Skript BGB Schuldrecht AT - PDF

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german civil code contract law performance disruption civil law

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This document is a study guide or lecture notes on German contract law (Schuldrecht). It covers topics like performance disruptions (impossibility, delay, defects), types of damages (alongside or instead of performance), relevant sections of the German Civil Code (BGB), and the interplay between general provisions and specific contract types.

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Inhaltsverzeichnis Inhalt Seite Lerneinheit 1: Überblick über das Leistungsstörungsrecht, Abgren- 4 zung von Schadensersatz statt und Schadensersatz neben der Leis- tung, Vertrauensschaden, Schadensersatz statt der ganzen L...

Inhaltsverzeichnis Inhalt Seite Lerneinheit 1: Überblick über das Leistungsstörungsrecht, Abgren- 4 zung von Schadensersatz statt und Schadensersatz neben der Leis- tung, Vertrauensschaden, Schadensersatz statt der ganzen Leistung (§ 281 I 2, 3 BGB), Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 280 I BGB Lerneinheit 2: Voraussetzungen der culpa in contrahendo (§§ 311 13 II, 241 II, 280 I BGB), Verhältnis der c.i.c. zu Anfechtung und Gewährleistung, Sonderfälle: Abbbruch von Vertragsverhandlungen, Vertretereigenhaftung (§ 311 III BGB), Verzug (§§ 280 I, II, 286 BGB) Lerneinheit 3: Arten von Unmöglichkeit (anfänglich/nachträglich, 20 objektiv/subjektiv), Gattungsschuld und Konkretisierung, Bring-, Hol- und Schickschuld, wirtschaftliche Unmöglichkeit (§ 275 II BGB), persönliches Leistungshindernis (§ 275 III BGB), Schadensersatz bei nachträglicher Unmöglichkeit (§§ 280 I, III, 283 BGB), Schadensersatz bei anfänglicher Unmöglichkeit (§ 311a II BGB), Schicksal der Gegenleistung (§ 326 BGB) Lerneinheit 4: Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 281 BGB 30 (Schlechtleistung und verzögerte Leistung), Sonderprobleme: Haftung für Nutzungsausfallschäden, Bezugspunkt für das Vertretenmüssen bei §§ 280 I, III, 281 BGB, Teilleistungen und Teilschlechtleistungen im allgemeinen Schuldrecht Lerneinheit 5: Schadensersatz statt der Leistung wegen Neben- 37 pflichtverletzungen (§§ 280 I, III, 282, 241 II BGB), Aufwendungs- ersatz (§ 284 BGB), Rücktritt (§§ 346 ff. BGB), Sonderprobleme: Entbehrlichkeit der Frist bei § 323 II und § 475d BGB, Erfüllung nach Fristablauf Lerneinheit 6: Gläubigerverzug (§§ 293 ff. BGB), Erfüllung und 47 Erfüllungssurrogate (§§ 362 ff. BGB), Abgrenzung Annahme an Erfüllungs Statt und erfüllungshalber (§ 364 I, II, BGB), Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB), Abtretung von Forderungen (§ 398 BGB), Schuldnerschutz nach §§ 404 ff. BGB Lerneinheit 7: Dritte in Schuldverhältnissen: Abgrenzung 56 Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) zu Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB), Exkulpation des Geschäftsherrn nach § 831 I 2 BGB, Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 ff. BGB), Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Drittschadensliquidation Lerneinheit 8: Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB), gestörte 67 Gesamtschuld, Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), Kün- digung von Dauerschuldverhältnissen (§ 314 BGB), Zurückbehal- tungsrechte (§§ 320, 273 BGB), Widerruf nach Verbraucherschutz- vorschriften (§§ 312b, 312c, 312g, 495, 355 BGB) Seite 2 Die Lerneinheiten entsprechen dem Hofmann-Lernplan, der in 120 Lerneinheiten den gesamten Stoff für die erste Staatsprüfung enthält und den Sie kostenlos auf der Website des Repetitoriums Hofmann abrufen können. www.repetitorium-hofmann.de/lernplan Seite 3 Lerneinheit 1: Überblick über das Leistungsstörungsrecht, Abgrenzung von Schadensersatz statt und Schadensersatz neben der Leistung, Vertrauensscha- den, Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 I 2, 3 BGB), Voraussetzungen ei- nes Anspruchs aus § 280 I BGB A. Einführung Ähnlich wie das BGB als Ganzes ist auch das Schuldrecht zweigeteilt: In einen Allgemeinen Teil (§§ 241 ff. BGB), der „vor die Klammer gezogene“ Regeln ent- hält, die im ganzen Schuldrecht gelten, und in einen besonderen Teil (§§ 433 ff. BGB), der die einzelnen Schuldverhältnisse enthält (z.B. Kauf, Miete, Leihe). Dabei gelten die Regeln des Allgemeinen Teils für jedes Schuldverhältnis aus dem BT. Bsp.: Wird bei einem Kaufvertrag die Leistung unmöglich (die verkaufte, aber noch nicht übergebene Yacht brennt ab), so regeln §§ 275, 326 I, V BGB, dass der Käufer vom Vertrag zurücktreten kann und den Kaufpreis nicht zahlen muss. Die gleichen Regeln gelten aber z.B. auch, wenn eine Leistung nach Werkver- trag unmöglich wird (z.B. ein Konzert kann nicht stattfinden, weil der Sänger heiser ist). Auch hier greifen §§ 275, 326 I, V BGB – der Preis für die Karte muss nicht gezahlt werden (bzw. kann nach § 326 IV BGB zurückgefordert werden). Tipp: Eine häufige Herausforderung besteht dabei in der Klausur darin, einen Einklang zwischen den Regeln des BT und des AT herbeizuführen. Bsp.: V hat an K einen Gebrauchtwagen verkauft und dabei fahrlässig übersehen, dass es sich um einen Unfallwagen handelt. Nach den Regeln des Schuldrecht AT würde er wegen Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 II, 241 II, 280 I BGB) haften, da er den Wagen genauer hätte prüfen müssen. Allerdings enthalten die Vorschriften über den Kaufvertrag das Recht der Gewährleistung bei Mängeln der Sache (§§ 434 ff. BGB). Es stellt sich daher die Frage, nach welchen Normen der Fall abzuwickeln ist (die h.M. räumt hier grundsätzlich dem Recht der Gewähr- leistung den Vorzug ein). Die klausurwichtigsten Gebiete des Schuldrecht AT sind dabei das Recht der sog. „Leistungsstörungen“ (Unmöglichkeit der Leistung, Verzug sowie sonstige Fälle der Schlechtleistung). Auf diese Vorschriften des AT wird auch aus dem BT her- aus ständig verwiesen (vgl. z.B. §§ 437, 634 BGB). Weitere klausurwichtige Gebiete des Schuldrecht AT sind die Erfüllung und ihre Surrogate (§§ 362 ff. BGB) sowie das Thema „Dritte in Schuldverhältnissen“. Tipp: Ebenfalls im Schuldrecht AT geregelt sind seit der Schuldrechtsreform vom 1.1.2022 die Vorschriften über „Verbraucherverträge über digitale Produkte“ (§§ 327 ff. BGB). Hintergrund ist, dass es sich nicht um einen eigenständigen Vertragstyp handelt, sondern die Vorschriften auf viele verschiedene Vertragsty- pen des BGB anwendbar sind (z.B. Kauf-, Miet- und Werkverträge über digitale Produkte). Der klausurhäufigste Fall dürfte aber die Prüfung der Vorschriften in- Seite 4 nerhalb des Kaufrechts sein. Da zudem das Verhältnis der §§ 327 ff. BGB zu den Vorschriften der §§ 475a ff. BGB zum Verbrauchsgüterkauf über Waren mit digi- talen Elementen nicht einfach ist, werden die §§ 327 ff. BGB dort erklärt (vgl. Hofmann-Skript Schuldrecht BT 1 – Vertragliche Schuldverhältnisse, Lerneinheit 1 und 2). Wichtig: Von enormer Bedeutung für das allgemeine Leistungsstörungsrecht ist allerdings die durch die Schuldrechtsreform zum 1.1.2022 neu eingeführte Vor- schrift des § 475d BGB. Sie modifiziert das Fristsetzungerfordernis (z.B. nach §§ 281, 323 BGB) in allen Fällen, in denen ein Verbrauchsgüterkaufvertrag vor- liegt, was in der Klausur sehr häufig der Fall sein dürfte. B. Leistungsstörungen I. Überblick Leistungsstörungen können bei einem Schuldverhältnis in verschiedener Weise auftreten: - Der Schuldner kann gar nicht leisten (Unmöglichkeit). Bsp.: A verkauft dem B seine Yacht am Bodensee. Ohne dass er es weiß, ist die Yacht jedoch bereits am Tag zuvor bei einem Sturm untergegangen. - Der Schuldner leistet zu spät (Verzug). Bsp.: Modelieferant M hat dem Kleidungsgeschäft K die Lieferung einer Kollektion von modischen Schals zum 1. Oktober versprochen. Die Lieferung erfolgt jedoch erst im April des nächsten Jahres, als es draußen schon wieder warm wird. - Die Leistung des Schuldners ist nicht vertragsgemäß. Fälle der nicht vertragsgemäßen Leistung sind zum einen Mängel an der Sache selbst (Gewährleistung). Bsp.: A liefert dem B ein von diesem gekauftes Klavier. Es funktionieren jedoch vier Tasten nicht. Zum anderen Fallen hierunter auch die Fälle der Verletzung einer Neben- pflicht (vgl. § 241 II BGB). Bsp.: Als A das Klavier anliefern will, stößt er beim Zurücksetzen mit seinem Lkw gegen den Gartenzaun des B. Es entsteht Sachschaden in Höhe von 300 Euro. Durch die Schuldrechtsreform von 2002 hat der Gesetzgeber viele Ungereimthei- ten des alten Leistungsstörungsrechts beseitigt und eine Zentralnorm geschaffen, über die im Prinzip alle Fälle des Schadensersatzes für Leistungsstörungen lau- fen, nämlich § 280 I BGB. Nach § 280 I BGB muss der Schuldner den Schaden ersetzen, der durch eine Verletzung einer Pflicht aus dem Schuldverhältnis entsteht. Grundsätzlich sind darunter alle oben angeführten Formen der Leistungsstörung (Unmöglichkeit, Seite 5 Verzug, Gewährleistung und die Verletzung von Nebenpflichten) gleichermaßen zu verstehen. Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 280 I BGB sind. - Es muss ein Schuldverhältnis bestehen. - Der Schuldner muss eine ihm aus diesem Schuldverhältnis zukommende Pflicht verletzt haben. - Der Schuldner muss die Pflichtverletzung zu vertreten haben (=Verschulden), § 280 I S. 2 BGB. - Es muss ein Schaden entstanden sein. Was der Schuldner zu vertreten hat, ergibt sich aus § 276 BGB. Danach hat der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn nichts an- deres zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Dabei bringt die negative Formulierung des § 280 I S. 2 BGB („Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“) zum Ausdruck, dass ein Verschulden des Schuldners grundsätzlich im Prozess vermutet wird. Der Schuldner muss diese Vermutung selbst widerlegen; ihn trifft die Beweislast, dass er doch „nicht schuld“ ist. Je nach Art der Pflichtverletzung und des Schadens ist es jedoch erforderlich, neben dem § 280 I BGB noch weitere Normen hinzuzuziehen. So kann z.B. Schadensersatz statt der Leistung (also nicht: neben der Leistung) gem. § 280 III BGB nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 281 ff. BGB gefordert werden. Für Verzögerungsschäden gelten die Sondervoraussetzungen der §§ 280 II, 286 BGB. Für Aufwendungsersatz gilt der § 284 BGB. Für einen Sonderfall der Unmöglichkeit gilt § 280 I BGB gar nicht, sondern § 311a II BGB. Auch wird § 280 I BGB durch spezielle Vertragstypen teilweise modifiziert (so z.B. im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht, vgl. §§ 434 ff. BGB) bzw. bei an- deren Vertragstypen teilweise ganz ausgeschlossen (so z.B. im mietrechtlichen Gewährleistungsrecht). Bereits dieser kurze Überblick machen deutlich, dass es bei § 280 I BGB beson- ders wichtig ist, nach der Art des entstandenen Schadens zu differenzieren (dazu gleich unten). Tipp: In der Klausur sollten Sie sich immer zuerst fragen, welche Art von Scha- densersatz der Anspruchsteller will. Erst dann sollten sie sich entscheiden, ob Seite 6 § 280 I BGB im Fall allein Anwendung findet oder in Kombination mit anderen Rechtsnormen (oder beides parallel!). II. Schadensarten des BGB Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen: - Schadensersatz neben der Leistung und - Schadensersatz statt der Leistung 1. Schadensersatz neben der Leistung § 280 I BGB meint mit Schaden zunächst den Schadensersatz neben der Leis- tung. Im Grundsatz lässt § 280 I BGB somit den Erfüllungsanspruch aus dem Vertrag (sog. Primäranspruch) unberührt und tritt als sog. Sekundäranspruch dazu. Bsp.: A liefert dem B ein Klavier an und beschädigt dabei den Gartenzaun (s.o.). Merke: Ein Schadensersatz neben der Leistung liegt in der Regel dann vor, wenn der Schaden, wie im obigen Beispielsfall, nicht die Leistung selbst betrifft, son- dern an anderen Rechtsgütern eintritt (so wie in obigem Fall der Gartenzaun). Ein Sonderfall des Schadensersatzes neben der Leistung ist der Verzögerungs- oder Verzugsschaden gem. § 280 II, 286 BGB. Auch er lässt den Erfüllungsan- spruch grundsätzlich unberührt und tritt selbständig daneben. Bsp.: A schuldet dem B 3.000 Euro. Ab Mahnung (vgl. § 286 BGB) ist der A dem B zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet, § 288 I S. 1 BGB 2. Schadensersatz statt der Leistung Der Schadensersatz statt der Leistung kann im Gegensatz zum Schadensersatz neben der Leistung nicht zusätzlich zur Erfüllung verlangt werden, sondern nur an deren Stelle. Bsp.: Die Musikgruppe M hat dem Veranstalter V ein Konzert versprochen. Nun tritt die Gruppe zum Konzert nicht an, obwohl längst Karten verkauft wurden. Sie schuldet dem V daher Schadensersatz statt der Leistung. Merke: Anders als beim Schadensersatz neben der Leistung betrifft der Scha- densersatz statt der Leistung also in der Regel den Ausfall bzw. Minderwert der Leistung selbst. Die Abgrenzung ist allerdings in vielen Einzelfällen umstritten (siehe dazu weiter unten). Seite 7 Für die Klausur am besten bewährt hat sich dabei die Abgrenzungsformel, dass alle diejenigen Schäden unter Schadensersatz statt der Leistung fallen, die durch eine hypothetische Nacherfüllung (d.h. zum Beispiel Reparatur oder Neuliefe- rung) beseitigt werden könnten. Man muss sich hierfür allerdings das Wort „hy- pothetisch“ gedanklich dick unterstreichen, denn es fallen auch Fälle darunter, in denen eine solche hypothetische Nacherfüllung in der Realität gar nicht möglich ist. Bsp.: V hat an K einen Unfallwagen verkauft. Als K das herausbekommt, verlangt er von V Schadensersatz. Es handelt sich um einen Schadensersatz statt der Leistung, da der Mangel durch eine hypothetische Nacherfüllung beseitigt werden könnte. Dass tatsächlich niemand aus einem Unfallwagen einen unfallfreien Wa- gen machen kann und auch die Lieferung eines ähnlichen Gebrauchtwagens kaum einen Sinn macht, spielt hierfür keine Rolle. Es ist das sog. „positive Interesse“ zu ersetzen, d.h. der Gläubiger ist so zu stel- len, wie wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte (sog. Erfüllungs- schaden). Bsp.: A kauft von B sehr günstig eine Yacht, die am Bodensee vertäut liegt. Da- bei hat der A vor, die Yacht teurer weiterzuverkaufen. Den Kaufpreis zahlt der A schon bei Vertragsschluss. B möchte noch einige persönliche Sachen aus der Yacht herausräumen sowie diese noch ausgiebig säubern. Daher wird vereinbart, dass der B dem A die Yacht in 3 Wochen übergibt. Als B jedoch in der Folge die Yacht entgegen der getroffe- nen Vereinbarung dem A nicht übergibt, setzt ihm der A hierfür eine Frist. Nach Ablauf der Frist kann der A von B Schadensersatz statt der Leistung nach den §§ 280 I, III, 281 I BGB verlangen. Darunter fallen sowohl der schon gezahl- te Kaufpreis als auch ein möglicherweise entgangener Gewinn aus einer teureren Weiterveräußerung der Yacht. Merke: Im Gegensatz zum Erfüllungsschaden steht der Vertrauensschaden (sog. „negatives Interesse“). Bei ihm ist der Gläubiger so zu stellen, als ob er von dem fraglichen Rechtsgeschäft nie etwas gehört hätte. Ein Beispiel für eine Schadensersatznorm, bei der der Gläubiger nur den Vertrauensschaden ersetzt bekommt, ist § 122 BGB. Bsp.: Zum negativen Interesse gehören z.B. die Anfahrtskosten, weil diese nicht angefallen wären, wenn der Geschädigte von dem Geschäft nie etwas gehört hät- te. Nicht zum negativen Interesse gehört dagegen der entgangene Gewinn. Denn wenn der Geschädigte von dem Geschäft nichts gehört hätte, hätte er auch den Gewinn nicht gemacht. § 280 III BGB verweist für die Fälle des Schadensersatzes statt der Leistung auf die §§ 281-283 BGB. Es sind dies die Fälle der Seite 8 - schuldhaften Nichtleistung trotz Fristsetzung (§ 281 BGB), - Unzumutbarkeit der Leistung (§ 282 BGB), - (nachträglichen) Unmöglichkeit der Leistung (§ 283 BGB). Aufbauhinweis: In den Fällen des Schadensersatzes statt der Leistung ist als Anspruchsgrundlage zunächst der § 280 I BGB zu zitieren, dann die Verwei- sungsnorm des § 280 III BGB und dann die jeweils passende Norm aus den §§ 281 ff. BGB. Also z.B. §§ 280 I, III, 281 I BGB. Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen bietet es sich an, zunächst die Voraussetzungen des § 280 I BGB durchzuprüfen (Schuldverhältnis, Pflichtverlet- zung, Schaden, Vertretenmüssen; s.o.), danach die speziellen Voraussetzungen der jeweiligen Vorschrift aus den §§ 281 ff. BGB. 3. Schadensersatz statt der ganzen Leistung Vom Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung ist wiederum der Begriff des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung zu differenzieren. Ist der Schuldner mit seiner Leistung nicht komplett ausgefallen, sondern hat immerhin eine wenn auch mangelhafte Leistung oder eine Teilleistung erbracht, so kann der Gläubiger zunächst nur insoweit Schadensersatz verlangen, als die Leistung auch mangelhaft war (Schadensersatz statt der Leistung). Bsp.: Im obigen Fall der Musikgruppe M fällt nur ein einziges Konzert einer gan- zen Tournee aus. Schadensersatz statt der ganzen Leistung bedeutet demgegenüber die kom- plette Rückabwicklung des ganzen Vertrages und Schadensersatz auch für die Teile, die an und für sich ordnungsgemäß geliefert worden sind. Einen solchen Schadensersatz statt der ganzen Leistung kann der Gläubiger nur verlangen, wenn er an den Teilleistungen kein Interesse mehr hat bzw. der Fehler nicht un- erheblich war, § 281 I S. 2, 3 BGB. Außerdem hat er dann die schon erhaltenen Teilleistungen bzw. die mangelhafte Leistung nach Rücktrittsgrundsätzen zurückzugeben (§ 281 V BGB). Diese Ein- schränkung gilt auch bei Teilunmöglichkeit, vgl. §§ 283 S. 2, 311a II S. 3 BGB. Bsp.: V und K sind Gemäldesammler. V verkauft dem K den Zyklus „Die vier Jah- reszeiten“ eines berühmten flämischen Malers aus dem 18. Jahrhundert. Er ver- kennt dabei jedoch fahrlässigerweise, dass er das Gemälde „Sommer“ bereits zwei Monate zuvor an den X verkauft hatte. Gem. § 281 I S. 2 braucht der K die übrigen drei Gemälde nicht abzunehmen und kann stattdessen Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen, da er an einem unvollständigen Satz kaum ein Interesse haben dürfte. III. Aufwendungsersatz (§ 284 BGB) Seite 9 Alternativ zum Schadensersatz kann der Gläubiger nach § 284 BGB auch Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er in Erwartung der Leistung getätigt hat. Nach h.M. zählen Aufwendungen jedoch daneben auch zum Schaden i.S.v. §§ 280 ff. BGB, wenn sie in der Erwartung getätigt wurden, dass sich die Auf- wendungen im Hinblick auf die aus den mit der vertraglichen Leistung zu erzie- lenden Gewinn rentieren werden (sog. Rentabilitätsvermutung). Merke: Im Gegensatz zum Schaden, der ein unfreiwilliges Vermögensopfer be- zeichnet, versteht man unter Aufwendungen freiwillige Vermögensopfer. IV. Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 I BGB) - vgl. auch Aufbauschema Nr. 1 (Anhang) - § 280 I BGB gibt dem Gläubiger unabhängig von seinem Erfüllungsanspruch ei- nen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung. Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht aus dem Schuldverhältnis ver- letzt. Dies können Nebenpflichtverletzungen sein, Verletzungen der Pflichten aus einem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis, aber auch die aus der Verletzung einer Hauptpflicht resultierenden Mangelfolgeschäden. 1. Nebenpflichtverletzungen (§§ 280 I, 241 II BGB) Die Pflicht des Schuldners besteht nicht allein darin, die geschuldete Leistung rechtzeitig zu erbringen, § 241 I BGB. Wie § 241 II BGB zeigt, trifft den Schuldner daneben auch die Pflicht, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Gläubigers zu nehmen. Bei der Prüfung einer Nebenpflichtverletzung gem. §§ 280 I, 241 II BGB in der Klausur ist nach dem oben schon kennen gelernten Aufbauschema vorzugehen: a) Schuldverhältnis Das Schuldverhältnis kann sich aus Vertrag oder aus Gesetz (z.B. Geschäftsfüh- rung ohne Auftrag) ergeben. Regelfall ist allerdings ein zwischen den Parteien geschlossener Vertrag, der an dieser Stelle möglicherweise inzident auf seine Wirksamkeit zu prüfen ist. b) Pflichtverletzung § 241 II BGB behandelt die sog. nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten. Hier- unter fallen vor allem zwei Fallgruppen: - Schutzpflichtverletzungen: Die Parteien sind dazu verpflichtet, sich bei Abwick- lung des Vertrages so zu verhalten, dass die Rechtsgüter der jeweils anderen Partei (Eigentum, Gesundheit etc.) nicht geschädigt werden. Seite 10 Bsp.: Bei der Anlieferung eines Klaviers beschädigt der A mit seinem Lkw beim Zurücksetzen den Gartenzaun des B. Dies stellt eine Pflichtverletzung nach § 241 II BGB. - Verletzung der Aufklärungspflicht: Jede Partei trifft die Pflicht, die anderer Par- tei über die wesentlichen Umstände des Geschäfts aufzuklären. Diese Pflicht ergibt sich entweder aus Gesetz (z.B. § 666 BGB) oder aber aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Bsp.: A verkauft dem B einen Gebrauchtwagen und verschweigt ihm dabei, dass es sich um einen Unfallwagen handelt. c) Schaden Damit ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, 241 II BGB entsteht, muss logischerweise überhaupt ein Schaden entstanden sein. Der Schadensumfang richtet sich insoweit nach §§ 249 ff. BGB. Der Schaden muss aber auch gerade durch die Pflichtverletzung entstanden sein. Dieses Erfordernis bezeichnet man auch als haftungsausfüllende Kausalität. d) Vertretenmüssen Für das Vertretenmüssen gelten im Rahmen des § 280 I BGB die §§ 276 ff. BGB. Der Schuldner hat also, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, Vorsatz und Fahr- lässigkeit zu vertreten, § 276 I S. 1 BGB. Legaldefinition: Nach § 276 II BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr er- forderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Nach § 280 I S. 2 muss der Schuldner beweisen, dass ihn kein Verschulden an der Pflichtverletzung trifft. § 280 I S. 2 BGB bewirkt also eine Beweislastumkehr. e) Mitverschulden und Verjährung Häufig wirkt bei Schadensersatzansprüchen ein Mitverschulden des Geschädigten mit. Dieses Mitverschulden führt dann zu einer Kürzung des Anspruchs auf Scha- densersatz um den jeweiligen Mitverschuldens-Anteil, § 254 I BGB. Merke: Da das Mitverschulden nicht zu einem Entfallen des Anspruchs, sondern lediglich zu einer Kürzung führt, ist es erst bei der Berechnung des Schadensum- fanges in der Rechtsfolge zu berücksichtigen. Zur Terminologie: Man spricht bei dem Gebot nach § 254 BGB, den Schaden möglichst gering zu halten, auch von einer sog. „Obliegenheit“. In Abgrenzung zur Pflicht ist eine Obliegenheit definiert als ein Gebot, das durch das Recht nicht erzwungen werden kann, dessen Einhaltung aber im eigenen Interesse des dadurch belasteten liegt, da ihm sonst Rechtsnachteile drohen. Seite 11 Der Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 I BGB verjährt in der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, also nach drei Jahren. Die Frist beginnt grund- sätzlich mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 I BGB. Bsp.: Im obigen Fall der Anlieferung des Klaviers wird der Gartenzaun am 3.5.2017 beschädigt. Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 I BGB erst am 31.12.2017 zu laufen und endet somit am 31.12.2020 (drei Jahre später). Seite 12 Lerneinheit 2: Voraussetzungen der culpa in contrahendo (§§ 311 II, 241 II, 280 I BGB), Verhältnis der c.i.c. zu Anfechtung und Gewährleistung, Sonderfälle: Abbruch von Vertragsverhandlungen, Vertretereigenhaftung (§ 311 III BGB), Verzug (§§ 280 I, II, 286 BGB) 2. Vorvertragliches Vertrauensverhältnis (§§ 280 I, 311 II, 241 II BGB) a) Allgemeines - vgl. auch Aufbauschema Nr. 11 (Anhang) - Normalerweise ist für einen Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB erforderlich, dass ein Schuldverhältnis bereits besteht – meistens ein Vertrag, aus dem sich dann Nebenpflichten nach § 241 II BGB ergeben. Die Parteien können jedoch auch schon vor dem eigentlichen Vertragsschluss verpflichtet sein, auf die Interessen der Partei in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen. Bsp.: A lädt den B zu sich nach Hause ein, um mit ihm über den Verkauf seines Pkw zu verhandeln. Dabei vergisst er aber, vorher seinen Hund wegzusperren, der auf fremde Leute bissig reagiert. Prompt beißt der Hund des A den B in die Wade. Zum Abschluss eines Kaufvertrages über den Pkw kommt es nicht mehr. Die einzelnen Fälle der Verletzung von vorvertraglichem Vertrauen, die auch als „culpa in contrahendo“ (lateinisch für: „Verschulden bei Vertragsschluss“) be- zeichnet werden, sind im § 311 II BGB ausdrücklich geregelt. Danach kann ein Schuldverhältnis nach §§ 280 I, 241 II BGB bereits entstehen durch: - die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1) - die Anbahnung eines Vertrages, wobei der eine Teil dem anderen die Möglich- keit zur Einwirkung auf seine Rechtsgüter gibt (Nr. 2) - ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3). Tipp: Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Alternativen des § 311 II BGB ist nicht immer einfach, ist in der Klausur jedoch auch nicht so dramatisch, da es letztlich nicht darauf ankommt, welche der Alternativen gegeben ist (die Rechtsfolgen sind immer dieselben). Dennoch sollte immer zwischen den Alterna- tiven abgegrenzt und sich letztlich für eine Alternative entschieden werden. b) Anwendbarkeit Ein besonderes Problem bei §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB ist darüber hinaus die Anwendbarkeit des Anspruchs neben anderen Anspruchsgrundlagen. Seite 13 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich insoweit zum einen zum kaufrechtli- chen Gewährleistungsrecht, zum anderen zur Anfechtung. aa) Verhältnis zum Gewährleistungsrecht Die Anwendung der §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB scheidet nach h.M. grundsätz- lich aus, soweit der Anwendungsbereich des kaufrechtlichen Gewährleistungs- rechtes reicht (§§ 434 ff. BGB). Bezieht sich ein Verschulden daher auf einen Fehler der Kaufsache, so sind §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB daher unanwendbar. Bsp.: A verkauft dem B einen Gebrauchtwagen, bei dem die Bremsleitung man- gelhaft ist. Dies hatte der A fahrlässigerweise nicht bemerkt. Der Grund hierfür liegt darin, dass andernfalls die kürzere Verjährungsfrist des § 438 BGB (zwei Jahre ab Übergabe) umgangen werden könnte, da für den An- spruch aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB die normale Verjährungsfrist des § 195 BGB (drei Jahre) gilt. Zudem gilt im Mängelrecht der Vorrang der Nacherfüllung. Nach §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB könnte aber u. U. sofort Vertragsaufhebung verlangt werden. Ausnahmsweise werden die §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB auch neben dem kauf- rechtlichen Gewährleistungsrecht angewandt, wenn der Verkäufer vorsätzlich (=arglistig) gehandelt hat. Der Verkäufer ist dann nicht als schutzwürdig zu er- achten. Merke: Der Arglistige ist nicht schutzwürdig! Dieses Prinzip verwirklicht sich an den verschiedensten Stellen des BGB (z.B. §§ 123, 438 III, 818 IV, 819 I BGB). Dabei bedeutet „Arglist“ nichts anderes als „Vorsatz“ (inklusive dem sog. „be- dingten Vorsatz“, d.h. es reicht aus, wenn z.B. ein Verkäufer Dinge „ins Blaue hinein verspricht“). bb) Verhältnis zur Anfechtung Ein Konkurrenzverhältnis besteht auch zwischen §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB und den Regeln der Anfechtung, insbesondere zu § 123 BGB. Über §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB kann der Geschädigte nämlich nicht nur bei Arglist, sondern auch schon bei Fahrlässigkeit des Verkäufers Rückabwicklung des Vertrages verlangen, § 249 I BGB. Merke: Bei dem Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB kann der „Schaden“ auch im Abschluss des Vertrages selbst bestehen. Dies gilt dann, wenn der Ge- schädigte den Vertrag ohne die Pflichtverletzung (z.B. die falsche Beratung) den Vertrag so nicht abgeschlossen hätte (negatives Interesse: der Käufer muss so gestellt werden, als ob er von der ganzen Sache nichts gehört hätte). In diesem Fall kann als Rechtsfolge Aufhebung des Vertrages verlangt werden! Seite 14 Im Übrigen ist die Verjährungsfrist bei dem Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB mit drei Jahren wesentlich länger als die Anfechtungsfrist gem. § 124 BGB (ein Jahr). Es ist aber zu berücksichtigen, dass §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB einerseits und die Anfechtung nach § 123 BGB verschiedene Rechtsgüter schützen. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB schützen das Vermögen und setzen daher einen Schaden vo- raus, § 123 BGB schützt dagegen in erster Linie die Willensentschließungs- und Betätigungsfreiheit des Getäuschten. Auch zu § 119 BGB tritt der Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB in Kon- kurrenz, wenn der entsprechende Irrtum über die Sache schuldhaft herbeigeführt wurde. Nach § 122 II BGB ist nämlich der Anspruch des Geschädigten ausge- schlossen, wenn er den Mangel kannte oder kennen musste; bei dem Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB erlaubt § 254 I BGB (Mitverschulden) dagegen eine flexible Lösung. Die h.M. lässt insoweit beide Anspruchsgrundlagen nebeneinander zu. Aufbautipp: Die Anwendbarkeit des Anspruchs aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB sollte nur dann geprüft werden, wenn sie tatsächlich problematisch ist, also ein Konkurrenzverhältnis zum Kaufrecht oder zur Anfechtung besteht. In diesem Fall sollte sie als erster Prüfungspunkt noch vor dem Punkt „Schuld- verhältnis“ eingefügt werden. c) Sonderfall: Abbruch von Vertragsverhandlungen Grundsätzlich sind die Verhandlungspartner bis zum endgültigen Abschluss eines Vertrages in der Entscheidung frei, den Vertrag nun doch nicht schließen zu wol- len. Ausnahmsweise wird im Abbruch von Vertragsverhandlungen jedoch eine Pflicht- verletzung i.S.v. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB gesehen, wenn eine Partei die Ver- tragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht, nachdem sie zunächst in zu- rechenbarer Weise das Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde zu Stande kommen. Bsp.: A hat dem B, der mit wertvollen Oldtimern handelt, in Aussicht gestellt, einen bestimmten „Buckel-Volvo“ aus den Fünfziger-Jahren zu kaufen, wenn B ihm diesen vorher zu einem Cabrio umbaue. B baut daraufhin den Volvo unter Einsatz hoher Kosten um. Danach will A ohne jeden ersichtlichen Grund von dem Volvo nichts mehr wissen. d) Sonderfall: Vertretereigenhaftung (§ 311 III BGB) Häufig bedient sich eine Partei im Rahmen des geschäftlichen Kontakts vor einem möglichen Vertragsabschluss eines Vertreters. Bsp.: A besitzt einen Gebrauchtwagenhandel. Die Verkaufsgespräche führt der Verkäufer V, der bei dem A angestellt ist. Seite 15 Wenn ein solcher Vertreter sich eine Beratungspflichtverletzung zu schulden kommen lässt, haftet hierfür grundsätzlich nur der Vertretene, da er ja Partei des geschäftlichen Kontakts ist. Anders aber, wenn der Vertreter entweder ein besonderes eigenes wirtschaftli- ches Interesse am Abschluss des Vertrages hat oder aber besonderes persönli- ches Vertrauen in Anspruch genommen hat. In diesem Fall haftet gem. § 311 III BGB auch der Vertreter selbst aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB (sog. Vertreter- eigenhaftung). Bsp.: A haftet für den Kredit seiner A-GmbH bei der B-Bank als Bürge (§ 765 BGB). Verhandelt er nun als Vertreter der A-GmbH mit der B-Bank über eine Ver- längerung des Kredits, so hat er ein eigenes Interesse am Abschluss des Ver- trags. 3. Verzug (§§ 280 I, II, 286 BGB) - vgl. auch Aufbauschema Nr. 7 (Anhang) - Leistet der Schuldner verspätet, so kann der Gläubiger unter den Voraussetzun- gen der §§ 280 II, 286 BGB Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verlan- gen (sog. Schuldnerverzug). Bsp.: A hat bei B ein Fahrrad gekauft und versprochen, den Kaufpreis von 300 Euro am nächsten Tag vorbeizubringen. Trotz Mahnung des A hat der B auch nach drei Wochen immer noch nicht gezahlt, ohne das hierfür Gründe ersichtlich sind. Voraussetzungen des Verzuges sind: - Die noch mögliche (sonst: Unmöglichkeit) Leistung wird nicht erbracht - Fälligkeit der Leistung - Mahnung (kann ausnahmsweise entbehrlich sein) - Vertretenmüssen a) Nichtleistung Der Schuldner muss eine Leistung nicht erbringen, obwohl ihm dies noch möglich ist. An dieser Stelle erfolgt im Klausuraufbau auch die Abgrenzung zur Unmöglich- keit: Wenn dem Schuldner die Leistung unmöglich ist, braucht er gem. § 275 I BGB nicht mehr zu leisten. Ein Verzug ist dann ausgeschlossen. Zu beachten ist aber, dass allein Geldknappheit nie zur Unmöglichkeit einer Zah- lungsverpflichtung führen kann, da Geld nach h.M. eine Gattungsschuld ist („Geld hat man zu haben“). b) Fälligkeit Seite 16 Die Leistung muss fällig sein. Dabei ist nach § 271 I BGB, sofern nichts anderes vereinbart ist, eine Leistung sofort fällig, d.h. mit Abschluss des Vertrages. An dieser Stelle sind in der Klausur auch etwaige Einreden zu prüfen. So ist etwa ein Anspruch dann nicht fällig, wenn er verjährt ist oder ihm die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) entgegensteht. Auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes nach § 273 BGB kann die Fälligkeit hindern. Hier muss sich der Schuldner jedoch erst auf das Zurück- behaltungsrecht berufen, um die Verbindung der beiden Ansprüche miteinander (sog. Konnexität) herzustellen. c) Mahnung Die Mahnung ist eine einseitige empfangsbedürftige und formlose geschäftsähnli- che Handlung (keine Willenserklärung!), mit der der Gläubiger den Schuldner zur Leistung auffordert. Es ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger das Wort Mahnung verwendet. Bsp.: A fordert den B, der hohe Schulden bei ihm hat, auf: „Nun zahl doch end- lich!“. Dies gilt als Mahnung i.S.v. § 286 BGB. In bestimmten Fällen ist eine Mahnung jedoch nicht erforderlich. d) Entbehrlichkeit der Mahnung (§ 286 II BGB) In § 286 II BGB sind die Fälle aufgelistet, in denen eine Mahnung für den Ver- zugseintritt ausnahmsweise entbehrlich ist. Dies ist zum einen der Fall, wenn ein Leistungszeitpunkt nach dem Kalender be- stimmt wurde, § 286 II Nr. 1 BGB. In diesem Fall weiß der Schuldner von vorn- herein, welche Frist ihm zur Leistung verbleibt. Eine Mahnung ist daher nicht er- forderlich. Bsp.: Dem A ist zum 31. 3. 2018 seine Wohnung gekündigt worden. Mit Ablauf des Tages ist er mit der Rückgabe der Wohnung in Verzug. § 286 II Nr. 2 BGB erweitert diese Ausnahme noch, indem er auch die bloße Be- stimmbarkeit des Leistungszeitraums nach dem Kalender genügen lässt. Dabei muss der Zeitraum angemessen sein. Bsp.: A bestellt bei dem B eine wertvolle Geige und vereinbart, dass er diese „binnen zwei Wochen nach Lieferung“ zahlen werde. Die Lieferung erfolgt am 5. 8. 2018. Hier kann A mithilfe des Kalenders die Zahlungsfrist bestimmen: Es ist der 19. 8. 2018. Nach § 286 II Nr. 3 BGB bedarf es einer Mahnung auch dann nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert („Ich zahle Ihnen kei- Seite 17 nen Cent, und wenn Sie sich auf den Kopf stellen.“). In Fällen, in denen der Schuldner ohnehin definitiv nicht zahlt, wäre es sinnlos, ihm auch noch eine Mahnung zu schicken. Da Schuldner jedoch häufig etwas unlustig sind, wenn es um die Zahlung geht, sind an die Ernsthaftigkeit der Leistungsverweigerung tendenziell hohe Anforde- rungen zu stellen. § 286 II Nr. 4 BGB erklärt darüber hinaus die Mahnung in weiteren Fällen für entbehrlich, in denen dies aus besonderen Gründen gerechtfertigt erscheint. Ein Beispiel hierfür ist die sog. „Selbstmahnung“ des Schuldners. Bsp.: Monteur M soll bei dem A die Heizung reparieren, ist aber in der letzten Woche nicht gekommen, obwohl dies locker so verabredet war. Auf Nachfrage des A erklärt er: Bis Freitag nächster Woche komme ich bestimmt. Eine Mahnung ist nach Ablauf des Freitags entbehrlich. Auch fallen hierunter die Fälle, in denen es dem Schuldner erkennbar war, dass es ersichtlich auf sofortige Leistung ankommt. Bsp.: A ruft morgens bei dem Handwerker H an; er habe einen Wasserrohrbruch, in seiner Wohnung stehe knietief das Wasser. H sagt zu, „zu kommen“, kommt aber erst drei Tage später. e) Automatischer Verzugseintritt bei Geldforderungen (§ 286 III BGB) Der Schuldner einer Geldforderung kommt (spätestens) in Verzug, wenn er in- nerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Erhalt einer Rechnung nicht zahlt. Ist der Schuldner ein Verbraucher i.S.v. § 13 BGB, so muss er über diesen Um- stand gesondert belehrt werden, § 286 III, 2. HS BGB. Beachte: In diesem Zusammenhang ist auch § 271a BGB zu sehen, nach dem die Fälligkeit einer Geldleistung nicht unbillig weit nach den Erhalt der Gegenleis- tung hinausgeschoben werden kann. f) Vertretenmüssen Gem. § 286 IV BGB tritt der Schuldnerverzug nur ein, wenn der Schuldner die Verspätung der Leistung zu vertreten hat. Dabei wird zunächst ein Verschulden des Schuldners vermutet. Für die Entkräf- tung dieser Vermutung trägt der Schuldner selbst die Beweislast; er muss bewei- sen, dass er an der Verspätung keine Schuld hat. g) Rechtsfolge Der Gläubiger kann nach §§ 280 II, 286 BGB den Schaden ersetzt verlangen, der ihm durch die Verzögerung entstanden ist (sog. Verzögerungsschaden). Es handelt sich um einen Schadensersatz neben der Leistung, der völlig selbständig neben den Primäranspruch tritt. Seite 18 Bsp.: A hat dem B einen Neuwagen zwei Monate später geliefert als verabredet. B musste sich in der Zwischenzeit einen Mietwagen nehmen, wodurch Kosten entstanden sind. Zum Verzugsschaden gehören auch die Rechtsverfolgungskosten (RA-Gebühren, Gerichtskosten u.ä.), nicht jedoch die sogenannten Erstmahnkosten, d.h. dieje- nigen Kosten, die durch die erste Mahnung entstehen. Dies liegt daran, dass durch die erste Mahnung der Verzug ja überhaupt erst entsteht. Schuldet der Schuldner eine Geldleistung, so ist diese ab Verzugseintritt gem. § 288 I S. 2 BGB mit einem Zinssatz von 5 % über dem Basiszinssatz zu verzin- sen (unter Nicht-Verbrauchern sogar 9 %, vgl. § 288 II BGB). Beachte: Für die Geltendmachung der 9% nach § 288 II BGB muss es sich um eine Entgeltforderung (=Primärleistung) handeln, d.h. Sekundäransprüche wie z.B. auf Schadensersatz kommen nicht in Betracht! Die Geltendmachung eines höheren Schadens gem. § 288 III, IV BGB ist nicht ausgeschlossen (etwa, wenn der Gläubiger ständig Bankkredit in Anspruch nimmt). Seite 19 Lerneinheit 3: Arten von Unmöglichkeit (anfänglich und nachträglich, objektiv und subjektiv), Gattungsschuld und Konkretisierung, Bring-, Hol- und Schickschuld, wirtschaftliche Unmöglichkeit (§ 275 II BGB), persönliches Leistungshindernis (§ 275 III BGB), Schadensersatz bei nachträglicher Unmöglichkeit (§§ 280 I, III, 283 BGB), Schadensersatz bei anfänglicher Unmöglichkeit (§ 311a II BGB), Schicksal der Gegenleistung (§ 326 BGB) V. Schadensersatz statt der Leistung Beim Schadensersatz statt der Leistung tritt der Schadensersatzanspruch an die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruches. Die einzelnen Fälle des Schadensersatzes statt der Leistung sind in den §§ 281 bis 283 BGB geregelt, worauf § 280 III BGB verweist. Tipp: Nach § 280 III BGB ist Schadensersatz statt der Leistung „nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen“ der §§ 281 ff. BGB zu verlangen. Für die Klausur heißt dies, dass zunächst einmal die Voraussetzungen des § 280 I BGB zu prüfen sind, dann erst die zusätzlichen Voraussetzungen des jeweiligen Tatbestandes aus §§ 281-283 BGB. Als Anspruchsgrundlage ist immer § 280 I BGB dazu zu zitieren, also z.B.: „§§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB“. 1. Unmöglichkeit der Leistung Ein Grund für Schadensersatz statt der Leistung kann sein, dass die ursprünglich geschuldete Leistung unmöglich geworden ist, §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB. Bsp.: A verkauft dem B seine Yacht am Bodensee. Bevor es zur Übergabe kom- men kann, geht die Yacht bei einem rauschenden Bordfest unter. Unter Unmöglichkeit ist zu verstehen, dass die betreffende Leistung endgültig nicht mehr erbracht werden. Kann die Leistung dagegen nur vorübergehend nicht erbracht werden, liegt nur Verzug vor (s.o.). a) Arten der Unmöglichkeit Man unterscheidet zunächst - objektive und - subjektive Unmöglichkeit. Objektiv unmöglich ist die Leistung, wenn sie jedermann unmöglich ist. Seite 20 Bsp.: A verkauft dem B einen Pkw, der ohne dass er es weiß bei einem Unfall wenige Stunden zuvor einen Totalschaden erlitten hat. Subjektive Unmöglichkeit liegt dagegen dann vor, wenn die Leistung nur vom Schuldner nicht erbracht werden kann, ein anderer dagegen dies sehr wohl könn- te. Bsp.: Wie oben, nur hatte der Pkw keinen Unfall, sondern wurde gestohlen. In diesem Fall kann nur A die Leistung nicht erbringen; ein Dritter (der Dieb) könnte dies sehr wohl. Die Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit spielt in der Klausurpraxis allerdings nur eine geringe praktische Rolle, da beide Varianten in § 275 I BGB miteinander gleichgestellt werden. Daneben sind zu unterscheiden die - anfängliche von der - nachträglichen Unmöglichkeit. Anfänglich ist eine Unmöglichkeit der Leistung, die schon bei Vertragsschluss vorlag. Bsp.: A verkauft B seine Yacht, die ohne dass er es weiß bereits am Tag zuvor untergegangen ist. Hier bestand die Unmöglichkeit der Leistung (Übergabe und Übereignung der Yacht) bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. § 311a I BGB stellt klar, dass auch ein solcher Vertrag über eine anfänglich- objektiv unmögliche Leistung grundsätzlich wirksam ist. Nur der Leistungsan- spruch wandelt sich in einen Schadensersatzanspruch. Nachträgliche Unmöglichkeit liegt dagegen vor, wenn die Unmöglichkeit erst nach Vertragsschluss eingetreten ist. Bsp.: Wie oben, nur geht die Yacht erst einen Tag nach Vertragsschluss vor der Übergabe unter. Wichtig: Die Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmög- lichkeit ist sehr bedeutsam, da in beiden Fällen für den Schadensersatz ver- schiedene Anspruchsgrundlagen gegeben sind. Für die nachträgliche Unmöglichkeit gelten die §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB. Seite 21 Bei der anfänglichen Unmöglichkeit ist die Anspruchsgrundlage dagegen § 311a II S. 1 BGB. Tipp: In der Klausur ist häufig zunächst der primäre Erfüllungsanspruch zu prü- fen und beim Punkt „Anspruch untergegangen“ festzustellen, dass die Leistungs- pflicht wegen Unmöglichkeit nach § 275 I BGB erloschen ist. Danach ist dann der Schadensersatzanspruch zu prüfen. b) Unmöglichkeit bei Gattungsschulden Ist eine Leistung nicht individuell, sondern nur der Gattung nach bestimmt, so spricht das Gesetz von sog. Gattungsschulden, § 243 I BGB. Bsp.: A schuldet dem B 10 Sack Mehl. Es sind nicht bestimmte Säcke geschuldet, sondern nur irgendwelche Säcke mit Mehl mittlerer Art und Güte. Wird dagegen ein ganz bestimmter Gegenstand geschuldet, so spricht man von Stückschuld. Bsp.: A verkauft dem B eine ganz bestimmte Bleistiftskizze von Oskar Kokosch- ka. Dies ist insbesondere im Rahmen der Unmöglichkeit eine wichtige Unterschei- dung: Während bei der Stückschuld die Unmöglichkeit bereits mit Untergang des einen Leistungsgegenstandes eintritt, kann bei der Gattungsschuld erst von Un- möglichkeit gesprochen werden, wenn die gesamte Gattung (z.B. Mehl) unter- geht, also praktisch nie. Wie groß dabei die Gattung sein soll, ist durch Auslegung des Vertrages gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Bsp.: Weinhändler W verkauft dem A 20 Flaschen Spätlese „aus seinem Keller“. Kurz bevor es zur Übergabe kommt, wird der Weinkeller bei einer Überschwem- mung vernichtet. Der Vereinbarung ist konkludent zu entnehmen, dass sich die Lieferungsschuld des W auf seinen eigenen Weinkeller beschränken sollte (sog. Vorratsschuld). W hatte nicht vor, im Falle des Verlustes Wein anderswo zukaufen zu müssen. Mit der Zerstörung des Weines ist ihm die Leistung somit gem. § 275 I BGB un- möglich geworden. c) Konkretisierung Auch eine Gattungsschuld muss sich irgendwann einmal auf ein konkretes Stück beschränken. Es wäre unerträglich, wenn der Schuldner auch im Nachhinein im- mer noch zur Nachlieferung eines weiteren Stückes verpflichtet wäre. Deshalb sieht § 243 II BGB die sogenannte Konkretisierung der Gattungs- schuld vor. Hat der Schuldner seinerseits das zur Leistung erforderliche getan, so beschränkt sich das Schuldverhältnis auf den von ihm konkret ausgewählten Ge- genstand. Die Gattungsschuld wandelt sich sozusagen in eine Stückschuld. Seite 22 Zu fragen ist dabei immer, wann der Schuldner das seinerseits zur Leistung er- forderliche getan hat. Hierbei ist zu differenzieren zwischen der Holschuld, der Schickschuld und der Bringschuld. - Bei der Holschuld muss der Schuldner die Ware nur aussondern und bereit- stellen sowie den Gläubiger benachrichtigen. Der Gläubiger hat die Ware selber abzuholen. Sowohl der Leistungsort (d.h. der Ort, an dem der Schuldner die Leis- tungshandlungen vorzunehmen hat) als auch der Erfolgsort (der Ort, an dem der Leistungserfolg, d.h. die Erfüllung i.S.v. § 362 BGB eintritt) liegen beim Schuld- ner. Die Holschuld ist der gesetzliche Regelfall gem. § 269 I BGB und liegt somit im- mer dann vor, wenn die Parteien nicht etwas anderes vereinbaren. - Bei der Schickschuld muss der Schuldner die Ware einer zum Transport ge- eigneten und bestimmten Person übergeben. Der Leistungsort liegt beim Schuld- ner, der Erfolgsort dagegen beim Gläubiger. - Bei der Bringschuld muss der Schuldner dem Gläubiger die Ware bringen und anbieten (in einer Weise, die den Annahmeverzug gem. §§ 293 ff. BGB begrün- den würde). Hier liegen sowohl der Leistungsort als auch der Erfolgsort beim Gläubiger. Die genaue Bestimmung dessen, was der Schuldner tun muss, ist deswegen so wichtig, weil in diesem Moment Konkretisierung gem. § 243 II BGB eintritt und sich die Verpflichtung zur Leistung auf diese konkrete Sache beschränkt. Bsp.: A schuldet B zehn Säcke Mehl. Am Abend vor der Abholung durch B sucht A zehn Säcke aus seinem Vorrat aus und stellt diese etwas abgesondert für den B bereit, den er darüber per Email benachrichtigt. 20 Minuten später schlägt der Blitz in das Lager ein; bei einem kleinen Brand, der sich rasch löschen lässt, ver- brennen exakt diese zehn Säcke Mehl. A wird von seiner Leistungspflicht nach § 275 I BGB frei. Da eine Holschuld vor- lag, trat die Konkretisierung dadurch ein, dass er die Säcke ausgesucht und be- reitgestellt hat. Das Schuldverhältnis beschränkte sich damit auf diese konkreten zehn Säcke. Dass der A noch von seinen anderen Säcken liefern könnte, ist in- soweit ohne Belang. Anders wäre es, wenn A und B vereinbart hätten, dass ihm A die Säcke schickt (Schickschuld) bzw. vorbeibringt (Bringschuld). In diesem Fall hätte der A durch die Aussonderung noch nicht alles Notwendige getan. Es wäre keine Konkretisie- rung eingetreten, und er müsste erneut leisten. d) Gründe für die Unmöglichkeit Hauptfall der Unmöglichkeit ist, dass der Leistungsgegenstand physisch unter- geht. Bsp.: A verkauft dem B eine Yacht; diese geht vor der Übergabe unter. Seite 23 Daneben gibt es aber auch Fälle, in denen die Leistungshandlung sehr wohl noch vorgenommen werden kann, aber der damit verfolgte Leistungszweck nicht mehr erreicht werden kann (sog. Zweckerreichung). Bsp.: A verschluckt bei einem Empfang eine Fischgräte und erleidet einen Ersti- ckungsanfall. Die umstehenden Gäste rufen sofort den Notarzt, bevor dieser ein- trifft, kann A jedoch glücklicherweise wieder atmen. Ebenso tritt Unmöglichkeit ein, wenn der Gegenstand, an dem die Leistung vor- genommen werden soll, untergeht (sog. Zweckfortfall). Bsp.: Eine Yacht in Seenot ruft die Küstenwacht. Bevor ein Boot sie erreichen kann, geht die Yacht unter. Kritisch sind insoweit immer die Fälle der bloßen Zweckstörung und damit des Verhältnisses der Unmöglichkeit (§ 275 I BGB) zu den Vorschriften über die Stö- rung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Bsp.: A hat bei B für seinen Fußball-Fanclub einen Bus bestellt, um zu einem be- stimmten Fußballspiel nach München zu fahren. Das Spiel wird jedoch abgesagt. Zwar ist es dem B nicht unmöglich, den Fanclub des A nach München zu fahren, der Zweck der Reise ist durch den Ausfall des Fußballspiels jedoch empfindlich gestört. Nach h.M. werden solche Fälle über § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) abgewickelt. Eine Anwendung des § 275 I BGB wird nur dann bejaht, wenn aus- drücklich der Zweck zum Inhalt des Rechtsgeschäftes gemacht wird. e) Wirtschaftliche Unmöglichkeit Nach § 275 II BGB liegt Unmöglichkeit auch dann vor, wenn die Leistung zwar theoretisch noch erbracht werden kann, jedoch von dem Schuldner Aufwendun- gen erfordert, die wirtschaftlich in keinem Verhältnis zum Wert der Leistung ste- hen. Bsp.: Im obigen Fall der untergegangenen Yacht erhält der A die Information, dass man die Yacht noch heben und wieder restaurieren könnte. Dies würde ca. 30.000.000 Euro kosten. Die Yacht selbst war 1.000.000 Euro wert. f) Persönliches Leistungshindernis Ein Fall der Unmöglichkeit liegt nach § 275 III BGB auch dann vor, wenn der Schuldner die Leistung persönlich zu erbringen hat, diese ihm aber aus bestimm- ten Gründen nicht zugemutet werden kann. Bsp.: Die Sängerin S sagt einen Auftritt ab, weil ihr Kind schwer erkrankt ist. Beachte: § 275 II BGB und § 275 III BGB sind als bloße Einreden ausgestaltet. D.h. der Schuldner kann die Leistung verweigern, muss dies aber nicht. Seite 24 So wird im obigen Beispiel die Sängerin vielleicht gerade auftreten wollen, um dem Kind nicht den Eindruck zu vermitteln, seine Krankheit beeinträchtige die Lebensplanung seiner Eltern. g) Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit (§§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB) - vgl. auch Aufbauschema Nr. 3 (Anhang) - Gem. §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB hat der Gläubiger Anspruch auf Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit, wenn - die Leistungspflicht nach § 275 I-III BGB erloschen ist, der Schuldner also nicht mehr zu leisten braucht - der Schuldner dies nach § 280 I S. 2 BGB zu vertreten hat Beachte: Neben dem Anspruch aus §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB hat der Gläubi- ger häufig noch einen Anspruch aus § 285 BGB (vgl. auch Aufbauschema Nr. 6 im Anhang). Danach kann der Gläubiger das, was der Schuldner als Ersatz für den untergegangenen Gegenstand erlangt hat (sog. „stellvertretendes commo- dum“, z.B. einen Kaufpreis oder eine Versicherungssumme), von diesem heraus- verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn der Kaufpreis oder die Versicherungs- summe höher liegt als der Wert der Sache! Der Anspruch aus § 285 BGB setzt darüber hinaus kein Verschulden des Schuld- ners voraus! Bsp.: A verkauft dem B seine Yacht, diese geht jedoch vor Übergabe ohne sein Verschulden unter. Die Yacht war mit 1.300.000 Euro versichert, obwohl sie ei- gentlich nur noch 700.000 Euro wert war. B kann in diesem Fall nach § 285 BGB von A die volle Versicherungssumme herausverlangen! (Er bleibt in diesem Fall allerdings zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises verpflichtet, § 326 III BGB.) h) Schicksal der Gegenleistung bei der Unmöglichkeit Wird bei einem gegenseitigen Vertrag die dem einen Teil obliegende Leistung unmöglich, stellt sich die Frage, ob die andere Seite dann ihrerseits noch zur Ge- genleistung verpflichtet ist. Nach § 326 I BGB braucht auch die andere Seite in diesem Fall grundsätzlich ihre Leistung nicht mehr zu erbringen. Bsp.: A verkauft dem B seine Yacht, diese geht aber vor Übergabe ohne ein Ver- schulden des A unter. A wird von seiner Pflicht zur Übereignung der Yacht (§ 433 I S. 1 BGB) nach § 275 I BGB frei, da ihm die Übereignung durch den Untergang der Yacht unmöglich geworden ist („Anspruch weggefallen“). B hingegen wird von seiner Pflicht zur Kaufpreiszahlung (§ 433 II BGB) nach § 326 I BGB frei. Wichtig: An dieser Stelle ist es in der Klausur besonders wichtig, klar zwischen der unmöglich gewordenen Hauptleistung und der Gegenleistung zu differenzie- Seite 25 ren (häufiger Klausurfehler!). Nur die Hauptleistungspflicht des Schuldners (im Beispiel: Lieferung der Yacht durch A) wird unmöglich! Die Gegenleistungspflicht (Kaufpreiszahlung) wäre an sich noch möglich, die Pflicht zur Kaufpreiszahlung entfällt jedoch nach § 326 I BGB. Für diese Differenzierung haben sich die Begriffe Leistungsgefahr und Preisgefahr eingebürgert. Der Begriff der Leistungsgefahr umschreibt das Risiko des Schuldners, die Leis- tung noch einmal erbringen zu müssen. Bei einer Stückschuld trägt der Gläubiger die Leistungsgefahr, da der Schuldner nach § 275 I BGB mit dem Untergang der Sache von seiner Leistungspflicht frei wird. Bei der Gattungsschuld hängt die Leistungsgefahr dagegen davon ab, ob bereits Konkretisierung gem. § 243 II BGB eingetreten ist (s.o.). Ist dies nicht der Fall und die Leistung aus der Gattung nach wie vor möglich, so muss der Schuldner die Leistung noch mal erbringen; mithin trägt der Schuldner die Leistungsgefahr. Dagegen bestimmt die sog. Preisgefahr, ob der Gläubiger den Kaufpreis trotz Unmöglichkeit der Hauptleistung erbringen muss; er also zahlen muss, obwohl er nichts bekommt. Insoweit bestimmt § 326 I BGB, dass der Gläubiger im Fall der Unmöglichkeit der Hauptleistung grundsätzlich keine Gegenleistung mehr erbrin- gen muss. Zu der grundsätzlichen Regelung des § 326 I BGB bestehen jedoch viele Aus- nahmen: - Hat der Gläubiger den Umstand, auf dem die Unmöglichkeit beruht, selbst zu verantworten, so bleibt er weiterhin zur Gegenleistung verpflichtet, § 326 II S. 1, 1. Alt. BGB. Bsp.: A engagiert für 6.500 Euro den versierten Bergführer B für eine Expedition auf den Mount-Everest, die in drei Wochen beginnen soll. Der Vertrag wird in der Wohnung des A unterzeichnet. Als B die Wohnung des A verlässt, rutscht er so unglücklich auf der von dem A unzureichend gesicherten (Verschulden i.S.v. § 276 BGB!) Treppe des Hauses aus, dass er die nächsten 3 Monate im Kranken- haus verbringt und den A nicht begleiten kann. A bleibt trotzdem zur Zahlung des Bergführerlohnes verpflichtet. - Gleiches gilt, wenn die Unmöglichkeit zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem sich der Gläubiger im Verzug der Annahme (§§ 293 ff. BGB) befindet, § 326 II S. 1, 2. Alt. BGB. Bsp.: A verkauft wieder einmal an den B eine Yacht. Es wird vereinbart, dass B die Yacht in den nächsten drei Wochen übernimmt. Trotz mehrmaliger Aufforde- rung zur vereinbarungsgemäßen Übernahme der Yacht ist die Yacht nach drei Monaten immer noch im Besitz des A, als sie nach einem Unwetter untergeht. B muss in diesem Fall den Kaufpreis trotzdem zahlen. - Beim Kaufvertrag geht die Preisgefahr in dem Moment auf den Käufer über, in dem ihm die Sache übergeben wird (§ 446 BGB), und zwar unabhängig davon, Seite 26 ob er in diesem Moment schon Eigentümer wird (was häufig aufgrund eines Ei- gentumsvorbehaltes noch nicht der Fall sein wird). Dies hat seinen Grund darin, dass für den Untergang einer Sache meist ein Um- stand aus der Sphäre desjenigen verantwortlich ist, der die Sache in Besitz hat. Bsp.: B kauft von A unter Eigentumsvorbehalt einen Pkw. Geht der Pkw nach der Übergabe an B unter, so bleibt er zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, und zwar trotz des Umstandes, dass der A aufgrund des Eigentumsvorbehaltes (§ 449 BGB) seine Pflicht zur Übereignung des Pkw (vgl. § 433 I S. 1 BGB: geschuldet sind Übergabe und Übereignung i.S.v. § 929 S. 1 BGB) noch nicht erfüllt hat. - Versendet der Verkäufer die Sache auf Verlangen des Käufers an einen anderen Ort (also: Schickschuld), so trägt die Gefahr des Untergangs ab dem Moment der Übergabe der Sache an die Transportperson der Käufer (§ 447 BGB). Gemeint ist damit die Preisgefahr, d.h. die Gefahr trotz Untergang zahlen zu müssen. Der Gesetzgeber sieht in der Bereitschaft des Verkäufers, die Sache entgegen des Holschuld-Prinzips (§ 269 I BGB) an den Käufer zu versenden, ein Entgegen- kommen des Verkäufers. Er soll daher nicht auch noch die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache auf dem Transportweg tragen müssen. Bsp.: Kunsthändler A aus München verkauft an den Kunsthändler B aus Stuttgart ein wertvolles Gemälde, das dieser bereits früher in der Galerie des A besichtigt hat. Auf Bitten des B erklärt sich der A bereit, dem B das Gemälde zu schicken. Auf dem Transport wird das Bild durch einen unglücklichen Zufall vernichtet. Aufgrund der Gefahrtragungsregel des § 447 BGB kann der A von dem B trotz- dem Zahlung des Kaufpreises verlangen. Beachte: Im Anwendungsbereich des § 447 BGB ist nach ganz h.M. auch der Rücktritt des Käufers vom Vertrag ausgeschlossen. Ein Rücktritt in diesem Fall wäre eine Umgehung des § 447 BGB und ein Wertungswiderspruch zu der vom Gesetz eigentlich vorgesehenen Aufrechterhaltung des Kaufpreisanspruchs des Verkäufers. Dass § 447 BGB nicht in § 323 VI BGB erwähnt ist, ist als reines Re- daktionsversehen des Gesetzgebers zu werten. Zu beachten ist weiterhin, dass § 447 I BGB grundsätzlich nicht bei Ver- brauchsgüterkäufen gilt, § 475 II BGB. Soweit also der Käufer ein Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und der Verkäufer ein Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist, trägt der Unternehmer die Preisgefahr bis zur Übergabe der Kaufsache weiter. Hinweis: Im Zusammenhang mit § 447 BGB tauchen in der Klausur häufig Prob- leme der Drittschadensliquidation auf, die dort im Zusammenhang erörtert wer- den. i) Schadensersatz statt der Leistung bei anfänglicher Unmöglichkeit (§ 311a II BGB) aa) Allgemeines Seite 27 - vgl. auch Aufbauschema Nr. 2 (Anhang) - § 311a II BGB greift im Fall der sogenannten anfänglichen Unmöglichkeit ein, d.h. wenn die Leistung schon bei Vertragsschluss unmöglich ist. Bsp.: Der Künstleragent K ist etwas hochstaplerisch veranlagt und spiegelt dem Journalisten J glaubwürdig vor, er habe enge Verbindungen zu Beyoncé. Er kön- ne ihm ein Interview mit ihr verschaffen. In Wahrheit hat K keinerlei Verbindung zu Beyoncé. J dagegen glaubt dem K. Beide schließen einen „Vermittlungsver- trag“ über das in Aussicht genommene Interview; J zahlt dem K 2.500 Euro. Da dem K die versprochene Leistung von Anfang an unmöglich war, ist er dem J gem. § 311a II BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Wichtig: Auch wenn die Anspruchsvoraussetzungen fast dieselben sind, ist in der Klausur doch immer genau zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmög- lichkeit zu differenzieren, da in beiden Fällen unterschiedliche Anspruchsgrundla- gen greifen. Im Fall der anfänglichen Unmöglichkeit § 311a II BGB, bei der nachträglichen Unmöglichkeit dagegen §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB. Der Gesetzgeber sieht den Grund für diese nicht ganz überzeugende Unterschei- dung darin, dass es bei der anfänglichen Unmöglichkeit nicht wie bei den §§ 280 ff. BGB um die Pflichtverletzung im Rahmen eines (schon) bestehenden Schuld- verhältnisses geht, sondern um eine vorwerfbare Sorglosigkeit bereits bei der Abgabe des Leistungsversprechens. Dementsprechend stellt § 311a I BGB zunächst auch erst einmal klar, dass der Vertrag trotz der anfänglichen Unmöglichkeit wirksam ist. Nur das Leistungsver- sprechen selbst muss nach § 275 I BGB nicht erfüllt werden. Hat der Schuldner allerdings gewusst, dass er zur Leistung nicht im Stande ist, oder ist ihm insoweit zumindest Fahrlässigkeit vorwerfbar (vgl. § 311a II S. 2 BGB), so ist er gem. § 311a II BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Dabei stellt § 311a II S. 2 BGB ähnlich wie § 280 I S. 2 BGB eine Beweislastum- kehr dar, d.h. der Schuldner muss selbst beweisen, dass ihn hinsichtlich seiner mangelnden Kenntnis von der Unmöglichkeit bei Vertragsschluss kein Verschul- den trifft. bb) Sonderproblem: Haftung nach § 122 I BGB analog bei anfänglicher Unmöglichkeit Teilweise wird vertreten, dass der Gläubiger dann, wenn der Schuldner die an- fängliche Unmöglichkeit weder kannte noch kennen musste (und ein Anspruch aus § 311a II BGB damit gemäß Absatz 2 Satz 2 ausfällt), einen Anspruch gegen den Schuldner aus § 122 I BGB analog auf Ersatz seines Vertrauensschadens hat. Wiederholung: Beim Vertrauensschaden (=negatives Interesse) ist der Ge- schädigte so zu stellen, als ob er von dem fraglichen Geschäft nie etwas gehört hätte. Zu ersetzen sind also z.B. vergebliche Fahrtkosten (die hätte er nicht ge- Seite 28 habt), nicht aber z.B. ein entgangener Gewinn (den hätte er nicht gemacht, wenn er von dem Geschäft nie gehört hätte). Dagegen lässt sich aber mit der h.M. einwenden, dass der Gesetzgeber Aufwen- dungen, die im Vertrauen auf das Geschäft gemacht wurden, schon in § 284 BGB berücksichtigt hat (auf den § 311a II S. 1 BGB auch verweist). Danach sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch solche Aufwendungen nur unter den Vo- raussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung – also Vertretenmüssen – ersetzt werden. Die Anwendung von § 122 I BGB analog liefe auf eine Garan- tiehaftung hinaus, die der Gesetzgeber gerade nicht wollte. Seite 29 Lerneinheit 4: Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 281 BGB (verzögerte Leistung und Schlechtleistung), Sonderprobleme: Haftung für Nutzungsausfallschäden, Bezugspunkt für das Vertretenmüssen bei §§ 280 I, III, 281 BGB, Teilleistungen und Teilschlechtleistungen im allgemeinen Schuldrecht 2. Verzögerung der Leistung (§§ 280 I, III, 281 I BGB) a) Allgemeines - vgl. auch Aufbauschema Nr. 4 (Anhang) - Der Gläubiger kann Schadensersatz statt der Leistung auch dann fordern, wenn der Schuldner nicht rechtzeitig leistet und damit seine Pflichten aus dem Schuld- verhältnis verletzt. Erforderlich ist in diesem Fall jedoch gem. § 281 I BGB eine Fristsetzung. Hintergrund: Aus dem Erfordernis der Fristsetzung ergibt sich zugleich die Ab- grenzung zu den Fällen der Unmöglichkeit: Eine Fristsetzung wie bei § 281 I BGB macht natürlich nur dort Sinn, wo die Leistung prinzipiell noch möglich ist. Dar- aus folgt, dass § 281 I BGB in Fällen der Unmöglichkeit keine Anwendung finden kann! Bsp.: A betreibt ein Modegeschäft in der Freiburger Innenstadt. Bei seinem Liefe- ranten B bestellt er Anfang September Saisonware für den Winter. B ist jedoch etwas schlampig und liefert nicht. Auch eine von dem A gesetzte Frist bleibt er- folglos, so dass sich der A nun anderweitig teuer eindecken muss. Nach §§ 280 I, III, 281 S. 1 BGB kann er von B für seine Mehrkosten Schadensersatz verlangen. Wichtig: Im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs muss der Käufer nicht ausdrück- lich eine Frist setzen, sondern dem Verkäufer nur Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, vgl. § 475d I Nr. 1 BGB (die Vorschrift steht zwar „eingekeilt“ zwischen den Vorschriften über den Kaufvertrag über digitale Produkte, gilt nach der Ge- setzesbegründung aber für alle Verbrauchsgüterkaufverträge). Die dem Schuldner gesetzte Frist muss angemessen lang sein. Ist die Frist zu kurz, so ist die Fristsetzung nicht unwirksam (!), sondern setzt lediglich eine an- gemessene Frist in Gang. Bsp.: Im obigen Beispiel ruft A den B Ende September an und verlangt verärgert „Lieferung der vereinbarten Ware innerhalb der nächsten 6 Stunden“. Ohne Set- zung einer weiteren Frist kauft der A die Winterware, als der B Ende Oktober immer noch nicht geliefert hat, bei einem anderen Lieferanten und möchte von B nach §§ 280 I, III, 281 S. 1 BGB Schadensersatz. Sein Verlangen ist erfolgreich, da die Frist, die er dem B gesetzt hat, zwar unangemessen kurz war, dies jedoch nur zur Folge hat, das stattdessen eine angemessene Frist in Lauf gesetzt wird. Wie lange im vorliegenden Fall „angemessen“ ist, braucht nicht entschieden zu werden; es ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass Ende Oktober eine ange- messene Zeitspanne verstrichen ist. Seite 30 Beachte: Nach der Rechtsprechung des BGH ist das Erfordernis einer Fristset- zung sogar auch schon dann erfüllt, wenn der Gläubiger dem Schuldner keine bestimmte Frist setzt (!), sondern ihn lediglich durch Worte wie „in angemesse- ner Zeit“, „umgehend“ oder „so schnell wie möglich“ unmissverständlich zur Leis- tung auffordert. Damit werde dem Schuldner klar, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erbringen könne, sondern dass ihm hierfür eine zeit- liche Grenze gesetzt sei, die aufgrund der Umstände des Einzelfalls bestimmbar sei. Nach § 281 II BGB kann eine Fristsetzung jedoch auch völlig entbehrlich sein. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Schuldner die Leistung endgültig und ernsthaft verweigert. Dabei sind an die Ernsthaftigkeit der Leistungsverweigerung hohe Anforderungen zu stellen, da Schuldner häufig etwas unlustig sind, wenn es da- rum geht, die geschuldete Leistung zu erbringen. Bsp.: Als im obigen Beispiel der A bei B anruft, sagt ihm der B: „Nun drängeln Sie mich nicht, sonst kriegen Sie gar nichts.“ Keine endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung. Beachte: Im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs tritt an die Stelle von § 281 II BGB die Vorschrift des § 475d I Nr. 2-5 BGB (vgl. § 475d II BGB). b) Sonderproblem: Ersatz von Nutzungsausfallschäden Umstritten ist, nach welcher Norm der Verkäufer für den durch einen Mangel hervorgerufenen Nutzungsausfallschaden haftet. Bsp.: V hat an K eine Bierzapfanlage verkauft. Aufgrund eines von dem V ver- schuldeten Mangels läuft die Anlage nicht richtig, so dass K bei einem von ihm veranstalteten „public event“ nur die halbe Menge Bier verkaufen kann. K will von V seinen Schaden ersetzt haben. Nach einer Meinung handelt es sich insoweit um einen Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 I, III, 281 BGB). Problematisch an dieser Auffassung ist aber, dass vom Schadensersatz statt der Leistung nur derjenige Schaden erfasst sein soll, der zum Nacherfüllungsprogramm des Verkäufers gehört (Schlagwort: „hy- pothetische Nacherfüllung“). Auch durch eine noch so gute Nacherfüllung würde aber der Nutzungsausfallschaden nicht beseitigt. Zur Erinnerung: Diese Abgrenzung hat sich als diejenige herausgestellt, die in der Klausur auch in Zweifelsfällen die beste Abgrenzung zwischen Schadenser- satz statt und Schadensersatz neben der Leistung liefert: Schadensersatz statt der Leistung ist alles, was durch eine bestmögliche hypothetische Nacherfül- lung des Schuldners beseitigt werden könnte. Besondere Betonung verdient hier das Wort „hypothetisch“, da auch Fälle der Unmöglichkeit (§§ 311a II, 283 S. 1 BGB) unter die Fälle des Schadensersatzes statt der Leistung subsumiert werden. Folgt man der h.M., wonach es sich beim Nutzungsausfallschaden um einen Schadensersatz neben der Leistung handelt, so stellt sich die weitere Frage, ob man neben den Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB noch zusätzlich Seite 31 die Voraussetzungen des § 286 I BGB (d.h. insbesondere: eine Mahnung) fordern will. Dies wird von einigen mit dem Argument gefordert, ansonsten würde der Schlechtleistende schlechter stehen als der Nichtleistende, der auf verzögerungs- bedingten Nutzungsausfall gem. §§ 280 I, II, 286 BGB auch grundsätzlich erst ab Mahnung hafte. Dies übersieht aber, dass der Schlechtleistende letztlich für die Gläubigersphäre viel gefährlicher ist als der Nichtleistende, denn er will sich mit seiner Schlecht- leistung, die unter Umständen die Gläubigersphäre noch weiter gefährdet (wie in obigem Fall) die Gegenleistung verdienen. Dementsprechend hat der Gesetzge- ber § 286 I BGB in § 437 Nr. 3 BGB auch nicht erwähnt, was nach überwiegen- der Meinung dazu führt, dass für die Schadensersatz-Haftung auf den mangelbe- dingten Nutzungsausfall die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB aus- reichen. In obigem Fall muss also der V dem K seinen Nutzungsausfall nach §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB ersetzen. Einer zusätzlichen Mahnung durch K bedarf es nicht. Wichtig: Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Verkäufer mit der Nach- erfüllung in Verzug gerät. Bsp. (Abwandlung): In obigem Fall hätte der Verkäufer den Mangel der Zapfan- lage nicht erkennen können (was einen Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB mangels Vertretenmüssen ausschließt). Allerdings kommt er dem Verlangen des K auf Nacherfüllung (Reparatur bzw. Nachlieferung einer neuen Zapfanlage) schuldhaft nicht nach, was bei dem K weiteren Schaden in Form von entgange- nem Gewinn auslöst. In diesem Fall haftet V nach h.M. aus §§ 280 I, II 286 BGB wegen Verzug mit der Nacherfüllung (§ 439 BGB). Denn der Gesetzgeber wollte mit der Nicht- Erwähnung von § 286 BGB in § 437 Nr. 3 BGB nicht die Fälle des schuldhaften Verzugs mit der Nacherfüllung ausschließen. Dies ergibt sich schon aus der Kon- trollerwägung, dass der V ja ansonsten völlig straflos die Nacherfüllung heraus- zögern könnte, ohne auf den daraus angerichteten Schaden zu haften. Beachte: Anders fällt die Abgrenzung zwischen §§ 280 I, III, 281 BGB und § 280 I BGB nach h.M. allerdings dann aus, wenn der Nutzungsausfallschaden nach einem aufgrund eines Mangels der Sache vollzogenen Rücktritt erfolgt. Denn der Schaden wäre eben dann bei ordnungsgemäßer Nacherfüllung nicht entstanden. Bsp.: In obigem Fall kauft der K die Bierzapfanlage am 1.7. des Jahres. Am 10.7. stellt sich der Mangel heraus; K setzt dem V daraufhin bis zum 25.7. eine Frist zur Nacherfüllung. Nach fruchtlosem Fristablauf tritt der K am 1.8. vom Vertrag zurück. Bis er eine neue Bierzapfanlage bei einem anderen Verkäufer bestellt hat, muss er sich für einen Event am 3.8. mit einer für 250 Euro gemieteten Bierzapfanlage behelfen. Sein Schaden ist insoweit Schadensersatz statt der Leistung, da er bei ordnungsgemäßer Nacherfüllung durch V am 3.8. bereits wie- Seite 32 der eine funktionierende Zapfanlage zur Verfügung gehabt hätte und nicht an- derweitig hätte eine mieten müssen. 3. Schlechtleistung (§§ 280 I, III, 281 I BGB) a) Allgemeines - vgl. auch Aufbauschema Nr. 4 (Anhang) - Auch der Fall der Schlechtleistung, also dass der Schuldner die Leistung nicht so erbringt wie geschuldet, wird von §§ 280 I, III, 281 I BGB geregelt. Dabei wird die Lieferung einer mangelhaften Sache genauso erfasst wie die Zu- weniglieferung oder die Lieferung einer anderen Sache als der geschuldeten (sog. aliud). §§ 280 I, III, 281 I BGB gelten dabei zumeist über eine Verweisung aus dem kaufrechtlichen oder werkvertraglichen Gewährleistungsrecht (vgl. §§ 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB). Bsp.: Anlässlich eines großen Hauskonzerts bestellt der A bei B 80 Flaschen Sekt. Es werden aber nur 40 Flaschen geliefert. A muss sich teurer anderswo einde- cken. Er hat insoweit einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, III, 281 I BGB gegen den B (vgl. zu diesem Fall auch noch weiter unten). b) Sonderproblem: Bezugspunkt für das Vertretenmüssen bei §§ 280 I, III, 281 BGB Umstritten ist, welche Pflichtverletzung bei einem Anspruch aus §§ 280 I, III, 281 BGB Anknüpfungspunkt für das Vertretenmüssen des Schuldners ist. In Betracht kommen insoweit der ursprüngliche Mangel der Sache oder die Nichtvornahme (bzw. nicht pflichtgemäße Vornahme) der Nacherfüllung. Bsp.: V verkauft K einen Geländewagen, bei dem der Turbolader defekt ist. Der Mangel wäre für V nicht erkennbar gewesen. Wenige Monate nach dem Kauf bleibt der Geländewagen infolge des Defekts auf der Autobahn liegen. Der Turbo- lader ist nunmehr total funktionsuntüchtig, der Mangel erkannt. V verweigert trotzdem die Reparatur (=Nacherfüllung). Theoretisch könnte man nun sogar vier Meinungen für den Bezugspunkt des Vertretenmüssens von V bilden: (1) Bezugspunkt ist nur der ursprüngliche Mangel. In diesem Fall würde V nichts schulden: Den ursprünglichen Mangel hätte er nicht entdecken können. (2) Bezugspunkt ist nur die nicht oder nicht wie geschuldet vorgenommene Nacherfüllung. Seite 33 In diesem Fall würde V haften: Spätestens in dem Moment, als K den Mangel des Turboladers bei ihm rügte, muss ihm klar geworden sein, dass der Pkw mängel- behaftet war. Die Verweigerung der Nacherfüllung ist daher schuldhaft i.S.v. § 276 BGB (hier sogar Vorsatz, Fahrlässigkeit hätte aber auch gereicht). (3) Bezugspunkt für das Vertretenmüssen ist (alternativ) entweder der ur- sprüngliche Mangel oder die nicht/nicht pflichtgemäß vorgenommene Nacherfül- lung. Auch in diesem Fall würde V haften: Man würde in diesem Fall auf die vorsätzlich nicht vorgenommene Nacherfüllung abstellen. (4) Bezugspunkt für das Vertretenmüssen ist (kumulativ) sowohl der ursprüng- liche Mangel als auch die nicht/nicht ordnungsgemäß vorgenommene Nacherfül- lung. Nach dieser Theorie haftet V nicht: Er hat zwar nicht Nichtvornahme der Nacher- füllung, aber eben nicht den ursprünglichen Mangel zu vertreten. Bei der Entscheidung zwischen diesen Theorien kann man zunächst die erste „Theorie“ als letztlich nicht vertretbar aussortieren: Würde man in der Tat nur auf den ursprünglichen Mangel abstellen, so könnte der Schuldner in allen Fällen, wo er diesen nicht zu vertreten hat, völlig ohne Konsequenzen die Nacherfüllung verweigern. Da er den ursprünglichen Mangel nicht zu vertreten hat, würde er nicht gem. §§ 280 I, III, 281 BGB haften. Demgemäß wird diese „Theorie“ soweit ersichtlich auch nicht vertreten. Weiterhin kann man auch die vierte Theorie („Sowohl-als-auch“) rasch entkräf- ten: Das Recht zur zweiten Andienung soll dem Schuldner eine „zweite Chance zur Leistung“ geben. Es ist aber nicht ersichtlich, warum aus Sicht des Gläubigers nun auch noch ein zweites Verschulden erforderlich sein soll, um an den Scha- densersatz statt der Leistung zu kommen. Stark vertreten werden denn auch nur die beiden verbliebenen Theorien. Beachte: Die beiden „übrig gebliebenen“ Theorien (2) und (3) werden in der Klausur häufig zum selben Ergebnis kommen, da der Schuldner in den meisten Fällen jedenfalls die Nichtvornahme der Nacherfüllung zu vertreten hat. In diesen Fällen sollten Sie die Entscheidung zwischen diesen beiden letzten Theorien auch dahinstehen lassen und bestenfalls eine leichte Präferenz in die eine oder andere Richtung erkennen lassen („für die Auffassung (3) spräche… kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, denn…“). Dabei spricht für die Theorie (3) („Entweder-Oder“), dass sie diejenigen Fälle besser in den Griff kriegt, in denen der Schuldner den ursprünglichen Mangel – unter Umständen sogar arglistig – zu vertreten hat, aber aus irgendwelchen Gründen nicht die Nichtvornahme der Nacherfüllung. Bsp.: V hat an K einen Pkw verkauft und ihm arglistig einen Mangel verschwie- gen. Nachdem er sich auf das Nacherfüllungs-Verlangen des K eingelassen hat, fällt er einen Tag vor Ablauf der Nacherfüllungsfrist unverschuldet in Geistes- krankheit (bzw. es brennt ihm die Werkstatt ab usw.). Seite 34 In diesem Fall würde V nach Theorie (2) nicht haften. Dies wäre ein unbilliges Ergebnis, was für Theorie (3) spricht. Ein weiteres Beispiel ist die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung nach § 439 III BGB, z.B. wenn eine Reparatur mit ganz unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Auch in diesem Fall kann es sein, dass der Verkäufer den ur- sprünglichen Mangel zu vertreten hat, nicht aber die Nichtvornahme der Nacher- füllung, da diese unverhältnismäßige Aufwendungen erfordern würde. c) Sonderproblem: Teilleistungen und Teilschlechtleistungen im allge- meinen Schuldrecht Umstritten ist, wie die Teilleistung oder Teilschlechtleistung im Kaufrecht (vgl. hierzu auch Hofmann-Skript Schuldrecht BT 1 - Vertragliche Schuldverhältnisse) nach allgemeinem Schuldrecht einzuordnen ist. Bsp.: Für ein bestimmtes Fest hat der K bei V 150 Flaschen eines bestimmten Weines geordert. V liefert aber nur 100 Flaschen. K will vor diesem Hintergrund auch die 100 Flaschen des V zurückweisen und sich anderswo (teurer) einde- cken, da er seinen Gästen einheitlich denselben Wein anbieten will. Ginge man hier zunächst stur von der Terminologie des § 434 II 2, III 2 BGB aus („Menge“), so ist die Wenigerlieferung des Verkäufers als Sachmangel zu betrachten mit der Folge, dass der Käufer Schadensersatz statt der ganzen Leis- tung (d.h. Schadensersatz für alle Weinflaschen) dann verlangen kann, wenn der Mangel erheblich ist (vgl. § 281 I S. 3 BGB; gleiches gilt, wenn der Käufer vom ganzen Vertrag zurücktreten will, gem. § 323 V S. 2 BGB). Beachte: Der Fall läuft genau gleich, wenn dem V die Lieferung weiterer fünfzig Flaschen unmöglich ist: Denn in den maßgeblichen Unmöglichkeits-Vorschriften wird auf § 281 I S. 3 BGB verwiesen (vgl. §§ 283 S. 2, 311a II S. 3 BGB). Im obigen Fall hätte dies zur Folge, dass für die Frage, ob der K sich komplett neu eindecken darf, allein auf die Zahl der Flaschen abzustellen ist und zu fragen ist, ob es sich um eine „nicht unerhebliche“ Abweichung i.S.v. § 281 I S. 3 BGB handelt. Bei 100 gelieferten gegenüber 150 geschuldeten Flaschen wäre das wohl zu bejahen. Die h.M. hält dem jedoch entgegen, dass diese eng an § 434 II 2, III 2 BGB ori- entierte Auslegung den Gesetzeszweck verfehle. Denn der Gesetzgeber habe in den §§ 281 I S. 2, 323 V S. 1 BGB eigene Regeln dafür aufgestellt, wie im Fall der Teilleistung zu verfahren sei: Danach sei für die Frage, ob Schadensersatz wegen der ganzen Leistung gefordert bzw. vom ganzen Vertrag zurückgetreten werden könne entscheidend, ob das Interesse des Gläubigers an der Leistung im Ganzen weggefallen sei. Wichtig: Dies macht in vielen Fällen einen Unterschied! Wird wie oben nur die Erheblichkeit i.S.v. §§ 281 I S. 3, 323 V S. 2 BGB geprüft, so kommt es nur auf die schlichte Zahl der Minderlieferung an. Stellt man dagegen mit §§ 281 I S. 2, 323 V S. 1 BGB auf einen Interessewegfall des Gläubigers ab, so wird die Abwä- Seite 35 gung für den Einzelfall gerechter: Es müssen dann Gründe vorliegen, warum der Gläubiger auch mit dem gelieferten Teil der Ware (also z.B. den 100 Flaschen Wein) nichts anfangen kann. Definition: Maßgeblich für den Interessewegfall sind die individuellen Verhält- nisse des Gläubigers, die allerdings einer objektiven Betrachtung unterzogen werden. Für die h.M. spricht weiterhin, dass §§ 281 I S. 2, 323 V S. 1 BGB ansonsten weitgehend leerliefen, da Kauf- und Werkvertrag (für den in § 633 II S. 3 BGB ebenfalls die Minderlieferung mit der Schlechtleistung gleichgestellt ist) die häu- figsten Anwendungsfälle des Interessewegfalls ausmachen. Das gleiche Problem entsteht genauso bei der Teilschlechtleistung. Bsp.: U soll an den B eine Computeranlage mit Server, Endgeräten und Individu- alsoftware für dessen Betrieb liefern. Es stellt sich heraus, dass Teile der Soft- ware nicht richtig funktionieren. Server und Endgeräte funktionieren dagegen tadellos. Auch hier stellt sich die Frage, ob B vom ganzen Vertrag zurücktreten bzw. Schadensersatz wegen der ganzen Leistung fordern kann (d.h. auch wegen der Server und der Endgeräte). Die h.M. würde den Fall über §§ 281 I S. 2, 323 V S. 1 BGB danach entscheiden, ob das Interesse des B auch an den funktionierenden Teilen der Computeranlage weggefallen ist. Seite 36 Lerneinheit 5: Schadensersatz statt der Leistung wegen Nebenpflichtverletzungen (§§ 280 I, III, 282, 241 II BGB), Aufwendungsersatz (§ 284 BGB), Rücktritt (§§ 346 ff. BGB), Sonderprobleme: Entbehrlichkeit der Frist bei § 323 II und § 475d BGB, Erfüllung nach Fristablauf 4. Nebenpflichtverletzung (§§ 280 I, III, 282, 241 II BGB) Normalerweise kann wegen der Verletzung einer Nebenpflicht nur der hierdurch entstandene Schaden ersetzt verlangt werden, nicht jedoch Schadensersatz statt der Leistung. Bsp.: A liefert dem B das von ihm bestellte Klavier und beschädigt dabei mit sei- nem Lkw beim Zurücksetzen den Zaun des B. B kann nun Schadensersatz wegen des Zaunes verlangen, keinesfalls aber unter Ablehnung der Lieferung des Kla- viers Schadensersatz statt der Leistung. Ein Schadensersatz statt der Leistung wegen der bloßen Verletzung einer Neben- pflicht kommt daher nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner unzumutbar ist (vgl. § 282 BGB). Bsp.: Vermieter V versucht seinen Mieter M, der im selben Haus eine Wohnung unter ihm wohnt, aufgrund einer heftigen Meinungsverschiedenheit zu ermorden. M ist aufgrund des Gewichts der Nebenpflichtverletzung eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar. Er kann sich eine andere Wohnung neh- men und – soweit diese teurer ist – von dem V diesbezüglich gem. §§ 280 I, III, 282 BGB Schadensersatz verlangen. Beachte: Einen Sonderfall zu § 282 BGB stellt die Vorschrift des § 628 II BGB dar. Danach haftet im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsvertrages derjenige, der die Kündigung des anderen Teils selbst durch vertragswidriges Verhalten veran- lasst, auf den daraus entstehenden Schaden. 5. Aufwendungsersatz (§ 284 BGB) a) Allgemeines - vgl. auch Aufbauschema Nr. 5 (Anhang) - Anstelle des Anspruches auf Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubi- ger auch Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat, § 284 BGB. Solche Schäden sind vom Schadensersatz statt der Leistung regelmäßig nicht erfasst, da der Gläubiger dort so gestellt wird, als habe der Schuldner ordnungs- gemäß erfüllt. Dann hätte der Schuldner die Aufwendung aber genauso getätigt. Bsp.: A kauft von dem B eine alte Yacht. Er lässt auf seine Kosten wie von An- fang an geplant eine teure Generalüberholung vornehmen. Wenig später zeigt sich, dass die Yacht stark mangelhaft und nicht mehr segelfähig ist. In der Folge erklärt A seinen Rücktritt vom Kaufvertrag. Seite 37 Die Kosten für die Generalüberholung fallen nicht unter den Schaden, der durch die Schlechtleistung entstanden ist. Denn das Geld für die Generalüberholung hätte der A sowieso ausgegeben (auch dann, wenn die Yacht ansonsten in gutem Zustand gewesen wäre). A kann aber Aufwendungsersatz nach § 284 BGB verlangen. Wichtig: Nach h.M. zählen Aufwendungen jedoch daneben auch zum Schaden i.S.v. §§ 280 ff. BGB, wenn sie in der Erwartung getätigt wurden, dass sich die Aufwendungen im Hinblick auf die aus den mit der vertraglichen Leistung zu er- zielenden Gewinn rentieren werden (sog. Rentabilitätsvermutung). So im obigen Beispiel, wenn A die Yacht sehr günstig erworben hat, aber glaubt, eine Yacht dieser Preisklasse nur generalüberholt zu einem guten Preis wieder loszubekommen. Merke: Im Gegensatz zum Schaden, der ein unfreiwilliges Vermögensopfer be- zeichnet, versteht man unter Aufwendungen freiwillige Vermögensopfer. b) Sonderprobleme Umstritten ist insbesondere, ob § 284 BGB auch auf kommerzielle Verträge An- wendung finden kann. Bsp.: Studentin S hat mit dem Sprachlerninstitut I einen Vertrag über einen viermonatigen Sprachkurs in Ägypten gebucht. Als das Institut geschlossen wird und der Sprachkurs daher ausfallen muss, macht S verschiedene Aufwendungen geltend, u.a. Kosten für die Untervermietung des Zimmers in ihrer WG. Nach einer Meinung ist § 284 BGB auf kommerzielle Verträge unanwendbar, da insoweit die Rentabilitätsvermutung vorgehe. Eine andere Auffassung lässt wie- derum die Rentabilitätsvermutung nach Einführung des § 284 BGB durch die Schuldrechtsreform ganz entfallen, da diese hiermit überflüssig geworden sei. Nach h.M. hat der Gläubiger schließlich ein Wahlrecht, ob er sich auf die Rentabi- litätsvermutung oder auf § 284 BGB beruft. Begründet wird dies damit, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 284 BGB den Gläubiger auch für diese Fälle besser stellen wolle. Eine Einschränkung auf nichtkommerzielle Verträge sei der Vorschrift nicht zu entnehmen. Beachte: § 284 BGB ist insofern besser für den Gläubiger als ein Schadensersatz nach der Rentabilitätsvermutung, als bei der Rentabilitätsvermutung nur für un- mittelbar kommerzielle Zwecke widerleglich vermutet wird, dass sich die Auf- wendungen rentiert hätten. Die Vermutung ist widerlegt, wenn der Gläubiger mit dem Vertrag keine erwerbswirtschaftlichen, sondern lediglich ideelle, konsumti- ve, spekulative oder marktstrategische Zielsetzungen verfolgt hat. Diese Einschränkung besteht bei § 284 BGB nicht: Hier ist jede Aufwendung er- satzfähig, die der Gläubiger billigerweise machen durfte. Seite 38 So dürfte der S im obigen Fall im Einzelnen recht schwer fallen, die „Rentabilität“ nach der Rentabilitätsvermutung darzulegen. Denn die Aufwendungen beruhen auf weiteren Verträgen, die sie mit anderen Vertragspartnern geschlossen hat. Der BGH hat in einem ähnlich gelagerten Fall die Unmittelbarkeit der Aufwen- dungen und damit die Anwendung der Rentabilitätsvermutung verneint. § 284 BGB befreit die S von diesen Problemen. Nach dieser Norm sind ihre Aufwendun- gen ohne weiteres ersatzfähig, da sie diese angesichts des geplanten Ägypten- Aufenthaltes billigerweise machen durfte. Tipp: In der Klausur empfiehlt es sich, zunächst die Ersatzfähigkeit der Aufwen- dungen im Rahmen eines Schadensersatzanspruches (z.B. §§ 280 I, III, 281 BGB) zu prüfen, dort beim Prüfungspunkt „Schaden“ auf die Rentabilitätsvermu- tung und zu problematisieren, ob diese seit Einführung des § 284 BGB überhaupt noch gelten soll. Dies lässt sich aber gut mit dem Argument bejahen, dass § 284 BGB den Gläubiger ja nicht schlechter, sondern besser stellen will. Es ist daher der h.M. zu folgen, die insoweit ein Wahlrecht bejaht. Ein Schadensersatzan- spruch für vergebliche (kommerzielle) Aufwendungen kann also nach wie vor an- genommen werden. Im Rahmen der anschließenden Prüfung des § 284 BGB kann dann bezüglich des Meinungsstreites nach oben verwiesen werden. Weitere Probleme rund um § 284 BGB sind: - die Frage, ob sich das Wort „oder“ in § 437 Nr. 3 BGB für Fälle des § 284 BGB nur auf Schadensersatz statt der Leistung oder auch auf die Fälle des Schadens- ersatzes neben der Leistung bezieht (h.M.: nur auf Schadensersatz statt der Leistung, da auch der Wortlaut des § 284 BGB Aufwendungsersatz nur anstelle von Schadensersatz statt der Leistung vorsieht) Bsp.: V liefert an K eine Maschine für dessen Fabrik, die infolge eines Mangels explodiert. Dabei gehen die Fensterscheiben in der Fabrik des K zu Bruch. Bei den kaputten Fenstern handelt es sich um einen Schadensersatz neben der Leis- tung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB. Insoweit kann K vergebliche Aufwendungen (etwa in der Woche zuvor gekauftes Fensterputzmittel, das er nun infolge Fabrik- stilllegung nicht mehr brauchen kann) nicht nach § 284 BGB, sondern nur nach §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB i.V.m. der Rentabilitätsvermutung ersetzt verlangen. Umgekehrt schließt die Geltendmachung eines solchen Schadens aber auch die Geltendmachung anderer Aufwendungen nicht aus. Das Wort „oder“ bezieht sich auch insoweit nicht auf den Schadensersatz neben der Leistung. - ob im Falle des Rücktritts § 347 II BGB den § 284 BGB als Spezialregelung aus- schließt (h.M.: nein, denn wenn § 325 BGB Rücktritt und Schadensersatz neben- einander für möglich erklärt, muss dies auch für den Aufwendungsersatz gelten, der gem. § 284 BGB an die Stelle des Schadensersatzes statt der Leistung tritt) Beachte: Durch die Formulierung „anstelle“ in § 284 BGB macht der Gesetzge- ber aber klar, dass für einen Anspruch aus § 284 BGB alle Voraussetzungen ge- geben sein müssen, die bei einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leis- tung (z.B. §§ 280 I, III, 281 BGB) zu prüfen sind (also z.B. Pflichtverletzung, Vertretenmüssen, evtl. Fristsetzung). In der Klausur kann man hier aber in der Regel nach oben verweisen, da man einen Schadensersatzanspruch zuvor in der Regel bereits geprüft haben wird. Seite 39 - ob der Anspruch aus § 284 BGB auch für Aufwendungen gilt, die schon vor dem Vertragsschluss getätigt wurden Bsp.: Im obigen Fall hat die Studentin S ihr Zimmer bereits vermietet, bevor sie den Vertrag mit dem Sprachinstitut endgültig abgeschlossen hatte, aber schon im Vertrauen darauf, den Sprachkurs buchen zu wollen. Die h.M. lehnt hier die Anwendung des § 284 BGB ab. Im Rahmen von § 284 BGB sei nur rechtlich gesichertes Vertrauen schutzwürdig. Vor Vertragsschluss könne der zukünftige Schuldner den Vertragsschluss jederzeit noch ablehnen. Allerdings fallen die Vertragskosten selbst (z.B. Maklergebühren) nach h.M. unter § 284 BGB. Merke: Umsonst gezahlte Maklergebühren stellen in der Klausur einen Hauptan- wendungsfall von § 284 BGB dar. VI. Rücktritt (§ 346 I BGB) 1. Allgemeines Bei einer Leistungsstörung kann der Gläubiger häufig neben der Geltendmachung von Schadensersatz auch vom Vertrag gem. §§ 323 ff. BGB zurücktreten. Merke: §§ 320 ff. BGB befassen sich mit den sogenannten gegenseitigen Ver- trägen, d.h. solchen Verträgen, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem untrennbaren Verhältnis stehen (lateinisch: do ut des = “Ich gebe, damit Du gibst“). Beispiel hierfür sind der Kaufvertrag sowie überhaupt alle entgeltlichen Verträge. Man spricht auch von synallagmatischen Verträgen. § 325 BGB stellt dabei klar, dass Schadensersatz auch neben einem Rücktritt gefordert werden kann. Ein Rücktritt kann dabei erfolgen wegen: - einer Nicht-/Schlechtleistung gem. § 323 BGB (vgl. Aufbauschema Nr. 8 im Anhang) - Verletzung einer Pflicht nach § 241 II BGB gem. § 324 BGB (selten!) (vgl. Aufbauschema Nr. 9 im Anhang) - Unmöglichkeit der Hauptleistung, § 326 V BGB (vgl. Aufbauschema Nr. 10 im Anhang) Tipp: Im Klausuraufbau taucht der Rücktritt an zwei verschiedenen Stellen auf. Zum einen beim Primäranspruch, der durch einen wirksamen Rücktritt entfällt, unter der Rubrik „Anspruch weggefallen“. Seite 40 Häufiger aber noch ist die Fallfrage bereits so formuliert, dass eine der Parteien bereits die von ihr erbrachte Leistung zurückfordert. In diesem Falle ist – ausge- hend von der Anspruchsgrundlage auf Rückgewähr, § 346 I BGB (bzw. bei Wer- tersatz § 346 II BGB) – inzident die Wirksamkeit des Rücktritts zu prüfen. 2. Voraussetzungen des Rücktritts Der Rücktritt hat folgende Voraussetzungen: - Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) - Rücktrittsgrund - Kein Ausschluss (nur zu prüfen, wenn problematisch, z.B. § 218 BGB) Beim Rücktrittsgrund ist zu unterscheiden zwischen dem vertraglichen und dem gesetzlichen Rücktrittsrecht. Bsp.: A verkauft an B einen Gebrauchtwagen. Beide vereinbaren, dass B den Wagen bei Nichtgefallen innerhalb von vier Wochen zurückgeben kann. Beide haben damit ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart. Gegenbeispiel: A und B haben kein Rücktrittsrecht vereinbart. Nach einigen Wo- chen zeigt sich jedoch, dass es sich offenbar um einen Unfallwagen handelt, was der A verschwiegen hat. B tritt daraufhin gem. §§ 434, 437 Nr. 2, 323 I, 326 V BGB vom Kaufvertrag zurück. Er macht insoweit ein gesetzliches Rücktrittsrecht geltend. Durch den Rücktritt wandelt sich das Schuldverhältnis in ein sog. Rückgewähr- schuldverhältnis um. Die empfangenen Leistungen sind gem. § 346 I BGB (An- spruchsgrundlage!) zurückzugewähren. Die Rückabwicklung des Vertrages hat Zug um Zug zu erfolgen, §§ 348, 320 BGB. Merke: Die Rechtsfolgen des Rücktritts ergeben sich ausschließlich aus den §§ 346 ff. BGB. Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) ist nicht anzuwenden (häu- figer Klausurfehler!). Ist die Rückgewähr ausgeschlossen, so ist in den Fällen des § 346 II BGB Wer- tersatz zu leisten. Bsp.: Im obigen Beispiel des vertraglichen Rücktritts ist B mit dem Pkw im Nor- wegen-Urlaub gewesen und ist insgesamt 4.000 km gefahren. Er schuldet hierfür dem A gem. § 346 II S. 1 Nr. 1 BGB Nutzungsersatz. Wichtig: Nutzungsersatz wird aber dann nicht geschuldet, wenn im Rahmen ei- ner Nacherfüllung beim Verbrauchsgüterkauf auf die alte Sache das Rücktritts- recht entsprechende Anwendung findet, vgl. §§ 475 III 1, 439 VI, 346 BGB sowie Hofmann-Skript Schuldrecht BT 1. Seite 41 Die Wertersatzpflicht nach § 346 II BGB ist streng von der Pflicht zum Schadens- ersatz nach § 346 IV i.V.m. §§ 280 ff. BGB zu unterscheiden. Letztere greift nach h.M. nur dann, wenn die zurückzugebende Sache nach Erklärung des Rücktritts beschädigt wird. Die schärfere Haftung rechtfertigt sich dann dadurch, dass der Rückgewähr- schuldner in diesem Fall aufgrund der Rücktrittserklärung wusste, dass er die Sache demnächst zurückgeben muss. Er hätte deshalb besonders gut darauf aufpassen müssen (zum Verhältnis zu § 346 III Nr. 3 BGB siehe weiter unten). Bsp.: Im obigen Fall des Gebrauchtwagenkaufs mit Rücktrittsrecht hat der B dem A den Rücktritt bereits erklärt. Bevor er den Pkw zurückgibt, fährt aber noch mal eine Rally damit. In bestimmten Fällen ist die Pflicht zum Wertersatz ausgeschlossen (vgl. § 346 III BGB). Zu erwähnen ist hier insbesondere der klausurrelevante Fall des § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB. Danach entfällt die Pflicht zum Wertersatz für Verschlechterungen, die im Falle des gesetzlichen Rücktrittsrechts beim Rückgewährschuldner entstehen, obwohl dieser die sog. eigenübliche Sorgfalt angewendet hat. Dabei ist unter eigenüblicher Sorgfalt in der Regel zu verstehen, dass der Rück- trittsberechtigte jedenfalls nicht grob fahrlässig gehandelt hat, vgl. § 277 BGB. Leichte Fahrlässigkeit ist ihm also erlaubt und zieht keinen Wertersatzanspruch der anderen Seite nach sich! Bsp.: A verkauft dem B ein gebrauchtes Cabrio. Wenige Wochen später lässt er an einem bewölkten Tag das Verdeck offen, wobei er dies auch schon bei seinen bisherigen Cabrios so praktiziert hat. Beim anschließenden Wolkenbruch wird das Fahrzeug schwer beschädigt. Als der B in die Reparaturwerkstatt fährt, wird dort festgestellt, dass es sich bei dem Cabrio um einen Unfallwagen handelt. Darauf- hin lässt B das Cabrio nicht mehr reparieren, sondern tritt gem. §§ 434, 437 Nr. 2, 323, 326 V, 346 ff. BGB vom Kaufvertrag zurück. Grundsätzlich würde er dem B für die Schäden an dem Cabrio gem. § 346 II S. 1 Nr. 3 BGB auf Wertersatz haften, dies scheidet jedoch gem. § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB aus, da der B zwar leicht fahrlässig handelte, jedoch die „eigenübliche Sorgfalt“ beachtet hat. Die auf den ersten Blick nicht leicht verständliche Regelung des § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB hat folgenden Grund: In den Fällen des gesetzlichen, also vorher nicht ausdrücklich vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechtes, glaubt der Erwerber der Sache in der Regel, diese werde nun für immer ihm gehören. Eine mögliche Rückabwicklung zieht er in der Regel zumindest so lange nicht in Betracht, als er von einem Mangel der Kaufsache nichts weiß. Da der Erwerber somit von dauer- haftem eigenen Eigentum ausgeht, erlaubt ihm § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB, mit der Sache eben genau so „schlampig“ umzugehen wie sonst mit seinen eigenen Sa- chen (eigenübliche Sorgfalt i.S.v. § 277 BGB). Beachte: Ob die Privilegierung des § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB auch noch in dem Moment gilt, in dem der Käufer den Mangel bereits entdeckt, aber den Rücktritt noch nicht erklärt hat, ist streitig. Immerhin kann er ab diesem Moment mit ei- Seite 42 nem Rücktritt rechnen, weswegen eine Mindermeinung den Anspruch bereits ab diesem Zeitpunkt auf §§ 346 IV, 280 BGB stützt. Nach h.M. gilt die Privilegierung allerdings bis zur Erklärung des Rücktritts fort. Dies gilt insbesondere, weil der Gesetzgeber in Kenntnis des Problems auch im Rahmen der Schuldrechtsreform den § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB nicht geändert hat. Ebenfalls streitig ist, ob sich in dem Fall, in dem der Verkäufer sich das Eigentum an der Kaufsache vorbehalten hat, die Privilegierung des § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB auch auf den konkurrierenden Deliktsanspruch (§ 823 I BGB – Eigentumsschädi- gung!) erstreckt. Dafür spricht, dass die gesetzgeberische Wertung des § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB ansonsten im Falle des Eigentumsvorbehalts faktisch leer liefe. 3. Sonderprobleme a) Fristsetzungserfordernis in § 323 I BGB Erfolgt der Rücktritt über §§ 323, 346 BGB, so bedarf es hierfür nach dem Wort- laut des § 323 I BGB der Setzung einer angemessenen Frist. Die hierbei auftau- chenden Probleme entsprechen im Wesentlichen den bei § 281 I BGB erörterten: Auch im Fall des § 323 BGB ist die Frist unter bestimmten Umständen entbehr- lich (vgl. hierzu im Einzelnen § 323 II BGB). Zu beachten ist auch, dass es im Fall der Unmöglichkeit der Leistung selbstverständlich keiner Fristsetzung bedarf (vgl. § 326 V BGB). Tipp: Notieren Sie sich, soweit dies ihre Prüfungsordnung erlaubt, die Vorschrift des § 326 V BGB neben den § 323 II BGB. Rein denksystematisch handelt es sich dabei nämlich um einen weiteren Fall der Entbehrlichkeit der Fristsetzung beim Rücktritt (sozusagen die „Nr. 4“ des § 323 II BGB, die der Gesetzgeber nur an eine andere Stelle im Gesetz versetzt hat). Zu beachten ist weiterhin, das

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