Vorlesung 8_Arbeitsgestaltung und Psychologie sicheren Handelns PDF
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Technische Hochschule Rosenheim
2024
Stephanie Rascher
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This document seems to be lecture notes on work design. It also provides information about workplace safety and the psychological factors affecting work efficiency. The lecture notes are from Technische Hochschule Rosenheim, which is a technical college in Germany. The lecture was provided in October 2024.
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Einführung in die Wirtschaftspsychologie (Vorlesung 2) - Arbeitsgestaltung und Psychologie sicheren Handelns - Prof. Dr. Stephanie Rascher Foto: unsplash © Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024,...
Einführung in die Wirtschaftspsychologie (Vorlesung 2) - Arbeitsgestaltung und Psychologie sicheren Handelns - Prof. Dr. Stephanie Rascher Foto: unsplash © Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 1 Rückblick Vorlesung 1 1. Definition der Wirtschaftspsychologie 2. Teildisziplinen der Wirtschaftspsychologie und ihre Abgrenzung 3. Die Geschichte der Wirtschaftspsychologie 4. Die Entwicklung des Menschenbilds innerhalb der Wirtschaftspsychologie 5. Zusammenfassung und Diskussion © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 2 Was Sie noch aus der letzten Vorlesung wissen… © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 3 Agenda Vorlesung 2 1. Begriff der Arbeitstätigkeit 2. Ziele und Strategien der Arbeitsgestaltung 3. Ansätze der Arbeitsgestaltung 4. Dienstleistung als Emotionsarbeit 5. Arbeitssicherheit 6. Förderung sicheren Handelns 7. Fehlermanagement- und Vertrauenskultur am Beispiel der Luftfahrt 8. Zusammenfassung und Diskussion © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 4 Arbeitsgestaltung © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 5 Arbeitshandeln © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 6 Beispiel Frau S., Leiterin einer Controlling-Abteilung, kommt Montag morgen ins Büro und sichtet die zu Wochenbeginn anfallenden Aufgaben: Die Mails sind abzuarbeiten, die Abstimmung mit ihrer Assistentin steht an und die Teambesprechung für den Nachmittag muss vorbereitet werden. Darüber hinaus ist noch die Quartalsabrechnung vorzubereiten, die bei der GF vorzulegen ist. Ein wichtiger Kunde hat um Rückruf gebeten und ein Mitarbeiter, an den sie die Vorbereitung der Teambesprechung delegieren wollte, hat sich krank gemeldet. Die Assistentin der GF ruft plötzlich an um mitzuteilen, dass in die Quartalsplanungen kurzfristig Änderungen einkalkuliert werden müssen. © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 7 Anforderungen unseres modernen Arbeitsalltags Welche Charakteristika des heutigen Arbeitsalltags von Beschäftigten werden aus diesem Beispiel deutlich? © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 8 Anforderungen unseres modernen Arbeitsalltags Zunehmender Teil der Arbeit läuft mental ab (Kopfarbeit) Unvorhersehbare Aufgaben Hohes Maß an Komplexität Zunehmende Beschleunigung aller Prozesse Häufige Unterbrechungen (Fragmentierung) Hohes Maß an Selbststeuerung erforderlich In Anlehnung an Dunckel & Volpert (1997) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 9 Was bedeutet Arbeitsgestaltung? Systematische Veränderung der technischen, organisatorischen und sozialen Arbeitsbedingungen. Ziel: Schaffung effizienter und produktiver Arbeitsprozesse und Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Leistungsvoraussetzung des Menschen, um Persönlichkeit und Gesundheit zu erhalten und zu entwickeln. Dunckel & Volpert (1997) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 10 Hierarchische Makrostruktur einer Tätigkeit © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 11 Anforderungen, Möglichkeiten und Probleme der Handlungsregulation © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 12 Merkmale motivations-, persönlichkeits- und lernförderlicher Aufgabengestaltung (Ulich, 2011) (1) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 13 Merkmale motivations-, persönlichkeits- und lernförderlicher Aufgabengestaltung (Ulich, 2011) (2) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 14 Unternehmensbezogene Ziele der Arbeitsgestaltung Kostenziele (Bsp.: Senkung der Material- und Arbeitskosten, des Krankenstandes, Verkürzung der Durchlaufzeiten) Organisatorische Ziele (Bsp.: Verbesserung des Informationsflusses, Erhöhung der Flexibilität und der Kundenzufriedenheit) Technische Ziele (Bsp.: Reduzierung von Störungen, Vermeidung von Schadstoffen) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 15 Grob & Haffner (1982) Motivation am Arbeitsplatz: Die Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg (1959) Bestimmte Merkmale der Arbeitsumgebung (Kontextfaktoren) rufen bei unzureichender Ausprägung Unzufriedenheit, aber nur begrenzt Arbeitszufriedenheit hervor (Bsp.: Gehalt, Sicherheit des Arbeitsplatzes). Merkmale des Arbeitsinhalts (Kontentfaktoren) führen bei günstiger Ausprägung zu Leistungsmotivation und Arbeitszufriedenheit (Bsp.: Die Tätigkeit selbst, Verantwortung, Anerkennung). © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 16 Grob & Haffner (1982) Konzepte der Arbeitsgestaltung Job Enlargement Job Enrichment Job Rotation © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 17 Grob & Haffner (1982) Job Enlargement Zur ursprünglichen Tätigkeit kommen weitere vor- oder nachgelagerte Aufgaben hinzu, die allerdings keine zusätzliche Qualifikationen erfordern. Horizontale Erweiterung von Arbeitsaufgaben Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 18 Abb.: Kauffeld (2019) Job Enrichment Der Verantwortungsbereich des Arbeitenden wird angehoben, so dass der Handlungs- und Entscheidungsspielraum erweitert und die Kompetenzentwicklung gefördert wird. höheres Ausmaß an Kontrolle und Autonomie (qualitative und nicht nur quantitative Aufgabenerweiterung) Steigerung der wahrgenommenen Verantwortung und Anerkennung, Erhöhung der Produktivität und intrinsischen Arbeitsmotivation Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 19 Job Rotation Form der Arbeitsstrukturierung, bei der die Mitarbeitenden systematisch den Arbeitsplatz oder das Aufgabenfeld wechseln. Die Tätigkeiten liegen dabei entweder auf dem gleichen Qualifikationsniveau (horizontal) oder auf unterschiedlich hohen Anforderungsniveaus (vertikal). Erweiterung des Tätigkeitsspielraums sowie der fachlichen sozialen und fachlichen Kompetenzen. Verhinderung einer einseitigen Belastung Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 20 Um welche Arbeitsgestaltungsmaßnahme handelt es sich? Abb.: Schematische Darstellung der differenziell bzw. unterschiedlich gestalteten Arbeitsplatzsysteme im Rahmen der Flachbaugruppenfertigung. (Nach Zülch & Starringer, 1984, mit freundlicher Genehmigung der Ergonomia GmbH & Co. KG) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 21 Arbeit in einem Callcenter Welche Belastungen sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Callcenter ausgesetzt? Worauf sollte hier bei der Arbeitsgestaltung besonders geachtet werden? © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 22 Dienstleistung als Emotionsarbeit am Beispiel eines Callcenters Hohe Strukturierung der Arbeitsabläufe bei geringem Handlungsspielraum Routineaufgaben mit hoher Kundenorientierung Emotionsarbeit: Erfordert das Zeigen von Emotionen, die bei Kunden positive Emotionen hervorrufen bei gleichzeitiger Regulation der eigenen Emotionen Physische Arbeitsbelastungen: Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich, Augenschmerzen, Rückenbeschwerden etc. Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 23 Beispiel einer Arbeitsgestaltungs- maßnahme im Callcenter © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 24 Literatur zur Arbeitsgestaltung Bergmann, B., & Arbeitsgemeinschaft betriebliche Weiterbildungsforschung e. V. (1996). Lernen im Prozess der Arbeit. In Kompetenzentwicklung ’99: Strukturwandel und Trends in der betrieblichen Weiterbildung (S. 153–262). Münster: Waxman. Dunckel, H., & Volpert, W. (1997). Aufgaben‐ und kriterienbezogene Gestaltung von Arbeitsstrukturen. In H. Luczak, & W. Volpert (Hrsg.), Handbuch Arbeitswissenschaft (S. 791–795). Stuttgart: Schäffer‐Poeschel. Edwards, J. R., Scully, J. A., & Brtek, M. D. (2000). The nature and outcomes of work: A replication and extension of interdisciplinary work-design research. Journal of Applied Psychology, 85, 860–868. Ulich, E. (2011). Arbeitspsychologie (7. Aufl.). Stuttgart: Schäffer‐Poeschel. Zülch, G., & Starringer, M. (1984). Differentielle Arbeitsgestaltung in Fertigungen für elektronische Flachbaugruppen. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 38(4), 211–216. © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 25 Psychologie sicheren Handelns © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 26 Was versteht man unter Arbeitssicherheit? Im Rahmen der Arbeitssicherheit beschäftigt sich mit den Gefahren und Gefährdungen in der Arbeitswelt und den Strategien, um diese abzuwenden bzw. zu bewältigen. Mangelnde Arbeitssicherheit macht sich vor allem durch Unfälle und Verletzungen der arbeitenden Personen bemerkbar. Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 27 Gefahren vs. Gefährdung Gefahren sind als Sicherheitsdefizite eines Systems bzw. Systemelements charakterisiert, wobei bestimmte unerwünschte Wirkungen eines Objekts als Gefahrenträger auf ein anderes Objekt ausgeübt werden (Bsp.: Bewegungskräfte, Strahlung, Verätzung) Gefährdung beschreibt den Sachverhalt, dass Menschen in den Einwirkungsbereich eines Gefahrenträger (z. B. die schwebende Last eines Krans) geraten. Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 28 Arbeitsunfälle mit Todesfolge © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 29 Sicherheitskritisches Verhalten Unter Sicherheitskritischem Verhalten versteht man Handeln, das Gefahren auslöst bzw. Personen gefährdet und somit zu gefährlichen Arbeitssituationen führt. Dies kann in mehr oder weniger bewusster bzw. beabsichtigter Form (riskantes, sicherheitswidriges Verhalten) oder nicht bewusster bzw. nicht beabsichtigter Form (fehlerhaftes Verhalten) geschehen. Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 30 Sicherheitskritisches Verhalten – Was meinen Sie? Welche Gründe veranlassen Menschen dazu, bewusst oder unbewusst sicherheitskritisch zu handeln und sich selbst und andere dadurch in Gefahr zu bringen? © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 31 Teneriffa, 27. März 1977 © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 32 Foto: airlive Das Flugzeugunglück auf Los Rodeos © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 33 Die 3-W einer konstruktiven Fehlermanagementkultur © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 34 Rascher (2016) Umgang mit Fehlern Nach St. Pierre und Hofinger (2020) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 35 Systemsicherheit Systemsicherheit ist eine Eigenschaft komplexer organisationaler Systeme mit hohem Gefährdungspotenzial (z. B. Kernkraftwerke). Sie ermöglicht dem System, ohne größere Zusammenbrüche unter vorgegebenen Bedingungen und mit einem Minimum unbeabsichtigten Kontrollverlustes oder Schadens für die Organisation und die Umwelt zu funktionieren. Fahlbruch & Wilpert (1999) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 36 Systemsicherheit Systemsicherheit ist eine Eigenschaft komplexer organisationaler Systeme mit hohem Gefährdungspotenzial (z. B. Kernkraftwerke). Sie ermöglicht dem System, ohne größere Zusammenbrüche unter vorgegebenen Bedingungen und mit einem Minimum unbeabsichtigten Kontrollverlustes oder Schadens für die Organisation und die Umwelt zu funktionieren. Fahlbruch & Wilpert (1999) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 37 Das Swiss Cheese Model (Reason, 1990) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 38 Sicherheitskultur Die von der Mehrheit der Organisationsmitglieder geteilten sicherheitsbezogenen Grundannahmen und Normen, die ihren Ausdruck im konkreten Umgang mit Sicherheit in allen Bereichen der Organisation finden. Sicherheitskultur ist außerdem als Gestaltungsvariable bzw. Leistung in Organisationen mit hohem Gefährdungspotenzial zu verstehen, die dazu dient, die Sicherheit des Gesamtsystem zu fördern. Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 39 Aspekte einer Sicherheitskultur Berichtssysteme für sicherheitsrelevante Vorfälle Gerechte Vertrauenskultur (Just Culture) Flexible Kultur Lernkultur Schaper (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 40 Umsetzung der Sicherheitskultur am Beispiel der zivilen Luftfahrt Non-punitive Reporting Systeme Fehler in frühen Stadien unter sicheren Bedingungen machen Fehler selbst erkennen und analysieren Crew-Resource-Management-Trainings (Kooperation, Kommunikation, Entscheidunsfindung) Kultur der „psychologischen Sicherheit“ Rascher (2019) © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 41 Literatur zur Psychologie sicheren Handelns Fahlbruch, B., & Wilpert, B. (1999). System safety – An emerging field of I/O‐psychology. In C. L. Cooper, & I. T. Robertson (Hrsg.), International review of industrial and organisational psychology 1999 (S. 55–93). Chichester: Wiley. Lehder, G., & Skiba, R. (2005). Taschenbuch Arbeitssicherheit (11. Aufl.). Berlin: Erich Schmidt. Oliver, A., Cheyne, A., Tomas, J. M., & Cox, S. (2002). The effects of organizational and individual factors on occupational accidents. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 75, 473–488. Rascher, S. (2019). Just Culture in Organisationen. Wie Piloten eine konstsruktive Fehler- und Vertrauenskultur schaffen. Springer. Reason, J. (1990). Human error. Cambridge: Cambridge University Press. Reason, J. (1997). Managing the risks of organizational accidents. Burlington: Ashgate. Wagenaar, W. A., & Groeneweg, J. (1987). Accidents at sea: Multiple causes and impossible consequences. Journal of Man‐Machine Studies, 27, 587–598. © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 42 Teste Dich – Übungsfragen zu Vorlesung 2 © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 43 Feedback Was ich von heute mitnehme… Was wir beibehalten sollten… Was ich noch brauche… © Technische Hochschule Rosenheim, 18. Oktober 2024, Seite 44