Skript zu Vorlesung 3 PDF
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This document is a summary about the lecture on knowledge in philosophy. It discusses the concept of knowledge and different types of knowledge. It also touches on the sources of knowledge.
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Kap III. Wissen Kapitel III. Wissen „Ich will nichts mehr wissen“, sagte der Mann, der nichts mehr wissen wollte. Der Mann, der nichts mehr wissen wollte, sagte: „Ich will nichts mehr wissen“. Da...
Kap III. Wissen Kapitel III. Wissen „Ich will nichts mehr wissen“, sagte der Mann, der nichts mehr wissen wollte. Der Mann, der nichts mehr wissen wollte, sagte: „Ich will nichts mehr wissen“. Das ist schnell gesagt. Das ist schnell gesagt. [Der Mann der nichts mehr wissen wollte, Peter Bichsel; in: Bichsel, Kindergeschichten, Luchterhand 1969] 昔者莊周夢為胡蝶,栩栩然胡蝶也,自喻適志與。不知周也。 俄然覺,則蘧蘧然周也。不知周之夢為胡蝶與, 胡蝶之夢為周與。周與胡蝶,則必有分矣。此之謂物化。 [Zhuang Zhou Dreams of Being a Butterfly, Zhuangzi] §1. Themenblitz Erkenntnistheorie: Die Lehre vom Wissen Unsere moderne Gesellschaft misst dem Wissen und der Wissensvermittlung einen gewaltigen Stellenwert bei – wie man am Schulwesen sieht, am Universitätswesen, aber auch an öffentlichen Diskussionen zu Anlässen wie der gegenwärtigen Pandemie oder der Klimakrise. Auch die Philosophie ist seit jeher am Wissen interessiert. Einerseits liegt ihr natürlich an der Ver- mittlung von Wissen über die in ihr behandelten Themen. Andererseits macht sie das Wissen aber auch zum Gegenstand philosophischer Betrachtungen. Tatsächlich ist dem Wissen einer der zentra- len Kernbereiche der Philosophie gewidmet, die sogenannte Erkenntnistheorie. – Übrigens wird von Erkenntnis vor allem in klassischen deutschen Texten zur Philosophie gesprochen, und zwar dort, wo heute meistens von Wissen gesprochen wird (im Englischen heißt die Erkenntnistheorie mit einem lateinischen Fremdwort epistemology, übersetzt: theory of knowledge). Drei zentrale Fragen der Erkenntnistheorie lauten: ▪ Was ist Wissen überhaupt? Anders gefragt: Wie kann man den Begriff des Wissens defi- nieren? ▪ Auf welche Weisen können wir Wissen erwerben? Etwas altertümlicher: Was sind unsere Erkenntnisquellen? ▪ Was können wir wissen? Ist alles, was der Fall ist, auch wissbar, oder sind unserem Wissen Grenzen auferlegt? Falls ja, gelten diese Grenzen speziell für menschliches Wissen oder für alles Wissen schlechthin? Und wie eng sind diese Grenzen – womöglich so eng, dass wir eigentlich gar nichts wissen? Seite 39 Kap III. Wissen Darüber hinaus gibt es aber zahlreiche weitere Fragen, die in der Erkenntnistheorie behandelt werden. Dazu gehören auch Fragen, die nicht direkt den Begriff des Wissens betreffen, sondern verwandte Begriffe, wie etwa die der Überzeugung, der Rechtfertigung, der guten Gründe, etc. In diesem Kapitel möchte ich auf die erste und dritte der obenstehenden Fragen ein wenig näher eingehen; die zweite werde ich dabei nur streifen. §2. Was ist Wissen? §2.a. Vorklärung: Alltäglicher Wissensbegriff Nur kurz vorweg: Wenn Philosoph*innen den Begriff des Wissens diskutieren, dann meinen sie damit den Begriff, der in unserer alltäglichen Rede vom Wissen zum Ausdruck kommt. Es soll kein künstlicher Begriff in einer philosophischen Fachsprache konstruiert werden, sondern es soll erhellt werden, was im Deutschen unter der Rede von Wissen zu verstehen ist. Ein Maßstab für die Bewertung einer Wissensdefinition ist daher, inwieweit sie unsere alltägliche Rede von Wissen erklären kann. Dennoch dürfen Philosoph*innen natürlich auch Meinungen zum Wissen vertreten, die sich nicht mit der Alltagsauffassung decken. Aber wo das geschieht, da soll- ten sie gute Gründe dafür anführen können. Beispielsweise könnte es sein, dass wir im Alltag manchmal feine Unterschiede verwischen, weil sie für praktische Belange keine große Rolle spie- len. Oder auch, dass wir bestimmte Überzeugungen übers Wissen haben, die wir aufgeben würden, wenn wir näher drüber nachdenken würden, etc. Was gehört zur Alltagsauffassung vom Wissen, die zumindest als erster Prüfstein für philosophi- sche Positionen herangezogen werden kann? Insbesondere wichtig sind Wissenszuschreibungen. Oft sagen wir von Leuten, dass sie etwas wissen bzw. nicht wissen. Solche Einschätzungen spielen in der philosophischen Debatte eine zentrale Rolle. Dafür werden oft auch fiktive Beispielsituationen beschrieben, bei denen man sich fragen soll, ob jemand etwas weiß oder nicht. Bei der Beantwor- tung soll man sich dann einerseits auf sein gesundes Sprachgefühl verlassen, andererseits aber ein wenig genauer nachdenken als im Alltag üblich. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, was wir im Alltag an Wissensquellen zulassen. Die Frage nach Wissensquellen lautet: Woher wissen wir, was wir wissen? Üblicherweise akzeptieren wir eine Reihe unterschiedlicher Wissensquellen. Eine besonders wichtige Quelle bildet unsere Wahrneh- mung. Wir sehen Dinge, hören sie, riechen, schmecken und ertasten sie; auf diese Weise erlangen wir Wissen über das, was wir wahrgenommen haben. Eine weitere wichtige Quelle bildet unsere Vernunft. Sie erlaubt uns zum Beispiel, aus unseren Erfahrungen etwas zu erschließen, das wir nicht direkt wahrgenommen haben. Auch scheinen wir abstraktes Wissen durch reines Nachdenken er- langen zu können, wie zum Beispiel über mathematische oder logische Zusammenhänge. Aber mit Wahrnehmung und Vernunft ist die Liste unserer Wissensquellen noch nicht vollständig. Denn Seite 40 Kap III. Wissen vieles, was wir wissen, haben wir weder selber wahrgenommen noch durch Nachdenken heraus- gefunden, sondern von vertrauenswürdigen Informant*innen übernommen. Unser gesamtes Schul- und Universitätssystem basiert auf der Annahme, dass Lehrer*innen ihr Wissen weiterge- ben können. Aber auch im Privatleben weiß ich vieles nur durch die Weitergabe durch Infor- mant*innen. Zum Beispiel weiß ich so einiges über das Leben meiner Eltern vor meiner Geburt. Das weiß ich, weil sie mir davon berichtet haben. Und dasselbe gilt für vieles, das ich über Freunde und Bekannte weiß. Ich weiß es aus Erzählung. Somit erkennen wir im Alltag mindestens drei Wissensquellen an: Wahrnehmung, Vernunft und Wissensweitergabe durch Informant*innen. §2.b. Eine Wissensdefinition Ich weiß anscheinend so einiges, von ziemlichen Banalitäten – beispielsweise, dass der Dienstag auf den Montag folgt – zu moderat komplexeren Dingen – beispielsweise, dass der Inhalt einer Kugel mit Radius R gleich 4/3**R3. Was aber heißt es, dass ich etwas weiß? Was ist Wissen? Wenn ich etwas weiß, dann befindet sich mein Wissen in meinem Geist. Wissen ist ein mentaler Zustand. Aber kein beliebiger. Etwas zu wissen, beinhaltet, ihm geistig zuzustimmen, es als wahr zu akzeptieren. Diese geistige Zustimmung wird in der Philosophie als Überzeugung oder Glauben bezeichnet. Wer weiß, dass Kühe wiederkäuen, der glaubt auch, dass sie es tun; er hat die Über- zeugung, dass sie es tun. Warnung am Rande: Die Rede von Überzeugungen klingt oft so, als sei sich jemand einer Sache sehr sicher; in philosophischen Kontexten wird von dieser Assoziation aber abgesehen. Man kann sich daher einer Überzeugung sehr, moderat oder auch nur bedingt sicher sein. Die Rede vom Glauben hingegen könnte einen religiösen Anklang hervorrufen. Auch den sollte man in philosophischen Kontexten ignorieren. Etwas zu glauben heißt im Weiteren einfach, eine Überzeugung zu haben. Zurück zur im Raum stehenden These: Wissen beinhaltet geistige Zustimmung, also eine Über- zeugung. Wer nicht glaubt, dass die Erde kugelförmig ist, der weiß es auch nicht. So weit, so gut; aber das reicht offenbar nicht für eine Definition von Wissen aus. Sonst fiele Wissen ja einfach mit Glauben zusammen. Aber nicht alles, was man glaubt, weiß man auch. Was gehört zum Wissen noch dazu? Um der Frage nachzugehen, kann man sich überlegen, unter welchen Bedingungen man jemand anders Wissen absprechen würde. Nehmen Sie zum Beispiel an, Ottokar behauptet zu wissen, dass die Erde eine Scheibe ist. Wahrscheinlich werden Sie ihm widersprechen. Nun fragen Sie sich, aus welchem Grund Sie das tun würden? Die Antwort ist (oder sollte sein): Die Erde ist keine Scheibe; daher kann Ottokar auch nicht wissen, dass sie eine Scheibe ist. Er kann es natürlich glauben; aber wenn er es tut, dann irrt er sich. Wissen und Irrtum sind ein wichtiges Gegensatzpaar. Sie unter- scheiden sich in Bezug auf den Wahrheitsgehalt von dem, was man glaubt. Wer sich irrt, glaubt etwas, das falsch ist. Wer etwas weiß, glaubt etwas, das wahr ist. Sind wir damit nun vielleicht bereits am Ziel? Ist Wissen einfach eine wahre Überzeugung? Seite 41 Kap III. Wissen Vielleicht könnte man meinen, Wissen würde ein hohes Maß an Gewissheit bzw. des Sich-Sicher-Seins verlangen. Mit anderen Worten: Nur feste Überzeugungen können als Wissen gelten. Dafür könnte sprechen, dass man gerade da mit Nachdruck sagt: „Ich weiß das aber“, wo man sich seiner Sache sicher ist. Wo aber nicht, da vermeidet man die Selbstzuschreibung vom Wissen eher. – Doch viele Philosoph*innen würden meinen, beim Wissen ist unsere Praxis der Selbstzuschreibung irrefüh- rend. Denn in der Perspektive der dritten Person scheinen wir Wissen nicht an ein Sich-Sicher- Sein zu koppeln. Das zeigt sich insbesondere an Situationen der Wissensabfrage. Nehmen Sie an, eine Studentin kann bei einer mündlichen Prüfung alle Fragen richtig antworten, wobei Schum- meleien und Rateglück aufgrund der Prüfungssituation auszuschließen sind. Da sagen wir, sie wusste die Antworten; ob und wie sehr sie beim Test gezittert haben mag, spielt dabei keine Rolle. Subjektive Sicherheit ist keine notwendige Bedingung für Wissen. Und dennoch ist Wissen nicht einfach eine wahre Überzeugung. Das kann man sich an weiteren Beispielen klarmachen. Bernard glaubt fest an Gottes Existenz, Bertrand fest an Gottes Nichtexistenz. Beide tun dies aus einer Mischung aus Bauchgefühl und Herdentrieb, weil ihre Umwelt das mehrheitlich auch tut. Keiner von beiden hat sich nachhaltig mit der Sache auseinandergesetzt, keiner hatte ein Erweckungser- lebnis oder Ähnliches. Ich denke, hier kann man sich schnell einig sein: Beide haben bloß einen Glauben, aber kein Wissen. Aber: Entweder gibt es Gott oder es gibt ihn nicht. Im ersteren Fall hat Bernard die wahre Überzeugung, dass es ihn gibt; im zweiten Fall hat Bertrand die wahre Überzeugung, dass es ihn nicht gibt. Dennoch würden wir eben nicht sagen, einer von den beiden wisse, ob es Gott gibt. Ihre Überzeugungen entbehren der richtigen Grundlage, um als Wissen zu gelten. Also besteht Wissen in mehr als einer wahren Überzeugung. Ein anderes Beispiel: Donald ist ziemlich schlecht in Mathe; bei schwierigen Rechenaufgaben er- zielt er seltenst das richtige Ergebnis. Aber Donald hat zugleich ein überhöhtes Selbstvertrauen und glaubt jedes Mal fest an seine Lösung. Mal wieder versucht er sich an einer Aufgabe und verrechnet sich dabei mehrfach. Doch wie immer ist er von seiner Lösung überzeugt und sagt: Ich weiß, das richtige Ergebnis ist 140. Nun stimmt das diesmal auch; seine Rechenfehler haben sich zufälligerweise gegeneinander aufgehoben. Wusste er also, dass das richtige Ergebnis 140 ist? Mit- nichten. Zwar hatte er eine wahre Überzeugung, aber er ist auf einem falschen Weg zu ihr gelangt; seine fehlerhafte Rechnung ist keine Grundlage für Wissen. Wegen Beispielen dieser Art meinen Philosoph*innen, zum Wissen sei mehr vonnöten als eine wahre Überzeugung: Die Überzeugung muss zudem eine akzeptable Grundlage haben; es muss also für sie gute Gründe geben, sie muss gerechtfertigt sein. Dann liegt in der Tat Wissen vor. Aufgrund der obigen Überlegungen bietet sich die folgende Wissensdefinition an: WISSENSDEFINITION Wissen ist wahre, gerechtfertigte Überzeugung. Etwas anders ausgedrückt: Seite 42 Kap III. Wissen WISSENSDEFINITION (ALTERNATIVE FORMULIERUNG) x weiß, dass Ladida Df. (i) x glaubt, dass Ladida, (ii) x hat gute Gründe, zu glauben, dass Ladida, und (iii) es ist wahr, dass Ladida. Manchmal wird dies übrigens als die klassische Wissensdefinition bezeichnet, weil man meint, dass sich ähnliche Vorschläge in verschiedenen Klassikern der Philosophie finden (wobei das von eini- gen Philosoph*innen bestritten wird – diesem Streit der philosophischen Geschichtsschreibung müssen wir uns hier nicht widmen). §2.c. Ein Problem für unsere Wissensdefinition Die erarbeitete Wissensdefinition hat vieles für sich. Dennoch ist sie nicht korrekt. Ein kleines Gedankenexperiment macht das deutlich: An einem sonnigen Frühnachmittag stehen Sie am Bahnhof auf dem Land und warten auf den Zug. Da Sie wissen möchten, wie spät es ist, werfen Sie einen Blick auf die Bahnhofsuhr (der Akku Ihres Handys ist leer). Weil die Zeiger der Uhr auf 15h stehen, erwerben Sie die wahre Überzeugung, dass es so spät ist; tatsächlich ist es auch 15h, Ihre Überzeugung ist also wahr. Da Uhren überdies ein exzellentes Mittel sind, um die Zeit herauszufinden, haben Sie sehr gute Gründe für sie; Ihre Überzeugung ist gerechtfertigt. Nach der klassischen Wissensdefinition wissen Sie demnach, dass es 15h ist. Doch nun kommt der Plot Twist: Die Bahnhofsuhr ist am Vortag stehengeblieben und zeigt kon- stant 15h an. Dass Sie auf ihr die richtige Zeit ablesen konnten, ist dem schieren Zufall zu verdan- ken, dass Sie gerade um 15h auf die Uhr geschaut haben. Wussten Sie in dieser Situation dann, dass es 15h ist? Anscheinend nicht. Der Blick auf eine stehengebliebene Uhr vermittelt ihnen kein solches Wissen, selbst wenn diese zufälligerweise gerade die richtige Zeit anzeigt. Ein anderes Beispiel: Herr Oh möchte ein Haus kaufen. Er lässt den Kauf bei der Notarin Frau Dr. Ah beurkunden. Dr. Ah erwirbt die gerechtfertigte Meinung, dass Herr Oh das fragliche Haus erworben hat. Darauf aufbauend erwirbt sie zudem die Meinung, dass Herr Oh Hausbesitzer ist. Die Meinung ist ebenso gerechtfertigt. Da man offenbar Hausbesitzer ist, wenn man ein Haus erworben hat, überträgt sich die Rechtfertigung der ersten Meinung unmittelbar auf die zweite. Doch das Geschäft war ein Schwindel; wo das zu verkaufende Haus stehen soll, klafft nur ein großes Loch im Boden. Dennoch ist Herr Oh Hausbesitzer, weil er bereits ein anderes Haus sein eigen nennt; das aber weiß Dr. Ah nicht. Analyse der Lage: Dr. Ah hat die Überzeugung, Herr Oh sei Hausbesitzer; die Überzeugung ist wahr und sie ist gerechtfertigt. Aber handelt es sich um Wissen? Anscheinend nicht. Das Betrugsge- schäft verleiht ihrer Überzeugung klarerweise nicht den Status von Wissen, da ja das angebliche Kaufobjekt nicht existiert. Von dem Haus hingegen, das Oh tatsächlich zum Hausbesitzer macht, Seite 43 Kap III. Wissen weiß Dr. Ah nichts. Daher sollte man nicht sagen, sie wisse, dass Herr Oh Hausbesitzer sei. Ob- wohl sie dies aus guten Gründen glaubt und es auch der Fall ist. Fälle wie die beschriebenen werden meist Gettier-Fälle genannt (nach ihrem Entdecker Edmund Gettier). Sie machen klar, dass es sich nicht bei jeder Überzeugung, die wahr und gut begründet ist, automatisch um Wissen handelt. §2.d. Reaktionsmöglichkeiten Nachdem die Gettier-Fälle als Problem für die eigentlich vielversprechend erscheinende Wissens- definition erkannt wurden, ist eine eifrige Debatte erblüht, wie Wissen dann definierbar ist. Insbe- sondere wurden zahlreiche Versuche angestellt, unsere vorhandene Wissensdefinition durch Auf- nahme einer vierten Bedingung zu veredeln (wobei eine solche Bedingung oft als eine Art Zusatz- anforderung an die Rechtfertigung einer Überzeugung verstanden werden kann). Beispielsweise lautet ein Vorschlag: Bei einer wahren gerechtfertigten Überzeugung handelt es sich um Wissen, wenn sie nicht aus einer falschen Überzeugung gefolgert wurde. WISSENSDEFINITION Wissen ist wahre, gerechtfertigte Überzeugung, die nicht aus einer falschen Überzeugung gefolgert wurde. Etwas anders ausgedrückt: WISSENSDEFINITION (ALTERNATIVE FORMULIERUNG) x weiß, dass Ladida Df. (i) x glaubt, dass Ladida, (ii) x hat gute Gründe, zu glauben, dass Ladida, (iii) es ist wahr, dass Ladida, und (iv) x hat die Überzeugung, dass Ladida, nicht aus einer fal- schen Überzeugung gefolgert. Dr. Ahs Überzeugung, Herr Oh sei Hausbesitzer, würde so als bloß vermeintliches Wissen ent- larvt; denn die Überzeugung stützt sich ja auf die falsche Überzeugung, dass Herr Oh mit dem unterzeichneten Vertrag ein Haus erworben hat. Auch könnte man argumentieren, im ersten Ge- dankenexperiment stütze sich Ihre Meinung, es sei 15h, auf die falsche Überzeugung, die Bahn- hofsuhr sei intakt. Damit könnte begründet werden, dass es sich bei Ihrer Uhrzeit-Überzeugung nicht um Wissen handelt. Allerdings hat auch bei dieser Definition schnell ein schlauer Kopf ein Haar in der Suppe gefun- den. Hier in Kürze, was einige Philosoph*innen als ein Problem ansehen: Bei den beiden oben genannten Szenarien mag es plausibel sein, dass eine falsche Überzeugung vorlag, aus der tatsäch- lich etwas geschlussfolgert wurde. Aber man kann ähnliche Szenarien bauen, in denen keine aktive Seite 44 Kap III. Wissen Schlussfolgerung gezogen zu werden scheint. Johanna sieht einen Baum und denkt spontan: Das ist ein Baum. Dieses Urteil fällt sie unmittelbar, ohne die Vermittlung einer Schlussfolgerung. Es ist wahr und durch ihre Wahrnehmung gerechtfertigt. Was sie aber nicht weiß, ist Folgendes: Sie befindet sich gerade in einem Viertel voller Spießbürger, die keine lebenden Pflanzen im öffentli- chen Raum mögen. Daher haben sie nach und nach die Bäume durch echt aussehende Kunst- bäume ersetzt. Was sie sieht, ist ein einsamer, letztverbliebener echter Baum. Weiß Johanna dann, dass dort ein Baum steht? Sie befindet sich in einer Umgebung voller Kunstbäume; dass sie gerade den einen echten Baum angesehen hat, ist ein reiner Glückstreffer. Beim Anblicken jedes anderen baumartigen Dings im Spießbürger-Viertel hätte sie einen Kunstbaum gesehen. Daher war die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, einen Kunstbaum als einen echten zu sehen. Das Szenario scheint daher viel mit dem Fall der defekten Bahnhofsuhr gemein zu haben; wenn man im Fall der Uhr meint, es läge kein Wissen vor, weil es sich um einen Glückstreffer handelt, sollte man es auch im Fall des einsamen Baums tun. Der Unterscheid ist aber eben, dass Johanna im Baumfall keine aktive Schlussfolgerung gezogen hat, sondern ein unmittelbares Urteil gefällt hat. Damit würde es sich um ein Gegenbeispiel zu der ausgebesserten Wissensdefinition handeln. Die verbesserte Definition wird daher eher nicht als letzter Schluss der Weisheit angesehen, und in der philosophischen Literatur finden sich noch zahlreiche andere Vorschläge, wie man Wissen als wahre Überzeugung plus X definieren könnte. Aber ich möchte mich hier nicht zu weit auf diese Diskussion einlassen, in der man sich recht schnell in den vielen Windungen und der schnell zunehmenden Komplexität der Beispiele verlieren kann. Einige Philosoph*innen ziehen aus der unbefriedigenden Diskussionslage den Schluss, der Ausgangspunkt sei doch keine gute Idee. Man sollte den Versuch aufgeben, Wissen als wahre Überzeugung plus X zu definieren. Stattdessen, meint der eine, sollte eine gänzlich andere Art der Definition unternommen werden. Der nächste aber meint, der Begriff des Wissens sei überhaupt nicht definierbar. Ohne diese letztere Idee ver- teidigen zu wollen, möchte ich doch zumindest kurz auf sie eingehen, weil sie von weitreichendem methodischem Interesse ist. §2.e. Undefinierbare Begriffe Wie bereits mehrfach erwähnt, spielt die Suche nach Begriffsdefinitionen eine wichtige Rolle in der philosophischen Arbeit. Wohldefinierte Begriffe stellen sicher, dass man einander versteht und dass man klare Thesen vertritt. Doch fragen wir uns einmal: Können wir alle unsere Begriffe definieren? Mit dieser Frage ziele ich nicht darauf ab, ob Sie oder ich das können, und insbesondere nicht darauf, ob wir das ohne großen Aufwand und gleich jetzt können. Ich meine vielmehr: Könnte irgendjemand alle seine Begriffe de- finieren, wenn er sich ernsthaft darum bemühen würde? Viele Philosoph*innen würden diese Frage verneinen. Dabei geht es ihnen nicht darum, dass ein solches Unterfangen zu schwierig und langwierig wäre. Der Versuch, alle Begriffe aus dem eigenen Seite 45 Kap III. Wissen Begriffsrepertoire zu definieren, stößt in ihren Augen auf eine grundsätzliche Grenze. Um zu erklä- ren, wieso, betrachten wir ein einfaches Beispiel. Nehmen Sie einmal an, jemand verfüge über einen radikal eingeschränkten begrifflichen Apparat. Es gibt, sagen wir mal, genau drei Begriffe, mit denen er umgehen kann. Da könnte man meinen, er könne mit dem Definieren seiner Begriffe schnell fertig werden. Also beginnt er, den ersten Begriff zu definieren. Dafür verwendet er seine beiden anderen Begriffe: Etwas fällt genau dann unter Begriff , wenn es unter Begriffe und fällt. Im Anschluss will er die gerade verwendeten Begriffe und definieren – aber schon stößt er auf ein Problem. Denn er hat in den bisherigen Definitionen bereits alle drei Begriffe verwendet, über die er verfügt. Wenn er also eine weitere Definition geben will, dann muss er einen bereits verwendeten Begriff erneut verwenden. Das aber wird zwangsläufig dazu führen, dass seine Defi- nitionen zirkulär werden. Denn wie könnte er Begriff definieren? Verwendet er dabei einen der Begriffe oder , hätte er offenbar eine zirkuläre Definition. Verwendet er Begriff , entsteht noch keine Zirkularität. Aber sobald er dann Begriff definieren möchte, wird es sofort zirkulär. Wer über genau drei Begriffe verfügt, kann sie daher nicht alle zirkelfrei definieren. Und wie man sich leicht klarmachen kann, gilt dasselbe für jemanden, der über vier Begriffe verfügt; auch für jemand, der über fünf Begriffe verfügt, oder über sechs, usw. Wenn man zu den oben vorhandenen Begriffen weitere hinzufügt, dann kann man mehr Begriffe definieren. Aber niemals alle. Man wird immer an den Punkt stoßen, an dem man alle vorhandenen Begriffe bereits in Definitionen ver- wendet hat; und ab dem Moment ist die Zirkularität unausweichlich.2 Seine Begriffe nach Möglichkeit zu definieren, ist eine wichtige methodische Maxime; dabei Voll- ständigkeit anzustreben, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Einige Begriffe werden stets undefi- nierbar verbleiben. Welche aber sind das? Es gibt keine einfachen Kriterien, die das rasch und klar entscheiden können. Man kann nur grob sagen: Je grundlegender ein Begriff erscheint, desto eher scheint es legitim, ihn als undefinierbar anzusehen. Zumindest, wenn man sich ernsthaft um eine Definition bemüht hat, nur eben vergeblich. Der Begriff des Wissens ist nun sicherlich ziemlich fundamental; daher sollte man die Möglichkeit, ihn als undefinierten Grundbegriff anzusehen, nicht einfach vom Tisch wischen. Wenn man meint, alle plausiblen Definitionsversuche getestet zu haben, darf die Undefinierbarkeit als Rückzugposition gelten. Freilich ist die Debatte zur Wis- sensdefinition ungemein breit. Klar ist, dass die hier angestellten Überlegungen nicht die Annahme rechtfertigen können, alle Definitionsversuche würden scheitern. Man müsste deutlich tiefer ins Thema einsteigen, um diese Position zu legitimieren. Aber das wäre Thema für ein Buch zur Er- kenntnistheorie, nicht für einen ersten Blick auf selbige. 2 Was ich hier als Plausibilitätsüberlegung präsentiere, lässt sich übrigens mathematisch präzise untermauern (mit einem sogenannten Induktionsbeweis). Dabei wird vorausgesetzt, dass jemand über eine endliche Anzahl an Begriffen verfügt. Würde jemand unendlich viele Begriffe beherrschen, könnte er immer weiter definieren. Da ihn das Definieren aber immer ein wenig Zeit kostet, wird er dennoch nie den Punkt erreichen, an dem er alle Begriffe definiert hat. Seite 46 Kap III. Wissen §3. Radikale Grenzen des Wissens? Wenn ich früher geweckt werde als üblich, werde ich oft aus einem Traum gerissen. Manche mei- ner Träume sind packende, emotional aufwühlende Geschichten. Erwache ich abrupt aus einer solchen Geschichte, muss ich mich mental erstmal wieder einrenken. Anfangs bin ich desorientiert und weiß nicht: Träume ich vielleicht noch? Ich kenne es also aus Erfahrung: Manchmal bin ich unsicher, ob meine gegenwärtigen Erfahrun- gen real sind oder bloß imaginiert. Da stellt sich mir die Frage: Könnte es nicht sein, dass ich mich manchmal, oder gar oft, darüber täusche, in welcher Sorte Situation ich mich befinde? Im Traum erscheint mir der Traum real; und manchmal erscheint mir die Realität wie ein Traum. Könnte es vielleicht sein, dass ich in Wahrheit immer träume? Dass nichts wirklich geschieht, was ich zu erfahren meine? Freilich sind meine Alltagserfahrungen deutlich differenzierter, kohärenter und langlebiger als alle Träume, an die ich mich erinnere. Aber es könnte ja weitaus ausgefeiltere Träume geben als die, deren ich mich entsinnen kann. Und in just einem solchen könnte ich mich befinden. Wirklich ausschließen kann ich das nicht. Im Prinzip könnte ich mich im Traumszenario befinden, in dem ich träume und nur Scheinerfahrungen mache, statt im Realszenario, in dem ich wach bin und echte Erfahrungen mache. (In ähnlicher Weise kann man z.B. auch meinen, ich könnte mich im Prinzip in einer Computersimulation befinden oder ich könnte eine körperlose Seele sein, der ein böser Dämon die Erfahrungen einer Außenwelt vorgaukelt.) Was würde es bedeuten, wenn ich mich im Traumszenario befände? Dazu sollten wir noch einmal etwas genauer klären, wie dieses Szenario zu verstehen ist. Sagen wir, die Idee wäre, dass ich immer träume; alle Erfahrungen, die ich jemals gemacht zu haben meine, waren ein Traum. Auch werde ich nie bewusst aus dem Traum erwachen. Zusätzlich können wir annehmen, dass mein träumen- des Ich gänzlich anders beschaffen ist als mein erträumtes Ich. Stellen Sie sich beispielsweise vor, mein träumendes Ich sei eine Art Hirn, das in einem Tank mit Nährlösung vor sich hinwabert. Ich habe also keinen Körper, wie ich ihn zu haben meine; und die Welt, die den Tank umgibt, unter- scheidet sich auch radikal von unserer. Vor allem aber habe ich niemals Erfahrungen von der Außenwelt gemacht; alle bewussten Episoden, die ich je durchlebt habe, fanden nur im eingelegten Hirn statt. Sie spiegeln in keiner Weise die Realität wieder. Befände ich mich im so ausgeschmückten Traumszenario, hätte das radikale Konsequenzen für die Frage, was ich eigentlich weiß. Ein Großteil meines vermeintlichen Wissens wäre sofort zu- nichte gemacht. Denn der basiert auf den Erfahrungen, die ich gemacht habe, denen ich direkt und indirekt Informationen über die Welt entnommen habe. Im Traumszenario wäre sämtliches Anscheinend-Wissen, das ich so gewonnen habe, lediglich Schein-Wissen. Ich befände mich in einem durchgängigen Irrtum darüber, wie es um mich herum bestellt ist; aber auch, wie es mit mir selbst bestellt ist. Beispielsweise glaube ich, Hände zu haben; im Traumszenario wäre das falsch, wie auch das meiste andere, was ich über mich selbst zu wissen meine. Seite 47 Kap III. Wissen Ein bisschen Wissen verbliebe mir vielleicht dennoch. Zum Beispiel habe ich einiges abstraktes mathematisches Wissen, das ich durch bloßes Nachdenken und Anwendung der Logik gewonnen habe. Man könnte das Traumszenario vielleicht weiter ausspinnen, so dass auch dieses Wissen in Misskredit gerät. Denn auch, wenn man mathematisches Wissen durch reine Vernunft gewinnen und prüfen kann, kann man dabei natürlich Fehler machen. Selbst bei simpelsten Kopfrechnungen kann das eigene Denken mal versagen, wenn man zum Beispiel unter Stress steht oder bewusst- seinsverändernde Substanzen zu sich genommen hat. Wie weit genau ein solcher Angriff aufs Wis- sen geführt werden kann, ist eine strittige Frage. Manche Philosoph*innen meinen, es gäbe einen – zugegeben kleinen – Kern an besonders einfachem und unmittelbarem Wissen, das auch in ei- nem Traumszenario nicht angerührt werden könnte. Aber ob dem so ist, können wir für unsere Diskussion hier ausklammern. Lassen Sie mich im Weiteren einfach den Fokus auf mein Erfah- rungswissen legen; das wäre im Traumszenario tatsächlich durch die Bank dahin. Nun ist das Traumszenario zunächst mal eine bloße philosophische Phantasterei. Man könnte daher meinen, es habe keinerlei reale Konsequenzen. Aber hier würden viele Philosoph*innen widersprechen. Die obigen Überlegungen zum Traumszenario zeigen in ihren Augen, dass wir tatsächlich weit weniger wissen, als es uns vorkommt. Dass tatsächlich all mein vermeintliches Wissen kein echtes Wissen ist. Wer so denkt, kann uns ein Skeptiker heißen. Wie genau kann man nun zu dem skeptischen Schluss gelangen? Es gibt Irrwege, die dahin zu führen scheinen; aber wohl auch einen sicheren Pfad. Um zu verstehen, was ihn auszeichnet, lohnt sich der Vergleich mit zwei Irrwegen. Also, Pfad Numero eins: P1 Wenn ich mich im Traumszenario befinde, habe ich keine Hände (es kommt mir nur so vor, als hätte ich sie). P2 Wenn ich keine Hände habe, ist meine Überzeugung, dass ich Hände habe, nicht wahr. K1 Im Traumszenario ist meine Überzeugung, dass ich Hände habe, nicht wahr. P3 Überzeugungen müssen wahr sein, um Wissen auszumachen. K2 Im Traumszenario ist meine Überzeugung, dass ich Hände habe, kein Wissen. K3 Also weiß ich nicht, dass ich Hände habe. Das Beispiel, dass ich Hände habe, steht dabei repräsentativ für all die Sachverhalte, die eben nur im Realszenario der Fall sind – was für die meisten Sachverhalte gilt, an die ich glaube. Wenn das Argument durchgeht, zeigt es daher, dass der Großteil meines vermeintlichen Wissens kein echtes Wissen ist. In dieser Argumentation geht aber etwas schief. Die erste Konklusion behauptet folgerichtig, dass meine Überzeugung des Händebesitzes im Traumszenario nicht wahr wäre. Auch die zweite Kon- klusion wird korrekt abgeleitet. Aber wieso sollte die dritte Konklusion aus ihr folgen? Also, dass ich in jedem Fall nicht weiß, dass ich Hände habe – gleichviel, ob ich mich im Realszenario befinde oder im Traumszenario? Keine Skeptikerin hat den Anspruch zeigen zu können, dass ich mich Seite 48 Kap III. Wissen tatsächlich im Traumszenario befinde. Sie behauptet lediglich, dass ich mich in einem solchen Sze- nario befinden könnte. Es braucht daher weitere Argumentationsarbeit. Der zweite Pfad versucht diese wie folgt zu leisten: P1 Nur im Realszenario habe ich Hände. P2 Ich kann mir nicht zu 100% sicher sein, dass ich mich im Realszenario befinde. K1 Also kann ich mir nicht zu 100% sicher sein, dass ich Hände habe. K2 Also weiß ich nicht wirklich, dass ich Hände habe. Aber auch diese Argumentation kann angefochten werden. Wiederum ergibt sich die erste Kon- klusion plausibel aus den Prämissen. Doch im Schritt hin zur zweiten Konklusion wird von Nicht- Sicher-Sein auf ein Nichtwissen geschlossen. Dieser Übergang ist aber problematisch. Denn ich habe weiter oben schon betont: Wissen ist nicht gleichzusetzen mit dem Sich-Sicher-Sein. Erstens schreiben wir Menschen Wissen zu, obgleich sie sich ihrer Sache offensichtlich nicht hundertpro- zentig gewiss sind. Zweitens ist Gewissheit ein psychologischer Faktor. Kurt kann sich aufgrund einer paranoiden Störung zu 100% sicher sein, dass er von Marsianern verfolgt wird, ohne dass irgendwas diese Überzeugung ankratzen könnte – insbesondere keine rationale Argumentation. Das macht Kurts Wahnvorstellung aber mitnichten zu Wissen. Dritter Pfad: P1 Das Traumszenario ist für mich ununterscheidbar vom Realszenario. P2 Wenn zwei Szenarien für mich ununterscheidbar sind, weiß ich nicht, in welchem von bei- den ich mich befinde. K1 Also weiß ich nicht, ob ich mich im Traumszenario oder im Realszenario befinde. P3 Nur im Realszenario habe ich Hände. P4 Wenn ich nur im Realszenario Hände habe, und ich nicht weiß, ob ich mich im Realszena- rio befinde, weiß ich nicht, ob ich Hände habe. K2 Also weiß ich nicht, ob ich Hände habe. An diesem Vorschlag gibt es einen entscheidenden Unterschied zum vorigen Versuch. Letzterer baute darauf auf, dass ich mir nicht sicher sein kann, in welchem Szenario ich mich befinde. Das bringt die Argumentation aber nicht weiter, weil Sicherheit keine Voraussetzung fürs Wissen ist. Der gegenwärtige Versuch baut daher darauf auf, dass ich nicht weiß, in welchem Szenario ich mich befinde, und zwar weil die Szenarien sich für mich vollkommen gleich anfühlen und ununterscheidbar sind. Schauen wir uns die Teile der Argumentation noch etwas genauer an. Erster Schritt: Wenn zwei Szenarien für mich ununterscheidbar sind, dann kann es nichts geben, das mehr für das eine oder das andere sprechen würde. Denn was immer als Indiz angeführt wird, es kann in haargenau derselben Weise in beiden Szenarien vorkommen; sonst wären die Szenarien ja nicht komplett ununterscheidbar. Wenn es aber genauso in dem einen wie dem anderen Szenario Seite 49 Kap III. Wissen vorkommen kann, dann kann es auch nicht für die Realität des einen und gegen die des anderen Szenarios sprechen. Daher folgt aus der Ununterscheidbarkeit der Szenarien, dass ich nicht weiß, in welchem ich mich befinde. Zweiter Schritt: Ich weiß nach dem Obigen nicht, ob ich mich im Realszenario befinde oder nicht. Aber nur im Realszenario habe ich tatsächlich Hände. Dann aber weiß ich offenbar nicht, dass ich Hände habe. Zusammengenommen ergibt das tatsächlich ein starkes Argument für den Skeptizismus. Was tun? Will man sich zum skeptischen Argument positionieren, steht zunächst eine Richtungsentschei- dung an: ▪ Möchte man die skeptische Position anfechten? ▪ Oder möchte man sie akzeptieren und überlegen, wie man sich dann zu ihr verhalten kann? §4. Gegenwehr zum Skeptizismus: Dies sind Hände! Angenommen man schlägt den ersten Weg ein. Was könnte man der Skeptikerin entgegenhalten? Ich möchte hier nur eine Entgegnung vorstellen, die in der philosophischen Debatte von einem Anti-Skeptiker vorgebracht wurde. Dieser Anti-Skeptiker hebt einfach seine Hände und sagt: Schau, ich habe zwei Hände. Da ich Hände habe, befinde ich mich nicht im Traumszenario. Die Skeptikerin fände das wohl kaum überzeugend. Sie hat ja gerade ein Argument dafür präsen- tiert, dass man nicht weiß, ob man Hände hat. Daher darf sich der Antiskeptiker nicht einfach darauf berufen, dass er Hände hat. Aber der Anti-Skeptiker fühlt sich missverstanden. Er setzt nach: Wären die Grundlagen Deiner Argumentation korrekt, müsste ich meine Überzeugung aufge- ben, dass ich Hände habe (und stattdessen sagen, ich wisse nicht, ob ich sie habe). Also muss ich eine Entscheidung treffen zwischen (i) meiner Überzeugung, dass ich Hände habe, und (ii) den Grundlagen Deiner Argumentation. Ich kann nicht beide akzeptieren. Davon, dass ich Hände habe, bin ich aber felsenfest überzeugt. Fester als von jeder theoretischen Überlegung, die Du in Deiner Argumentation verwendet hast. Daher fällt mir die Entscheidung nicht schwer – ich bleibe dabei: Ich habe Hände; also träume ich nicht. Die Skeptikerin wird sich wohl auch hiervon nicht beeindruckt zeigen. Der Anti-Skeptiker macht einen Punkt über die Festigkeit seiner Überzeugungen: Er ist sich restlos sicher, dass er Hände hat. Das ist verständlich; wahrscheinlich sind auch Sie sich normalerweise restlos sicher, Hände zu haben. Und der Anti-Skeptiker ist sich dieses Umstands sicherer als ir- gendwelcher theoretischer Annahmen, so plausibel die auch sein mögen. Wiederum: Verständlich. Seite 50 Kap III. Wissen Das erklärt dann wohl, warum der Anti-Skeptiker vom skeptischen Argument nicht überzeugt wird; seine Sicherheit, im Besitz von Händen zu sein, wird von keiner theoretischen Überlegung ins Schwanken gebracht. Aber insofern das lediglich eine Feststellung über die psychische Verfassung des Antiskeptikers darstellt, scheint sie keine argumentative Kraft zu haben. Das Argument der Skeptikerin soll zeigen, dass der Skeptiker seine Überzeugung aufgeben sollte, wenn er sich nach vorgebrachten rationalen Gründen richten will. Wer dem entgegenhält: Ich glaube aber trotzdem, dass ich Hände habe, mag zwar seine eigene Psyche korrekt beschreiben. Aber es bei der Feststel- lung zu belassen, liefert keine Gründe für die eigene Ansicht. Daher stellt es, für sich genommen, nur die Weigerung dar, den angeführten skeptischen Gründen zu folgen. Es ist eine Art schmol- lender Rückzug aus der rationalen Diskussion. Kurzum: Dass der simple Verweis auf die Existenz der eigenen Hände ein ernsthaftes anti-skepti- sches Argument abgäbe, ist nicht ersichtlich. Es gibt noch andere Reaktionen auf das skeptische Argument. Insbesondere wird die vierte Prämisse kontrovers diskutiert: Wenn ich nur im Realszenario Hände habe, aber ich nicht weiß, ob ich mich in dem Szenario befinde, weiß ich nicht, ob ich Hände habe. Allerdings ist die Diskussion zu dieser Prämisse recht kompliziert; die können Sie sich bei anderer Gelegenheit einmal anschauen. In jedem Fall bleibt es ein Faktum: Das skeptische Argument ist sehr stark. Vielleicht sollte man sich daher einmal ernsthaft Gedanken machen, was man aus der Akzeptanz des Arguments für Konsequenzen ziehen sollte. §5. Akzeptanz des Skeptizismus: Konsequenzen? Angenommen man meint, an der Akzeptanz des skeptischen Arguments führe kein Weg vorbei. Das würde heißen: Unser meistes vermeintliches Wissen ist gar keines. Was sollte man daraus rationalerweise für Konsequenzen ziehen? Mir kommen drei Optionen in den Sinn: ▪ Verzweiflung ▪ Schulterzucken ▪ Differenzierung Verzweiflung oder Schulterzucken. Nicht zu wissen, dass ich Hände habe, ist keine schöne Angelegen- heit. Ich mag meine Hände und möchte sie nicht missen. Noch viel weniger ansprechend ist die Vorstellung, mein gesamtes Dasein womöglich in einem endlosen Fiebertraum oder der Simula- tion irgendeines Computer-Nerds zu fristen. Wenn ich mir sicher wäre, im Traumszenario festzu- sitzen, würde ich vielleicht den Kopf in den Sand stecken und ihn auch nicht wieder hervorziehen. Es wäre ohnehin nicht real, was ich tue, und daher egal. Das schiene im Licht der Skepsis keine abwegige Reaktion zu sein. Die soeben geschilderte Reaktion betrifft mein Handeln. Wie aber steht es mit meinen Überzeu- gungen? Was soll ich noch glauben im Angesicht der Skepsis? Wenn ich ohnehin nichts wissen Seite 51 Kap III. Wissen kann, so könnte man meinen, darf ich mir einfach aussuchen, was ich glaube. Ich kann zum Bei- spiel mit gleichviel Recht glauben, dass ich Millionär bin und mich auf Hawaii zur Ruhe setze, wie, dass ich Philosophiedozent bin und meinen Pflichten nachkommen muss. Was meine Überzeu- gungen anbelangt, könnte eine Konsequenz des skeptischen Szenarios also lauten: Da ich kein Wissen mehr habe, an das ich mich klammern kann, darf ich glauben, was ich will. Nun zeigt das skeptische Argument ja aber gar nicht, dass ich im Traumszenario stecke. Nur, dass ich vielleicht darin stecke. Ich könnte ebenso gut im Realszenario stecken. Im Realszenario aber sollte ich so weitermachen wie bisher: Ich sollte versuchen, mein Meinungssystem möglichst mit Wissen aufzufüllen und mein Handeln zweckrational an meinen Zielen und meiner Umgebung ausrichten. Was ich tun sollte, hängt also davon ab, in welchem Szenario ich stecke – nur, dass ich eben nicht weiß, welches das ist. Was ist angesichts dieser Lage rationalerweise zu tun? Ich sollte wohl ein Verhalten wählen, das insgesamt am vorteilhaftesten erscheint. Nun fahre ich in einer von zwei Alternativen deutlich besser, wenn ich weitermache wie bisher und gezielt meine Interessen ver- folge; in der anderen Alternative, dem Traumszenario, schade ich mir damit immerhin nicht. Wenn ich hingegen den Kopf in den Sand stecke, schade ich mir im Realszenario und erhalte im Traum- szenario keinen spürbaren Vorteil. Im Schaubild: Kopf in den Sand Weitermachen Realszenario -- ++ Je 50% Traumszenario o o Gesamt - + In der Tabelle signalisiert Grün eine vorteilhafte, Rot eine nachteilige und Grau eine neutrale Op- tion. Die unterste Zeile verrechnet die beiden Zeilen darüber; Kopf in den Sand stecken ist damit insgesamt negativ, Weitermachen insgesamt positiv.3 Daher scheint es mir am besten, sich vom skeptischen Argument im alltäglichen Handeln und Glauben nicht weiter beeinflussen zu lassen. Differenzierung. Aber vielleicht kann man sogar noch weitergehen. Vielleicht wäre das Verzweifeln noch nicht mal dann eine sinnvolle Reaktion, wenn ich mich sicher im Traumszenario befände. Denn selbst, wenn alles nicht real ist, was ich tue; es hat immer noch unmittelbare Auswirkungen auf meine zukünftigen Erfahrungen. Insbesondere kann ich noch immer angenehme und unange- nehme Erfahrungen und Empfindungen in mir hervorrufen. Ein kühles Bier an einem Sommer- abend wird mich noch immer erfrischen, auch wenn es nur ein Scheinbier in der Scheinsonne ist. Ein Abend mit Freunden wird mich noch immer erfreuen, auch wenn sie eigentlich nicht real sind. 3 Vielleicht kennen Sie den hier verwendeten Denkstil aus dem Mathematikunterricht, wo man in dieser Weise den sogenannten Erwartungswert von Wetten und anderen Zufallsszenarien errechnet. In der Philosophie wer- den solche Überlegungen im Untergebiet der Entscheidungstheorie studiert (die Entscheidungstheorie über- schneidet sich mit der Erkenntnis- und der Handlungstheorie, weil Entscheidungen direkt an Überzeugungen und Wissen einerseits, und an Handlungen andererseits gebunden sind). Seite 52 Kap III. Wissen Gewiss, in einer Hinsicht wäre das alles für mich irgendwie entwertet, wenn es nicht real wäre. Aber wenn ich ohnehin nur im Traum weiter existiere, dann ist es doch besser für mich, wenn ich’s mir in ihm bequem mache, als wenn ich ihn mit Sand in den Ohren zubringe. Und auch was ich glaube, hat Auswirkungen auf mein Wohlbefinden. Denn selbst, wenn all mein vermeintliches Wissen nicht echt ist – es hilft mir dennoch dabei, mich so zu verhalten, dass es mir gut geht. Stellen Sie sich einmal vor, ich entschließe, einfach irgendwas zu glauben. Ich erwerbe z.B. die Überzeugung, Millionär zu sein. In Folge dessen kündige ich meinen Job. Bald geht es mir dann aufgrund meines aufkommenden Hungers schlecht. Denn mein Glaube, Millionär zu sein, verschafft mir weder Real- noch Traumgeld. Außerdem werden mich die Leute für verrückt erklären, meiden und wo- möglich gar in den Steinhof hinauf verbannen. Selbst, wenn das alles nicht real ist, wird es sich nicht gut anfühlen. Daher scheint mir nun: Auch, wenn ich sicher wäre, mich im Traumszenario zu befinden, wäre es rational, so weiterzumachen wie bisher. Denn mein Traumwissen mag zwar nicht echt sein, hilft mir aber dabei, mich im Traumszenario so zu bewegen, dass es mir gut geht. Dies scheint ein wichtiger Punkt zu sein. Unsere Einteilung in Wissen und Nichtwissen über die Außenwelt verliert nicht all ihre Nützlichkeit, selbst wenn wir uns im Traumszenario befinden. In einer Hinsicht sind sie unsere Überzeugungen dann alle im selben Boot: Sie sind alle falsch, weil wir uns im Traumszenario befinden. Aber manche von ihnen sind noch aus einem anderen Grund falsch; sie sind auch innerhalb der geträumten Geschichte falsch. Zum Beispiel ist die Überzeugung, dass ich Hände habe, in der geträumten Geschichte wahr, während die Überzeugung, dass ich Tentakel habe, in der geträumten Geschichte falsch ist. Wir können die Unterscheidung zwischen Wissen und Nichtwissen sozusagen aus zwei Perspektiven betrachten: ▪ Die Vogelperspektive bezieht die Unterscheidung in Traum- und Realszenario mit ein. Aus ihr sind meine Überzeugungen im Traumszenario daher alle falsch und kein Wissen. Und wenn das skeptische Argument durchgeht, sind aus der Vogelperspektive meine Überzeu- gungen im Realszenario kein Wissen (auch wenn viele von ihnen wahr sind), weil ich eben nicht weiß, in welchem Szenario ich bin. ▪ Die Bodenperspektive achtet nicht darauf, in welchem Szenario ich mich befinde. Sie bezieht aber alles mit ein, was für unsere gewöhnlichen Wissenszuschreibungen relevant ist. Da zählt für die Frage nach meinen Händen zum Beispiel, ob ich sie sehen kann; ob ich Schmerzen fühle, wenn man mir mit einer Nadel kommt; ob ich etwas heben kann, wenn ich danach greife, etc. Die Überzeugungen, die aus der Bodenperspektive als Wissen gelten, helfen mir, mich in meiner Umgebung zurechtzufinden. Und diese Überzeugungen wären aus Vogelperspektive wahr, wenn ich im Realszenario wäre (dann hätte ich tatsächlich Hände). Hingegen wären Überzeugungen, die aus Bodenperspektive falsch sind (z.B. dass ich Tentakel habe), aus Vogelperspektive falsch, selbst wenn ich im Realszenario wäre. Daher bleibt die Einteilung in Wissen und Nichtwissen aus Boden- perspektive gut und nützlich, selbst wenn aus Vogelperspektive keine meiner Überzeugungen als Wissen gilt. Seite 53 Kap III. Wissen Man könnte auch sagen: Indem wir die Vogelperspektive miteinbeziehen, legen wir einen strenge- ren Maßstab an Wissen an. Dass wir aber ja nach unseren gegenwärtigen Zielen verschiedene Maß- stäbe ans Wissen anlegen können, kennt man auch aus anderen Bereichen. Ich weiß zum Beispiel, dass gilt: 210=1.024. Dieses Wissen kann man auf verschiedene Weisen erwerben. Man kann es im Kopf berechnen; man kann es schriftlich berechnen; man kann einen Taschenrechner verwenden. Alle drei Wege sind legitim, um zu dem Wissen zu gelangen. Aber sie unterscheiden sich in Sachen Fehleranfälligkeit. Wenn man die schriftliche Multiplikation beherrscht, dann ist sie ein sichererer Weg als das Kopfrechnen. Und für Normalsterbliche ist die Benutzung eines Taschenrechners weniger fehleranfällig als die eigene Rechnung im Kopf oder auf Papier. Das Wissen um ein und dieselbe Tatsache kann also oft auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden, die sich in Sachen Zuverlässigkeit bzw. Irrtumsanfälligkeit unterscheiden. Und manchmal legen wir größeren Wert auf die Zuverlässigkeit einer Wissensquelle, manchmal einen geringeren. Wenn zum Beispiel Berechnungen für den sicheren Start einer Rakete gemacht werden, legen wir einen besonders hohen Maßstab an, da wirklich nichts schiefgehen darf. Wenn wir eine Rechnung für ein Quiz ausführen, bei dem der Gewinn ein Dauerlutscher ist, legen wir niedrigere Maßstäbe an. Mit der Rede von Maßstäben könnte man sagen: Wenn das skeptische Argument durchgeht, dann gibt es einen strengen Maßstab, nach dem wir nichts wissen; aber es gibt einen laxeren Maß- stab, nach dem unsere übliche Unterscheidung in Wissen und Nichtwissen unangetastet bleibt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich würde sagen: Damit kann ich leben. Sicherlich könnte man noch ausführlicher diskutieren, wie man sich bei Akzeptanz des skeptischen Arguments rationalerweise verhalten sollte. Aber zunächst mal sagen uns bereits die obigen Über- legungen deutlich: Don’t panic! Vielleicht liefert uns der Skeptizismus keinen Grund, auch nur irgendwas anders zu machen als bisher. Womöglich ist ein wenig Weltschmerz über die Möglich- keit des Realitätsverlusts alles, was er hervorrufen sollte. Seite 54 Kap III. Wissen Rekapitulation 1. Die klassische Wissensdefinition Wissen ist wahre, gerechtfertigte Überzeugung, bzw. x weiß, dass Ladida Df. - x glaubt, dass Ladida - x hat gute Gründe, zu glauben, dass Ladida - es ist wahr, dass Ladida 2. Das Problem: Gettier-Fälle a. Gettier-Fälle: Es gibt wahre gerechtfertigte Überzeugungen, die noch kein Wissen ausmachen, sondern in gewisser Weise Glückstreffer sind. b. Reparaturvorschlag: Wissen ist wahre, gerechtfertigte Überzeugung, die aus keiner fal- schen Überzeugung erschlossen wurde. c. Neue Problemfälle: Anscheinend gibt es unmittelbare (also nicht erschlossene) Wahr- nehmungsurteile, die aufgrund der Umgebung reine Glückstreffer sind. 3. Das skeptische Argument, kondensiert P1 Da Traumszenario und Realszenario ununterscheidbar sind, wissen wir nicht, in wel- chem wir stecken. P2 Nur im Realszenario haben wir Hände etc. K Also wissen wir nicht, ob wir Hände haben etc. 4. Die Handgegenwehr P1 Ich habe Hände. P2 Nur im Realszenario habe ich Hände. K Also bin ich im Realszenario. Problem: Die Skeptikerin argumentiert ja gerade gegen P1. Der Verweis darauf, dass man sich sehr sicher über P1 ist, liefert kein Argument. 5. Konsequenzen aus dem Skeptizismus ▪ An unserer Unterscheidung in Wissen und Nichtwissen festzuhalten, scheint insge- samt unter Einbeziehung der möglichen Szenarien sinnvoll (guter Erwartungswert). ▪ Sie hilft uns zudem, angenehme Erfahrungen zu machen. ▪ Sie ist sinnvoll, insofern man Wissen nach unterschiedlich hohen Maßstäben be- werten kann, wobei einer die Frage nach Real- und Traumszenario ausklammert. Seite 55 Kap III. Wissen Gelehrige Anmerkungen Disclaimer: In solchen Anmerkungen gebe ich einige Verweise auf Texte mit Ideen, die ich im ak- tuellen Kapitel verwendet habe. Die Verweise sind Ungefähr-Angaben; oft enthalten sie Vereinfa- chungen, der schnörkellosen Darstellung zuliebe. Wenn ich z.B. einen Philosophen als Vertreter einer Theorie anführe, heißt das nicht unbedingt, dass er sie in genau der Fassung vertreten hat, die ich bespreche. Ungefähr eine solche Theorie werden Sie bei ihm finden. ▪ Das Gedankenexperiment mit der stehengebliebenen Uhr stammt von Bertrand Russell (Hu- man knowledge: Its scope and limits, Kap II.5, II.11; es spielt bei ihm aber eine andere Rolle). ▪ Die Kritik an der klassischen Wissensdefinition wurde von Edmund Gettier entwickelt („Is Justified True Belief Knowledge?“, Analysis 23, 1963, S. 121–23). ▪ René Descartes benutzt skeptische Szenarien (mit Traum und bösem Täuscherdämon), um Zweifel an unserem Wissen zu schüren (in: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, 1641). ▪ Die Hand stammt von George Edward Moore („Proof of an External World“, in seinem Philosophical Papers, Allen & Unwin: 1959, S. 127–50; Hand: S. 145ff.). ▪ Die Erwartungswert-Überlegung bezüglich der Konsequenzen aus dem Skeptizismus ist von Blaise Pascal inspiriert (§233 der Pensées, 1670; er setzt sie freilich sehr anders ein, nämlich in einem Wettargument, das den Glauben an Gott befüttern soll). ▪ Die Idee, dass wir je nach Kontext unterschiedliche Maßstäbe ans Wissen anlegen, wird Kon- textualismus genannt und wurde in jüngerer Zeit viel diskutiert; aufs skeptische Argument wird der Kontextualismus z.B. von Keith DeRose angewendet („Contextualism and Knowledge Attributions“, Philosophy and Phenomenological Research 52, 1992, S. 913–29). 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