Erziehungspartnerschaft mit den Eltern PDF
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Dieser Artikel beschreibt die Bedeutung von Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Kita-Personal. Er betont die Wichtigkeit einer respektvollen und wertschätzenden Zusammenarbeit, welche auf gegenseitigem Verständnis und Austausch basiert. Die gemeinsame Verantwortung für die kindliche Entwicklung wird hervorgehoben.
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# Was bedeutet gelebte Erziehungspartnerschaft mit den Eltern? ## In diesem Kapitel erfahren Sie: - Was eine Erziehungspartnerschaft von der sogenannten »Eltern-arbeit« unterscheidet - Welche Grundhaltungen eine echte Partnerschaft erst möglich machen - Wie die Vielfalt der Familienformen und Lebe...
# Was bedeutet gelebte Erziehungspartnerschaft mit den Eltern? ## In diesem Kapitel erfahren Sie: - Was eine Erziehungspartnerschaft von der sogenannten »Eltern-arbeit« unterscheidet - Welche Grundhaltungen eine echte Partnerschaft erst möglich machen - Wie die Vielfalt der Familienformen und Lebenslagen den Kita-Alltag bereichern kann Sich mit den Eltern gemeinsam auf den Weg machen, sich zusammen an der Entwicklung der Kinder freuen, sich regelmäßig über Erfolge, Beobachtungen und Fragen austauschen, sich Aufgaben stellen und sie gemeinsam meistern, einander gegenseitig stärken und unterstützen - dies alles ist Erziehungspartnerschaft. Es geht um eine Zusammenarbeit, in der sich Eltern und pädagogische Fachkräfte als gleichwertige Partner in der Erziehung der Kinder erleben. Diese Art der Zusammenarbeit mit den Eltern ist in einem echten Interesse an den Familien begründet, geprägt von einem freundlichen Miteinander und gegenseitigem Respekt, und verlangt gleichzeitig hohe Professionalität. Erziehungspartnerschaft ist keine Methode, sondern eine Haltung, die gelebt und erfahren wird. Diese Haltung ist entscheidend, damit der Zugang zu den Familien gelingen und eine gegenseitige Beziehung entstehen kann. Und aus dieser Haltung heraus eröffnen sich neue und vielleicht auch ungewohnte Möglichkeiten und Wege der Zusammenarbeit mit den Familien. Während es bei der sogenannten »Elternarbeit« in früheren Zeiten vor allem darum ging, die Eltern zu informieren, ihnen etwas vorzustellen, etwas anzubieten, sie anzuregen oder einzuladen, zeichnet sich der neue Weg der Erziehungspartnerschaft dadurch aus, dass die Aktivitäten und Anregungen nicht ausschließlich von den pädagogischen Fachkräften ausgehen, sondern miteinander auf einer gemeinsamen Basis gedacht und geplant werden. Beide Partner - pädagogische Fachkräfte und Eltern - tragen gemeinsam Verantwortung für den Bildungsprozess der Kinder. Sie sorgen dafür, dass auf diese Weise die beiden Lebenswelten Kita und Familie verbunden werden und nicht nur parallel nebeneinander bestehen. ## 1.1 Erziehungspartnerschaft schafft ein sicheres Fundament für die Kinder Gelebte Erziehungspartnerschaft wirkt sich positiv auf die Entwicklung der Kinder aus. Sie erfahren, dass ihre Eltern und Erzieherinnen bzw. Erzieher ein gemeinsames Interesse an ihnen haben, und sie erleben dadurch eine Verbindung zwischen ihren beiden Lebenswelten Familie und Kita. Dies vermittelt den Kindern Sicherheit und Geborgenheit – beides grundlegende Voraussetzungen, damit sie sich in der Kindertageseinrichtung wohlfühlen können. Und nur, wenn sich die Kinder wohlfühlen, sind sie auch in der Lage, sich mit anderen Kindern ins Spiel einzubringen, sich engagiert und konzentriert neuen Lernerfahrungen zu öffnen und dadurch eigene Stärken, Interessen und Neigungen zu entwickeln. So besteht das Ziel einer guten Eingewöhnung (siehe Kapitel 2) auch nicht darin, dass es die Kinder nur immer besser aushalten, von ihren Eltern getrennt zu sein; vielmehr geht es für die Kinder darum, die Kita als Bereicherung zu erfahren. ## 1.2 Begegnung auf Augenhöhe macht echte Partnerschaft möglich Das Ziel, eine Partnerschaft mit den Eltern für eine gute Entwicklung der Kinder einzugehen, setzt voraus, dass das gesamte Kita-Team von der Sinnhaftigkeit und Wichtigkeit der Zusammenarbeit überzeugt ist. Diese Überzeugung überträgt sich dann auch motivierend auf Eltern und Kinder. Dazu gehört es, eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle willkommen fühlen. Dabei spielen der Umgang miteinander, die Einstellung und Haltung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Gestaltung von Räumen und Angeboten eine entscheidende Rolle. Die Begegnung auf Augenhöhe zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften bezieht sich im Wesentlichen auf die Art und Weise, wie beide miteinander in Kontakt sind. Eine positive Grundeinstellung den Familien gegenüber stellt die Basis für jede weitere Zusammenarbeit dar. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Eltern ein tiefes Interesse an der Entwicklung und Erziehung ihrer Kinder haben. Mütter und Väter werden so als kompetente Partner respektiert und wertgeschätzt. Aufbauend auf diesem grundlegenden Verständnis füreinander bieten sich im Austausch über die Kinder vielfältige Gelegenheiten, diese Basis weiter auszubauen. Sowohl Eltern als auch pädagogische Fachkräfte erhalten durch diesen Austausch die Chance zur Reflexion des eigenen Handelns, zur Abklärung von Fragen, zur Absicherung bei Unsicherheiten und damit auch zur persönlichen Weiterentwicklung. Der Umgang miteinander ist ressourcenorientiert, das heißt, vorhandene Stärken und Fähigkeiten stehen im Mittelpunkt - bei Kindern, Eltern und nicht zuletzt auch bei den pädagogischen Fachkräften. Auf dieser Basis kann es gelingen, sich ohne Konkurrenzdruck zu begegnen und geduldig miteinander umzugehen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen sind neben dem Interesse an den Familien weitere Einstellungen hilfreich: - Geduld und Gelassenheit mit sich selbst und den Eltern, um auch kleine Schritte als Erfolg zu bewerten - Toleranz, um Andersartigkeit anerkennen und integrieren zu können - Wertschätzung und Respekt gegenüber allen Menschen, getragen von einer positiven Grundeinstellung und Zuversicht - Vertrauen in die Selbstständigkeit auch der anderen und damit der Glaube an die Fähigkeit der Selbstwirksamkeit, das eigene Leben selbst kompetent bewältigen zu können - Offenheit und Humor, Spontaneität und Mut für neue Ideen - Reflexionsbereitschaft gegenüber dem eigenen Handeln und den Rückmeldungen anderer - Dialogbereitschaft und Freude an Begegnungen – und die Lust am gemeinsamen Lernen ## 1.3 Eltern als Experten für ihr Kind ernst nehmen Keiner kennt ein Kind besser und länger als seine Eltern. Viele Erfahrungen haben diese Beziehung bereits geprägt. Diese gemeinsame Geschichte kennenzulernen steht für die pädagogischen Fachkräfte am Anfang des gemeinsamen Weges. Wichtige Ereignisse im Leben des Kindes von Mutter oder Vater zu erfahren, nachzufragen und sich dafür zu interessieren - diese Haltung signalisiert den Eltern, als Experten für ihr Kind ernst genommen zu werden. Ihre bisherigen Erfahrungen sind die Grundlage für die Zusammenarbeit, auf denen gemeinsam aufgebaut werden kann. Eine wichtige Aufgabe der Erziehungspartnerschaft besteht darin, die beiden Lebenswelten des Kindes zu verbinden. In regelmäßig stattfindenden Entwicklungsgesprächen werden Fragen zur Betreuung, Bildung und Erziehung, die für das Kind und seine Eltern von Bedeutung sind, gemeinsam besprochen, analysiert und reflektiert. Für die pädagogischen Fachkräfte ergibt sich daraus der Auftrag, ihr pädagogisches Wissen mit den Eltern zu teilen. Sie sind aufgefordert, dieses Wissen transparent, verständlich und für die unterschiedlichen Eltern kompatibel zu machen, sodass die Familien zu einem Austausch angeregt werden. So werden sie zum Beispiel eigene Beobachtungen und Fragen zu ihrem Kind einbringen. Pädagogische Fachkräfte sollten einerseits erkennen, wann es an ihnen ist, Bildungsangebote für Eltern zu initiieren, und andererseits bereit sein, von Eltern angeregte Initiativen mit geeigneten Mitteln zu unterstützen und zu fördern (siehe Kapitel 7). Hilfreich kann dabei auch die Schaffung von geeigneten Räumlichkeiten für die Eltern sein. Sie brauchen einen Raum, den sie nutzen und den sie mitgestalten können. Dies gilt im konkreten wie im übertragenen Sinne: Ansprechende Sitzmöglichkeiten in einer schönen Atmosphäre, die dazu einlädt, sich zu informieren und auszutauschen, sind ebenso wichtig wie die Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen, sich zu treffen oder auch nur hin wieder eine Idee einzubringen. Für manche Familien mag es - zumindest zu Anfang - ungewohnt sein, sich aktiv gemeinsam mit anderen über ihr Kind auszutauschen; ein Austausch, der bereits bei der Eingewöhnung des Kindes in die Einrichtung beginnt. Eltern erfahren hier schon in den ersten Wochen, in denen sie ihr Kind begleiten, wie die Praxis im Kita-Alltag aussieht, und erhalten Anregungen, zum Beispiel ihr Kind zuhause zu beobachten und diese Beobachtungen mit einer Erzieherin auszutauschen (siehe Kapitel 2). Bei den Eltern können solche Aufgaben und Anregungen Fragen, Skepsis oder sogar Ablehnung hervorrufen. Sie brauchen Zeit, sich auf diese Art der Zusammenarbeit einzulassen und sollten darüber informiert werden, dass ein guter Kontakt zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften dem Kind hilft, sich in der neuen Umgebung besser zurecht zu finden. Auch auf diese Weise erfahren die Eltern, dass sie als »Experten für ihr Kind« anerkannt und wertgeschätzt werden. In der Begleitung und Beratung von Eltern spielt es eine wichtige Rolle, ihre pädagogische Kompetenz zu stärken und ihnen die Erfahrung der Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Das bedeutet, die Familien darin zu unterstützen, ihr Leben mit ihren Kindern selbstverantwortlich zu gestalten. ## 1.4 Familien werden vielfältiger – der Kita-Alltag auch Familie - dieser Begriff bezog sich in der Vergangenheit in aller Regel auf die sogenannte Kernfamilie mit Vater, Mutter und Kind(ern). Heute entwickeln sich immer vielfältigere Formen des familiären Zusammenlebens: die klassische Familie, alleinerziehende Mütter und Väter, Ein-Eltern-Familien, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften, Patchwork-Familien, Familien mit Migrationshintergrund, bi-kulturelle Familien, Großfamilien, Familien aus unterschiedlichen Herkunftsländern, mehrsprachige Familien, gleichgeschlechtliche Eltern, die sogenannten Regenbogenfamilien, Teenager-Eltern, Familien mit Fluchterfahrungen, Adoptiv- und Pflegefamilien etc. In der Vergangenheit waren hauptsächlich die Mütter die Hauptansprechpartnerinnen in der sogenannten Elternarbeit. Heute sind auch die Väter verstärkt in den Tageseinrichtungen anzutreffen. Sie wollen beteiligt werden – auch in pädagogischen Fragen. So ist es wichtig, immer beide Elternteile im Rahmen der Erziehungspartnerschaft anzusprechen; darüber hinaus werden in Kapitel 6 verschiedene Möglichkeiten beschrieben, die sich gerade für Väter in den Tageseinrichtungen bieten. In Kapitel 9 geht es um die Teilhabe von Kindern mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Für viele Familien ist es entlastend, dass ihr Kind am Kita-Alltag teilhaben kann unabhängig davon, ob es zum Beispiel eine geistige oder körperliche Beeinträchtigung hat. Andere Eltern sorgen sich darum, ob alle Kinder ausreichend gefördert werden, wenn viele unterschiedliche Kinder zusammen betreut werden. Wie kann es gelingen, allen Kindern gerecht zu werden? Wieder anderen Familien fällt es schwer, mit ihren Kindern in die Einrichtung zu kommen und am Kita-Alltag teilzunehmen. Oftmals scheuen sie den Kontakt, weil sie sich als »anders« empfinden: von Armut betroffen, in Trennung lebend, traumatisiert oder mit einer Behinderung bzw. einer Krankheit lebend. Für Familien, die zeitweise oder dauerhaft belastet oder benachteiligt sind, müssen individuelle Wege der Erziehungspartnerschaft gefunden werden, um sich auch an ihre Seite zu stellen (siehe Kapitel 10). Es geht darum, sie einzuladen, einen gemeinsamen Weg zu finden, sie in ihrer Erziehungskompetenz wahrzunehmen und darauf aufzubauen, sie in ihrem Selbstvertrauen zu stärken und Kinder und Eltern dabei nicht alleine zu lassen.