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This document is a question catalogue for a course on empirical social research. It details qualitative and quantitative research, and their differences.
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Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 1. Einführung: Empirische Sozialforschung (T1) Was ist empirische Sozialforschung? Gegenstand: Menschen und ihre soziale Realität o Taucht in die Welt der Menschen ein, erf...
Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 1. Einführung: Empirische Sozialforschung (T1) Was ist empirische Sozialforschung? Gegenstand: Menschen und ihre soziale Realität o Taucht in die Welt der Menschen ein, erforscht Verhalten, Erleben und Zusammenleben o Erforscht diese systemaNsch mit wissenschaPlichen Erhebungsmethoden und greiP dabei auf empirische Daten zurück Ziel: wissenschaPlicher Erkenntnisgewinn o AusschniS der Wirklichkeit beschreiben und durch fundierte Theorien zu erklären Unterschied WissenschaP zu Alltagswissen: Prozess o Methodisch fundierte Vorgehensweise o WissenschaPsethische Prinzipien o Vollständige DokumentaNon o = systemaNsch und transparent Erkenntnisgewinn: durch Empirie o Empirie = Erfahrungswissen o Theorien mit erlebbarerer Wirklichkeit abgleichen § Theorie = System widerspruchsfreier Aussagen § (vereinfachtes Abbild der Realität von wesentlichen Elementen und ihrer Beziehung zueinander) QualitaNv o Theorienbildung indukNv o Startet mit erhobenen Daten o Entwickelt Erklärungen für neue Theorien QuanNtaNv o Theorienprüfung dedukNv o Startet mit vorhandener Theorie / Hypothese Gesichertes Wissen o Durch wiederholte Prüfung und Weiterentwicklung WissenschaPliche Erhebungsmethoden o Beobachtung o Befragung o Artefaktesammlung o Ziel: Wirklichkeit zu beschreiben, erkunden, erklären § DeskripNon – Häufigkeiten (Forschungsinteresse beschreibend) § ExploraNon – Offene Fragen (Empirische Daten für Theorie, Theorienbildung) § ExplanaNon – Prüfung wie theoreNsche Vorannahmen zu empirischen Daten passen (Theorienprüfung) 1 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 2. „qualitaNv“ vs. „quanNtaNv“ (T1) Was bedeuten ‚qualita:v‘ und ‚quan:ta:v‘ im Kontext von (Sozial-)Forschung? QualitaNv QuanNtaNv Theorienbildung indukNv Theorienprüfung dedukNv Startet mit erhobenen Daten Startet mit vorhandener Theorie / Entwickelt Erklärungen für neue Hypothese Theorien Mensch mehr als ein Wahrnehmung der Welt nur über Untersuchungsobjekt – ein menschliche Sinne erkennendes Subjekt Kein grundsätzlicher Unterschied Erforschung sozialen Handels zwischen natur- und setzt Kenntnis der geisteswissenschaPlicher (Sprach)Symbole voraus, die von Methodologie situaNven Kontexten abhängen Soziales Lebens läuP nach Fremdverstehen durch besNmmten Regelmäßigkeiten ab Annahme eines Vorhandenseins Forscher kann es von außen in seinem eines Vorrats gemeinsamer Ablauf betrachten und erklären Symbole für einen Kulturkreis Annahme der Reziprozität der PerspekNven Worin unterscheiden sich „qualita:ve“ von „quan:ta:ven“ Forschungszugängen? QualitaNve QuanNtaNv Ziele Tiefes Verständnis Phänomene messen, von menschlichen quanNfizieren, Verhalten, sozialen allgemeingülNge Prozessen, Gesetzmäßigkeiten Erfahrungen und zu entdecken Bedeutungen Hypothesen testen erlangen Kausale Beziehungen Phänomene im zwischen Variablen natürlichen Kontext idenNfizieren zu erkunden und interpreNeren Methoden Interviews, Umfragen, Fokusgruppen, Experimente, teilnehmende Sekundäranalyse Beobachtung, Datenerhebung Fallstudien, strukturiert und Inhaltsanalysen standardisiert Datenerhebung oP offen und flexibel 2 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Daten Nicht-numerische Numerische Daten Daten wie Texte, StaNsNsch analysiert Bilder, Videos OP in Form von ReichhalNg und Zahlen und detailliert Prozenten Analyse InterpretaNv und DedukNv und indukNv staNsNsch Theorienbildung Theorien/ Hypothesenprüfung Ergebnisse Beschreibend und Generalisierbar kontextbezogen Flexibilität Flexibel und adapNv Strukturiert und Forschungsdesign festgelegt – kann sich im Laufe standardisiert der Studie ändern Forschungsdesign und Methoden vor Beginn definiert und unveränderbar SubjekNvität vs. ObjekNvität AkzepNert/ ObjekNvität und berücksichNgt die Neutralität im SubjekNvität des Vordergrund Forschers/ Teilnehmers Warum ist die Begriffsverwendung in Bezug auf Forschung insgesamt eigentlich nicht ganz rich:g bzw. irreführend? Überlappung der Methoden – Mixed-Methods Ansätze, QualitaNve Forschung kann quanNtaNve Elemente enthalten und umgekehrt Einschränkende Kategorisierung und Vernachlässigung anderer Ansätze FehlinterpretaNon der Ziele Begriffsverwirrung durch breite DefiniNonen und Kontextabhängigkeit Veränderungen und Entwicklungen denen die starren Kategorien „qualitaNv“ und „quanNtaNv“ nicht mehr gerecht werden Worin besteht das Ziel „qualita:ver“ Sozialforschung? Tiefes Verständnis von menschlichen Verhalten, sozialen Prozessen, Erfahrungen und Bedeutungen erlangen Phänomene im natürlichen Kontext zu erkunden und interpreNeren 3 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 2.1. Grenzen „quanNtaNver“ Forschung als Ausgangspunkt und Motor für die (Weiter)Entwicklung „qualitaNver“ Methoden und Methodologien (T1) v.a. Flick 2021, S. 23–25 Welche sind die Leitgedanken quan:ta:ver Forschung und wo setzt die Kri:k daran an? Was treibt die Weiterentwicklung qualita:ver Forschungszugänge an? Leitgedanken: o Klare Isolierung von Ursachen und Wirkungen o Saubere OperaNonalisierung von theoreNschen Zusammenhängen o Messbarkeit und QuanNfizierung von Phänomenen o Formulierung von Untersuchungsanordnungen o Ergebnisse verallgemeinern und allgemein gülNge Gesetze aufstellen KriNk: o Bei Gewährleistung der ObjekNvität wird die SubjekNvität des Forschers wie der untersuchten Subjekte ausgeklammert o Standards und Vorgehensweisen wurden im Laufe der Zeit weniger grundsätzlich reflekNert und dahingegen hinterfragt, welchen Forschungsgegenständen und Fragestellungen sie angemessen sind und welchen nicht Weiterentwicklung: o Einzug in poliNsche und alltägliche Zusammenhänge o Forschungsergebnisse werden im Alltag kaum wahrgenommen und benutzt o Empirisch begründete Formulierung subjekNver- und situaNonsspezifischer Aussagen für „wahre“ Erkenntnis Was waren/sind die wesentlichen Kri:kpunkte an standardisierten, „quan:ta:ven“ Forschungszugängen, die Ausgangspunkt der Entwicklung „qualita:ver“ Forschungsparadigmen waren? o „Entzauberung“ der objekNvisNschen Ideale – fehlende Anwendung und Anschlussfähigkeit der Ergebnisse der SoWi o Wi produziere keine „uneingeschränkten Wahrheiten“ mehr, sondern „eingeschränkte Deutungsangebote „ o Empirisch begründete Formulierung subjekNver- und situaNonsspezifischer Aussagen für „wahre“ Erkenntnis Wo liegen die Grenzen der Kri:k bzw. welchen Fragen muss sich die qualita:ve Forschung selbst stellen? Vermeidung, dass Forschung und Ergebnisse von Interessen, sozialen und kulturellen Hintergründen der Beteiligten mitbesNmmt werden Hinterfragen, welche Forschungsgegenstände und Fragestellungen sie angemessen sind und welchen nicht 4 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 2.2. Zentrale KriNkpunkte gegenüber einer naturwissenschaPlich ausgerichteten SozialwissenschaP (T2) Soziale Phänomene exisNeren nicht außerhalb des Individuums, sondern beruhen auf den InterpretaNonen der Individuen einer sozialen Gruppe, die es zu erfassen gilt Soziale Tatsachen können nicht vordergründig als objekNv idenNfiziert werden, sondern sie sind als soziale Handlungen von ihrem Bedeutungsgehalt her bzw. Je nach SituaNon anders zu interpreNeren QuanNtaNve Messungen und ihre Erhebungstechniken können soziales Handeln nicht wirklich erfassen; sie beschönigen oder verschleiern eher die diversen Fragestellungen; führen auch dazu, dass dem Handeln eine besNmmte Bedeutung unterschoben wird, die eher die des Forschers ist Das Aufstellen von zu testenden Hypothesen vor der eigentlichen Untersuchung kann dazu führen, dem Handelnden eine von ihm nicht geteilte Meinung oder Absicht zu suggerieren v.a. Lamnek und Krell 2016, S. 7 2.3. Grenzen der KriNk (T2) ENkererung von gutem und schlechtem Forschungszugang nicht zulässig KriNk tris nicht generell zu SelbstkriNk gleichermaßen angebracht Verknüpfung teilweise möglich Gefahr der Ideologisierung (“Paradigma-Falle”) 2.4. ReflexionsbedürPige Fragen – Prinzip KommunikaNon (T2) Anerkenntnis, dass mit jeder DefiniNon, Beobachtung oder Untersuchung reflexionsbedürPige “Störungen” einhergehen o Verhaltensforscher muss lernen zuzugeben, dass er neimals ein Verhaltensereignis beobachtet, wie es in seiner Abwesenheit staSgefunden hat / haben könnte (Un-)Möglichkeit der RepräsentaNon auch innerhalb der eigenen Kultur (“Krise der RepräsentaNon”) o Über andere zu rede heißt, über sich selbst zu reden v.a. Mruck & Mey 2005, 10 5 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 3. Kennzeichen, zentrale Prinzipien, Ansprüche „qualitaNver“ Sozialforschung (T1 bis T5) Was kennzeichnet „qualita:ve“ Zugänge über alle Ausrichtungen und Forschungsansätze hinweg (Kennzeichen/Merkmale, Ansprüche/zentrale Prinzipien, Gütekriterien)? v.a. Flick 2021, 26-30 und Lamnek und Krell 2015, 19f, 44-45 auch Flick 1987 Gegenstandsangemessenheit o Methoden so offen gestalten, dass sie der Komplexität im untersuchten Gegenstand gerecht werden o Untersuchende Gegenstand ist Bezugspunkt für die Auswahl von Methoden und nicht umgekehrt o Gegenstand wird nicht in einzelne Variablen zerlegt o Wird in seiner Komplexität und Ganzheit in seinem alltäglichen Kontext untersucht o Untersuchungsfeld: § Handeln und Interagieren der Subjekte im Alltag (im Gegensatz zum „künstlichen“ Labor) § Offenheit gegenüber dem Gegenstand o Ziel: Zentrale Kriterien § Ob Erkenntnisse im empirsichen Material begründet sind § Ob die verwendeten Methoden dem untersuchten Gegenstand angemessen ausgewählt und angewendet wurden § Relevanz des Gefundenen und Reflexivität des Vorgehens PerspekNven der Beteiligten und ihre VielschichNgkeit o Verdeutlichung der Unterschiedlichkeit der PerspekNven auf den Gegenstand o SubjekNve und soziale Bedeutungen des Gegenstands o Untersuchung von Wissen und Handeln o Zusammenhänge werden im konkreten Kontext des Falls beschrieben und aus ihm erklärt Reflexivität des Forschers und der Forschung o KommunikaNon des Forschers im Feld als Bestandteil der Erkenntnis o SubjekNvität von Untersuchten und Untersuchern wird Bestandteil des Forschungsprozesses Spektrum der Ansätze und Methoden qualitaNver Forschung o Basiert nicht auf einheitlichem theoreNschem und methodischem Verständnis o SubjekNve Sichtweisen o Herstellung und Ablauf von InterakNonen o RekonstrukNon der Strukturen in sozialen Feldern o Latenter Sinn von Handlungen 6 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 4. Aktualität und Auswegtendenzen qualitaNver Forschung (T2) Womit wird die Aktualität und Notwendigkeit „qualita:ver“ Sozialforschung begründet? Pluralisierung der Lebenswelten in modernen GesellschaPen Individualisierung von Lebenslagen und Biographiemustern Auflösung alter sozialer Ungleichheiten in neue Vielfalt der Milieus, Subkulturen, LebenssNle und Lebensweisen AusgangssituaNon der SoWi durch das Fehlen des Vertrautseins mit dem, was tatsächlich in dem für die Studie ausgesuchten Bereich des Lebens geschieht Welche Auswegtendenzen zeigen sich (Toulmin) und warum? Tendenz: Ausdruck in qualita:ven Forschungsprogrammen: Rückkehr zum Mündlichen Zentrale Rolle von Erzählungen, Sprache, KommunikaNon Rückkehr zum Besonderen Behandlung von besonderen, konkreten (und nicht ausschließlich von abstrakten und universalen) Problemen, die nicht allgemein, sondern in besNmmten Arten von SituaNonen entstehen Rückkehr zum Lokalen Untersuchung von Wissenssystemen, Handlungs- und Erfahrungsweisen im Kontext der TradiNonen und Lebensformen, in die sie eingebeSet sind (und nicht Annahme und Überprüfung einer universalen GülNgkeit) Rückkehr zum Zeitgebundenen Einordnung der zu untersuchenden Probleme, ihrer Beschreibung und Erklärung in den jeweiligen zeitlichen bzw. historischen Kontext v.a. Flick 2021, 23, 30 7 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 5. Forschungsgeschichte und Entwicklungslinien (T2) Wie unterschiedlich verliefen die Entwicklungslinien „qualita:ver“ Sozialforschung im deutschsprachigen und angloamerikanischen Raum? Worum ging es im sog. Posi:vismusstreit? 8 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 1960er Jahre KriNscher RaNonalismus (z.B. Popper & Albert) o Einheit der Methode von Natur- und SozialwissenschaPen o FalsifikaNon o Keine indukNve Theoriebildung o Ziel der SozialwissenschaP: § Versuch, gesellschaPliche Probleme zu lösen und Missstände zu beseiNgen § Veränderung der GesellschaP als Ganzes nicht möglich KriNsche Theorie der Frankfurter Schule (z.B. Adorno & Habermas) o “Totalität”: grundlegender struktureller Zusammenhang o “psychosoziale Agenturen” formen Denken und IdenNtät des Individuums stärker als umgekehrt o Ziel der SozialwissenschaP: Ursachen der Missstände ausmachen und beseiNgen -> Auyeben der Klassengegensätze Worin bestand die Kri:k der analy:schen WissenschaZstheorie? KriNk an der quanNtaNven Sozialforschung Einschränkung auf “posiNve”, manifeste Inhalte -> standardisierbare Daten NaturwissenschaPlich orienNerte Methodologie -> IsolaNon, MathemaNsierung Unsensible Methodenwahl “Gesetz der großen Zahl” - MessproblemaNk und intransparente (InterpretaNons- )Regeln ProblemaNsches Verhältnis zwischen ForscherInnen und Forschungsobjekt Verwechslung von erhobenem Phänomen und Wirklichkeit, verstärkt durch Vorabformulierung von Hypothesen Vorwurf: herrschaPsstabilisierende FunkNon v.a Flick 2021, S. 30-36 und Mruck & Mey 2005, 11 9 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 5.1. Entwicklung im deutschsprachigen Raum Zunehmende Konsolidierung, KonzentraNon auf Verfahrensfragen in sich ausdehnender Forschungspraxis Frühe Studien Phase des Imports aus den USA o zB Ethnomethodologie oder Symbolischer InterakNonismus Beginn eigenständiger Diskussionen o Prinzip der Offenheit o Verständnis des Forschungsgegenstands bis zum Abschluss der Forschung als vorläufig zu betrachten o KonsNtuNon des Gegenstands durch die angewandten Methoden soll verhindert werden Entwicklung eigener Methoden o NarraNves Interview (Schütze) o ObjekNve HermeneuNk (Oevermann et al.) o Ausgedehnte Forschungspraxis o Allgemeine Diskussion um qualitaNve Methoden Konsolidierung und Verfahrensfragen o Problem der GülNgkeit und Verallgemeimerung von Ergebnissen und Frage nach angemessenen Kriterien zu ihrer Überprüfung, Darstellung und Nachvollziehbarkeit o Erste Lehrbücher Forschungspraxis Etablierung o ZeitschriPen, Buchreihen, SekNonen in FachgesellschaPen 5.2. Entwicklung in den USA Tendenz zur weiteren bzw. erneuten Infragestellung von scheinbaren Sicherheiten durch Methoden der jüngeren Entwicklung: es geht weniger um die richtige Anwendung von Verfahren als um die Praxis und Politik der Interpretation Traditionelle Forschung o Interesse am Fremden, mehr oder weniger objektive Beschreibung und Interpretation § Malinowski/ Ethnographie: Fremde Kulturen § Chicagoer Schule/ Soziologie: Außenseiter in eigener Gesellschaft Modernistische Phase o Versuche, qualitative Forschung zu formalisieren § Erscheinen erster Lehrbücher Verwischte Genres o Nebeneinander unterschiedlicher theoretischer Modelle und Verständnisweisen von Gegenstand und Methodik; zum Auswählen, Abwägen, Kombinieren § Symbolischer Interaktionismus 10 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 § Ethnomethodologie § Phänomenologie § Semiotik § Feminismus Krise der Repräsentation o Zunehmende Aufmerksamkeit auf Prozess und Darstellung von Erkenntnis und Ergebnis als substanzieller Teil des Forschungsprozesses und der Ergebnisse § Qual. F. wird zu kontinuierlichem Prozess der Konstruktion von Versionen der Wirklichkeit § Bewertung von Forschung und Ergebnissen wird zu zentralem Thema der methodischen Diskussion (Frage nach Gütekriterien) Der fünfte Moment o Ende der großen Erzählungen o Theorien werden als Erzählungen gelesen, die auf umgrenzte, lokale, historische Situationen und Problemstellungen passen Der sechste Moment o Aktuelle Phase des postexperimentellen Schreibens Der siebte Moment o Etablierung über erfolgreiche Zeitschriften Der achte Moment o Die Zukunft und neue Infragestellungen 6. TheoreNsche PosiNonen und ForschungsperspekNven (T2) Welche grundlegenden theore:schen Posi:onen und Zugänge lassen sich unterscheiden? Symbolischer InterakNonismus o Geht eher subjekNven Bedeutungen und individuellen Sinnzuschreibungen nach Ethnomethodologie o Ist interessiert an RouNnen des Alltags und deren Herstellung Strukturalismus, Psychoanalyse o Gehen von Prozessen des psychisch oder sozialen Unbewussten aus Andere: Handlungsforschung, kriNsche Psychologie, feminisNsche Ansätze, postmoderne Ansätze 6.1. Drei grundsätzliche PosiNonen im dt. Sprachraum Symbolischer InterakNonismus Ethnomethodologie Strukturalismus, Psychoanalyse v.a. Flick, 2005, 33f, 47f 11 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 6.1.1. TradiNonen des symbolischen InterakNonismus: SubjekNver Sinn Entwicklungslinie: Chicagoer Schule Grundannahmen: o Menschen handeln gegenüber Dingen auf der Grundlage der Bedeutung, die diese Dinge für sie haben o Bedeutung entsteht durch soziale InterakNon o Bedeutungen werden in interpretaNven Prozessen gehandhabt oder abgeändert Ansatzpunkt der Forschung: o Unterschiedliche Weisen der Bedeutungszuschreibung o Analyse sozialer Welten durch RekonstrukNon subjekNver Sichtweisen Methodische Zugänge und Ansätze: o SubjekNve Theorien o Autobiografische Erzählungen --> Kontextualisierung Neuere Entwicklungen: o InterpretaNver InterakNonismus (Soziologie) o SubjekNve Theorien als Forschungsprogramm (Psychologie) 6.1.2. Ethnomethodologische TradiNon: Herstellung sozialer Wirklichkeit Entwicklungslinie und Ausgangspunkt: o Harold Garfinkel (Ende 1960er) o Wie stellen Menschen in interakNven Prozessen soziale Wirklichkeit her? Grundannahmen: o InterakNon ist strukturell organisiert o InterakNve Beiträge sind vom Kontext geformt und schreiben diesen Kontext fort o Diese EigenschaPen sind in den Details der InterakNon zu finden --> die Anordnung von Details in konversaNoneller InterakNon ist nicht ungeordnet, zufällig oder irrelevant Ansatzpunkt der Forschung: o Herstellung sozialer Wirklichkeit o Untersuchung alltäglicher Handlungsweisen --> “OrganisaNonsform alltäglicher Handlungen” o Herstellung des Kontextes der Handlung --> Fokus auf die OrganisaNon der InterakNon (und nicht auf die subjekNve Bedeutung der Inhalte) Methodische Zugänge und Ansätze: o KonversaNonsanalyse o “ethnomethodologische Indifferenz” Neuere Entwicklungen: o Studies of Work 12 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 6.1.3. StrukturalisNsche Modelle: Kulturelle Rahmung sozialer und subjekNver Wirklichkeit Grundannahme: o Die Wahrnehmung und Herstellung subjekNver und sozialer Wirklichkeit werden von kulturellen Sinnsystemen gerahmt. o Unterscheidung § Oberfläche des Erlebens und Handelns § Tiefenstrukturen des Handelns Ansatzpunkte der Forschung: o Analyse des Forschungsprozesses o Beziehung ForscherInnen- Beforschte o Implizite und explizite Regeln des Handelns TheoreNsche Zugänge: o Kulturelle Modelle o Deutungsmuster bzw. Latente Sinnstrukturen o Psychoanalyse: latente Sinnstrukturen Methodische Ansätze: o Sprachanalyse, objekNve HermeneuNk o Interviews, Beobachtungen Neuere Entwicklungen o Poststrukturalismus 6.2. Synopse zu ForschungsperspekNven/theoreNschen Schulen v.a. Mruck und Mey, 2000 13 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 6.2.1. „SubjekNver Sinn“ siehe wie folgt... 6.2.2. „Sozialer Sinn“ siehe wie folgt... 6.2.3. „ObjekNver Sinn“ siehe wie folgt... 6.3. ParadigmaNsche Gemeinsamkeiten, gemeinsame Aspekte und Merkmale à siehe auch 3. (T1)! Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorien PerspekNven der Beteiligten und ihre VielschichNgkeit Reflexivität der Forscher:innen und der Forschung Spektrum der Ansätze und Methoden qualitaNver Forschung v.a. Mruck & Mey 2005, 9 und Flick, 2005: 48ff 14 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 7. Forschungsprozess (T3) 7.1. Verständnis des Forschungsprozesses 7.1.1. Prozessbezogenheit – Weg von der Theorie zum Text und vom Text zur Theorie v.a. Flick, 2005: 27ff 7.1.2. „qualitaNv“ vs. „quanNtaNv“: unterschiedliche Forschungslogiken, Linearität vs. Zirkularität Quan:ta:ve/ experimentelle Forschung: linearer Forschungsprozess--> lineare Abfolge konzepNoneller, methodischer und empirischer SchriSe Qualita:ve Forschung: zirkuläres Prozessverständnis --> stärkere wechselseiNge Abhängigkeit der Bestandteile des Forschungsprozesses 15 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 7.2. Fragestellungen im Forschungsprozess TheoreNsche PosiNonen im Hintergrund der Methode --> Umsetzung im Forschungsdesign: Verständnis des Forschungsprozesses Fragestellung Zugang zum Feld und zu den Subjekten der Untersuchung Auswahlstrategien 7.3. Auswahlstrategien/Entscheidungen im Forschungsprozess 7.3.1. TheoreNcal Sampling 16 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 8. Zugang zum Feld und zu den Subjekten der Untersuchung, Forschungsmethoden 8.1. Forschungsansatz Einzelfallstudie (T3, T4) v.a. Lamnek und Krell, Kap. 7 Definition: Die Einzelfallstudie ist ein qualitativer Forschungsansatz, der versucht einen wissenschaftliche Rekonstruktion von Handlungsmustern auf der Grundlage von alltagsweltlichen, realen Handlungsfiguren. Methodenvielfalt: OAen für alle Methoden und Techniken empirischer Sozialforschung wie teilnehmende Beobachtung, narrative Interviews, Gruppendiskussionen, Inhaltsanalyse von Dokumenten etc Approach: Einzelfallstudie umfasst das gesamte Spektrum der sozialwissenschaftlichen Erhebungsmethoden und wird daher als "approach" betrachtet. -> Durch den Approach der Einzelfallstudie wird die Stereotypisierung und vorschnelle Strukturierung der Daten vermieden, weil sehr konkret auf den individuellen Fall eingegangen werden kann und dessen Deutungen ohne Prädetermination durch das hypothetische Raster des Forschers erst zu interpretierenden Vermutungen führen. Methodentriangulation: Häufige Anwendung verschiedener Methoden zur Validierung und Komplementierung der Ergebnisse, um Verzerrungen zu minimieren und ein umfassendes Bild des Falls zu erhalten. -> Durch die Methodentriangulation sollen in den einzelnen Methoden steckende Fehler bei der Datenerhebung entdeckt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass es unwahrscheinlich ist, eine fehlerhafte Information in verschiedenen Techniken gleichermaßen zu erhalten. Totalität: Fokus auf die Untersuchung des Falls in seiner Gesamtheit, um alle relevanten Dimensionen und Zusammenhänge zu erfassen, ohne diese auf isolierte Variablen zu reduzieren. EIN FALL=EINE STUDIE Exploration: Erlaubt die Erkundung neuer und komplexer Forschungsfelder, indem sie tiefe Einblicke in individuelle Erfahrungen und Perspektiven bietet. Quantitativ: Exploration, Hypothesenentwicklung, Operationalisierung 17 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Qualitativ: Forschungsfrage (oAen für Modifikation), Theoretical sampling, Typologie, multimethodisches Vorgehen Ziele: Vertieftes Verständnis spezifischer Phänomene, Generierung von theoretischen Erklärungen und Hypothesen, Beitrag zur Entwicklung neuer Theorien oder zur Modifikation bestehender Theorien 8.1.1. Beispiel 1: Die Arbeitslosen von Marienthal (T3, T4) behandelt eine sozialwissenschaftliche Studie über die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf eine Gemeinschaft. 1. Historischer und sozialer Kontext Die Handlung spielt im österreichischen Dorf Marienthal in den 1930er Jahren. Marienthal war stark von der Weltwirtschaftskrise betroAen, was zur Schließung der größten Fabrik und zur massiven Arbeitslosigkeit führte. 2. Studie Das Forschungsteam um Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel führte die Studie durch. Die Forscher nutzten verschiedene Methoden wie Befragungen, Tagebücher, Beobachtungen und Statistiken, um die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit zu untersuchen. 3.Auswirkungen der Arbeitslosigkeit Die Arbeitslosigkeit führte zu HoAnungslosigkeit, Resignation und einem Verlust des Selbstwertgefühls bei den BetroAenen. Die soziale Struktur des Dorfes änderte sich erheblich. Die Gemeinschaft zerfiel teilweise, traditionelle soziale Bindungen wurden schwächer. Die körperliche Gesundheit der Dorfbewohner litt unter der schlechten Ernährung und den schlechten Lebensbedingungen. 5.Gesellschaftliche Reaktionen 18 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Trotz der Schwierigkeiten gab es auch Versuche, die Situation zu verbessern, wie zum Beispiel durch Selbsthilfegruppen und Gemeinschaftsprojekte. Der Film beleuchtet auch die Reaktionen der Regierung und die sozialen Programme, die eingeführt wurden, um die Krise zu mildern. 19 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 8.2. Datenerhebungsmethoden 8.2.1. Verbale Daten v.a. Lamnek und Krell, Kap. 8 und Flick (2005), S. 191f Sind zentrale Datensätze in der qualitativen Forschung, die durch vielfältige Methoden gewonnen werden, um die OAenheit gegenüber den Perspektiven der Interviewpartner zu fördern und gleichzeitig eine strukturierte Erhebung sicherzustellen. Qualitative Interviews (Leitfadeninterviews): Definition: Strukturierte Interviews, bei denen ein Leitfaden vorgegebene Themen lenkt, um eine umfassendere Behandlung der Forschungsfragen zu ermöglichen. Prinzipien: Zurückhaltung (Befragter bestimmt den Inhalt), Relevanzsystem der BetroOenen ( Befragter definiert Wirklichkeit), Kommunikativität, OOenheit (für unerwartetes), Reflexivität (Anpassung) SPSS-Prinzip: Sammeln( von möglichst vielen Fragen), Prüfen (Reduzierung und Strukturierung), Sortierung (inhaltlich und zeitlich), Subsumieren Narratives Interview: Definition: Erzählung als Zugang -> Biografie und LebenslauAorschung Ziel: Tiefe Einblicke in persönliche Erfahrungen und Interpretationen ermöglichen. 20 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Gruppenverfahren 1.Gemeinsames Erzählen Interaktion (statt monologisches Erzählen) Keine gesetzten Interventionen (Alltagssituation des Erzählers) Auswertung durch Interaktionsanalysen Gemeinsame Konstruktion von Wirklichkeit 21 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 2.Gruppeninterview Interaktive Diskussionen in Gruppen, um kollektive Sichtweisen und Dynamiken zu erforschen 3.Gruppendiskussion Entwicklung: - Ursprung in der Sozialpsychologie und Soziologie des frühen 20. Jahrhunderts - Begründer: Kurt Lewin und seine Arbeiten zur Gruppendynamik - Verfeinerung und Weiterentwicklung in den 1930er und 1940er Jahren - Anwendung in verschiedenen Disziplinen ab den 1950er Jahren, einschließlich Soziologie, Psychologie, Markt- und Meinungsforschung - Heute fester Bestandteil qualitativer Forschung zur Untersuchung sozialer Phänomene und Gruppeninteraktionen Die theoretischen Modelle im Kontext von Gruppendiskussionen: 1: Individuum in öOentlicher Auseinandersetzung Erörterung politischer Fragen 6 kritik an Isolierung individueller Meinung in Umfrageforschung 22 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 2:Informelle Gruppenmeinung Diese Theorie geht davon aus, dass Gruppen dazu neigen, eine informelle Konsensmeinung zu entwickeln, die durch Interaktion und Diskussion innerhalb der Gruppe geformt wird. Merkmale: Es wird angenommen, dass Gruppenmitglieder durch soziale Beeinflussung und gegenseitige Anpassung ihre individuellen Meinungen aneinander anpassen, um eine gemeinsame Sichtweise zu erreichen. 3.Interpretatives Aushandeln von Bedeutungen Diese Theorie betont den Prozess der Bedeutungskonstruktion innerhalb der Gruppe durch Interaktion und Diskussion. Merkmale: Gruppenmitglieder verhandeln über Bedeutungen und interpretieren gemeinsam die sozialen Phänomene. Es geht darum, wie sie gemeinsam Bedeutungen und Wirklichkeiten konstruieren. 4: Focus Groups (Fokusgruppen) Speziell gestaltete Gruppendiskussionen, die darauf abzielen, Meinungen, Einstellungen und Wahrnehmungen zu einem spezifischen Thema zu erfassen. Merkmale: Fokusgruppen bieten eine strukturierte Methode, um qualitative Daten zu sammeln, indem sie eine dynamische Interaktion zwischen Teilnehmern fördern und so tiefere Einblicke in die Meinungsvielfalt und soziale Normen ermöglichen. 5. Kollektive Orientierungsmuster Diese Theorie untersucht, wie Gruppen gemeinsame Orientierungsmuster entwickeln, um die soziale Realität zu interpretieren und darauf zu reagieren. Merkmale: Es wird untersucht, wie Gruppen soziale Normen, Werte und Erwartungen gemeinsam aushandeln und wie diese Muster das Verhalten und die Interaktionen innerhalb der Gruppe beeinflussen. Ablauf: Phase 1: Explikation des formalen Vorgehens durch Diskussionsleitung Phase 2: Vorstellungsrunde der Teilnehmerinnen „Aufwärmen“ Phase 3: Diskussionen Phase 4: Abschluss 23 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Siehe Text „Zusammenfassung Gruppendiskussion“ 8.2.2. Visuelle Daten (T4) v.a. Flick, 2005 und Lamnek und Krell, Kap. 11 Teilnehmende Beobachtung: Fremdverstehen als Vorraussetzung Aktive Teilnahme des Forschers am untersuchten Setting Möglichkeit, nonverbale Aspekte und informelle Interaktionen zu dokumentieren Direkte Erfassung visueller Eindrücke und Interaktionen Fotos, Film und Videos: Nutzung visueller Medien zur Dokumentation von Szenen und Ereignissen Unterstützung bei der Analyse von Verhaltensweisen und visuellen Codes Reflexive Auseinandersetzung mit der Rolle der Medien im Forschungsprozess Verwendung von Dokumenten: Einbeziehung von visuellen Dokumenten wie Bilder, Plakate, Grafiken oder historische Aufzeichnungen Berücksichtigung der Authentizität und Relevanz der Dokumente für die Forschungsfrage Reflexion über die Interpretation und Validierung visueller Dokumente als Forschungsdaten Qualitative Online-Forschung: Nutzung digitaler Medien zur Datenerhebung wie Online-Interviews oder Gruppendiskussionen Analyse von visuellen Elementen in digitalen Umgebungen wie sozialen Medien oder virtuellen Welten Berücksichtigung von Datenschutz und Ethik bei der Nutzung digitaler visueller Daten 8.3. Forschungsansatz Grounded Theory (T4, T5) 24 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Was meint die Gegenstandsbezogene/empirisch begründete Theoriebildung? bedeutet, dass Theorien direkt aus den gesammelten Daten entwickelt werden, anstatt von vorherigen Hypothesen ausgehend. Es geht darum, Theorien und Konzepte aus den Daten selbst abzuleiten und nicht durch theoretische Annahmen zu lenken. Welche Rolle spielt das Vergleichen in der Grounded Theory? Das Vergleichen spielt eine zentrale Rolle, um Muster, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Daten zu identifizieren. Forscher vergleichen ständig Datenfragmente, Fälle oder Konzepte miteinander, um abstrakte Kategorien zu entwickeln und eine umfassende Theorie zu formen. Wie wird dem Vorwissen/zunehmenden Wissen der Forscher:innen umgegangen? Vorwissen der Forscher wird in der Grounded Theory bewusst zurückgestellt, um voreingenommene Schlüsse zu vermeiden. Stattdessen wird das zunehmende Wissen während des Forschungsprozesses durch die iterative Datenanalyse integriert und kontextualisiert, um neue theoretische Einsichten zu gewinnen. Worin besteht das übergeordnete Ziel des Grounded Theory Ansatzes? eine theoretische Erklärung oder ein Modell zu entwickeln, das eng an den Daten und Phänomenen orientiert ist. Es geht darum, ein tieferes Verständnis für ein spezifisches soziales Phänomen zu erlangen, das empirisch begründet und kontextualisiert ist. siehe auch Lamnek und Krell 2016, Kap. 4, 104-119 8.3.1. Beispiel 2: Awareness of Dying (Grounded Theory) Methodologie der Grounded Theory: - Entwickelt Theorien aus den Daten selbst, nicht aus vorab formulierten Hypothesen. - Nutzt einen induktiven Ansatz, um Daten zu analysieren und neue Konzepte zu entdecken. Forschungsprozess: Empirisch begründete Theoriebildung: - Sammelt Daten durch Interviews und Beobachtungen. - Kodiert die Daten, um Muster und Konzepte zu identifizieren. - Entwickelt Theorien iterativ durch ständiges Vergleichen und Zusammenführen von Daten. Theoretische Sensibilität: - Befähigt den Forscher, Muster und Bedeutungen in den Daten zu erkennen. - Hilft dabei, die Daten in einem theoretischen Kontext zu interpretieren. 25 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Theoretisches Sampling: - Gezielte Auswahl von Fällen und Daten, um die Theorie zu vertiefen und zu entwickeln. - Orientiert sich an theoretischen Fortschritten und der Sättigung der Konzepte. Kodieren: 9. Datenerfassung und Datenanalyse 9.1. DatendokumentaNon (T5) VerschriPlichen -> Herstellen einer “neuen Realität” Fixierung (z.B. beobachtete Handlung) Sichtbarmachen von Prozessen und Strukturen InterpreNert wird der Text 9.1.1. TranskripNon Wörtliche TranskripNon o Vollständige Texterfassung o Sprachfeinheiten: internaNonales phoneNsches Alphabet o Literarische UmschriP: Dialekt in gerbäuchlichem Alphabet o Übertragung in SchriPsprache: Bereinigung von Satzbaufehlern, etc. KommenNerte TranskripNon o Nicht-verbales Verhalten (Motorik, Mimik, GesNk, Sprachduktus, etc.) TranskripNonsregeln 26 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 9.1.2. Protokollierung Zusammenfassendes und selekNves Protokoll o Fokus auf Inhalt (weniger auf Sprachkontext) -> RedukNon der Materialfülle, Anheben des AbstrakNonsniveau o RedukNon durch SelekNon -> Streichen bedeutungsgleicher Bedeutungseinheiten o RedukNon durch Bündelung o Zusammenstellung “neuer” Aussagen als Kategoriesystem o Rücküberprüfung am Ausgangsmodell o SelekNves Protokoll: Ausschluss von Passagen KonstrukNon deskripNver Systeme o Einteilung des Datenmaterials nach theoreNschen Vorüberlegungen o Vorstrukturierung: Zuordnung des Materials zu Oberbegriffen o Aber: offen für neue Kategorien 9.2. Beispiel „Dokumentarische Methode“ (Bohnsack) (T5) -> „methodische Leitdifferenz … von immanentem versus dokumentarischen Sinngehalt“ (Bohnsack) (T5) Datenanalyse “methodische Leitdifferenz” o Bohnsack 2000 o Methodische Leitdifferenz beschrieben als “diejenige von immanentem versus dokumentarischem Sinngehalt” o Drei AuswertungsschriSe § Formulierende InterpretaNon § ReflekNerende InterpretaNon § Typenbildung 9.2.1. Herangehensweise an den Text (Transkript) Datenanalyse: Herangehensweise an das Transkript o Beispiel: “Fragen an den Text stellen” o Analysekategorie im Kopf bzw. Ggf. Lt. Fragenkatalog o Transkript nach Textstellen zum Thema durchsuchen o Neue Kategorien / Themencluster entstehen während der Analyse o Verfeinerung der Textstrukturanalyse, bis sich nichts mehr Neues findet 9.2.2. Formulierende InterpretaNon Immanenter Sinngehalt o “was gesagt, berichtet, diskuNert wird” o “was thema(sch wird” ThemaNsche Gliederung o ThemaNsierung von Themen o Entschlüsselung der meist impliziten themaNschen Struktur des Textes 9.2.3. ReflekNerende InterpretaNon 27 Fragenkatalog Grundlagen der empirischen Sozialforschung Gabriele Hörl/SS24 Dokumentarischer Sinngehalt o “was sich im Gesagten über die Gruppe dokumen(ert” o “wie ein Thema, d.h. in welchem Rahmen es behandelt wird” RekonstrukNon der OrienNerungsmuster bzw. Des OrienNerungsmusterrahmens o RekonstrukNon der Formalstruktur der Texte jenseits ihrer themaNschen Struktur 9.2.4. Typenbildung Auf der Grundlage von Gemeinsamkeiten der Fälle (gemeinsame Erfahrungen) werden spezifische milieutypische Kontraste der BewälNgung dieser Erfahrungen herausgearbeitet Der Kontrast in der Gemeinsamkeit ist fundamentales Prinzip der Generierung einzelner Typiken und zugleich die Struktur, die eine Typologie zusammenhält 9.3. Werkzeugkasten Beispiel MAXQDA (T5) TranskripNon Textanalyse, z.B. qualitaNve Inhaltsanalyse, Grounded Theory Audio-, Bild-, Videoanalyse Sie sollten wissen, dass MAXQDA eines von mehreren computergestützten Werkzeugen zur Datenerfassung und Datenanalyse ist (und keine wissenschaHliche Methode) und wofür es eingesetzt werden kann (Datensammeln und Organisieren, Transkribieren, Strukturieren, Kodieren, Analysieren etc.). Ich stelle keine Fragen zu konkreten AnwendungsschriOen oder technischen Details. 28