Verwaltung des Bundes Vgl. Art. 50 Alt. 2 i.V.m. z.B. Art. 80 II, Art. 84 II u. Art. 85 II GG 3. Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union Vgl. Art. 50 Alt. 3 GG i.V.m. Art. 23 II, IV – VII GG 4. Mitwirkung an der Judikative Mittelbar über die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht (Art. 94 I 2 GG, §§ 5, 7 BVerfGG) und Antragsrechte zum BVerfG III. Zusammensetzung und Mitglieder des Bundesrates Gemäß Art. 51 I GG besteht der BR aus den Mitgliedern der Landesregierungen (damit ist der BR im Gegensatz zum BT „nur“ mittelbar demokratisch legitimiert). Seite 86 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Das GG hat sich damit nicht für eine Senats-, sondern für eine Exekutivlösung entschieden. Entsprechend spricht man auch vom „Exekutivföderalismus“. Vorteil dieser Lösung: Da die Landesregierungen über Art. 83 ff. GG für den Vollzug der Bundesgesetze zuständig sind, können sie vor allem in das Gesetzgebungsverfahren ihre spezifisch exekutivischen Sachverstand einbringen. Nota bene: Da es sich bei den Mitgliedern des BR um die Mitglieder eines Bundesorgans handelt, können diese nicht durch Weisungen seitens des Landes (insbesondere der Landtage) gebunden werden. Die Landtage können insofern lediglich durch schlichte Parlamentsbeschlüsse ihre Auffassung zu einem bestimmten politischen Thema kundtun und die Landesregierungen bitten, entsprechend im BR abzustimmen. Sie können die Mitglieder der Landesregierung jedoch nicht an das Votum des Landtages binden. Dies wäre verfassungswidrig. Möglich sind jedoch Weisungen der Landesregierung an die Mitglieder; ein Verstoß gegen eine solche Weisung macht die Abstimmung aber nicht unwirksam (nur landesinterne Wirkung). IV. Organisation und Verfahren des Bundesrates Das GG folgt nicht dem Prinzip „One State – One Vote“, sondern dem Prinzip des „gewichteten Stimmrechts“ (vgl. Art. 51 II GG). Insgesamt hat der Bundesrat 69 ordentliche Mitglieder und demzufolge 69 Stimmen. So macht die für Beschlüsse in der Regel erforderliche absolute Mehrheit 35 Stimmen und die manchmal notwendige Zweidrittelmehrheit 46 Stimmen aus. Der BR ist beschlussfähig, wenn die Mehrzahl der Stimmen (nicht: der Länder!) anwesend ist. Seite 87 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Stimmenverteilung im Bundesrat Einwohner in Millionen * Land Ministerpräsident Stimmen im Bundesrat Regierungsparteien Baden – Württemberg 11,12 Kretschmann 6 Bündnis 90 Die Grünen/CDU Bayern 13,18 Söder 6 CSU/FW Berlin 3,68 Giffey 4 SPD/Bündnis 90 Die Grünen /Linke Brandenburg 2,54 Woidke 4 SPD/CDU/Grüne 3 SPD/Bündnis 90 Die Grünen/Linke 3 SPD/Bündnis 90 Die Grünen Bremen Hamburg 0,68 1,85 Bovenschulte Tschentscher Hessen 6,30 Rhein 5 CDU/Bündnis 90 Die Grünen Mecklenburg - Vorpommern 1,61 Schwesig 3 SPD/Linke Niedersachsen 8,02 Weil 6 SPD/Bündnis 90 Die Grünen 6 CDU/Bündnis 90 Die Grünen Nordrhein - Westfalen 17,92 Wüst Rheinland - Pfalz 4,11 Dreyer 4 SPD/Bündnis 90 Die Grünen/FDP Saarland 0,98 Rehlinger 3 SPD Seite 88 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Sachsen 4,04 Kretschmer 4 CDU/Bündnis 90 Die Grünen/SPD Sachsen - Anhalt 2,17 Haseloff 4 CDU/SPD/FDP 4 CDU/Bündnis 90 Die Grünen 4 Linke/SPD/Bündnis 90 Die Grünen Schleswig – Holstein Thüringen 2,92 2,11 Günther Ramelow Quelle Einwohnerzahlen: Statistisches Bundesamt, Stand: 31.12.2021 Gem. Art. 51 III 1 GG kann jedes Land nur so viele Mitglieder in den BR entsenden, wie es Stimmen hat. Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter abgegeben werden. Leitentscheidung: BVerfGE 106, 310 – Zuwanderungsgesetz – In dieser Entscheidung billigte das BVerfG die politische Praxis der „Stimmführerschaft“. Allerdings kommt weder diesem Stimmführer noch dem Ministerpräsidenten ein „besseres Abstimmungsrecht“ zu, weshalb die Abgabe der Stimmen durch einen Stimmführer jederzeit durch ein anderes Bundesratsmitglied desselben Landes widersprochen werden kann und damit die Voraussetzungen der Stimmführerschaft insgesamt entfallen. Auch besteht keine automatische Stimmführerschaft des Ministerpräsidenten aufgrund seiner Richtlinienkompetenz. Der BR wählt seinen Präsidenten auf ein Jahr (Art. 52 I GG). Dieser ist zugleich Vertreter des Bundespräsidenten (vgl. Art. 57 GG). Der Bundesratspräsident (BRP) beruft den BR ein (Art. 52 II 1 GG); in der Praxis sind seine Plenarsitzungstermine dabei unter Berücksichtigung der Sitzungswochen des BT festgelegt. Der BR tagt deshalb im Abstand von 3 – 4 Wochen (insgesamt etwa 11mal jährlich). Er tritt dabei regelmäßig freitags zusammen. Gem. Art. 52 II 2 GG hat der BRP den BR einzuberufen, wenn die Vertreter von mindestens zwei Ländern oder die Bundesregierung dies verlangen. Auch der BR gibt sich eine Geschäftsordnung (GOBR). Auch er verhandelt öffentlich (Sitzungs- und Medienöffentlichkeit), wobei in Ausnahmefällen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die Entscheidungen des BR werden – wie im BT – durch Ausschüsse vorbereitet; die Ausschussberatungen müssen dabei 2 Wochen vor der relevanten Plenarsitzung abgeschlossen sein. In den Ausschüssen können im Übrigen auch Beauftragte mitwirken (vgl. Art. 52 IV GG). Für Angelegenheiten der EU hat der BR schließlich eine Europakammer gebildet, deren Beschlüsse als Beschlüsse des BR gelten (vgl. Art. 52 IIIa GG)! Zum Verhältnis BR/Bundesregierung vgl. Art. 53 GG. Seite 89 Prof. Dr. R. Müller-Terpitz Staatsrecht – Staatsorganisationsrecht HWS 2023/2024 Zur Vertiefung: Müller-Terpitz, Zuwander

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