Klinische Psychologie (13. Termin) Psychotherapie PDF
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Universität Bern
2024
Tobias Krieger
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This is a lecture on clinical psychology, specifically addressing the topic of psychotherapy. It details the integration, effects, and limitations of psychotherapy, along with its specific aspects.
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Klinische Psychologie (13. Termin) Psychotherapie: Integration, Wirkung und Grenzen PD Dr. Tobias Krieger Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie 22.05.2024 Vorlesung 1 Fragen, die Sie beantworten können sollten Welche Aspekte g...
Klinische Psychologie (13. Termin) Psychotherapie: Integration, Wirkung und Grenzen PD Dr. Tobias Krieger Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie 22.05.2024 Vorlesung 1 Fragen, die Sie beantworten können sollten Welche Aspekte gehören zur Definition von Psychotherapie nach Strotzka? Was sind nach Grawe allgemeine Wirkfaktoren von Psychotherapie? Welche Arten der Therapieintegration kann man unterscheiden? Ist Psychotherapie generell wirksam? Gibt es Unterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Therapieansätze und wenn ja, bei welchen Störungsbildern? Was ist mit dem Begriff „Bona-Fide-Therapie“ gemeint? Nennen Sie Limitationen in Bezug auf die generelle Wirksamkeit von Psychotherapie. Was versteht man unter kontextuellen und spezifischen Wirkfaktoren in der Psychotherapie? Nennen Sie einige Beispiele. 2 Übersicht Psychotherapieansätze Verhaltens- Psychodynamischer Humanistischer therapeutisch- Systemischer Ansatz Ansatz Ansatz kognitiver Ansatz Störung als Ausdruck Dysfunktionale unbewusste Konflikte, Inkongruenz von dysfunktionaler Ätiologie-Konzept Lerngeschichte, Person- Verdrängungsprozesse, (Kommunikations-) Erfahrung und Umwelt-Interaktion Strukturdefizite Selbstkonzept Strukturen Wiederherstellung der Aufarbeiten von Herstellung konstruktiver Verhaltens- und intrapsychischen (Komm.-)Strukturen; Erlebenskompetenzen, Konflikten, unbewusste Förderung der Gesundheitskonzept/ Veränderung der Motive erkennen „Wo Es Entdecken und Selbstaktualisierung, Therapieziele Destabilisieren Selbstsicht und der war, soll Ich werden“, „fully functioning person“ dysfunktionaler Selbstkontrolle, Arbeit an strukturellen Strukturen (Akzeptanz, Achtsamkeit) Defiziten Therapeutische v.a. gegenwartsorientiert Gegenwart aus der v.a. gegenwartsorientiert v.a. gegenwartsorientiert Zeitperspektive Vergangenheit verstehen Klärung, Konfrontation resp. Deutung von freien Zeigen von Empathie , Übung, Verstärkerlernen, Assoziationen, Deutung, Echtheit und Konfrontation, Übertragungs- Perspektivenwechsel, Wertschätzung, Dialog Psychologische Mittel Modelllernen, Kognitive phänomenen, Instruktionen, innerer Anteile, Umstrukturierung, Beziehungserfahrungen, etc. ‚Experiencing‘ fördern, etc. Förderung psych. etc. Kompetenzen (z.B. Mentalisierung), etc. adapt. nach Perrez & Baumann 3 Psychotherapie – Definition (nach Strotzka, 1969) ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Erlebens- und Verhaltensstörungen und Leidenszuständen die in einem Konsens zwischen Patient:in und Therapeut:in für behandlungsbedürftig gehalten werden mit psychologischen Mitteln, d. h. durch Kommunikation, meist verbal, aber auch averbal in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (z.B. Symptomminimalisierung und / oder «Strukturänderung» der Persönlichkeit ) mittels lehrbarer Technik auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens in der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Beziehung notwendig 4 Viele verschiedene Therapieformen – am Beispiel der Depression Abb aus Hollon und Ponniah (2010) 5 Beispiel bei sozialer Angststörung: Manualisierte störungsspezifische KVT Psychoedukation über Teufelskreis Dysfunktionale Gedanken identifizieren und hinterfragen Konfrontation mit Aufmerksamkeitsübungen angstauslösenden Situationen ohne Sicherheitsverhalten Entspannung 6 Mittlerweile auch vermehrt Manualisierung/ Störungsorientierung in anderen Therapierichtungen 7 Unterschiede/Gemeinsamkeiten zwischen Therapieverfahren Unterschiedliche Therapierichtungen können anhand verschiedener Aspekte unterschieden werden: Wie werden psychische Störungen/Probleme/Gesundheit im Allgemeinen verstanden? Wie wird der therapeutische Prozess/die therapeutische Wirkung verstanden? Welche therapeutischen Methoden/Mittel werden angewendet? Aber gibt es auch Gemeinsamkeiten? Wieso zeigen viele Ansätze (zumindest bei einem Teil der Patient:innen) eine Wirkung? 8 è Aus Termin 6: Kognitiv-affektive Neurowissenschaft und Klinische Psychologie Wirkfaktor „Prozessuale Aktivierung“ (Grawe, 1998; 2004) Betont die Wichtigkeit der prozessualen Aktivierung von impliziten Gedächtnisinhalten bzw. der unmittelbaren emotionalen Erfahrung eines Problems in der Therapiesitzung (Gegensatz: rational/intellektuelles Erzählen ohne gefühlsmässige Beteiligung) Wird in verschiedenen Therapieformen mit teils unterschiedlichen Methoden realisiert: Verhaltenstherapie: z.B. Exposition, bei welcher sich Patienten der Angst stellen müssen und diese real erleben; Rollenspiele, in welchen Erlebnisse aktiviert und prozedural eingeübt werden Experiential Approach/Klärungsorientierte Gesprächspsychotherapie (Greenberg/Sachse/Gendlin): Vertiefen der Bearbeitungsebene (Lenken der Aufmerksamkeit der Klienten auf eigene Gefühle; Gefühle sollen im Gespräch real erlebt/gespürt werden) Psychodynamische Ansätze: Prozessuale Aktivierung von Beziehungserfahrungen (z.B. Übertragung). 9 Allgemeine Wirkfaktoren der Psychotherapie nach Grawe Grawe (1998, 2004) hat zentrale Wirkfaktoren herausgearbeitet, die therapieschulübergreifend einen Einfluss auf den Therapieerfolg haben: 1. Prozessuale Aktivierung (auch: Problemaktualisierung; s. Folie vorher) 2. Ressourcenaktivierung 3. Problembewältigung 4. (Motivationale) Klärung 5. (Gestaltung der Therapiebeziehung) 10 Wirkfaktor „Ressourcenaktivierung“ Therapeutische Arbeit knüpft an positiven Möglichkeiten, Eigenarten, Fähigkeiten und Motiven, Werten der Patient:innen an Unterstützung so gestalten, dass die Patient:innen sich in der Therapie in ihren Stärken und positiven Seiten erfahren können Potentielle Ressourcen sollen durch ein spezifisches auf die individuellen Möglichkeiten und Voraussetzungen der Patient:innen zugeschnittenes therapeutisches Angebot aktiviert und genutzt werden Nicht nur intrapersonale, sondern auch interpersonale Ressourcen Traditionell besonders ausgeprägt in humanistischen und systemischen Therapieformen 11 Wirkfaktor „Problembewältigung“ Aktive Hilfe zur Problembewältigung: Therapeut:innen sollen die Patient:innen mit geeigneten Massnahmen anleiten oder unterstützen mit einem Problem besser fertig zu werden (z.B. Selbstsicherheits-, Stressbewältigungs-, Problemlösetraining, Entspannungsverfahren). Ziel: Patient:innen sollen die reale Erfahrung machen, besser im Sinne ihrer Ziele mit der problematischen Situation umgehen zu können (Selbstwirksamkeit, Bandura, 1977). Aufbau neuer funktionaler und Abbau dysfunktionaler Mittel Vom „Nichtkönnen“ zum „Besserkönnen“ Probleme der Patient:innen werden als „Nichtanderskönnen“ gesehen, ohne dass andere Bedeutungen unterstellt werden Besonders ausgeprägt in (kognitiv-)verhaltenstherapeutischer Therapierichtung 12 Wirkfaktor „Motivationale Klärung“ Therapeut:innen unterstützen Patient:innen, sich über die Bedeutungen ihres Erlebens und Verhaltens im Hinblick auf ihre (unbewussten) Ziele und Werte klarer zu werden Explikation „impliziter Bedeutungen“ (vgl. Focusing, Verarbeitungstiefe) Ziel: Sich über sich selber klarer werden, sich selber besser annehmen können Nicht „Können“ oder „Nichtkönnen“, sondern motivationaler Aspekt wird beachtet: Warum empfindet und verhält sich die Patient:in so und nicht anders? Stärker ausgeprägt in psychodynamischen und humanistischen Therapierichtungen 13 Exkurs: Theoretische Orientierung der Therapeut:innen in der Schweiz (n = 1150; Stettler et al. 2013) Therapeutische Richtung / Methode der ersten postgradualen Weiterbildung Anzahl zusätzlicher Weiterbildungen Richtung der zusätzlichen Weiterbildung Liste mit vom BAG akkreditierten Weiterbildunsgängen: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/berufe-im-gesundheitswesen/akkreditierung-gesundheitsberufe/akkreditierung- 14 vonweiterbildungsgaengen-im-bereich-psychologieberufe/liste-akkredit-weiterbildung.html Therapieintegration Mehr und mehr Tendenz therapieschulunabhängige Therapieansätze / ein integratives Vorgehen zu entwickeln Mögliche Gründe: viele Therapieansätze zeigen eine Wirksamkeit (auch “Dodo-Verdikt“) keiner der existierenden Ansätze ist für alle Patient:innen mit den unterschiedlichsten Problemen und psychischen Störungen und in allen Situationen geeignet Trend zu mehr Kurzzeittherapien Zusammenarbeit in Kliniken von Fachpersonen mit unterschiedlichem theoretischem Hintergrund è Hauptziel der Integrationsbemühungen: Steigerung der Effektivität und Effizienz von Psychotherapie und eine Verbesserung der Anwendbarkeit im psychotherapeutischen Alltag 15 Verschiedene Arten der Therapieintegration (I) nach Norcross (2005) 1. Technischer Eklektizismus Es geht weniger um eine theoretische Integration als um die praktische Passung: „Was hilft, ist erlaubt." 2. Gemeinsame Wirkfaktoren (‚common factors‘; Kontextfaktoren) Geht davon aus, dass gewisse Kontextfaktoren mehr zum Therapieerfolg beitragen als einzelne Komponenten, z.B. Ansatz von Frank (1993): a) eine Therapiebeziehung zwischen Hilfeempfänger und sozial sanktioniertem Hilfegeber b) ein formalisiertes Behandlungsangebot im institutionellen Rahmen c) die Vermittlung eines (plausiblen) Behandlungsrationales und -vorgehens und d) die Durchführung des mit dem Rationale konsistenten Behandlungsvorgehens („therapeutische Rituale“) 16 Verschiedene Arten der Therapieintegration (II) nach Norcross (2005) 3. Theoretische Integration Versuch der Integration auf theoretischer Ebene, was die Integration von Therapietechniken nach dieser gemeinsamen Theorie nach sich zieht. è Beispiel: „Psychologische Psychotherapie“ nach Grawe (1998, 2004; s. allgemeine Wirkfaktoren) 4. Assimilative Integration Nach den Prinzipien der assimilativen Integration wird von einem bekannten Therapiesystem und seinen Techniken ausgegangen; es werden Techniken aus anderen Traditionen eingearbeitet, ohne dabei jedoch die ursprüngliche Theorie grundsätzlich zu verändern (z.B. Castonguay et al. 2005 oder auch CBASP) 17 Beispiel für theoretische Integration: Psychologische Psychotherapie nach Grawe (2004) 18 Wirksamkeit von Psychotherapie Psychotherapie wirkt! (durchschnittl. Effektstärken > 0.80, d.h. „grosser Effekt“) (z.B. Lambert, 2003) Wirkung von Psychotherapie im Vergleich zu anderen gängigen medizinischen Behandlungen Kraemer & Kuper (2006) Durchschnittliche Effektstärke (dunkelblaue Balken) und Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Therapieeffektes (hellblaue Balken) Margraf, 2018 19 Vergleich der Wirksamkeit von Kognitiver Verhaltenstherapien mit anderen »Bona fide«-Therapien = Therapieform, die von Urheber:in für wirksam gehalten wird oder als wirksame Therapie entwickelt wurde. Steht im Gegensatz zu Therapien, die als Kontroll- oder Placebobedingung entwickelt wurden und denen es an spezifischen therapeutischen Faktoren und/oder dem Glauben der Behandelnden an die Wirksamkeit mangelt. zugunsten von KVT Tolin et al. 2010 20 Auch: Beispiel für Therapievergleichsstudie bei Bulimie 5 Monate KVT (20 Sitzungen) vs. 2 Jahre Psychoanalytische Therapie (1 Sitzung/Woche) Prozentsatz der Patientinnen, die berichten, in den Dimensionales Mass für Essstörungssymptomatik letzten 28 Tagen keine Essanfälle oder Erbrechen gehabt zu haben Poulsen et al. 2014 21 Wirksamkeit von Psychotherapie - am Beispiel von Depression (Barth et al. 2013) Netzwerk-Metaanalysen ermöglichen es, mehr als zwei Therapiebedingungen oder „Interventionen“ über Studien hinweg miteinander zu vergleichen. Sie sind eine Erweiterung von konventionellen paarweisen Metaanalysen von RCTs. Vorteile (u.a.): - auch indirekte Vergleiche möglich - grössere Stichprobe für eine Fragestellung Nachteile (u.a.): - sind z.B. alle Wartelisten gleich? - s. auch Nachteile konventionelle Meta-Analyse 22 Unterschiede zwischen den Behandlungsformen (Barth et al. 2013) A2 = alle Studien B2 = Studien mit 25-50 Pat. pro Gruppe C2 = mind. 50 Pat. pro Gruppe 23 Limitationen bezüglich der Wirksamkeit von Psychotherapie Psychotherapie wirkt und viele Personen profitieren davon, jedoch sind verschiedene Limitationen zu beachten: 1. Nach wie vor hoher Prozentsatz an «Misserfolgen» 2. Stagnation der Effektivität 3. Kluft zwischen psychotherapeutischer Praxis und Psychotherapieforschung 4. Mangelnde Dissemination 5. Noch wenige Kenntnisse über Wirkmechanismen 24 Beispiel: Psychotherapie bei Depression Viele Patient:innen haben trotz einer Depression keine Behandlung resp. begeben sich nicht in Behandlung Viele Patient:innen mit einer Depression lehnen eine störungsorientierte Behandlung ab Bis zu 25% der Patient:innen brechen eine Psychotherapie vorzeitig ab Bei ca. 20-30% kein Ansprechen auf Therapie, d.h. keine messbare Veränderung in den Beschwerden Ca. 50% keine klinisch signifikante, d.h. deutliche Verbesserung PLUS unter einen bestimmten Cutoff bei der Symptomschwere (adaptiert nach Grawe, 2004) 25 1. Therapie-Misserfolge nach Therapiezeitpunkt Therapie-Nichtbeender: „Ablehner“: Patient*innen, die nach Erstgespräch (oder in D der „Probatorik“) eine angebotene Therapie nicht in Anspruch nehmen oder die kein Therapieangebot erhalten „Abbrecher“: Patient*innen, die eine begonnene Psychotherapie nicht bis zu dem anfangs vereinbarten Ende durchführen. Es kann zwischen einem von Patient*innen- oder Therapeut*innenseite initiierten Therapieabbruch unterschieden werden Therapie-Beender: „Nichtreagierer“ („nonresponder"): Patient:innen, die keinen ausreichenden Behandlungserfolg erreichen (è untersch. Möglichkeiten der Operationalisierung) „Rückfallpatient:innen“: Patient*innen, die nach der durchgeführten Therapie rückfällig werden 26 Andere Systematisierung von unerwünschten Wirkungen von Psychotherapie - Unterscheidung nach Schweregrad der unerwünschten Wirkung: - „Nicht-Ansprechen“ auf Therapie - Verschlechterung - Auftreten neuer Symptome - Unterscheidung anhand der Ursachen: - Nebenwirkungen einer angemessenen Therapie - Kunstfehlerfolgen durch unprofessionelle Ausübung einer Therapie - Schädigung durch unethisches Verhalten Hoffmann (2002) 27 2. Stagnation der Effekte Trotz intensiver Forschung und der Entwicklung neuer Psychotherapieansätze, wird eine Stagnation der Effektivität verzeichnet Die neuen Therapiemethoden (z.B. der 3. Welle) sind den traditionellen meist nicht (wesentlich) überlegen Auch: Hinweise darauf, dass Effektivität von gewissen Verfahren über die Zeit sinken könnte (z.B. Johnson & Friborg, 2015) è kann aber auch methodische Gründe haben Beck Depressions Inventar Remission 28 3. Kluft zwischen Forschung und Praxis Diese Kluft ist einerseits gekennzeichnet durch Misstrauen und der Infragestellung der Relevanz und Übertragbarkeit von Studienbefunden auf die Routinebedingungen von Seiten vieler Praktiker und andererseits dem «Vorwurf» der Forscher:innen an die Praktiker:innen, dass neue Erkenntnisse nicht in die Praxis übernommen werden. Methodisch gesehen: Die häufig hohe interne Validität von RCTs wirkt sich tatsächlich oft negativ auf die externe Validität (also die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die Praxis) aus (s. Termin «Forschungsmethoden») 29 Kluft zwischen Forschung und Praxis: In der Forschung gut belegt, in der Praxis vernachlässigt Repräsentative Befragung in der Schweiz bei 1000 Erwachsenen, die in der Vergangenheit eine Behandlung für Ängste oder Depression erhalten hatten. Margraf, 2018 30 4. Mangelnde Dissemination (‚Verbreitung‘) Wirksame Psychotherapien erreichen längst nicht alle behandlungsbedürftigen Patienten So haben z.B. 57% der Personen mit einer validierten Diagnose einer psychischen Störung in Deutschland in den vergangenen 12 Monaten keine ambulante oder stationäre Hilfe aufgrund ihrer psychischen Beschwerden in Anspruch genommen (Jacobi et al., 2014). 31 Wichtig in diesem Zusammenhang: „Neuere“ Entwicklung (angeleitete) Selbsthilfe über das Internet alternative Möglichkeit, evidenzbasierte Verfahren zu Personen mit psychischen Störungen zu bringen in Schweden oder Australien schon länger in der Routineversorgung hier lange ausschliesslich im Forschungssetting Unterschied zwischen freiverfügbaren und empirisch validierten Anwendungen Erfahrungen in der Routinepraxis werden zurzeit in Deutschland gemacht, wo seit rund 4 Jahren sog. „Digitale Gesundheitsanwendungen“ (DiGa) per Rezept von Fachpersonen verschrieben werden können 32 5. Noch wenig Kenntnisse über Wirkmechanismen Wir wissen noch erstaunlich wenig, wie und warum Psychotherapien wirken (è s. nächste Folie) In der «Psychotherapiedebatte» kommen bspw. Wampold und Kollegen (2018) bzgl. Wirkmechanismen zum Schluss, dass insb. sog. kontextuellen Faktoren (z.B. Therapiebeziehung, etc.) für die Wirksamkeit entscheidend sind und weniger die spezifischen Komponenten (wie z.B. unterschiedliche Techniken) (è s. übernächste Folie) Hier herrscht jedoch weiterer Forschungsbedarf, da diese Zusammenfassung v.a. auf korrelativen Studien basiert, welche wenig Aufschluss über die zeitliche Abfolge geben. 33 Welche Faktoren erklären, wie viel Varianz im Therapieergebnis? Interaktionen Therapeut*in 5% Behandlungs- 7% methode 8% Unerklärte Therapie- Varianz beziehung 10% 45% Patient*innenvariablen 25% Norcross, 2010 34 Kontext- und spezifische Faktoren (Wampold, z.B. 2015) Kontextfaktoren Spezifische Faktoren Kompetenz = wie Effektstärke kompetent wird eine Behandlung durchgeführt Adhärenz = wie stark orientiert sich Therapeuten (naturalistisch) Therapeuten (RCTs) Unterschiedliche Behandlungen Kompetenz Empathie Positivität Therapiebeziehung ein:e Therapeut:in Spezifische Interventionen Adhärenz Kulturelle Anpassungen Erwartungen Übereinstimmung bzgl. Zielen Echtheit am Therapiemanual Höhe der Balken = Stärke des Effektes 35 Dicke der Balken = Anzahl Studien Zusammenfassung Allgemeinen Wirkfaktoren in der Psychotherapie sind dafür verantwortlich, dass verschiedene Therapieansätze wirksam sind Es gibt verschiedene Formen der Psychotherapieintegration Psychotherapie ist generell wirksam und vielen Personen kann geholfen werden Während sich bei gewissen Störungen kaum Unterschiede zwischen unterschiedlichen Psychotherapieansätzen zeigen, ist dies z.B. bei Angststörungen nicht der Fall Bei der Betrachtung der Wirksamkeit von Psychotherapie sind verschiedene Einschränkungen zu berücksichtigen Langjährige Kontroverse über die Wichtigkeit von kontextuellen und spezifischen Faktoren; wobei eine Dichtomisierung nicht gerechtfertigt erscheint Mehr Forschung (mit neuen Methoden) ist nötig, um die Wirkungsweise besser zu verstehen 36