Skript zu Vorlesung 2 PDF
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This document is a philosophy lecture script, discussing philosophical methods, including argumentation, definition, and interpretation. It also covers different types of definitions and their characteristics.
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Kap II. Methoden Kapitel II. Philosophische Methoden Crime is common. Logic is rare. Therefore, it is upon the logic rather than upon the crime that you should dwell. [Sherlock Holmes in Sir Arthur Conan Doyles The Adventure of the Copper Beeche] §1....
Kap II. Methoden Kapitel II. Philosophische Methoden Crime is common. Logic is rare. Therefore, it is upon the logic rather than upon the crime that you should dwell. [Sherlock Holmes in Sir Arthur Conan Doyles The Adventure of the Copper Beeche] §1. Drei grundlegende Methoden der Philosophie Mein erklärter Wunsch ist es, dass Sie im Zuge dieser Einführung beginnen, selber philosophische Gedankenarbeit zu leisten. Daher stellt sich die Frage: Wie arbeitet man in der Philosophie? Mit welchen Methoden sollte man vertraut sein, um fruchtbar an philosophischen Kontroversen teil- nehmen zu können? Im vorigen Kapitel habe ich erwähnt, dass die Philosophie sich von anderen Wissenschaften eher durch die Abwesenheit besonderer Fachmethoden auszeichnet. Dementsprechend sind drei der viel- leicht wichtigsten Methoden oder Arbeitsweisen in der Philosophie gar keine spezifisch philosophi- schen Methoden. Vielmehr sind es allgemeine Methoden wissenschaftlicher Arbeit, nämlich ▪ Argumentieren, ▪ Definieren, ▪ Interpretieren. Argumentieren heißt, Thesen durch andere Thesen zu untermauern. Das ist ein absolutes Grund- geschäft der Philosophie; man gibt in ihr nicht einfach Meinungen kund, sondern man begründet sie mit Argumenten. Definieren heißt, Begriffe eindeutig zu fassen. Erst dadurch werden die The- sen, in denen die Begriffe auftauchen, wirklich klar; zudem verhindern Definitionen, dass man unbeabsichtigt und fruchtlos aneinander vorbeiredet. Interpretieren heißt, die Aussagen anderer klar und differenziert auszulegen. Dies ist die unentbehrliche Grundlage für die Lektüre philoso- phischer Texte und für eine gelungene Auseinandersetzung mit den Thesen eines Gegenübers. In diesem Kapitel möchte ich vor allem die ersten beiden dieser Methoden vorstellen. Ein paar Bemerkungen zur Methode der Interpretation werde ich dabei auch machen, allerdings nur mit Blick auf einen Sonderfall, nämlich die Interpretation von Argumenten. Dafür werde ich später noch einmal auf die Interpretation zurückkommen; sie ist nämlich eng mit einem bestimmten Un- tergebiet der Philosophie verbunden, das ich in einem späteren Kapitel vorstellen werde: der Sprachphilosophie. Seite 11 Kap II. Methoden §2. Was ist was? – Über Definitionen §2.a. Definitionen: Wozu? Sie haben das vielleicht schon mal erlebt: Eine aufgeregte Diskussion unter Freunden; beide Par- teien in der Diskussion sind sich ihrer Sache sicher und können kaum glauben, dass die andere Seite anderer Meinung ist: „Na klar ist der Andi ein Kommunist“ – „Aber nie im Leben!“. Irgend- wann löst sich dann der Knoten: Der in der Diskussion zentrale Begriff wurde von beiden Parteien unterschiedlich verstanden. Als das klar wurde, konnte das Kriegsbeil weitgehend begraben wer- den: „Okay, wenn Du unter einem Kommunisten einfach jemanden verstehst, der den Kapitalis- mus nicht unterstützen möchte, dann ist der Andi einer. Ich würde es anders nennen, aber gut.“ In Diskussionen redet man oft mehr oder weniger aneinander vorbei, weil man stillschweigend ein unterschiedliches Verständnis eines Begriffs zugrunde legt. Indem man Definitionen oder Be- griffsbestimmungen vornimmt, kann man dem entgegenwirken. Daher spielen Fragen nach Defi- nitionen bzw. Begriffsbestimmungen insbesondere in Wissenschaften eine wichtige Rolle. Die Be- urteilbarkeit von wissenschaftlichen Thesen und Theorien hängt wesentlich daran, dass die ver- wendeten Ausdrücke eine deutlich umgrenzte Bedeutung haben. Wo eine solche nicht vorhanden ist, werden Thesen unklar und Theorien schwammig. §2.b. Zwei Arten von Definitionen Manchmal bekommt man zu hören, man könne Ausdrücke doch definieren, wie man wolle; das sei eine freie, willkürliche Entscheidung. Stimmt das? Ob man sagen sollte, Definitionen seien willkürlich, hängt davon ab, welche Art von Definition man im Sinn hat. Denn man kann zwei Arten von Definitionen unterscheiden: ▪ Sinn-Stiftungen sind Definitionen, die einem Wort eine neue Bedeutung verleihen, und ▪ Sinn-Reportagen sind Definitionen, die eine vorhandene Bedeutung erfassen sollen. Sinn-Stiftungen werden oft auch stipulative Definitionen genannt. Sie dienen dazu, einem Wort eine neue Bedeutung zu verleihen (wobei auch das jeweilige Wort selbst oft neu in die Sprache einge- führt wird). So etwas geschieht oft in wissenschaftlicher Fachsprache, wenn man präzise Begriffe für bislang nicht benannte Phänomene benötigt: Jemand entdeckt eine neue Variante eines Virus und tauft sie auf den Namen „Delta-Variante“. Ein anderer führt in einem Mathematik-Text einen neuen Fachbegriff ein und setzt fest: Zahlen, die durch 4 teilbar sind, nenne ich fortan Q-Zahlen. Solche Definitionen haben einen normativen Charakter: Sie schreiben vor, wie ein Wort zukünftig im Sinne des Definierenden zu verwenden ist; damit werden sie zum Maßstab für den korrekten und inkorrekten Gebrauch des Worts. Und da sie einem Wort eben eine neue Bedeutung verleihen, sind sie in der Tat sehr frei und im Wesentlichen der Willkür der Definierenden anheimgestellt. Seite 12 Kap II. Methoden Sinn-Reportagen beziehen sich auf die vorhandene Bedeutung eines Worts in einer Sprache und versuchen, diese korrekt abzustecken. Nehmen Sie etwa an, Anna, Ben und Carla möchten auf diese Weise den Begriff eines Junggesellen definieren. Sie schlagen folgende Definitionen vor: ▪ Anna: Ein Junggeselle ist ein junger Mann. ▪ Ben: Ein Junggeselle ist unverheirateter Mensch. ▪ Carla: Ein Junggeselle ist ein unverheirateter Mann. Die ersten beiden Definitionen sind verfehlt. Anna scheint das Wort „Junggeselle“ nicht wirklich zu kennen und stellt eine Vermutung auf Basis der Wortbestandteile an. Aber mit ihrer Vermutung irrt sie. Ben besitzt offenbar ein gewisses Verständnis des Worts. Dennoch ist seine Definition nicht korrekt. Denn er übersieht, dass ihr zufolge auch unverheiratete Frauen Junggesellen wären; so aber funktioniert das Wort im Deutschen nicht. Carla schließlich bietet eine gute Definition des Worts an. Weil Sinn-Reportagen der vorhandenen Bedeutung eines Worts gerecht werden sollen, sind sie nicht der Willkür des Definierenden anheimgestellt. Vielmehr bildet die vorhandene Wortbedeutung den Maßstab für die Korrektheit oder Inkorrektheit der Definition. Über die Korrektheit von Sinn- Reportagen kann man daher sinnvoll streiten (genauso wie die Einträge in Wörterbüchern richtig und falsch sein können). Das geschieht denn auch sehr oft im philosophischen Alltag. Es mag übrigens Sonderfälle von Sinn-Reportagen geben, bei denen ein gewisser Freiraum für Will- kür besteht. Vielleicht ist die Bedeutung einiger Wörter unscharf, so dass man mit gleichem Recht zwei leicht verschiedene Definitionen des Worts akzeptieren könnte. Zum Beispiel meinen man- che Philosoph*innen, es sei nicht klar geregelt, ob der Papst als Junggeselle zählt oder nicht. In so einem Fall mag es legitim sein, eine der im Prinzip passenden Definitionen nach Gusto auszuwäh- len. Wenn dann jemand anders eine andere Wahl trifft, sollte man das akzeptieren, da sonst ein leerer Streit um Worte entstünde; man muss dann eben nur Vorsicht walten lassen, den anderen richtig zu verstehen. Aber im weiteren Verlauf des Kapitels lasse ich unscharfe Wortbedeutungen einmal beiseite und konzentriere mich auf die einfacheren Fälle von Definitionen. Dabei meine ich fortan stets: Defi- nitionen verstanden als Sinn-Reportagen. §2.c. Fragen nach Definitionen Weil klare Begriffe für Wissenschaften von immenser Wichtigkeit sind, werden Fragen nach De- finitionen (verstanden, wie gesagt, als Sinn-Reportagen) häufig an zentralen Stellen im wissen- schaftlichen Alltag gestellt und insbesondere auch im philosophischen Alltag. Sie können unter- schiedliche Formen annehmen. Typisch wäre etwa: Was ist ein Ladida? Beispiele: Was ist eine Lüge? Was ist ein Kunstwerk? etc. Seite 13 Kap II. Methoden Was macht ein Ladida aus? Beispiele: Was macht eine Lüge / ein Kunstwerk aus? Worin besteht es, dass etwas/jemand ladidiert? Beispiele: Worin besteht es, dass etwas eine Lüge ist / jemand tanzt / jemand irrt / etc. ? In den obigen Kästen habe ich von einem Trick Gebrauch gemacht, den Sie oft in philosophischen Texten finden werden. Ich wollte die gemeinsame Form veranschaulichen, die mehreren Fragen gemeinsam ist. Dafür habe ich einen repräsentativen Platzhalter verwendet: „Ladida“ bzw. „ladi- dieren“. Da wo in der Frageform „Ladida“ steht, steht in konkreten Fragen dieser Form ein spe- zifischer Begriff – wie eben z.B. „Roman“, „Wissen“, „Spiel“. Was für einen Ausdruck man als Platzhalter verwendet, ist beliebig; wichtig ist nur, dass die Funktion als allgemeiner Platzhalter für spezifische Begriffe klar wird. Oft wird als Platzhalter der Buchstabe „F“ verwendet. Dann würden die oben genannten Frageformen wie folgt angegeben: ▪ Was ist ein F? ▪ Was macht ein F aus? ▪ Worin besteht es, dass etwas ein F ist? §2.d. Die Formulierung von Definitionen Wie könnten nun Antworten auf definitorische Fragen aussehen? Betrachten wir ein Beispiel: Frage: Was ist ein Roman? Antwort: Ingeborg Bachmanns Malina, Thomas Bernhards Auslöschung und Mary Shelleys Frankenstein sind Romane. Frage: Aha. Ist Bichsels Der Mann, der nichts mehr wissen wollte auch ein Roman? Antwort: Nein, das ist eine Erzählung. Auch Poes The Raven ist kein Roman, sondern ein Gedicht. Bei dieser Art von Antwort wird versucht, einen Begriff durch die Angabe von Beispielen zu ver- mitteln. Genauer gesagt, durch die Angabe typischer Beispiele von (i) Dingen, die unter ihn fallen, sowie von (ii) Dingen, die nicht unter ihn fallen. Eine solche Antwort auf eine definitorische Frage wird oft als exemplarische oder eine ostensive De- finition bezeichnet. Seite 14 Kap II. Methoden Freilich haben exemplarische bzw. ostensive Definitionen ein recht offensichtliches Problem: Man muss darauf zählen, dass der Zuhörer die Idee hinter den Beispielen erfasst und in der richtigen Weise von den Beispielen abstrahiert. Dazu muss er (i) die wichtigen Gemeinsamkeiten der Bei- spiele erkennen und beachten, (ii) unwichtige Besonderheiten erkennen und außer Acht lassen. Ob das gelingt, ist letztlich Glückssache. Sicherlich wäre es schön, wenn man sich beim Definieren nicht auf den Riecher und das Glück der Zuhörer*innen verlassen müsste. Was einer exemplari- schen Definition daher vorzuziehen ist, wäre die explizite Angabe davon, was alle Fs gemeinsam haben und was Fs von anderen Dingen unterscheidet. Um das anzugeben, sind zwei Faktoren zu beachten: (i) Wie muss etwas beschaffen sein, um F zu sein? (M.a.W.: Was haben alle Fs gemein?) (ii) Gibt es etwas, was ausreicht, um F zu sein? (M.a.W.: Was unterscheidet Fs von allen ande- ren Dingen?) Eine Antwort auf Frage (i) gibt sogenannte notwendige Bedingungen dafür an, ein F zu sein, eine Ant- wort auf Frage (ii) sogenannte hinreichende Bedingungen. Eine ordentliche Definition sollte beide Fra- gen zugleich beantworten und damit Bedingungen angeben, die zugleich notwendig und hinrei- chend für das sind, was definiert werden soll. Eine solche Angabe notwendiger und hinreichender Bedingungen hat die folgende Form: Etwas ist genau dann ein F, wenn es so-und-so beschaffen ist. Alternativ wird diese Form auch folgendermaßen angeben: x ist ein F x ist so-und-so beschaffen. Dies lehnt sich an eine gängige Notation aus der modernen philosophischen Logik an: ▪ Durch die Variable „x“ wird angezeigt, dass über beliebige Dinge geredet wird. ▪ Der Doppelpfeil spielt die Rolle des „genau dann, wenn“. Betrachten wir einmal zwei konkrete Beispiele so formulierter Definitionsversuche: Definitionsversuch: Lüge x ist eine Lüge x ist eine falsche Aussage Definitionsversuch: Kunstwerk x ist ein Kunstwerk x erweckt beim Betrachten eine Erfahrung des Erhabenen Was ihre Form anbelangt, sind diese Definitionsversuche tadellos: Sie bemühen sich um die An- gabe hinreichender und notwendiger Bedingungen dafür, eine Lüge bzw. ein Kunstwerk zu sein. Seite 15 Kap II. Methoden Dabei macht die Präsentation optisch sofort klar, was definiert werden soll und durch welche Bestimmung es definiert werden soll: Ersteres steht links neben dem Doppelpfeil, letzteres steht rechts neben dem Doppelpfeil. Übrigens nennt man das, was in einer Definition definiert werden soll, oft auch das Definiendum, den definierenden Ausdruck hingegen das Definiens. Nun ist die Form aber natürlich nicht alles, was bei einem Definitionsversuch zählt. Auch bei den wohlgeformten Definitionen gibt es gelungene und misslungene. Was kann einen Definitionsver- such inhaltlich kritikwürdig machen? §2.e. Kritik an Definitionen I: Die Bedingungen sind nicht notwendig Notwendige und hinreichende Bedingungen müssen allemal auch notwendige Bedingungen sein. Man kann eine Definition daher kritisieren, indem man zeigt, dass sie keine notwendigen Bedingungen angibt. Kehren wir zur Veranschaulichung dieser Form der Kritik einmal zu einem der obigen Definitionsversuche zurück: Definitionsversuch: Kunstwerk x ist ein Kunstwerk x erweckt beim Betrachten eine Erfahrung des Erhabenen Man kann diesen Vorschlag kritisieren, indem man zeigt, dass keine notwendigen Bedingungen angegeben sind. Wie das? Indem man etwas anführt, das zwar ein Kunstwerk ist, aber beim Be- trachten keine Erfahrung des Erhabenen erweckt. Zum Beispiel gibt es musikalische Kunstwerke. Doch die werden gar nicht betrachtet. Das geschilderte Problem des Definitionsversuchs resultiert, wie Wittgenstein sagen würde, aus einer „einseitige[n] Diät: man nährt sein Denken nur mit einer Art von Beispielen.“ (Philosophische Untersuchungen §593) Wittgenstein hält dies ferner für die „Hauptursache philosophischer Krankheiten“ (ebd.). Selbst, wenn das etwas übertrieben sein mag: Versucht man, einen Begriff zu fassen, so tut man gut daran, sich zunächst einmal in Ruhe die Spannbreite seiner Anwendungen zu vergegenwärtigen und auch später immer mal wieder zu über- legen, ob man nicht mögliche Anwendungen übersehen und durch seinen Definitionsversuch lei- der ausgeschlossen hat. Nachdem eine solche Kritik vorgebracht wurde, muss man einen Definitionsversuch freilich nicht gleich in Bausch und Bogen verwerfen. Mitunter kann man stattdessen versuchen, den Definiti- onsversuch nachzubessern. Angenommen also, man hatte bei der Formulierung einer Definition eine zu kleine Auswahl an Beispielen im Sinn und hat daher einen zu speziellen Begriff verwendet. Das scheint beim obigen Versuch, den Begriff des Kunstwerks zu definieren, geschehen zu sein. Man kann auf diese Beobachtung reagieren, indem man am Ansatz der Definition festhält, aber den zu speziellen Begriff durch einen allgemeineren ersetzt. Kunstwerke beispielsweise werden zwar nicht alle betrachtet, sie werden aber doch alle wahrgenommen bzw. rezipiert. Insofern kann man der angebrachten Kritik zunächst einmal begegnen, indem man nur leicht in die Definition eingreift: Seite 16 Kap II. Methoden Ursprünglicher Definitionsversuch: Kunstwerk x ist ein Kunstwerk x erweckt beim Betrachten eine Erfahrung des Erhabenen Revidierter Definitionsversuch: Kunstwerk x ist ein Kunstwerk x erweckt beim Rezipieren eine Erfahrung des Erhabenen Solange man die Grundidee der Definition (Kunst hat etwas mit erhabenen Erfahrungen zu tun) unterstützt, ist diese Art der Reaktion im Allgemeinen auch erst einmal legitim. §2.f. Kritik an Definitionen II: Die Bedingungen sind nicht hinreichend Notwendige und hinreichende Bedingungen müssen allemal auch hinreichende Bedingungen sein. Man kann eine Definition daher kritisieren, indem man zeigt, dass sie keine hinreichenden Bedingungen angibt. Kehren wir hierfür einmal zur vorgeschlagenen Definition der Lüge zurück: Definitionsversuch: Lüge x ist eine Lüge x ist eine falsche Aussage Man kann diesen Vorschlag kritisieren, indem man zeigt, dass keine hinreichenden Bedingungen für Lügen angegeben sind. Wie das? Indem man jemanden anführt, der eine falsche Aussage macht, aber nicht lügt. Und solche Leute gibt es zuhauf: Wer sich verrechnet und das Ergebnis seiner Rechnung kundtut, der sagt etwas Falsches. Aber offenbar lügt er nicht. Wer sich häufig irrt, ist dadurch noch lange kein notorischer Lügner. §2.g. Kritik an Definitionen III: Unklarheit Manchmal kann man nicht umfassend beurteilen, ob eine Definition notwendige und hinreichende Bedingungen angibt, weil der definierende Ausdruck unklar ist. Betrachten wir noch einmal die ausgebesserte Definition eines Kunstwerks: Revidierter Definitionsversuch: Kunstwerk x ist ein Kunstwerk x erweckt beim Rezipieren eine Erfahrung des Erhabenen Hier besteht verschiedener Klärungsbedarf: Erstens verwendet die definierende Klausel einen ge- wiss ungewöhnlichen und erläuterungsbedürftigen Ausdruck: Denn was soll das eigentlich sein, eine Er- fahrung des Erhabenen? Seite 17 Kap II. Methoden Zweitens lässt die definierende Klausel verschiedene Auslegungen zu, sie ist undeutlich. Denn es stellt sich die Frage, wie allgemein das Definiens gemeint ist: ▪ Geht es um jede stattfindende Rezeption? ▪ Oder nur um viele / typische? ▪ Oder vielleicht nur um Rezeption durch Kenner? Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, werden mehr oder weniger Dinge als Kunstwerk zählen. Dieser Art der Unklarheit – wie allgemein sind generell gehaltene Formulierungen gemeint? – fin- det sich übrigens durchaus oft bei Definitionen. Es ist sinnvoll, hier eine Sensibilität für Problem- potential zu entwickeln. §2.h. Kritik an Definitionen IV: Zirkularität Eine Definition soll hinreichende und notwendige Bedingungen angeben, unter denen der defi- nierte Begriff auf etwas zutrifft. Nun gibt es freilich eine sehr einfache Weise, das zu erreichen: Wir könnten einfach den zu definierenden Begriff wiederholen. Der folgende Definitionsversuch gibt trivialerweise hinreichende und notwendige Bedingungen dafür an, ein Kunstwerk zu sein: Zirkulärer Definitionsversuch: Kunstwerk x ist ein Kunstwerk x ist ein Kunstwerk Das ist aber gewiss kein besonders guter Vorschlag, auch wenn das Ziel erreicht ist, hinreichende und notwendige Bedingungen anzugeben. Ein Problem des Vorschlags besteht darin, dass er uns nicht mehr mitteilt, als wir ohnehin schon wussten: Ein Kunstwerk ist ein Kunstwerk. Allerdings erfasst diese Beschreibung noch nicht die ganze Dimension des zugrundeliegenden Problems. Betrachten wir einmal folgende Variante: Zirkulärer Definitionsversuch II: Kunstwerk x ist ein Kunstwerk (i) x erweckt beim Rezipieren Erfahrungen des Erhabenen & (ii) x ist ein Kunstwerk Anders als die erste Definition teilt uns diese nicht nur mit, was wir schon wussten; zugleich ist hier die Information enthalten, dass Kunstwerke Erfahrungen des Erhabenen hervorrufen. Doch auch wenn diese Definition daher nicht informationsleer ist, ist sie klarerweise problematisch. Ge- nerell sind zirkuläre Definitionen problematisch, bei denen der zu definierende Begriff im definier- ten Begriff selbst auftaucht. Zirkularität ist in mehrerlei Hinsicht problematisch. Hier soll genügen, eine Hinsicht zu nennen: Auch, wenn nicht jede zirkuläre Definition nur mitteilt, was man schon wusste, hat dennoch jede zirkuläre Definition einen Mangel an Informativität. Denn wenn das Seite 18 Kap II. Methoden Definiens im Definiendum auftaucht, dann kann man nur entscheiden, ob das Definiendum auf einen Gegenstand zutrifft, wenn man bereits entscheiden kann, in welchen Fällen das Definiens zutrifft. Angenommen, ich will anhand der obigen Definition entscheiden, ob der Eiffel-Turm ein Kunstwerk ist. Dazu muss ich (i) entscheiden, ob er Erfahrungen des Erhabenen hervorruft, und (ii) ob er ein Kunstwerk ist. Aus diesem Grund hilft er mir aber bei meinem ursprünglichen Anliegen gar nicht weiter. Zirkularität wird üblicherweise als Ausschlussgrund für Definitionsversuche erachtet. Daher trifft man offen zu Tage liegende Zirkularität auch wirklich selten an. Was man schon häufiger antrifft, ist versteckte Zirkularität. Sie kann z.B. auftreten, wenn ein Autor oder eine Autorin eine Reihe von Definitionen vorschlägt, die im Ganzen einen Zirkel beschreiben: Das wäre z.B. der Fall, wenn ▪ in der Definition von Begriff A Begriff B auftaucht, ▪ in der Definition von Begriff B Begriff C, und ▪ in der Definition von Begriff C wiederum Begriff A auftaucht. Eine solche Art der Zirkularität kann man leicht einmal übersehen; aber problematisch bleibt sie dennoch. Damit genug zu Definitionen; lassen Sie mich zum Thema Argument voranschreiten. Rekapitulation: Definitionen 1. Definition über Beispiele Eine Begriffsklärung über Beispiele heißt exemplarische oder ostensive Definition. - Eine ostensive Definition ist oft hilfreich für eine erste Verständigung. - Ihr Nutzen ist aber begrenzt, da man von den Beispielen richtig abstrahieren muss. 2. Definition über Bedingungen Eigentlich erstrebenswert ist eine Definition, die hinreichende und notwendige Bedingungen dafür angibt, dass der definierte Begriff auf etwas zutrifft. ▪ Eine besonders transparente Angabe von Definitionen hat die Form: x ist ein Ladida Df. x ist so-und-so beschaffen ▪ Terminologie - das Definiendum ist der in einer Definition definierte Begriff; - das Definiens ist der definierende Begriff. ▪ Inhaltlich kann man eine Definition kritisieren, indem man zeigt: - dass sie keine hinreichenden Bedingungen angibt; - dass sie keine notwendigen Bedingungen angibt; - dass sie unklar ist; - dass sie zirkulär ist und den zu definierenden Begriff im Definiens verwendet. Seite 19 Kap II. Methoden §3. Argumentieren §3.a. Was ist ein Argument? In der Philosophie geht es nicht darum, einfach nur Meinungen und Ansichten auszutauschen. Es geht darum, begründete Positionen zu vertreten. Aber wie begründet man eine Position oder These? Antwort: mit Argumenten. Daher ist die Argumentation das wohl wichtigste philosophische Werk- zeug. Man wird in der Philosophie auf keinen grünen Zweig kommen, wenn man nicht weiß, wie man gut argumentiert und wie man Argumente analysiert und bewertet. Daher wollen wir uns hier mit zumindest ein paar Basics bezüglich Argumenten vertraut machen. Beginnen sollten wir mit der definitorischen Frage, was ein Argument eigentlich ist. Zur Vorbe- reitung einer Antwort kann es helfen, zunächst ein paar Beispiele von Argumenten zu betrachten: Ich denke. Also bin ich. (René Descartes) Ich gehe spazieren. Also bin ich. (Descartes nachempfunden von Pierre Gassendi) “Take some more tea”, the March Hare said to Alice, very earnestly. “I’ve had nothing yet,” Alice replied in an offended tone, “so I can’t take more.” (Lewis Carroll, Alice in Wonderland) Lots of people act well, […] but very few people talk well, which shows that talking is much the more difficult thing of the two, and much the finer thing also. (Oscar Wilde, The Devoted Friend ) To love is to suffer. To avoid suffering, one must not love. But then, one suffers from not loving. Therefore, to love is to suffer; not to love is to suffer; to suffer is to suffer. (Sonja in Woody Allens Love and Death) Dies sind tatsächlich recht repräsentative Beispiele. Wir können an ihnen nun einige Beobachtun- gen zum Wesen eines Arguments anstellen: 1. Ein Argument ist eine Folge von Aussagen. 2. Dabei soll eine der Aussagen gestützt, belegt, bzw. erwiesen werden. 3. Zur Stützung wiederum dienen ein oder mehrere Aussagen, die im Argument als gegeben vorausgesetzt werden. Die zu stützende Aussage soll aus diesen Voraussetzungen folgen (was oft durch Folgerungswörter wie „also“, „folglich“, „daher“ angezeigt wird). Diese drei Merkmale kann man durchaus als definitorisch für den Begriff eines Arguments be- trachten. Wir halten also fest: Seite 20 Kap II. Methoden DEFINITION: ARGUMENT Ein Argument ist eine Folge von Aussagen, ▪ von denen eine gestützt bzw. untermauert werden soll, ▪ während die anderen Aussagen als Annahmen vorausgesetzt werden, um die eine zu untermauern. Statt von Argumenten wird übrigens auch von Schlussfolgerungen gesprochen, da man in einem Ar- gument eine Aussage aus anderen folgert. Die Aussagen, die in einem Argument vorausgesetzt werden, um eine andere Aussage zu stützen, nennt man in der Philosophie auch die Prämissen des Arguments. Die Aussage, für die argumentiert wird, nennt man die Konklusion. Zu wissen, was die Prämissen und die Konklusion eines Arguments sind, ist wesentlich dafür, das Argument zu verstehen. Denn solange man nicht weiß, welche Voraussetzungen genau in An- spruch genommen werden, kann man ja auch nicht beurteilen, ob sie das Beweisziel tatsächlich stützen. Daher ist es hilfreich, wenn die Struktur eines Arguments möglichst explizit gemacht wird, indem Prämissen und Konklusion eindeutig als solche präsentiert werden. Das kann dann z.B. wie folgt aussehen: P1 Nur vernunftbegabte Wesen sind der Sprache mächtig. P2 Sherlock Holmes beherrscht eine Sprache. K Also: Sherlock Holmes ist vernunftbegabt. Sie erkennen das Muster: Die Prämissen werden zeilenweise getrennt festgehalten, mit einem P markiert und durchnummeriert. Die Konklusion wird durch ein K markiert. Das macht einerseits genau klar, was als Voraussetzungen und was als Beweisziel der Argumentation gilt; und es erlaubt, sich bei der Diskussion des Arguments eindeutig auf bestimmte Teile zurückzubeziehen. Aus der obigen Definition eines Arguments ergeben sich zwei wichtige Unterscheidungen: Erstens gibt es einen Unterschied zwischen Meinungsäußerungen oder Behauptungen und Argumenten. Denn in einem Argument wird versucht, eine These oder Meinung zu untermauern. Die bloße Kundgabe einer Meinung tut das nicht und ist daher noch kein Argument. Zweitens gibt es einen Unterschied zwischen Argumenten und guten Argumenten. Denn wesent- lich ist für ein Argument nur, dass man versucht, eine These zu untermauern. Inwieweit der Versuch gelingt, bestimmt die Güte des Arguments; nicht aber, ob überhaupt ein Argument vorliegt. Doch was macht ein gutes Argument eigentlich aus? Seite 21 Kap II. Methoden §3.b. Gute Argumente Tatsächlich kann man verschiedene Faktoren im Sinn haben, wenn man ein Argument als gut bzw. schlecht bezeichnet. In der philosophischen Arbeit geht es vor allem um zwei solcher Faktoren: ▪ Erstens kann man auf die Wahrheit der Prämissen abzielen. In einer Hinsicht ist ein Argu- ment schlecht, wenn die Prämissen nicht zutreffen. ▪ Zweitens kann man auf die logische Korrektheit des Arguments abzielen. In einer Hinsicht ist ein Argument schlecht, wenn der Schluss von den Prämissen auf die Konklusion nicht folgerichtig ist. Nun gibt es Argumente in jedem beliebigen Themenbereich. Daher gibt es auch keine generelle Methode, um festzustellen, ob die Prämissen eines Arguments wahr sind. Dies muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Manchmal kann das leicht, manchmal sehr schwer sein; manchmal wird di- verses Hintergrundwissen benötigt, manchmal weitere Argumente. Zu diesem Aspekt der Güte eines Arguments können weder ich noch die Philosophie überhaupt mehr sagen. Anders verhält sich mit der logischen Korrektheit eines Arguments. Die ist der zentrale Untersu- chungsgegenstand eines eigenen Gebiets der Philosophie, nämlich der Logik. Ein paar Grundideen zur logischen Korrektheit von Argumenten möchte ich im Folgenden vorstellen. Freilich ließe sich dazu noch weit mehr sagen, was dann aber Thema einer Einführung in die Logik wäre. Zuallerst noch ein paar terminologische Punkte: Was ich bislang oft (logische) Korrektheit eines Arguments genannt habe, wird in der Logik oft auch als Schlüssigkeit bezeichnet. Ein Argument hat die Eigenschaft der Schlüssigkeit, wenn seine Konklusion aus den Prämissen folgt. Dann sagt man auch, dass die Prämissen die Konklusion implizieren. Halten wir also fest: BEGRIFFE UND TERMINOLOGIE: IMPLIKATION, FOLGE, SCHLÜSSIGKEIT Die folgenden drei Redeweisen sind gleichwertig: Aussage A impliziert Aussage B Aussage B folgt aus Aussage A Das folgende Argument ist schlüssig: Prämisse A Konklusion B Die Begriffe der logischen Folge, der logischen Implikation und der Schlüssigkeit betreffen somit alle dasselbe Phänomen. Aber was genau soll es nun heißen, dass eine Schlussfolgerung folgerichtig bzw. dass ein Argument logisch korrekt ist? Und was heißt es, dass eine Konklusion aus bestimmten Prämissen folgt? Seite 22 Kap II. Methoden §3.c. Schlüssigkeit Überzeugungskraft Ein wichtiger Punkt: Die Schlüssigkeit bzw. Korrektheit eines Arguments hängt nicht am subjek- tiven Befinden der Argumentierenden. Ob eine Adressatin sich von einem Argument beeindruckt zeigt (ihre Meinung ändert, oder nicht etc.), ist kein Maß für die Korrektheit des Arguments. Denn einerseits verdankt sich die Überzeugungskraft einer Argumentation oft anderen Faktoren als ihrer tatsächlichen Folgerichtigkeit. Eine wichtigere Rolle als die Korrektheit spielen oft Stilfragen, Machtgefälle, Schmeicheleien, Loyalitätsappelle oder auch absichtliche Irreführung. Andererseits aber ist die Schlüssigkeit eines Arguments nicht immer offenkundig. Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Arguments kann man falsch liegen; man kann Fehlschlüsse ziehen und sich vertun. Dass man ein Argument für folgerichtig hält, heißt daher nicht, dass es folgerichtig ist; und umgekehrt kann der ein oder andere, konfrontiert mit einem schlüssigen Argument, durchaus zu- nächst mal meinen, die Konklusion folge gar nicht aus den Prämissen. Man muss also streng unterscheiden zwischen Schlüssigkeit und Überzeugungskraft und ebenso da- zwischen, ob ein Argument von jemandem für schlüssig gehalten wird und ob es tatsächlich schlüssig ist. Für die tatsächliche Schlüssigkeit spielen die Überzeugungen der Produzenten und Konsumen- ten eines Arguments zunächst mal keine Rolle. Die Frage bleibt: Was dann? §3.d. Schlüssigkeit und Wahrheit Die Prämissen eines schlüssigen Arguments sollen die Wahrheit der Konklusion untermauern. Schlüssigkeit hat also etwas mit Wahrheit zu tun. Aber wie eng hängen diese Faktoren zusammen? Die Kurzantwort lautet: Im Großen und Ganzen ergibt sich die Korrektheit bzw. Schlüssigkeit eines Arguments nicht aus der Frage, ob die Prämissen und die Konklusion wahr oder falsch sind. Insbesondere gibt es klare Fälle von Fehlschlüssen, in denen von wahren Prämissen auf eine wahre Konklusion geschlossen wird, aber eben in fehlerhafter Weise. Hier ein Beispiel: A.1 P Es gibt sterbliche Menschen. K Also sind alle Menschen sterblich. Dieses Argument hat eine wahre Prämisse und eine wahre Konklusion. Dennoch ist der vollzo- gene Schluss nicht statthaft. Das sieht man sehr gut durch den Vergleich mit folgendem Argument: A.2 P Es gibt weibliche Menschen. K Also sind alle Menschen weiblich. Hier wurde offensichtlich schlecht geschlossen. Denn von einer wahren Prämisse (ja, es gibt weib- liche Menschen) wurde auf eine falsche Konklusion geschlossen (nein, nicht alle Menschen sind Seite 23 Kap II. Methoden weiblich). Das zeichnet den Schluss als offenbar verfehlt aus. Ein korrektes Schlussverfahren muss bei wahren Voraussetzungen auch eine wahre Konklusion erzeugen. Nun folgen die beiden Argumente A.1 und A.2 aber demselben Schlussmuster, sie bedienen sich haargenau derselben Logik. Argument A.1 ist deshalb ebenso wenig korrekt geschlossen wie A.2, auch wenn A.1 eine wahre Konklusion aufweist. Die Wahrheit der Konklusion ist hier nicht der Güte der Schlussfolgerung zu verdanken; es handelt sich vielmehr um einen Glückstreffer. Wie bereits festgestellt, darf man bei folgerichtigem Schließen erwarten, dass man von Wahrheiten nur zu weiteren Wahrheiten gelangt. Ein Argument, bei dem dies geschieht, wäre das folgende: A.3 P Es gibt keine Gespenster. K Also gibt es auch keine traurigen Gespenster. Wichtig ist aber zu sehen, dass man auch von einer falschen Ausgangslage aus in korrekter Weise Schlüsse ziehen kann. Hier ein Beispiel zur Veranschaulichung: A.4 P Es gibt keine Menschen. K Also gibt es auch keine traurigen Menschen. Die Prämisse des Arguments ist falsch. Aber in Sachen Folgerichtigkeit ist das Argument nicht zu beanstanden. Es verwendet eine korrekte Schlussart, nämlich dieselbe wie Argument A.3. Insgesamt kann man daher feststellen, dass die Wahrheit bzw. Falschheit der Prämissen und der Konklusion eines Arguments in der Regel nicht aufzeigt, ob es korrekt ist oder nicht. Nur eine einzige Kombination von wahren/falschen Prämissen und wahrer/falscher Konklusion erlaubt eine unmittelbare Diagnose: Hat ein Argument wahre Prämissen aber eine falsche Konklusion, so wurde in ihm nicht korrekt geschlossen. Lassen Sie mich hier nebenbei einmal betonen: Zu sagen, dass die Prämissen eines Arguments wahr sind, meint, dass sie zusammengenommen wahr sind – dafür muss jede einzelne wahr sein. Wenn hingegen mindestens eine der Prämissen falsch ist, sind sie zusammengenommen falsch, nicht wahr. §3.e. Schlüssigkeit und Wahrheitserhalt Wenn aber die Wahrheit bzw. Falschheit von Prämissen und der Konklusion für sich genommen noch nicht entscheidend für die Korrektheit bzw. Folgerichtigkeit eines Argumentes ist, was dann? Entscheidend ist, ob ein bestimmter Zusammenhang zwischen Prämissen und Konklusion besteht: Ein korrekter Schluss zeichnet sich dadurch aus, dass mit ihm kein Übergang von wahren Prämis- sen zu einer falschen Konklusion vorkommen kann. Es muss sichergestellt sein, dass wenn die Seite 24 Kap II. Methoden Prämissen wahr sind, oder wahr wären, sie zu einer wahren Konklusion führen, bzw. führen wür- den. Diesen Zusammenhang können wir als Wahrheitserhalt bezeichnen: Etwaige Wahrheit der Prä- missen bleibt beim Übergang zur Konklusion erhalten. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, dass wir die Prämissen und die Konklusion nicht bloß in Sa- chen tatsächlicher Wahrheit und Falschheit auswerten. Vielmehr müssen wir auch rein hypothetische Fälle betrachten: Wir müssen verschiedene Szenarien durchspielen, in denen die Prämissen wahr sind, und uns fragen, ob in ihnen auch die Konklusion wahr ist. Betrachten wir als Beispiel das folgende Argument: P Sokrates war Töpfer. K Sokrates war Handwerker. Wir wollen uns fragen, ob der Übergang von der Prämisse zur Konklusion wahrheitserhaltend ist. Nun ist die Prämisse dieses Arguments, so wie die Dinge nun mal liegen, falsch. Insofern gibt es hier zunächst mal gar keine Wahrheit, die beim Übergang von der Prämisse zur Konklusion erhal- ten werden könnte. Aber wir können mögliche Szenarien betrachten, in denen die Prämisse wahr ist. Wir können hypothetisch annehmen, dass Sokrates Töpfer war, und überlegen, wie es dann um die Konklusion bestellt ist. Dann aber sehen wir, dass der Schluss tatsächlich wahrheitserhal- tend ist; unter der Annahme, die Prämisse sei wahr, ist auch die Konklusion wahr. Wir können diese Überlegungen wie folgt zur Erklärung des Schlüssigkeitsbegriffs einsetzen: DEFINITION: SCHLÜSSIGKEIT ALS WAHRHEITSERHALT Ein Argument ist schlüssig Df. der Übergang von den Prämissen zur Konklusion des Arguments ist wahrheitserhaltend (und zwar auch in bloß möglichen Szenarien). §3.f. Ein strenger und ein liberaler Schlüssigkeitsbegriff Damit sind wir fast am Ziel, aber noch nicht ganz. Denn wir können im Einklang mit unserer Definition zwei Sorten von Schlüssigkeit unterscheiden. Schlüssige Argumente sind wahrheitser- haltend, und zwar auch über bloß mögliche Szenarien hinweg. Da sollte man sich noch fragen: Über ausnahmslos alle möglichen Szenarien hinweg? Oder sind ein paar Ausnahmen erlaubt, so dass der Wahrheitserhalt bloß in typischen oder vielen Szenarien bestehen muss? Im letzteren Fall stützen die Prämissen die Konklusion nur zu einem bestimmten Grad und machen sie wahrschein- lich. Im ersteren Fall verbürgen die Prämissen die Konklusion mit strikter Notwendigkeit. Dementsprechend können wir zwei unterschiedlich strenge Begriffe von Schlüssigkeit definieren: ▪ Im liberaleren Sinn verlangt Schlüssigkeit nur den Wahrheitserhalt über viele bzw. typische mögliche Szenarien hinweg. Seite 25 Kap II. Methoden ▪ Im strengeren Sinn wird der Wahrheitserhalt über alle möglichen Szenarien hinweg verlangt. Diese Unterscheidung läuft standardmäßig unter dem Titel induktive versus deduktive Schlüssigkeit. Gemäß dem bisher Gesagten können wir den Begriff der induktiven Schlüssigkeit auf zwei einan- der entsprechende Weisen festhalten: DEFINITION: INDUKTIVE SCHLÜSSIGKEIT Ein Argument ist induktiv schlüssig Df. der Übergang von den Prämissen zur Konklusion ist über viele/typische mögliche Szenarien hinweg wahrheitserhaltend. DEFINITION: INDUKTIVE SCHLÜSSIGKEIT (ALTERNATIVE FORMULIERUNG) Ein Argument ist induktiv schlüssig Df. es ist wahrscheinlich, dass, wenn die Prämissen wahr sind, auch die Kon- klusion wahr ist. Ebenso können wir die deduktive Schlüssigkeit in zwei gleichwertigen Definitionen fassen: DEFINITION: DEDUKTIVE SCHLÜSSIGKEIT Ein Argument ist deduktiv schlüssig Df. der Übergang von den Prämissen zur Konklusion ist über restlos alle möglichen Szenarien hinweg wahrheitserhaltend. DEFINITION: DEDUKTIVE SCHLÜSSIGKEIT (ALTERNATIVE FORMULIERUNG) Ein Argument ist deduktiv schlüssig Df. es ist strikt notwendig, dass, wenn die Prämissen wahr sind, auch die Konklusion wahr ist. Induktive Schlüssigkeit ist durchaus wichtig. Sehr oft, wenn wir für eine Konklusion argumentie- ren, begnügen wir uns mit bloß induktiv schlüssigen Argumenten und haben nur den Anspruch, dass die verwendeten Prämissen sie wahrscheinlich machen. Das gilt insbesondere, wenn wir em- pirische Fragen diskutieren, bei denen wir auf Verallgemeinerungen von Einzelbeobachtungen an- gewiesen sind oder mit Überlegungen zu statistischer Wahrscheinlichkeit arbeiten. In der philosophischen Logik liegt das Augenmerk aber auf strenger/deduktiver Schlüssigkeit. Denn Argumente in der Philosophie stützen sich meist auf begriffliche Zusammenhänge zwischen Prämissen und Konklusion, die mit strikter Notwendigkeit gelten (wenn sie überhaupt gelten), wie beispielsweise in: Seite 26 Kap II. Methoden A.6 P Ludwig ist Junggeselle. K Also ist Ludwig unverheiratet. A.7 P Karl ist groß und stark. K Also ist Karl stark. A.8 P1 Jeder Menschenaffe ist ein Schriftsteller. P2 Professor Ape ist ein Menschenaffe. K Also ist Prof. Ape ein Schriftsteller. Nur sehr selten betreibt man in der Philosophie empirische Forschung, bei der induktive Schluss- folgerungen zentral sind. Wenn ich daher im weiteren Verlauf dieser Einführung von Schlüssigkeit spreche, meine ich in aller Regel deduktive Schlüssigkeit; ansonsten sage ich es explizit an. Den Begriff der Schlüssigkeit zu verstehen ist einer der wesentlichen Grundsteine für jedes erfolg- reiche Philosophiestudium. Denn die Untersuchung von Argumenten auf Schlüssigkeit hin ist der methodische Anker des Philosophierens. §3.g. Mögliche Szenarien und Notwendigkeit Lassen Sie mich daher noch etwas mehr zu einem Schlüsselelement aus der Definition deduktiver Schlüssigkeit sagen. In den beiden Varianten der Definition spielen die Begriffe von Notwendig- keit und möglichen Szenarien eine zentrale Rolle. Diese werden in der Philosophie als modale Be- griffe bezeichnet. Modale Begriffe kommen ins Spiel, wenn wir nicht bloß daran interessiert sind, wie sich Dinge tatsächlich verhalten, sondern auch daran, wie sie sich verhalten müssen, können oder würden, wenn die Umstände andere wären. Die Welt ist auf eine bestimmte Weise beschaffen. Aber sie hätte auch ganz anders sein können. Sehr viele Dinge hätten sich anders entwickeln können, als sie es getan haben. Oft genug malt man sich aus, was gewesen wäre, wenn dies oder jenes anders gekommen wäre – wenn man dem un- verschämten Pöbler gegenüber die treffende Erwiderung gefunden hätte, wenn man eine Gele- genheit beim Schopf ergriffen hätte, etc. pp. Dann denkt man über mögliche Szenarien nach – oder, wie Philosoph*innen mit Anlehnung an Leibniz oft sagen: über mögliche Welten. Die Rede von möglichen Szenarien oder möglichen Welten kann man wie folgt direkt in die Be- griffe von Notwendigkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit übersetzen: Seite 27 Kap II. Methoden Etwas ist notwendig, wenn es in allen möglichen Szenarien der Fall ist. Etwas ist möglich, wenn es in mindestens einem möglichen Szenario der Fall ist. Etwas ist unmöglich, wenn es in keinem möglichen Szenario der Fall ist. Die Begriffe von Möglichkeit und Notwendigkeit hängen dadurch systematisch zusammen. Wenn etwas nicht möglich bzw. unmöglich ist, ist sein direktes Gegenteil notwendig. Ein Beispiel: Es ist unmöglich, dass ein Kreis viereckig ist. Also ist es notwendig, dass ein Kreis nicht viereckig ist. Und wenn etwas notwendig ist, dann ist seine Verneinung unmöglich. Ein Beispiel: Es ist notwendig, dass Kreise rund sind. Also ist es unmöglich, dass Kreise nicht rund sind. Dieser Umstand ist dafür verantwortlich, dass man die Definitionen deduktiver Schlüssigkeit auch über den Begriff der Unmöglichkeit fassen kann. Denn es gilt: Ein Argument ist schlüssig, wenn es notwendig ist, dass, falls die Prämissen wahr sind, die Konklusion auch wahr ist ist. Nun können wir das Prinzip anwenden: Notwendig ist das, dessen Gegenteil unmöglich ist. Damit erhalten wir: Ein Argument ist schlüssig, wenn es unmöglich ist, dass die Prämissen wahr sind, aber zugleich die Konklusion falsch ist. Schlüssigkeit kann man also auch die Unmöglichkeit einer falschen Konklusion bei wahren Prä- missen fassen. Dieses Prinzip sollte man sich merken. Es ist sehr nützlich für den Nachweis davon, dass ein Argument nicht schlüssig ist. Denn dafür genügt es, eine einzelne Möglichkeit aufzuzeigen, in der die Prämissen wahr und die Konklusion zugleich falsch sind. Betrachten Sie beispielsweise: A.9 P Ludwig sagt etwas Falsches. K Also lügt Ludwig. Dieses Argument ist nicht schlüssig. Wir können das aufzeigen, indem wir ein mögliches Szenario beschreiben, in dem Ludwig etwas Falsches sagt, aber nicht lügt. Und wir wissen bereits, wie ein solches Szenario aussieht: Ludwig irrt sich und glaubt also etwas Falsches; zudem teilt er seine irrige Überzeugung jemand anders mit. In dem Szenario ist die Prämisse des Arguments wahr, die Konklusion aber falsch. Damit ist das Argument als nicht schlüssig erwiesen. Denn bei einem schlüssigen Argument kann es kein solches Szenario geben, weil ja laut der Schlüssigkeitsdefinition in jedem Szenario, in dem die Prämisse wahr ist, auch die Konklusion wahr sein muss. Seite 28 Kap II. Methoden §3.g. Relative versus absolute Notwendigkeit Den modalen Begriff der Möglichkeit drückt man oft auch durch das Verb „können“ aus, den der Notwendigkeit durch das Verb „müssen“. Daher kann man die Charakterisierungen von Schlüs- sigkeit auch wie folgt formulieren: Ein Argument ist schlüssig, wenn die Konklusion wahr sein muss, sofern die Prämissen wahr sind. Ein Argument ist schlüssig, wenn die Konklusion nicht falsch sein kann, sofern die Prä- missen wahr sind. Bei der Verwendung von modalen Ausdrücken wie „möglich“ oder „kann“ etc. hat man allerdings häufig Möglichkeit und Notwendigkeit verschiedener Art und/oder Stärke im Sinn. Beispielsweise hat man manchmal bloß besonders hohe Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit im Sinn, wie wenn man sagt: (1) Man kann nicht fünfmal hintereinander sechs Richtige im Lotto haben. Andererseits gebraucht man modale Ausdrücke manchmal, wenn man Gebote des Anstands oder der Moral formuliert, wie in (2) You can’t do that on stage anymore; (3) Man muss Ungerechtigkeit bekämpfen, wo man sie trifft. Auch spricht man bisweilen angesichts unerträglicher Lagen vom Müssen: (4) Wir müssen hier raus, das ist die Hölle. Oder auch angesichts bestimmter biologischer oder physikalischer Konstanten: (5) Hasen können nicht fliegen. (6) Einmal angestoßen muss ein Körper sich stetig fortbewegen, solange keine Gegenkraft auf ihn einwirkt. Das sind alles legitime Verwendungen modaler Ausdrücke; aber sie sind für unsere gegenwärtigen Zwecke nicht einschlägig. Denn hier werden sozusagen relative oder eingeschränkte Notwendig- keiten angesprochen; in der Definition von Schlüssigkeit geht es um strikte oder absolute Notwen- digkeit und Unmöglichkeit. Etwas ist nur dann absolut notwendig, wenn es in wirklich jedem möglichen Szenario der Fall gewesen wäre – ausnahmslos, also gleichviel, wie sehr sich die Welt des Szenarios und ihr Verlauf von der Wirklichkeit unterscheiden mögen. Ebenso ist etwas nur dann absolut unmöglich, wenn es in keinem einzigen möglichen Szenario der Fall gewesen wäre – gleichviel, wie sehr sich die Welt des Szenarios und ihr Verlauf von der Wirklichkeit unterscheiden mögen. Versuchen wir einmal, uns klarzumachen, warum die oben angeführten Beispiele (1) bis (6), so wie sie vorgestellt wurden, nicht von absoluten Modalitäten handeln. Zunächst mal ist absolute Not- wendigkeit von hoher Wahrscheinlichkeit zu unterscheiden. Etwas, das sehr, das sogar extrem unwahrscheinlich ist, ist noch immer nicht im strengsten Sinne unmöglich. Es könnte eben in einer Seite 29 Kap II. Methoden Ausnahmesituation doch eintreten. Anders ausgedrückt: Etwas, das extrem wahrscheinlich ist, tritt in den meisten relevanten möglichen Szenarien ein. Aber etwas, das absolut notwendig ist, tritt in wirklich allen möglichen Szenarien ein; ausnahmslos. Extreme Wahrscheinlichkeit ist ein schwä- cherer Begriff als absolute Notwendigkeit. Klar sollte sein, dass gesellschaftliche und auch moralische Gebote keine absoluten Notwendig- keiten darstellen. Offenbar kann man es z.B. unterlassen, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren und tut es auch häufig; die in (3) angesprochene Notwendigkeit ist etwas, das in einer moralisch perfekten Welt der Fall wäre. Nicht aber etwas, das in jeder möglichen Welt der Fall ist. Auch wenn es bedauerlich ist, muss man ja eingestehen, dass auch in der tatsächlichen Welt viele moralisch gebotenen Umstände nun einmal nicht der Fall sind. Und wenn man sagt, man muss seine Lebensumstände ändern, dann weiß man natürlich, dass der Fortbestand der Umstände leider eine sehr reale Möglichkeit ist; aber vielleicht eine, die man nicht aushalten würde, an der man innerlich zugrundegehen würde. Wie steht es schließlich mit biologischer und physikalischer Notwendigkeit? Nun, die Welt hätte so manch bizarren Verlauf nehmen können – beispielsweise einen, in den die Evolution fliegende Hasen hervorgebracht hätte. Biologische Notwendigkeiten sind daher keine absoluten Notwendig- keiten. Sie sind nur notwendig relativ zu bestimmten Startbedingungen, die man als gegeben an- nimmt. Dasselbe gilt anscheinend für physikalische Notwendigkeiten: Während bestimmte physi- kalische Gesetze bei uns gelten, hätte es auch eine Welt mit radikal anderen physikalischen Geset- zen geben können, in denen die Dinge aus unserer Sicht betrachtet drunter und drüber gehen. Also: Extreme Wahrscheinlichkeit, gesellschaftlich oder moralisch Gebotenes, biologische Gesetz- mäßigkeiten, physikalische Gesetzmäßigkeiten, sie alle sind keine absoluten Notwendigkeiten. Da mag man sich nun langsam fragen, ob überhaupt irgendwas als absolute Notwendigkeit oder absolute Unmöglichkeit gelten kann. Es kann. Einiges ist tatsächlich im striktesten Sinne unmög- lich. Gleichviel, wie die Welt sich entwickelt hätte, nichts hätte beispielsweise dazu führen können, dass es verheiratete Junggesellen gibt, dass es weibliche Eber gibt, dass es ein Grinsen gibt ohne zugleich irgendetwas, das grinst, dass es ein Dreieck mit zwanzig Ecken gibt, dass es gerade Primzahlen gibt, die größer sind als die Zahl 2, oder dass es einen Hasen gibt, der zugleich flugfähig und nicht flugfähig ist. Dies sind typische Beispiele von absoluten Unmöglichkeiten. Solche Unmöglichkeiten spiegeln oft wesentliche begriffliche, oft definitorische Zusammenhänge wieder: Der Begriff eines Ebers ist per defi- nitionem der Begriff eines männlichen Schweins – deshalb ist es nicht bloß ein Zufall der Natur, dass es keine weiblichen Eber gibt. Das, was mit der Aussage „Es gibt weibliche Eber“ beschrieben wird, ist eine begriffliche Unmöglichkeit. Da Notwendigkeit und Unmöglichkeit einander, wie Seite 30 Kap II. Methoden oben beschrieben, stets begleiten, entsprechen den aufgezählten absoluten Unmöglichkeiten auch absolute Notwendigkeiten (man möge sich klarmachen, welche). Wir haben nun gesehen, dass mit der Rede von Notwendigkeit und Unmöglichkeit verschieden starke Anforderungen einhergehen. Die verschieden starken Reden von Notwendigkeit und Mög- lichkeit spielen eine wichtige Rolle im Alltag und teils auch in wissenschaftlichen Kontexten. Aber in der Definition von deduktiver Schlüssigkeit ist ausschließlich von Notwendigkeit und (Un-)Mög- lichkeit in einem absoluten Sinne die Rede. §3.h. Argumente kritisieren Wie kritisiert man Argumente? Das ergibt sich bereits aus dem Begriff eines Arguments: In einem Argument soll die Konklusion durch die vorausgesetzten Prämissen untermauert werden. Eine sinnvolle Kritik kann daher entweder eine (oder mehrere) der Prämissen angreifen; oder sie kann den Übergang bzw. die Schlussweise in Zweifel ziehen und zeigen, dass das Argument nicht schlüs- sig ist. Lediglich die Konklusion des Arguments zu verneinen, ignoriert das Argument statt es zu kritisieren. Denn das Argument liefert ja gerade einen Grund, die Konklusion zu akzeptieren. Der ist gegeben, wenn die Prämissen wahr sind und das Argument schlüssig ist. Jede direkte Kritik eines Arguments muss daher an einem dieser beiden Faktoren ansetzen. Eine legitime Form der indirekten Kritik eines Arguments besteht darin, gegen die Konklusion zu argumentieren. Wenn das Gegenargument etwa so stark erscheint wie das kritisierte Argument, ergibt sich dann erstmal eine Aporie: Wir kennen nun gleich gute Gründe für und gegen die Konklusion. Aufgelöst werden kann sie durch eine direkte Kritik eines der beiden Argumente. §3.i. Argumente rekonstruieren In einem Argument soll die Konklusion aus den Prämissen folgen; in einem guten Argument tut sie es auch. Da Argumente in philosophischen Diskussionen eine wesentliche Rolle spielen, sollte man sich in der Beurteilung der Schlüssigkeit von Argumenten schulen. Um aber die Schlüssigkeit eines Arguments beurteilen zu können, muss man die Struktur des Ar- guments klar erfassen: Welche Voraussetzungen werden gemacht und wofür genau wird argumen- tiert? Das ist mal mehr und mal weniger klar. Ein wenig Interpretationsarbeit ist oft vonnöten. Betrachten Sie zum Beispiel die folgende Passage aus Platons Menon (78A): Sokrates: Wenn also niemand begehrt, unglückselig zu sein, dann begehrt auch niemand das Schlechte. Denn was ist Unglückseligkeit anderes, als das Schlechte zu begehren und zu seinem Besitz zu machen? Seite 31 Kap II. Methoden Sokrates argumentiert hier. Aber das Argument steht nicht in glasklarer Form da. Man muss er- kennen, dass der Fragesatz, den Sokrates verwendet, einen wichtigen Bestandteil seiner Argumen- tation ausmacht. Denn es handelt sich um eine rhetorische Frage; Sokrates setzt bei ihr die beja- hende Antwort voraus. Wir können der Passage das folgende Argument entnehmen: P Unglückseligkeit ist nichts anderes, als das Schlechte zu begehren und es sich anzueignen. K Also: Wenn niemand begehrt, unglückselig zu sein, begehrt niemand das Schlechte. Wenn man ein wichtiges Argument einer Autorin besprechen möchte, dann sollte man erstmal über seine Struktur ins Klare kommen und diese dann auch schriftlich festhalten. Diesen Arbeits- schritt nennt man oft die Rekonstruktion eines Arguments: Definition: Rekonstruktion eines Arguments Aus einem argumentativ angelegten Text ein Argument zu rekonstruieren, heißt: erstens den Text daraufhin zu interpretieren, was als Prämissen voraus- gesetzt wird und wofür als Konklusion argumentiert wird; sowie zweitens die so ermittelte Argument-Struktur explizit festzuhalten. Aus einem Text ein Argument zu rekonstruieren, gestaltet sich oft schwieriger als im oben präsen- tierten, einfachen Beispiel. Insbesondere ist nicht immer auf den ersten Blick klar, welche These eigentlich gestützt werden soll (was also die Konklusion des Arguments sein könnte). Noch schwieriger ist häufig festzustellen, welche Thesen tatsächlich zur Stützung angebracht werden (und also als Prämissen dienen können). So stehen Prämissen mitunter weit entfernt voneinander und/oder von der Konklusion; manchmal sind sie erst nach der Konklusion anzutreffen; manch- mal steht ein Teil von ihnen vor, ein anderer hinter der Konklusion. Dann wieder sind einige Prämissen womöglich nur angedeutet und bedürfen der Ergänzung durch eine wohlwollende Le- serin. Bei der Suche nach Prämissen einer Argumentation helfen bisweilen Winke der Autorin, wie die Verwendung von Folgerungswörtern – beispielsweise: also; mithin – oder Wörtern, mit denen Prämissen als solche markiert werden: da; denn; die folgenden Überlegungen belegen meine These. Manchmal fehlen aber solche expliziten Hilfen und nur ein gutes Gesamtverständnis vom vorlie- genden Text kann klären, wo sich in ihm Prämissen und wo die Konklusion befinden. Es gibt kein Patentrezept zum Erwerb der Fähigkeit, ein Argument aus einem eher undurchsichtig aufgebauten Text zu rekonstruieren. Man kann sie sich nur im häufigen Umgang mit Texten an- eignen (und diese Aneignung benötigt für gewöhnlich viel Zeit). Einzig eine Faustregel der Inter- pretation sei hier noch erwähnt, das Prinzip der wohlwollenden Interpretation. Generell gesprochen sollte man im Allgemeinen versuchen, vorhandenen Interpretationsspielraum behutsam zugunsten der Autorin zu nutzen. Das heißt, man sollte versuchen, offensichtliche Flüchtigkeitsfehler in For- mulierungen zu korrigieren und bei verschiedenen möglichen Auslegungen einer Argumentation diejenige zu wählen, bei der das insgesamt stärkste Argument herauskommt – also ein Argument, mit möglichst plausiblen Prämissen und einer möglichst korrekten Schlussweise. Seite 32 Kap II. Methoden §3.j. Weitere Bestandteile von Argumentationen Wenn man ein Argument aus einem Text rekonstruiert, stellt man diese Teile klar heraus. Er- schwert wird die Rekonstruktion oft dadurch, dass ein Text, in dem ein Argument entwickelt wird, neben der Konklusion und den Prämissen noch anderes Material enthält. Die wesentlichen Teile eines Arguments sind, wie gesagt, die Konklusion, also die Aussage, die gestützt werden soll, und die Prämissen, also die Voraussetzungen, welche die Konklusion stützen sollen. Daneben kommen oft Ausführungen vor, die für das Argument selber schlicht irrelevant sind. Autoren verlieren sich manchmal in Ausschmückungen, machen kluge aber nur lose verbundene Randbemerkungen oder fügen schnell noch ein et ceterum censeo anbei, ein Was ich schon immer mal sagen wollte. Solche Teile lassen wir bei der Rekonstruktion eines Arguments außen vor. Andererseits geht in eine Argumentation neben Prämissen und Konklusion manchmal noch wei- teres Material ein, das argumentationstheoretisch durchaus relevant ist, nämlich: Zwischenkonklusionen; Nebenargumente für die Prämissen des eigentlichen Arguments; rein hypothetische Annahmen. Gehen wir diese Elemente einmal der Reihe nach durch. Zwischenkonklusionen. Wenn jemand einen Gedankengang besonders klar machen möchte, geht er manchmal Schritt für Schritt vor und zieht einen Schluss nach dem anderen. Das heißt, er folgert aus Prämissen etwas und folgert daraus dann wieder etwas. Hier ein Beispiel: So offensichtlich, wie wir denken, so offensichtlich gibt es auch Gedanken. Gedanken aber sind keine materiellen Gegenstände. Also gibt es neben materiellen Dingen auch noch andere. Also ist der Materialismus, demzufolge alles materiell ist, falsch. Wir können aus dem Text zwei aufeinander aufbauende Argumente rekonstruieren. Das zweite Argument setzt dabei genau dort an, wo das erste Argument endet: P.1 Wir denken. Argument 1 P.2 Wenn wir denken, dann gibt es Gedanken. P.3 Gedanken sind keine materiellen Gegenstände. K Also: Neben materiellen Dingen gibt es auch noch andere. Argument 2 Neben materiellen Dingen gibt es auch noch andere. P Also: Der Materialismus, demzufolge alles materiell ist, ist falsch. K Seite 33 Kap II. Methoden Nebenargumente für Prämissen. Kommen wir nun zum zweiten erwähnten Punkt. In Argumenten verwenden wir Prämissen, um eine These zu untermauern. Oft wird man sich fragen, ob die ver- wendeten Prämissen denn auch zutreffen. Um das zu zeigen, wird man für diese Prämissen auf der Grundlage anderer Prämissen argumentieren. In der philosophischen Praxis begegnen wir da- her oft Argumenten, in die weitere Argumente eingebaut sind. Hier ein Beispiel: Der Konsum von Fleisch wird manchmal dadurch gerechtfertigt, dass wir von Natur aus Fleischfresser sind. Das aber ist keine akzeptable Rechtfertigung. Denn nicht alles, was wir im Naturzustand tun, ist auch in einer kultivierten Gesellschaft akzeptabel. Beispielsweise gilt dies für den Einsatz körperlicher Gewalt: Während dieser im Naturzustand ein völlig gängiges Mit- tel zur Konfliktlösung darstellt, ist er in einer zivilisierten Gesellschaft nicht akzeptabel. Hier können wir zwei miteinander verwobene Argumente rekonstruieren. Das erste ist das zentrale Anliegen des Textes: Es soll zeigen, dass Fleischkonsum nicht bereits dadurch gerechtfertigt ist, dass wir von Natur aus Fleischfresser sind. Das zweite Argument hingegen soll die Prämisse des ersten Arguments unterstützen: Im Naturzustand ist körperliche P Gewalt ein gängiges Mittel zur Assistierendes Argument Konfliktlösung, im Kulturzustand ist sie ist kein akzeptables Mittel zur Konfliktlösung. P Nicht alles, was Menschen im Na- Also: Nicht alles, was Menschen im Na- K Zentrales Argument turzustand tun, ist im Kulturzustand turzustand tun, ist im Kulturzu- akzeptabel. stand akzeptabel. K Also: Fleischkonsum ist nicht schon dadurch gerechtfertigt, dass wir von Natur aus Fleischfresser sind. Dies ist eine oft anzutreffende Struktur komplexer Argumentationsverläufe: Für wichtige Prämis- sen, die man in einem Argument verwendet, versucht man gesondert zu argumentieren. Hypothetische Annahmen. Kommen wir zum letzten Element, das uns in Argumenten oft begegnet, zu hypothetischen Annahmen. Betrachten wir sogleich ein Beispiel: Pete: Es ist nicht in Ordnung, dass Jo, die mir ohnehin von Anfang an unsympathisch war, ihren Krams überall rumliegen lässt. Angenommen, das würde jeder machen. Dann könnten wir uns hier bald nicht mehr bewegen. Wofür Pete hier argumentieren möchte, scheint klar zu sein: Dass Jo ihren Krams nicht überall rumliegen lassen sollte. Wie aber läuft das Argument ab? Seite 34 Kap II. Methoden Der Einschub, dass Jo ihm unsympathisch ist, trägt argumentationstechnisch nichts aus. Pete nutzt bloß die Gelegenheit, um das auch noch loszuwerden. Was hingegen durchaus eine argumentative Rolle spielt, ist der Satz „Angenommen, das würde jeder machen“. Aber was genau ist sein Status in der Argumentation? Zwar wird hier etwas angenommen, aber es wird für das Argument offenbar nicht wirklich vorausge- setzt, dass es sich tatsächlich so verhält. Pete weiß natürlich, dass nicht jeder seinen Krams überall rumliegen lässt. Ihm diese Annahme als echte Voraussetzung zuzuschreiben, auf deren Wahrheit er sich festlegen will, würde daher frappant gegen das Prinzip der wohlwollenden Interpretation verstoßen. Was Pete stattdessen macht, ist mithilfe einer fiktiven Annahme ein kleines Gedankenexperiment durchzuführen. Er macht eine rein hypothetische Annahme, an die er gar nicht wirklich glaubt. Er stellt sie auf, um zu überlegen: Was würde sich ergeben, wenn sie wahr wäre? Aus Petes fiktiver Annahme würde z.B. folgen, dass man sich nicht mehr bewegen kann. Diese Überlegung wird als Stütze für die Konklusion angestellt. Worauf legt sich Pete in seinem Argument dann wirklich fest? Was kann man ihm als Prämisse zuschreiben? Er legt sich nicht auf die Wahrheit der hypothetischen Annahme fest, dass jeder alles liegenlässt; er hält diese ja nicht für tatsächlich korrekt. Er legt sich auch nicht auf die Wahrheit der Folge aus der hypothetischen Annahme fest, also darauf, dass man sich nicht mehr bewegen kann. Wiederum ist das etwas, was ja nicht wirklich der Fall ist. Worauf sich Pete aber festlegt, ist ein Zusammenhang zwischen der hypothetischen Annahme und der Folge: Wenn die Annahme gesetzt ist, dann ergibt sich Pete zufolge die Konsequenz. Dass dieser Zusammenhang besteht, ist tatsäch- lich eine Voraussetzung der Argumentation; mit ihr soll die Konklusion gestützt werden. Daher können wir das folgende Argument aus dem Text extrahieren: P Wenn jeder seinen Krams überall rumliegen ließe, dann könnte man sich hier bald nicht mehr bewegen. K Also: Es ist nicht in Ordnung, dass Jo ihren Krams überall rumliegen lässt. Hypothetische Hilfsannahmen spielen in vielen Argumenten eine wichtige Rolle. Um zu unter- scheiden, ob eine Annahme als Prämisse oder als hypothetische Hilfsannahme verwendet wird, muss man den Argumentationsverlauf erfassen und sich fragen, ob der Vertreter des Arguments sich auf die Wahrheit der Annahme festlegt: Muss er sie als wahr verteidigen, wenn er sein Argument aufrechterhalten möchte? Falls ja, so handelt es sich um eine Prämisse. Falls nein, um eine hypo- thetische Hilfsannahme. Ein typisches (aber nicht eindeutiges) Erkennungszeichen ist die Einlei- tung eines Satzes mit Wendungen wie „Nimm mal an, dass …“, „Stell Dir vor, dass …“, „Suppose that …“, „Imagine that …“ u. Ä. Hypothetische Hilfsannahmen sind insbesondere auch ein zentraler Schritt in sogenannten indi- rekten Beweisen oder Widerspruchsbeweisen. In ihnen macht man eine hypothetische Annahme und zeigt, dass sie unplausible bzw. sogar widersprüchliche Konsequenzen hat. Damit argumentiert Seite 35 Kap II. Methoden man für die Falschheit der hypothetischen Annahme. Hier ist ein klassisches Beispiel eines solchen Arguments: Angenommen, es gäbe einen allgütigen und allmächtigen Gott. Als allgütiges Wesen würde er dann doch alles daran setzen, dass es kein vermeidbares Leid in der Welt gibt. Als allmächtiges Wesen würde ihm das auch gelingen. Aber die Welt ist voll von grauenhaftem und vermeidba- rem Leid. Also gibt es keinen Gott. Dieser Gedankengang wird übrigens oft das Theodizee-Argument genannt. In ihm soll gegen die Existenz Gottes als eines allgütigen und allmächtigen Wesens argumentiert werden. Daher könnte der Auftakt des Arguments eigentlich erstmal verwunderlich erscheinen: Denn da wird gerade angenommen, was im Argument als falsch erwiesen werden soll. Klarerweise kann es sich bei dieser Annahme nicht um eine Prämisse des Arguments handeln, also um eine Voraussetzung, die die Konklusion des Arguments stützen soll. Man will ja nicht die Nicht-Existenz Gottes zeigen und sich dabei auf seine Existenz festlegen. Wie im eben diskutierten Fall haben wir es mit einer hypothetischen Annahme zu tun, auf die sich das Argument nicht festlegt, sondern die gemacht wird, um ihre möglichen Konsequenzen auszu- loten. Die werden in den folgenden Sätzen genannt: Gott würde versuchen, Leid zu vermeiden, und er würde dabei erfolgreich sein. Worauf sich ein Verfechter des Arguments festlegt, ist nicht die Annahme, dass es Gott gibt, und auch nicht, dass Gott tatsächlich erfolgreich Leid vermeidet, sondern der Zusammenhang dieser Aussagen: Wenn es Gott gäbe, dann würde er Leid vermeiden. Aus dem Text können wir daher das folgende Argument extrahieren: P1 Wenn es einen allmächtigen, allgütigen Gott gibt, dann versucht er dafür zu sorgen, dass es kein vermeidbares Leid in der Welt gibt, und ist bei dem Versuch erfolgreich. P2 Es gibt vermeidbares Leid in der Welt. K Also: Es gibt keinen allmächtigen, allgütigen Gott. Die Unterscheidung von Prämissen und Hilfsannahmen ist wesentlich für das Verständnis zahl- reicher Argumente. Halten wir also fest: Erklärung: Hilfsannahmen Eine hypothetische Hilfsannahme macht man im Zuge eines Arguments, um auszuloten, was aus ihr folgen würde. Dabei legt man sich nicht darauf fest, dass die Hilfsannahme tatsächlich stimmt. Worauf man sich festlegt, ist ein Zusammenhang zwischen der Hilfsannahme und bestimmten Konsequenzen, die man aus ihr zieht. Dass dieser Zusammenhang besteht, darf also als Prämisse des Arguments gelten. Diese Prämisse hat die Form eines wenn-dann Satzes. Seite 36 Kap II. Methoden Rekapitulation 1. Argumente Die drei Begriffe Schlüssigkeit, Folge und Implikation hängen systematisch zusammen: Ein Argument ist schlüssig, wenn seine Konklusion aus seinen Prämissen folgt, bzw. wenn seine Prämissen seine Konklusion implizieren. 2. Schlüssigkeit a. Schlüssigkeit lässt sich allgemein als Wahrheitserhalt verstehen: Ein Argument ist schlüssig, wenn der Übergang von seinen Prämissen zur Konklusion wahrheitserhaltend ist, und zwar auch über bloß mögliche Szenarien hinweg. b. Die Logik beschäftigt sich mit strenger oder deduktiver Schlüssigkeit. Ein Argument ist genau dann deduktiv schlüssig, wenn ▪ der Übergang von seinen Prämissen zur Konklusion wahrheitserhaltend ist, und zwar in allen möglichen Szenarien; bzw. ▪ es strikt notwendig ist, dass, wenn seine Prämissen wahr sind, auch seine Konklu- sion wahr ist; bzw. ▪ es strikt unmöglich ist, dass seine Prämissen wahr sind und zugleich seine Konklu- sion falsch ist. c. Die für die Schlüssigkeitsdefinition zentralen modalen Begriffe strikter Notwendigkeit und Unmöglichkeit hängen direkt zusammen: ▪ Etwas ist genau dann notwendig, wenn sein direktes Gegenteil unmöglich ist. ▪ Diese Begriffe lassen sich auch durch die Rede von möglichen Szenarien fassen: - Etwas ist notwendig, wenn es in restlos allen möglichen Szenarien der Fall ist. - Etwas ist unmöglich, wenn es in keinem möglichen Szenario der Fall ist. 3. Kritik von Argumenten Die direkte Kritik an einem Argument muss entweder (i) eine der Prämissen begrün- det zurückweisen, oder (ii) die Schlussweise des Arguments zurückweisen (also zeigen, dass das Argument nicht schlüssig ist). Eine indirekte Kritik kann darin bestehen, gegen die Konklusion zu argumentieren. So- lange sich keine direkte Kritik daran anschließt, entsteht eine Aporie. 4. Rekonstruktion von Argumenten Eine Argumentrekonstruktion besteht darin, einen argumentativen Text auf Prämissen und Konklusion hin zu interpretieren und ein Argument festzuhalten. Eine wichtige Maxime bei Argumentrekonstruktionen: wohlwollende Interpretation. Seite 37