Sozialpsychologische Grundlagen von Kommunikation und Beratung - Fachhochschule Kiel PDF
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Fachhochschule Kiel
2024
Jeannette Bischkopf
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This document is a set of lecture notes on social psychology, communication and consultation, delivered in the Winter Semester of 2024/25 at the Fachhochschule Kiel. It contains various concepts and definitions, including examples and references to relevant sources.
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Sozialpsychologische Grundlagen von Kommunikation und Beratung Prof. Dr. Jeannette Bischkopf E-Mail: [email protected] Sprechstunde: nach Vereinbarung Wintersemester 2024/25 Literatur Grundlagentexte: Werth, L., Denzler, M., Mayer, J. (2020). Soziale Wahrnehmung. In: Sozialpsycho...
Sozialpsychologische Grundlagen von Kommunikation und Beratung Prof. Dr. Jeannette Bischkopf E-Mail: [email protected] Sprechstunde: nach Vereinbarung Wintersemester 2024/25 Literatur Grundlagentexte: Werth, L., Denzler, M., Mayer, J. (2020). Soziale Wahrnehmung. In: Sozialpsychologie – Das Individuum im sozialen Kontext. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53897-5_5 Werth, L., Seibt, B., Mayer, J. (2020). Vorurteile. In: Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_4, Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_6, Aggressives Verhalten. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_5, Sozialer Einfluss. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_2 , Punkt 2 "Judostrategien" Beushausen, Jürgen, 2020. Nocebo-Effekte in der Sozialen Arbeit [online]. socialnet Materialien. Bonn: socialnet, 26.02.2020 [Zugriff am: 08.11.2022]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/materialien/28993.php Schattenhofer, Karl (2020): Sehen viele mehr als einer? Teamdynamiken beim Fallverstehen in kollegialen Fallbesprechungen. In: Ader, Sabine; Christian Schrapper: Sozialpädagogische Diagnostik und Fallverstehen in der Jugendhilfe. München: Ernst Reinhardt Verlag, S. 211-220, Kap. 4.2.6 https://elibrary.utb.de/doi/epdf/10.36198/9783838553542-99-231 ▪Sozialpsychologie ▪ Psychologie ist die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten. ▪ Sozialpsychologie befasst sich mit der Frage, welchen Einfluss die tatsächliche oder vorgestellte Anwesenheit anderer auf menschliches Erleben und Verhalten hat. Soziologie Sozialpsychologie Persönlichkeitspsychologie/ Differentielle Psychologie Die Sozialpsychologie geht davon aus, dass die Situation das Verhalten Soziologie stärker prägt als die Merkmale der Person! Sozialpsychologie Persönlichkeitspsychologie/ Differentielle Psychologie Beispiele für unser Verständnis sozialer Situationen ▪ Übellaunige Bedienung im Café ▪ Eltern erscheinen nicht zum Elterngespräch ▪ Freund/in schreibt nicht sofort zurück ▪ Kind isst Suppe nicht Fundamentaler Attributionsfehler: Tendenz das eigene Verhalten und das anderer vollständig im Sinne von Persönlichkeitsmerkmalen zu erklären und die prägende Wirkung des sozialen Einflusses zu unterschätzen (Aronson, Wilson & Akert, 2014, S. 21) ▪Soziale Wahrnehmung Soziale Wahrnehmung bezeichnet den Prozess, wie Personen zu einem Eindruck und einer Beurteilung einer anderen Person kommen. Werth, 2020, S. 176 Kausalattribution bedeutet, welche Ursachen Menschen für das Verhalten anderer oder ihr eigenes sehen: Antworten auf Warum-Fragen: internale Gründe (in der Person) oder externale Gründe (in der Situation) Attribution in zwei Schritten nach Gilbert (1993) 1. spontan internal 2. Anpassung unter Einbezug situativer Faktoren (verlangt mehr Aufmerksamkeit und Anstrengung) Quelle: Barrabas, Reinhard: Kerngebiete der Psychologie. Eine Einführung an Filmbeispielen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, S. 57 ABER NUR BEI ANDEREN NICHT BEI SICH SELBST! Einschränkung des fundamentalen Attributionsfehlers Akteur-Beobachter-Divergenz: Tendenz, das Verhalten anderer in seinen Ursachen internal, das eigene aber external zu erklären (Jones und Nisbett, 1971) Quelle: Barrabas, Reinhard: Kerngebiete der Psychologie. Eine Einführung an Filmbeispielen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, S. 57 Sozialpsychologie naturwissenschaftlich sozialwissenschaftlich Verhalten einer Person („abhängige Variable") wird in einen messbaren Zusammenhang mit methodisch kontrollierten Umweltmerkmalen („unabhängige Variable") gebracht Königsweg: Experiment (Kausalhypothesen), Feldexperimente Beispiel: Konformitätsexperiment von Asch, 1951 (https://www.youtube.com/watch?v=iRh5qy09nNw) naturwissenschaftlich sozialwissenschaftlich Verhalten einer Person („abhängige europäischen Forschungstradition mit Variable") wird in einen messbaren soziologischen, handlungstheoretischen, Zusammenhang mit methodisch systemtheoretischen und kontrollierten Umweltmerkmalen psychoanalytischen Begriffen („unabhängige Variable") gebracht Königsweg: qualitative, rekonstruktive, Königsweg: Experiment biographische und interpretative (Kausalhypothesen), Feldexperimente Verfahren 1879, Leipzig - weltweit erstes Institut für experimentelle Psychologie in Leipzig 20.Jh. „Krise der Aktuelle Trends: - Wilhelm Wundt Sozialpsychologie“ u.a. implizite (1832-1920): das (Problem: Methode Einstellungs- Seelische messbar vor Inhalt, Labor vor messungen, virtuelle machen Realität) soziale Welt - 19. Jh. Industrialisierung und Massenpsychologie ▪Stereotype und Vorurteile Werth, L., Seibt, B., Mayer, J. (2020). Vorurteile. In: Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_4 Definitionen: Vorurteil, Stereotyp, Diskriminierung ▪ Ein Vorurteil lässt sich definieren als eine explizite Einstellung gegenüber Angehörigen einer Fremdgruppe, die allein auf deren Gruppenzugehörigkeit beruht. ▪ Stereotyp (kognitive Komponente): sozial geteilten Überzeugungen bezüglich der Merkmale enthalten, die eine Gruppe und ihre Mitglieder auszeichnen. ▪ Positive oder negative Bewertung (affektive Komponente): Mit Bewertung wird die positive oder negative Empfindung gegenüber Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Fremdgruppe bezeichnet. ▪ Diskriminierung (Verhaltenskomponente): ungerechtfertigt negatives oder schädliches Verhalten gegenüber Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Fremdgruppe. Werth, L., Seibt, B., Mayer, J. (2020). Vorurteile. In: Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_4 Vorurteile, welche ▪ auf der Geschlechts- oder der ethnischen Zugehörigkeit (Sexismus und Rassismus), ▪ dem Alter (Ageism) und ▪ der körperlichen Erscheinung (Appearance Prejudice) beruhen. ▪ Weitere wichtige Bereiche von Vorurteilen sind zudem Religion, Behinderung (die Diskriminierung bezüglich dieser Merkmale ist nach Art. 3, Grundgesetz, verboten) ▪ sowie sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. Werth, L., Seibt, B., Mayer, J. (2020). Vorurteile. In: Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_4 Beispiel: Vorurteile aufgrund der äußerlichen Erscheinung (Appearance Prejudice) ▪ Attraktiven Menschen werden mehr positive Eigenschaften wie Begabung, Ehrlichkeit oder auch Intelligenz zugeschrieben als unattraktiven, und sie werden insgesamt besser bzw. bevorzugt behandelt. Kinder zeigen diese Tendenzen von klein auf in vergleichbarer Weise wie Erwachsene, selbst untereinander. (Beauty-is-good-Stereotyp). ▪ bedeutsames und tendenziell zunehmendes Problem: Vorurteile gegenüber und Diskriminierung von übergewichtigen Menschen. (z.B. werden sie auf dem Arbeitsmarkt auch bei Jobs, bei denen Aussehen und Gewicht keinerlei Rolle spielen, benachteiligt. Selbst unter Kindern sind diese Vourteile bereits existent.) Werth, L., Seibt, B., Mayer, J. (2020). Vorurteile. In: Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_4 Vorurteile und ihr Ausdruck verändern sich mit der Zeit. So sind zwar Vorurteile gegenüber Homosexuellen nicht verschwunden (2016 gaben 40 % der befragten Deutschen an, es sei „ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssten“; Decker et al. 2016), sind aber in den letzten 60 Jahren stark zurückgegangen. Während noch bis 1969 in der Bundesrepublik homosexuelle Handlungen unter Strafe standen, wurde in Deutschland 2017 die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt. Werth, L., Seibt, B., Mayer, J. (2020). Vorurteile. In: Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53899-9_4 Effekte auf die soziale Interaktion, Erwartung und Verhalten ▪ Selbsterfüllende Prophezeiung: Wenn eine Person eine Erwartung davon hat, was eine andere Person ist (Amy ist dumm), beeinflusst diese das Verhalten gegenüber dieser Person (gähnen, nicht zuhören), was wiederum diese veranlasst sich so zu verhalten, wie es den Erwartungen entspricht (fühlt sich unwohl und zieht sich zurück) (Erwartung bestätigt sich) Effekte von Stereotypen auf die stereotypisierte Person ▪ Bedrohung durch Stereotype (Stereotype- Threat): die Angst von Mitgliedern einer Gruppe, ihr Verhalten könne ein Stereotyp bestätigen Bsp: Mädchen schnitten in einem Mathematiktest schlechter ab, nachdem sie geschlechtsstereotype Bilder (z. B. Puppen) ausmalten oder bearbeiteten. Neben den Naturwissenschaften ergaben sich Leistungseinbrüche durch negative Stereotype auch im Sportunterricht, was sich in einer langsameren Sprintleistung (Hermann & Rumrich, 2018) zeigte. Bei Schüler*innen mit Migrationshintergrund führte die Information, einen Test zur sprachlichen Intelligenz zu absolvieren zu schlechteren Leistungen, die jedoch nicht auftraten, wenn zuvor nur die Aufgabenentwicklung als Testanlass vermittelt wurde (Froehlich et al., 2016). Grundschüler zeigten eine schlechtere Leseleistung, wenn die Aufgaben vorab als „Lesetest“ angekündigt wurden, lasen aber genauso gut wie die Mädchen, wenn die gleichen Aufgaben ein Lernspiel darstellten (Pansu et al., 2016). Hermann, J.M. (2022). Interventionen gegen Stereotype Threat: Ein Überblick. In: Glock, S. (eds) Stereotype in der Schule II. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37262-0_7 In Anlehnung an das Stress- Modell von Lazarus und I Folkman (1984) wird unterschieden, ob die Maßnahmen an der Wahrnehmung der bedrohlichen Stereotype oder den persönlichen Ressourcen zum Umgang damit ansetzen. Taxonomie der Stereotype-Threat-Interventionen, nach Liu et al. (2021) in Hermann, J.M. (2022). Interventionen gegen Stereotype Threat: Ein Überblick. In: Glock, S. (eds) Stereotype in der Schule II. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37262-0_7 ▪ Konnten Ben-Zeev et al. (2017) auch für Studierende mit Migrationshintergrund feststellen, die durch die Aufklärung über Stereotype Threat ihre Schlussfolgerungsfähigkeit und Noten im Studium verbessern sowie die Sorge, negative Stereotype zu bestätigen, reduzieren konnten. ▪ Identifikation mit der Domäne als auch dem eigenen Geschlecht sowie der Herkunft und Ethnie: wichtige Moderatoren des Stereotype Threat ▪ ABER: wichtig zu beachten, negative Stereotype nicht ungewollt implizit zu aktivieren. Inwiefern Interventionen gegen Stereotype Threat dabei dann sensible Gruppenkategorien wie „Geschlecht“, „Herkunft“ oder „Ethnie“ thematisieren, sollte daher immer kritisch reflektiert werden. in Hermann, J.M. (2022). Interventionen gegen Stereotype Threat: Ein Überblick. In: Glock, S. (eds) Stereotype in der Schule II. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658- 37262-0_7 Wie können Vorurteile reduziert werden? Kontakthypothese n. Allport, 1954 „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Schaffung von positiven Kontaktmöglichkeiten derzeit die einzige in der Psychologie gut erforschte Interventionsstrategie ist, die individuelle Einstellungen verändern kann und negative Vorurteile und Stereotype überwindbar werden lässt. Allerdings wird auch deutlich, dass Kontakt kein einfaches Interventionsrezept bietet, sondern systemischer und struktureller Bedingungen bedarf, die im Alltag eher selten gegeben sind.“ (Degner 2022, S. 241) Degner, J. (2022). Vorurteile: haben immer nur die anderen. Springer Wie können Vorurteile reduziert werden? „Besonders positiv wirkt Kontakt, wenn er ▪ die Zusammenarbeit an gemeinsamen Zielen beinhaltet, ▪ auf gleicher Augenhöhe stattfindet ▪ und von Institutionen unterstützt wird.“ https://de.in-mind.org/article/die-kontakthypothese-wie-kontakt- vorurteile-reduzieren-und-die-integration-gefluechteter Lesetipps: ▪ Gladwell, Malcom (2020): Talking to Strangers. Penguin. (Dt. Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden.) ▪ Hermann, J.M. (2022). Interventionen gegen Stereotype Threat: Ein Überblick. In: Glock, S. (eds) Stereotype in der Schule II. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37262-0_7 ▪ Petersen, L.-E. & Six, B. (2020). Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Weinheim, Basel: Beltz. ▪ Zick A. (2017) Sozialpsychologische Diskriminierungsforschung. In: Scherr A., El-Mafaalani A., Yüksel G. (eds) Handbuch Diskriminierung. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10976-9_4 ▪ https://de.in-mind.org/article/von-umweltrassismus-zu- klimagerechtigkeit-wann-setzen-sich-menschen-gegen-globale