Summary

These lecture notes cover various economic topics, including historical context and models related to individual and banking systems, specifically focusing on money, credit, banks, and the classical gold standard from a macroeconomic viewpoint. The document details the topics and timeline for the semester.

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VL 9 GELD, KREDIT, BANKEN und der KLASSISCHE GOLDSTANDARD Übersicht Datum VL-Nr Themen VL CORE-Econ 21. 10. 2024 1 Was ist VWL, was ist Wirtschaftsgeschichte? Wohlstand und Resso...

VL 9 GELD, KREDIT, BANKEN und der KLASSISCHE GOLDSTANDARD Übersicht Datum VL-Nr Themen VL CORE-Econ 21. 10. 2024 1 Was ist VWL, was ist Wirtschaftsgeschichte? Wohlstand und Ressourcen 1 28. 10. 2024 2 Wissenschaftstheorie, Malthus, und Industrielle Revolution 2 04. 11.2024 3 Knappheit, Arbeit und individuelle Entscheidungen 3 11.11.2024 4 Soziale Interaktion 4 18.11.2024 5 Eigentum und Macht: Interesse und Konflikt 5 25.11.2024 6 Unternehmen, Unvollständige Verträge 6, 7 02.12.2024 7 Angebot und Nachfrage, Gleichgewicht und Schocks 8, 11 09.12.2024 8 Marktversagen und Politik, Arbeitsmärkte 9, 12, 13 16.12.2024 9 Geld, Kredit, Banken. Der Goldstandard 10 06.01.2025 10 Inflation und Geldpolitik. Die deutsche Hyperinflation 15 13.01.2025 11 Fiskalpolitik und Arbeitslosigkeit 14, 17 (a) Die Weltwirtschaftskrise und politischer Extremismus 20.01.2025 12 Das Makroökonomische Trilemma. Entwicklung vom „goldenen Zeitalter“ zur Finanzkrise 17 (b) 27.01.2025 Probeklausur mit Nachbesprechung 03.02.2025 13 Außenhandel, Zahlungsbilanz und Globalisierung 18 10.02.2025 14 Rückblick und Fragen PLAN A. Einführung B. Leihen, Verleihen, Investieren C. Das Bankensystem D. Der klassische Goldstandard A. Einführung Vorlesung heute Teil 1: Modell von individuellem Leihen, Sparen und Investitionsentscheidungen Rolle der Banken in der Ökonomie Erfolg und Versagen des Bankensystems Teil 2: Entstehung und Funktion des klassischen Goldstandards (ca 1870-1914) Teil 1: Geld, Kredit und Banken - Kontext VL 8: Einführung in die Makroökonomie Gründe für Wirtschaftspolitik: Marktversagen Arbeitsmarktgleichgewichte, Konjunktur 25 Teil 1: Kontext - Konsumglättung Haushalte machen Lebenszeitskonsumpläne basierend auf Erwartungen über die Zukunft und reagieren auf Schocks: Dauerhafte Schocks: Anpassung des langfristigen Konsums Temporäre Schocks: unveränderter langfristiger Konsum Wie genau glätten Individuen den Konsum? Wie leihen/ sparen sie? Teil 1: Geld, Kredit und Banken - Kontext Märkte für Güter und Dienstleistungen ermöglichen es den Beteiligten, in gegenseitig vorteilhafter Weise zu interagieren. In den meisten Märkten ist Geld das Tauschmittel. Wie treffen wir Entscheidungen über Leihen/ Sparen? Wie “schöpfen” Banken Geld? Wie beeinflusst das Bankensystem individuelle Konsumentscheidungen und ökonomische Ergebnisse? Was sind die Grenzen des Bankensystems? B. Leihen, Verleihen, Investieren Schlüsselkonzepte Geld = Ein Tauschmittel, das zum Erwerb von Gütern oder Dienstleistungen verwendet wird Vermögen = Wert des Besitzes (Bestandsgröße) Einkommen = Größe der Zahlungen, die in einer Periode erhalten werden (Flussgröße) Ersparnis = Einkommen, das nicht konsumiert wird Investition = Ausgaben für neu erzeugte Kapitalgüter Fluss- vs. Bestandsgrössen Peter hat ein Sparkonto mit 3200 Euro und ETFs i Wert von 1500 Euro. Er verdient im Januar 2025 500 Euro und überweist davon 200 Euro auf sein Sparkonto und kauft für 200 Euro ETFs. Flussgrössen Januar 2025? Bestandsgrössen Ende Januar 2025? Leihen: MRT Kreditaufnahme erlaubt es Individuen, ihren Konsum in die Gegenwart zu verschieben Zinsrate (r) = Der Preis für die Vorverschiebung des Konsums (1+r) = Tradeoff zwischen gegenwärtigem und zukünftigem Konsum (MRT) Leihen - Beispielrechnung Rückzahlung = Leihbetrag (L) + Zins(r) x Leihbetrag mit maximaler Rückzahlung: 100  100 = L + Lr = (1+r)L mit r=10%  L = 100/ (1,1) ≈ 91 Welches Konsumbündel wird Julia wählen? Leihen: MRS Individuen mit abnehmender Grenzrate des Konsums ziehen es vor, ihren Konsum zu glätten Ungeduld = jede Präferenz für gegenwärtigen statt zukünftigem Konsum Diese Faktoren bestimmen die Diskontrate ρ eines Individuums, welche die Entscheidung zu leihen beeinflusst Die optimale Entscheidung treffen Das Individuum nimmt an dem Punkt einen Kredit auf, wo gilt: Diskontrate = Zinsrate MRS = MRT 1+ρ = 1+r Sparentscheidung Verleihen erlaubt es Individuen, Konsum in die Zukunft zu verschieben Verleihen erweitert den Konsummöglichkeitsraum (die erreichbare Grenzlinie FF), stellt Individuen also besser (relativ zur Aufbewahrung) Sparentscheidung Optionen für Marco: Behalte Getreide und lagere es ein (Mäuse fressen 1/5) Verkaufe Getreide und lege 100$ unter die Matratze Verkaufe Getreide, finde Julia, die bereit ist für 1+r Geld von Marco zu leihen Der optimale Betrag für Verleihung ist da, wo gilt: MRS = MRT 1+ρ = 1+r Investition Noch besser: Marco investiert. Investition ist eine andere Möglichkeit, Konsum in die Zukunft zu verschieben Die Kombination von Investition und Kreditaufnahme kann den Konsum in beiden Perioden erhöhen Die individuelle Situation, z.B. Vermögen sowie heutiges oder zukünftiges Einkommen, beeinflusst die Möglichkeit, Investitionen tätigen zu können Leihen, Verleihen, Investieren - Zusammenfassung Individuen glätten ihren Konsum durch Leihen und Verleihen. Individuelle Unterschiede (Ungeduld, Vermögen, Einkommen heute bzw morgen) sind entscheidend. Das Zinsniveau hat Einfluss auf das Spar- und Leihverhalten von Individuen. In der Regel kann nur jemand, der verfügbare Mittel besitzt investieren. Dies hat Folgen für Einkommen und Vermögen in der Zukunft. Die Bilanz Eine Bilanz fasst zusammen, was ein Haushalt oder ein Unternehmen besitzt und anderen schuldet. Vermögenswerte = alles von Wert was im Besitz ist. Verbindlichkeiten = alles von Wert was geschuldet ist. Reinvermögen = Vermögenswerte - Verbindlichkeiten Bilanz und Vermögen Das Vermögen oder Reinvermögen ändert sich nicht abhängig davon ob man verleiht oder leiht. Ein Kredit fügt der Bilanz sowohl Vermögenswert als auch Verbindlichkeit hinzu : das geliehene Geld (bar) ist ein Vermögenswert die Schulden sind gleichermaßen Verbindlichkeit C. Das Bankensystem Schlüsselkonzepte Bank = ein Unternehmen, das durch Verleihen und Leihen Einkommen generiert (…) Zentralbank = die einzige Bank, die gesetzliches Zahlungsmittel kreiert (Basisgeld = Bargeld + Reserven). Giralgeld = Geld, das von kommerziellen Banken geschöpft wird, wenn diese Kredite für Unternehmen und Haushalte vergeben Geldmenge = Basisgeld + Giralgeld Das Bankensystem Leitzinssatz = Der Zinssatz auf Basisgeld, der von der Zentralbank festgesetzt wird Zinssatz der Banken= Der durchschnittliche Zinssatz, der von kommerziellen Banken für das Verleihen an Unternehmen und Haushalte verlangt wird Die Bilanz einer Bank Vermögenswerte beinhalten: Verbindlichkeiten beinhalten: Basisgeld Bankeinlagen Forderungen an andere Banken/Kunden Kredite von anderen Banken Finanzanlagen Kredite ohne Sicherheiten Eigentum der Bank z.B. Gebäude Reinvermögen = Vermögenswerte – Verbindlichkeiten = Eigenkapital Hebelverhältnis (leverage ratio) = Der Wert der Vermögenswerte geteilt durch den Anteil des Eigenkapitals an diesen Vermögenswerten (misst die Verschuldungsquote einer Bank) Geldschöpfung Die Banken schöpfen Giralgeld, wenn sie einen Kredit vergeben Aber die Bank verdient hierdurch kein Geld – es entsteht eine Verbindlichkeit. Sie verdient dadurch Geld, dass sie Zinsen nimmt; vor allem durch Fristentransformation (maturity transformation) – „kurzfristiges Leihen“ und langfristiges „Verleihen“. Aber: hierdurch entstehen Risiken! Geldschöpfung wird u.a. begrenzt durch den Mindestreservesatz Geldschöpfung: Mindestreserve  Angenommen Banken müssten eine Mindestreserve von 10% halten FIRST EUROPEAN BANK SECOND EUROPEAN BANK THIRD EUROPEAN BANK Assets Liabilities Assets Liabilities Assets Liabilities Deposits Reserves €9.00 Deposits €90.00 Reserves €8.10 Deposits €81.00 Reserves €10.00 €100.00 Loans €81.00 Loans €72.90 Loans €90.00  Original deposit € 100.00  First European lending € 90.00 [=.9 x € 100.00]  Second European lending € 81.00 [=.9 x € 90.00]  Third European lending € 72.90 [=.9 x € 81.00]  … … The Global Economy | 6-Jan-25  Gesamte Geldmenge: € 1000.00  Geldmultiplikator im Beispiel: 10 (or 1/R) 27 Barclays Bank balance sheet in 2006 (£m) ASSETS LIABILITIES 1. Cash and reserve balances at the central bank 7,345 1. Deposits 336,316 2. Wholesale repo borrowing secured with 2. Wholesale reverse repo lending 174,090 136,956 collateral 3. Loans (e.g. mortgages) 313,226 3. Unsecured borrowing 111,137 4. Fixed assets (e.g. buildings, equipment) 2,492 4. Trading portfolio liabilities 71,874 5. Trading portfolio assets 177,867 5. Derivative financial instruments 140,697 6. Derivative financial instruments 138,353 6. Other liabilities 172,417 7. Other assets 183,414 Total assets 996,787 Total liabilities 969,397 NET WORTH Equity 27,390 Memorandum item: Leverage as defined for banks 996,787/27,390 = 36.4 (!) (Total assets/Net worth) Honda Motor Company balance sheet in 2013 (¥m) ASSETS LIABILITIES 1. Current Assets 5,323,053 1. Current liabilities 4,096,685 2. Finance subsidiaries-receivables, net 2,788,135 2. Long-term debt 2,710,845 3. Investments 668,790 3. Other liabilities 1,630,085 4. Property on operating leases 1,843,132 5. Property, plant and equipment 2,399,530 6. Other assets 612,717 Total assets 13,635,357 Total liabilities 8,437,615 NET WORTH Equity 5,197,742 Memorandum item: Leverage as defined for banks: (Total assets/Net 13,635,357/5,197,742 = 2.62 worth) Memorandum item: Leverage as normally defined for non-banks 8,437,615/13,635,357= 61.9% (Total Liabilities/Total assets) [Barclay’s 2006: 97.15%] Bank Leverage 1880-2009 (UK) Quelle: David Miles et al (2012), “Optimal Bank Capital”, Economic Journal Bank Leverage 1960-2018 (UK, USA) Zins und Konsum Die Zentralbank kann Konsumverhalten durch die Setzung der Zinsrate (Leitzins) beeinflussen. Die Kosten des Leihens wirken sich darauf aus, wieviel Menschen ausgeben. Die Ausgaben der Haushalte haben Einfluss auf die Preissetzung von Unternehmen und Produktionsentscheidungen Daher kann die Zentralbank die Zinsrate dazu nutzen, Arbeitslosigkeit und Inflation zu ändern. Der Leitzins und die Wirtschaft Der Leitzins der Zentralbank hat Einfluss auf das Ausgabeniveau in einer Volkswirtschaft, weil Haushalte und Unternehmen Geld leihen um Ausgaben zu tätigen. Höherer Zinssatz → weniger Ausgaben heute Prinzipal-Agent-Problem Prinzipal-Agent Problem = Ein Interessenskonflikt zwischen Prinzipal und Agent über eine versteckte Handlung oder Eigenschaft des Agenten, welche nicht durchgesetzt oder in einem bindenen Vertrag garantiert werden kann. Beispiel: die Finanzierung eines Projektes Gläubiger tragen das Risiko, dass das verliehene Geld nicht zurückgezahlt werden wird. Durch fehlende Informationen über den Erfolg des Projektes oder die Leistung des Schuldners besteht keine Sicherheit darüber, ob das Projekt gelingt. Vermögen und Kredit Sicherheiten und Eigenkapital reduzieren diesen Interessenskonflikt. Daher kommt es bei weniger vermögenden Kreditnehmern zu Kreditrationierung (weniger attraktive Leihbedingungen oder gar kein Kredit) mit weitreichenden Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft Kreditrationierung Für diejenigen mit weniger Vermögen kann es schwieriger sein, Eigenkapital oder Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. Kreditrationierung (credit rationing) = wenn diejenigen mit weniger Vermögen…..zu ungünstigeren Bedingungen leihen müssen im Vergleich zu Vermögenden (Kreditverknappung)..oder überhaupt keinen Kredit bekommen (Kreditausschluss) Verleihen und Ungleichheit Ungleichheit kann steigen, wenn manche Menschen in der Position sind, durch Geldverleihen an andere zu verdienen. Kreditverknappung und Kreditausschluss erhöhen diese Ungleichheit: Menschen mit beschränktem Vermögen sind nicht in der Lage von den Investitionsmöglichkeiten zu profitieren, die anderen offenstehen, die mehr Vermögenswerte besitzen. Banken: Versagen und Erfolg Geld und Kredit sind nützlich für Austausch und Innovation. Das Bankensystem hilft dabei, diese Vorteile in die Gesellschaft zu tragen. Allerdings können Kreditmärkte auch zusammenbrechen: Kreditbeschränkung: Kreditnehmer ohne Sicherheit oder Eigenkapital sind häufig vom Kreditmarkt ausgeschlossen (Lösungen: Mikrokredite, Kreditgenossenschaften, etc.) Negative externe Effekte: Bankeigentümer tragen nicht das volle Risiko einer Pleite (manche Kosten tragen andere Banken oder die Gesellschaft, zB “too big to fail”-Problem), was zu übermäßiger Aufnahme von Risiko führen kann ( leverage steigt, zB US vor 2008) 20 Min. Pause D. Der Goldstandard Teil 2: Der Goldstandard - Kontext Ausbreitung der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, u.a. durch Technologiediffusion (VL 2), sinkende Handelskosten und Angleichung von Institutionen Wichtige Rahmenbedingung für Internationalisierung von Märkten (Güter- und Kreditmärkte): Stabilität von Zinsen und Geldwerten (und damit auch Wechselkursen) über Grenzen hinweg Der klassische Goldstandard sicherte beides und förderte die „Erste Globalisierung“ (ca 1870-1914) Warum Gold? Warum Gold? Eliminiere alle Elemente die kein Gas sind, nicht korrodieren, nicht spontan explodieren und nicht giftig für Menschen sind: Warum Gold? Der Goldstandard Der Goldstandard war ein System von Währungen mit drei zentralen Charakteristika 1. Jede Währung ist zu einem bestimmten Verhältnis (Goldparität) frei in Gold konvertierbar 2. Der internationale Handel mit Gold ist frei 3. Geldmenge muss durch Goldreserven der Zentralbank gedeckt sein  Der Tauschwert von zwei Währungen (Wechselkurs, WK), die beide Teil des GS waren, war über ihre Goldparität bestimmt Geldmenge und Goldreserven Ein bestimmter Anteil der Geldmenge musste durch Goldreserven der Zentralbank gedeckt sein Verbindung zwischen Geldmenge und Goldreserven wurde im Zeitablauf immer schwächer 1) Gold (bzw Silber-)-Münzstandard (vor 1695) 2) Klassischer Goldstandard (ca. 1870-1914) 3) Gold-Währungsstandard (Gold-exchange standard, ca. 1922-31) 4) System von Bretton-Woods (ca. 1958-1971) Der Goldstandard Wechselkurse (WK) konnten innerhalb der sog. „Gold Points“ schwanken: bestimmt durch Kosten (Zeit, Transport, Versicherung, etc.), die mit dem Umtausch der einen Währung in Gold, dem Transport des Goldes, und dem Rücktausch in die andere Währung verbunden waren (umfangreiche Literatur, die diese „Gold-Points“ geschätzt hat) GS ähnelt einem System von fixen Wechselkursen mit „target zones“, also politisch gesetzten Eckwerten für die Schwankung der WK Aber Bandbreite der „target zone“ war hier weitgehend technisch vorgegeben, nicht politisch gesetzt Wie konnte der GS entstehen? Gresham‘s Law (GL): Annahme: Geldsystem ist „commodity money“ System mit zwei Edelmetallen (Silber und Gold), Umtauschverhältnis der Münzen über ihren Nennwert gesetzlich fixiert Wenn das Umtauschverhältnis nicht mit dem (internationalem) Tauschverhältnis der Metalle (Metallwert) übereinstimmt – welches vor allem vom Angebot an Edelmetallen bestimmt wird – dann wird es ein „bad money“ und ein „good money“ geben: in einem Fall liegt der Metallwert unter dem Nennwert, im anderen Fall darüber Gresham‘s Law: das schlechte Geld wird das gute aus dem Markt drängen  warum? Wie konnte der GS entstehen? Gresham‘s Law (GL): Annahme: Geldsystem ist „commodity money“ System mit zwei Edelmetallen (Silber und Gold), Umtauschverhältnis der Münzen über ihren Nennwert gesetzlich fixiert Wenn das Umtauschverhältnis nicht mit dem (internationalem) Tauschverhältnis der Metalle (Metallwert) übereinstimmt – welches vor allem vom Angebot an Edelmetallen bestimmt wird – dann wird es ein „bad money“ und ein „good money“ geben: in einem Fall liegt der Metallwert unter dem Nennwert, im anderen Fall darüber Gresham‘s Law: das schlechte Geld wird das gute aus dem Markt drängen  warum?  weil man die guten Münzen einschmelzen und nur noch mit den schlechten bezahlen wird (Arbitrage) Wie konnte der GS entstehen? 1717 setzte der britische Master of the Mint einen Silberpreis für den Gold Guinea fest, der unter dem internationalen Marktpreis lag: der Nennwert des Gold Guinea lag damit über seinem Metallwert, der Nennwert der neuen Silbermünzen lag darunter Master of the Mint war damals gerade Sir Isaac Newton (mehr dazu: CR Fay, „Newton and the Gold Standard”, The Cambridge Historical Journal , 1935, Vol. 5, No. 1 (1935), pp. 109-117) GL: Die Silbermünzen verschwanden in Kürze, GB war de facto auf dem Goldstandard Legalisiert wurde dies 1819/ 21: die (private) Bank of England wurde verpflichtet ihre Banknoten in Gold zu konvertieren Die meisten anderen Staaten operierten weiterhin mit einem Bi- Metallstandard aus Silber und Gold (USA, Frankreich), oder mit Silberwährungen (Preussen, China) Wie konnte der GS entstehen? Das Silber/ Gold-Verhältnis lag sehr lange stabil bei ca 15,6: 1 Bsp. Londoner Preise für ein Gramm Gold in Gramm Silber 1800: 15,68 , 1825: 15,7, 1850: 15,7 , 1870: 15,57 Da GB ein wichtiger Handelspartner war, gab es für andere Staaten Anreize, ebenfalls zum GS überzugehen, aber es gibt Probleme: Goldfunde (u.a. Kalifornien seit 1848/49)  Einige Regierungen befürchteten, dass ein Übergang zum Goldstandard Inflation implizieren könnte  Länder wie Belgien, Schweiz, Niederlande limitierten in den 1850ern ihre Prägung von Goldmünzen ab etwa 1860 nahm die Sorge vor Inflation ab, denn es kam offenbar nicht zu Inflation (unter anderem, weil die wirtschaftliche Expansion mit der Expansion der Geldmenge Schritt hielt) Wie konnte der GS entstehen? GL galt weiter, weil die offiziellen Umtauschverhältnisse zw. Gold und Silber nur selten angepasst wurden Um den Handel zu stabilisieren und zu fördern wollten einige Regierungen ein internationales Währungssystem schaffen  1865 Gründung der Union Latine (F, B, CH, Italien) 1867 fand in Paris eine internationale Konferenz zum Währungssystem statt mit Ziel, einen gemeinsamen Standard fest zu legen; dies scheitert aber an den Bi- Metallisten 1871: deutscher Sieg über Frankreich  Kriegsentschädigung wird in Gold festgelegt: 5 Mrd. Gold-Franc (Wichtiger Unterschied zu Reparationen nach dem 1. Weltkrieg: die Franzosen haben bezahlt) Wie konnte der GS entstehen? Deutschland wollte mit den frz. Goldfrancs zugleich eine Währungsreform umsetzen  Frankreich war nach dem Krieg verpflichtet worden, deutsches Silber zu einem fixen Goldpreis zu kaufen  Silber kam auf den Markt  Silberpreis sank  GL: Tendenz in den Union Latine Ländern, dass Silber das Gold verdrängt  F entscheidet sich, die Prägung von Silbermünzen radikal zu limitieren, um den Silberpreis zu stabilisieren (um das Währungssystem zu erhalten und vor allem um den Deutschen kein Geld zu schenken); andere Länder folgten  GL wird umgedreht: jetzt verdrängt Gold das Silber und Union Latine Länder sind de factor auf einem Goldstandard Logik der Handelsnetze: je mehr Länder mit dem Goldstandard arbeiteten, desto attraktiver war es, ihn zu übernehmen: 1879 USA, 1897/99 Russland, Spanien de facto, Österreich-Ungarn fixiert Wechselkurs in Gold Nach Lopez-Cordova & Meissner (2003) Wie hat der GS funktioniert: Der Mythos Automatismus (David Hume 1752): Modell: 2 Güter (Konsumgut, Gold), 2 Länder (A, B) Goldbestand in Land A steigt: Goldüberschuss in A, Leute in A verkaufen Gold gg Konsumgut (die Leute kaufen ein)  Konsumgut in A teuer, Gold billig = Inflation in A  Leute in A kaufen Konsumgut vom Ausland B, Leute in B kaufen Gold von A  Gold von A nach B, Konsumgut von B nach A, bis Preise in A und B gleich sind  das heißt: unter dem GS wird ein Geldüberhang (zu grosse Geldmenge) durch „automatische“ Bewegung von Gold ausgeglichen, Inflation wird stark begrenzt; dafür gibt es auch gewisse Evidenz: geringe Inflation 1850-1913 Wie hat der GS funktioniert: Der Mythos Es gab auch eine institutionelle Seite: die Mitgliedschaft im GS erforderte einen langfristig ausgeglichenen Haushalt Zentralbanken (ZB), die Haushaltsdefizite decken mussten, konnten die Konvertierbarkeit nicht lange aufrechterhalten Länder, die im GS waren, signalisierten Haushaltsdisziplin Gewisse Evidenz auch dafür: bei internationalen Anleihen konnten GS- Regierungen niedrigere Zinsen anbieten, als Nicht GS-Staaten: GS als „Good Housekeeping Seal of Approval“ (Bordo & Rockoff 1996) Wie hat der GS funktioniert: Der Mythos Davon abgeleitet wurden die „rules of the game“: 1. eine Zentralbank sollte bei Goldabfluss dem Markt Liquidität entziehen (Zinsen erhöhen) und vice versa: dadurch wird der Anpassungsmechanismus beschleunigt 2. außerdem sollte sie Goldzuflüsse nicht „sterilisieren“, sondern soll dafür sorgen, dass die zusätzliche Liquidität im Markt ankommt Die Zerstörung des Mythos Nurkse (1944), Bloomfield (1959): Zentralbanken hielten sich nicht immer an diese „Regeln“ Statt bei sinkenden Goldreserven (steigendem Handelsbilanzdefizit) dem Markt Liquidität zu entziehen (und vice versa), findet Bloomfield (1959) dass ZB oft noch die Liquidität erhöhten, wenn die Goldreserven abnahmen Wie konnte das System funktionieren, wenn wir derart häufige Regelverletzungen beobachten? Gab es überhaupt ein „GS-System“? Die Rolle von Erwartungen Wir beobachten nur kurzfristige Abweichungen von den Regeln, langfristig folgten die Zentralbanken meist den Regeln Idee: die Glaubwürdigkeit einer ZB erlaubte Abweichungen und wirksame Geldpolitik innerhalb gewisser Grenzen (Bordo & Kydland 1995) 1. Gold Points: wegen Transportkosten und Tricks (Auszahlung abgenutzter Münzen mit vollem Nennwert etc.) konnte der WK innerhalb einer Bandbreite schwanken  das schaffte für die ZB Manövrierraum 2. Erwartung, dass die ZB bei Goldabfluss/ -zufluss intervenieren würde erlaubte wirksame kurzfristige Geldpolitik Die Rolle von Erwartungen– Gold Points GS funktionierte ähnlich wie ein Währungssystem mit fixen Wechselkursen (WK), die aber innerhalb bestimmter Bandbreite schwanken durften („target zone system“) Bsp. US Münzpreis für den Dollar $18,8047 per ounce of gold 9/10 (seit 1873) und GB Münzpreis für das Pfund Sterling £3, 17 s. 10,5d per ounce of gold 11/12 (seit 1717)  Münzparität von 4,8665 $/ £ Wechselkurse schwankten um diese Münzparität herum; Bandbreite bestimmt durch Kosten der Arbitrage und Erwartungen Schätzungen für „Gold Points“, zB The Economist US Gold Export bei Wechselkurs von 4,890 $/ £: tausche US-Gold gegen £ US Gold Import bei Wechselkurs von 4,827 $/ £: tausche UK-Gold gegen $ Die Rolle von Erwartungen Beispiel: Krise in Land A, ZB unterstützt expansive Politik (kauft Staatsanleihen, senkt Zinsen etc.) Mehr Geld im Markt lässt Wert der Währung in Land A sinken, ZB droht ab Erreichen der „Gold Points“ Goldreserven zu verlieren Wenn eine Intervention der ZB zur Stabilisierung der Währung antizipiert wird:  in der Nähe der Goldpoints kommt Kapital in Land A, denn ausländische Anleger kaufen die billige Währung in Erwartung der Intervention; das alleine kann die Intervention überflüssig machen innerhalb der Goldpoints war Geldpolitik also wirksam! Die Rolle von Erwartungen Auf diese Weise konnte sogar die Konvertierbarkeit der Währung in Gold zeitweilig aufgehoben werden, ohne das System zu gefährden Wenn die Aufhebung der Konvertierbarkeit (die Abweichung von der Regel) einen offenbaren Ausnahmenzustand (contingency) zum Grund hatte - etwa ein Krieg, Naturkatastrophe – gab es für den Markt keine Ursache, die Glaubwürdigkeit der ZB in Frage zu stellen  GS als „contingent rule“ (Bordo & Kydland 1995 ): man folgt ihr in normalen Zeiten; man weicht ab in Krisenzeiten, ohne die Glaubwürdigkeit der ZB zu schädigen Woher die Glaubwürdigkeit? Warum glaubten Investoren am internationalen Kapitalmarkt, dass ZB die Konvertierbarkeit verteidigen (bzw. wiederherstellen) würden? 1. Theorie: es gab noch keine ökonomische Theorie, die expansiver Geldpolitik eine positive Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung (und die Beschäftigung) zugesprochen hätte [Keynes kommt in den 1930ern] 2. Eliten/ Parlamentarier legten ihr Geld damals oft in Staatsanleihen an; zudem hatte die Arbeiterschaft vor dem Ersten Weltkrieg noch kein politisches Gewicht. Der Druck auf die ZB, neben der Geldwertstabilität auch Ziele wie Vollbeschäftigung zu verfolgen war daher deutlich geringer als heute Gute Übersicht zum Thema Gold Standard bei Lawrence Officer, “Gold Standard”. EH.Net Encyclopedia, edited by Robert Whaples. March 26, 2008. Link unter https://eh.net/encyclopedia/gold-standard/ Fazit Gold Standard Der klassische Goldstandard unterstreicht die Relevanz von Erwartungen und die Glaubwürdigkeit von Institutionen. Bi-Metallismus kann nicht funktionieren, wenn die Preise für Metalle schwanken. Gold Standard entstand weitgehend ungeplant, verbreitete sich u.a. durch Handelsnetze. Die Kopplung von Währungen an ein bestimmtes Gut (z.B. Gold) entstand in einem historischen Kontext und funktionierte für eine gewisse Zeit für gewisse Länder. VL11: warum der Goldstandard nach 1918 nicht mehr funktionierte und die Welt ins Chaos stürzte.

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