Die Widerklage - Prozessrecht - PDF
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This document provides an overview of the procedural aspects of a counter-claim (Widerklage) in German civil procedure. It covers topics like admissibility criteria, the requirements for filing a counterclaim, and court jurisdiction. This information can be crucial for those involved in litigation in German legal cases.
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### II. Widerklage #### 1. Zulässigkeit der Widerklage ##### a) Allgemeine Prozessvoraussetzungen ###### aa) Ordnungsgemäße Erhebung der Widerklage - Sie kann in der mündlichen Verhandlung erhoben werden (§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO) oder durch Einreichung oder Anbringung eines z...
### II. Widerklage #### 1. Zulässigkeit der Widerklage ##### a) Allgemeine Prozessvoraussetzungen ###### aa) Ordnungsgemäße Erhebung der Widerklage - Sie kann in der mündlichen Verhandlung erhoben werden (§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO) oder durch Einreichung oder Anbringung eines zuzustellenden Schriftsatzes (§§ 253, 261 Abs. 2, 270 Abs. 1, 271 Abs. 1, 496, 129a ZPO). - Beachte: Nach Schluss der mündlichen Verhandlung kann die Widerklage nicht mehr erhoben werden (T/P § 296a Rn. 1 a. E.; § 33 Rn. 24)! - Zur Prozessvollmacht vgl. § 81 ZPO. Für die Zustellung der Widerklage gilt § 172 ZPO. - Es ist kein Gebührenvorschuss zu bezahlen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG). - Die Einlassungsfrist gem. § 274 Abs. 3 ZPO muss nicht gewahrt werden. Ein Versäumnisurteil (§ 347 Abs. 1 ZPO) ist also *nicht* wegen der Nichteinhaltung dieser Frist unzulässig gem. § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. ###### bb) Sachliche Zuständigkeit - Die sachliche Zuständigkeit wird von § 33 ZPO nicht berührt. - Für die sachliche Zuständigkeit kommt es auf den höheren Wert der Klage oder der Widerklage an, weil die Streitwerte nicht zusammengerechnet werden (§ 5 Hs. 2 ZPO). § 45 Abs. 1 GKG gilt nur für den Gebührenstreitwert. **Besondere Fälle:** **1.** *K klagt gegen B auf Zahlung von 15.000 EUR beim LG Bamberg. B erhebt Widerklage wegen Herausgabe eines Fahrrads im Wert von 500 EUR. Eigentlich wäre für die Widerklage das AG Bamberg zuständig.* - Das für die Klage gem. § 71 GVG sachlich zuständige Landgericht ist auch für diejenige Widerklage zuständig, für die, wäre sie als Klage erhoben, die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben wäre - Begründung: Zweck der Widerklage; Prozessökonomie; Umkehrschluss aus § 506 ZPO - Ausnahme: Im Falle einer *ausschließlichen* Zuständigkeit des Amtsgerichts (z.B. gem. § 23 Nr. 2a GVG) ist die Widerklage abzutrennen (§ 145 ZPO) und auf Antrag an dieses zu verweisen (§ 281 ZPO). Ohne einen solchen Antrag ist die Widerklage (als unzulässig) durch End- oder Teilurteil (§ 301 ZPO) abzuweisen. **2.** *K klagt gegen B auf Herausgabe einer Taschenuhr im Wert von 250 EUR vor dem AG Schweinfurt. B erhebt Widerklage und verlangt Schadensersatz für einen Verkehrsunfall zwischen ihm und K iHv 12.000 EUR.* - Das AG kann durch Vereinbarung der Parteien (§ 38 ZPO) oder gem. § 39 ZPO (nach Belehrung gem. § 504 ZPO!) zuständig werden - Beantragt jedoch stattdessen eine Partei die Verweisung an das LG, so hat das AG den gesamten Rechtsstreit gem. § 506 ZPO durch Beschluss zu verweisen. **3.** *Klage vor der Zivilkammer des LG, für die Widerklage wäre die Kammer für Handelssachen (§§ 93 ff. GVG) zuständig.* Wird vor der Zivilkammer des Landgerichts eine zur Kammer für Handelssachen (§§ 93 ff GVG) gehörende Widerklage erhoben, so ist die Zivilkammer insgesamt zuständig. Im umgekehrten Fall gilt *§ 99 GVG*! Zum Verhältnis der beiden Kammern zueinander vgl. T/P vor § 1 Rn. 2. ###### cc) Örtliche Zuständigkeit § 33 Abs. 1 ZPO ist für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts der Widerklage nur dann von Bedeutung, wenn sie sich nicht bereits aus §§ 12 ff ZPO oder anderen Gesetzen (z.B. § 215 VVG) ergibt. - Der besondere Gerichtsstand gem. § 33 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass der Widerklageanspruch mit dem Klageanspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln (Einwendungen, z.B. §§ 362, 389 BGB, oder Einreden, z.B. § 222 BGB) im *Zusammenhang* steht (= **Konnexität**). Ausreichend ist das Vorhandensein eines die beiden Ansprüche verbindenden einheitlichen Lebensverhältnisses (Prozessualer Zusammenhang aber auch wirtschaftlicher Zusammenhang, deckt sich weitgehend mit § 273 BGB) - Beispiel: *K aus Bamberg verklagt den in Bayreuth wohnenden B auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 3.000 € vor dem Amtsgericht Bayreuth. B rechnet hilfsweise mit einem Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 6.000 € auf und erhebt in Höhe des überschießenden Betrages (3.000 €) Widerklage. Das Amtsgericht Bayreuth ist für die Widerklage örtlich zuständig gem. § 33 Abs. 1, 2. Alt. ZPO!* - Beim Fehlen eines solchen Zusammenhangs kann sich die örtliche Zuständigkeit aus den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften (insbesondere auch aus § 39 ZPO) ergeben. - Falls nicht, müssen Trennung gem. § 145 Abs. 2 ZPO und auf Antrag des Widerklägers Verweisung gem. § 281 ZPO an das zuständige Gericht erfolgen. Wenn der Verweisungsantrag nicht gestellt wird, ist die Widerklage unzulässig und deshalb durch Endurteil (Prozessurteil) abzuweisen - Der zusätzliche Gerichtsstand gem. § 33 Abs. 1 ZPO gilt jedoch *nicht* in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten mit ausschließlicher Zuweisung oder wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. - **Beispiel**: *K aus Bamberg klagt gegen B, wohnhaft in Bayreuth, beim Amtsgericht Bayreuth auf Werklohnzahlung in Höhe von 3.000 €. B rechnet hilfsweise mit einem Mietzinsanspruch (6.000 €) aus der Vermietung von in Bamberg gelegenen Räumen auf und erhebt Widerklage aus dem Restbetrag in Höhe von 5.000 €. Das Amtsgericht Bayreuth ist für die Widerklage örtlich nicht zuständig (§§ 29a Abs. 1, 33 Abs. 2 ZPO)! Über den hilfsweise aufgerechneten Mietzinsanspruch hat das Amtsgericht Bayreuth allerdings zu entscheiden.* ###### dd) Rechtsschutzinteresse Das Rechtsschutzinteresse für die Widerklage fehlt *nicht* deshalb, weil der Beklagte (Widerkläger) sich mittels der Aufrechnung gegen die Klage verteidigen könnte. Bei der in der Regel vorliegenden Eventualaufrechnung tritt nämlich die Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO nur ein, wenn und soweit das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. ###### ee) Andere Rechtshängigkeit Es darf keine anderweitige Rechtshängigkeit gegeben sein ##### b) Besondere Prozessvoraussetzungen ###### aa) Rechtshängigkeit der Klage - Rechtshängigkeit der Klage (Hauptklage) gem. §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, 696 Abs. 3 ZPO muss im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage vorliegen. Die rechtshängige Widerklage ist sodann vom Fortbestand der Hauptklage (z.B. im Falle deren Rücknahme gem. § 269 ZPO) unabhängig. - Die Widerklage ist auch noch im Nachverfahren nach vorangegangenem Zwischen-, Grund- oder Vorbehaltsurteil (§§ 302, 304, 599 ZPO) möglich ###### bb) Dieselbe Prozessart Die Widerklage muss in derselben Prozessart wie die Klage erhoben und zulässig sein (also nicht in derselben Klageart!). ###### cc) Konnexität, § 33 Abs. 1 ZPO - Das Fehlen der Konnexität kann jedoch gem. § 295 Abs. 1 ZPO durch rügelose Einlassung des Widerbeklagten geheilt werden. - Bei Fehlen der Konnexität und des Rügeverzichts gem. § 295 Abs. 1 ZPO ist die Widerklage als unzulässig abzuweisen (Prozessurteil), wenn nicht Trennung gem. § 145 Abs. 2 ZPO erfolgt. ###### dd) Parteiidentität - Die Widerklage muss vom Beklagten der Hauptklage (auch) gegen den Kläger erhoben werden. Zur Drittwiderklage vgl. unten V. 1. - Bei bestehender Streitgenossenschaft (§§ 59 ff ZPO) kann Widerklage von jedem der Streitgenossen gegen jeden der anderen Seite, der ihn seinerseits verklagt hat, erhoben werden. - Widerkläger oder Widerbeklagter kann auch der Hauptintervenient (Kläger der Interventionsklage i.S.d. § 64 ZPO) sein. - *Unzulässig* ist die Widerklage von Nebenintervenienten (§§ 66 ff ZPO) #### 2. Die Behandlung der Widerklage im Urteil ##### a) Rubrum - Im Rubrum sind die Parteien als Kläger und Widerbeklagter sowie als Beklagter und Widerkläger zu bezeichnen. - In der Urteilsformel (Tenor), im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen sollten wegen der Übersichtlichkeit nur die ursprünglichen Parteibezeichnungen (Kläger und Beklagter) verwendet werden. ##### b) Urteilsformel - Die Entscheidungen in der Hauptsache erfolgen für die Klage und die Widerklage getrennt und nacheinander. Eine Saldierung der gegenseitigen Ansprüche ist *unzulässig!* - Die Entscheidungen über die Kosten des Rechtsstreits und die vorläufige Vollstreckbarkeit ergehen gemeinsam. Da die Kosten des Rechtsstreits eine Einheit bilden, darf über sie *nicht* getrennt nach Klage und Widerklage entschieden werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708 ff ZPO) ergeht für jede Partei, soweit sie vollstrecken kann, gesondert. - *Beachte:* Für den Gebührenstreitwert gelten die §§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG, 23 I RVG, für die Eventualwiderklage (vgl. V. 3.) gilt § 45 Abs. 1 S. 2 GKG (analog). Ein und derselbe Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG liegt vor, „wenn die beiderseitigen Ansprüche einander dergestalt ausschließen, dass die Zuerkennung des einen Anspruchs notwendig die Aberkennung des anderen bedingt". Die Identität des Gegenstandes i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG meint also *nicht* die Identität des Streitgegenstandes. - Beispiele: K verklagt B auf Mietzinszahlung in Höhe von 3.000 €. B erhebt Widerklage auf Feststellung der Nichtigkeit des Mietvertrages. Klage gegen den Mieter auf Räumung und dessen Widerklage auf Zustimmung zur Fortsetzung des Mietverhältnisses. - ##### c) Tatbestand ###### aa) Gemeinsamer Lebenssachverhalt Beruhen Klage und Widerklage auf einem gemeinsamen Lebenssachverhalt... so wird zunächst das Unstreitige beider Klagen dargestellt. Nach dem streitigen Klägervortrag zur Klage werden sämtliche Anträge der Parteien zur Klage und Widerklage wörtlich wiedergegeben. Daran anschließend folgen das streitige Beklagtenvorbringen zur Klage und sodann zur Widerklage und schließlich das streitige Vorbringen des Klägers zur Widerklage. Inhalt des Tatbestands im Übrigen wie üblich. Soweit zum Verständnis der Anträge und des streitigen Vorbringens bzw. der Rechtsansichten der Parteien erforderlich, ist vorher jeweils die Prozessgeschichte (Tempus: Perfekt!) darzustellen. ###### b) Unterschiedlicher Lebenssachverhalt Betreffen Klage und Widerklage unterschiedliche Sachverhalte, sind deren Tatbestände getrennt und nacheinander darzustellen (damit quasi zwei Tatbestände in einem einheitlichen Tatbestand). Die Prozessgeschichte folgt hierbei anschließend für Klage und Widerklage gemeinsam. ##### d) Entscheidungsgründe In den Entscheidungsgründen werden die Klage und Widerklage getrennt und nacheinander jeweils nach Zulässigkeit und Begründetheit erörtert (Ausnahme: Die erfolgreiche negative Feststellungswiderklage wird *vor* der Klage behandelt).