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Lern- und Lehrpsychologie PDF

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This document discusses learning and teaching psychology, its importance in professional development, and its impact on modern workplace education/personnel development. The document explores various learning theories, including operant conditioning, modeling, and insight learning, and analyses the different dimensions of teaching in professional education.

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159 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung und Auswirkungen auf eine moderne betriebliche Bildung/ Personalentwicklung Gabathuler Jürg und Bajus Sandra Inhaltsverzeichnis 8.1 Wie lernen Menschen? – 161 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4  as Lernen durch Verstärkung/Konditioni...

159 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung und Auswirkungen auf eine moderne betriebliche Bildung/ Personalentwicklung Gabathuler Jürg und Bajus Sandra Inhaltsverzeichnis 8.1 Wie lernen Menschen? – 161 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4  as Lernen durch Verstärkung/Konditionierungslernen – 162 D Lernen am Modell – 163 Lernen durch Einsicht – 164 Lernen und Konstruktivismus – 165 8.2 Lehre in der beruflichen Bildung – oder wie sind effektive Lernumgebungen zu gestalten – 167 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6  as hat Lehre mit Lernen zu tun – 167 W Theoretische Ansätze des Lehrens – 168 Lerntheoretischer Ansatz – 169 Curriculumtheoretischer Ansatz – 169 Konstruktivistischer Ansatz – 169 Problemorientierter Ansatz – 170 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 U. Blum et al. (Hrsg.), Weiterbildungsmanagement in der Praxis: Psychologie des Lernens, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62631-3_8 8 8.3 Prinzipien des Lehrens – 170 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5 8.3.6  ielgruppen- und Teilnehmendenorientierung – 171 Z Anwendungsbezug – 171 Perspektivenverschränkung – 171 Selbstreflexion – 171 Erlebnisqualität – 172 Konstruktivistische Gestaltungsprinzipen – 172 8.4 Effektive Gestaltung von Lernumgebungen – 174 8.4.1  ichtige Erkenntnisse aus der Lern- und Lehrpsychologie W für in der betrieblichen Bildung tätige Personen – 174 8.5  ann ist meine Weiterbildungsabteilung fit für die W Zukunft? – 175 8.5.1  elche Handlungsfelder ergeben sich daraus für eine moW derne Personalentwicklung? – 177 8.6  eränderte Rollen für eine moderne PersonalentV wicklung – 181 Literatur – 183 161 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… 8 Übersicht Dieser Beitrag hat zum Ziel, 55 die in der betrieblichen Bildung verwendeten lernpsychologischen Grundlagen zu erläutern, 55 aufzuzeigen, in welchem Zusammenhang Lernen und Lehren stehen, 55 theoretische Ansätze und Prinzipien der Lehre zu beschreiben, 55 darzustellen, worauf bei effektiven Lernumgebungen zu achten ist, 55 die Bedeutung der im agilen Manifest definierten Werte für eine moderne Personalentwicklung aufzuzeigen, 55 Handlungsfelder für eine moderne Personalentwicklung zu identifizieren und zu erläutern. 8.1 Wie lernen Menschen? Der Nürnberger Trichter ist schon lange Geschichte, und allen in der Weiterbildung tätigen Personen ist bekannt, dass Lernen so nicht stattfindet. Auch wenn man Lernen direkt nicht beobachten kann, so gibt es doch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Erkenntnissen (Edelmann 2012; Hoffmann und Engelkamp 2013), wie Lernen beim Menschen zustande kommt. Betrachtet man die Definitionsversuche zum Begriff Lernen, so liegt der Hauptfokus bei den psychologischen Lerntheorien auf einer Veränderung des Zustandes im Vergleich zu einem Ausgangszustand. Ob sich der Ausgangszustand für den Lernenden dadurch verbessert, spielt keine Rolle, nur die Veränderung ist von Bedeutung. Ein solcher, ungünstiger Lernprozess liegt beispielsweise dann vor, wenn ich gelernt habe, dass mir in Frustsituationen das Essen von Süßigkeiten bei der Bewältigung hilft. Dieses Verhalten verstärkt sich mit der Zeit, d. h. in schwierigen Situationen gehört der Griff zu Süßigkeiten zunehmend zwingend dazu. Das Erlernen von neuen Handlungsoptionen oder Copingstrategien unterbleibt, trotz aller ungesunden Folgen. Ohne Veränderung also kein Lernen, aber nicht jede Veränderung ist bereits Lernen. Damit Lernen stattfindet, muss eine Veränderung zeitlich überdauern, und sie muss durch Erfahrung oder Übung zustande gekommen sein. Reifungsprozesse im Gehirn, wie sie in der Adoleszenz stattfinden, gehören nicht dazu. Darunter fällt beispielsweise die Entwicklung zum verantwortungsbewussten Handeln als Erwachsener, die Entwicklung einer eigenen Identität oder die Ausprägung der Selbstkontrolle. Drei Lernprozesse spielen in der betrieblichen Bildung eine wichtige Rolle 162 G. Jürg und B. Sandra Bis heute besteht keine Einigkeit darüber, wie viele und welche Unterkategorien von Lernprozessen sinnvoll sind. Für die betriebliche Bildung sind aus Sicht der Autoren das Lernen durch Verstärkung oder Konditionierungslernen, das Lernen am Modell und das Lernen durch Einsicht die relevanten Lernprozesse, die für die Gestaltung von betrieblichen Weiterbildungen von Bedeutung sind. 8.1.1 8 Beim Konditionierungslernen spielen positive/ negative Verstärkung und die Bestrafung eine Rolle in der betrieblichen Bildung.  as Lernen durch Verstärkung/ D Konditionierungslernen Bis in die 1960er-Jahre dominierten in der Lernpsychologie der Behaviorismus und der Neo-Behaviorismus. Bedeutende Forscher in diesen Gebieten waren beispielsweise I.P. Pawlow, F. Skinner und E.L. Thorndike. Einen vertiefenden Überblick mit detaillierten Informationen zu diesem Thema liefern aktuelle Psychologielehrbücher, wie z. B. Zimbardo 2016 oder Myers 2014. Im Kern geht es beim Konditionierungslernen darum, eine beobachtbare Veränderung z. B. bei Mitarbeitenden zu erreichen. Im beruflichen Alltag wird dabei die positive Verstärkung, die negative Verstärkung und die Bestrafung am häufigsten eingesetzt. Positive Verstärkung liegt dann vor, wenn ich eine Person lobe, z. B. dass sie das Gelernte aus einer Weiterbildung rasch in den beruflichen Alltag umgesetzt hat. Das Lob dient als positiver Verstärker und veranlasst die Person, auch beim nächsten Mal neu Gelerntes auszuprobieren. Darunter fällt auch kritisch-konstruktives Feedback an Kursteilnehmende, die sich mit einem falschen Lösungsansatz verrannt haben. Aber auch das Aufzeigen von Fehlern gehört in die Kategorie des positiven Verstärkens, denn erst durch diese Rückmeldung gelingt es, die Anforderung im Sinne eines positiven Lernerlebnisses zu bewältigen. Bei negativer Verstärkung fallen die unangenehmen Auswirkungen weg. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Team die Nachbearbeitungsaufgabe in einem Weiterbildungskurs innerhalb der zur Verfügung gestellten Zeit erledigen kann und keine Mehrzeit dafür aufwenden muss. Bestrafung ist das Tadeln von Verhalten, indem ich als Trainer/-in das Auftreten von Fehlern nicht nur kritisiere, sondern als Bestrafung nutze, indem ich eine negative Beurteilung/ Bewertung abgebe. Oder ich kritisiere störende Beiträge eines Kursteilnehmenden. Das Bestrafen von störendem Verhalten 163 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… ist in der Regel aber wenig effektiv, da dadurch kein alternatives Verhalten vermittelt wird (Kauffeld 2016). Auch wird durch Bestrafung das Lernen sabotiert, wenn dadurch eine Weiterbildungsatmosphäre entsteht, bei der Angst das dominante Gefühl ist. Jegliche Kreativität und jegliches Mitdenken werden dadurch unterbunden. Dass Angst ein schlechter Begleiter beim Lernen ist, zeigen auch Untersuchungen aus der Neurobiologie (Franken 2019; Spitzer 2010). Übersicht Lernen und operantes Konditionieren in der beruflichen Weiterbildung 55 Positive Verstärkung wird erreicht durch konstruktiv-­ kritisches Feedback oder durch Lob und Wertschätzung z. B. als Rückmeldung bei herausfordernden Aufgaben, die von den Teilnehmenden gelöst worden sind und für die sie gelobt werden. Lob und Wertschätzung müssen aber dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe angepasst sein. Ein inflationärer Gebrauch von Lob wirkt wenig authentisch, eine positive Verstärkung unterbleibt dadurch. Auch der Einsatz von E-Learnings, bei denen am Schluss das Lernen z. B. mit einem Schlusstest oder einem Quiz bewertet wird, gehören zu den positiven Verstärkern. 55 Negative Verstärkung ergibt sich in der Weiterbildung dann, wenn eine Aufgabe nicht in der dafür vorgesehenen Zeit gelöst werden kann, sodass die Aufgabe in der freien Zeit nach dem Kurs fertiggestellt werden muss. 55 Bestrafung ist das Tadeln von störendem Verhalten in einer Weiterbildung. Wenn durch die Bestrafung Angst ausgelöst wird, so wird der Lernprozess sabotiert. Dies zeigen auch neurobiologische Untersuchungen. 8.1.2 Lernen am Modell Obwohl die Anhängerinnen und Anhänger des Behaviorismus überzeugt waren, dass mit den behavioristischen Lerntheorien sämtliche Lernprozesse abschließend beschrieben werden können, gab es schon früh Kritik an einer rein behavioristischen Betrachtungsweise. Hauptstreitpunkt: Ein Verhalten ist nie nur eine Reaktion auf einen äußeren Reiz, sondern beinhaltet auch Prozesse des Wahrnehmens, des Merkens, der Erfahrung und der Bewertung. Die sogenannte kognitive Wende ab den 1960ern legte den Fokus auf die mentalen Prozesse, die bei den Behavioristinnen und Behavioristen gänzlich ausgeblendet Vom Behaviorismus zum Lernen am Modell. 8 164 G. Jürg und B. Sandra Lernen am Modell findet in der betrieblichen Bildung vor allem im Bereich des informellen Lernens statt. wurden, da diese nicht beobachtbar sind (Myers 2014). Seit dem Durchbruch der kognitivistischen Psychologie wird Lernen als Informationsverarbeitungsprozess verstanden (Klauer und Leutner 2012). Albert Bandura untersuchte diese Zusammenhänge und begründete das Beobachtungslernen oder das Lernen am Modell, welches zu den sozial-kognitiven Lernprozessen zählt (Myers 2014; Bak 2019). Beim Lernen am Modell steht das Abschauen von Verhaltensweisen bei Anderen im Zentrum. Eine detaillierte Beschreibung des Modelllernens findet sich im Buch von Kauffeld 2016, 7 Kap. 3. Für das Modelllernen in Organisationen eignen sich v. a. Settings, die dem informellen Lernen zuzuschreiben sind. Dazu gehören Teamprojekte oder die Mitarbeit in einem Projekt, Coaching oder Mentoring-Programme. Ein wichtiger Bestandteil innerhalb dieser Formen ist wiederum das konstruktiv-kritische Feedback. Damit wird das neu gelernte Verhalten gespiegelt und kann anschließend justiert werden. 8 Übersicht Lernen am Modell findet in der beruflichen Weiterbildung v. a. in folgenden Settings statt: 55 Mentoring, 55 Coaching, 55 Teamprojekt, 55 Mitarbeit in Projekten. 55 Damit Lernen am Modell effektiv sein kann, braucht es immer konstruktiv-kritisches Feedback. 8.1.3 Neue Problemlösungsvarianten mit Lernen durch Einsicht. Lernen durch Einsicht Beim Lernen durch Einsicht wird eine Problemstellung durch die Person analysiert und strukturiert. Dadurch werden neue Problemlösungsvarianten entwickelt, die auf andere Situationen anwendbar sind. Das Problem wird neu durchdacht und in neuen Situationen ausprobiert. In der beruflichen Bildung passiert Lernen durch Einsicht vor allem in der gezielten Reflexion entweder in der Gruppe oder als Individuum. So können z. B. anhand eines gescheiterten Change-Management-Prozesses durch gedankliche Auseinandersetzung in der Gruppe Prozessschritte optimiert oder neue Instrumente entwickelt und eingesetzt werden. Eine wichtige Grundvoraussetzung für das Lernen durch Einsicht ist eine gute Selbstreflexion. Unter Selbstreflexion fallen 165 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… beispielsweise die Kenntnis der eigenen Stärken und Entwicklungsfähigkeit und ein gutes Urvertrauen, um adäquat mit Fehlern, Kritik oder konstruktiv-kritischen Rückmeldungen umgehen zu können. Übersicht In der beruflichen Weiterbildung wird Lernen durch Einsicht mittels Einzelreflexion oder Gruppenreflexion gefördert. Konkret eigenen sich dazu Optimierungen zu einer bestehenden Problemstellung. Das heißt, es gilt, etwas Bestehendes zu hinterfragen, neue Lösungen zu entwickeln und diese auf eine neue Situation, z. B. aus der eigenen Unternehmung, zu übertragen. Ergänzend kann auf der individuellen Ebene die Selbstreflexion gefördert werden, die eine Grundvoraussetzung für das Lernen durch Einsicht ist. Unter Selbstreflexion wird in diesem Beitrag Folgendes verstanden: 55 die Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen, 55 Offenheit für Kritik und Feedback, 55 die Lust auf neue Erfahrungen und die damit einhergehenden Veränderungen, 55 und die proaktive Suche nach konstruktiv kritischen Rückmeldungen. Um die Selbstreflexion zu fördern, eignen sich Instrumente wie ein Development Center, ein 360-Grad-Feedback, kollegiale Fallberatung oder eine gelebte Fehlerkultur, wie sie beispielsweise in Fuckup Nights erfahren werden kann (. Tab. 8.1). 8.1.4 Lernen und Konstruktivismus Konstruktivismus ist keine Lerntheorie, sie setzt jedoch den Lernenden in den Mittelpunkt. Der Konstruktivismus betrachtet Lernen als individuell konstruierten Prozess. Jedes Individuum lernt auf der Grundlage seiner eigenen, persönlichen Erfahrungen (Kauffeld 2016). Das bedeutet, dass vermitteltes Wissen nicht abgespeichert wird, sondern es wird damit ein eigenes Bild der Realität konstruiert, welches von den Wertvorstellungen und Erfahrungen der Person geprägt ist (Franken 2019) Betrachtet man die Prinzipien des konstruktivistischen Unterrichtens, so lassen sich daraus wichtige Hinweise für die betriebliche Weiterbildung ableiten. Gleichzeitig gibt es verblüffende Parallelen zum aktuell stark überstrapazierten Begriff des agilen Lernens. Die Bedeutung des Konstruktivismus für die Gestaltung von Weiterbildungen. 8 Bedeutende Persönlichkeiten E.L. Thorndike, 1874–1949 B.F. Skinner, 1904–1990 A. Bandura, *1925 Diverse Lernpsychologische Theorie Operantes Konditionieren (Behaviorismus) Lernen am Modell/ Beobachtungslernen (Kognitionspsychologie) Lernen durch Einsicht (Kognitionspsychologie) Gehirn als informationsverarbeitendes System. Lernen findet durch Nachdenken statt. Es werden neue Lösungsansätze durch mentale Repräsentation entwickelt, ohne etwas auszuprobieren oder nachzuahmen. Gehirn als informationsverarbeitendes System. Lernen findet durch Beobachtung und Nachahmung eines geeigneten Modells statt. Gehirn als Black Box. Lernen findet dann statt, wenn eine beobachtbare Veränderung in die gewünschte Richtung stattgefunden hat. Wichtige theoretische Aspekte - Bedeutung der Reflexion für das Lernen vermitteln - Gezielte Förderung der individuellen Selbstreflexion mittels Development Center, 360-Grad-­Feedback, kollegiale Fallberatung, Fuckup Nights - Reflexionsphasen für Teams/Gruppen und Individuen in Weiterbildungen einbauen - Mentoring, - Coaching - Teamprojekt - Projektmitarbeit - Positive Verstärkung - Lob - unterstützendes Feedback - E-Learning mit Qualifikationscharakter - Negative Verstärkung - Anstrengung, um keine Aufgaben nach Kursende fertigstellen zu müssen - Bestrafung - störende Teilnehmende werden getadelt Einsatz in der betrieblichen Bildung Überblick lernpsychologische Lerntheorien in der betrieblichen Bildung. (Eigene Darstellung, Jürg Gabathuler) 8..      Tab. 8.1 166 G. Jürg und B. Sandra 167 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… Im 7 Abschn. 8.3.1, werden entscheidenden Punkte bei der Gestaltung von Weiterbildungseinheiten im Detail aufgeführt. 8.2  ehre in der beruflichen Bildung – oder wie L sind effektive Lernumgebungen zu gestalten Erst wenn verstanden worden ist, wie Lernen geschieht, können daraus Schlüsse für die Gestaltung von effektiven Lernumgebungen in der betrieblichen Weiterbildung gezogen werden. Für welche Lehrform sich Bildungsverantwortliche beziehungsweise eine Organisation entscheidet, hängt stark von dem eigenen Weiterbildungsverständnis und der Vorstellung, wie Lernen passiert, ab. Bevor näher auf die Gestaltung von effektiven Lernumgebungen eingegangen wird, soll zuerst beleuchtet werden, was Lehren genau heißt, in welchem Verhältnis Lehre und Lernen stehen und welche Rolle Didaktik dabei spielt. 8.2.1 Was hat Lehre mit Lernen zu tun Lehren bezieht sich intentional auf Lernen, während Lernen auch ohne Lehren im Alltag stattfinden kann. Lehren garantiert also nicht automatisch Lernerfolg (Ludwig 2018, S. 258). Vielmehr impliziert Lehre die Absicht zu lehren und umfasst dabei alle Lehrhandlungen, auch wenn kein Lernen stattfindet (vgl. von Hippel et al. 2019; Pachner 2018). Lernen kann somit nicht vom Lehrenden erzeugt, sondern lediglich beabsichtigt und ermöglicht werden (Schüssler 2010, S. 44; zit. nach von Hippel et al. 2019). In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff der Ermöglichungsdidaktik verwendet (vgl. Arnold und Schön 2019). Was aber heißt Didaktik? Götz und Häfner (2010, S. 15) verstehen unter Didaktik die Wissenschaft vom Lehren und Lernen und meinen damit alle Faktoren, die den Lehr- und Lernprozessen beeinflussen, unabhängig von der jeweiligen Lernform. Lehner (2019, S. 12) spricht ebenfalls von Didaktik als Wissenschaft von der Lehre (reflexive Aspekte) und als Kunst des Unterrichtens (handwerkliche Aspekte). Zum Thema Didaktik gibt es unterschiedliche Zugänge mit unterschiedlichen Begriffsverwendungen, allen gemeinsam ist jedoch der Gestaltungsaspekt. Im Unterschied zum Begriff Lehre ist Didaktik weiter gefasst und beinhaltet dabei nicht nur die Gestaltung von Lernarrangements, sondern auch die Planung und Eva- Lernen kann nicht angeordnet oder befohlen werden. Didaktik beeinflusst Lehrund Lernprozesse. 8 168 8 G. Jürg und B. Sandra luation von Lehr- und Lernprozessen von Hippel et al. (2019). Siebert (2010, S. 160) definiert Didaktik als Verknüpfung von Psychologik (Lern- und Motivationsstruktur der Teilnehmenden), Sachlogik (Struktur des Lerninhalts) und Handlungslogik, (Verwendungssituation) und schreibt im Zusammenhang mit einer Begriffserweiterung ebenfalls, dass didaktisches Handeln nicht mehr an erster Stelle nur Unterrichten bedeutet, sondern Kontextgestaltung, Beratung und Bildungshilfe (Siebert 2009, S. 20 zit. nach Pachner 2018, S. 1442–1443). Didaktisches Handeln kann somit auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden. Die genaue Zuordnung der didaktischen Handlungsebenen wird in der Literatur jedoch unterschiedlich gehandhabt. Gemäß dem Modell von Schrader (2011) lassen sich zusammengefasst 3 Ebenen unterscheiden: System- oder Makroebene (z. B. institutionelles Umfeld, nationale Akteure usw.), Organisations- oder Mesoebene (z. B. Organisation der Weiterbildung, Personalentwicklung) und schließlich die Interaktions- oder Mikroebene ­(Weiterbildungsangebot/Lehr-Lern-Prozess). Bei didaktischen Entscheidungen auf einer Ebene gilt es die Rahmenbedingungen oder Realitäten der darüber oder darunter liegenden Ebene zu berücksichtigen (von Hippel et al. 2019). Abschließend erwähnt, jedoch nicht weiter ausgeführt werden soll die Methodik als Teilbereich der Didaktik. Diese befasst sich mit dem Wie des Lehrens (dem Weg der Lernzielerreichung) und meint die Gestaltung von Lehr-Lern-­ Situationen durch die Auswahl passender Methoden (vgl. Siebert 2010). 8.2.2 Theoretische Ansätze des Lehrens Theoretische Ansätze des Lehrens, auch didaktische Modelle der Konzepte genannt, erklären „wie Lehren als Vermittlungsverhältnis von Lehren und Lernen gelingt“ (Ludwig 2018, S. 263). Je nach Autor oder Autorin werden unterschiedliche Ansätze und Modelle diskutiert sowie unterschiedliche Begriffe und Systematisierungen verwendet. Die nachfolgend beschriebenen Ansätze, welche auch als didaktische Modelle bekannt sind, wurden einerseits in Bezug zu den in diesem Beitrag besprochenen Lerntheorien ausgewählt und andererseits unter dem Aspekt der Relevanz für die betriebliche Bildung. Diese Ansätze schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bieten Unterstützung für reflektierte, situationsangepasste Gestaltungsentscheidungen. 169 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… 8.2.3 Lerntheoretischer Ansatz Beim lerntheoretischen Ansatz, der empirisch-­ analytischen Wissenschaften entstammt, geht es darum, die wichtigsten Aspekte des Lehr- und Lernprozesses möglichst umfassend zu beschreiben, zu analysieren und planbar zu machen (vgl. Götz und Häfner 2010; Pachner 2018). Berücksichtig werden dabei sogenannte Bedingungs- und Entscheidungsfelder. Aufgrund der Bedingungsfelder, bestehend aus individuellen Voraussetzungen der Lernenden und institutionellen Voraussetzungen (Bildungspläne, Gesetze, Räume etc.), treffen Bildungsverantwortliche Entscheidungen innerhalb der Entscheidungsfelder Lernziele, Inhalte, Methoden und Medien und gestalten daraufhin passende Lehr- und Lernprozesse. In der anschließenden Evaluation der Bildungsmaßnahme werden der Erfolg, die Wirkung, überprüft und Schlussfolgerungen für die weitere Planung gezogen. Die Interdependenz und Wechselwirkung der drei beschriebenen Felder werden dadurch deutlich (Negri 2010, S. 12, 21). 8.2.4 Curriculumtheoretischer Ansatz Charakteristisch für den curriculumstheoretischen Ansatz ist, dass sich Lerninhalte nicht mehr an abstrakten Bildungsidealen orientieren, sondern auf der Basis empirischer Situationsanalysen bestimmt werden (Siebert 2014, S. 96). Um Lehrpläne, sogenannte Curricula, zu erstellen, werden demnach zuerst Anwendungssituationen analysiert, notwendige Qualifikationen abgeleitet und schließlich Inhalte und praxisnahe Methoden ausgewählt. 8.2.5 Konstruktivistischer Ansatz Wissen wird gemäß dem konstruktivistischen Ansatz von der lernenden Person selbst konstruiert und über die eigene, aktive Beteiligung erworben. Dabei wird das neu aufgebaute Wissen in bereits bestehende Wissensstrukturen eingebaut. Außerdem findet Lernen in Interaktion mit Anderen und in situativen Kontexten statt (vgl. Lehner 2019; Mandl und Kopp 2006). Lernen kann von Lehrenden wie bereits erwähnt nicht erzwungen, sondern nur initiiert, begleitet und ermöglicht werden. Für die Gestaltung von Lernumgebungen aus konstruktivistischer Sicht bedeutet dies, selbstgesteuertes Lernen anzuregen, auf Vorerfahrungen aufzubauen und Austausch- Vier didaktische Ansätze, die in der betrieblichen Bildung relevant sind. 8 170 G. Jürg und B. Sandra möglichkeiten anzubieten, um nur einige Aspekte zu nennen. Die Lehrenden nehmen damit mehr die Rolle von Lernbegleitenden oder Lernberatenden ein. 8.2.6 8 Problemorientierter Ansatz Beim problemorientierten Ansatz ist der Lernende mit seinen aus dem Berufsalltag zu bearbeitenden Problemstellungen im Zentrum. Es wird ebenfalls von einem selbstgesteuerten, aktiven Lernprozess ausgegangen. Da jedoch nicht alle Lernenden in der Lage sind, ihren Lernprozess selbstständig zu planen und zu gestalten, bedarf es einer optimalen Unterstützung auf Seiten der Lehrenden (Mandl und Kopp 2006). Beim problemorientierten Ansatz wird dabei „eine Balance zwischen Instruktion und Konstruktion in Abhängigkeit von den Lernvoraussetzungen und dem Lerngegenstand hergestellt. Der Lernprozess wird als eigenaktiv und konstruktiv angesehen, der jedoch durch den Lehrenden angeregt, gefördert und ­verbessert werden kann und soll“ (Kraft 2006, S. 214). 8.3 Prinzipien des Lehrens Je nachdem, welche theoretischen Annahmen über Lehr- und Lernprozesse in einer Organisation leitend sind, lassen sich daraus verschiedene Prinzipien für die Lehre folgern. Diese dienen vor allem als Orientierung zur Gestaltung von Lernumgebungen und sind eher allgemeiner Natur. Auch bieten sie Argumentationskriterien für die Begründung von Entscheiden in der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen. Von Hippel et al. (2019) schreiben dazu „… denn ein zentrales Charakteristikum professionellen didaktischen Handelns ist es, begründen zu können, warum etwas vor erwachsenenpädagogischem Hintergrund gemacht wird, das heißt, begründet didaktische Entscheidungen treffen zu können“ (S. 80). Wie bei den theoretischen Ansätzen der Lehre besteht auch bei den Prinzipien der Lehre eine Vielzahl an unterschiedlichen Begriffsverwendungen, Prinzipiennennungen und Kategorisierungen. So wird z. B. auch oft von didaktischen Prinzipien oder didaktischen Gütekriterien gesprochen (vgl. von Hippel et al. 2019; Lehner 2019; Siebert 2010). Im Folgenden werden einige Prinzipien der Lehre aufgelistet, welche für die berufliche Bildung Relevanz haben. Diese sind nicht abschließend zu verstehen. 171 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… 8.3.1 Zielgruppen- und Teilnehmendenorientierung Die antizipierten und tatsächlichen Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppe sowie die Voraussetzungen und Vorerfahrungen des Individuums sollen bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen berücksichtigt werden. Während sich die Zielgruppenarbeit mehr auf die Planungsphase der Lehre bezieht, betrifft die Teilnehmendenorientierung eher die Durchführung selbst (vgl. Siebert 2014). 8.3.2 Anwendungsbezug Die Methodenwahl soll so gestaltet werden, dass der Umgang mit realen Problemstellungen und alltagsnahen Situationen ermöglicht wird und auf dem Erfahrungswissen der Lernenden aufbaut. Hierzu eigenen sich z. B. Rollenspiele, Fallbeispiele oder Transferübungen (vgl. Mandl und Kopp 2006; Siebert 2010). 8.3.3 Perspektivenverschränkung Die Fähigkeit, sich in die Lage von anderen zu versetzten, eine andere Perspektive einzunehmen und agil und flexibel zu handeln, wird immer wichtiger. Lehrende können Lernende dabei unterstützen, indem sie Lernumgebungen so gestalten, dass spezifische Inhalte in unterschiedlichen Situationen von mehreren Standpunkten aus betrachtet werden können. Diskussionen, Rollenspiele oder andere Austauschmöglichkeiten können hier eingesetzt werden (vgl. Siebert 2010). 8.3.4 Selbstreflexion Der Selbstreflexion kommt insbesondere bei konstruktivistischen Ansätzen eine wichtige Bedeutung zu. Lernumgebungen sind so zu gestalten, dass Lernende die Möglichkeit haben, ihre eigenen Lernprozesse zu beobachten, über ihre Lernfortschritte nachzudenken und sich über Transfermöglichkeiten Gedanken zu machen. Als reflexive Methoden eigenen sich z. B. Lerntagebücher, Lerntandems oder Lernberatungsangebote. 8 172 G. Jürg und B. Sandra 8.3.5 Erlebnisqualität Neben den bereits erwähnten Prinzipien der Lehre können auch das Lernklima, das Ambiente der Räumlichkeiten, die Auswahl und Darbietung von Praxisbeispielen sowie die Lehrperson selbst mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Engagement einen Einfluss auf das Lerngeschehen nehmen. Dies gilt es bei den Gestaltungsentscheidungen zu berücksichtigen, indem passende Lernorte und interessante und begeisterungsfähige Experten und Expertinnen ausgewählt werden und mit abwechslungsreichen Methoden sowie spannenden und anschaulichen Beispielen gearbeitet wird. 8.3.6 8 Konstruktivistische Gestaltungsprinzipen In einem Artikel von Dubs (1995), werden die wichtigsten Grundzüge eines auf konstruktivistischen Prinzipien aufgebauten Unterrichts beschrieben. Er erwähnt 7 Gestaltungsprinzipien, die auch bei der Gestaltung von Weiterbildungen im beruflichen Bereich gültig sind, damit Lernen und Lehren für Erwachsene erfolgreich gelingt. A) Orientierung an komplexen, lebens- und berufsnahen Inhalten. Keine Vereinfachung von Problemstellungen, sondern die Realität unstrukturierter Probleme. Das bedeutet für Weiterbildungsinhalte die Verwendung von Praxisbeispielen, in denen sich die Teilnehmenden in ihrer beruflichen Realität wiedererkennen. B) Lernen ist ein aktiver Prozess, währendem das eigene Vorwissen und Können aus neuen Erfahrungen verändert und neues Wissen konstruiert wird. Gelernt wird das, was mit neuem Wissen verknüpft werden kann. Mittels Literatur, Selbstlerneinheiten/e-Learnings oder Problemstellungen aus der eigenen beruflichen Praxis und mit kurzen Präsenzinputs wird für die Teilnehmenden eine gemeinsame Wissensbasis geschaffen, mit denen sie neues Wissen verknüpfen und konstruieren können. C) Dem kollektiven Lernen oder dem Lernen in Teams kommt eine große Bedeutung zu, denn erst die Diskussion mit Anderen über die individuelle Interpretation einer Lernsituation oder selbstentwickelter Lösungsansätze/ Hypothesen unterstützt beim Überdenken der eigenen Lösungssituation und hilft, diese neu strukturieren und zu optimieren. Hier gilt es in der betrieblichen Bildung Möglichkeiten zu schaffen, in denen in der Gruppe über das Erreichte diskutiert werden kann und durch Verbesserungsvorschläge von anderen das Teamlernen gefördert wird. 173 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… D) Fehler sind bedeutsam und müssen in Diskussionen thematisiert und korrigiert werden. Die Auseinandersetzung mit Fehlerüberlegungen fördern das Verständnis und tragen zu einer besseren Konstruktion von verstandenem Wissen bei. In der Weiterbildung ist darauf zu achten, dass echtes konstruktiv-­kritisches Feedback entweder durch die Teilnehmenden oder durch den Trainierenden erfolgt. Dabei ist wesentlich, dass Fehler angesprochen, thematisiert und besprochen werden. E) Die komplexen Lernbereiche sind auf die Vorerfahrungen und Interessen der Lernenden auszurichten, denn Lerninhalte sind dann am herausforderndsten, wenn sie dem realen Erfahrungsschatz und den Interessen der Lernenden entsprechen. Dies geschieht durch das Lösen von Fallbeispielen aus der Praxis der Teilnehmenden oder durch realitätsnahe Problemstellungen aus Expertenerfahrung. Die Lösungsfindung erfolgt anschließend mittels des Instruments der kollektiven Fallbearbeitung. F) Beim kollektiven Lernen beschränkt sich das Lernen nicht nur auf die kognitiven Aspekte, sondern auch auf Gefühle wie Ärger, Ängste oder Freude. Auch die persönliche Identifikation mit dem Lerninhalt sind bei der Entwicklung einer Lösung mitbeteiligt. Rationalität allein führt nicht zum Erfolg. Gefühle spielen eine wichtige Rolle beim Lernen. Negative Emotionen wie Angst und Stress stoppen oder beeinträchtigen den Lernprozess stark (Spitzer 2010). Positive Emotionen wie Freude, Spaß, Humor verstärken den Lernprozess. So sind Wettbewerbe innerhalb der Kursgruppe zulässige Elemente in Lerneinheiten und lösen Gefühle aus. G) Das Ziel in einem konstruktivistischen Lernprozess ist nicht Wissensproduktion, sondern eigene Wissenskonstruktion. Deshalb ist eine Überprüfung der Lernfortschritte mit Tests nicht sinnvoll. Viel geeigneter ist eine Selbstevaluation, mit der die eigenen Lernstrategien und Lernfortschritte beurteilt werden. Dieses Prinzip ist im Grunde ein Plädoyer für den Return of Education (Kauffeld 2016) anstelle des Return on Investment. Der Return of Education macht eine Aussage über den Outcome oder die Wirksamkeit der Weiterbildung, also den Lerntransfer und fokussiert nicht auf Kennzahlen wie Anzahl der Weiterbildungstage, Weiterbildungsbudget, Trainings/Weiterbildungen, besuchte Weiterbildungsquote pro mitarbeitende Person, Führungskraft usw. 8 174 G. Jürg und B. Sandra Interessanterweise tauchen viele dieser Prinzipien im Kontext des Lernens mittels agiler Methodik wieder auf. Konkret sind hier zu erwähnen: die Bedeutung des kollektiven Lernens (C), die Bedeutsamkeit des Feedbacks und Rückmeldungen (D), der Einbezug von Vorerfahrungen und Interessen beim Entwickeln von Lösungen sowie die Beteiligung von Gefühlen (F) während der Arbeit, wie z. B. beim Feiern von gemeinsamen Erfolgen. 8.4 8 Für eine optimale Weiterbildung braucht es beides: Erkenntnisse aus der Lerntheorie und Berücksichtigung der Lehrprinzipien. Effektive Gestaltung von Lernumgebungen Erst durch das Verstehen, wie Lernen funktioniert, durch die Kenntnis theoretischer Ansätze und Prinzipen der Lehre lassen sich begründete Entscheidungen zur effektiven Gestaltung von Lernumgebungen treffen. Institutionelle und organisationale Rahmenbedingungen sowie Voraussetzungen und Vorerfahrungen der Lernenden (Bedingungsfelder) sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Bei den Gestaltungsentscheidungen (Entscheidungsfelder) geht es dann unter anderem darum, Lernziele und -inhalte zu bestimmen, die Struktur des Lehr-Lern-Prozesses zu definieren, passende Methoden und Medien auszuwählen und sich Gedanken zur Evaluation (Wirkung) zu machen.. Abb. 8.1 stellt den Zusammenhang von Lerntheorien, theoretischen Ansätzen sowie Prinzipien der Lehre dar und zeigt, wie diese in die Entscheidungen zur Gestaltung von Lernumgebungen einfließen. Außerdem wird deutlich, wie die im lerntheoretischen Ansatz beschrieben Faktoren Bedingung (institutionelle und individuelle Voraussetzungen), Entscheidung (Ziele, Inhalte, Methoden, Medien etc.) und Wirkung (Erfolg des Lernarrangements) zueinander in Relation stehen. 8.4.1  ichtige Erkenntnisse aus der Lern- und W Lehrpsychologie für in der betrieblichen Bildung tätige Personen Die Erkenntnisse aus der Lern- und Lehrpsychologie geben wichtige Hinweise, wie Weiterbildungen geplant und durchgeführt werden müssen, damit Lernen bei den Teilnehmenden stattfinden kann. Die Weiterbildung ist so zu gestalten, dass möglichst viele unterschiedliche Elemente der Lerntheorien erfahrbar sind. Das bedeutet, Lob, Rückmeldung, Beobachtung, Nachahmung oder Reflexion sollen erfahrbar sein. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Prinzipien für einen erfolgreichen Lehr-Lern-Prozess zu berücksichtigen. Gemäß 8 175 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… Institutionelle / organisationale Rahmenbedingungen Prinzipien der Lehre Theoretische Ansätze der Lehre Prinzip 1 Prinzip 2 Prinzip 3 etc. Durchführen Auswerten Lehrende Ziele Inhalte Struktur Methoden Medien Zeit, Ort etc. Lerntheorien INSTRUKTION anregen, anleiten, berten Lehr-Lernprozess / Lernumgebung Wirkung Empirische Analysen Entscheidung Bedingung Planen aktives, selbstgesteuertes Lernen KONSTRUKTION Lehrende..      Abb. 8.1 hier einfügen/Lehr-lern-theoretische Zusammenhänge/Quelle: (in Anlehnung an von Hippel et al. 2019, Reimann-Rothmeier und Mandl 2001 zit. nach Mandl und Kopp 2006, S. 119) dem problemorientierten Ansatz ist es wichtig, eine Balance zwischen Instruktion aufseiten der Lehrenden und Konstruktion aufseiten der Lernenden herzustellen, um die Selbstlernkompetenz optimal unterstützen und fördern zu können. Dies lässt sich jedoch in der Planungsphase nur bedingt festlegen und muss während des laufenden Lehr-Lern-Prozesses durch kontinuierliche Reflexion überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Aber damit ist die Arbeit für Weiterbildungsverantwortliche noch lange nicht getan. Denn nur mit einer Optimierung der Weiterbildungen durch Erkenntnisse aus Lern- und Lehrtheorie deckt man erst einen Teil der Herausforderungen der Zukunft ab. 8.5  ann ist meine Weiterbildungsabteilung fit W für die Zukunft? Die Personalentwicklung sieht sich vielfältigen Herausforderungen gegenüber. So verändern sich die Arbeitsmethoden durch agile oder hybride Formen der Zusammenarbeit mit Methoden wie Scrum, Kanban, DevOps oder Human Centered Design. Daraus resultiert ein Bedürfnis nach mehr Partizipation, mehr Mitsprache, mehr Anerkennung und mehr Verantwortung. Aber auch die Struktur der Zusammenarbeit verändert sich. Virtuelle Zusammenarbeit über internetbasierte Plattformen, Co-Working-Spaces, abnehmende Hierarchien und Teambüros lösen die vormaligen Landschaften von Einzel- und Zweierbüros zunehmend ab. Hinzu kommen die Die Herausforderungen der Zukunft verlangen nach neuen Rollen und Konzepten in der Personalentwicklung. 176 G. Jürg und B. Sandra 8 Agile Werte als Ausgangslage für eine neue Personalentwicklung. Megatrends Wissenskultur und Konnektivität, beide verändern die Art und Weise, wie wir mit Wissen umgehen. So wird beispielsweise durch die Digitalisierung Wissen schneller und mehr Menschen verfügbar gemacht (zukunftsInstitut 2020). Lernen bleibt also eine Schlüsselkompetenz der Zukunft (Hays, HR Report Hays, Lebenslanges Lernen 2020). Um diese Herausforderungen meistern zu können, braucht es neue Rollen und Konzepte in der Personalentwicklung. Als Lösung bietet sich das agile Mindset an, das gerade als Antwort auf diese Herausforderungen im Jahr 2001 entwickelt worden ist. Agile Konzepte sind erfolgreich, weil sie menschlichen Bedürfnissen entsprechen. So werden mehr Entscheidungen durch das Team gefällt und nicht mehr durch die Führungskraft, was flachere Hierarchien ermöglicht. Komplexe Projektziele werden in sogenannte „baby steps“ heruntergebrochen, dadurch gibt es regelmäßige Fortschritte, und es werden Erfolgserlebnisse ermöglicht. Die Kommunikation steht über ausschweifenden Dokumentationen. Dies bedingt vermehrte Interaktionen mit Anderen und generiert dadurch Sinnfindung. Und mit systematischen Retros und Feedbackschlaufen wird Lernen institutionalisiert. Im ZHAW Blog „Agilität: Die Antwort auf menschliche Bedürfnisse“ findet sich eine lesenswerte Einführung zu diesem Thema (Duméril 2017) Wie oben erwähnt, werden durch das agile Arbeiten viele lern- und lehrpsychologische Prinzipien abgedeckt. Im agilen Manifest aus dem Jahr 2001 sind 4 Grundwerte beschrieben, die für die Zusammenarbeit bedeutsam sind (Agiles Manifest 2001). Überträgt man diese Werte auf eine moderne Personalentwicklung, so lassen sich daraus folgende neue Hauptaufgaben ableiten: zz Wert 1: Interaktionen im Team sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge Die Personalentwicklung fokussiert sich stärker auf Weiterbildungen im Bereich Team-/Organisationslernen. Gleichzeitig befähigt die Personalentwicklung Mitarbeitende in den Kompetenzen Lernfähigkeit, Selbstmanagement und individuelle Zielsetzung. Eine wichtige Grundlage dafür bilden die Erkenntnisse aus der Lern- und Lehrpsychologie. Für das Teamlernen von besonderer Bedeutung ist eine gelebte konstruktiv-kritische Feedbackkultur. Aus der agilen Vorgehensweise bietet sich dazu die Methode der Retros an. Hier reflektiert das Team in regelmäßigen Abständen kritisch die eigene Leistung, benennt Positives und Kritisches und sucht anschließend gemeinsam nach Optimierungsmöglichkeiten (geekbot.com 2019) 177 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… 8 zz Wert 2: Der Kundennutzen steht im Vordergrund Die Personalentwicklung misst ihren Erfolg oder ihre Bedeutung am Outcome beziehungsweise Transfererfolg und nicht an ihrem Output (Kauffeld 2016; von Graf et al. 2019). zz Wert 3: Eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden zählt mehr als Verträge und Regelwerke Die Personalentwicklung entwickelt ihre Angebote zusammen mit dem Business und führt sie teilweise auch mit dem Business durch. Dafür würden sich beispielsweise auf die Bedürfnisse der Personalentwicklung abgeänderte Sprint Reviews eignen, wie sie in der agilen Methodik schon lange verankert sind (eine Erläuterung dazu findet sich unter Kriegisch 2020) Dabei wird dem Kunden das entwickelte Produkt/die Maßnahme durch das gesamte Team vorgestellt sowie Verbesserungsvorschläge und Feedback dazu abgeholt. Diese Besprechungen finden in regelmäßigen Abständen statt und sind standardisiert. zz Wert 4: Offenheit/Anpassungsfähigkeit für Veränderungen ist wichtiger als das Festhalten an mittel- bis langfristigen Plänen Die Personalentwicklung arbeitet stärker bedarfsorientiert und bietet nur noch wenige Weiterbildungen standardisiert an. Das verlangt von Mitarbeitenden in der Personalentwicklung eine höhere Fach-, Methoden- und Selbstkompetenz, um ­flexibel und schnell die notwendigen Programme anzupassen oder neu entwickeln zu können. Standardisierte Weiterbildung findet nur noch für spezielle, unternehmensübergreifende Themen statt, wie z. B. Lernverständnis, Führungsverständnis/-kultur oder Unternehmensstrategie. 8.5.1  elche Handlungsfelder ergeben sich W daraus für eine moderne Personalentwicklung? Mithilfe von 8 identifizierten Handlungsfeldern werden in. Tab. 8.2 die größten Unterschiede zwischen einer herkömmlichen und einer modernen Personalentwicklung sichtbar. Die Ausrichtung der modernen Personalentwicklung geschieht auf der Grundlage der agilen Werte, die identifizierten Handlungsfelder werden anschließend einzeln erläutert. 8 neue Handlungsfelder für eine moderne Personalentwicklung. Herkömmliche Personalentwicklung Defizitorientierung, Mitarbeitende haben Entwicklungsfelder und müssen entwickelt werden. PE kennt die Lernbedarfe in der Unternehmung und verfügt über die notwendige Einschätzungsexpertise Entwicklung von Angeboten zur Deckung des Weiterbildungsbedarfs Anforderungsprofile, Kompetenzprofile Nach Bedarfsanalyse durch PE, mindestens 1× jährlich Durch Experten der Weiterbildung Return on Investment, weitere Kennzahlen wie Kurstage, Anzahl Weiterbildungen, Kosten pro Weiterbildungstag …, Mehrheitlich formale Weiterbildungen wie Seminare, Workshops, Trainings, e-Learnings … Handlungsfelder Menschenbild Bildungsverständnis Zweck Instrumente Steuerung des Lernangebotes Entwicklung des Lernangebotes Wirksamkeit Lernorte 70 % informelles Lernen 20 % Lernen durch Beobachtung/Nachahmung 10 % formales Lernen Return on Education (Messung des Transfererfolgs), Objective Key Results Durch Experten der Weiterbildung in enger Zusammenarbeit mit dem Business, z. B. mit dem Human-Centered-Design-Ansatz Nach Bedürfnis des Business, rollierende Bedarfsanalyse Beratung, Unterstützung, Begleitung Dient allen Mitarbeitenden zur Erhaltung ihrer Arbeitsmarktfähigkeit PE ist verantwortlich für den Aufbau einer Lern- und Lehrkultur und stellt dafür die notwendigen Weiterbildungen/Lernsettings zur Verfügung Mitarbeitende sind zu einem großen Teil im Lernen selbstgesteuert unterwegs Moderne Personalentwicklung Herkömmliche versus moderne Personalentwicklung (eigene Darstellung von Jürg Gabathuler, in Anlehnung an von Graf et al. 2019) 8..      Tab. 8.2 178 G. Jürg und B. Sandra 179 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… 8.5.1.1 Handlungsfeld: Menschbild Eine moderne Personalentwicklung verabschiedet sich vom Selbstverständnis der allwissenden Abteilung über Kompetenzen von Mitarbeitenden. Es braucht ein neues Selbstverständnis als Unterstützer für individuelles, team- und organisationales Lernen, und die Entwicklungsverantwortung gehört in die Hände der Mitarbeitenden und Teams einer Unternehmung (Pfläging 2016, in von Graf et al. 2019). 8.5.1.2 Handlungsfeld: Bildungsverständnis Die Personalentwicklung der Zukunft wird Weiterbildung nicht mehr über Kompetenzprofile steuern, sondern einen entscheidenden Beitrag zur Lernkultur im Unternehmen leisten. Damit stellt sie sicher, dass die Mitarbeitenden Change- und Transformationsprozesse optimal bewältigen können. Ebenso unterstützt die Personalentwicklung die Mitarbeitenden bei der Befähigung des selbstgesteuerten Lernens. Viele Mitarbeitende leben noch in einer Kultur des Lernkonsums und sind überfordert bei der Identifizierung und Umsetzung von eigenen Lernzielen. Eine moderne Personalentwicklung stellt sicher, dass die Entwicklung von Lern settings nach lern- und lehrpsychologischen Grundsätzen geschieht, um möglichst effiziente Weiterbildungsbedingungen zu schaffen. Die Personalentwicklung übernimmt damit die Rolle des Lerncoachs, des Lernförderes und des Learning Designers. Dabei steht die Frage der Erhaltung der Arbeitsmarktfähigkeit oder Employability im Vordergrund. Es geht somit nicht um die Frage, was Mitarbeitende wissen müssen, sondern was sie brauchen, um die beruflichen Herausforderungen der Zukunft meistern zu können (von Graf et al. 2019). 8.5.1.3 Handlungsfeld: Zweck Hier geht es darum, dass die PE beim Organisieren des Lernens unterstützt, sei es für Teams oder einzelne Mitarbeitende. Dies geschieht nicht mehr mit einer unübersichtlichen Zahl an Weiterbildungsangeboten, sondern im Aufzeigen von Wegen, wie Arbeiten und Lernen optimal verknüpft werden können. Hierzu gehört das informelle Lernen (siehe 7 Kap. 3 von Urs Blum, Der Nutzen von informellen Lernprozessen) oder das 70-20-10-Modell (Lombardo und Eichinger 1996). 8.5.1.4 Handlungsfeld: Instrumente Nicht mehr nur Kompetenzbeschreibungen und daraus abgeleitete Bedarfe stehen im Fokus, sondern Entwicklungs-, Beratungs- und Begleitgespräche. Mögliche Instrumente, die in diesen Feldern unterstützen, sind Selbsteinschätzungen, Rückmeldungen von Teamkollegen oder Vorgesetzten, Leistungsbeurteilungen, 360-Grad-Feedbacks oder individuelle Ent- 8 180 G. Jürg und B. Sandra wicklungspläne mit Milestone-Gesprächen. Dazu gehören SMART formulierte Ziele, auch um den Erfolg einer ­Maßnahme zu messen und als positiven Verstärker zu nutzen. 8.5.1.5 8  andlungsfeld: Steuerung des H Lernangebotes Damit die Lernangebote aktuell und für das Unternehmen mehrwertstiftend sind, muss die Personalentwicklung stärker mit Business verknüpft sein, damit die Weiterbildungsbedürfnisse des Business rasch erkannt und darauf mit entsprechenden Angeboten reagiert werden kann (von Graf et al. 2019). Nice-to-have-Angebote sind zu ersetzen durch Need-to-know-­ Angebote, die einen konkreten Nutzen stiften. In der Praxis wären dafür z. B. sogenannte Learning Ambassadors zuständig, die in jedem Team ernannt werden. Diese Person würde beim Aufkommen eines identifizierten Bedarfs die Spezialistinnen und Spezialisten der Personalentwicklung informieren und beiziehen. Es sollte also jemand sein, der neben seiner fachlichen Aufgabe im Team auch noch eine Affinität für Lernangebote hat, mit denen das Erreichen der Ziele unterstützt werden kann. 8.5.1.6  andlungsfeld: Entwicklung des H Weiterbildungsangebotes Die Entwicklung von Weiterbildungsangeboten soll nicht mehr nur ausschließlich in den Händen von Experten und Expertinnen der PE, sondern in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden passieren. Dies kann z. B. mit der Methode des Human-Centered-Design-Ansatzes geschehen, indem in regelmäßigen Abständen mit dem Kunden die entwickelten Lösungsvorschläge diskutiert und aufgrund von Feedback optimiert werden. Oder mit einer abgeänderten Form von Sprint Reviews, in denen geplante PE-Maßnahmen vorgestellt und aufgrund der Feedbacks aus dem Team angepasst werden. 8.5.1.7 Handlungsfeld: Wirksamkeit Bisher ein schwieriges Gebiet für die PE. Die Wirksamkeit von PE-Maßnahmen lässt sich genauso wenig in genauen Zahlen ausdrücken wie die Wirkung einer Marketingmaßnahme. Deshalb steht nicht mehr der Output-Gedanke im Fokus des Interesses, sondern das Outcome, also der Transfererfolg oder die Wirksamkeit einer Weiterbildungsmaßnahme für die Organisation. Hierfür braucht es in erster Linie die Einsicht der entsprechenden Stakeholder, dass ein Paradigmenwechsel hin zu einer Wirksamkeitsmessung auf Ebene des Outcome notwendig ist. Für diese Art der Wirksamkeitsmessung/Transfererfolges sind die nachfolgenden Bedingungsfelder zu evaluieren und zu optimieren (Kauffeld 2016): 181 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… 8 55 Weiterbildungsteilnehmende: Einschätzung Selbstwirksamkeit, Ergebnis- und Leistungserwartung, 55 Training: siehe oben: 7 Abschn. 8.4.1 zur Lern- und Lehrpsychologie in diesem Beitrag, 55 Arbeitsumgebung: Veränderungsbereitschaft beim Team/ Führungskraft, Rückmeldungen zur Arbeitsleistung nach der Weiterbildung. 8.5.1.8 Handlungsfeld: Lernort Standardisierte Seminare und Weiterbildungen, die im Angebotskatalog der PE gebucht werden können, werden zunehmend an Bedeutung verlieren. Bei der Vermittlung von teamübergreifenden Inhalten wie der Vermittlung der Unternehmensstrategie, einem gemeinsamen Führungsverständnis oder bei der Einführung einer neuen Lernkultur sind fremdgesteuerte Lernformate nach wie vor sinnvoll. Aber wenn Mitarbeitende zunehmend ihr Lernen selbstgesteuert in die Hand nehmen, werden andere Lernorte wie die zeit- und ortsunabhängige eigenständige Recherche im Internet oder informelles Lernen immer wichtiger. Informelles Lernen (siehe 7 Kap. 3, Der Nutzen von informellen Lernprozessen) passiert z. B. durch die Mitarbeit in Projekten, in Communities of Practise (detailliert beschrieben in von Graf et al. 2019, S. 70) oder in internen als auch externen Hack Days wie z. B. am Hack Day der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR 2019). Der Beitrag, den die Personalentwicklung beim informellen Lernen leisten kann, liegt im Bereitstellen der Möglichkeiten und in der Beratung und Unterstützung beim Auftreten von Schwierigkeiten beispielsweise im sozialen Lernen. 8.6  eränderte Rollen für eine moderne V Personalentwicklung Nimmt man die beschriebenen Handlungsfelder als Basis für eine moderne Personalentwicklung, so lassen sich daraus 3 große Rollen für eine moderne Personalentwicklung ableiten. 55 Facilitator einer optimalen Lernkultur: Hier ist die Personalentwicklung in die strategischen Ziele der Unternehmung eingebunden, indem sie die Zielerreichung durch eine entsprechend ausgestaltete Lernkultur unterstützt. Dabei arbeitet sie eng mit dem Business zusammen und berät und unterstützt z. B. bei Entscheidungen, in welchen Geschäftsbereichen agile Methoden sinnvoll sind und wo eher nicht, oder wie selbstautonomes oder selbstverantwortliches Lernen im Unternehmen gefördert werden kann. Eine moderne Personalentwicklung ist Facilitator einer optimalen Lernkultur, Learning Expert und Learning Consultant. 182 8 G. Jürg und B. Sandra 55 Learning Expert: Die Personalentwicklung ist ein Center of Competence für das Lernen. Ihre Kernkompetenz ist das Wissen, wie Weiterbildungsveranstaltungen geplant, entwickelt oder gestaltet werden müssen, damit Lernen und Lehren wirksam stattfinden kann. Darunter fallen auch Empfehlungen für Insourcing/Outsourcing. Gleichzeitig coacht und begleitet die Personalentwicklung die Linie, damit ein Transfer in die Praxis stattfindet und der Return on Education erhoben werden kann. 55 Learning Consultant: Hier unterstützt die Personalentwicklung bei individuellen Fragestellungen der Mitarbeitenden. Diese Rolle entspricht am ehesten der traditionellen Rolle der Personalentwicklung, jedoch mit dem Verständnis, dass Mitarbeitende selbstgesteuert lernen und lehren und nicht entwickelt werden müssen. Damit verbunden ist der Aufbau der dazu notwendigen Kompetenzen für die Mitarbeitenden, z. B. im Bereich Selbstmanagement (eigene Ziele setzen, Achtsamkeit für eigene Life Balance), Selbstreflexion und Offenheit für Veränderungen. Und auch die Unterstützung der Führungskräfte findet in dieser Rolle statt; sei es, um das Lernen und Lehren der Mitarbeitenden oder Teams zu erleichtern oder in der Unterstützung bei schwierigen Führungssituationen. Checkliste Eine moderne Personalentwicklung zeichnet sich aus durch 55 ein Menschenbild, in dem Mitarbeitende ihre Lernbedürfnisse in großen Teilen selbstgesteuert an die Hand nehmen, 55 ein Bildungsverständnis, in dem die PE proaktiv für den Aufbau einer Lern- und Lehrkultur verantwortlich ist, 55 die Fokussierung auf die Befähigung der Mitarbeitenden, sodass diese die Herausforderungen in ihrem beruflichen Alltag bewältigen können, 55 den Einsatz der Instrumente Beratung, Begleitung und Unterstützung, 55 eine rollierende Bedarfsplanung nach den Bedürfnissen des Business, 55 eine enge Zusammenarbeit bei der Planung und Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Business, 55 die Ausrichtung der Weiterbildungsmaßnahmen auf das 70-20-10-Modell, 55 die Messung des Outcomes/Nutzens für das Business. 183 Lern- und Lehrpsychologie, Bedeutung für die betriebliche Weiterbildung… Literatur Agiles Manifest (2001). https://agilemanifesto.­org/iso/de/manifesto.­html. 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