Summary

This document discusses the governance of the German school system from a theoretical perspective. It examines the various actors, both governmental and non-governmental, who influence education at different levels, from national to local. The document highlights Germany's federal structure and the distribution of responsibilities among the federal government, states, and municipalities. It also examines the concept of "soft governance" as a way to manage complex interests in the education sector.

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Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche (nicht) staatlichen Akteure 4 nehmen auf den verschiedenen Ebenen des Schulsystems bis zur Einzelschule als Organisation Einfluss? In den vorherigen Kapiteln wurden bislang drei thematische Blöcke behandel...

Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche (nicht) staatlichen Akteure 4 nehmen auf den verschiedenen Ebenen des Schulsystems bis zur Einzelschule als Organisation Einfluss? In den vorherigen Kapiteln wurden bislang drei thematische Blöcke behandelt: 1. In historischer Perspektive wurde die Entstehung und Etablierung des deut- schen Schulsystems im 19. und 20. Jahrhundert skizziert, 2. um daran anschließend den Blick auf das gegenwärtige System zu lenken. Zentral dabei waren die Beschäftigung mit dem Aufbau des Bildungswesens und – im daran anschließenden Kapitel – 3. mit den Folgen des Bildungsexpansions-Prozesses und der ungleichen Teil- habe an Bildung und ihrem individuellen und gesellschaftlichen Ertrag. Mit diesem Kapitel wird nun ein weiterer Perspektivwechsel vorgenommen, der sich mit der Frage beschäftigt, wie das deutsche Schulsystem, in dem man z. B. als Lehrkraft tätig ist, gesteuert wird, um einen Überblick zu gewinnen, welche Akteure in welcher Art und Weise über die verschiedenen Ebenen des Schul- systems bis in die einzelne Schule hinein koordinierend, verwaltend und ent- wickelnd auf Bildung und Erziehung Einfluss nehmen. Die Betrachtung erfolgt zum einen auf der Ebene des Bildungssystems, indem die Zuständigkeiten und die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen einschließlich ihrer wechselseitigen Koordinierung (hier insbesondere zwischen den Ländern über die Kultusministerkonferenz) und die Rolle von Schulaufsicht in diesem Zusammenhang dargestellt werden (Abschn. 4.1). Daran anschließend wird ein Blick auf weitere Akteure im Schulsystem geworfen, die Anspruchsgruppen darstellen bzw. vertreten und Impulse in das System hineintragen und Einfluss nehmen (Schülervertretung, Elternverbände, Gewerk- schaften, Kirchen, Stiftungen, Privatwirtschaft, Wissenschaft) (Abschn. 4.2). © Der/die Autor(en) 2024 99 I. van Ackeren-Mindl et al., Entstehung, Struktur und Steuerung des deutschen Schulsystems, https://doi.org/10.1007/978-3-658-43348-2_4 100 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … In der Überleitung von den systemischen Strukturen und institutionellen Akteuren hin zur Einzelschule wird das Verhältnis von Schulsystem und Einzelschule im Kontext einer stärker wirkungsorientierten Steuerung bei zugleich teils erweiterten Handlungsspiel- räumen von Schule beleuchtet (Abschn. 4.3). Veränderte Steuerung von Schule lässt sich auch über gängige Qualitäts- modelle von Schule abbilden, anhand derer gezeigt wird, welche Qualitäts- dimensionen derzeit besonders im Vordergrund stehen (Abschn. 4.4). Schließlich wird auf der unteren Ebene des Mehrebenensystems Schule gefragt, wie die Einzelschule als lernende Organisation ihr Handeln im Kontext dieser zuvor skizzierten Rahmenbedingungen koordiniert (Abschn. 4.5). Wenn in diesem Kapitel von Steuerung gesprochen wird, dann liegen dieser Perspektive keine einfachen, linear-hierarchischen, top down-Planungs- und Steuerungsannahmen mittels Regularien, Vorschriften und Gesetzen im Sinne einer Rationalitätslogik und Planbarkeit zugrunde. Es gibt keinen Masterplan zur Veränderung, in dem nur einzelne Vorschriften genügend ausgearbeitet und von den Schulen entsprechend befolgt werden müssen, um Qualität und Vergleichbar- keit hinreichend zu sichern. ► Steuerung im Bildungssystem bezieht sich immer auf komplexe Konstella­ tionsgefüge, die ebenso Steuerungsversuche und nicht-intendierte Steue­ rungswirkungen umfassen. Steuerung heißt folglich nicht, dass Prozesse gleichsam automatisch und ohne in- dividuelle und soziale Vermittlungsschritte abliefen. Steuern heißt aber doch, dass intentional die Beliebigkeit von Folgehandlungen eingeschränkt wird und Leit- planken gesetzt werden. Neben dem Steuerungsbegriff findet sich national wie international auch das Konzept der Education(al) Governance; der Begriff wird nachfolgend auch an ei- nigen Stellen verwendet. ► Dabei meint Governance die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. 4.1 Steuerung des Schulsystems … 101 Eine zentrale These dabei lautet, dass der Staat im Sinne eines effektiveren Han- delns gezielt neue Wege der „soft governance“ sucht (Hudson 2007, S. 268), indem unterschiedliche, kontroverse Interessen ausgeglichen werden und ko- operatives Handeln initiiert wird (was grundsätzlich auch an Grenzen stoßen kann, wenn es tiefgreifenden Dissens gibt, der auf Wertekonflikten beruht, z. B. bei der Rolle von Religion oder von Sexualbildung in der Schule als Dissens zwi- schen Glaubensgemeinschaften oder Erziehungsberechtigten und Schule). Mit dem Governance-Ansatz wird das Konzept vergleichsweise einfacher Steuerungsannahmen, die sich als alleinige Perspektive nicht bewährt haben, folg- lich ausgeweitet. Komplexere Konstellationsgefüge, die ebenso Steuerungsversuche, aber auch nicht intendierte Steuerungswirkungen umfassen, werden aus wissen- schaftlicher Sicht beschrieben (vgl. z. B. Altrichter et al. 2007). Das Gesamtsystem Schule wird mit seiner Struktur über mehrere Ebenen mit jeweils eigenen Be- dingungen und Rationalitäten des Handelns analysiert. Diese jeweils eigenen Hand- lungslogiken der verschiedenen Akteure dieser Ebenen lassen zudem erwarten, dass sie eher unabhängig und lose gekoppelt (Weick 2009) voneinander agieren. Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, wie Deutschlands Schulsystem(e) und die Schulen) grundsätzlich im Mehrebenensystem gesteuert werden und wel- che Akteure dabei Einfluss nehmen. 4.1 Steuerung des Schulsystems: Im föderalen Staat sind die Zuständigkeiten auf Bund, Länder und Kommunen verteilt Die Herausbildung und die aktuelle Entwicklung des deutschen Schulsystems waren und sind geprägt von der Kulturhoheit der Länder. Mit diesem Begriff ist die Zuständigkeit der Bundesländer (im Folgenden teils auch nur als Länder be- zeichnet) für alle Fragen der Kulturpolitik und weite Teile des Bildungswesens (wie etwa auch im Bereich der inneren Sicherheit/Polizei) umschrieben, die als Kern- stück der Eigenstaatlichkeit der Länder bezeichnet wird. ► Bildungsverwaltung (auch: Bildungsadministration), sowohl als Orga- nisation, als auch als Tätigkeit des Staates, umfasst „alle schulbezogenen verwaltenden Tätigkeiten von Behörden und Einrichtungen außerhalb der Schulen, die nicht Bildungs- und Erziehungsarbeit im direkten Kontakt mit Schülerinnen und Schülern darstellen“ (Bogumil et al. 2016, S.5). Dabei werden bildungspolitische Reformideen und Programme in mittel- und langfristige Ordnungs- und Regelungsstrukturen übersetzt (van Ackeren und 102 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Klein 2020), z.B. die Einführung zentraler Abschlussprüfungen, die Verkürzung bzw. wieder eingeführte Verlängerung der Schulzeit, Unterstützungsprogramme für Schulen in sozialräumlich benachteiligten Lagen, Strukturprogramme zur Stärkung von Digitalisierung im Bildungsbereich, die Einführung neuer Lehr-/ Bildungspläne etc.; all dies muss durch administratives Handeln mit ent- sprechenden Regelungsmechanismen und Kommunikation in die Strukturen des Schulsystems gebracht werden. Der föderalen Grundnorm – gegenüber einem zentralistischen System, z. B. in Frankreich – folgend gilt in Deutschland (Artikel 30): „Die Ausübung der staat- lichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Län- der, soweit dieses Grundgesetz keine anderen Regelungen trifft oder zulässt.“ Von der Bundesebene betrachtet gibt es folglich eine dezentrale Steuerungs- struktur, die jedoch auf der Ebene der Länder durch entsprechende landesgesetz- liche Regelungen stärker zentralisierende Muster aufweist (van Ackeren und Klein 2020). Im Bundesstaat hat der Föderalismus die Aufgabe, Demokratie und Pluralismus zu stärken und vor dem Hintergrund der deut- schen Geschichte Machtanhäufung zu verhindern, politische Willensbildung und Partizipation auf mehreren Ebenen zu ermög- lichen bzw. zu erleichtern, Probleme auf Länderebene zu lösen, aber auch durch Wettbewerb unter- einander die besten Lösungsansätze zu finden: „Im Bemühen um die Ent- wicklung der jeweils besten Lösung leistet der Bildungsföderalismus einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Qualität des Bildungssystems“ (Kultusministerkonferenz 2020, S. 5). In der Abkehr vom nationalsozialistischen Zentralstaat war die föderale Struk- tur bei der Ausarbeitung und Verabschiedung des Grundgesetztes so wichtig, dass man in Artikel 79 aufnahm (sogenannte Ewigkeitsklausel): „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Arti- keln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ Exkurs: Kulturhoheit in historischer Perspektive Die Kulturhoheit der Länder ist nicht erst eine Besonderheit der nach dem Zweiten Weltkrieg begründeten Bundesrepublik Deutschland; sie ist viel- mehr eng verbunden mit der Herausbildung eines deutschen National- 4.1 Steuerung des Schulsystems … 103 staates im 19. Jahrhundert. Schon in der ersten Verfassung des Deutschen Reiches aus dem Jahr 1871 taucht das Gebiet der Kulturpolitik unter „An- gelegenheiten“, die der Beaufsichtigung seitens des gesamten Reiches und der Gesetzgebung auf Reichsebene unterliegen, nicht auf. In Artikel 4 der Reichsverfassung, der diese „Angelegenheiten“ beschreibt, sind Kultur- fragen (und das heißt auch: Schulfragen) nicht einmal am Rande vertreten. Kulturelle Angelegenheiten lagen also schon im Kaiserreich in der Zu- ständigkeit der Reichsländer (Boldt 1987). Auch wenn dies in der Weimarer Republik nicht grundsätzlich anders war, räumte die Weimarer Verfassung dem Zentralstaat, dem Reich, grö- ßere Einwirkungsmöglichkeiten im Feld der Schulpolitik ein. Der vierte Abschnitt der Weimarer Verfassung von 1919 – mit „Bildung und Schule“ überschrieben – griff in seinen Artikeln 142 bis 150 in Bereiche ein, die die bisher bestehende Kulturhoheit der Länder tangierten. So wurde eine für das Reich einheitliche Lehrerbildung vorgeschrieben, die staatliche Schul- aufsicht wurde verankert, ebenso die allgemeine Schulpflicht. Insbesondere die Schulstruktur mit der gemeinsamen Grundschule wurde in der Reichs- verfassung festgelegt und private Vorschulen wurden aufgehoben (Boldt 1987). Trotz dieser Verfassungsbestimmungen, die der kulturellen und schulischen Entwicklung einen Rahmen setzten, blieben auch in der Wei- marer Republik die Reichsländer die eigentlichen Träger der Kultur- und Schulpolitik. Nach der Zentralisierung, die in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland im Kultur- und Bildungsbereich durchgesetzt worden war, knüpfte die Bundesrepublik Deutschland – anders als die DDR – wieder an die föderale Tradition Deutschlands an. Artikel 20 des Grundgesetzes formuliert im ersten Absatz: „Die Bundesrepublik Deutsch- land ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Aus dem Prinzip der Bundesstaatlichkeit wird abgeleitet, dass die Aufgaben des Staates zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt sind und dass beide ihre Aufgaben grundsätzlich eigenständig wahrnehmen und hierfür mit ent- sprechenden Finanzmitteln ausgestattet werden. Über die Kompetenzverteilung im Bildungsbereich wird in Deutschland immer wieder gestritten. Länderhoheit und die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse (gemäß Grundgesetz, vgl. Abschn. 4.1.2) stünden in einem Widerspruch, heißt es nicht selten. Initiativen für größere Einflussmöglichkeiten des Bundes, wofür 104 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … eine Verfassungsänderung notwendig wäre, scheiterten bislang am Widerspruch einzelner Länder. Vor diesem Hintergrund hat sich die im Folgenden skizzierte Kompetenzverteilung herausgebildet. Schon ein Blick auf die Struktur der Bildungsausgaben in Deutschland zeigt, dass sich die Kompetenzaufteilung zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen in der Ausgabenverteilung widerspiegelt. In Deutschland wurden im Jahr 2020 insgesamt 219,9 Mrd. EUR für Bildung ausgegeben. 86,5 % davon, also 190.3 Mrd. EUR, zahlten die öffentlichen Haushalte, 13,5 %, also 28,7 Mrd. EUR, leistete der private Bereich (Statistisches Bundesamt 2023a). Die Aufteilung der öffentlich getätigten Bildungsausgaben, also der ins- gesamt 190,3 Mrd. EUR, auf die drei Ebenen bildet deren Kompetenzhierarchie ab: 65,7 % dieser Bildungsausgaben kommen aus den Länderhaushalten, 21,8 % aus den kommunalen Haushalten und nur 12,4 % aus dem Bundeshaushalt. Wenn man den Blick nur auf die Ausgaben für die allgemeinbildenden und die beruf- lichen Schulen richtet, so gibt die Verteilung der Ausgabenlasten noch stärker die Kompetenzaufteilung wieder: Von den für die Schulen verausgabten Mitteln (93,4 Mrd. EUR) kamen 77,6 % aus den Ländern, 17,1 % aus den Kommunen und nur 5,1 % vom Bund (Statistisches Bundesamt 2023a, Tab. 21.711–03). Der hohe Anteil, der insbesondere im Schulwesen von den Landeshaushalten erbracht wird, erklärt sich in erster Linie aus der hohen Bedeutung, die den Kos- ten für das Personal zukommt. Nachfolgend werden die Kompetenzen auf der je- weiligen Ebenen etwas mehr beleuchtet. 4.1.1 Bundesweite Vorgaben und (begrenzte) Kompetenzen des Bundes im Schulsystem Für die aktuelle Kompetenzverteilung im Bildungsbereich gilt, dass es einige we- nige Vorgaben gibt, die die Länder in ihrer Kompetenz begrenzen; ansonsten hat der Bund hier kein Mitspracherecht. Die wichtigsten von ihnen sollen im Folgen- den benannt und knapp charakterisiert werden. Staatliche Schulaufsicht. Artikel 7 (1) GG (Grundgesetz) lautet: „Das ge- samte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Die Aufsicht – im Sinne der staatlichen Verantwortung für eine gute Bildung – zeigt sich konkret in dem Recht, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, nach deren Regelungen das Schul- wesen ausgestaltet wird. Diese Regelung, die die Länder zu beachten haben, be- zieht sich explizit (vgl. die Absätze 4 und 5 von Artikel 7 GG) auch auf die priva- ten Schulen (die in Deutschland jedoch eine vergleichsweise geringe Bedeutung haben; vgl. Abschn. 2.2.1). 4.1 Steuerung des Schulsystems … 105 Im Kommentar von Jarass und Pieroth (2014, S. 276) wird zum Begriff Schul- aufsicht, so wie er im Grundgesetz verwendet wird, ausgeführt: „Mit Schulauf- sicht sind die umfassenden Befugnisse zur Organisation, Leitung und Planung des Schulwesens gemeint. Gegenständlich umfasst sie die Festlegung der Aus- bildungsgänge und Unterrichtsziele“. In einem engeren Sinne geht es bei der Schulaufsicht um die „von den Schul- aufsichtsbehörden auszuübende Überwachung der inneren und äußeren Schul- angelegenheiten“ (Bogumil et al. 2016, S. 11), dazu weiter unten mehr. Chancengleichheit im Bildungswesen. Weiterhin ist Artikel 3(3) des Grund- gesetzes zu beachten; hier heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, sei- ner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ In dem schon herangezogenen Grundgesetz-Kommentar erläutern Jarass und Pieroth (2014, S. 550): Nicht mehr nur „formale, rechtliche Freiheit, sondern reale, in der sozialen Wirklichkeit vorhandene Freiheit wird von der Verfassung bezweckt.“ Es ist zu gewährleisten, dass Heranwachsende unabhängig von ihrer Herkunft eine gute Bildung erhalten. Konkurrierende Gesetzgebung. Neben den hier benannten Bereichen, in denen das Grundgesetz den Ländern bundesweit Vorgaben macht, erhält der Bund im Zusammenhang der Bestimmungen zur „Konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes“ (Artikel 72 und 74 GG) das Recht, vor allem hinsichtlich der Aus- bildungsbeihilfen (u. a. BAföG, Deutschlandstipendium) und der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Lehre tätig zu werden, „wenn und soweit die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundes- gesetzliche Regelung erforderlich macht“ (Artikel 72(2)GG). Exkurs: Einrichtungen der betrieblichen Berufsausbildung Es fällt in den Kompetenzbereich des Bundes, innerhalb der beruflichen Bil- dung die betriebliche Berufsausbildung zu regeln. Die jeweils betroffenen Fachministerien erlassen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entsprechende Ausbildungsordnungen. Diese werden nach Weisung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) unter Beteiligung von Vertretungen der Arbeitgeber und der Gewerkschaften 106 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … ausgearbeitet. Die Ausbildungsordnungen werden dann zwischen Bund und Ländern mit den parallel von den Ländern entwickelten Rahmenlehrplänen für den Unterricht an den Berufsschulen abgestimmt (Kultusminister- konferenz 2021a). Das einst bestehende Recht des Bundes, auf der Grundlage von Vereinbarungen mit den Ländern bei der Bildungsplanung, also auch bei der Schulplanung, mit- zuwirken (Artikel 91b GG), wurde mit der Grundgesetzänderung im Kontext der Föderalismusreform des Jahres 2006 aufgehoben. Geblieben ist dem Bund danach die Möglichkeit, mit den Ländern Vereinbarungen „zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich“ und zum Zusammenwirken bei „Berichten und Empfehlungen“ abzuschließen – also zur Fortsetzung internationaler Leistungsstudien und zur Bildungsberichterstattung (Artikel 91b GG). „Den Protagonisten der Reform ging es vor allem darum, die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern wieder stärker zu trennen, die Transparenz der politischen Entscheidungsprozesse zu erhöhen und so ins- gesamt die staatliche Handlungsfähigkeit beider Ebenen zu stärken“ (Hepp 2011, S. 114). Allerdings wird die Grundgesetzänderung von 2006 – in der öffentlichen Dis- kussion zumeist unter der Überschrift „Kooperationsverbot“ verhandelt – von Bund und Ländern immer wieder kritisch gesehen. Im Wissenschaftsbereich hat die Debatte Ende 2014 zu einer Grundgesetzänderung geführt. Die Neufassung von Artikel 91b Absatz 1 GG schafft die verfassungsrechtlichen Rahmen- bedingungen für eine erweiterte Kooperation von Bund und Ländern im Wissen- schaftskontext und damit die Möglichkeit für dauerhafte Finanzhilfen. Der Schulbereich ist davon bislang allerdings ausgenommen. Jedoch wurden die Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundes 2019 vor dem Hintergrund des „Di- gitalPakt Schule“ ein weiteres Mal durch die Einfügung des Grundgesetzartikels 104c erweitert. Dieser Artikel stellt fest: „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame In- vestitionen sowie besondere, mit diesen unmittelbar verbundene, befristete Aus- gaben der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren.“ Im Zuge des „DigitalPakt Schule“ stellt der Bund finanzielle Mittel zur Ver- fügung, mit denen die Leistungen der Länder sowie der kommunalen Schulträger 4.1 Steuerung des Schulsystems … 107 verstärkt werden. Im Gegenzug verpflichten sich die Länder, Bildung in der digi- talen Welt durch pädagogische Konzepte, Überarbeitung von Lehrplänen und An- passungen in der Erstqualifikation und Fortbildung von Lehrpersonal umzusetzen. Weiterhin tritt der Bund über das Instrument der (Ko-)Finanzierung von Bil- dung etwa als Auftraggeber von Gutachten zu Schulfragen auf, z. B. mit der von ihm initiierten einflussreichen Expertise „Zur Entwicklung nationaler Bildungs- standards“ (Klieme et al. 2003) oder der Expertise „Bildung durch Sprache und Schrift (BISS)“ (Schneider et al. 2012), auf deren Basis weitere Maßnahmen und Förderprogramme entwickelt wurden. Der Bund beteiligt sich direkt an der Finanzierung von Vorhaben und Maß- nahmen im Bildungsbereich, so etwa an der Förderung von Ganztagsschulen, am Ausbau von Kita-Plätzen, der Förderung der Lehrkräftebildung im Rahmen des Programms „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ oder aber bereits seit vielen Jahren im Rahmen des BAföG und des Deutschlandstipendiums. Seit 2015 über- nimmt der Bund die volle Finanzierung der Geldleistungen nach dem BAföG und entlastet die Länder, damit sie ihrer Finanzierungsverantwortung für Hochschulen und Schulen besser gerecht werden können. Schließlich tritt der Bund als Mitfinanzierer von Modellversuchen im Bildungswesen auf, die Entscheidungshilfen für Entwicklungen im Bildungs- system geben sollen. Zu besonders wichtigen Förderschwerpunkten der Ver- gangenheit gehörten Vorhaben zur Steigerung der Effizienz des mathematisch- naturwissenschaftlichen Unterrichts, der Einbeziehung von Medien, Informa- tions- und Kommunikationstechnologien in Lehr- und Lernprozessen sowie die Kooperation der Lernorte in der Berufsbildung (vgl. auch van Ackeren und Klein 2020; van Ackeren und Klemm 2022). 4.1.2 Kulturhoheit der Länder und innere Schulangelegenheiten als Kernaufgaben der Länder gegenüber den Kommunen Alle anderen Gegenstandsbereiche des Bildungswesens fallen in die Zuständig- keit der Länder und der Kommunen. ► Kommune bezeichnet die unterste Ebene im Staatsaufbau der Bundes- republik Deutschland und ist ein zusammenfassender Begriff für die Ge- meinden (kreisfreie Städte, kreisangehörige Städte und Gemeinden) sowie die Gemeindeverbände (z.B. Landkreise). 108 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Den Kommunen steht das Recht der kommunalen Selbstverwaltung, auch in Schulangelegenheiten, zu, was sich in der kommunalen Schulträgerschaft aus- drückt. Das Gebot der staatlichen Schulaufsicht auf Landesebene bleibt davon al- lerdings unberührt (Weiß 2011a). In Artikel 8 (3) der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, die hier exem- plarisch herangezogen werden soll, heißt es dazu: „Land und Gemeinden haben die Pflicht, Schulen zu errichten und zu fördern. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes [...]“. Ähnlich lautet der einschlägige Artikel 130 (1) der Verfassung des Freistaates Bayern: „Das gesamte Schul- und Bildungswesen steht unter der Aufsicht des Staates, er kann daran die Gemeinden beteiligen.“ Vergleichbare Bestimmungen finden sich in den Verfassungen aller Länder. Eine Herausforderung ist dabei, dass die Ressorts für Schule, für Wissen- schaft (auch im Hinblick auf die für Schule relevante Lehrkräftebildung) sowie die außerschulische Kinder- und Jugendhilfe oftmals in unterschiedlichen Minis- terien verortet sind, was Kooperation und Synergien, die z.B. im Rahmen ganz- tägiger Bildung zentral sind, erschwert. Exkurs: Aufteilung der Kompetenzen in historischer Perspektive Diese Aufteilung der Kompetenzen blickt auf eine lange Tradition zurück. Im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen, mit denen sich Preußen nach den Niederlagen gegen Napoleon zu reformieren versuchte, wurde in Preußen die Selbstverwaltung der Städte gestärkt. In der darauf zielen- den ‚Städteordnung‘ von 1808 wurde in §179 die Verwaltung der Schul- angelegenheiten, also der äußeren Angelegenheiten, zur Gemeindeaufgabe erklärt. In der Folgezeit wurde die damit verbundene Kompetenzaufteilung von den übrigen deutschen Staaten vergleichbar geregelt. Die Kommunen waren seither nicht länger bloß eine lokale staatliche Verwaltungsbehörde, sondern eine selbständig handelnde Einheit, das Mitspracherecht ihrer Bürgerschaft war damit gesichert. Ebenso findet sich in allen Ländern – sieht man von den drei Stadtstaaten mit ein- stufiger Schulaufsicht durch die Senatsbehörden ab – bezüglich des Schulbereichs eine Aufteilung der Kompetenzen zwischen dem jeweiligen Land und den ihm angehörigen Kommunen, die sich – vereinfachend – mit den Begriffen innere und äußere Schulangelegenheiten beschreiben lässt. Unter den inneren Schulangelegenheiten, für welche die Länder zuständig sind, werden alle im engeren Sinne pädagogischen Bereiche verstanden. Dazu ge- hören insbesondere 4.1 Steuerung des Schulsystems … 109 die Ziele und Inhalte des Unterrichts (Lehr-/Bildungspläne, Stundentafeln, Schulbücher, Versetzungen, Prüfungen), die Ausbildung, Einstellung, Finanzierung des lehrenden Personals sowie die strukturelle Ausgestaltung des Schulwesens (Schulformen, Schuldauer). Die Zuständigkeit der Länder – institutionell repräsentiert durch die jeweils für Schule zuständigen Ministerien (bzw. Senatsbehörden/-verwaltungen in den Stadtstaaten) – für die inneren Schulangelegenheiten bezieht sich auf die Steue- rung der eigentlichen Unterrichts- und Erziehungsarbeit; dieser Aufgabe kom- men die Länder durch rechtliche und administrative Regelungen nach. Darin wer- den Bildungs- und Erziehungsziele festgelegt, Lehrpläne erstellt, Anforderungen an die Schulabschlüsse bestimmt, Grundfragen der Schulstruktur beantwortet und die Ausbildung und Prüfung der Lehrkräfte strukturiert. Ein inhaltlicher Fokus liegt derzeit in den meisten Ländern auf landesweiten Förderprogrammen zu Stärkung von Basiskompetenzen in Mathematik und Deutsch – nicht zuletzt angesichts der Situation, dass die mittleren Leistungen in diesen Bereichen seit 2011 deutlich gesunken und zugleich die Gruppe derer ge- wachsen ist, die die Mindeststandards nicht erreichen konnten (sowohl bezogen auf die Grundschule als auch die Sekundarstufe; Stanat et al. 2019; Stanat et al. 2022). Schließlich obliegt der zuständigen Instanz auf Landesebene auch die Auswahl und Zuweisung der Lehrkräfte an die einzelnen Schulen. Einige Länder geben den Schulen die Möglichkeit, ihre Lehrkräfte selbst auszuwählen bzw. Lehrkräfte können sich ‚schulscharf‘ bewerben. Hier findet eine Verlagerung von Kompeten- zen auf die Ebene der Einzelschule statt. Dabei können die Probleme eines ins- gesamt hohen Lehrkräftemangel die schwierige Personalsituation (Mangel und Fluktuation) von Schulen in sozialräumlich benachteiligten Lagen noch einmal verschärfen, da sich Bewerberinnen und Bewerber eher für Schulen in privilegier- ter Lage entscheiden. 4.1.2.1 Unterstützungssysteme für Schulen auf Landesebene und die besondere Rolle der Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen In den Ländern gibt es verschiedene „institutionalisierte Dienste [...], die zur Verbesserung der Schulqualität beitragen sollen und deren Dienstleistungen an Schulträger, Schulverwaltungen, Lehrpersonen und Schüler gerichtet sein kön- nen“ (Arbeitsgruppe Internationale Vergleichsstudie 2007, S. 144). Sie sind meist vom für Schule und Bildung zuständigen Ministerium bzw. der Senatsverwaltung beauftragte zentrale Einrichtung für pädagogische Dienstleistungen, die sich 110 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … neben Schulleitungen und Lehrkräften an alle in und an Schule aktiven Akteure richten können. Zentrale Angebote beziehen sich beispielsweise auf Schulentwicklungsberatung, Fortbildungsangebote (etwa für Führungskräfte), schulpsychologische Beratung, die Entwicklung von (Kern-) Lehrplänen, aber auch auf schulübergreifende Vernetzungsangebote. Entsprechende Landesinstitute haben es in den vergangenen Jahren auch über- nommen (vgl. auch Kap. 5), Lernstandserhebungen bzw. Vergleichsarbeiten, zentrale Abschlussprüfungen und Externe Evaluation (Schulinspektionsverfahren) durchzuführen und auszuwerten. Teils gehören auch Landesbildungsberichte dazu (Rürup 2014). Ebenso sind vielfach auch Querschnittsthemen hier verortet, etwa zur Konzept- und Materialentwicklung zum Beispiel in den Bereichen Inklusion, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Demokratiebildung. Darüber hinaus übernehmen sie wichtige Transferaufgaben: „Die Aufgabe der Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen der Länder besteht in diesem Zusammenhang darin, Forschungswissen in Kooperation mit wissenschaft- lichen Einrichtungen adressatengerecht für die Schulen, die Bildungsadministration und die Bildungspolitik aufzubereiten und zu verbreiten. Um nachhaltig Wirkung in der Fläche erzielen zu können, bedarf es ferner besonderer Implementations- und Transferstrategien in den Ländern“ (Kultusministerkonferenz 2015, S. 14). Ihre Rolle beschreiben die Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen in einem gemeinsamen Positionspapier selbst wie folgt: „Die Institute und Einrichtungen arbeiten wissenschaftsnah, an den Unterstützungs- bedarfen vor allem der schulischen Praxis orientiert, als fachliche Beratungsinstanz für die ministerielle Steuerungsebene agierend und erzeugen über Kooperations- verbünde und Partnerschaften Synergien. Dabei fokussieren sie die Qualitätsent- wicklung und -sicherung von Schulen und auf weiteren Ebenen und in sonstigen Handlungsfeldern die Qualitätsentwicklung und -sicherung des schulischen Gesamt- systems“ (Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen der Länder 2018, S. 8). 4.1 Steuerung des Schulsystems … 111 4.1.2.2 Differenzielle Unterstützung durch sozialindex­ gesteuerte Finanzierungsmodelle von Schule Ein Steuerungsinstrument, das z.B. in Hamburg schon seit Mitte der 1990er Jahre für die Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I eingesetzt wird, aber auch zunehmend in weiteren Ländern diskutiert wird oder in jüngerer Zeit eingeführt wurde (z.B. NRW), ist der schulscharfe Sozialindex. Dieser ist ein datengestützter Kennwert, der Unterschiede in der Zusammen- setzung von Schulen aufzeigt und eine Grundlage dafür bieten soll, Ressourcen (z.B. Lehrerstellen, Sachmittel, Sprachfördermaßnahmen) zielgenauer den Schu- len zuzuweisen und Ungleichheiten durch eine differenzierte Mittelzuweisung ent- gegenzuwirken, indem Schulen an sozialräumlich benachteiligten Standorten bes- ser unterstützt werden. Dies folgt dem Prinzip, Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei können verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen, etwa auf Basis der Befragung von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern (mit Problemen bei der Teilnahmequote und potenziell möglichem strategischen Antwortverhalten) oder auf Basis amtlich vorliegender Daten, z.B. zur Kinder- und Jugendarmut (Dichte der SGBII-Quoten der Minderjährigen, die nach dem Sozialgesetzbuch II leistungsberechtigt sind), dem Anteil an Schülerinnen und Schülern mit vor- wiegend nichtdeutscher Familiensprache, Schülerinnen und Schüler mit eige- nem Zuzug aus dem Ausland sowie Schülerinnen und Schülern mit sonder- pädagogischem Förderschwerpunkt (vgl. Schräpler et al. 2016). 4.1.3 Rolle der Kommunen im Hinblick auf (vor allem) äußere Schulangelegenheiten Nach Artikels 28 Absatz 2 des Grundgesetzes muss auf kommunaler Ebene „das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Zu den äußeren Schulangelegenheiten, für welche die Kommunen als Schul- träger zuständig sind, gehören – im Vergleich zu den bereits in Abschn. 4.1.2 genannten inneren Schulangelegenheiten – insbesondere die nachfolgend in der rechten Spalte der Tab. 4.1 aufgeführten Aspekte. Trotz der Zuständigkeit der Schulträger, die in der Regel Gemeinden oder Kreise sind, müssen diese nicht alle Ressourcen dafür alleine aufbringen. Zum Ausgleich der Schulkosten zwischen Gemeinden und Land erhalten die Schul- träger aus dem Haushalt des für Schulen zuständigen Ministeriums bzw. der 112 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Tab. 4.1 Differenzierung innerer und äußerer Schulangelegenheiten © Zuständigkeit der Länder: Zuständigkeit der Kommunen: Innere Schulangelegenheiten Äußeren Schulangelegenheiten Ziele und Inhalte des Unterrichts Errichtung, Erhalt und Verwaltung von (Lehr-/Bildungspläne, Stundentafeln, Schulgebäuden und -anlagen (mit Landesbei- Schulbücher, Versetzungen, Prüfungen) hilfen), inkl. Sachausstattung Ausbildung, Einstellung (in einigen Einstellung und Finanzierung des nicht Ländern aber auch ‚schulscharf‘ über lehrenden Personals (Schulsekretariate, die Einzelschule), Finanzierung des leh- Hausverwaltung, Schulpsychologen, Schul- renden Personals sozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter, päda- gogische und sozialpädagogische Fachkräfte, Übungsleiter im Sport, weiteres Personal im Ganztag, im Kontext von Inklusion etc.) s trukturelle Ausgestaltung des Schul- kommunale Schulentwicklungsplanung mit wesens (Schulformen, Schuldauer) ihrer Vorsorge dafür, dass Schulgebäude am richtigen Standort, in der richtigen Betriebs- größe und zur richtigen Zeit zur Verfügung stehen Ausweitung der Zuständigkeiten und Kompetenzen der Kommunen auch bei inneren Schulangelegenheiten, etwa im Bereich Digitalisierung, ganztägige Bildung, der Ko- operation von Schule und Jugendhilfe etc. Senatsbehörde Erstattungen für bestimmte Aufwendungen, wie z.B. die Schüler- beförderung oder die (auch digitale) Lernmittelbereitstellung. Außerdem unterstützt das Land die Gemeinden durch einmalige Beihilfen, z.B. zu den Kosten für den Schulbau oder durch bestimmte Zuschüsse zu den lau- fenden Kosten. Auch den privaten Schulträgern werden Zuschüsse zu den Bau- kosten und zum Betrieb ihrer Schulen gezahlt. 4.1.3.1 Kommunalisierung: Erweiterung von kommunalen Kompetenzen Die Beschränkung der kommunalen Zuständigkeit auf die äußeren Schul- angelegenheiten wurde – auch unter Verweis auf internationale Beispiele – in den letzten Jahren kritisiert. So hat der Deutsche Städtetag in seiner „Aachener Er- klärung“ 2007 gefordert (und in der Münchner Erklärung von 2012 bekräftigt), im Bildungsbereich die Verantwortung der Städte, die unter Fehlentwicklungen in der Bildung ebenso wie von Erfolgen besonders betroffen sind, zu stärken. In der auf der Website des Städtetags abrufbaren Erklärung heißt es: 4.1 Steuerung des Schulsystems … 113 „Die Länder werden aufgefordert, kommunale Steuerungsmöglichkeiten ins- besondere im Schulbereich zu erweitern und die Zuständigkeiten im Bereich der in- neren und äußeren Schulangelegenheiten zugunsten der Kommunen neu zu ordnen“ (Deutscher Städtetag 2007, S. 2). Dabei geht es auch um Finanzierungsfragen, denn die Kommunen stemmen auch Aufgaben der Digitalisierung, des Ganztagsausbaus, der Schulsozialarbeit, der Integration und Inklusion. Angestrebt wird die Entwicklung vernetzter lokaler Bildungslandschaften im Rahmen einer Verantwortungsgemeinschaft von Staat und Kommunen. ► Unter dem Begriff der Kommunalisierung wird dementsprechend die Aus- weitung der Zuständigkeiten und Kompetenzen der Kommunen verstanden, mit denen sie ihren bislang auf die oben dargestellten äußeren Schul- angelegenheiten begrenzten Schulverwaltungsauftrag im Sinne eines ge- staltenden Bildungsauftrags weiterentwickeln (Weiß 2011a). Dies umfasst auch die systematische Vernetzung von schulischen und außer- schulischen (u. a. Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe) Bildungsinstitutionen und die Erarbeitung gemeinsamer Konzepte. Ausdruck dieser Entwicklung ist z. B. die Einrichtung zentraler Koordinierungsstellen in Kommunen (z. B. Bildungs- büros oder vergleichbare Einrichtungen) und die Konzeptentwicklung etwa im Bereich ganztägiger Bildung (auch vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ab 2026), bei der inklusiven Beschulung und beim Übergangs- management von der Schule in Ausbildung und Beruf entlang von Bildungsketten. Einen Rahmen dafür bot u. a. das Programm „Lernen vor Ort“ als eine ge- meinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und deutscher Stiftungen (2009 bis 2014), um ein kohärentes kommunales Bildungs- management zu entwickeln und Bildungslandschaften zu gestalten. Um die Er- gebnisse und Erfolge von „Lernen vor Ort“ in die Breite der kommunalen Bildungslandschaft zu tragen, wird seit 2013 die Initiative „Transferagenturen Kommunales Bildungsmanagement“ durch den Bund initiiert und finanziert. Exkurs: Kommunale Spitzenverbände Der Deutsche Städtetag, Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie Deut- sche Landkreistag sind kommunale Spitzenverbände, die sich auf frei- williger Basis zusammengeschlossen haben, um ihre Interessen g­ egenüber 114 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Ländern, dem Bund und auch der EU zu vertreten. Sie sind – partei- politisch neutral – beratend etwa an Gesetzgebungsverfahren beteiligt und verfügen über ein privilegiertes Anhörungsrecht in Bundesrat, Bundestag und einigen Ländern, u. a. zu Bildungsfragen (Hepp 2011). 4.1.4 Die Kultusministerkonferenz als Koordinatorin der Länderpolitiken Aus der umfassenden Zuständigkeit, die den Ländern in der Bildungspolitik zu- kommt, ergibt sich – soll die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundes- gebiet gewahrt bleiben – für die Länder eine Koordinationsaufgabe. Zur Be- wältigung dieser Aufgabe haben sie bereits 1948 mit der später so genannten „Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland“ (kurz: KMK) ein Instrument zur Abstimmung und Koordination ihrer Bildungspolitik geschaffen. Den Präsidenten bzw. die Präsidentin der KMK stellen die Länder in einer festgelegten Reihenfolge, also nicht aufgrund eines Wahlvorgangs. Die alltägliche Arbeit der KMK leistet ein Sekretariat, das von einem Generalsekretär geleitet wird. Aushandlungs- und Abstimmungsprozesse zwischen den Ländern führen im Rahmen der Kultusministerkonferenz (KMK) zu einheitlichen Grundlinien bei politischen Fragestellungen (z. B. im Bereich Inklusion, Digitalisierung, auch in ihrer Rolle für die Lehrkräftebildung, in Fragen der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen etc.; van Ackeren und Klein 2020). In der „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen“ haben die Länder die Bedeutung der Zusammenarbeit „gerade in Zeiten besonderer Heraus- forderungen“ (Kultusministerkonferenz 2020, S. 4) besonders betont. Die Beschlüsse der KMK, die durch Fachausschüsse vorbereitet werden, fal- len einstimmig, wobei jedes Land – unabhängig von seiner Einwohnerzahl eine Stimme hat. Auf diese Weise ist die Majorisierung eines Landes ausgeschlossen. Die so entstandenen KMK-Beschlüsse sind Empfehlungen der Länder; sie müssen daher in den Ländern, deren verfassungs- und verwaltungsrechtliche Zuständigkeit unberührt bleibt, in Kraft gesetzt werden – durch Rechtsver- ordnungen, Erlasse oder Verwaltungsvorschriften oder durch Gesetze (Schul- gesetz, Lehrerbildungsgesetz etc.). 4.1 Steuerung des Schulsystems … 115 Eine der, was die Schulpolitik angeht, bekanntesten dieser Empfehlungen ist die von 1972, in der die gymnasiale Oberstufe neu geordnet wurde (vgl. dazu Abschn. 1.8), aber beispielsweise auch die Vereinbarungen zu den „Standards für die Lehrerbildung“ von 2004 oder in jüngerer Zeit die „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Ver- antwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen“ von 2020. Wei- tere Vereinbarungen können unter www.kmk.org recherchiert werden. Die KMK hat 2021 eine Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultus- ministerkonferenz (SWK) als ein „unabhängiges wissenschaftliches Beratungs- gremium der Kultusministerkonferenz“ (Ständige Wissenschaftliche Kommission 2021) eingerichtet (vgl. weiterführend Abschn. 4.2.5). 4.1.5 Schulaufsicht mit operativen Kontroll-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben bei den Schulangelegenheiten Das zentrale Instrument, mit dem die Länder die im Rahmen ihrer Kompetenzen jeweils verfolgte Schulpolitik umsetzen und überwachen, ist das der Schulaufsicht. ► Schulaufsicht ist die staatliche Realisierung des bereits zitierten Ver- fassungsgebots des Artikels 7 Absatz 1 des Grundgesetzes: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Ähnliche Bestimmungen finden sich in allen Landesverfassungen (s.o.). Ein Verzicht auf Schulaufsicht ist also verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Somit kann es auch keine gänzlich autonomen Schulen geben, wohl aber zusätz- liche bzw. erweiterte Entscheidungskompetenzen der (teil)autonomen Schulen; dies stellt sich je nach Land unterschiedlich dar. Jedes der sechzehn Bundesländer verfügt über eine eigene Kultus- administration, welche aus mehreren Instanzen besteht und der die Schulaufsicht obliegt. An der Spitze der Schulaufsicht steht in jedem Fall ein Ministerium bzw. in den Stadtstaaten eine Senatsbehörde, das bzw. die zumeist neben anderen Be- reichen (z. B. Kultur, teils auch Wissenschaft, Jugend, wenn dies nicht in anderen Ressorts liegt) für die Schulen zuständig ist. Von dieser obersten Schulaufsichts- ebene gehen die wesentlichen Vorgaben der Schulentwicklung aus. Sofern es sich dabei um zentrale Bereiche des Schulwesens handelt, müssen diese Vorgaben, so sieht es die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes 116 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … vor, von der Legislative, also dem jeweiligen Parlament, auf dem Wege der Gesetzgebung erlassen werden. „Auf dieser gesetzlichen Grundlage erfüllen die Schulverwaltungen der Bundes- länder ihre Gestaltungsaufgaben durch die Bereitstellung von Personal, Sach- und Finanzmitteln, vor allem aber durch Gebote und Verbote, die in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften niedergelegt sind und die man insgesamt als ‚regulative Programme‘ bezeichnet“ (Cortina et al. 2008, S. 166). Insbesondere werden darin die Quantität und Fächerverteilung des Unterrichts- angebotes (Stundentafel), Lehrpläne/Bildungspläne, Anerkennung von Schul- büchern (z. B. unter Begutachtung im Hinblick auf Verfassungsgrundsätze und Rechtsvorschriften), Aspekte, die die Schülerkarrieren betreffen (Notengebung, Versetzung, Übergang in andere Schulformen), Klassenfrequenzen und Lehrer- messzahlen geregelt. Stadtstaaten verfügen über eine ein- bis zweistufige Aufsicht. Hamburg und Bremen haben jeweils nur eine zuständige Behörde. In Berlin finden sich – der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung nachgeordnet (der Senat ist die Landesregierung des Landes Berlin) – verschiedene Außenstellen in den Bezirken der Stadt. Flächenländer haben eine zwei- bis dreistufige Aufsicht. Rheinland-Pfalz hat, um ein Beispiel für eine zweistufige Aufsicht zu nennen, eine dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur nachgeordnete „Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion“ (ADD) als Landesbehörde, die als Mittler zwischen der Landesregierung und der kommunalen Selbstverwaltung agiert. Nordrhein- Westfalen differenziert die Schulverwaltung in ein Ministerium, in fünf Bezirks- regierungen (Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster) und 54 Schulämter aus. Eine aktuelle Übersicht über die Organisation der Schulaufsicht in allen Län- dern stellt der deutsche Bildungsserver (www.bildungsserver.de) unter dem Stich- wort „Schulaufsicht“ zur Verfügung. Die Schulaufsicht umfasst die Bereiche 1. der Fachaufsicht, die sich auf fachliche und methodische Fragen des Unter- richtens und der Erziehung bezieht (Kontrolle der Zweckmäßigkeit des Handelns und der Art und Weise der Aufgabenerfüllung). Die Fachaufsicht über die Grund- und die Hauptschulen sowie über die verschiedenen son- der-/förderpädagogischen Schulen und teils über die Realschulen haben 4.1 Steuerung des Schulsystems … 117 g­ rundsätzlich die unteren Schulaufsichtsbehörden. Die Fachaufsicht über die übrigen Schularten liegt regulär bei den Kultusministerien (teils auch bei den Schulaufsichtsbehörden der mittleren Ebene und den unteren Schulaufsichts- behörden). 2. der Rechtsaufsicht, welche die Rechtmäßigkeit des Handelns der Akteure zum Gegenstand hat (als Gegenstück zur Selbstverwaltung; der Staat muss mit- tels der Rechtsaufsicht garantieren, dass die Selbstverwaltungskörperschaften nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen). 3. der Dienstaufsicht, die das Aufsichts- und Weisungsrecht der höheren Behörde gegenüber der nachgeordneten Behörde und des Vorgesetzten gegenüber sei- nen untergebenen Beamtinnen und Beamten bezeichnet (in der Schule: Schul- aufsichtsbeamte gegenüber Schulleitungen und Lehrkräften, in einzelnen Län- dern auch Schulleitungen gegenüber Lehrkräften). Die Dienstaufsicht erstreckt sich auf die innere Ordnung der Schulen, die allgemeine Geschäftsführung im Schulbereich und auf die Personalangelegenheiten der Lehrkräfte (Dienstrecht mit Disziplinarrecht). Exkurs: Fachaufsicht und pädagogische Eigenverantwortung „Der Fachaufsicht werden durch die pädagogische Eigenverantwortung der Schule und die pädagogische Verantwortung der Lehrkraft Grenzen gesetzt. In mehreren Ländern sind die Schulaufsichtsbehörden gesetzlich dazu verpflichtet, die pädagogische Eigenverantwortung der Schulen zu re- spektieren. Die pädagogische Verantwortung, auch als pädagogische Frei- heit oder Methodenfreiheit bezeichnet, beinhaltet das Recht der Lehrkraft, im Rahmen der geltenden Vorschriften eigenverantwortlich zu unterrichten. Sie wird der Lehrkraft im Interesse der Schülerinnen und Schüler gewährt, da schülerorientierter Unterricht nur stattfinden kann, wenn die Lehrkraft einen angemessenen Freiraum bei der Auswahl der Unterrichtsinhalte, der Unterrichtsmethoden und der Leistungsbewertung hat. Die pädagogische Freiheit der Lehrkraft ist ggf. in Beziehung zu setzen zu dem Gebot profes- sionellen Handelns und der pädagogischen Eigenverantwortung der Schule. So sind die Lehrkräfte z.B. an die in Schulprogrammen niedergelegten pädagogischen Grundkonzeptionen gebunden“ (Kultusministerkonferenz 2021a, S. 50). 118 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … ► Sichtbare Repräsentanten der Schulaufsicht sind Schulaufsichtsbeamte und -beamtinnen, die durch Unterrichtsbesuche, Mitwirkung bei Prüfungen oder dienstlichen Beurteilung direkt an der Schule präsent sind. Ihnen ob- liegt die unmittelbare Aufsicht über die Schulen. Insbesondere wirken sie bei der Einstellung von Lehrkräften, Zuweisung zu be- stimmten Schulen, Versetzung und Beförderung mit, sofern es sich nicht z.B. um sogenannte ‚schulscharfe Einstellungen‘ durch die Schulen im Rahmen der er- weiterten schulischen Eigenverantwortung handelt. Mittlerweile ist die Verantwortung für entsprechende Aufgaben oftmals an die Schulleitung delegiert (Weitzel 2015); die Aufgabe der Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamten entspricht dann vor allem der als Unterstützungs-, Beratungs- und Kontrollinstanz für Schule und Schulleitung (vgl. Rürup 2020). Im Kontext der Debatten um eine verstärkte Dezentralisierung im Schulwesen wird dies von der Schulaufsicht zunehmend erwartet, da die in Deutschland tradierte Form der Schulaufsicht als einer sogenannten Eingriffsaufsicht angesichts der Stärkung schulischer Eigenverantwortung weniger passend erscheint. Dagegen verstärken sich Entwicklungen in Richtung einer Beratungsauf- sicht mit verändertem Selbstverständnis nach dem Muster vieler anderer Länder, wie den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Kanada, Finnland. Damit soll die Schulaufsicht zunehmend zur Qualitätsentwicklung beitragen, etwa im Rahmen der Überführung von Ergebnissen der Schulinspektion oder anderer Daten zur Si- tuation der Schule in Zielvereinbarungen zwischen Schulaufsicht und Schulen. 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem: (inter-) nationale Impulsgeber und Anspruchsgruppen Kommunen und Schulen haben mittlerweile deutlich mehr Entscheidungs- kompetenzen; zugleich bedarf es erheblicher Finanzmittel, um neue Aufgaben zu er- füllen. Zusätzliche Mittel fließen neben der staatlichen Finanzierung (sog. Erster Sek- tor) im Schulbereich auch über die Privatwirtschaft (Zweiter Sektor) sowie die Zivil- gesellschaft (Dritter Sektor; Stiftungen, Bürgerinitiativen, Verbände u.ä; Weiß 2011a). Veränderungserwartungen werden dabei von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren an Schule als Institution herangetragen. Das betrifft z.B. Gewerk- schaften und Verbände, aber auch Kirchen und Religionsgemeinschaften. Auch die Massenmedien sind im Übrigen über Zeitung, Fernsehen, Radio und Internet relevante Einflussgrößen im Bildungsbereich. Über online-Plattformen können 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem … 119 Bürgerinnen und Bürger Petitionen starten (als Ersuchen oder Beschwerde an zu- ständige behördliche Stellen). Neben einer nationalstaatlichen Perspektive gibt es schließlich auch inter- nationale Einflüsse, bezogen auf Deutschland vor allem auf europäischer Ebene, etwa über die EU und die OECD. Mit der internationalen Perspektive beginnt der Überblick über weitere Akteure im Schulsystem, der dann im Weiteren auf nationale Akteure fokussiert (vgl. Tab. 4.2 zu den Akteuren im Schulsystem im Überblick). Tab. 4.2 Akteure im Schulsystem © Ebene im Bildungssystem, Akteure und Aufgaben Weitere Akteure mit Ein- fluss im Schulsystem Bund Bundesministerium für Bildung und For- Supranationale Akteure schung (EU, OECD…) → Regelung der betrieblichen Berufsaus- Stiftungen bildung Wirtschaft / Industrie und → Ausbildungsförderung ihre Verbände → Kinder- und Jugendhilfe Wissenschaft → Forschungsförderung Kirchen / Religions- → Gemeinschaftsaufgaben mit Ländern gemeinschaften Länder Staatliche Schulaufsicht: oberste Schulauf- Kultur-, Sportein- sicht beim Ministerium, je nach Land auch richtungen mittlere und untere Schulaufsicht Medien: Presse, Internet, → Innere Schulangelegenheiten Social Media Unterstützungssystem: Pädagogische … Landesinstitute bzw. Qualitätseinrichtungen Koordination zwischen den Ländern: Kultusministerkonferenz (KMK) Schule Schulämter, Bildungsbüros Kommunen → Äußere Schulangelegenheiten → Schulträgerschaft Schulleitung und ‚mittleres Management‘ Lehrkräfte weiteres pädagogisches Personal nicht lehrendes Personal Schülerinnen und Schüler und ihre Ver- tretung (auch auf Landes- und Bundes- ebene) Eltern / Erziehungsberechtigte und ihre Vertretung (auch auf Landes- und Bundes- ebene) → Verwaltungs- und Entwicklungsaufgaben, Unterricht und Erziehung (vgl. Schul- gesetze) 120 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … 4.2.1 Agenda Setting und ‚Soft Governance‘ durch supranationale Institutionen wie die OECD und EU Auch wenn die Steuerung von Bildungssystemen weitestgehend eine Angelegen- heit von Nationalstaaten ist, nehmen internationale Akteure wie die Europäische Union oder die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Develop- ment) Einfluss auf die Bildungssysteme verschiedener Staaten. Dies geschieht mit Mitteln der sanften Steuerung (soft governance; z.B. Popp et al. 2012), ins- besondere über diskursive Mittel, wie über Bildung gesprochen wird, welche The- men und Schwerpunkte als besonders wichtig oder drängend dargestellt werden (Agenda Setting) und welche Reformmaßnahmen zur Weiterentwicklung quali- tätsvoller Bildungssysteme empfohlen werden (Klein und van Ackeren 2018). Dadurch, dass länderübergreifend Daten über Kompetenzen und leistungs- relevante Merkmale von Lernenden und Lehrkräften, organisationale Strukturen von Schulen oder Effekte bildungspolitischer Reformen – etwa im Kontext großer Schulleistungsvergleichsstudien – generiert werden, können entsprechende Infor- mationen für systematisierte Vergleiche im Bildungsbereich herangezogen und von politischen Entscheidungsträgern genutzt werden. So verbreiten sich inter- national Ideen, die von Nationalstaaten aufgegriffen werden, um sich selbst dar- über datengestützt Legitimation zu verschaffen (Jakobi und Martens 2007; Klein und van Ackeren 2018). Ein herausragendes Beispiel ist die PISA-Studie der OECD. Dabei schaut man inzwischen auch stärker auf schulische und schulsystemische Einflussgrößen der Leistungserbringung, um Ansatzpunkte für bildungspolitische Maßnahmen systematischer herauszuarbeiten. Dazu gehören Strategien und Maßnahmen der Auswahl und Gruppierung von Lernenden, des Schulmanagements, der Finanz- ausstattung, der Gestaltung elterlicher Schulwahlfreiheit, der Rechenschafts- legung über Lernerträge, der Gestaltung von Schulautonomie etc. (van Ackeren et al. 2016). Bloem (2015) analysiert dabei das Problem, dass auf Grundlage der querschnittlichen PISA-Daten (mit nur einem Messzeitpunkt bezogen auf die jeweilige Kohorte) keine kausalen Zusammenhänge beschreibbar sind; dement- sprechend seien die Formulierungen in den Berichten relativierend, wobei sie eine kausale Interpretation (Ursache-Wirkungs-Zusammenhang) bei den Adressa- tinnen und Adressaten intendierten. Zu den zentralen Analyse- und Diskussionsfeldern der OECD gehören bei- spielsweise (Klein und van Ackeren 2018): Evidenzbasierung von Bildungspolitik und -praxis, Diversität und Benachteiligung, 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem … 121 Flucht und Migration, ICT (information and communications technology)/Digitalisierung, Governance von Bildungssystemen und Lehrkräftebildung. Das Agenda Setting dürfte sich in der Folge der weltweiten Covid-19-Krise künf- tig noch stärker auf Fragen der Digitalisierung sowie hybride Lehr- und Lern- settings konzentrieren und ggf. eine ähnlich einflussreiche Situation für Bildungs- politik darstellen, wie die Publikation und Rezeption der ersten PISA-Ergebnisse zu Beginn der 2000er Jahre (van Ackeren und Klemm 2022). Hinzu kommen Fra- gen des Umgangs mit der Klima- und Energiekrise. Die Europäische Union fördert, unterstützt und ergänzt die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Hinblick auf Bildung und folgt dabei dem Subsidiaritätsprinzip. ► Nach dem Subsidiaritätsprinzip sollen Aufgaben auf der untersten Ebene einer Hierarchie gelöst werden, um Selbstbestimmung und Eigenver- antwortung zu fördern bzw. zu gewährleisten; erst wenn die Möglichkeiten der untergeordneten Einheit nicht reichen, kann unterstützend von höherer Ebene eingegriffen werden (z.B. von der EU gegenüber den Mitglieds- staaten oder vom Bund gegenüber den Ländern). Der Europäische Rat hat mit seiner Erklärung von Lissabon im Jahr 2000 der Bildungspolitik eine zentrale Rolle zugeschrieben. Sie wird als wichtigstes Mittel der Gestaltung Europas als wettbewerbsfähiger und dynamischer Informations- und Wissenschaftsraum im Kontext der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und als Voraussetzung dauerhaften wirtschaftlichen Erfolges angesehen. Zu den grundsätzlichen Zielen der EU-Arbeit im Bildungsbereich gehören heute die Förderung von lebenslangem Lernen und Mobilität, Qualität und Effizienz der allgemeinen und beruflichen Bildung, Chancengleichheit, sozialem Zusammenhalt und aktivem Bürgersinn Kreativität, Innovation und Unternehmergeist. Im Bereich der allgemeinen Bildung geht es konkreter um Themen wie Basiskompetenzen (Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften; Ziel: weniger als 15 % low-achievers), 122 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Quote der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss (Ziel: we- niger als 9 %), Mehrsprachigkeit, unterstützende Lernumgebungen, well-being (im Sinne von Wohlbefinden und Wohlergehen) und mentale Gesundheit, um die professionelle Entwicklung und internationale Mobilität von Lehr- kräften und Schulleitungen, um Digitalisierung und Blended Learning sowie Nachhaltigkeit und Klimawandel. Im Bereich der beruflichen Bildung geht es – neben Exzellenz der Ausbildung und Qualitätssicherung – zudem um eine lebenslange Kultur des Lernens, auch im Kontext der Digitalisierung, und um eine Flexibilisierung und Nachhaltigkeit der beruflichen Bildung. Besonders sei hier auch auf EURYDICE als Informationsnetzwerk über die allgemeinen Bildungssysteme der EU-Mitgliedsstaaten verwiesen. Hier finden sich neben umfassenden, aktuellen Darstellungen der Bildungssysteme der Mit- gliedsstaaten im Rahmen der Eurybase-Datenbank auch thematisch fokussierte Länder- sowie vergleichend angelegte statistische Analysen von der frühkind- lichen, über die schulische bis zur hochschulischen Bildung. 4.2.2 Konjunktur von Stiftungen im Bildungsbereich Zivilgesellschaftliches Engagement findet sich etwa im Stiftungsbereich. Stiftun- gen haben einen urkundlich festgelegten Stiftungszweck (z.B. Bildungschancen für Kinder und Jugendliche zu verbessern) und ein Stiftungsvermögen, das nach- haltig zur Erfüllung des Stiftungszwecks ausreichen muss. Dedering (2013) zeigt, dass im Jahr 2010 bei 15 % der mehr als 17.000 rechts- fähigen Stiftungen der ausgewiesene Stiftungszweck in den Bereichen Bildung und Erziehung lag. Gut zehn Jahre später trifft dies auf 34,5 % der Stiftungen zu (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2021, S. 34). Viele beziehen sich auf bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche, es werden aber z.B. auch Schul- wettbewerbe ausgeschrieben (z.B. Deutscher Schulpreis), Fortbildungs- und Ver- netzungsangebote für Schulen gemacht und externe Zertifikate vergeben sowie eigene Bildungsstudien aufgelegt. Das Handeln des sogenannten Dritten Sektors beschränkt sich zunehmend nicht mehr darauf, bei besonderen Herausforderungen mit zu unterstützen, son- dern auch inhaltlich und strukturell mitzugestalten. Stiftungen gelten als Impuls- geber für gesellschaftliche und politische Innovationen und Reformen. In der 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem … 123 Phase nach PISA und der Kritik an der Struktur und Steuerung des deutschen Schulsystems entwickelte sich im Verlauf der 2000er Jahre eine günstige Situ- ation für Public-Private-Partnerships, zumal sich Steuerung und Governance im Bildungswesen auch auf politischer Seite insofern änderten, als private und zivilgesellschaftliche Akteure aktiv in Steuerungsprozesse eingebunden wurden (Höhne 2012). Die besonderen Mittel, über die große und einflussreiche Stiftungen im Bildungsbereich verfügen, sind umfangreiche finanzielle Mittel, fachliche Exper- tise, ausdifferenzierte Netzwerkstrukturen und Kontakte zu Eliten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft sowie mediale Sichtbarkeit, sodass sie „an unterschied- liche Systemlogiken, Akteursgruppen und Handlungsformen anschließen“ und sich als „Vermittler“ anbieten (Höhne 2012, S. 247). Als Problembereich beschreibt Höhne (2012), dass Stiftungen nicht sel- ten als Sprecher vermeintlicher Allgemeininteressen aufträten und sich auch als Alternative zur klassischen Politik etablieren wollten, jedoch fehle ihnen ein öf- fentliches Mandat. Prozesse der „Informalisierung von Politik(en)“ und die zu- nehmende „Durchsetzung subpolitischer Formen“ seien zudem nicht transparent. Gleichwohl haben sich viele Stiftungen als relevante und impulsgebende Akteure im Bildungssystem etabliert, die neue Ideen in Erprobungs- und Initiationsphasen mit erheblichen Finanzmitteln unterstützen. 4.2.3 Interessenvertretungen der Nutzenden von und der Beschäftigten in Schule Verschiedene gesellschaftliche Gruppen bemühen sich darum, im Bildungs- bereich im Interesse ihrer Mitglieder bzw. für die Klientel, die sie vertreten, auf politische Prozesse Einfluss zu nehmen. Dafür werden ihnen auch bestimmte Mitwirkungsrechte eingeräumt. Eine gute Schule lebt letztlich auch davon, dass Lehrkräfte, pädagogisches Personal, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler sich unmittelbar bzw. über Interessenvertretungen mit ihren Ideen von Schule ein- bringen können. Zu den zentralen Gruppen auf der Seite der Nutzenden von Bildungsein- richtungen gehören Schülerinnen und Schüler sowie Eltern bzw. Erziehungs- berechtigte, auf der Seite der Beschäftigten u.a. die Lehrkräfte. 4.2.3.1 Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern Die Mitwirkungsrechte der Schülerinnen und Schüler sind über die Schülerver- tretungen (auch: Schülermitverantwortung), meist als gewähltes Gremium, an den Schulen geregelt. An der einzelnen Schule vertritt die Schülervertretung „im 124 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule die Rechte der Schüle- rinnen und Schüler, fördert und nimmt deren Interessen wahr und wirkt dadurch bei der Gestaltung des schulischen Lebens mit“ (so beispielhaft der SV-Erlass des Kultusministeriums NRW 1979). Im SV-Erlass für NRW (noch von 1979) wird auch auf den schulischen Auf- trag verwiesen, „Schülerinnen und Schüler zu selbstständigem kritischen Urteil, zu eigenverantwortlichem Handeln und zur Wahrnehmung von Rechten und Pflichten im politischen und gesellschaftlichen Leben zu befähigen“. Die Be- teiligungsform soll also nachhaltige Partizipationserfahrungen ermöglichen und ist Teil einer demokratischen Schulkultur, sie ist pädagogisches Lernfeld und zu- gleich konkreter politischer Handlungsraum für Schülerinnen und Schüler. Die Anliegen der Schülerinnen und Schüler werden in der Klasse oder im Kurs, im Jahrgang, im Schülerrat bzw. in der Schülerversammlung sowie durch die gewählte Schülervertretung (Klassen-, Jahrgangsstufen- und Schülersprecher bzw. -sprecherin) vertreten. Darüber hinaus gibt es gesetzlich verankert Landesschülervertretungen; über diese können Interessen, Positionen und Erklärungen zu schulpolitischen The- men artikuliert werden, u.a. dadurch, dass es Anhörungsrechte bei den Kultus- ministerien und in Landtagen gibt (Hepp 2011). Insgesamt seien die „Möglich- keiten der organisierten Schülerschaft, als schulpolitische Lobby zu wirken […] jedoch als sehr gering einzustufen“ (Hepp 2011, S. 73). Die digitalen Möglich- keiten der Organisation und Kommunikation dürften dies gleichwohl verändern. 4.2.3.2 Mitwirkung von Eltern und Erziehungsberechtigten Vor allem Informations-, Anhörungs- und Beratungsrechte haben auch die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Hierbei verweist Hepp (2011) auf das grundgesetzlich verbriefte Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder hin, was schulaufsichtlich zu berücksichtigen ist. In Artikel 6 des Grundgesetzes heißt es: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Hepp (2011) ver- weist darauf, dass daraus resultierende Konflikte teils zu juristischen Auseinander- setzungen führten, etwa hinsichtlich der Rolle von Religion in der Schule (vgl. dazu etwa das sogenannte Kruzifix-Urteil, wonach die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in einer staatlichen, bekenntnisfreien Pflichtschule gegen das Grund- gesetz verstößt; geklagt hatten Eltern und Schüler); die Klagebereitschaft ist gerade beim Thema Prüfungen und Versetzungen gestiegen (Hugo 2021). Elterliche Mitwirkungsrechte sind über die Elternvertretungen (auf Klassen- bzw. Schulebene mit unterschiedlichen Bezeichnungen, z.B. Klassen- und Schul- pflegschaft oder Elternbeirat) in Schule möglich, was wiederum in den Schul- 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem … 125 gesetzen der Länder geregelt ist, wenn auch mit Unterschieden der Mitwirkungs- möglichkeiten im Vergleich der Länder. Landeselternbeiräte, die teils gesetzlich in den Ländern verankert sind, bzw. auch privat organisierte Elternverbände, arbeiten mit den Schulministerien der Länder zusammen. Auf Bundesebene ist vor allem der Bundeselternrat als eine Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-recht- lich wie privat-rechtlich organisierten Elternvertretungen zu nennen. In Absprache mit den Lehrkräften und mit Zustimmung von Klassenpfleg- schaft und Schulleitung können Eltern am Unterricht teilnehmen und auch in Tei- len mitarbeiten, etwa in Projekten, Förderstunden und in Arbeitsgemeinschaften. Auch außerhalb des Unterrichts können sie bei Schulveranstaltungen oder im Ganztag unterstützen. In den Referenzrahmen für Schulqualität der Länder (Elsing und van Acke- ren 2017; Thiel und Tarkian 2019) wird die Zusammenarbeit mit Eltern bzw. Er- ziehungsberechtigten und deren demokratische Teilhabe sowie wertschätzende Einbeziehung ihrer Kompetenzen und Vorschläge aus als ein Merkmal guter Schule operationalisiert. Hierbei haben Konzepte der Schulen, wie Familien gut und niedrigschwellig in die Arbeit der Schule eingebunden werden können – und zwar „jenseits dichotomisierender Zuschreibungen von ‚guten‘ und ‚schlech- ten‘ Eltern“ (Killus und Paseka 2021, S. 263) –, eine besondere Bedeutung. In der Gesamtschau gibt es positive Forschungsbefunde zum Zusammenhang zwi- schen der Beteiligung von Eltern und dem schulischen Erfolg von Schülerinnen und Schülern, was gerade auch für die Unterstützung benachteiligter Kinder und Jugendlicher vielversprechend erscheine (Hillmayr et al. 2021; hier finden sich auch Beispiele elternbezogener Projekte über den gesetzlich vorgegebenen Be- reich hinaus). Als problematisch wird u.a. die fehlende Mitwirkung von Eltern unterschied- licher sozialer und kultureller Herkunft in formellen Schulgremien thematisiert, aber auch die Rolle als „Zulieferer“ vor allem im Kontext der Pandemie – mit Unsicherheiten und unterschiedlichen Möglichkeiten der Eltern bei der Unter- stützung ihrer Kinder (Killus und Paseka 2021, S. 262). Familienbildung wird insofern auch durch die Anbindung von Angeboten der Elternbildung und -beratung an Schulen (Walper 2021), etwa über Familien- grundschulzentren als sozial­räumliche Knotenpunkte und als eine Anlaufstelle für Familien, neu gedacht. ► Die Schulkonferenz (auch Schulforum, Schulvorstand oder Schulausschuss in einzelnen Bundesländern genannt) ist das höchste Gremium der Schule, dem Eltern-, Lehrkräfte- sowie Schülervertretungen angehören. Die Schul- konferenz ist mit allen Grundsatzangelegenheiten der Schule befasst. 126 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Vorschläge und Anregungen können sich an den Schulträger und an die Schulaufsichtsbehörde richten. Sie verabschiedet Grundsätze und Stellung- nahmen. Eltern ist es dabei in der Regel nicht möglich, alleine gegen Schulleitung und Lehrkräfte Entscheidungen herbeizuführen. 4.2.3.3 Verbände der im Bildungswesen Beschäftigten Die im Bildungs- bzw. Schulsystem Beschäftigten sind auch in Verbänden or- ganisiert, wobei zumeist weitgehend autonome Landesverbände und relativ lose Dachorganisationen auf Bundesebene nebeneinander existieren, was angesichts der Zersplitterung die übergreifende Abstimmung gemeinsamer Positionen er- schwere (Hepp 2011). Zu zentralen Serviceleistungen für die Mitglieder gehören Information, Be- ratungsleistungen, Fortbildungsangebote sowie rechtliche und tarifpolitische Ver- tretung der Interessen. Darüber hinaus sind sie öffentlich sichtbar, etwa gegen- über Entscheidungsträgern in der Politik (Hepp 2011); insofern handelt es sich um Interessengruppen (auch pressure group, Lobby), die etwa auf Parteien, Parlament und Regierung Einfluss zu gewinnen suchen (zur Analyse bildungs- politischer Programme der Verbände, u.a. in der Folge der PSA-Studie, vgl. Kreft 2006). Konkret hervorzuheben ist die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) als größte Bildungsgewerkschaft, die zum Deutschen Gewerkschaftsbund gehört und ca. 280.000 Personen (Stand gemäß Webseite Anfang 2023) aus Schu- len, Kindertagesstätten, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen (etwa aus dem Bereich der Weiterbildung) vertritt und damit pädagogisches und wissen- schaftliches Personal auf allen Stufen des Bildungssystems. Als zentrale Leitziele führt die GEW u.a. auf: kostenfreie Kita-Plätze für alle Kinder, gemeinsames Lernen von Kindern und Jugendlichen in der „Einen Schule für alle“, eine solide finanzielle Basis für das öffentliche Bildungssystem, gleiche Rechte und beruf- liche Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen und Männer, Antidiskriminierung. Außerhalb der Gewerkschaften des DGB ist der Deutsche Lehrerverband (DL) die mit ca. 165.000 Mitgliedern größte Lehrerorganisation in Deutschland und beschreibt sich selbst auf der Webseite als „ein weltanschaulich neutraler, überkonfessioneller und parteipolitisch unabhängiger Dachverband“ (Stand An- fang 2023 gemäß Webseite). Im Verband sind vier schulformbezogene Bundes- verbände zusammengeschlossen: Der Deutsche Philologenverband e.V. für die Gymnasiallehrkräfte, der Verband Deutscher Realschullehrer, der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung sowie die Katholische Erziehergemeinschaft. Übergreifend fordert der DL u.a. den Erhalt und die Weiterentwicklung eines vielfältig gegliederten Schulsystems (inkl. Erhalt der Hauptschule), die Stärkung 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem … 127 des Kulturföderalismus und damit die Kompetenzen der Länder, optimale päda- gogische und sachliche Rahmenbedingungen in den Schulen, den Beamtenstatus sowie solide Besoldungsbedingungen. Größter Einzelverband im DBB Beamtenbund ist der Verband Bildung und Erziehung (VBE) mit bundesweit ca. 165.000 Mitgliedern (stand Anfang 2023 gemäß Webseite). Er vertritt Pädagoginnen und Pädagogen aus dem frühkind- lichen Bereich, Primarstufe, Sekundarstufen I und II und dem Bereich der Lehr- kräftebildung. Er setzt sich nach eigenen Angaben auf der Webseite u.a. für die Stärkung des Lehrberufs und eine gleiche Bezahlung für alle Lehrkräfte aller Schulformen ein. 4.2.4 Kirchen und Religionsgemeinschaften Auch die Rolle der Kirchen und Religionsgemeinschaften lässt sich im Hinblick auf die Durchsetzung ihrer Interessen betrachten. Der Einfluss der Kirche war im Bildungssystem vor allem bis in das 19. Jahrhundert, aber auch noch bis zur Wei- marer Zeit (vgl. den Weimarer Schulkompromiss, Abschn. 1.6) hinein bedeutend, wie in Kap. 1 gezeigt wurde. Letztlich hat sich die Institutionalisierung der öf- fentlichen Schule gegen die Kirche durchgesetzt, indem der säkularisierte Staat die Kirche als wichtigster Träger von Bildungseinrichtungen abgelöst hat. Gleichwohl unterhalten die Kirchen, dies betrifft vor allem die beiden großen christlichen Kirchen, auch heute noch zahlreiche Bildungseinrichtungen (von Kindertageseinrichtungen und Kinder- gärten über Schulen von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe mit unter- schiedlichen Schulen, auch im berufsbildenden Bereich, bis hin zu Abend- schulen und weitere Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Hinzu kommen Erwachsenenbildungsstätten und Akademien) und sie sind über den Religionsunterricht präsent und üben somit auch Einfluss im Schulsystem aus. ► Anders als etwa in Frankreich, der Türkei, Japan oder China gibt es in Deutschland keine strenge Trennung von Kirche und Staat nach dem religionsverfassungsrechtlichen Modell des Laizismus, wonach die Religionsausübung in staatlichen Einrichtungen untersagt ist. In Deutsch- land haben die Kirchen den Status öffentlich-rechtlicher Körperschaften und damit zahlreiche Privilegien auch im Bildungsbereich (Hepp 2011). 128 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Dies betrifft etwa die inhaltliche Entwicklung der Lehrpläne und Zulassung der Schulbücher, die Mitverantwortung der Religionslehrkräfte-Ausbildung im Hochschul- bereich sowie die Besetzung von Professuren in diesem Bereich und die notwendige kirchliche Beauftragung bei Einstellung in den Staatsdienst. Allerdings ist die Teilnahme am Religionsunterricht freiwillig; ab dem 14. Lebensjahr können Schülerinnen und Schüler dies selbst für sich entscheiden, vorher die Eltern. Stattdessen wird in den meisten Ländern dann Ethik für die Schülerinnen und Schüler angeboten, die nicht am Religionsunterricht teil- nehmen. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gibt es noch Konfessionsschulen als staatliche Schulen, deren Finanzierung aus staatlichen Mitteln erfolgt. In NRW wurde durch ein Urteil 2016 bestätigt, dass bekenntnisangehörige Kin- der an Grundschulen einen vorrangigen Aufnahmeanspruch haben, auch wenn der Wohnort weiter entfernt ist als für andere Kinder, zumal es in NRW seit 2008/2009 keine festgelegten Schulbezirke mehr gibt. Deutlich unterschiedliche Anteile an Kindern mit Migrationsgeschichte können dabei gezielte schulische Anwahlstrategien von Eltern befördern (van Ackeren 2006). Daneben gibt es Bekenntnisschulen in privater Trägerschaft, vor allem der römisch-katholischen Kirche, der evangelischen Landeskirchen und der jüdi- schen Gemeinden. Vor dem Hintergrund der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit in Art. 4 des Grundgesetztes und angesichts des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind grundsätzlich Schulen jeglichen Bekenntnisses möglich. Die Schulen unter- stehen auch der Aufsicht der Schulbehörden und werden als Ersatzschulen ge- nehmigte Einrichtungen in den Ländern anteilig finanziell gefördert (etwa 50 %); das Schulgeld für die Eltern richtet sich zumeist nach deren Einkommensverhält- nissen. Islamische Bekenntnisschulen gibt es kaum in Deutschland, auch wenn es immer wieder entsprechende Bemühungen der Religionsgemeinschaft gab. Eine Herausforderung ist etwa gegenüber den Verfassungsgerichten zu belegen, dass die grundgesetzlich gebotene Toleranz gegenüber Andersgläubigen und Gleich- berechtigung der Geschlechter berücksichtigt werden. Mittlerweile wird in vielen Bundesländern flächendeckend (in NRW seit 2012/13) islamischer bzw. islamkundlicher Religionsunterrichts in deutscher Sprache angeboten, teils in Modellprojekten, wobei dies die westlichen Bundes- länder sowie Berlin betrifft, wo es angesichts der Bevölkerungsentwicklung 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem … 129 entsprechenden Bedarf gibt. Dazu gehören auch lehrerbildende Standorte, an denen ein Lehramtsstudium Islamische Religionslehre möglich ist. Kritische De- batten gibt es um die Frage, wie stark der Staat Einfluss auf die Organisation des islamischen Religionsunterrichts einnehmen sollte. Trotz sinkender Mitgliederzahlen in den großen christlichen Kirchen haben diese doch immer noch deutlich sichtbaren Einfluss im Bildungsbereich und bringen sich auch entsprechend in öffentliche Debatten ein; zunehmend tun dies auch weitere Religionsgemeinschaften, deren Bedeutung in der deutschen Gesellschaft – mit regionalen Unterschieden – zugenommen hat. 4.2.5 Wissenschaft und Politikberatung Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen vielfältig Einfluss im Bildungs- bzw. Schulsystem, beispielsweise indem sie politische Akteure be- raten, etwa in Beiträten (z.B. von Pädagogischen Landesinstituten) und Experten- gremien (z.B. bei der Begleitung wichtiger politischer Vorhaben auf Bundes- und Landesebene) oder indem sie Strukturen, Prozesse und Wirkungen im Schul- system evaluieren oder wissenschaftlich begleiten, etwa im Kontext von Schul- versuchen. Wissenschaft (bzw. ein Teil davon) ist maßgeblich verantwortlich für die fach- lich fundierte Entwicklung von nationalen Bildungsstandards und ihre Über- prüfung, ist teils an der Entstehung von Kerncurricula und auch an der Ent- wicklung von Prüfungsaufgaben für zentrale Abschlussprüfungen beteiligt (vgl. auch Abschn. 2.2.3.4. Bestimmte wissenschaftliche Expertise wird so bildungs- politisch nachgefragt und kann in Entscheidungshandeln einfließen, andererseits kann politisches Handeln, was nicht unproblematisch ist, durch die Beteiligung von Wissenschaft legitimiert werden. Mit dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition auf Bundesebene aus dem Jahr 2018 war zudem die Einrichtung eines Nationalen Bildungsrats vorgesehen. Die Einrichtung scheiterte an der Ablehnung einzelner Länder, vor allem mit dem Hinweis darauf, dass Bildung Ländersache sei. „Der Nationale Bildungsrat soll auf Grundlage der empirischen Bildungs- und Wissenschaftsforschung Vorschläge für mehr Transparenz, Qualität und Vergleich- barkeit im Bildungswesen vorlegen und dazu beitragen, sich über die zukünftigen Ziele und Entwicklungen im Bildungswesen zu verständigen und die Zusammen- arbeit der beteiligten politischen Ebenen bei der Gestaltung der Bildungsan- gebote über die ganze Bildungsbiographie hinweg zu fördern“ (Bundesregierung 2018 S. 28). 130 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Stattdessen hat die Kultusministerkonferenz (KMK) auf Länderebene 2021 die Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) zu- nächst befristet für sechs Jahre mit einer nach vier Jahren vorgesehenen Evalua- tion eingerichtet, bestehend aus 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die von der KMK auf Vorschlag einer internationalen Kommission berufen wur- den. Exkurs: Bund- bzw. ländergeförderte wissenschaftliche Einrichtungen und Programme Bund und Länder fördern auch gezielt bestimmte wissenschaftliche Ein- richtungen im Bildungsbereich, die Bildungsfragen gezielt bearbeiten. So finanziert die KMK das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungs- wesen (IQB), Bund und Länder finanzieren gemeinsam das Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (zib), das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF), das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, (LIfBi), das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), bei dem auch die Leitung für die Erstellung des Nationalen Bildungsberichts liegt (von Bund und Län- dern als Gemeinschaftsaufgabe „Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich“ finanziert); die Liste der Einrichtungen lässt sich fortsetzen, mit denen Bildungspolitik insbesondere das Ziel verfolgt, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse steuern zu können. Mit dem Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung fördert der Bund zudem Forschung, mit der Wissenschaft Anreize erhält, die Aufmerk- samkeit auf bildungspolitisch besonders relevante Themen zu richten, die große gesellschaftliche Herausforderungen bearbeiten (etwa zur Digitali- sierung im Bildungswesen). Auch auf Ebene der Länder gibt es immer wie- der entsprechende Programme. Intendiert ist damit ein systematischer Ort des Austauschs, der Verhandlung von zentralen Bildungsherausforderungen zwischen Wissenschaft und Politik, ins- besondere im Hinblick auf die Länderanliegen, aber auch – je nach Thema – unter Einbindung von Bund und Kommunen. Die SWK beschreibt sich gemäß ihrer Geschäftsordnung als ein „unabhängiges wissenschaftliches Beratungs- gremium der Kultusministerkonferenz“ (Ständige Wissenschaftliche Kommis- sion 2021) und hat nach eigener Aussage den Anspruch, auf Basis zum jeweili- 4.2 Weitere Akteure im Schulsystem … 131 gen Zeitpunkt vorliegender Evidenz, also vor allem auf Basis von Forschung, der Bildungsberichterstattung und des Bildungsmonitorings (vgl. Abschn. 5.1.3) zu beraten. Die Politikberatung durch die SWK artikuliert sich in der Identifizierung von Problembereichen und ihrer Definition, der Analyse und Aufbereitung von Daten und Informationen und der Erarbeitung von Handlungsoptionen bzw. Empfeh- lungen. Dabei werden zu den spezifischen Themen weitere Expertinnen und Experten, aber auch Stakeholder (Anspruchsberechtigte), wie zum Beispiel die Interessenvertretungen der Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler oder der Hochschulen (etwa im Bereich der Lehrkräftebildung), der zweiten Phase der Lehrkräftebildung etc. angehört. Zu den ersten Themen, die bearbeitet wurden, gehörte der Umgang mit den pandemiebedingten Lernrückständen, dem Umgang mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine, Digitalisierung im Bildungssystem, basalen Kompetenzen in der Grundschule sowie der Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel. Exkurs: Politikberatung in historischer Perspektive Dabei hat wissenschaftliche Beratung in der Bildungspolitik eine lange Tradition. So gab es bereits zwischen 1953 und 1965 den Deutschen Aus- schuss für das Erziehungs- und Bildungswesen, den Deutschen Bildungsrat (1965–1975) und die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK, 1970–2007) als Gremien auf der nationalen Ebene. Davor gab es bereits auch schon andere Kooperationsformen von Wissenschaft und Politik (Tenorth 2014). Offene Konflikte mit der Politik führten dazu, dass der Deutsche Bildungsrat 1975 aufgelöst wurde. Erst ab den 1990er Jahren zeigten sich neue Kooperationsformen zwischen Bildungspolitik und Wissenschaft. Heute ist die Erziehungswissenschaft (und sind weitere Disziplinen bildungsbezogener Forschung, Psychologie, Soziologie, Fachdidaktiken) „selbst Mitspieler geworden“ (Tenorth 2014, S. 160); es sei ein „dicht verzweigtes System der Kooperation von Wissen- schaft und Politik“ (Tenorth 2014, S. 163). 4.2.6 Akteure der Privatwirtschaft gewinnen auch im allgemeinbildenden Bereich an Bedeutung Schließlich sind auch Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände als Akteure im Bildungssystem zu nennen. Hier sind, neben weiteren Organisationen, etwa der 132 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) oder der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zu nennen. Es zeigt sich jeweils ein klares bildungspolitisches Interesse und Engagement mit vielen Projekten, Auszeichnungen von Projekten (z.B. der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung), Positionspapieren, Statements und poli- tische Forderungen. Die Bedeutung von Bildung für die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb liegt auf der Hand. Wiederkehrende Themen sind etwa die Ausbildungs- und Berufsfähigkeit von Absolventinnen und Absolventen der Schulen und Hochschulen, die For- derung nach Investitionen in Bildung statt teurer Maßnahmen der Sozialpolitik, MINT-Bildung, Lehrkräftebildung, soziale und strukturelle Durchlässigkeit im Bildungssystem etc. Die Arbeitgeber wirken aber auch regulär innerhalb der beruflichen Bil- dung an Fragen der Ausgestaltung der betrieblichen Berufsausbildung mit. Die Ausbildungsordnungen werden nach Weisung des Bundesinstituts für Berufs- bildung (BIBB) unter Beteiligung von Vertretungen der Arbeitgeber und der Ge- werkschaften ausgearbeitet. Am lokalen Standort haben die Selbstverwaltungs- organisationen der Wirtschaft (Industrie- und Handelskammern, Handwerks- kammern, Landwirtschaftskammern, Kammern der Freien Berufe) beratende und kontrollierende Funktion der betrieblichen Berufsausbildung einschließlich der Abnahme von gesetzlich geregelten Zwischen- und Abschlussprüfungen (Kultus- ministerkonferenz 2021a). Kritisch diskutiert werden umfängliche Marketingmaßnahmen und gezielte Produktwerbung durch Lobbyisten, Unternehmen und Wirtschaftsverbände in Schulen, etwa im Kontext der externen Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien, die zum Beispiel online zur Verfügung gestellt werden und damit niedrig- schwellig bereitstehen. Dies wird besonders als Problem der Qualitätssicherung für gesellschafts- bzw. sozialwissenschaftliche Fächer beschrieben, nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche und tatsächliche einseitige Darstellungen und politisch- ideologische Einflussnahme (Gloe 2022). Andererseits spielt die Kooperation mit regionalen Unternehmen für Schulen eine besondere Rolle im Rahmen der Berufsorientierung. Schließlich sind die Aufgaben etwa im Bereich der Digitalisierung so groß, dass Kooperationen mit Schulbuchverlagen und Softwareunternehmen sinnvoll sein können, um die Ent- wicklung fachdidaktisch fundierter digitaler Lehr-Lernmaterialien und didaktisch nutzbarer Werkzeuge auch im Sinne technisch hochwertiger und nachhaltiger Produkte gemeinsam voranzubringen. Andererseits werden auch mögliche Ab- hängigkeiten von der Wirtschaft diskutiert. 4.3 Verhältnis von Gesamtsystem und Einzelschule … 133 4.3 Verhältnis von Gesamtsystem und Einzelschule: Anspruch einer wirkungsorientierten Steuerung und erweiterte schulische Autonomie Die deutsche Schulgeschichte ist eine Geschichte der zunehmenden Verstaat- lichung (Oelkers 2006), der insbesondere auch etatistische Interessen zugrunde lagen, also die Vorstellung, dass der Staat eine überragende Bedeutung bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme hat (z.B. gegenüber dem Konzept des Libera- limus). Damit verbunden waren auch Vorstellungen der Steuerung von Schule, die vor allem auf bürokratischen Verwaltungsformen gründeten im Sinne einer Steue- rung, die über Regeln und über verschiedene Verwaltungsebenen in breit wirken (z.B. Brüsemeister 2012). Dieses Steuerungsmodell hat sich letztlich nicht bewährt. Fehlende Orientie- rung an Zielen und fehlende Überprüfung der Zielerreichung, um Aussagen über die tatsächliche Qualität staatlicher Leistungen treffen zu können (vgl. den PISA- Schock), sowie eine mangelnde Effizienz bürokratischer Verwaltungsformen (Jann 2005) führten zu entsprechenden Reformen. ► Dass das staatliche Interesse sichergestellt wird und dass vorgegebene Ziele erreicht und nicht durch Intentionen einzelner Einrichtungen verdrängt werden, begründet sich aus der öffentlichen Verantwortung des Staates für die Qualitätsentwicklung und Vergleichbarkeitssicherung im Bildungs- wesen. Solange das Berechtigungswesen grundsätzlich aufrechterhalten bleibt, müssen die Länder, schon gar in ihrer Einbindung in das föderale System, Sorge dafür tragen, dass die Wirkung schulischer Arbeit überall da, wo gleiche Zertifikate ver- geben werden, tatsächlich vergleichbar ist. 4.3.1 Paradigmenwechsel der Schulsteuerung Die Institution Schule befindet sich heute im Wirkungskreis eines Steuerungs- musters, mit dem die angestrebte Verbesserung schulischer Arbeitsergebnisse (insbesondere gemessen an Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler) einerseits an die Rechenschaftslegung über erzielte Wirkungen geknüpft wird (etwa über standardisierte Tests und Prüfungen, vgl. dazu Kap. 5), 134 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … andererseits ist die Einzelschule in ihren Entscheidungs- und Gestaltungs- spielräumen gestärkt worden – mit einem zunehmend damit einhergehenden veränderten Verständnis der Rolle von Schulaufsicht im oben skizzierten be- ratenden und unterstützenden Sinne. Im Sinne des Konzepts der Neuen Steuerung (Jann 2005; international auch als New Public Management bezeichnet, Hughes 1998) gibt der Staat aus der Distanz, und zwar durch Rahmenbedingungen und verbindliche Ergeb- niserwartungen (z.B. durch formulierte Bildungsstandards für die allgemein- bildenden Schulen bzw. ländereinheitliche Rahmenlehrpläne für den berufs- bezogenen Lernbereich), einen Zielhorizont vor, dessen Konkretisierung und operative Realisierung den unteren Steuerungseinheiten des Schulsystems (also den Einzelschulen) überlassen bleibt, um die Vorgaben zu erreichen. Bei der traditionellen Steuerung hingegen gibt es einen top-down-Ansatz: Die Ent- scheidungen werden überwiegend von höheren Ebenen der Bildungsverwaltung getroffen und dann nach unten weitergegeben. Dabei liegt der Fokus allein auf den Ressourcen und Strukturen, wie Lehrplänen, Lehrerausbildung, Klassen- größen usw. (Input-Orientierung). Die Kontrolle und Verantwortung für die Bil- dung liegen beim tradtionellen Steuerungsansatz hauptsächlich bei staatlichen oder zentralen Bildungsbehörden. Bei der neuen Steuerung werden Autonomie und Entscheidungsfreiheit für einzelne Schulen mehr betont; im Sinne einer stär- keren Output-Orientierung gibt es ein Qualitätsmanagement, verbunden mit der Einführung von Instrumenten zur Qualitätsüberwachung und -entwicklung, wie Schulinspektionen und Leistungsvergleiche. Befunde der empirischen Schulforschung zeigen die Bedeutung der Einzel- schule und insbesondere auch ihrer Schulkultur für die Wirkungen der von außen an Schulen herangetragenen Ansprüche auf (van Ackeren et al. 2011). Demnach bildet sich in der Handlungspraxis von Organisationsmitgliedern ein Netz aus Überzeugungen, Prinzipien, Deutungsmustern, Normen und Werten als konstituti- ves Element von Organisationskultur heraus, an dem die Mitglieder einer Organi- sation wiederum ihr individuelles und soziales Handeln ausrichten (Helsper 2008). In diesem Sinne wird die Einzelschule zwar von bestimmten, allgemein akzeptier- ten Wertvorstellungen und Normvorgaben gerahmt, die an sie herangetragen wer- den, kommt aber in den Auseinandersetzungs- und Aushandlungsprozessen mit diesen Rahmenbedingungen zu einem eigenen Wert- und Normgefüge. ► Insofern lassen sich Entscheidungen nur schwer von oben durchsetzen, auch angesichts des eher implizit vorhandenen Verpflichtungsgrads der Lehrkräfte gegenüber den Weisungen der staatlichen Organe sowie der 4.3 Verhältnis von Gesamtsystem und Einzelschule … 135 kaum wirksamen Anreiz- bzw. Sanktionssysteme; Schulen müssen sich demnach vielmehr von innen heraus entwickeln. Dies erscheint nur mög- lich, wenn die einzelnen Schulen über mehr Gestaltungsspielräume ver- fügen. Mit der Etablierung des skizzierten Konzeptes der Neuen Steuerung und vor dem Hintergrund vorliegender Forschungsbefunde wird Schule stärker als pädagogi- sche Handlungseinheit (Fend 1986) und lernende Organisation verstanden (vgl. Abschn. 4.4.2). Diesem Verständnis liegt die Annahme zugrunde, dass lernende Organisationen effektiv arbeiten, indem sie sich stetig an Veränderungen anpassen können, eigene Fehler wahrnehmen und beheben sowie stetig ihr Handeln und die erzielten Wirkungen auf der Grundlage einer angepassten Wissensbasis selbst überprüfen können (Argyris und Schön 1974). In diesem Sinne werden sie durch Unterstützungssysteme der Länder, wie die Pädagogischen Landesinstitute, u. a. durch Schulentwicklungsberatung unterstützt. Die Beziehung zwischen dem gesamtstaatlichen Schulsystem und dem einzel- schulischen System ist vor diesem Hintergrund einerseits seit etwa Anfang/Mitte der 1990er Jahre durch die Stärkung der Selbstständigkeit der einzelnen Schule als Handlungseinheit im Kontext der bereits skizzierten Dezentralisierungs- und Deregulierungstendenzen gekennzeichnet (Teilautonomisierung). Dies betrifft insbesondere den Umgang mit vorgegebenen Rahmenbedingungen (Input) durch spezifische einzelschulische Entscheidungs- und Bearbeitungsprozesse (Prozess). Andererseits findet sich in der Folge der schwachen Resultate bei inter- nationalen Schulleistungsstudien seit Ende der 1990er Jahre eine Verstärkung der Verpflichtung von Schule auf erwartete Lernerträge (Output) als Gegengewicht der Zurücknahme staatlicher Regelungsallmacht. Damit hat sich in Deutschland – dem internationalen Trend folgend – ein Paradigmenwechsel vollzogen. ► Der Paradigmenwechsel der Schulsteuerung kennzeichnet den Wech- sel der Akzentuierung von der herkömmlichen Input-Orientierung oder auch Konditionalprogrammierung (die Tätigkeit wird über schulische und außerschulische Bedingungen gesteuert) hin zu einer stärkeren Output- Orientierung oder Zweckprogrammierung (die Tätigkeit der Schule orien- tiert sich an den gesetzten Zielen). Konkret hat sich die Kultusministerkonferenz (Kultusministerkonferenz 1997) mit dem „Konstanzer Beschluss“ auf Maßnahmen zur Sicherung der Qualität schu- lischer Bildung geeinigt. Dazu gehörten Vergleichsarbeiten in allen Ländern auf Basis der zuvor bereits beschlossenen Bildungsstandards (vgl. Abschn. 5.1.2.1). 136 4 Steuerungstheoretische Perspektiven: Welche … Zugleich setzen ab Mitte der 1990er Jahre in allen Ländern Bestrebungen ein, Schulen mehr Gestaltungsfreiheit, insbesondere mit Blick auf ihre Arbeits- prozesse, teils aber auch bei der Einstellung von Lehrkräften, einzuräumen). 4.3.2 Veränderte Rollen und Handlungsoptionen für Bildungsverwaltung bzw. Schulaufsicht und Schulen Damit gingen auch veränderte Rollen und Handlungsmöglichkeiten der ver- schiedenen Ebenen der Bildungsverwaltung und auch der schulischen Akteure einher. Der Bildungsverwaltung kommt vor allem die Aufgabe der Festlegung von Standards für die Qualifikation des schulischen Personals, für die Ziele schu- lischer Bildung sowie die Evaluation von Schulen und anschließende Unterstüt- zungs- und Beratungstätigkeiten zu (van Ackeren und Klein 2020). Die Verantwortung für die Qualität schulischer Bildung wird dabei im Neuen Steuerungsmodell teilweise auf die Schulen bzw. auf die Schulleitung übertragen (Weitzel 2015). Diese stimmt im Austausch mit der Schulaufsicht Entwicklungs- bedarfe und Ziele ab und ist verantwortlich für die Umsetzung der abgestimmten Maßnahmen, was sie auch weiter vom Kollegium entferne und näher an die Ver- waltung heranrücke (Preuß et al. 2015; van Ackeren und Klein 2020). Für die Bildungsverwaltung stellt eine Handlungskoordination über Ziele und deren Überprüfung (‚Output‘) eine Möglichkeit dar, die Beliebigkeit der Hand- lungen von Schulen stärker einzuschränken (Altrichter und Maag Merki 2016). Eine Kontrolle der Unterrichtstätigkeit durch den Staat stehe allerdings im Gegen- satz zum Verständnis der Lehrkräfte von professioneller Autonomie, weswegen ein „Spannungsverhältnis zwischen dem professionellen Selbstverständnis der Lehrkräfte und den rechtsstaatlichen Ansprüchen zur Steuerung des Schulwesens“ (Kuhlee et al. 2015, S. 323) bestehe (van Ackeren und Klein 2020, S. 872). Angesichts dieses Gesamtzusammenhangs hält die Kultusministerkonferenz in ihrer Ländervereinbarung von 2020 in Artikel 20 zur Schulaufsicht fest: Einerseits: „(2) Die Schulaufsicht trifft Entscheidungen über alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung zur Schulorganisation und zur Schulentwicklungs- planung und verantwortet die Einhaltung der inhaltlichen Regelungen hinsichtlich Unterricht und Schule.“ Andererseits: „(3) Die Schulaufsicht berät und stärkt ge- meinsam mit den Unterstützungssystemen die Schulen bei der Erfüllung ihrer Auf- gaben, insbesondere bei der Wahrnehmung der schulischen Eigenverantwortlichkeit, bei der Entwicklung von Schulprogrammen, bei der internen und externen Evalua- tion und der Fortbildung der Lehrkräfte“ (Kultusministerkonferenz 2020, S. 15). 4.3 Verhältnis von Gesamtsystem und Einzelschule … 137 4.3.3 Dimensionen und Modelle schulischer Steuerung und Qualitätsentwicklung Der skizzierte Paradigmenwechsel der Schulsteuerung lässt sich vereinfachend auch mithilfe einer weithin etablierten Systematik beschreiben, welche die zu steuernden Teilaspekte schulischer Qualität nach verschiedenen Bereichen und Dimensionen ordnet. Hierzu hat sich die Unterscheidung in vier Bereiche durch- gesetzt, die mit den Begriffen Kontext, Input, Prozess und Output bzw. Outcome bezeichnet werden können. Dies wird nachfolgend weiter differenziert. 4.3.3.1 Grundlagen des CIPP- bzw. CIPO-Modells Aus den internationalen Bezeichnungen context, input, process

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