Absolute Chronologie II PDF
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Loyola Marymount University
2024
Dr. Ken Massy
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This document is a lecture on absolute chronology, focusing on various methods for determining the age of archaeological artifacts. It includes sections on dendrochronology, and radiocarbon dating, discussing principles, methods, and applications. The lecture was given on November 25, 2024.
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Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie Dr. Ken Massy Absolute Chronologie II Tafelübung „Methodische Grundlagen der archäologischen Fächer I“ 25.11.2024 1. Grundlagen Absolute Chronologie: Bestimmt die konkrete Zeitposition ein...
Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie Dr. Ken Massy Absolute Chronologie II Tafelübung „Methodische Grundlagen der archäologischen Fächer I“ 25.11.2024 1. Grundlagen Absolute Chronologie: Bestimmt die konkrete Zeitposition eines archäologischen Phänomens kalendarische Daten Zeitspanne Über die absolute Datierung werden chronologische Fixpunkte ermittelt, durch die sich relativchronologische Systeme erstellen lassen 1450 v. Chr. Stufe 3 Stufe 3 1600 v. Chr. Stufe 2 Stufe 2 Stufe 1 1900 v. Chr. Stufe 1 2000 v. Chr. Relative Chronologie Absolute Chronologie 3. Dendrochronologie Prinzip: In der gemäßigten und borealen Klimazone haben sich die Pflanzen während der Wintermonate auf eine Vegetationspause eingestellt bei Bäumen entsteht alljährlich von April bis September neues Gewebe, das den Holzkörper als eine Schicht vollständig umschließt genannt Jahrring Die Folge von engeren und breiteren Jahresringen ist häufig so charakteristisch, dass man von Jahrringmustern sprechen kann 3. Dendrochronologie Methode funktioniert am genauesten bei Hölzern, die noch die sogenannte Waldkante (Übergang vom Splintholz zur Rinde) aufweisen. Bei Hölzern, die nur noch einen Teil des Splintholzes aufweisen, muss die Anzahl der Splintringe über Durchschnittswerte geschätzt werden. Wenn das Splintholz ganz fehlt, ist nur eine Angabe eines terminus post quem möglich. Methode funktioniert nur in Gegenden, in denen es Jahreszeiten gibt, nicht in den Tropen! Rinde Waldkante Splintholz Kernholz 3. Dendrochronologie 5. Mittels Crossdating (Überbrückungsmethode) wird durch Überlappungen eine charakteristische Abfolge der Muster der Jahrringe einer Baumart von der Gegenwart bis in die Vergangenheit erstellt Crossdating von Holzfunden der Stadtkernforschung in Lübeck 3. Dendrochronologie Hohenheimer Standardkurve: ununterbrochener Eichenjahrringkalender, der von heute rund 12.500 Jahre bis an das Ende der letzten Eiszeit zurückreicht https://botanik.uni-hohenheim.de/archaeo-palaeo_dendro_hoh-jahrringkalender 3. Dendrochronologie Einschränkungen: Qualität der Holzprobe bestimmt die Genauigkeit des Dendrodatums Eckstein/Wrobel in Hauptmann/Pingel (Hrsg.) 2008, Abb. 3.11 4. Radiokarbondatierung Radiokarbondatierung 1949: Methode durch Willard Tandembeschleuniger des AMS- Libby entwickelt Labors der Uni Erlangen 4. Radiokarbondatierung Prinzip: Kohlenstoff (C) kommt in 15 verschiedenen Isotopen vor: 2 davon sind stabil (12C, 13C), die anderen treten als instabile natürliche Zerfallsprodukte (14C) auf bzw. werden Entstehung künstlich erzeugt In der oberen Erdatmosphäre entsteht durch kosmische Strahlung das radioaktive Kohlenstoffisotop C14 4. Radiokarbondatierung Prinzip: Entstehung In der Atmosphäre verbindet sich das Isotop C14 mit Sauerstoff zu Kohlendioxid (CO2) und wird durch Zirkulation in der unteren Atmosphäre verteilt Ausbreitung Über die Photosynthese nehmen Pflanzen C14 auf (direkte Aufnahme) 4. Radiokarbondatierung Ausbreitung Menschen und Tieren nehmen C14 über die Nahrung auf Während der Lebenszeit nimmt ein Organismus ständig neu C14 auf, so dass sein Gehalt konstant bleibt Zerfall Mit dem Tod eines Organismus endet die http://www.14c.uni-erlangen.de/grundlagen/entstehung.html Aufnahme von C14 (Zugriff: 25.11.2014) > C14 beginnt zu zerfallen 4. Radiokarbondatierung Der radioaktive Zerfall findet mit einer Halbwertzeit von 5730 ± 40 Jahren statt > nach 5730 Jahren ist noch die Hälfte des C14 in den Überresten des Organismus vorhanden C14-Zerfallskurve: Anteil des noch erhaltenen C14 zeigt das Alter der Probe an (http://www.14c.uni-erlangen.de/grundlagen/zerfallskurve.html) 4. Radiokarbondatierung Methode 1: Konventionelle Zählrohr-Methode 1949 von Willard Frank Libby entwickelt und seinen Mitarbeitern Zu untersuchende Probe wird chemisch so aufbereitet, dass sie nur noch reinen Kohlenstoff enthält. Dieser wird anschließend zu CO2 verbrannt, welches direkt in ein Geiger-Müller-Zählrohr eingefüllt wird Zerfällt ein im CO2 enthaltener C14-Kern, ionisiert dies das im Zählrohr enthaltene Gas, was sich als elektrischer Impuls bemerkbar macht > Zahl der C14-Zerfälle in einer bestimmten Zeiteinheit wird gemessen (je mehr C14 Atome noch vorhanden sind, desto größer ist die Anzahl der Zerfälle) Vorteil: kostengünstig, kleiner Aufbau Nachteile: da C14 eine lange Halbwertszeit hat und die C14 Konzentration sehr gering ist, erfordert die Zählrohrmethode große Probenmengen (mindestens 1 g) und lange Messzeiten von Tagen und Wochen 4. Radiokarbondatierung Methode 2: AMS-Methode (Accelerator Mass Spectrometry) Entwickelt 1979; die bis heute übliche Methode Massenspektrometer bestimmt die Masse einzelner Atome oder Moleküle > Anzahl der C12-, C13- und C14-Atome wird gemessen > daraus lässt sich das Alter der Probe berechnen Vorteil: sehr genau, Proben im Milligramm- Bereich ausreichend Nachteil: verhältnismäßig teuer, große Messeinrichtung erforderlich 4. Radiokarbondatierung aa_triticum-turgidum-ssp-dicoccon_thumb Datierbar: organische Materialien, z. B. Holz Holzkohle Samen Makroreste Aunjetitzer Grab © LDA Sachsen-Anhalt Sedimente Torf Pollen Dokumente Textilien Knochen Muscheln Karbonate Wasser, das gelöstes CO2 enthält etc. 4. Radiokarbondatierung Standardfehler +/- 24 Standardabweichung 1-sigma Bereich 2-sigma Bereich 2-sigma Bereich Kalibrationskurve 1-sigma Bereich 1-sigma Bereich 2-sigma Bereich 2-sigma Bereich 4. Radiokarbondatierung Schwankungen des C14-Gehalts in der Atmosphäre: Durch Veränderung der Strahlungsintensivität der Sonne, Geomagnetismus und menschliche Aktivitäten schwankt der C14-Gehalt in der Atmosphäre diese Veränderungen müssen bei der Datierung einbezogen werden! Schwankungen des C14-Gehalts in der Atmosphäre 4. Radiokarbondatierung Fehlerquellen bei der Radiokohlenstoffdatierung : Tierische und menschliche Küstenbewohner und organische Materialien aus Seen und Meeren weisen einen anderen C14-Gehalt auf als Inlandbewohner, da der Austausch von CO2 über die Ozeandeckschicht langsamer erfolgt → sog. Reservoireffekt von ca. 400 Jahren Kontamination (Verunreinigung) der Probe durch das Grundwasser: kann karbonathaltige Mineralien aus dem umgebenden Gestein lösen und einlagern, die bei Reinigung nicht entfernt werden können → Messung zu jung („ultra-filtration“) Durch den sogenannten „Hartwassereffekt“ können ältere Kalke ohne Kohlenstoff über das Grundwasser in die Proben eingelagert werden → Messung zu alt 4. Radiokarbondatierung Fehlerquellen bei der Radiokohlenstoffdatierung: Suess- oder Industrialisierungseffekt (benannt nach dem Entdecker Hans Suess): seit der Industrialisierung im 19. Jh. wurden vermehrt fossile Brennstoffe wie Erdöl und Kohle verbrannt, die wegen ihres hohen Alters kein C14, sondern nur die nicht radioaktiven Isotope C12 und C13 enthalten → dadurch nimmt der Anteil des C14 in der Atmosphäre ab, was bei der Datierung berücksichtigt werden muss Kernwaffen-Effekt: durch den Einsatz und den Test von Atomwaffen hat sich der C14-Anteil in der Atmosphäre seit 1945 deutlich erhöht Kontamination der Probe bei der Probenentnahme und der Lagerung durch die Aufnahme von fremdem Kohlenstoff 4. Radiokarbondatierung „Wiggle Matching“ Wiggle Matching: Schwankungen (wiggles) in der Kalibrationskurve werden verwendet, um 14C-Datierungen zu präzisieren Wenn präzise Daten vorliegen, deren relative Abfolge durch unabhängige Quellen (z. B. Stratigraphie eines archäologischen Fundortes, Dendrotdaten) belegt sind, kann entschieden werden, in welchen Abschnitt der Kalibrationskurve diese Daten („schwimmende Sequenz“) aufgrund der charakteristischen Muster in der Kalibrationskurve am besten hinein passen 7. Literaturhinweise Absolute Chronologie M. Aitken, Science-Based Dating in Archaeology (London 1990). M.K.H. Eggert/S. Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie (Basel, Tübingen 2009). C. Renfrew/P. Bahn, Archaeology. Theories, Methods and Practice (6. Auflage, London 2012). G. Wagner (Hrsg.), Einführung in die Archäometrie (Berlin/Heidelberg 2007). A. Hauptmann/V. Pingel (Hrsg.), Archäometrie: Methoden und Anwendungsbeispiele naturwissenschaftlicher Verfahren in der Archäologie (Stuttgart 2008). 7. Literaturhinweise Absolute Chronologie M.K.H. Eggert, Prähistorische Archäologie. Konzepte und Methoden (Tübingen, Basel 2000). M. Trachsel, Ur- und Frühgeschichte. Quellen, Methoden, Ziele (Zürich 2008). C. Renfrew/P. Bahn, Archaeology. Theories, Methods and Practice (6. Auflage, London 2012). G. Wagner (Hrsg.), Einführung in die Archäometrie (Berlin/Heidelberg 2007). A. Hauptmann/V. Pingel (Hrsg.), Archäometrie: Methoden und Anwendungsbeispiele naturwissenschaftlicher Verfahren in der Archäologie (Stuttgart 2008). E. Schnepp, Archäomagnetische Datierung in Deutschland und Österreich, Archäologisches Korrespondenzblatt, 37, 313-320, 2007.