Sozialkunde: Grundlagen der Wirtschaft PDF
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Dr. Eckart Thurich
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Summary
This study guide provides an overview of economic fundamentals, including needs, goods, production, and the economic principle. It also discusses the workings of the German social market economy, exploring topics like markets, competition, and the role of the government. This guide details relevant concepts and structures a framework relevant to the German economy.
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SoKu 5 Sozialkunde Grundlagen der Wirtschaft Das Studienheft und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist nicht erlaubt und bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Rechteinhabers. Dies gilt insbesondere fü...
SoKu 5 Sozialkunde Grundlagen der Wirtschaft Das Studienheft und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist nicht erlaubt und bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Rechteinhabers. Dies gilt insbesondere für das öffentliche Zugänglichmachen via Internet, Vervielfältigungen und Weitergabe. Zulässig ist das Speichern (und Ausdrucken) des Studienheftes für persönliche Zwecke. © © Fernstudienzentrum Fernstudienzentrum Hamburg · Alle Rechte vorbehalten Hamburg von Dr. Eckart Thurich Alle Rechte vorbehalten. Falls wir in unseren Studienheften auf Seiten im Internet verweisen/verlinken, haben wir diese nach sorgfältigen Erwägungen ausgewählt. Auf Inhalt und Gestaltung haben wir jedoch keinen Einfluss. Wir distanzieren uns daher ausdrücklich von diesen Seiten, soweit darin rechtswidrige, insbesondere jugendgefährdende oder verfassungsfeindliche Inhalte zutage treten sollten. 0822 K14 Sozialkunde Grundlagen der Wirtschaft 0822 K14 von Dr. Eckart Thurich Inhaltsübersicht 1 Lerninhalte und Lernziele..................................................................................... 5 2 Wirtschaftliche Grundtatsachen........................................................................... 7 2.1 Bedürfnisse, Güter und das „wirtschaftliche Prinzip”............................................... 7 2.2 Produktionsmittel und Arbeitsteilung........................................................................ 9 2.3 Geld und Wirtschaftskreislauf.................................................................................... 10 3 Die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland............... 15 © Fernstudienzentrum Hamburg 3.1 Markt und Preis........................................................................................................... 15 3.2 Wettbewerb und Konzentration.................................................................................. 18 3.3 Konjunkturen und Krisen........................................................................................... 19 3.4 Wie mächtig ist der Verbraucher wirklich?................................................................ 25 3.5 Arbeit und Arbeitnehmer............................................................................................ 27 3.5.1 Vom Lohn der Arbeit.................................................................................................... 28 3.5.2 Mitbestimmung............................................................................................................ 29 3.6 Die deutsche Wirtschaft in Europa und der Welt...................................................... 30 3.7 Die Rolle des Staates in der Sozialen Marktwirtschaft oder: Wie sozial ist die Soziale Marktwirtschaft?................................................................ 34 3.8 Ökonomie und Ökologie............................................................................................... 38 3.9 Die „Soziale Marktwirtschaft“ – der dritte Weg......................................................... 40 4 Das Scheitern der Planwirtschaft........................................................................ 43 5 Wie steht es mit der deutschen Wirtschaft heute?........................................... 45 5.1 Arbeitslosigkeit............................................................................................................ 45 5.1.1 Ursachen und Formen von Arbeitslosigkeit............................................................... 45 5.1.2 Arbeitslosigkeit: Sonderfall Ost.................................................................................. 46 5.1.3 Globalisierung und Arbeitslosigkeit........................................................................... 48 5.2 Wirtschaftswachstum.................................................................................................. 51 6 Ist der Sozialstaat noch zu retten?....................................................................... 54 7 Anhang........................................................................................................................ 57 7.1 Weiterführende Literatur............................................................................................ 57 7.2 Lösungen der Aufgaben zur Selbstüberprüfung........................................................ 58 0822 K14 © Fernstudienzentrum Hamburg 1 Lerninhalte und Lernziele Liebe Leserin, lieber Leser, „Die Wirtschaft ist unser Schicksal“ – dieser Ausspruch eines klugen, in Wirt- schaft wie in Politik erfahrenen Mannes, stammt aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts. Gilt er noch heute? Schauen Sie sich einmal um: Wenn es der Wirtschaft gut geht, wenn sie „brummt“, herrscht da nicht gute Stimmung allenthalben? Die Unternehmer freuen sich, weil sie gute Gewinne machen, und die Gewerkschaften freuen sich auch. Denn sie sehen ihre Chancen steigen, jetzt höhere Löhne für die Beschäf- tigten durchzusetzen. Arbeitslose schöpfen Hoffnung, wieder in Lohn und Brot zu kommen, Kranken- und Rentenversicherer versprechen sich von mehr Beschäftig- ten auch wieder mehr Beitragszahler für ihre Kassen. Die Politiker strahlen und geben jeden Tag ein neues Interview, wie wunderbar doch dieser Aufschwung sei: Die Steuern sprudeln reichlicher, jetzt müssten weniger Schulden gemacht werden und die Bürger könnten vom Steuersegen sogar etwas abhaben. Ihre Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen könne man jetzt (teilweise) senken. Kurzum: Die meisten Menschen sind zufrieden, schauen optimistisch in die Zukunft, leisten sich etwas und sorgen so dafür, dass der Wirtschaftsmotor weiter rund läuft. Umgekehrt sieht es aus, wenn die Wirtschaft lahmt. Da breiten sich schnell Pes- simismus und Zukunftsängste aus, denn Gründe dafür gibt es genug: Überall wer- © Fernstudienzentrum Hamburg den Löhne abgesenkt, Beschäftigte entlassen, soziale Standards abgebaut, weil sinkende Steuereinnahmen auch den Staat in die Enge treiben. Die Verbraucher halten ihr Geld fest, weil sie nicht wissen, was noch kommt. Deshalb lohnt es sich für Unternehmer nicht zu investieren – so dreht sich die Schraube weiter nach unten. Angesichts von Massenarbeitslosigkeit breiten sich Ratlosigkeit und Resignation in der Gesellschaft aus. Die Frage, wie die gegenwärtige wirtschaftliche Lage in Deutschland und die Chancen und Risiken in der Zukunft einzuschätzen sind, wird von den Experten unterschiedlich beantwortet. Die einen sehen den Aufschwung nach Finanzkrise und mageren Jahren gekommen, die anderen warnen vor langfristigen Problemen, die trotz des Zwischenhochs noch nicht gelöst seien. Dieses Heft möchte Sie fit machen, sich sachverständig an den gegenwärtigen Diskussionen zu beteiligen, wirtschaftliche Vorgänge zu durchschauen, Lösungsvorschläge zu beurteilen. Sie werden ganz sicher in kommenden Wahlen auch über Wirtschaftskonzepte mitzu- entscheiden haben: Soll der Staat die Wirtschaft nach ihren eigenen Gesetzen ablaufen lassen, oder soll er sich einmischen? In welchem Umfang? In diesem Heft werden Ihnen, ehe wir zu solchen komplizierteren Fragestellungen kommen, zunächst wirtschaftliche Grundtatsachen vorgestellt, sozusagen das ABC der Wirtschaft. Ihre bereits vorhandenen Alltagserfahrungen als wirtschaftlich denkender und handelnder Mensch werden hier lediglich in einen Zusammenhang gebracht, systematisiert. Deshalb wird Ihnen der Einstieg nicht schwer fallen, vie- les werden Sie wiedererkennen. Denn Sie nehmen ja längst als Konsument am Konsument, wirtschaftlichen Leben teil, kaufen ein, um Ihre Bedürfnisse zu befriedigen, sei es Bedürfnisse nun Salz und Brot, Kaviar oder die Eintrittskarte für ein Fußballspiel. Gleichzei- tig sind Sie vermutlich auch Produzent, verbrauchen nicht nur, sondern stellen Produzent, auch her: Tische vielleicht oder Automobile, oder Sie produzieren Dienstleistungen, Dienst- bauen etwas ein, reparieren, führen Konten, pflegen, überwachen... leistungen 5 Und das, was Sie dabei für sich erwirtschaften, Ihr Lohn oder Ihr Gehalt, ist ja auch für Sie interessant. Sie wissen, dass es von der wirtschaftlichen Entwicklung Konjunktur, im Allgemeinen und von der Konjunktur in Ihrer Branche im Besonderen stark Branche beeinflusst wird. Und wenn Sie dieses Geld dann ausgeben, handeln Sie vermutlich schon längst Wirtschaft- nach dem wirtschaftlichen Prinzip, auch wenn Sie den Begriff bisher gar nicht liches Prinzip kannten: Sie gucken herum, wo Sie für Ihren Euro am meisten bekommen oder – umgekehrt – wo Sie am wenigsten für einen Fernseher oder Kühlschrank aus- geben müssen. Ich als Autor möchte also anknüpfen an Ihre eigenen Erfahrungen und Ihnen nicht ein abstraktes Schema von Wirtschaft präsentieren. Ich denke, das wird Ihnen Mut machen, sich mit mir auf dieses Feld zu begeben, das zu Unrecht als schwierig oder trocken gilt. Soziale Markt- Schwerpunkt unserer Betrachtungen wird die Wirtschaftsordnung sein, in der Sie wirtschaft leben: die Soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Planwirtschaft Wir werden fragen, was dabei Marktwirtschaft bedeutet (und sie gegen die Plan- wirtschaft abgrenzen), und wir werden untersuchen, wie sozial sie ist. Am Ende sollen dann all die gewonnenen Einsichten auf ein konkretes Fallbei- spiel angewendet werden: auf die aktuelle Debatte um den Wirtschaftsstandort Deutschland. © Fernstudienzentrum Hamburg 6 2 Wirtschaftliche Grundtatsachen 2.1 Bedürfnisse, Güter und das „wirtschaftliche Prinzip” Menschen haben Bedürfnisse, große und kleine, wichtige und weniger wichtige. Grundbedür- Drei von ihnen sind unabweisbar: das Bedürfnis nach Nahrung, nach Kleidung fnisse des und nach Wohnung. Was über diese so genannten „Grundbedürfnisse“ hinausgeht, Menschen wird oft – wenig exakt – „Luxusbedürfnis“ genannt. Denn, wo fängt der Luxus an? Bereits damit, dass Sie sich Butter auf das trockene Brot streichen – oder erst beim Kaviar? Wann würden Sie das Grundbedürfnis nach Wohnung für erfüllt ansehen? Bei einer eigenen Schlafstätte in einem überdachten Raum, bei einem eigenen Zimmer oder erst bei der abschließbaren Wohnung? Zu unter- schiedlichen Zeiten (bei uns z. B. in der Nachkriegszeit) und in unterschiedlichen Teilen der Welt (z. B. in den Entwicklungsländern) werden diese Fragen unter- schiedlich beantwortet. Wir sprechen deshalb besser von Wahlbedürfnissen, um das zwar Erfreuliche, Wahlbedür- aber letztlich nicht absolut Notwendige von den Existenzbedürfnissen abzugrenzen. fnisse/Exis- Fest steht aber eines, was antike Philosophen schon vor zweieinhalbtausend Jah- tenzbedürfniss ren wussten: Die menschlichen Bedürfnisse sind unbegrenzt! Jeder von uns kann sich noch viele schöne und erstrebenswerte Dinge vorstellen, auch wenn seine Existenzbedürfnisse längst gedeckt sind. Ja, neue und dann vor © Fernstudienzentrum Hamburg allem auch immaterielle Bedürfnisse entstehen häufig erst, wenn vorrangige erfüllt sind. Die Grafik zeigt, wie man sich solch eine Bedürfnispyramide vorstel- len kann. Abb. 1: Bedürfnispyramide Leider stoßen aber nun die grenzenlosen Bedürfnisse der Menschen auf eine deut- liche Grenze, die sie nicht verändern können. Sie wird gesetzt von der Erde, auf der wir leben. Was unsere materiellen Bedürfnisse betrifft, so müssen wir wohl oder übel mit dem auskommen, was auf ihr an Gütern vorhanden ist, die wir als Mittel für unsere Bedürfnisbefriedigung nutzen können. Wir können diese Güter stofflich für unsere Zwecke umwandeln, aus Erdöl z. B. Benzin machen, aber in ihrer gesamten Summe vermehren können wir sie nicht. Sie sind begrenzt. 7 Von Anfang an haben die Menschen auf der Erde diese Begrenzung als Knappheit empfunden: Knappheit an Nahrungsmitteln, an Rohstoffen für ihre Werkzeuge usw. Diese Knappheit kann dauernd oder vorübergehend sein, sie kann sich hier ergeben, aber 1 000 km weiter nicht mehr, im Prinzip ist sie jedoch immer vor- handen. Lange Zeit war man der Meinung, dass es „freie Güter“ gibt, bei denen von Knappheit nicht gesprochen werden kann: die Luft z. B., die wir zum Atmen brauchen. Im Prinzip ist sie ja tatsächlich nicht knapp, aber steigende Umwelt- verschmutzung hat auch hier zum Umdenken geführt. Saubere Atemluft kann durchaus knapp werden, wenn man glaubt, Luft sei ein im Überfluss vorhandenes Gut, mit dem man nicht vernünftig umzugehen braucht. Die Menschen haben nun nicht nur die Knappheit festgestellt, sondern sie haben auch nach Strategien Ausschau gehalten, wie man dieser Knappheit begegnen kann. Die Strategie, die sie gefunden haben, heißt: wirtschaften. „Er/sie kann nicht wirtschaften“, sagen wir und meinen, hier kann jemand nicht mit dem knappen Gut „Geld“ umgehen. Er/sie setzt es nicht sparsam mit größt- möglichem Effekt ein, sondern verschwendet es, wirft es zum Fenster hinaus und hat nichts mehr, wenn er/sie später Geld braucht. Wirtschaften heißt also, Handeln nach begrenzte Mittel auf der einen Seite und unbegrenzte Bedürfnisse auf der ande- dem „wirt- ren Seite auszubalancieren, seinen Verstand zu gebrauchen, planvoll zu handeln schaftlichen und zwar nach einem Prinzip: dem wirtschaftlichen Prinzip. Prinzip”: Danach handelt derjenige wirtschaftlich vernünftig, der © Fernstudienzentrum Hamburg Minimum- 1. ein gesetztes Ziel mit geringstmöglichem Aufwand, also mit geringstmögli- prinzip chem Verbrauch von knappen Mitteln, erreicht (Minimumprinzip) und der Maximum- 2. vorhandene begrenzte Mittel so einsetzt, dass sie den größten Effekt erzielen prinzip (Maximumprinzip). Auf die Befolgung dieses Prinzips sind Prämien ausgesetzt. In grauer Vorzeit war es die Überlebensprämie. Nur wer die stets begrenzten Nahrungs- und Futtermit- tel nach diesem Prinzip einzusetzen verstand, überlebte. Sie selbst gehen nach diesem Prinzip vor, wenn Sie sich vor einem Kauf über den billigsten Anbieter informieren, aber auch in ganz banalen Situationen. Was machen Sie, wenn Sie beim Schreiben einer Urlaubspostkarte plötzlich nur noch wenig Platz haben, aber unbedingt noch einen Satz loswerden wollen? Wahrscheinlich setzen Sie das Maxi- mumprinzip ein: Sie schreiben enger und kleiner und nutzen auf diese Weise das vorgegebene und begrenzte Mittel Postkarte, den knappen Raum, so aus, dass sie die größtmögliche Zahl von Wörtern unterbringen. Noch ein Zweites muss in diesem Zusammenhang bedacht werden: Die Wirt- schaftsgüter der Erde sind nicht nur knapp, die Menschen müssen auch selbst etwas tun, um sie sich zu beschaffen. Nur im Schlaraffenland fliegen die Hühner schon gebraten in den Mund, wir müssen Kosten aufwenden, um die benötigten Güter zu erlangen: unsere Arbeitskraft, Werkzeuge, die wir erst herstellen müs- sen, Maschinen. Wir müssen Futter besorgen und die Kühe füttern, ehe wir sie melken können usw. Auch für die Kosten gilt natürlich das wirtschaftliche Prin- zip. Wer 10 Arbeiter einsetzt, wo es bei intelligenterer Arbeitsorganisation auch 5 schaffen würden, missachtet das Minimumprinzip. Seine Kosten sind zu hoch, er produziert unwirtschaftlich – und das hat in der Marktwirtschaft böse Folgen. Wir werden darauf zurückkommen. 8 Die Knappheitssituation erfordert auch immer wieder Entscheidungen. Soll ich mein Geld für ein neues Kleid oder einen modischen Anzug ausgeben oder für eine Fernreise sparen? Soll ich auf dem knappen Boden Wohnungen bauen oder weiter Kühe weiden lassen? Die Knappheit der Ressourcen lässt uns immer nur Ziele auf Kosten anderer Ziele erreichen. Das „wirtschaftliche Prinzip“ gilt für den Einsatz aller drei Produktionsfaktoren, Produktions- die von den Wirtschaftswissenschaftlern klassischerweise unterschieden werden, faktoren: nämlich für Arbeitskraft, Boden und 1. die menschliche Arbeitskraft, Kapital 2. den Boden und 3. das Kapital. Mit „Boden“ ist hier einerseits die Erdoberfläche gemeint, die man landwirtschaft- lich nutzen kann oder auf der man z. B. eine Industrieanlage errichten kann, zugleich aber auch die Bodenschätze unter der Erdoberfläche. Unter „Kapital“ ist hier nicht der Geldbesitz gemeint, der unter der Matratze schlummert. Dieses Geld wird erst dadurch zu Kapital, dass es der Produktion zur Verfügung gestellt wird, dass es investiert wird. Dies kann als Geldkapital geschehen, z. B. um Zins- Geldkapital/ zahlungen für Bankkredite zu leisten, oder als Sachkapital in Form von Indust- Sachkapital rieanlagen und Maschinen, in denen und mit denen produziert wird. Man könnte „Kapital“ auch einfach als dasjenige beschreiben, was außer der menschlichen © Fernstudienzentrum Hamburg Arbeit und dem Produktionsfaktor Boden zur Herstellung von Gütern benutzt wird. Sehr wichtig ist nun folgende Tatsache: Die Produktionsfaktoren sind (teilweise) austauschbar. Menschliche Arbeitskraft kann durch Maschinen (Kapital) ersetzt werden und umgekehrt: Menschen können Maschinen ersetzen. Das wird immer dort wirtschaftlich sinnvoll sein, wo menschliche Arbeitskraft billiger ist als der Einsatz teurer Maschinen. Sogar ein Mangel an landwirtschaftlicher Nutzfläche (Boden) kann durch Kapitaleinsatz teilweise wettgemacht werden. Die intensive Landwirtschaft in den Niederlanden ist dafür ein Beispiel. Nach dem „wirtschaftlichen Prinzip“ handeln heißt also auch, die drei Produkti- onsfaktoren so planvoll miteinander zu koordinieren, dass der größtmögliche Erfolg erzielt wird. 2.2 Produktionsmittel und Arbeitsteilung Werkzeuge – das erkannten die Menschen früh – können die eigenen Kräfte ganz erheblich steigern. Schon mit primitiven Waffen lassen sich Tiere erlegen, die dem Menschen körperlich weit überlegen sind. Aus primitiven Werkzeugen sind hoch komplizierte Maschinen geworden, die dem Menschen immer mehr körperli- che Arbeit abnehmen. Diese Werkzeuge, Geräte, Maschinen, mit denen Menschen etwas produzieren, werden Produktionsmittel genannt. Die Metallpresse, die aus Produktions- Blech Autodächer formt, ist ebenso ein Produktionsmittel wie der Trecker, mit mittel dem der Landwirt den Boden für die Getreideproduktion bearbeitet, oder der Boh- rer des Zahnarztes. Im Laufe der Entwicklung sind die Produktionsmittel immer mehr verfeinert und spezialisiert worden, und zwar in dem Maße, in dem auch die Menschen sich immer stärker nach Fertigkeit und Vorbildung in verschiedenen Berufen speziali- 9 sierten. Die Zeiten, in denen jeder noch alles herstellen konnte, sind längst vor- Arbeitsteilung bei. Denn auch das haben die Menschen herausgefunden: Neben dem Einsatz von steigert die Produktionsmitteln ist die Arbeitsteilung eine vorzügliche weitere Möglichkeit, die Produktivität Leistungsfähigkeit, die Produktivität, zu steigern. Probleme der Inzwischen hat sich das System der Arbeitsteilung überall auf der Welt durchge- Arbeitsteilung setzt. Freilich stehen den Vorteilen der Arbeitsteilung auch Probleme gegenüber. Nicht nur die Abhängigkeit jedes Einzelnen von den Leistungen anderer Men- schen ist gewaltig, auch innerhalb der Wirtschaftsbereiche verstärken sich die Abhängigkeiten und damit auch die Anfälligkeiten für Störungen ständig. Schon der Ausfall weniger Betriebe kann u. U. den Stillstand ganzer Wirtschaftszweige zur Folge haben. Arbeits- Zur Arbeitsteilung ist schon im Vor-Maschinenzeitalter die Arbeitszerlegung zerlegung gekommen, die eine weitere Produktivitätssteigerung brachte und zur Fließband- arbeit fortentwickelt wurde. Sie demonstrierte besonders krass ein weiteres Prob- lem der fortschreitenden Arbeitsteilung: Der arbeitende Mensch verliert völlig den Überblick über das Ganze, von dem seine Arbeit ein Teil ist. Er wird zum Räd- chen in einer Maschinerie, die er nicht mehr durchschaut. Inzwischen sind diese monotonen Arbeiten mehr und mehr von höchst spezialisierten und automatisier- ten Maschinenstraßen übernommen worden. 2.3 Geld und Wirtschaftskreislauf © Fernstudienzentrum Hamburg In einer nur äußerst gering arbeitsteiligen Wirtschaft ist es denkbar, dass derje- nige, der wirklich einmal etwas braucht, was er nicht selbst herstellen kann, dies von einem anderen auf dem Tauschwege erwirbt. Ware wird gegen Ware Naturaltausch getauscht, wir sprechen von Naturaltausch. Mit immer größerer Arbeitsteilung wird solch ein Naturaltausch immer umständlicher. Was sollte ein Schneider mit 50 Broten anfangen, die ihm ein Bäcker für einen Anzug anbietet? Nadel- und Zwirnlieferanten zu finden, die ihrerseits Brot annehmen, wäre eine zusätzliche Belastung für ihn. Geld als Tau- In dieser Situation erfanden die Menschen das Geld als ein neutrales, von allen schmittel akzeptiertes Tauschmittel, gegen das beliebige Waren „getauscht“ werden konnten. Außerdem bot es sich als Recheneinheit an. Plötzlich konnte man Äpfel und Bir- nen zusammenzählen, über ihren in Geld ausgedrückten Wert nämlich. Zum Thema Geld haben die Wirtschaftswissenschaftler so viele Bücher geschrie- ben, dass diese ganze Bücherschränke füllen. Wir müssen uns hier auf einige Grundüberlegungen beschränken. Geldmünzen In unserem Kulturkreis taucht Geld in Form von Münzen aus Edelmetall vor aus Edel- etwa 2 600 Jahren in Kleinasien zuerst auf. Edelmetall war deshalb gut geeignet, metall weil es selten war und weil es allseits begehrt war. Außerdem war Edelmetall haltbar, es konnte leicht aufgehoben und transportiert werden. Schließlich war es Eigenschaften verhältnismäßig leicht in eine gewünschte Größe zu teilen. Zu diesen drei Eigen- des Edel- schaften des Edelmetalls – haltbar, teilbar, selten/begehrt – kam nun bei den metalls Münzen, die aus einer Gold-Silber-Legierung bestanden, noch etwas Wichtiges hinzu: Sie trugen einen Garantiestempel. Edelmetallgehalt und ein bestimmtes Gewicht wurden durch den Stempel garantiert. Gab man die Münze weiter, musste nicht jedes Mal umständlich nachgewogen werden, was sie denn nun wert Geldmünze als war. So ist es im Prinzip bis heute geblieben. Das Recht, den Garantiestempel zu Zahlungs- erteilen, ging nach und nach auf den Staat über. Er setzte auch durch, dass mittel jedermann die so beglaubigte Münze als Zahlungsmittel annehmen musste. Für 10 unsere Urgroßeltern war das kein Problem. Wenn auf dem Goldstück 20 Mark stand und der Kopf des Kaisers zu sehen war, garantierte das, dass es sich um Gold mit 7,17 g Feingewicht handelte. Der Materialwert, nämlich Gold, war gleich dem Münzwert. Heute haben Sie auf dem 1-Euro-Stück einen Garantiestempel in Form des Bundesadlers. Aber er garantiert nicht mehr, dass Sie Metall im Gegen- wert von 1 Euro in der Hand haben. Erst recht ist das Papier, auf dem Hundert Euro steht, natürlich nicht hundert Euro wert. Aber wenn dieses Papier eine bestimmte Form und Farbe, Wasserzeichen usw. hat, dann kann man eben doch Waren im Wert von 100 Euro dafür bekommen. Was ist hier vorgegangen? Fernkaufleute im Mittelalter, denen es zu risikoreich war, mit großen Mengen Entstehung von Edelmetallmünzen quer durch Europa zu ziehen, waren auf eine Idee gekom- des bargeld- men. Sie hinterlegten ihr Geld bei einer Bank. Ein „Konto“ wurde angelegt, auf losen Zah- dem Einzahlungen und Abhebungen vermerkt wurden. Über die Höhe des hinter- lungsverkehrs legten Betrages stellte die Bank eine Bescheinigung aus, eine so genannte Bank- Note. Kaufleute, die sich untereinander kannten, akzeptierten eine solche Bank- note als Geld-Ersatz. Das Papiergeld war auf dem Marsch! Und es war denn nur Papiergeld noch ein kleiner Schritt, dass auf den Austausch von Banknoten ganz verzichtet wurde. Denn es war ja viel einfacher, beim Kauf einer Ware der Bank die Anwei- sung zu geben, vom eigenen Guthaben etwas abzuziehen und es dem Konto des Verkäufers gutzuschreiben. Statt Geld oder Banknoten auszutauschen, wurden also nur noch Zahlen in den Konto-Büchern geändert, hier abgezogen, dort hinzu- gezählt. Das Buchgeld war erfunden. Es kann – Sie wissen es – durch eine Abhe- Buchgeld bung jederzeit wieder in Papiergeld umgewandelt werden. Aber heutzutage ist es selbst im privaten Bereich nicht mehr besonders schwierig, ganz auf diesen © Fernstudienzentrum Hamburg Umtausch zu verzichten: Scheckkarte, Dauerauftrag und Abbuchungsermächti- gung machen es möglich, Zahlungen jeder Art abzuwickeln, ohne dass Sie je einen Geldschein oder eine Geldmünze in die Hand bekommen oder aus der Hand geben. Das Recht, Banknoten auszugeben, also Papiergeld zu drucken, hat im Lauf der Entwicklung der Staat an sich gezogen. Er konnte häufig nicht der Versuchung widerstehen, sich fehlende Geldmittel dadurch zu verschaffen, dass er die Druck- maschinen laufen ließ. Im 19. Jahrhundert war das freilich schwieriger als heute, denn es bestand gene- rell die Verpflichtung, jederzeit Papiergeld in die entsprechende Zahl von Gold- münzen umzutauschen. Aus dieser Zeit stammt die verbreitete, aber trotzdem falsche Vorstellung, Geld sei nur dann etwas wert, wenn es durch Gold „gedeckt“ sei. Als 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, wurde die gesetzliche Gold-Umtauschpflicht in Abschaffung Deutschland abgeschafft. Damit hatte der Staat freie Hand, die Kriegskosten der gesetzli- durch einfaches Gelddrucken zu finanzieren, wovon er dann auch in immer grö- chen Goldum- ßerem Umfang Gebrauch machte. Die Folge war, dass der Wert des Papiergeldes tauschpflicht unaufhaltsam sank, und zwar deshalb, weil es zwar mehr Geld, aber nicht mehr Güter gab, die man dafür hätte kaufen können. Denn: Geld ist nur so lange Wert des etwas wert, wie Güter dafür zu bekommen sind. Fehlt dieser Gegenwert an Geldes Gütern, so beginnt der Rückfall in den Naturaltausch. Die Zeit nach 1945 in Deutschland ist ein bekanntes Beispiel dafür. Diese Aussage, dass Geld nur so lange etwas wert ist, wie ein Gegenwert an Waren vorhanden ist, galt übrigens auch schon für Gold und Silber. Als die Spa- nier riesige Silbermengen aus ihren amerikanischen Kolonien nach Europa trans- portierten, wunderten sie sich, dass der Silberwert immer mehr sank, weil ihm ja kein entsprechend vergrößertes Güterangebot gegenüberstand. Schon die alten 11 Griechen haben diese Erkenntnis in einer Sage festgehalten. König Midas wünscht sich, dass alles, was er berührt, zu Gold wird. Das geschieht. Aber er verhungert und verdurstet, denn auch jede berührte Speise wird zu Gold, und es wird offenbar, dass Gold für sich genommen letztlich wertlos sein kann. Wirtschafts- Vom Geld heißt es, es sei das „Blut der Wirtschaft:“, wenn vom Wirtschaftskreis- kreislauf lauf gesprochen wird. Dies ist ein Bild, das aus dem Bereich des organischen Lebens übernommen ist und wirtschaftliche Vorgänge als eine Art Kreislauf ver- anschaulichen soll. Denken Sie einmal zurück an Ihre Doppelrolle als Konsument und Produzent, von der wir eingangs gesprochen haben. Als Konsument geben Sie in Ihrem Haushalt Geld aus und bekommen dafür Waren. Ihre Geldausgaben sind für die Unternehmen, die Ihnen die Waren liefern, Geldeinnahmen. Die Unterneh- men verwenden diese Einnahmen u. a. dazu, Löhne zu bezahlen. Diese Geldaus- gaben der Unternehmen fließen wiederum als Geldeinnahmen den Haushalten zu, die dafür wieder Waren kaufen usw. Lohnpolitik Praktische Folgerungen hat diese Einsicht in einen gewissen Kreislauf z. B. bei der Lohnpolitik. Höhere Löhne bedeuten für die Unternehmen zunächst höhere Ausgaben, höhere Kosten. Aber, und darauf weisen die Gewerkschaften gern hin, mit ihren höheren Löhnen können die Lohnempfänger jetzt auch mehr kaufen. Sie geben mehr Geld aus, das den Unternehmen als Einnahme wieder zufließt. Überprüfen Sie nun bitte Ihre Kenntnisse. Benutzen Sie bei der Lösung der folgenden Aufgaben bitte stets einen Bleistift, damit Sie mögliche Fehler nach © Fernstudienzentrum Hamburg dem Vergleich mit den Lösungen im Anhang berichtigen können. Es ist in Ihrem Interesse, die Aufgaben selbstständig zu lösen, ehe Sie im Anhang nachschlagen! A I. Aufgaben zur Selbstüberprüfung: 1. Welches sind die drei Grundbedürfnisse (Existenzbedürfnisse) des Menschen? 2. Warum muss der Mensch wirtschaften? 3. Wer handelt in den folgenden Beispielen nach dem Minimumprinzip, wer nach dem Maximumprinzip? a) Klara hebt von ihrem Sparbuch, auf dem sie im Jahr 1,0 % Zinsen bekommt, 2 000,– € ab und kauft dafür Finanzierungsschätze des Bun- des, für die sie nach einem Jahr 2,0 % Zinsen erhält. b) Fuhrunternehmer Schnell entwirft einen neuen Zeitplan, mit dem er die Ausnutzung seines Fuhrparks um 20 % steigern kann. c) Sebastian entscheidet sich beim Kauf eines Gebrauchtwagens für ein Modell mit 5,6 l Benzinverbrauch/100 km statt eines gleich teuren mit 7,0 l Benzinverbrauch/100 km. d) Frau Schlau kauft einen Warmwasserzubereiter, der für eine Badewan- nenfüllung 18 % weniger Strom verbraucht als ihr vorheriges Gerät. 12 4. In welchem der folgenden Beispiele wird der Produktionsfaktor Arbeit durch den Produktionsfaktor Kapital ersetzt? a) Ein Bauer ersetzt seine Arbeitspferde durch einen Traktor. b) Mathilde kauft sich einen neuen Mantel. c) Otto kauft sich eine Geschirrspülmaschine. 5. Welcher Produktionsfaktor ist nicht vermehrbar? 6. In welcher Weise kann der Produktionsfaktor Boden teilweise durch den Fak- tor Kapital ersetzt werden? a) in der Landwirtschaft, b) in der Bauwirtschaft. 7. Kann ein Fahrrad ein Produktionsmittel sein? 8. Wie unterscheiden sich Arbeitsteilung und Arbeitszerlegung? © Fernstudienzentrum Hamburg 9. Der schottische Wirtschaftswissenschaftler Adam SMITH berichtet 1776 davon, wie in einem Betrieb Stecknadeln hergestellt werden. a) Was stellt er als Besonderheit der Produktionsweise heraus? b) Welche Vorteile sieht er in dieser Produktionsweise?... Der eine Arbeiter zieht den Draht, der andere streckt ihn, ein dritter schneidet ihn, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift das obere Ende, damit der Kopf aufgesetzt werden kann. Auch die Herstellung des Kopfes erfordert zwei oder drei getrennte Arbeitsgänge. Das Ansetzen des Kopfes ist eine eigene Tätigkeit, ebenso das Weißglühen der Nadel, ja, selbst das Verpacken der Nadeln ist eine Arbeit für sich. Um eine Steck- nadel anzufertigen, sind somit etwa 18 verschiedene Arbeitsgänge notwen- dig, die in einigen Fabriken jeweils verschiedene Arbeiter besorgen, während in anderen ein einzelner zwei oder drei davon ausführt. Ich selbst habe eine kleine Manufaktur dieser Art gesehen, in der nur 10 Leute beschäftigt waren, so dass einige von ihnen zwei oder drei sol- cher Arbeiten übernehmen mussten. Obwohl sie nun sehr arm und nur recht und schlecht mit dem nötigen Werkzeug ausgerüstet waren,... waren die 10 Arbeiter imstande, täglich etwa 48 000 Nadeln herzustellen, jeder also ungefähr 4 800 Stück. Hätten sie indes alle einzeln und unabhängig voneinander gearbeitet,... so hätte der einzelne gewiss nicht einmal 20... am Tag zustande gebracht. Mit anderen Worten, sie hätten mit Sicherheit nicht den zweihundertvierzigsten... Teil von dem produziert, was sie nun- mehr infolge einer sinnvollen Teilung und Verknüpfung der einzelnen Arbeitsgänge zu erzeugen imstande waren. Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München o. J. (1974), S. 9 f., S. 17 13 10. Worin liegen a) die Vorteile, b) die Nachteile der Arbeitsteilung/Arbeitszerlegung? 11. Was bedeutet der folgende Text auf einer Banknote der Reichsbank aus dem Jahr 1910: „Ein Tausend Mark zahlt die Reichsbankhauptkasse in Berlin ohne Legitima- tionsprüfung dem Einlieferer dieser Banknote”? 12. Könnte Butter, abgepackt in 250-g-Stücke, Geld sein? A © Fernstudienzentrum Hamburg Abb. 2: 1 000 Mark-Schein von 1910 14 3 Die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland 3.1 Markt und Preis Die Soziale Marktwirtschaft ist, wie der Name sagt, zunächst eine Marktwirt- Entstehung schaft. Was „sozial“ an ihr ist, werden wir in einem späteren Kapitel genauer des marktwirt- betrachten. schaftlichen Gedankens Der Gedanke der Marktwirtschaft wurde vor 200 Jahren aus der Idee der Freiheit und der Selbstbestimmung heraus entwickelt. Als Konsument soll der Mensch frei sein zu entscheiden, welche Güter er erwerben will, und sich nicht dem unterwer- fen müssen, was andere für ihn für gut halten (Konsumfreiheit). Als Produzent soll er ebenso frei sein zu entscheiden, welches Gewerbe er betreibt (Gewer- befreiheit), wo er es betreibt (Freizügigkeit), was und wie viel er produziert (Pro- duktionsfreiheit) und mit wem er in wirtschaftliche Verbindungen tritt (Handelsfreiheit). Auch dann, wenn andere schon in einer bestimmten Branche tätig sind, darf Neuankömmlingen der Zugang nicht verwehrt werden (Wettbe- werbsfreiheit). Frei sollte sich der Handel auch international entfalten können (Freihandel), keine Zölle, Aus- oder Einfuhrbeschränkungen sollten ihn behindern. An die Stelle hergebrachter obrigkeitlicher Anordnungen soll der „Markt“ treten. Funktion des Hier wird entschieden, was hergestellt und angeboten wird. Hier werden auch die „Marktes“ © Fernstudienzentrum Hamburg Kaufinteressen des Konsumenten (möglichst billig einzukaufen) und die Verkaufs- interessen des Produzenten (möglichst teuer zu verkaufen) gegeneinander abgewo- gen und der Preis für ein Gut ermittelt. Dabei interessieren den Markt nur der Bedarf, die Nachfrage, nicht allgemeine Wünsche und Bedürfnisse. Das bedeutet: Nur wenn der Konsument auch die Mittel, sprich Geld, hat, seine Bedürfnisse zu befriedigen, wenn er also mit Geld in der Hand erscheint und sagt, was er dafür haben will, wenn er Nachfrage ausübt, nur dann ist das für den Markt von Inte- resse. Wie sollte nun im Idealfall – und nur davon sprechen wir zunächst – der Markt das Angebot, also die Produktion, bestimmen? Stellen Sie sich Ihren Wochenmarkt um die Ecke vor. Konsumenten erscheinen und wollen Äpfel kaufen, „sie fragen Äpfel nach”. Mehrere Apfelbauern bieten Äpfel aus eigener Produktion an. Wenn nun ein Apfelbauer neben süßen Äpfeln, die sich gut verkaufen, auch saure anbie- tet, die zwar ihm besonders gut schmecken, nicht aber seinen Kunden, und die deshalb liegen bleiben, dann steht er vor einer Entscheidung. Und Ihnen ist ver- mutlich jetzt schon klar, wie er sich entscheiden wird. Natürlich, er wird seine Produktion an süßen Äpfeln ausweiten und nicht mehr so viel saure Sorten anbauen. Warum? Weil er Einnahmen machen und Gewinn erzielen will. Deshalb also, aus Eigeninteresse, wird er das produzieren und anbieten, was seine Kunden haben wollen und wofür sie bereit sind, Geld auszugeben. Diese handeln ebenfalls nur aus Eigeninteresse. Dass der Bauer seine Arbeit in die Produktion der sauren Äpfel vergeblich hineingesteckt hat, wenn sie ihm nicht abgekauft werden, dass er also umsonst gearbeitet hat, interessiert sie nicht. Nur für Äpfel, die ihnen auch schmecken, geben sie ihr Geld aus. Nicht nur auf dem noch „anfassbaren“ Wochenmarkt, auch auf den Märkten im übertragenen Sinne, dem Automarkt, den Rohstoffmärkten, dem Zeitungsmarkt usw. gilt dieses Prinzip: Unternehmer erscheinen auf dem Markt nicht, um Wohl- taten zu verteilen, sondern um Gewinn zu machen. Sie können aber nur Gewinn machen, wenn sie Güter anbieten, für die eine Nachfrage seitens der Konsumen- ten besteht, wofür diese bereit sind, Geld auszugeben. Wer als Unternehmer nicht 15 so handelt, wird vom Markt „bestraft”: Sein Umsatz geht zurück, sein Gewinn Marktmodell: schrumpft, schließlich macht er Pleite. Damit verschwindet er vom Markt, weil er Nachfrage dessen Gesetze nicht beachtet hat. Im Idealfall, im Marktmodell, gilt also: Die steuert Konsumenten, die vielen einzelnen Haushalte, bestimmen durch ihre Kaufent- Angebot scheidung, was hergestellt wird. Die Nachfrage steuert die Produktion, das Ange- bot. Voraussetzung dafür, dass der Unternehmer seine Produktion nach dem Bedarf seiner Kunden einrichten kann, ist, dass er über seine Produktionsanlagen jeder- zeit frei verfügen kann. Dies ist am besten gewährleistet, wenn er Eigentümer der Produktionsmittel ist. Die Marktwirtschaft geht also davon aus, dass die Pro- duktionsmittel sich in Privatbesitz befinden. (Über zahlreiche Ausnahmen in der sozialen Marktwirtschaft sprechen wir später.) Funktion und Der Markt steuert in der Marktwirtschaft aber nicht nur die Produktion, auf ihm Steuerung der bilden sich auch die Preise. Dass die gleichen Waren nicht immer und überall den Preise in der gleichen Preis haben müssen, ist Ihnen völlig geläufig. Die ersten Kirschen aus Marktwirt- heimischer Produktion sind allemal teurer als die, die auf dem Höhepunkt der schaft Kirschernte angeboten werden. Auch Preise für Dienstleistungen schwanken: Die Fahrt mit dem Riesenrad ist am Samstag oft teurer als am Montag, Theater bie- ten die gleichen Aufführungen am Nachmittag billiger an als am Abend, von Geschäft zu Geschäft variieren die Preise für das gleiche halbe Pfund Butter. Wie kommt das alles? Preise spiegeln die Kosten wider, die dem Hersteller entstanden sind, denn unter © Fernstudienzentrum Hamburg den Selbstkosten Waren abzugeben mag kurzfristig einmal möglich sein, führt langfristig aber natürlich in den Ruin. Zu den Kosten des Herstellers kommen die Kosten für Vertrieb und Verteilung. Zu ihren Kosten addieren sowohl die Produ- zenten wie die Groß- und Einzelhändler ihre Steuern sowie eine erstrebte Gewinnspanne. So ergibt sich am Ende ein Preis, mit dem der Konsument „auf dem Markt“ konfrontiert wird. Charakteristisch für die Marktwirtschaft ist es nun, dass es sich bei dem so errechneten Preis zunächst nur um eine Preisvorstellung handelt, sozusagen eine Verhandlungsbasis. Der Markt entscheidet erst darüber, wie der endgültige Preis aussieht. Im Extrem könnte ein Produkt zwar hohe Kosten bei der Herstellung verursacht haben, aber kein Mensch daran interessiert sein, es zu erwerben. Die Nachfrage wäre gleich Null, und der Preis, der erzielt würde, wäre dann ebenfalls gleich Null. Salopp gesprochen: Das Produkt war ein Flop. Informations- Mit dem Preis, der sich auf dem Markt bildet, wird in erster Linie angezeigt, wie funktion der begehrt, d. h. wie knapp zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Ware, ein Gut ist. Preise Ist die Nachfrage groß und das Angebot klein, werden hohe Preise erzielt. Nur diejenigen kommen zum Zuge, die hohe Preise bezahlen können und wollen. Kri- tisch wird es, wenn nur ein Anbieter oder nur eine Anbietergruppe vorhanden ist und die Konsumenten auf sie angewiesen sind. Das haben die erdölexportierenden Länder 1974 vorgeführt, als sie sich verabredeten, gemeinsam die Produktion zu drosseln und gemeinsam höhere Preise zu fordern. Diese konnten sie auf dem Weltmarkt auch durchsetzen, denn weder gab es andere Anbieter, noch konnten die Autofahrer in den Industrieländern auf Benzin verzichten. Umgekehrt ist die Situation, wenn das Angebot reichlich, die Nachfrage aber nur mäßig ist. Dann werden nur niedrige Preise erzielt, denn jeder Anbieter versucht, durch günstige Preise zum Kauf anzuregen. Dabei spielt auch folgende Kalkula- tion eine Rolle, die Sie leicht nachvollziehen können: Verkaufe ich 1 000 Stück eines Artikels mit einem Gewinn von 50,– € pro Stück, dann verdiene ich weniger, 16 als wenn ich für mich nur einen Gewinn von 25,– € pro Stück einkalkuliere, ent- sprechend den Preis senke, damit mehr Käufer anlocke und den Umsatz auf 3 000 Stück steigere. Bitte, rechnen Sie nach! Wenn Sie es gern als Formel haben möchten: Lenkungs- Gewinn = Erlös minus Kosten funktion des Erlös = Preis mal Menge Preises Gewinn = (Preis · Menge) – Kosten Betrachten wir noch einmal die beiden Fälle: 1. Kleines Angebot – große Nachfrage – hohe Preise 2. Großes Angebot – kleine Nachfrage – niedrige Preise. Was geschieht, wenn im Fall 1 das Angebot zunimmt? Richtig, die Preise sinken. Und im Fall 2 steigen die Preise, wenn das Angebot kleiner wird. Preise sind also in der Marktwirtschaft ein Signal dafür, wie groß die Nachfrage nach einem bestimmten Gut ist. Die Unternehmer, von denen, wie Sie inzwischen wissen, in der Marktwirtschaft erwartet wird, dass sie sich nicht auf dem Markt © Fernstudienzentrum Hamburg tummeln, um Gutes zu tun, sondern um Gewinne zu erwirtschaften, beobachten diese Signale sehr genau. Sie werden verstärkt das produzieren und anbieten, wofür gute Preise zu erzielen sind. D. h., sie erweitern ihre Produktionsanlagen, sie investieren. Das Kapital fließt dorthin, wo es gebraucht wird. Ist die Produk- tion voll angelaufen, erhöht sich das Angebot der begehrten Güter auf dem Markt. Da aber nun unabhängig voneinander mehrere Unternehmen die begehrten Güter Ausgleichs- auf den Markt werfen, um die guten Preise zu nutzen, erhöht sich schnell das funktion des Angebot, es kann sogar eine Marktsättigung eintreten. Jetzt kommt es zu Preis- Preises bei senkungen, und zwar aus zwei Gründen. Einerseits werden Preissenkungen mög- Marktsättigung lich, weil in dieser Phase bereits wesentlich größere Serien hergestellt werden als früher. So erklärt es sich, dass z. B. Geschirrspülautomaten heute wesentlich bil- liger sind als vor 40 Jahren, ganz zu schweigen von Taschenrechnern oder Heim- computern. Andererseits werden Preissenkungen nötig, um neue Käuferschichten zu erschließen. Hatten die hohen Preise am Anfang bewirkt, dass sich das Ange- bot der (geringen) Nachfrage anpasste, so bewirken jetzt Preissenkungen, dass sich die Nachfrage dem (erhöhten) Angebot anpasst. Der Preismechanismus sorgt also dafür, dass in der Marktwirtschaft Angebot und Preis- Nachfrage sich immer auf einen Gleichgewichtszustand hin bewegen (sollen). mechanismus Halten wir die drei Funktionen des Preises in der Marktwirtschaft abschließend noch einmal fest. Er hat 1. eine Informationsfunktion, er zeigt an, wie knapp ein Gut ist, 2. eine Lenkungsfunktion, er lenkt Investitionen dorthin, wo sie benötigt wer- den, 3. eine Ausgleichsfunktion, er gleicht Nachfrage und Angebot aus. 17 3.2 Wettbewerb und Konzentration Funktion des Das Marktmodell kann nur funktionieren, wenn Wettbewerb herrscht. Nur Wett- Wettbewerbs bewerb sichert die ausreichende Versorgung des Marktes, denn nicht einer, son- in der Markt- dern viele Anbieter ringen um die Gunst der Käufer. Nur Wettbewerb sichert den wirtschaft Konsumenten, dass ihre Kaufentscheidungen wirklich die Produktion lenken. Nur Wettbewerb sorgt schließlich dafür, dass die Preise nicht in den Himmel wachsen. Im Wettbewerb wird in der Marktwirtschaft derjenige Anbieter prämiert, der die Preissignale richtig beachtet hat, mit minimalen Kosten produktiv arbeitet, die gewünschten Güter zur rechten Zeit, am rechten Ort, in der gewünschten Menge und Qualität preisgünstig anbietet. Seine Prämie besteht in dem guten Gewinn, den er machen kann und soll, weil er eine gute und schnelle Versorgung der Kon- sumenten ermöglicht hat. Für den Konsumenten ist der Wettbewerb der Anbieter vorteilhaft. Er verfügt über ein ausreichendes, vielfältiges, preiswertes Güterangebot, das aus Wettbe- werbsgründen qualitativ hochstehend und technisch auf dem letzten Stand ist. Für den Produzenten ist der Wettbewerb, jedenfalls auf den ersten Blick, eher unerfreulich. Wie viel ruhiger könnte produziert, wie viel günstiger verkauft wer- Konkurrenz in den, gäbe es nicht die böse Konkurrenz. Deshalb ist es verständlich, wenn Unter- der Markt- nehmen darüber nachdenken, wie man die Konkurrenz loswerden kann. Eine wirtschaft günstige Lösung ist es da schon, sich mit dem Konkurrenten zu arrangieren, sich vielleicht den Markt zu teilen. Der eine beliefert Norddeutschland, der andere © Fernstudienzentrum Hamburg Süddeutschland, über den Preis spricht man sich ab. Durch solche Absprachen Kartelle entsteht ein Kartell. Ein anderes bewährtes Mittel, die Konkurrenz loswerden, besteht darin, sie schlicht aufzukaufen. Das aufgekaufte Unternehmen wird anschließend entweder geschlossen, oder es produziert unter dem alten Namen weiter, aber jetzt nach einer Strategie, die außerhalb der Firma festgelegt wird. Den Zusammenschluss ehemals selbstständiger Betriebe unter einer gemeinsamen Oberleitung nennt Konzerne man einen Konzern. Konzerne sind für den Mann auf der Straße nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Wer ahnt schon, dass Rama, Lätta, Sanella, Becel und Du darfst nicht etwa aus verschiedenen Firmen kommen, sondern alle aus demselben Haus, nämlich dem Konzern Unilever-Deutschland, der auch Knorr, Pfanni, BiFi, Langnese-Eis, Lipton Ice-Tea und Iglo-Tiefkühlkost anbietet und zu dessen Angebotspalette u. a. auch Sunil, Coral, Kuschelweich, Viss, Rexona, Dove und Axe gehören. (Weitere Informationen zu diesem Konzern, seine Geschichte und Geschäftspolitik finden Sie im Internet: www.unilever.de.) Natürlich befindet sich ein solcher Konzern auch weiterhin im Wettbewerb. Mit anderen Konzernen nämlich, inländischen und ausländischen. Durchaus denkbar wäre es, dass am Ende alle Waschmittel Europas nur noch aus einem Konzern kommen, allerdings verbieten das Gesetze in der Bundesrepublik, über die später noch zu berichten sein wird. Konzentration Augenfällig ist die Konzentration im Handel, wo viele „Tante-Emma-Läden“ im Handel Supermärkten oder Handelsketten weichen mussten. Durch Großeinkauf können diese niedrigere Einkaufspreise erzielen, ihnen stehen größere Mittel für Werbung zur Verfügung. So können sie Waren günstiger anbieten und ein größeres Sorti- ment vorrätig halten. Diesen Vorsprung versuchen selbstständige Einzelhändler wieder wettzumachen, indem sie Einkaufsgemeinschaften bilden. So gibt es seit fast 100 Jahren die „Einkaufsgenossenschaft deutscher Kolonialwaren- und Lebensmittel-Einzelhänd- ler", die Sie unter dem Namen EDEKA kennen werden. 18 Werden Güter nur von einem Anbieter angeboten, sprechen wir von einem Mono- Monopol/ pol, sind es nur einige wenige, von einem Oligopol. Wer ein Monopol besitzt, kann Oligopol die Preise verlangen, die er für richtig hält. So zahlen wir alle beim normalen Briefporto noch einen Monopolpreis, während wir uns beim Paketversand inzwi- schen den günstigsten Wettbewerber aussuchen können. Im Oligopol der großen Markenfirmen steigen und fallen die Benzinpreise regional im gleichen Takt und Umfang, obwohl eigentlich Wettbewerb herrschen sollte. Fehlender Preiswettbewerb benachteiligt natürlich den Verbraucher und unter- Marktmacht stützt die Herausbildung von Marktmacht bei größeren Unternehmen. Wirtschaft- der liche Konzentration kann aber auch politisch gefährlich werden. Denn wer Unternehmen wirtschaftliche Macht besitzt, kann sie auch politisch nutzen. Die Einflussnahme eines Großunternehmens, das darauf verweisen kann, wie viel Arbeitsplätze es bereitstellt, wird immer größere Chancen haben, sich bei Parlamentsentscheidun- gen auf kommunaler oder Länderebene durchzusetzen als die Einflussnahme ein- zelner Bürger oder kleiner Verbände. Auch ist bekannt geworden, dass Konzerne in großem Stil Parteien finanziell unterstützen, um so auf Bundesebene für sie günstige Entscheidungen herbeizuführen. Ein Problem, auf das wir später noch eingehen werden, ist mit dem Marktmodell pur außerdem noch vermacht: Gegenüber der wirtschaftlichen Macht des Unter- nehmers kann der einzelne Arbeitnehmer, der seine Arbeitskraft auf dem Arbeits- markt anbieten muss, ganz erheblich ins Hintertreffen geraten. © Fernstudienzentrum Hamburg 3.3 Konjunkturen und Krisen Vielleicht kennen Sie es ja aus eigener Erfahrung: Berufe, die vor 10 oder 15 Jahren als aussichtsreich angepriesen worden sind, sind es heute längst nicht mehr. Eine Zeitlang werden Maurer, Datenverarbeiter, Lehrer, Ärzte gesucht, dann wieder spricht man von Lehrer- oder Ärzteschwemme, rät davon ab, Maurer oder Tischler zu werden. Auf Mangel folgt Überangebot, und wenn sich alle danach richten, bestimmte Berufe nicht zu ergreifen, herrscht in denen dann bald wieder Mangel. Diese Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt spiegeln Schwankun- gen in der Wirtschaft insgesamt wider. Wir nennen sie Konjunkturen. Das klassi- Konjunkturen sche Bild der Konjunkturbewegung in der Marktwirtschaft sieht so aus: 19 Abb. 3: Konjunkturbewegung in der Marktwirtschaft aus: Informationen zur politischen Bildung Nr. 177, S. 10 Hochkonjunkt Zumindest in der Vergangenheit verliefen die Konjunkturschwankungen in ur (Boom) / Deutschland nicht ganz so krass von der Hochkonjunktur (Boom) zur Depression. Depression Eher kam es, wie die folgende Abbildung zeigt, nur zu Schwankungen innerhalb einer insgesamt wachsenden Wirtschaft. Dies ist auch für die Zukunft die Hoff- © Fernstudienzentrum Hamburg nung der Wirtschaftspolitiker. Abb. 4: Konjunkturschwankungen aus: Informationen zur politischen Bildung Nr. 177, S. 10 Signale für Ein frühes Zeichen für einen beginnenden Aufschwung kommt oft aus der Inves- Auf- und titionsgüterindustrie. Wachsen dort die Aufträge, ordern also Unternehmer ver- Abschwung mehrt neue Maschinen und Anlagen, mit denen sie wiederum selbst Güter produzieren und auf dem Markt anbieten wollen, dann deutet dies auf eine opti- mistische Zukunftserwartung hin, die reale Folgen hat: Mehr Aufträge → mehr Einstellungen → mehr kaufkräftige Kunden auf dem Markt → mehr Absatz → mehr Produktion → mehr Neueinstellungen usw. 20 Hier zeigt sich, dass Wirtschaft auch viel mit Psychologie zu tun hat. Je mehr Menschen an einen kommenden Aufschwung glauben und ihr wirtschaftliches Verhalten entsprechend einrichten, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Auf- schwung auch tatsächlich kommt. Umgekehrt ist es genauso. Wird die Zukunft trübe eingeschätzt, wird geringerer Absatz erwartet, so werden kaum neue Pro- duktionsanlagen geordert werden. Die Produktionsgüterindustrie meldet dann Auftragsrückgänge, die einen beginnenden Abschwung signalisieren. Man könnte es zusammenfassend so formulieren: Ist die Schraube in Richtung Boom oder in Richtung Depression erst einmal in Bewegung, dann verstärken sich alle Kräfte gegenseitig, im Positiven wie im Negativen. Wird mehr einge- stellt, so wird mehr gekauft, und es muss wieder mehr eingestellt werden. Wird entlassen, so wird weniger gekauft, und es wird noch mehr entlassen. Überlässt man solche Entwicklungen in der Wirtschaft sich selbst, so kann es zu Krisen kommen, die weit über die Wirtschaft hinauswirken. Dies war in Deutsch- land 1932/33 der Fall, als auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise von 1929 Weltwirt- sechs Millionen Menschen ohne Arbeit waren. Beim damaligen Stand der Beschäf- schaftskrise tigung bedeutete dies, dass jeder Dritte unselbstständig Beschäftigte arbeitslos 1929 war. Diese Situation trug nicht unwesentlich dazu bei, dass die Hitler-Partei, die radikale Abhilfe versprach, zur stärksten politischen Kraft in Deutschland auf- stieg und schließlich die Demokratie beseitigte. Eine wirtschaftliche Krisensituation ganz anderer Art hat sich ebenfalls nachhal- Die Inflation tig in das Gedächtnis der deutschen Politik eingeprägt: die Inflation (lateinisch: von 1923 © Fernstudienzentrum Hamburg Anschwellen, Aufblähung [der Geldmenge]). Damit wird ein Zustand bezeichnet, in dem viel Geld vorhanden ist, aber wenig kaufbare Ware. Eine „offene“ Inflation wirklich gigantischen Ausmaßes erlebten die Deutschen 1923. Hatte vor Ausbruch der Inflation der US-Dollar 4,20 Mark gekostet, so kostete er auf ihrem Höhe- punkt 4 200 000 000 000 Mark, ein Pfund Brot kostete 260 Milliarden Mark – das Geld war nichts mehr wert. Ursache dieser Entwicklung war die Kriegsfinanzie- rung. Im 1. Weltkrieg 1914 – 1918 hatte das Deutsche Reich die Kosten für den Krieg mehr durch Schulden finanziert: Es druckte ganz einfach Geld. Nach dem verlorenen Krieg wurde diese Praxis fortgesetzt. So kam immer mehr Geld auf den Markt, ohne dass ihm Waren im gleichen Umfang zuflossen. Die Preise stie- gen unaufhaltsam, am Ende „galoppierte“ die Inflation. Ein Währungsschnitt beendete sie am 15.11.1923. Für 1 Billion Papiermark gab es 1 neue Mark, die sich zunächst Rentenmark nannte. Verlierer der Inflation waren alle, die Geld gespart hatten. Gewinner waren alle Cleveren, die vor 1923 Schulden gemacht, dafür Grundstücke, Häuser und Fabriken gekauft hatten und ihre Schulden nun mit wertlosem Geld oder im Verhältnis 1 Billion : 1 zurückzahlten. Auch der Staat machte sich auf diese Weise schuldenfrei. Dass ihr Geld plötzlich nichts mehr wert war, erlebten die Deutschen dann noch Inflationäre ein zweites Mal, nach dem 2. Weltkrieg 1945. Wieder hatte hemmungsloses Schul- Situation nach denmachen durch den Staat, der so den Krieg finanzierte, zu einem extremen dem 2. Welt- Geldüberhang (Inflation) geführt. Freilich war diese Inflation „zurückgestaut”. krieg Grundnahrungsmittel und die allernötigsten Bekleidungsartikel waren im Krieg rationiert, man bekam sie nur auf Lebensmittelkarten und durch Bezugscheine, und für diese Waren wurden die Preise vom Staat festgelegt und durften nicht verändert werden. Dies blieb auch nach 1945 zunächst so. Da freilich die offiziellen Zuteilungen sich immer mehr zu Hungerrationen entwi- „Schwarzer“ ckelten, versuchten alle, auf dem „Schwarzen“ Markt etwas dazuzukaufen. Und Markt auf diesem Markt zeigte sich dann, was die Mark wirklich noch wert war. Ein Brot kostete 60 bis 80 Mark, eine Zigarette 6 Mark. Die Währungsreform von 21 Währungs- 1948 beseitigte den Geldüberhang. Neben einem Kopfgeld von 60 Deutsche Mark reform 1948 (DM) – ca. 30 € – erhielten die Einwohner der späteren Bundesrepublik 6,5 % ihrer Ersparnisse in neues Geld umgetauscht, der Rest war verloren. Wieder waren Sachwertbesitzer fein raus. Beide Ereignisse, die Inflation von 1923 und die Währungsreform 1948, haben sich im kollektiven Gedächtnis in Deutschland eingeprägt. Zweimal hatte inner- halb weniger Jahrzehnte eine hemmungslose Schuldenpolitik der Regierungen zu extremer Geldentwertung und damit zur praktischen Enteignung weiter Kreise der Bevölkerung geführt. Die Lehre, die man daraus in Deutschland zog: Geld- wertstabilität ist ein hohes Gut, das es mit allen Mitteln zu bewahren gilt. Die Politiker in den Regierungen dürfen keine Möglichkeiten haben, durch bedenken- loses Schuldenmachen eine Aufblähung (Inflation) der Geldmenge zu verursachen. So wurden nach der Währungsreform von 1948 zahlreiche Bestimmungen geschaf- fen, die die Geldwertstabilität der neuen „Deutschen Mark“ (DM) sichern sollten. Dies gelang in den folgenden Jahrzehnten überzeugend. Die Deutsche Bundes- bank machte die DM zu einer der stabilsten Währungen der Welt. Das brachte Deutschland viele Vorteile: Gespartes Geld entwertete sich hier weitaus weniger als anderswo, rund um die Welt wählten Anleger die DM als sicheren Hafen und investierten in Deutschland. Die DM wurde zur Leitwährung in Europa. Die damit verbundene starke Stellung der Deutschen Bundesbank in Europa weckte Verdruss in Frankreich. Auch um sie zu beseitigen, drängte Frankreich auf eine DM → Euro europäische Währung. Der deutsche Bundeskanzler Kohl wollte sich diesem Gedanken nicht verschließen, er konnte es auch nicht, denn 1989/90 brauchte er © Fernstudienzentrum Hamburg die Zustimmung Frankreichs zur Wiedervereinigung Deutschlands. Aber verständ- licherweise fiel es den Deutschen nicht leicht, von ihrer DM Abschied zu nehmen. Als beschlossen war, eine gemeinsame Währung einzuführen, den Euro, setzte Deutschland Bestimmungen durch, die den Euro so stabil wie die DM machen Stabilitäts- sollten. Dazu gehört u. a. der so genannte Stabilitätspakt. In ihm verpflichteten pakt von 1997 sich 1997 die Staaten des Euro-Raumes, nur in sehr begrenztem Rahmen neue Staatsschulden zu machen. Die Netto-Neuverschuldung darf höchstens 3 % von dem betragen, was das jeweilige Land insgesamt in dem betreffenden Jahr an Wirtschaftsleistung (= Bruttoinlandsprodukt) erbracht hat. Wird dieses Ziel ver- fehlt, so drohen erst Ermahnungen und dann saftige Geldstrafen. Nicht ganz ohne Schadenfreude beobachteten Deutschlands Partnerländer in der EU dann 2002, dass es Deutschland selbst war, das diese Hürde als eines der ersten EU-Länder riss, zusammen mit Portugal. Europäische Über die Geldwertstabilität des Euro wacht die Europäische Zentralbank. Sie ist Zentralbank in ihren Entscheidungen von den Regierungen der EU-Staaten unabhängig. Ihre Geldpolitik ist darauf gerichtet, die Inflationsrate nicht über 2 % steigen zu las- sen, d. h. gegenüber dem Vorjahr sollen die Preise im Euro-Raum jährlich im Durchschnitt nicht über 2 % steigen. Folgen von Nicht nur extremer Geldübergang (Inflation), sondern auch extreme Geldknappheit extremer (Deflation) kann eine wirtschaftliche Krisensituation heraufbeschwören. In Geldknappheit Deutschland war sie in der Weltwirtschaftskrise gegeben. Wer Geld hatte, hielt es (Deflation) fest, entweder als Notgroschen oder aus Angst, es bei der stagnierenden wirt- schaftlichen Gesamtlage, bei welcher Investition auch immer, zu verlieren. Der Wirtschaftskreislauf mit dem Geld als „Blut“ der Wirtschaft stockte. Erst staatli- che Maßnahmen, mit denen – neben Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – die Mobi- lisierung des zurückgehaltenen Geldes erreicht werden konnte, führten aus der Deflationskrise heraus. 22 Lassen Sie uns an dieser Stelle aus den drei letzten Kapiteln noch einmal die fünf wesentlichen Merkmale der Marktwirtschaft nach dem Marktmodell zusam- menfassen: 1. Privatbesitz an Produktionsmitteln, über die jederzeit frei verfügt werden kann 2. Wettbewerb/Konkurrenz der Anbieter auf dem Markt 3. Steuerung der Produktion durch die Summe privater (dezentraler) Kaufent- scheidungen auf dem Markt 4. Preisbildung auf dem Markt nach Angebot und Nachfrage 5. Privates Gewinnstreben (Eigeninteresse/Egoismus) als Antriebskraft wirt- schaftlichen Handelns. Für visuelle Typen noch einmal das Marktmodell auf einen Blick. Sie sehen: Der Markt regelt alles, der Staat bleibt draußen, jedenfalls in der „reinen“, der freien Marktwirtschaft. Dass es in der „sozialen“ Marktwirtschaft etwas anders aussieht, werden Sie später noch erfahren. © Fernstudienzentrum Hamburg Abb. 5: Marktmodell aus: GABLER Lexikon Redaktion (Hrsg.) Kleines Lexikon Wirtschaft. Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1991, S. 193 23 A II. Aufgaben zur Selbstüberprüfung: 1. Was stellt der schottische Wirtschaftswissenschaftler Adam SMITH 1776 als die Antriebskraft heraus, die in der von ihm propagierten Marktwirtschaft wirken soll? Der Mensch ist fast immer auf Hilfe angewiesen, wobei er jedoch kaum erwar- ten kann, dass er sie allein durch das Wohlwollen der Mitmenschen erhalten wird. Er wird sein Ziel wahrscheinlich viel eher erreichen, indem er ihnen zeigt, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, das für ihn zu tun, was er von ihnen wünscht.... Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil. Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen, a.a.O., S. 17 2. Welche Informationen liefert der Preis eines Gutes? © Fernstudienzentrum Hamburg 3. Warum ist Heizöl im Sommer billiger als im Winter? 4. Warum werden in „Aktionswochen“ (früher z. B. Winterschlussverkauf) die Preise herabgesetzt? 5. In welchen der folgenden Fälle tritt Preissteigerung, in welchen Preissenkung ein? a) Angebot sinkt bei gleicher Nachfrage b) Angebot steigt bei gleicher Nachfrage c) Nachfrage steigt bei gleichem Angebot d) Nachfrage sinkt bei gleichem Angebot e) Angebot sinkt bei steigender Nachfrage f) Angebot steigt bei sinkender Nachfrage 6. Die Selbstkosten einschl. Steuern seien für ein Produkt 2,– €. Welche Kalku- lation ist für den Produzenten die günstigste: a) Abgabepreis 5,— € geschätzter Absatz 1 000 Stück b) Abgabepreis 4,— € geschätzter Absatz 3 000 Stück c) Abgabepreis 3,— € geschätzter Absatz 4 000 Stück d) Abgabepreis 2,50 € geschätzter Absatz 5 000 Stück 7. Was bedeutet Inflation? 24 8. Was entnehmen Sie den folgenden Anzeigen aus dem „Hamburger Nachrich- ten-Blatt“ vom 4.9.1945? Tausch Damen-Armbanduhr Gold gegen Herren-Wintermantel (1,78) schlank Elektr. Schneider-Bügeleisen gegen ca. 2 m Anzugstoff Elektr. Zimmerofen gegen 2 Kochtöpfe f. elektr. Herd u. 2 andere Kochtöpfe Elektr. Wanduhr, erstkl., geg. großes Waschbecken mit 2 Hähnen Herren-Wintermantel, neu, geg. Damen-Fahrrad Herren-Wintermantel, mittl. Gr., prima Qual., geg. Couch Malerarbeiten gegen Herren-Bekleidung. Schlanke Figur. Gr. 1,69 Mädch.-Unterwäsche, neu, versch. Gr., geg. Heizplatte 2 Steppdecken geg. Nähmaschine A 3.4 Wie mächtig ist der Verbraucher wirklich? © Fernstudienzentrum Hamburg In drei Kapiteln habe ich Ihnen vorgestellt, wie die Marktwirtschaft funktioniert, genauer: wie sie nach dem Marktmodell funktionieren sollte. Jetzt müssen wir einen Moment innehalten und fragen: Stimmt das eigentlich mit der Realität überein? Ist der Verbraucher wirklich so mächtig, dass seine Kaufentscheidungen Rolle der die Produktion lenken und die Preise bestimmen? Wie Unternehmer den Markt- Kaufent- faktor „Wettbewerb“ erfolgreich zurückdrängen können, haben wir schon kennen scheidung gelernt. Sind nicht auch die unvorhersehbaren Kaufentscheidungen des Konsu- menten ein Risiko für ihn, das es zumindest zu verkleinern gilt? Gewiss. Überle- gen Sie einmal, wie viel Jahre es dauert von der ersten Zeichnung eines neuen Automodells bis zur Auslieferung des ersten Wagens. Kann es sich da der Auto- mobilhersteller wirklich leisten abzuwarten, ob sein neues Modell den Käufern gefällt oder nicht? Würden Sie an seiner Stelle nicht auch eine Menge tun, um die möglichen Käufer zu beeinflussen, damit sie auch abnehmen, was Sie mit erheblichen Kosten entwickelt haben? Und so geschieht es auch. Schon im Vorfeld der Produktion betreiben die Unternehmen Marktforschung, um Markt- sich darüber zu informieren, was sich vermutlich gut verkaufen lässt, ein Auto forschung mit größerem Kofferraum vielleicht oder mit bequemeren Rücksitzen. Kommt das neue Modell auf den Markt, setzt die direkte Werbung ein, die indirekt schon Werbung zuvor durch lancierte Berichte in der Fachpresse begonnen hat. Das neue Modell wird angekündigt, und es wird informiert, welche Eigenschaften es besitzt. Aber mit solcher durchaus notwendigen Sachinformation gibt sich Werbung in aller Regel nicht zufrieden. Sie wird auch davon reden, dass Sie Ihre Jugendlichkeit und Ihren sicheren Geschmack beweisen, wenn Sie dieses Auto kaufen, und Ihnen mitteilen, dass auch der Kaiser von China gesagt hat, ein besseres Auto gebe es nicht. Oder die Werbung wird an Ihr Treueverhalten appellieren, an die guten Erfah- rungen, die Sie doch immer schon mit der Firma XY gemacht haben. Auf Plaka- ten, in Anzeigen, in Rundfunk-, Fernseh- und Kinospots wird Ihnen der neue Name eingehämmert. Flankierend werden Fachjournalisten gewonnen, die z. B. 25 ein neues Auto für Testfahrten erhalten, darüber im Autoteil ihrer Zeitungen berichten und damit natürlich auch den Bekanntheitsgrad des neuen Produkts erhöhen. Werbeträger Hauptwerbeträger waren 2009 nach wie vor die Tageszeitungen, gefolgt vom Fern- sehen und der Werbung per Post. Erst dann folgten Anzeigenblätter, Illustrierte, Adressbücher, Fachzeitschriften, Online-Angebote, Außenwerbung, Hörfunk (in dieser Reihenfolge). Insgesamt nahmen die Werbeträger 2009 18,4 Milliarden € ein. Marketing Auf dem Markt ist also nicht nur der aktuelle Kaufwunsch der Konsumenten (produktionssteuernd) wirksam, sondern ebenso (konsumsteuernd) das Marketing des Produzenten, d. h. alle seine zur Förderung des Absatzes betriebenen Aktivi- täten: Marktforschung, daran anknüpfende Produktionsentwicklung, Public rela- tions, Werbung und Vertrieb. Manipulation Manipuliert nun der Produzent mittels der Werbung die Konsumenten? Bestimmt durch also tatsächlich nicht die Summe der Konsumenten die Produktion, sondern Werbung? umgekehrt der Produzent, was konsumiert wird? Als Argument für die Produzentenübermacht wird in erster Linie die Werbung herangezogen, von der behauptet wird, sie überrede, ja zwinge den Konsumenten, etwas zu erwerben, was er gar nicht braucht, dafür Geld auszugeben, das er gar nicht hat („Kaufen Sie jetzt, zahlen Sie später“), um dem zu imponieren, den er nicht mag („Haste was, dann biste was“). Das Ganze sei „Konsumterror“. So hät- © Fernstudienzentrum Hamburg ten Millionen von Menschen in der Vergangenheit jeden Morgen ihre Armbanduhr problemlos aufgezogen. Das Angebot der Uhrenindustrie, ihnen dies durch eine Batterie abzunehmen, stieß auf Gegenliebe. Uhren ohne Batterien waren bald kaum noch zu verkaufen. Eine Folge davon ist, dass derjenige, der vielleicht aus Umweltschutzgründen keine Batterien verbrauchen will, keine batterielose Uhr mehr bekommt oder sie sehr sehr teuer bezahlen muss, denn sie wird, wenn über- haupt, ja nur noch in sehr kleiner Serie gebaut. Außerdem sorgten die Produzen- ten durch geplanten Verschleiß und durch schnellen Modenwechsel dafür, dass verschwenderisch konsumiert werden müsse, um die Massenproduktion in Gang zu halten. Gegen diese Meinung wird vorgetragen, dass die Werbung keineswegs neue Wün- sche produziere, sondern nur solche Wünsche anspricht, die ohnehin – vielleicht nur unbewusst – vorhanden sind. Irreführende Werbung werde vom Konsumenten schnell durchschaut, viele Beispiele belegten, dass selbst millionenschwere Wer- bung nichts erreichte, wenn die Konsumenten sich partout z. B. nicht an einen geänderten Geschmack von Coca-Cola gewöhnen wollten und so erzwangen, dass die alte Geschmackssrichtung wieder angeboten wurde. Auch sei eine Erhöhung des Verbrauchs durch Werbung im Prinzip ja nicht schädlich, denn sie mache Serienproduktion und damit niedrigere Preise möglich. Als weiterer Beweis für die Ohnmacht des Verbrauchers auf dem Markt wird angeführt, dass er bei der Fülle des Angebots gar keinen Überblick mehr gewin- nen könne und so gar keine begründeten Kaufentscheidungen mehr treffen könne. Markt- Es fehle die Markttransparenz, die das Marktmodell voraussetzt. So sei ein Nor- transparenz malverbraucher gar nicht in der Lage, z. B. beim Kauf einer Waschmaschine zu entscheiden, ob Qualität und Preis wirklich in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, die teilweise erheblichen Preisunterschiede wirklich begründet sind. Was ihm beim Vergleich des Angebots und der Preise zweier Fischhändler auf dem Wochenmarkt noch gelingen möge, hier sei er überfordert und der Pros- pektwerbung und den Überredungskünsten des Verkäufers ausgeliefert. Gegen 26 diese Argumentation wird vorgebracht, dass Verbraucherzentralen und Test-Zeit- Verbraucher- schriften es dem Verbraucher sehr wohl ermöglichten, sich auch über das Angebot zentralen und technischer Gebrauchsgüter einen Überblick zu verschaffen, der begründete Kauf- Testzeit- entscheidungen möglich mache. schriften Ja, ist der Verbraucher also nun mächtig oder nicht? Es ist an Ihnen, sich zu die- ser Frage eine begründete Meinung zu bilden. 3.5 Arbeit und Arbeitnehmer Ob Sie arbeiten, um zu leben, oder ob Sie leben, um zu arbeiten, diese philoso- phische Frage entscheiden Sie bitte für sich selbst. Wir wollen hier nicht von der Arbeit überhaupt und ihrer Bedeutung für den Menschen sprechen, sondern nur eine spezielle Form der Arbeit betrachten. Diejenige nämlich, die ein wirtschaftli- ches Ziel hat, diejenige, mit der ein Einkommen, ein Ertrag erzielt werden soll. Wir nennen sie Erwerbsarbeit. Erwerbsarbeit Daneben gibt es natürlich noch andere Formen der Arbeit, die für die Gesellschaft von gleich hoher Wichtigkeit sind. An erster Stelle ist dabei an das Aufziehen und die Betreuung von Kindern zu denken, eine für jede Gesellschaft schlechthin unverzichtbare Arbeit, auch wenn sie meist nicht als Erwerbsarbeit bezahlt wird. Gleiches gilt für unentgeltliche pflegerische Arbeit für Angehörige. Ansätze, beide Formen von Arbeit nicht nur im öffentlichen Bewusstsein, sondern auch finanziell © Fernstudienzentrum Hamburg der Erwerbsarbeit gleichzustellen, gibt es immerhin schon. So werden im Renten- recht Kindererziehungszeiten in gewissem Umfang so angerechnet, als ob der Betreffende Erwerbsarbeit geleistet habe (Babyjahr), auch führt pflegerische Fami- Familienarbeit lienarbeit seit kurzem zu gewissen finanziellen Vorteilen. Weiter wäre an die Hausarbeit im engeren Sinne zu denken, die Nahrungszubereitung und Instand- haltung der Wohnung, schließlich an die Eigenarbeit, vom Tapezieren bis zur Autoreparatur, bei der zwar kein Einkommen erzielt, aber Ausgaben gespart wer- den. Aber auch die nicht auf Erwerb gerichtete künstlerische Tätigkeit würde, neben anderen Formen der Arbeit, hierher gehören. Die Wirtschaftswissenschaftler interessiert die Erwerbsarbeit unter anderem auch aus folgendem Grund besonders: Wenn man all das zusammenzählt, was durch Erwerbsarbeit in einem Jahr in einem Land geschaffen wurde, gelangt man zu einer vielseitig verwendbaren Größe, die man Bruttoinlandsprodukt (BIP) nennt. Bruttoinlands- Das Bruttoinlandsprodukt ist, anders formuliert, der Geldwert aller von Inländern produkt und Ausländern in einem Jahr in einem Land produzierten Güter und Dienstleis- tungen, die einen Marktwert besitzen. Mit dieser Recheneinheit kann man also feststellen, was eine Volkswirtschaft in einem Jahr geleistet hat, man kann dies mit dem Vorjahr vergleichen, mit anderen Ländern vergleichen, man kann den Anteil der unterschiedlichen Wirtschaftsbereiche (Land- und Forstwirtschaft, Warenproduzierendes Gewerbe, Handel und Verkehr, Dienstleistungen, Staat/Pri- vate Haushalte) bei der Entstehung des Bruttoinlandsprodukts betrachten und daraus Schlüsse ziehen, welche Branchen wachsen und welche schrumpfen. Gern wird auch die Höhe des Bruttooinlandsprodukts als Anzeige für den Wohlstand eines Volkes angesehen. Dies ist jedoch nicht ganz unproblematisch, denn einerseits werden bestimmte Leistungen innerhalb der Volkswirtschaft gar nicht erfasst (Arbeit von Müttern, Hausfrauen, private Pflege), auch wird z. B. nicht ermittelt, welcher Preis an Umweltzerstörung für das Bruttoinlandsprodukt bezahlt wurde. 27 Es kann auch zu widersinnigen Ergebnissen kommen: Das Bruttoinlandsprodukt steigt z. B. auch, wenn in einem Jahr besonders viele Häuser oder Fabrikanlagen abgerissen, Werte also nicht geschaffen, sondern vernichtet werden. Denn den Löhnen der Bauarbeiter, die in das Bruttoinlandsprodukt eingehen, ist nicht anzusehen, ob dafür Aufbau- oder Abbauleistungen erbracht wurden. Verteilung des Bruttoinlands- Ganz besonders interessant wird es natürlich, wenn es an das Verteilen des Brut- produktes toinlandsprodukts geht. Wer soll wie viel von dem gemeinsam erarbeiteten Kuchen erhalten? Was soll verbraucht, was soll investiert werden? Selbstverständ- Unterschiedl. lich sind die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände völlig unterschiedlicher Auffassungen Meinung darüber, welcher Anteil jeweils ihren Mitgliedern am Bruttoinlandspro- von Gewerk- dukt gerechterweise zusteht, sei es als Lohn und Gehalt bei den Beschäftigten schaften und oder als Gewinn bei den Unternehmern. Womit wir bei der wichtigen Frage Arbeitgeber- wären, wie eigentlich der Lohn für geleistete Arbeit ermittelt wird. verbänden Doch zuvor noch ein Hinweis: In Statistiken finden Sie neben dem Begriff Brut-