Progression und Periodisierung PDF
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Dieses Dokument behandelt Progression und Periodisierung im Training, einschließlich progressiver Überlastung und Periodisierungsmethoden. Es wird über Autoregulierung, Ermüdung und Übertraining diskutiert, um ein effektives Trainingsprogramm zusammenzustellen.
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PROGRESSION & PERIODISIERUNG 2 Inhalt Progressive Überlastung (progressive overload)................................................................... 4 1. Aus...
PROGRESSION & PERIODISIERUNG 2 Inhalt Progressive Überlastung (progressive overload)................................................................... 4 1. Ausführen weiterer Sätze.......................................................................................... 7 2. Erhöhung der Trainingsdichte................................................................................... 7 3. Zunehmende Zeit unter Spannung (time under tension, TUT)...................................... 9 4. Erhöhung der Trainingsfrequenz............................................................................... 9 5. Die Übung wechseln.............................................................................................. 10 Praktische Anwendung................................................................................................. 10 Autoregulierung............................................................................................................... 13 Autoreguliertes Volumen-Training.................................................................................. 14 Kybernetische Periodisierung........................................................................................ 18 Herzfrequenz-Variabilität............................................................................................... 20 Was tun, wenn der Fortschritt ins Stocken gerät?............................................................... 21 Periodisierung................................................................................................................. 23 Lineare Periodisierung.................................................................................................. 24 Wellenförmige Periodisierung (undulating periodization) / nicht-lineare Periodisierung........ 26 Praktische Anwendung.............................................................................................. 31 Block-Periodisierung..................................................................................................... 33 Funktionale Überbeanspruchung (functional overreaching).............................................. 37 Deloads.......................................................................................................................... 42 Traditionelles Deloading................................................................................................ 42 Reaktives Deloading..................................................................................................... 43 Ermüdung und Übertraining.............................................................................................. 47 Was ist Ermüdung?...................................................................................................... 47 Periphere Ermüdung..................................................................................................... 48 Zentrale Ermüdung....................................................................................................... 52 Was ist zentrale Ermüdung?...................................................................................... 52 Was verursacht ZNS-Ermüdung?............................................................................... 55 Übertraining................................................................................................................. 60 Praktische Anwendung..................................................................................................... 65 3 Lernziele......................................................................................................................... 67 Beispiel für Prüfungsfragen............................................................................................... 68 Für dieses Modul ist es wichtig, dass ihr das Kursmodul zum Verständnis des Muskelwachstums vollständig verstanden habt. Wenn ihr mit dem SAID-Prinzip, der GAS-Theorie oder den morphologischen und neurologischen Beiträgen zur Kraft nicht vertraut seid, solltet ihr dieses Thema noch einmal aufgreifen, bevor ihr dieses Modul lest. 4 Progressive Überlastung (progressive overload) Nachdem ihr ein erstes Trainingsprogramm erstellt habt, müsst ihr damit beginnen, Fortschritte darin zu machen. Wenn eure Kraft zunimmt, nimmt der für die weitere Anpassung erforderliche Stress von Natur aus zu. Zur Veranschaulichung: Wenn in einem Training mit einem 8RM-Bankdrücken euer 8RM zu eurem 9RM wird und ihr beim nächsten Training nur 8 Wiederholungen macht, ist dieses nächste Training submaximal. Wenn ihr weiterhin mit eurem früheren 8RM statt mit eurem jetzigen 8RM trainiert, wird dieses Training im Laufe der Zeit kein effektiver Trainingsreiz mehr sein, da das Gewicht zu submaximal wird. Damit ein Trainingsprogramm das Wachstum eurer Muskeln aufrechterhalten kann, muss es den Muskel also kontinuierlich höher belasten. Dieser grundlegende Aspekt eines guten Trainingsprogramms wird als progressive Überlastung bezeichnet. Vielleicht genauso wichtig wie das physische Bedürfnis nach fortschreitender Überlastung ist das psychologische Bedürfnis, dass ein System von euch verlangt, über eure Komfortzone hinaus zu trainieren. Ohne vorgeschriebene Trainingsprogrammziele, die eine hohe Anstrengung erfordern, werden viele Leute nicht mit maximaler Anstrengung trainieren. Wenn ihr in eurem Programm vorgegebene Wiederholungsziele habt, ist das ein wirksamer Weg, sich selbst zu einem Training mit hoher Anstrengung zu zwingen. Die einfachste und idealste Methode, den Trainingsstress in einem Trainingsprogramm zu erhöhen, ist es, das gleiche Programm mit mehr Gewicht durchzuführen. Indem ihr die absolute Belastung erhöht, um die gleiche relative Trainingsbelastung (z.B. 8RM) beizubehalten, behaltet ihr genau denselben relativen Trainingsreiz bei und könnt euren Körper immer wieder zwingen, sich weiter anzupassen. In der Praxis bedeutet mehr Gewicht jedoch oft, dass ihr nicht mehr die gleiche Anzahl von Wiederholungen wie zuvor durchführen könnt. 5 In diesem Fall könnt ihr progressive Überlastung erreichen, indem ihr beim nächsten Training mehr Wiederholungen durchführt. Irgendwann solltet ihr das Gewicht wieder erhöhen, denn das Fortschreiten in Wiederholungen allein ist keine nachhaltige Methode des Fortschritts. Wenn ihr die Anzahl der Wiederholungen erhöht, nimmt eure Trainingsintensität ab und der Stimulus eures Trainings verschiebt sich in Richtung Ausdauer des Kraft-Ausdauer-Kontinuums. Während 6 bis 8 Wiederholungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eure 1RM-Kraft erhöhen, ist das bei 18 bis 20 Wiederholungen nicht der Fall. Die Trainingsintensität ist an diesem Punkt zu niedrig für eine maximale Kraftprogression oder Anpassungen des Bindegewebes. Irgendwann wird sie auch für ein maximales Muskelwachstum zu niedrig werden. Einige Trainer argumentieren, dass kontinuierliche Erhöhungen der Belastung oder des Wiederholungsvolumens nicht realistisch sind, so dass ihr nicht kontinuierlichen Leistungssteigerungen nachjagen und stattdessen die progressive Überlastung auf andere Weise umsetzen solltet, z.B. durch Hinzufügen weiterer Sätze oder Erhöhung der „Trainingsdichte“. Hier ein reality check: Wenn ihr nicht stärker werdet, werdet ihr mit ziemlicher Sicherheit nicht wachsen. Bei einem optimierten Trainingsprogramm ist mit einer kontinuierlichen Kraftentwicklung zu rechnen, da neurologische Anpassungen praktisch immer auftreten sollten. Denkt daran, dass die Kraftentwicklung die Summe der morphologischen und neurologischen Anpassungen an ein Training ist, vor allem Muskelhypertrophie und erhöhte neurale Effizienz. Da neurologische Anpassungen normalerweise positiv für die Kraft sind, deutet eine fehlende Netto-Kraftentwicklung stark auf negative morphologische Anpassungen hin. Wenn also jemand Gewicht verliert und die Kraft aufrechterhält, verliert er wahrscheinlich Muskeln. Die Unfähigkeit, eine progressive Überlastung zu implementieren, deutet darauf hin, dass ein Programm versagt und ihr es aktualisieren müsst. Mit den optimierten Programmen, die ihr in diesem Kurs lernen werdet, sollte es nur 2 Szenarien geben, bei denen eine kontinuierliche Kraftentwicklung nicht realistisch ist. 6 Das erste Szenario ist der letzte Teil der Wettkampfvorbereitung. Hier habt ihr in der Regel einen fortgeschrittenen Trainierenden mit Energiedefizit unterhalb des idealen Nährstoffpartitionierungsbereichs. Während die Kraft bei relativ neuen Übungen noch Fortschritte machen sollte, sind persönliche Rekorde oder ein kontinuierlicher Kraftverlauf bei Übungen, die schon lange im Programm sind, nicht realistisch. Tatsächlich wird ein natürlicher Elite-Trainierender notwendigerweise während der Wettkampfvorbereitung Muskelmasse und damit Kraft verlieren, weil ihr von Natur aus mehr Muskelmasse im idealen Körperfettanteilsbereich erhalten könnt, was zum Teil auf höhere anabole Hormonspiegel zurückzuführen ist. Das zweite Szenario ist ähnlich: Weit fortgeschrittene Trainierende. Hier ist eine Kraftentwicklung unwahrscheinlich, einfach weil eine weitere muskuläre Anpassung unwahrscheinlich ist. Je fortgeschrittener ein Trainierender und je näher er an seinen genetischen Grenzen ist, desto langsamer kann er weitere Fortschritte machen. Die fortschreitende Überlastung wird langsam kommen müssen, weil der Fortschritt insgesamt langsam kommen wird. In der überwiegenden Mehrheit der anderen Fälle sollte die Kraftzunahme bei einer Übung, gemessen als Zunahme des gehobenen Gewichts für eine bestimmte Anzahl von Wiederholungen oder eine Zunahme der mit einem bestimmten Gewicht durchgeführten Wiederholungen, das Ziel sein und ist in der Tat für ein langfristiges Muskelwachstum notwendig. Idealerweise solltet ihr in der Lage sein, die progressive Überlastung bei jedem Training für jede Übung zu messen. Andere Wege als die Belastung oder das Wiederholungsvolumen zur Umsetzung einer progressiven Überlastung sind im Allgemeinen fehlgeleitet. Sie verlassen sich in der Regel auf eine Erhöhung des Trainingsvolumens oder Neuheit, um zusätzlichen Stress zu induzieren, in dem irrigen Glauben, dass dies neue Gains bewirkt. Progressive Überlastung selbst ist nicht die Ursache für die Muskel- und Kraftentwicklung. Es ist ein Maßstab dafür, dass die früheren Trainings diese Anpassungen verursacht 7 haben, weshalb ihr jetzt stärker seid. Dass ihr jetzt mehr Gewicht auf die Stange legen könnt, garantiert nicht, dass ihr beim nächsten Mal mehr Gewicht heben könnt. Ihr könnt nur das nächste Training überprüfen. Eine fortschreitende Überlastung ist also keine Garantie für Muskelwachstum oder Kraftaufbau. Progressive Überlastung ist lediglich das Maß, dass ihr gute Gains erreicht, nicht die eigentliche Ursache. Noch wichtiger ist, dass nicht irgendein Mittel zur Erhöhung des Trainingsstresses eine wirksame Methode der progressiven Überlastung ist. Hier sind mehrere Möglichkeiten, wie ihr im Allgemeinen keine progressive Überlastung einsetzen solltet. 1. Ausführen weiterer Sätze Mehr Sätze zu absolvieren ist ein sicherer Weg, den Trainingsstress zu erhöhen, aber während ihr die Anzahl der Sätze, die ihr für eine Übung absolviert, gerne weiter erhöhen könnt, habt ihr ohne Leistungssteigerung keine Ahnung, ob ihr tatsächlich stärker werdet oder wachst. Wenn ihr vorher auf einem optimierten Volumen ein Plateau hattet, ist es sehr wahrscheinlich, dass ihr jetzt immer noch auf einem Plateau seid und alles, was ihr erreicht, ist overreaching. Wenn ihr mehr Sätze in einem Programm durchführen könnt und sich dadurch eure Progressionsrate verbessert, bedeutet dies, dass ihr vorher untertrainiert wart. Wenn euer Trainingsvolumen bereits optimiert war, wie ihr in diesem Kurs gelernt habt, dann führt eine weitere Erhöhung des Trainingsvolumens zu übermäßiger Belastung, wodurch sich euer Körper nicht mehr erholen bzw. superkompensieren kann vor der nächsten Trainingseinheit – dadurch wird sich eure Fortschrittsrate eher verringern als verbessern. 2. Erhöhung der Trainingsdichte 8 Das Dichtetraining (density training) hat sich zu einer Nische in der Fitnessgemeinschaft entwickelt. Die Idee hinter dem Dichtetraining besteht darin, dass man das gleiche Trainingsvolumen in immer kürzerer Zeit als Methode der progressiven Überlastung durchführt. In der Praxis ist es fragwürdig, ob ihr eure Ruhezeiten stark verkürzen könnt, ohne dass das Trainingsvolumen darunter leidet. De Souza et al. (2010) fanden heraus, dass Trainierende, die ihre Ruhezeiten während eines 8-wöchigen Trainingsprogramms schrittweise von 2 Minuten auf 30 Sekunden verkürzen, nicht in der Lage sind, das gleiche Trainingsvolumen aufrechtzuerhalten. Diese Ergebnisse wurden von Souza- Junior et al. 2011 repliziert. Selbst wenn ihr eure Ruhezeiten unter Beibehaltung eures Trainingsvolumens reduzieren könnt, stellt dies eigentlich keine progressive Überlastung dar. Der Stimulus für das Muskelwachstum wird, wie ihr gelernt haben, weitgehend vom Gesamttrainingsvolumen bestimmt. Alle anderen Parameter des Trainingsprogramms sind insofern von untergeordneter Bedeutung, als dass ihre Auswirkungen auf das Muskelwachstum weitgehend durch ihre Wirkung auf das Trainingsvolumen vermittelt werden. Insbesondere scheint, wie ihr im Kursmodul zu den Ruheintervallen gelernt haben, die Wirkung eurer Ruheintervalle auf das Muskelwachstum vollständig durch das Trainingsvolumen vermittelt zu werden. Es spielt von Natur aus keine Rolle, wie lange ihr zwischen den Sätzen ruht. Es kommt nur darauf an, wie viele Wiederholungen euer Ruheintervall zulässt und es ist das Gesamttrainingsvolumen, das letztlich den Umfang des Muskelwachstums und der Kraftentwicklung bestimmt. Wenn überhaupt, dann solltet ihr eure Ruheintervalle verlängern, um eine progressive Überlastung zu erreichen, da ihr auf diese Weise euer Gesamttrainingsbelastungsvolumen erhöhen könnt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass wir das Trainingsvolumen mit kürzeren Ruhezeiten aufrechterhalten können und wir nennen das progressive Überlastung, bedeutet das nicht, dass man stärker oder größer wird. Die Anpassungen, die zur 9 Erhöhung der Trainingsdichte erforderlich sind, entsprechen denen der Arbeitskapaziztät und es kann sich eher um Ausdauer- als um Kraftanpassungen handeln, wie z.B. eine erhöhte Kapillarisierung, die mitochondriale Proteinsynthese oder eine verbesserte Sauerstoffzufuhr zu euren Muskeln und nicht unbedingt um die myofibrilläre Proteinsynthese oder eine Verbesserung der Muskelkraftproduktionskapazität. Eine Erhöhung der Trainingsdichte sagt euch also nicht vorher, ob euer Programm euch wachsen lässt oder stärker macht. 3. Zunehmende Zeit unter Spannung (time under tension, TUT) Langsamere Wiederholungen können eine effektive progressive Überlastung darstellen (z.B. indem bestimmte Teile eines Muskels mehr angesprochen werden), aber wie im Kursmodul zum Trainingstempo beschrieben, ist es im Allgemeinen nicht wünschenswert, mit superlangsamen Tempi zu trainieren und es ist sehr schwierig, langsame Tempi praktisch umzusetzen. 4-Sekunden-lange exzentrische Bewegungen auf dem Papier sind in der Realität meist eher 2-Sekunden lang. 4. Erhöhung der Trainingsfrequenz Eine Erhöhung der Trainingsfrequenz stellt an sich keine progressive Überlastung dar. Sie kann es euch zwar ermöglichen, mit einer Übung ein höheres Gesamtlastvolumen zu erreichen, doch liegt dies daran, dass ihr die Übung in einem weniger ermüdeten Zustand durchführt und nicht unbedingt daran, dass euch euer vorheriges Training stärker gemacht hat. 10 Wenn die Erhöhung der Trainingshäufigkeit tatsächlich vorteilhaft war, um eure Fortschritte zu verbessern, hättet ihr dies bereits tun sollen. Außerdem könnt ihr die Trainingsfrequenz ohnehin nicht einfach weiter und weiter erhöhen. 5. Die Übung wechseln Der Wechsel zu einer anderen Übung sollte im Hinblick auf die progressive Überlastung das letzte Mittel sein, denn dadurch wird eure Belastungsgeschichte effektiv gelöscht. Jeder kann bei einer neuen Übung aufgrund der schnellen Zunahme der neuronalen Effizienz stärker werden, wenn wir ein neues Bewegungsmuster erlernen. Die ersten paar Male, die ihr mit einer neuen Übung eine progressive Überlastung erreicht, sind also eine gute Nachricht, aber sie sind eher ein bloßes Minimalzeichen dafür, dass euer Programm funktioniert, als ein zuverlässiger Hinweis auf Muskelwachstum. Wenn jemand noch nie einbeinige Kniebeugen gemacht hat, ist es einfach, ihn bei diesem Lift um 10% stärker zu machen und erfordert nicht unbedingt Muskelwachstum. Die Verbesserung der Rückenkniebeugekraft eines fortgeschrittenen Powerlifters um 10% ist hingegen ein starker Hinweis darauf, dass er gewachsen ist oder zumindest das Programm wirksam war. Praktische Anwendung Die lineare Gewichtsprogression mit einem vorgegebenen Wiederholungsziel ist die ideale Methode der progressiven Überlastung für jede Übung: Ihr führt jedes Mal, wenn ihr im Fitnessstudio seid, genau dasselbe Training durch, mit dem einzigen Unterschied, dass ihr höhere Gewichte bewegt. Doch selbst wenn ihr für jemanden ein optimales Programm auf der Grundlage der Richtlinien dieses Kurses entworfen habt, wird er früher oder später aufhören, eine 11 Übung weiter belasten zu können und mit ihr die gleiche Anzahl an Wiederholungen durchführen zu können wie beim letzten Training. Eine lineare Gewichtsprogression wird unmöglich. Dies geschieht lange bevor die Person an ihreb genetischen Grenzen angelangt ist. Wann eine Übung stagniert, wird häufig aufgrund des Gewichtsinkrementes dieser Übung bestimmt - der geringste Widerstand, den ihr einer Übung hinzufügen könnt. Wenn sich beispielsweise euer Kabelstapel mit 47, 54, 61, 68 usw. nach oben bewegt, beträgt die Schrittweite 7; wenn eure kleinsten Langhantelscheiben üblicherweise 1,25kg betragen, beträgt das Gewichtsinkrement für Langhantelübungen 2,5 kg, vorausgesetzt, ihr möchtet keine asymmetrische Belastung und fügt nur auf einer Seite eine Scheibe hinzu. Trainierende jenseits des Anfängerniveaus können in der Regel nicht mehr als 2,5% pro Training an Kraft gewinnen. Daher ist es bei einem traditionellen 2,5 kg-Schritt nur potenziell realistisch zu erwarten, dass Übungen, die mit mehr als 100 kg ausgeführt werden, linear in der Kraft ohne Verlust von Wiederholungen über die Einheiten hinweg fortschreiten. Beispielsweise können zusammengesetzte Langhantelübungen wie Kniebeugen und Deadlifts in der Regel recht gut linear im Gewicht fortschreiten: Ihr führt ein Training mit 150 kg x 5 Wiederholungen durch, dann das nächste Training mit 152,5 kg x 5 Wiederholungen. Bei Isolationsübungen wie Seitheben ist es jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass ihr in 2,5 kg-Intervallen linear im Gewicht Fortschritte machen werdet. Eine Gewichtszunahme von 10 kg auf 12,5 kg ist eher ein Anstieg um 25% als um 2,5%, ähnlich wie der Versuch, von 150 kg sofort auf 187,5 kg zu kommen. Wenn es für eine Übung nicht realistisch ist, von Training zu Training Gewicht zu addieren und euer Wiederholungs-Ziel zu erreichen, könnt ihr eine progressive Überlastung intermittierend umsetzen, indem ihr die Wiederholungen erhöht, bis ihr das Rep-Ziel erreicht, bevor ihr im Gewicht weiter voranschreitet. Ihr könntet zum Beispiel von 10 kg x 12 auf 12 kg x 4 Wiederholungen gehen, dann beim nächsten Training 12 12kg x 5 Wiederholungen usw., bis ihr 12,5 kg x 12 Wiederholungen erreicht und dann auf 15 kg steigert. 13 Autoregulierung Traditionell wird die progressive Überlastung in Trainingsprogrammen im Voraus geplant: Sätze x Wiederholungen x Gewicht werden Wochen oder Monate im Voraus programmiert. Moderne Programme favorisieren diesen Ansatz im Allgemeinen nicht mehr und bevorzugen eine autoregulierte Progression. Autoregulierte Trainingsprogramme führen zu einer größeren Kraftentwicklung als Trainingsprogramme mit vorgegebenen Gewichten x Wiederholungen [2, 3]. Tatsächlich ist „Autoregulierung“ in der evidenzbasierten Fitness-Community zu einem so coolen Schlagwort geworden, dass es viel von der Definition verloren hat. Echte Autoregulierung ist eine Form der Programmierung, die einen bestimmten Prozess automatisch reguliert. Man kann sich Autoregulierung als ein System oder einen Regelsatz anstelle einer festen Vorschrift vorstellen. Die Kombination aus progressiver Überlastung der Wiederholungen und Gewicht, die wir oben besprochen haben, ist eine Form der Autoregulierung: Ihr erhöht das Gewicht, wenn ihr euer Wiederholungsziel erreicht, unabhängig davon, wann dies geschieht. Bis dahin macht ihr Fortschritte bei den Wiederholungen. Andere Beispiele für eine echte Autoregulierung wurden in diesem Kurs bereits diskutiert, wie die muskelspezifische Hypertrophiemethode (autoreguliert das Volumen des Trainingsprogramms auf muskelspezifischer Basis) und autoregulierte Ruheintervalle (autoreguliert Ruheintervalle zwischen den Sätzen basierend auf der subjektiven Leistungsbereitschaft). Autoregulierung ist eine unglaublich nützliche Programmiermethode, da sie das Trainingsprogramm automatisch individualisiert. Wie ihr im Kursthema zur individualisierten Programmgestaltung gesehen habt, gibt es in vielen Aspekten der Fitness eine enorme interindividuelle Variabilität. Menschen unterscheiden sich erheblich darin, wie viele Wiederholungen sie bei einer bestimmten Trainingsintensität machen können, wie viel Ruhe sie für eine vollständige Erholung benötigen, wie schnell 14 sie an Kraft gewinnen können usw. Die Autoregulierung dieser Faktoren im Programm ist daher den traditionellen festen Programmvorgaben vorzuziehen, die willkürliche Entscheidungen erfordern, sich auf Durchschnittswerte stützen oder zukünftige Leistungen mit unwahrscheinlicher Genauigkeit vorhersagen. Zum Beispiel basieren viele one-size-fits-all Powerlifting-Programme das Training des nächsten Monats auf den aktuellen 1RMs der Person. An einem bestimmten Tag kann das Programm 6 Wiederholungen bei 85% des 1RM fordern. Die meisten Menschen können das nicht mit einer echten Intensität von 85% machen, aber da dies auf der Kraft des letzten Monats basiert, ist dies die Art und Weise, wie das Programm den Fortschritt plant. Was ist nun, wenn ihr an diesem bestimmten Tag nicht annähernd 6 Wiederholungen erreichen könnt, weil eure Ernährung nicht ideal war? Und was wäre, wenn ihr es gestern geschafft hättet, aber das Programm ein leichteres Training verlangte? Viele Trainierende, die diese Programme getestet haben, sind sich dieser Probleme bewusst und planen daher oft ein langsames Fortschrittstempo ein, um sicherzustellen, dass fast jeder das geplante Fortschrittstempo des Programms erreichen kann. Dies setzt jedoch von Natur aus auch voraus, dass fast alle weniger Fortschritte machen, als sie mit einem besser individualisierten, autoregulierten Programm hätten machen können. Zusätzlich zur Autoregulierung Ihrer Rate der progressiven Überlastung ist es auch ratsam, das Wiederholungsvolumen Ihrer Sitzung mit einer Methode namens Autoregulierendes Volumentraining automatisch zu regulieren. Autoreguliertes Volumen-Training 15 Im wirklichen Leben verläuft der Kraftverlauf nicht vollkommen linear, denn während ihr den Trainingsreiz eures Programms optimieren könnt, kann der daraus resultierende Anpassungsprozess aufgrund von Veränderungen im Lebensstil variieren. Insbesondere kann die Erholungskapazität durch eine weniger anabole Ernährung (z.B. Alkohol, unzureichende Proteinzufuhr), Schlafentzug, eine überdurchschnittlich hohe Belastung durch Stressoren oder eine Störung des zirkadianen Rhythmus` beeinträchtigt werden. Zur Bewältigung von Lebensstilschwankungen in der Erholungskapazität kann es sinnvoll sein, ein autoreguliertes Volumen-Training (AVT) durchzuführen. AVT ist eine Programmiermethode, bei der ihr nur das Gewicht und die Anzahl der Wiederholungen des ersten Satzes plant, z.B. 130 kg für 8 Wiederholungen, für eine Übung mit mehreren Sätzen. Dieser erste Satz ist euer „Benchmark-Set“. Die nachfolgenden Sätze sind „Volumen-Sätze“. Sie werden mit dem gleichen Gewicht und in der Nähe des Muskelversagens durchgeführt, aber ihr plant nicht im Voraus, wie viele Wiederholungen ihr machen werdet. Tatsächlich braucht ihr im Prinzip nicht einmal eure Wiederholungen in diesen Sets zu zählen. Der Zweck des AVT ist die Autoregulierung des Trainingsvolumens basierend auf dem Schwierigkeitsgrad des ersten Satzes. Je mehr neuromuskuläre Ermüdung der erste Satz induziert, desto geringer wird das Gesamtvolumen für diese Einheit sein. Wenn ihr im ersten Satz euer Tomatengesicht auspacken musstet, um euch über den sticking point in der Kniebeuge zu bewegen und euch dabei so schwindlig wurde, dass ihr euch gefragt habt, wie ihr es überhaupt geschafft habt, die Stange danach wieder zu racken, dann werdet ihr in den folgenden Sätzen natürlicherweise weniger Wiederholungen durchführen. Wenn ihr dagegen im ersten Satz wie geplant mit mehr Wiederholungen im Tank weitergekommen seid, dann werdet in den folgenden Sätzen natürlicherweise mehr Wiederholungen ausführen. 16 Das Ergebnis ist, dass das AVT den Trainingsstress im Laufe der Zeit normalisiert, um Over-reaching (Überbeanspruchung) zu verhindern, aber auch einen ausreichenden Trainingsreiz gewährleistet. Wichtig ist, dass ihr AVT auf einer trainingsspezifischen Ebene implementieren solltet, was der üblicheren Regulierung des Trainingsvolumens auf Ganzkörperebene in hohem Maße vorzuziehen ist. Wie ihr in den Kursthemen über die Physiologie von Krafttrainingsanpassungen, die Theorie des strukturellen Gleichgewichts und darüber, was neuromuskuläre Ermüdung wirklich ist, gelernt habt, ist Muskelermüdung weitgehend ein lokaler Prozess und es macht keinen Sinn, heute die Bizepscurls leichter anzugehen, da sich eure Quads noch nicht ganz erholt haben. Hier ist ein einfaches Beispiel für AVT. Nehmen wir an, wir haben einen Anfänger, der bei jeder Kniebeuge 2,5 kg auf die Stange packen kann und damit 8 Wiederholungen schafft. Er beugt am Montag (weil er den nationalen Bankdrücktag auslässt) und am Freitag (weil er auf „frühes Wochenende“ scheißt) mit einem Volumen von 3 Sätzen. Letzten Freitag führte er 100 kg x 8, 7, 6 Wiederholungen durch. Am nächsten Montag fühlte er sich munter, weil er zum ersten Mal seit Monaten wieder Sex hatte und an diesem Wochenende wie ein Baby geschlafen hatte. So erholte er sich sehr gut, er schaffte 102,5 kg x 8 Wiederholungen mit Leichtigkeit und er schaffte auch in den 2 folgenden Sätzen 8 Wiederholungen. Am Freitag dieser Woche war er leicht unter Schlafentzug und stärker gestresst von der Arbeitswoche, so dass er sich nicht so gut erholt hatte und es kostete ihn alles, was er hatte, um 205 kg x 8 Wiederholungen zu erreichen. In den folgenden Sätzen schaffte er nur 4 Wiederholungen, was in Ordnung ist, da der erste Kniebeuge-Satz hier bereits eine starke Ermüdung verursachte. Ein weiterer Vorteil von AVT besteht darin, dass der Einzelne lernt, sich mental von den Zwängen des Zählens von Wiederholungen bei der Ausführung jedes Satzes befreit, was Aufmerksamkeitsressourcen freisetzt, um sich mehr auf die Übungstechnik zu konzentrieren. 17 Physikalisch kann AVT auch die Kraftproduktion im gesamten Set erhöhen. Während einer Übung mit einem definierten Endpunkt, wie z.B. einer bestimmten Anzahl von Wiederholungen, die ihr erreichen wollt, werdet ihr euch auf natürliche Weise in einem Tempo bewegen, sodass ihr im frühen Teil der Übung zurückhaltend seid. Dies ist gut für die Ausdauer und das Erreichen des quantitativ angestrebten Ziels, aber wenn ihr kein bestimmtes Leistungsziel erreichen müsst, kann dies die Qualität der Übung in Bezug auf Muskelaktivierung, Übungstechnik und Krafterzeugung beeinträchtigen. Ein offensichtlicher Vorbehalt gegenüber dem Einsatz von AVT ist, dass es nur bei ernsthaften, motivierten Krafttrainierenden funktioniert, die kein Problem damit haben, sich selbst zu pushen und die das Nicht-Zählen ihrer Wiederholungen nicht als Entschuldigung dafür sehen werden, nachzulassen. Wenn eure Vorstellung von intensivem Training darin besteht, dass ihr während eurer Beinstreckungen Probleme dabei habt, das Shape-Magazin zu lesen, dann ist AVT nichts für euch. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass AVT den Trainingsstress eures Programms im Laufe der Zeit normalisiert, indem das Trainingsvolumen eurer nachfolgenden „Volumensätze“ basierend auf dem Schwierigkeitsgrad eures ersten „Benchmarksatzes“ automatisch reguliert. Wenn ihr bei euren Volumensätzen keine Wiederholungsziele habt, könnt ihr euch auf eure Übungstechnik konzentrieren, die Kraftproduktion verbessern und die Leistungsangst verringern, um euer Training angenehmer zu gestalten. 18 Kybernetische Periodisierung Autoregulierung wird oft mit dem verwechselt, was einst als kybernetische Periodisierung bezeichnet wurde, eine Form der flexiblen Periodisierung, die Programmänderungen je nach dem, wie ihr euch während des Trainings fühlt, erlaubt. Wenn ihr euch z.B. schlecht fühlt, wenn ihr in ein Training geht, könnt ihr euch dafür entscheiden, dies zu einem leichten Trainingstag zu machen, obwohl es als schweres Training geplant war. Diese Form der kybernetischen Periodisierung ist jedoch per Definition keine Autoregulierung. Es ist eine sehr bewusste Entscheidungsfindung erforderlich, was keine echte Autoregulierung ist. Es ist wichtig, zwischen echter Autoregulierung, kybernetischer Periodisierung und dem Treffen von Ad-hoc-Entscheidungen bei der Programmierung zu unterscheiden, je nachdem, wie ihr euch fühlt. Echte Autoregulierung ist ein äußerst nützliches Programmierkonzept. Wenn ihr irgendeinen Prozess autoregulieren könnt, ist das fast immer dem Versuch vorzuziehen, ihn im Voraus zu planen oder willkürliche Entscheidungen zu treffen, weil dadurch das Programm automatisch individualisiert wird. Die Nützlichkeit der kybernetischen Periodisierung ist jedoch weitaus umstrittener. Nehmen wir an, ihr habt keine Lust zu trainieren. Ist das ein Zeichen dafür, dass ihr euch am besten einen Ruhetag gönnen solltet? Wahrscheinlich nicht. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist die Motivation zum Training weder bei Profi- noch bei Amateursportlern mit der tatsächlichen Leistung korreliert. Ihr fühlt euch nicht „erholt“ (was auch immer das bedeutet)? Der wahrgenommene Genesungszustand ist nur mäßig mit der objektiven Leistungserholung korreliert und sehr anfällig für Placeboeffekte. Einige Forschungsarbeiten finden einen Trend zu einer geringeren wahrgenommenen Erholung, wenn mit traditionellen Sätzen trainiert wird, 19 verglichen mit dem gleichen Volumen an erzwungenen Wiederholungen oder Vor- Ermüdungs-techniken, während diese fortgeschrittenen Techniken objektiv eine größere Ermüdung verursachen (siehe Thema fortgeschrittene Trainingstechniken). Die Vorstellung, dass eure subjektiven Gefühle wirklich eure körperliche Leistungsbereitschaft repräsentieren, ist in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse bestätigt, dass die geistige Ermüdung keine Auswirkungen auf die Maximalkraft, Power oder die anaerobe Arbeit im Allgemeinen hat; nur Ausdauerübungen sind betroffen und dieser Effekt scheint ausschließlich das Ergebnis eines erhöhten RPE (rating of perceived exertion; wahrgenomene Belastung) zu sein, nicht ein physiologischer Effekt. 20 Herzfrequenz-Variabilität Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) ist etwas populärer geworden, um automatisch zu regulieren, wie lange ihr euch zwischen den Trainingseinheiten ausruhen solltet, oder allgemeiner gesagt, wie mit der Ermüdung umgegangen werden soll. Die Idee dahinter ist, dass eure HRV ein Hinweis auf eure systemische Stresstoleranz ist: Wenn eure HRV noch nicht zum Ausgangswert zurückgekehrt ist, habt ihr euch noch nicht erholt. Dies mag für das Ausdauertraining eine gewisse Gültigkeit haben, aber es ist logischerweise schwer zu erkennen, was die Variabilität eurer Herzfrequenz mit dem Zustand eures Muskelgewebes zu tun hat. Die Forschung findet heraus, dass die HRV oder die Herzfrequenz im Allgemeinen nicht gut mit der Leistung oder anderen Messungen des Erholungsstatus bei Krafttrainierenden korreliert, dass es eine große tägliche Varianz der HRV gibt, selbst wenn sich die Leistung nicht ändert und dass die Korrelation zwischen der HRV und der Leistung von Person zu Person sehr unterschiedlich ist und davon abhängt, in welcher Körperhaltung ihr euch bei der Messung eurer HRV befindet. Mit anderen Worten, die HRV ist ein geradezu schreckliches Maß für den Erholungszustand. De Oliveira et al. (2019) verglichen ein Gruppentraining mit einer festgelegten 48- Stunden-Periode zwischen Krafttrainings mit einer Gruppe, die trainierte, als die HRV zur Baseline zurückgekehrt war (insbesondere das quadratische Mittel der aufeinanderfolgenden R-R-Intervallunterschiede (RMSSD)). Es gab keinen Unterschied im Muskelwachstum (CSA) oder in der 1RM-Kraftentwicklung zwischen den Gruppen. Die Nicht-HRV-Gruppe hatte eine 42%ige Zunahme der 1RM-Kraft im Vergleich zu 30% bei der HRV-Gruppe, aber dies war statistisch nicht signifikant. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Krafttrainierende sich im Allgemeinen nicht um die Messung ihrer HRV kümmern müssen. Es ist ungefähr so informativ wie ein Blick in euer Horoskop, um zu sehen, ob es Zeit ist, Kniebeugen zu machen. 21 Was tun, wenn der Fortschritt ins Stocken gerät? Irgendwann bleibt ihr selbst bei dem ausgefallensten Programm bei einem bestimmten Gewicht x Wiederholungen stecken. Wenn ihr mehr Gewicht auflegt, sinken eure Wiederholungen. Man versucht, die Wiederholungen zu erhöhen, aber es ist nicht mehr möglich. Ihr verwendet weniger Gewicht, aber dann bleibt ihr auf einem ähnlichen Kraftniveau von Gewicht x Wiederholungen stecken. Ein einzelnes Plateau kann aus vielen Gründen passieren, aber ein doppeltes Plateau auf dem gleichen Kraftniveau ist Anlass, das Programm zu ändern. An diesem Punkt solltet ihr die Möglichkeit eines Untertrainings in Betracht ziehen. Möglicherweise ist die betreffende Muskelgruppe für das gegebene Programm zu weit fortgeschritten. Daher solltet ihr den Trainingsstatus und den Fortschritt des Muskels seit Beginn des Programms neu bewerten. Ihr solltet insbesondere beurteilen, ob die Progressionsrate nur bei dieser einen Übung oder auch bei mehreren anderen Übungen mit dieser Muskelgruppe abnimmt. Wenn mehrere Übungen für eine Muskelgruppe zum Stillstand gekommen sind, könnt ihr versuchen, die Anzahl der Sätze im Programm für diesen Muskel und/oder seine Trainingsfrequenz zu erhöhen. Eine Erhöhung der Trainingshäufigkeit ist sicherer und führt in der Regel zu einer leichten Erhöhung des Wiederholungsvolumens, so dass es im Allgemeinen vorzuziehen ist, damit zu beginnen, wenn es im Programm bequem möglich ist. 22 Wenn es nur diese eine Übung ist, die zum Stillstand kommt und keine anderen Übungen, die dieselbe Muskelgruppe betreffen, müsst ihr wahrscheinlich nur das Progressionsmodell dieser spezifischen Übung ändern. Prüft zunächst die Eignung des Rep-Ziels der Übung. Wenn das Rep-Ziel hoch ist im Vergleich zu der durchschnittlichen Wiederholungszahl, die der idealen Trainingsintensität des Muskels entspricht, ist eine Intensivierung der einfachste erste Schritt: Verringert das Rep-Ziel um mindestens 4 (z.B. von 8 auf 4 Wdh.). Eine höhere Trainingsintensität steigert typischerweise die Kraftentwicklung und erleichtert die fortgesetzte progressive Überlastung. Achtet darauf, ein ausreichendes Gesamttrainingsvolumen beizubehalten. Für maximales Muskelwachstum wollt ihr im Allgemeinen nicht, dass die Wiederholungen pro Satz unter 4 fallen, da sonst das Wiederholungstrainingsvolumen für maximales Muskelwachstum möglicherweise nicht ausreicht (siehe Kursmodul zur Trainingsintensität). Wenn eine Intensivierung nicht wünschenswert oder effektiv ist, ist es Zeit für eine Periodisierung. Im Folgenden findet ihr einen Entscheidungsbaum, der euch dabei hilf, wie ihr vorgehen könnt, wenn ein Plateau auftaucht. Bewertung der Erholungsfähigkeit Systemisches Ausbleiben (einschließlich Schlaf, Stress von Fortschritten und Ernährung) und des gesamten Programmdesigns Aktualisiere die Beschränkt auf mehrere Is the Plateau lokal oder Trainingsparameter des Übungen für denselben systemisch? Körperteils, z. B. das Körperteil Volumen Aktualisiere das Progressionsmodell der Beschränkt auf eine Übung Übung (Intensivierung oder Periodisierung) oder wechsle die Übung 23 Periodisierung Periodisierung ist ein oft missverstandenes Thema im Fitnessbereich. Das liegt zum Teil daran, dass viele Trainer es absichtlich überkomplizieren. Periodisierung ist ein cooles Schlagwort und das Erstellen von ausgefallenen Tabellen mit viel komplexer Terminologie kann einen schlau aussehen lassen. Und wenn ihr den Leuten weismachen könnt, dass sie ihre Fortschritte Monate im Voraus planen können, denken sie, dass ihr die Dinge wirklich im Griff haben müsst. Periodisierung ist einfach die Organisation eures Trainingsprogramms im Laufe der Zeit. Wenn euer Programm in Bezug auf seine Parameter (Volumen, Intensität usw.) jede Woche dasselbe ist, habt ihr keine Periodisierung. Wenn jemand nur im Fitnessstudio herumhantiert, würde das technisch gesehen eine „zufällige Periodisierung“ darstellen. Bei der Erörterung der Periodisierung ist es hilfreich, in Zyklen eures Programms zu denken, statt in Kalendertagen über die Woche hinweg, z.B. mit „Montag ist Brusttag“. Die Definitionen variieren, aber die folgenden Definitionen sind logisch und bequem zu verwenden. Ein Mikrozyklus ist ein Training: Eine einzige Trainingseinheit. Ein Mesozyklus entspricht der Anzahl der Tage, die ihr benötigt, um alle Mikrozyklen in diesem zu absolvieren. Ein Programm mit 4 Trainingstagen, das aus 2 verschiedenen Einheiten, A und B, besteht, wird also jede Woche 2 Mesozyklen haben. Die Einheiten der ersten Woche sind dann 1A, 1B, 2A und 2B in dieser Reihenfolge. Ein Mesozyklus dauert in diesem Fall durchschnittlich 3,5 Tage. Beachtet, dass einige Leute den Begriff Mesozyklus verwenden, um sich auf eine gesamte Trainingsphase (z.B. 1 Monat) in einem Programm zu beziehen. 24 Ein Makrozyklus ist die Gesamtlänge eines Programms. Dies ist vor allem für Athleten mit einer In-Saison und einer Off-Saison oder für Kraftsportler mit Wettkampfterminen während der gesamten Saison relevant. Freizeittrainees haben dies nicht, daher der Begriff „Programm-Hopping“ für Leute, die diese Praktik mit wenig Erfolg zu kopieren versuchen. Die Terminologie der Periodisierung ist hilfreich, da sie es euch ermöglicht, für die Programmierung des Krafttrainings in zeitlicher Hinsicht relevant zu denken. Genau wie bei der Ernährung solltet ihr euer Denken nicht auf Kalendertage beschränken. Wenn ihr Einheit A für Montag geplant habt, aber an diesem Tag nicht trainieren könnt, solltet ihr es am Dienstag tun und das gesamte Programm vorziehen. Es macht keinen Sinn, einen Mikrozyklus im Programm zu überspringen, nur weil ihr ihn nicht am selben Kalendertag wie letzte Woche durchführen konntet. Es gibt mehrere Arten der Periodisierung, mit denen ihr vertraut sein solltet. Lineare Periodisierung Lineare Periodisierung bezieht sich auf eine Zunahme der Trainingsintensität und entsprechend auf eine Abnahme des Trainingsvolumens über die Mesozyklen eines Programms hinweg. Mit anderen Worten, ein Programm mit linearer Periodisierung geht von der Verwendung leichterer Gewichte, die für höhere Wiederholungen durchgeführt werden, zu schwereren Gewichten, die für weniger Wiederholungen durchgeführt werden. 25 Die lineare Periodisierung wurde für Sportler entwickelt. Ihr Zweck ist es, Spitzenleistungen für einen Wettkampf zu erbringen. Da Bodybuilder (Leute die mehr Muskulatur und weniger Körperfett anstreben) keine Notwendigkeit haben, für ihre Wettkämpfe Höchstleistungen zu erbringen und die Entwicklung von Kraft, Leistung und Ausdauer überhaupt nicht ausbalancieren müssen, sondern sich ausschließlich auf das Muskelwachstum konzentrieren, haben Bodybuilder keine Verwendung für die lineare Periodisierung. Während die lineare Periodisierung sicherlich effektiv für das Muskelwachstum sein kann, ist sie nicht effektiver als nicht-periodisierte Programme mit dem gleichen Trainingsvolumen. Die lineare Periodisierung verbessert zwar die Kraftentwicklung im Vergleich zu keiner Periodisierung gemäß einer Meta-Analyse, aber ihre Wirksamkeit in dieser Hinsicht wird durch höhere Trainingsintensitäten, die näher an der abschließenden Kraftprüfung liegen, verzerrt. In der Tat schlägt in anderen, eher praktisch relevanten Untersuchungen die einfache autoregulatorische progressive Überlastung die lineare Periodisierung hinsichtlich Kraftentwicklung. 26 Außerdem haben wir für die Entwicklung der Kraft ein überlegenes Periodisierungsmodell: Die wellenförmige Periodisierung (undulating periodization). Die lineare Periodisierung kann auch mit der wellenförmigen Periodisierung kombiniert werden, was für Kraftdreikämpfer und andere Athleten nützlich sein kann. Wellenförmige Periodisierung (undulating periodization) / nicht-lineare Periodisierung Wellenförmige oder so genannte nicht-lineare Periodisierungsmodelle haben im Laufe der Zeit wechselnde oder schwankende Trainingsintensitäten. Die Intensität kann pro Woche bei der wöchentlich wellenförmigen Periodisierung (WUP) oder pro Tag bei der täglich wellenförmigen Periodisierung (DUP) schwanken. Ein traditionelles Beispiel für DUP sind die „Power“-, „Kraft“- und „Hypertrophie“-Tage pro Woche, so dass ihr jedes Mal, wenn ihr eine Übung durchführt, einen anderen Rep-Bereich verwendet. WUP bedeutet, dass ihr während der gesamten Woche denselben Rep-Bereich für die Übung verwendet und dann in der nächsten Woche einen anderen Rep-Bereich, bevor ihr in Woche 3 wieder zum ersten Rep-Bereich zurückkehrt, usw. 27 Die wellenförmige Periodisierung kann es euch ermöglichen, bei jedem Training unterschiedliche Wachstumsreize zu induzieren. Einigen Forschungsergebnissen 28 zufolge aktivieren hohes und niedriges Rep-Training bei hoch trainierten Kraftdreikämpfern unterschiedliche Wachstumspfade, während andere Forschungsergebnisse zeigen, dass hohes und niedriges Rep-Training auch bei trainierten Probanden ähnliche Wachstumspfade aktiviert. DUP ist in dieser Hinsicht dem WUP vorzuziehen, da es darum geht, von Training zu Training zwischen verschiedenen Stimuli zu wechseln, um überlappende Erholungsanforderungen zu reduzieren und unterschiedliche Wachstumspfade zu aktivieren. Die wellenförmige Periodisierung ermöglicht es euch auch, hochintensive Arbeit in euer Programm aufzunehmen, ohne das Gesamtvolumen des Programms unter das für ein maximales Muskelwachstum erforderliche Minimum zu reduzieren. Euer Bindegewebe und wahrscheinlich sogar eure Psyche oder euer Zeitbudget erlauben es euch oft nicht, genügend Arbeit für eine optimale Hypertrophie mit 90+% eures 1RM zu integrieren. Auch in dieser Hinsicht ist die DUP der WUP vorzuziehen, da ein einwöchiges Training mit sehr schweren Gewichten und geringem Volumen das Muskelwachstum wahrscheinlich einschränken wird. Erfahrene Krafttrainierende gewinnen mit täglich wellenförmiger Periodisierung im gleichen Programm mehr Kraft als mit linearer oder umgekehrt linearer Periodisierung oder ohne jegliche Periodisierung [2, 3, 4, 5]. Die wellenförmige Periodisierung ist daher der linearen Periodisierung vorzuziehen. Es kann sein, dass die wellenförmige Periodisierung nur nützlich ist, um die Kraftentwicklung, nicht aber das Muskelwachstum zu fördern, was darauf hindeutet, dass der Mechanismus für die Kraftzunahme neurologischer und nicht morphologischer Natur ist. Nur zwei Studien in der Literatur haben einen Trend zu größerem Muskelwachstum mit DUP im Vergleich zu keiner Periodisierung gefunden , und die Trends waren in beiden Fällen statistisch nicht signifikant. Alle anderen Untersuchungen haben keinen Unterschied zwischen wellenförmiger Periodisierung und keiner Periodisierung oder linearer Periodisierung gefunden, und eine Meta- 29 Analyse fand keinen Unterschied im Muskelwachstum zwischen Programmen mit wellenförmiger Periodisierung und ohne Periodisierung. Eine weitere Metaanalyse ergab, dass die wellenförmige Periodisierung für das Muskelwachstum nicht wirksamer ist als die lineare Periodisierung, wenn das Gesamtvolumen zwischen den Gruppen gleichgesetzt wird. Wenn jedoch in der Praxis die wellenförmige Periodisierung, insbesondere die DUP, erfolgreich ist, um die Ermüdung zu mildern oder die Kraft zu verbessern, kann sie zu einem höheren Trainingsumfang führen. Da ein erhöhtes Trainingsvolumen das Muskelwachstum fördern kann, vorausgesetzt, dass die Erholung kein Problem darstellt, kann die tägliche wellenförmige Periodisierung das Muskelwachstum in der Praxis verbessern, wenn die Trainierenden ihre Erholungskapazität bis an die Grenze ausreizen. Eine wellenförmige Periodisierung ist wahrscheinlich nur für Trainierende jenseits der Anfängerstufe sinnvoll. Ungeübte und Kraftanfänger halten sich im Allgemeinen genauso gut an eine konstante Trainingsintensität ohne wellenförmige Periodisierung. Die meisten Forschungen haben keinen Unterschied in der Wirksamkeit verschiedener Periodisierungsmodelle bei Hebern der Anfängerstufe festgestellt. Bei Trainingsanfängern kann der zusätzliche Muskelschaden, der durch die Vielfalt der wellenförmigen Periodisierung induziert wird, sogar den Fortschritt behindern. Ein Anfänger benötigt keine Form der Periodisierung, da ein Anfänger mit einem optimierten Programm in der Lage sein sollte, den Widerstand kontinuierlich zu erhöhen, ohne das Trainingsvolumen zu verringern. Es ist einfach mathematisch unplausibel, dass jede Form der Periodisierung eine lineare Gewichtszunahme verbessern kann. Die meisten Anfänger, die 3x pro Woche trainieren, können bei jeder Einheit 2,5 kg / 5 lb auf die Stange draufpacken. Wenn ihr jede Intensität nur einmal pro Woche wiederholt, in diesem Fall mit dreifacher Wellenform, müsstet ihr über 7,5 kg pro Woche auf einmal auf die Stange geben, um schneller als 2,5 kg pro Einheit fortzuschreiten. Das ist sehr unplausibel. 30 In der Praxis kann auch eine zu frühe Einführung der wellenförmigen Periodisierung den Trainingsaufwand verringern. Durch den Wechsel zwischen 2 Rep-Zielen anstelle von nur einem, halbiert man effektiv die Mindestrate der messbaren Progression. Trainierende, die nicht von Natur aus zu 100% an ihre Grenzen stoßen, könnten daher versucht sein, sich mit einer reduzierten Progressionsrate zufriedenzugeben und z.B. nur eine einzige Wiederholung pro Mesozyklus mehr zu erreichen, obwohl sie ohne wellenförmige Periodisierung zweimal pro Mesozyklus um so viel hätten fortschreiten können. Eine wellenförmige Periodisierung, oder Periodisierung im Allgemeinen, ist daher wahrscheinlich nicht sinnvoll, wenn lineare Gewichtserhöhungen noch möglich sind. Da eine lineare Gewichtszunahme jedoch unmöglich wird, kann eine wellenförmige Periodisierung nützlich werden. De Souza et al. (2018) fanden heraus, dass untrainierte Personen zwar über 12 Wochen ohne Periodisierung, mit linearer Periodisierung oder mit täglicher wellenförmiger Periodisierung die gleichen Fortschritte machen, dass aber der zeitliche Verlauf ihrer Zuwächse an Muskelkraft und -größe unterschiedlich ist. Die nichtperiodisierte Gruppe erzielte in den ersten 6 Wochen die meisten Zunahmen mit einem Rückgang der Progression danach, während die periodisierten Gruppen weiterhin mit einer ähnlichen Rate wie zuvor zunahmen. Es ist daher wahrscheinlich, dass über einen längeren Zeitraum, wenn die Trainierenden fortgeschrittener wurden, die periodisierten Gruppen anfingen, die nicht periodisierte Gruppe zu übertreffen. Da die Anpassungsrate mit zunehmendem Fortschritt abnimmt, bedarf es nun mehrfacher Anpassungsschübe, um ausreichend stark zu werden, um den Widerstandssprung zu vollziehen, den euer Zuwachs erfordert. Auch wenn die wellenförmige Periodisierung dem Muskelwachstum nicht zuträglich ist, so ist sie doch eine sehr praktische Methode, um eine progressive Überlastung zu implementieren, mit der ihr messen könnt, ob bei euch wahrscheinlich ein Muskelwachstum vorliegt. 31 Praktische Anwendung Wenn ihr bei einer Übung nicht mehr linear im Gewicht oder in den Wiederholungen fortschreiten könnt, solltet ihr eine wellenförmige Periodisierung einführen. Sie verbessert wahrscheinlich die Kraftentwicklung und kann auch das Muskelwachstum leicht verbessern. Es ist wichtig, dass ihr die Periodisierung auf übungsspezifischer Basis implementiert. Viele Programme implementieren die Periodisierung für das gesamte Programm einheitlich, aber das macht keinen Sinn, da muskuläre Anpassungen weitgehend ein lokaler Prozess sind und verschiedene Übungen in einem Programm unterschiedliche Fortschrittsraten und unterschiedliche Inkremente (Gewichtsschritte) aufweisen. Ihr solltet daher für jede Übung unabhängig voneinander evaluieren, ob eine wellenförmige Periodisierung den Fortschritt wahrscheinlich beschleunigen wird. Bei der erstmaligen Durchführung von DUP ist eine nützliche Faustregel, die 2 Rep- Ziele mindestens 4 Wiederholungen oder 10% des 1RM auseinander zu setzen, z.B. 8 und 12 Wdh. oder 85% und 75% des 1RM, um eine Überlappung der in beiden Tracks verwendeten Gewichte zu vermeiden und die Stimuli zumindest etwas zu differenzieren. Der Mindestabstand funktioniert gut, wenn euer Hauptgrund für die Implementierung von DUP darin besteht, eine progressive Überlastung messen zu können. Wenn ihr z.B. bei linearer Progression mit einem Rep-Ziel von 7 zum Stillstand kommt, könnt ihr auf wellenförmige Progression mit Rep-Zielen von 5 und 9 umstellen. Wenn ihr die muskelspezifische Hypertrophie-Methode implementiert habt und nicht standardisierte Ergebnisse gefunden haben, wie z.B. 11 Wiederholungen bei 80% von 1RM, ist es besser, die Rep-Ziele durch Verwendung neuer Prozentsätze des 1RM zurückzusetzen. Wenn ihr z.B. bei 80% des 1RM bei der linearen Progression stehen geblieben seid, könnt ihr zu 85% / 75% des 1RM mit wellenförmiger Progression wechseln. Um die Trainingsreize wirklich differenzieren zu können, braucht man jedoch wahrscheinlich eine größere Lücke bei den Wiederholungszielen. Bei fortgeschrittenen 32 Trainierenden und Übungen, die sich sowohl mit niedrigen als auch mit hohen Rep- Zielen gut durchführen lassen, könnt ihr die Lücke bis zu den minimalen und maximalen realisierbaren Rep-Zielen erweitern, wie z.B. 85% / 30% von 1RM für Beinstreckungen oder 90% / 60% des 1RM für Beinpressen. Da ein gutes Programm für einen fortgeschrittenen Trainierenden typischerweise mehrere Übungen für jede Muskelgruppe beinhaltet, könnt ihr entscheiden, ob ihr eine kleine oder große Streuung der Rep-Ziele für eine Übung auf der Grundlage eurer anderen Rep-Ziele für diese Muskelgruppe wünscht. Wenn z.B. eure Beinpresse zum Stillstand kommt und ihr bereits Beinstreckungen mit hohen Wiederholungen macht, ist es wahrscheinlich nicht nötig, auch für Beinpressen ein superhohes Rep-Ziel zu wählen, und ihr werdet bei höheren Intensitäten bessere Kraftfortschritte erzielen. Umgekehrt ist es gut, ein hohes Rep-Ziel einzuführen, wenn ihr keine hohe Rep-Arbeit mehr in eurem Programm habt, weil ihr all eure Rep-Ziele mit der Zeit intensiviert habt. Irgendwann kann es vorkommen, dass ein Trainierender selbst bei einem wellenförmigen Verlaufsmodell mit 2 verschiedenen Rep-Zielen stagniert. Zu diesem Zeitpunkt könnte eine dreifache Wellung implementiert werden, um zwischen 3 verschiedenen Rep-Zielen zu wechseln. Wenn der Trainierende zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht ein Elite-Kraftniveau für diese Übung erreicht hat, deutet die Notwendigkeit einer dreifachen Wellung oft darauf hin, dass etwas mit dem Programm nicht stimmt oder ihr die Übung besser ersetzen solltet. Kraftdreikämpfer und olympische Gewichtheber benötigen daher möglicherweise eine Dreifach-Wellung, aber Freizeittrainees haben in dieser Hinsicht mehr Spielraum und können stagnierende Übungen ersetzen, wenn eine hochkomplexe Periodisierung notwendig wäre, um weitere Fortschritte zu erzielen. Tatsächlich kann es wegen des Muskelwachstums vorzuziehen sein, die Übung an diesem Punkt zu ersetzen, da die Erträge, die ihr wahrscheinlich durch das weitere Voranschreiten bei einer bestimmten Übung erzielen werden, abnehmen. Eine neue Übung kann es euch ermöglichen, das Muskelwachstum in verschiedenen Fasern zu stimulieren, die noch mehr Wachstumskapazität haben. Wenn eine dreifache Wellung 33 für jegliche Progression notwendig ist, ist es wahrscheinlich, dass jede weitere Kraftentwicklung hauptsächlich neurologischer Natur ist. Block-Periodisierung Viele Bodybuilder wechseln ständig ihre Trainingsprogramme; so weit, dass sie für jeden Muskel bei jedem Training ein anderes Training durchführen. Als Grund dafür wird „Muskelverwirrung; muscle confusion“ genannt - die Idee, dass man durch die Verwirrung des Muskels verhindert, dass er sich an das Trainingsprogramm anpasst. Diese Idee ist völlig fehlgeleitet. Erstens kann man kontraktiles Gewebe nicht verwirren, m'k? Zweitens, Anpassung ist keineswegs unerwünscht. Im Gegenteil, die Anpassung ist das eigentliche Ziel eines Trainingsprogramms: Indem wir auf einen Muskel Stress in Form von mechanischer Spannung ausüben, bewirken wir, dass er sich an diesen Stress anpasst und sich vor ihm schützt, indem wir den Muskel größer und stärker machen. Damas et al. (2019) zeigten, dass „Muskelverwirrung“ nicht funktioniert. Eine Gruppe von krafttrainierten Männern trainierte ein Bein mit 4 Sätzen a 9-12 Wiederholungen bis zum Versagen bei jeder Übung mit progressiver Überlastung. Das andere Bein führte eine „Muskelverwirrung“ durch, indem es durch 4 verschiedene Trainingseinheiten rotierte: Entweder dasselbe Training wie die Kontrollgruppe, eine ausschließlich exzentrische Version, eine voluminösere Version mit 6 Sätzen oder eine Version mit höheren Wiederholungen. Trotz des Trainings mit einem signifikant höheren Volumen gewann das „verwirrte“ Bein nicht mehr Muskelmasse. Baz-Valle et al. (2019) fanden auch heraus, dass es nicht nötig ist, die Muskeln bei jedem Training mit einem „neuartigen Stimulus“ zu „verwirren“. Bei ansonsten identischen, arbeitsgleichen Programmen bei trainierten Männern führte das zufällige Generieren von Übungen für jedes Training zu einem nicht signifikant schlechteren Muskelwachstum und einer schlechteren Kraftentwicklung als das Festhalten an einer 34 fixen Übungsauswahl. (Siehe das Übungsauswahlmodul für weitere Einzelheiten zu dieser Studie). Ein sinnvollerer und strukturierterer Weg, eine Art „Muskelverwirrung“ zu implementieren, ist die Blockperiodisierung. Die Blockperiodisierung ist eine Möglichkeit, Trainingsprogramme zu strukturieren, bei denen die Trainingsprogramme in verschiedene Phasen („Blöcke“) mit unterschiedlichen Schwerpunkten unterteilt sind. Ein Beispiel für eine Blockperiodisierung, die als Hypertrophie-Kraft-Power-Zyklus charakterisiert werden könnte. Quelle Die Blockperiodisierung ist sinnvoll für Athleten mit unterschiedlichen Trainingsanforderungen innerhalb und außerhalb der Saison, insbesondere für Sportler, die gleichzeitig Ausdauer, Power- und Kraftanpassungen ausgleichen müssen. Für Freizeitsportler hat die Theorie der Blockperiodisierung jedoch wenig theoretische Grundlage. Das Trainingsziel ändert sich bei den meisten Menschen im Laufe der Zeit nicht (stärker und/oder größer werden), und auch die Physiologie eines Menschen ändert sich im Laufe einiger Wochen nicht merklich, warum sollte also der ideale Trainingsreiz im Laufe der Zeit schwanken? Wie aufgrund des Mangels an fundierter Theorie zu erwarten war, findet die empirische Forschung im Allgemeinen keinen Vorteil der Blockperiodisierung im Vergleich zu 35 keiner Periodisierung oder wellenförmigen Periodisierung für das Muskelwachstum und die Kraftentwicklung. Insgesamt gesehen begünstigen die Daten die wellenförmige Periodisierung gegenüber der Blockperiodisierung für das Muskelwachstum. Bei untrainierten, älteren Personen scheint es keinen Vorteil der Blockperiodisierung gegenüber der wellenförmigen oder gar keiner Periodisierung für die Kraftentwicklung oder Körperneubildung zu geben. Bezerra et al. (2018), welche wiederum untrainierte, ältere Personen untersuchten, fanden einen Trend zu größerem Muskelwachstum und stärkerer Kraftentwicklung in einem Trainingsprogramm, bei dem Kraft, Hypertrophie und Powerarbeit in der gleichen Einheit absolviert wurden, verglichen mit der gleichen Trainingsaufteilung über Blöcke von Hypertrophie-, Kraft- und Powerarbeit. Die Blockperiodisierung schien also schlechter zu funktionieren als das, was manchmal als konjugierte Periodisierung bezeichnet wird. Eine Studie bei Leichtathleten der 1.Division von Painter et al. (2012) fand keine signifikanten Unterschiede zwischen Block- und täglich wellenförmiger (DUP) Periodisierung in der Kraftentwicklung. Allerdings erzielte die wellenförmige Gruppe in den späteren Phasen der Studie höhere Trainingsvolumina, wenn sich die Blockperiodisierungsgruppe in ihren Kraft- und Leistungsphasen befand, was die Ergebnisse zu Gunsten der wellenförmigen Gruppe verzerrt haben könnte. Es gab auch leichte Tendenzen für bessere Messungen der Explosivität in der Gruppe mit Blockperiodisierung. Bartolomei et al. (2014) verglichen ein Blockperiodisierungsprogramm mit der linearen Periodisierung bei ernsthaft krafttrainierten männlichen Athleten. Beide Programme hatten über die gesamte Studie hinweg das gleiche Gesamtarbeitsvolumen, aber die Blockperiodisierungsgruppe teilte dies in eine Akkumulations-/Hypertrophie-phase, eine Kraft- und eine Powerphase auf. Am Ende der Studie gab es keine signifikanten Unterschiede in den Veränderungen der Körperzusammensetzung, Kraft oder Leistung, obwohl es einen Trend zu einer besseren 1RM-Bankdrück-Kraftentwicklung in der Blockperiodisierungsgruppe gab. Die Blockperiodisierungsgruppe führte den größten Teil ihrer Kraftarbeit näher am letzten Testpunkt durch, wodurch die 36 Ergebnisse zugunsten der Blockperiodisierungsgruppe verzerrt wurden. Dies ist leider eine übliche Einschränkung der Periodisierungsforschung, bei der nur zu Beginn und ganz am Ende der Studie getestet wird. Bartolomei et al. (2015) verglichen ein gleiches Gesamtarbeitsvolumen mit Blockperiodisierungsprogramm mit der wöchentlichen wellenförmigen Periodisierung (WUP) bei krafttrainierten Frauen. Die WUD-Gruppe erlebte eine signifikant und wesentlich größere Zunahme ihrer 1RM Kniebeuge und Oberschenkelquerschnittsfläche. Andere Messungen von Kraft, Power und Körperzusammensetzung unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen. Gavanda et al. (2019) verglichen ein gleiches Gesamtarbeitsvolumen mit Blockperiodisierung mit täglicher wellenförmiger Periodisierung (DUP) bei ordentlich trainierten jugendlichen American-Football-Spielern. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Kraft (inkl. 1RM Kniebeuge und Bankdrücken) oder der Körperzusammensetzung. Es gab jedoch einen Trend, dass die DUP-Gruppe mehr Fett verlor und dies wurde in Post-Hoc-Analysen signifikant, während die Effektgrößenanalyse in der DUP- Gruppe eine größere Gesamtzunahme an fettfreier Masse und Muskelmasse aufwies. Nachstehend findet ihr eine Literaturübersicht zur Periodisierung für diejenigen, die sich für die spezifischen Studien interessieren. Da Forschung und Theorie sich im Allgemeinen einig sind, dass ausgefallene Periodisierungsmodelle für untrainierte Personen unnötig sind, enthält diese Übersicht nur volumenäquivalente Studien an krafttrainierten Personen. Forschungsüberblick Auswirkung der Periodisierung auf Kraft und Veränderungen der Körperzusammensetzung bei trainierten Probanden 37 Funktionale Überbeanspruchung (functional overreaching) Ein traditionelles Modell der Blockperiodisierung stützt sich auf das Konzept der funktionalen Überbeanspruchung, um den Fortschritt zu verbessern. Die Idee der funktionalen Überbeanspruchung besteht darin, eine strategische Überbeanspruchung mit einer Akkumulationsphase zu induzieren, gefolgt von einer Deload-Phase, in der eine Superkompensation stattfindet, so dass man während des Deloads weiter wächst. Im Gegensatz zu einem regulären Stress-Wiederherstellungs-Anpassungszyklus` gräbt man sich also über mehrere Trainingseinheiten (traditionell Wochen) hinweg in ein tieferes Erholungsloch und danach geht es darum, dass man eine massive Superkompensationsphase erhält. Das ist eine interessante Theorie, aber funktioniert sie auch in der Praxis? Bis vor kurzem hatte noch keine Studie jemals eine anhaltende Superkompensation der Muskelmasse nach einem overreaching dokumentiert. Bjornsen et al. (2019) waren die ersten, die starke Hinweise auf eine positive funktionelle Überkompensation zeigten. In dieser Studie nahmen Kraft und Muskelfasergröße nach einer kurzen Überbeanspruchgungsphase mit Blood-Flow-restriction-Übungen, die 1-2x pro Tag für 4 Sätze bis zum willentlichen Versagen durchgeführt wurden, für 10-20 Tage weiter zu. Während des overreachings nahmen sowohl die Kraft als auch die Muskelgröße etwas ab. Die Überbeanspruchungsphase korrespondierte bei mehreren Teilnehmern mit starken Erhöhungen der Marker für Muskelschäden, insbesondere der Kreatinkinase. Dies unterstützt frühere Forschungen, dass eine übermäßige Muskelschädigung das Muskelwachstum hemmt. Eine Muskelschädigung zwingt eure Muskeln dazu, viel Zeit 38 damit zu verbringen, geschädigte Proteine wiederherzustellen, anstatt neue Proteine aufzubauen. Hervorzuheben ist, dass es sich bei den Teilnehmern um untrainierte Personen handelte. Obwohl sie „freizeitlich trainiert“ waren, waren sie zu 100% neu im Krafttraining und daher viel anfälliger für Muskelschäden und langsame Erholungszeiten als trainierte Personen. Also kann funktionelle Überbeanspruchung zu langwierigen Muskelanpassungen führen. Die nächste Frage lautet: Sind die Gesamtgewinne über den Zeitraum des overreachings und des Deloadings zusammen größer als die Gains, die ihr mit konstantem Training erzielen könntet? Die Antwort in dieser Studie schien nein zu sein. Die gesamte tägliche Muskelwachstumsrate war in dieser Studie niedriger als in früheren Studien mit einem ähnlichen Design, in denen das Muskelwachstum linearer verlief. Im Wesentlichen verzögerte ein Übermaß das Muskelwachstum. Auch die Querschnittsfläche des Rectus femoris und die Muskeldicke des M. vastus lateralis zeigten keine Wachstumsverzögerung. Ihre Größe nahm während des Trainings ziemlich linear zu und nahm während des Detrainings ab. Dies kann durch ein Ödem aufgrund einer Muskelschädigung verzerrt werden, aber es spricht nicht für eine funktionelle Überbeanspruchung. Wir haben auch eine hochrelevante Studie über funktionale Überbeanspruchung von Coutts et al. (2007). Wettkampf-Rugbyspieler führten ein 6-wöchiges Overreaching- Programm mit progressiv ansteigendem Trainingsvolumen durch, bei dem die Kraft in der Kniebeuge, beim Bankdrücken und in den Klimmzügen deutlich abnahm. Danach führten sie ein 1-wöchiges Tapering mit einem geringen submaximalen Übungsvolumen durch. Dies führte zu signifikanten Kraftzunahmen bei den oben genannten 3 Übungen, aber das Tapering brachte die Kraft ausschließlich auf die Baseline zurück. Das 39 Körpergewicht blieb von vor bis nach dem Tapering exakt gleich, was darauf hindeutet, dass kein Muskelwachstum auftrat. Somit war das Tapering sehr effektiv, um schließlich eine Erholung zu ermöglichen, aber es fand nicht mehr Superkompensation statt, als man von einem regelmäßigen Training erwarten würde. Mit anderen Worten, diese Trainees verbrachten 7 Wochen damit, eine Gesamtsumme von null-Zuwächsen zu erzielen(!) Siehe die Studiendaten unten für diejenigen, die an weiteren Details interessiert sind. 40 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine funktionelle Überbeanspruchung zu verzögerten Kraft- und Größengewinnen in einer nachfolgenden Deloading-Periode führen kann, dass diese Gains jedoch nicht unbedingt die Fitness über das Ausgangsniveau hinaus verbessern und dass es keine Belege dafür gibt, dass funktionelle Überbeanspruchung die Netto-Fortschrittsrate im Vergleich zu einer 41 ähnlichen Periode konstanten Trainings verbessern kann. Daher stellt ein funktionelles „Übertreiben“ eine Programmierungsstrategie mit hohem Risiko und geringer Belohnung dar, die von Freizeittrainerenden unter normalen Trainingsbedingungen nicht angewendet werden sollte. Im besten Fall kann funktionelle Überbeanspruchung vor Urlaub oder Reisen nützlich sein, wenn ihr nicht trainieren könnt oder wollt. Ihr könnt dies erreichen, indem ihr das Trainingsvolumen in der letzten Woche vor der Urlaubszeit deutlich erhöht. Wenn es auf sichere Art und Weise möglich ist, besteht eine logische Vorgehensweise in einem solchen Szenario darin, das Trainingsvolumen aus der Urlaubszeit in die Woche vor der Urlaubszeit zu verlagern. Wenn ihr euch also eine Woche Urlaub nehmt, verdoppelt ihr das Trainingsvolumen in der Woche davor, um ein overreaching zu erreichen und eure freie Zeit dafür zu nutzen, um hoffentlich trotz minimaler Bewegung zu wachsen oder zumindest euren Stoffwechsel hochzuregulieren und den Schaden durch Überernährung zu verringern. 42 Deloads Manchmal reicht AVT nicht aus, um eine Überbeanspruchung zu verhindern. Dann macht es Sinn, Deloads anzuwenden. Ein Deload bedeutet eine Gewichtsreduzierung zur Verringerung des Trainingsstresses. Manchmal wird das Wort Deload auch verwendet, um eine allgemeinere Verringerung des Trainingsstresses zu bezeichnen, wie z.B. eine Verringerung des Trainingsvolumens durch Reduzierung der Anzahl der Trainingssätze. Traditionelles Deloading Eine traditionelle Umsetzung des Deloadings besteht darin, jede 4.Woche des Programms vom Fitnessstudio eine Pause zu machen oder das Gewicht in dieser Woche zu reduzieren. Diese Methode des Deloadings ist willkürlich und proaktiv. Die Willkürlichkeit und Proaktivität dieser Art von Deloading besteht darin, dass es im Voraus zu einem bestimmten Datum oder einer bestimmten Zeit im Programm geplant wird. Es ist bestenfalls eine wohlbegründete Vermutung darüber, wann es wahrscheinlich zu einer Überbeanspruchung kommen wird, aber in der Praxis ist es eher eine one-size-fits-all Lösung, um das Programm schick und anspruchsvoll aussehen zu lassen, ohne mehr als abstrakte Theorie als Begründung zu haben. Man kann nicht immer im Voraus vorhersagen, wann eine Person in ihrem Leben höheren Stress erfahren, weniger gut schlafen oder von ihrer Ernährung abweichen wird. In jedem Programm kann es zu vielen verschiedenen Zeitpunkten für verschiedene Personen zu Überbeanspruchung kommen. Wenn ihr bisher alle Kursinhalte verstanden habt, solltet ihr auch sehr skeptisch sein, ob es notwendig ist, aus folgenden Gründen eine ganze Woche Trainingspause zu nehmen: 43 Muskelermüdung ist weitgehend ein lokaler Prozess. Die Ermüdung des Bizeps` hat keine Auswirkungen auf die Kniebeuge. Es macht keinen Sinn, mit dem Beugen aufzuhören, weil sich euer Bizeps noch nicht erholt hat. Das Deloading sollte daher trainings- oder muskelspezifisch sein. Eure Muskeln erholen sich im Allgemeinen innerhalb von 72 Stunden von jedem Training, wenn ihr kein Anfänger mehr seid und ihr an die Übungen gewöhnt seid. Jedes praktisch durchführbare Trainingsprotokoll sollte nicht mehr als 5 Tage Ruhe danach erfordern, um sich davon zu erholen. Wie wir im Abschnitt über funktionelle Überbeanspruchung (functional overreaching) diskutiert haben, ist Bjornson et al. (2019) die einzige Studie, in der jemals eine Zunahme der Muskelmasse nach einer Periode des Detrainings festgestellt wurde und zwar bei untrainierten Personen ohne Hinweise auf eine Verbesserung der Ergebnisrate über die Periode des funktionellen Overreachings plus Deload im Vergleich zu konstantem Training. In anderen Forschungsarbeiten führt das Deloading im besten Fall nicht zu einem sofortigen Muskelverlust. In der Praxis kann eine wochenlange Trainingspause bei schlanken Personen leicht zu Fettzuwachs und einer Zerrüttung der Fitnessgewohnheiten führen. Das willkürliche Timing und der unnötige Ganzkörpercharakter traditioneller Deload- Wochen kann verbessert werden, indem wir unsere Deload-Wochen autoregulieren und sie reaktiv statt proaktiv durchführen. Reaktives Deloading Reaktives Deloading kann das Problem der interindividuellen Variabilität in der Notwendigkeit von Deloads lösen. Wie der Name schon sagt, ist ein reaktives Deloading nicht im Voraus geplant. Genau wie die AVT wird das reaktive Deloading nur auf die betroffene(n) Übung(en) in einer einzigen Trainingseinheit angewendet. 44 Konkret wird ein reaktives Deloading immer dann durchgeführt, wenn ein Trainierender nicht wie für diese Übung geplant Fortschritte macht und es als wahrscheinlich erachtet wird, dass dies auf Überbeanspruchung und nicht auf einen Lebensstilfaktor wie Schlafmangel oder einen Ernährungsfaktor wie Unterernährung zurückzuführen ist. Eine anständige Faustregel besagt, dass reaktive Deloads dann gerechtfertigt sind, wenn jemand bei einer Übung keine 2,5% an Kraftfortschritt macht. Das bedeutet, dass man bei schweren Verbundübungen typischerweise reaktive Deloads einprogrammieren kann, bei Isolationsübungen mit schlechter Mikrobelastbarkeit jedoch eher nicht, da es keine Möglichkeit gibt, den Widerstand nur um 2,5% zu erhöhen. Es gibt 2 weitere Überlegungen, ob ihr reaktive Deloads einplanen wollen. 1. Terminale Konsistenz: Übungen, die nach diesem Prinzip schlecht abschneiden, haben von Natur aus eine höhere Variabilität in der Leistung. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass mangelnde Fortschritte auf Überbeanspruchung zurückzuführen sind. Daher können reaktive Deloads zu Untertraining führen und sind nicht ratsam. 2. Variabilität der Erholungskapazität: Je variabler die Erholungsrate einer Person ist, desto größer ist die Notwendigkeit eines reaktiven Deloads. Wenn jemand ein sehr unregelmäßiges Erholungsvermögen hat, z.B. aufgrund eines variablen Schlafmusters, einer schlechten Ernährungsumstellung oder aufgrund eines gleichzeitigen sportartspezifischen Trainings, besteht ein größerer Bedarf an reaktiven Deloads. Reaktives Deloading kümmert sich dann um diese noch nicht abgeschlossene Erholung. Basierend auf den oben genannten Faktoren profitieren bilaterale Deadlift-Übungen normalerweise von reaktiven Deloads, da sie eine ausgezeichnete Mikrobelastbarkeit und terminale Konsistenz aufweisen. Ein Beispiel für eine Übung, die nur selten ein reaktives Deloading erfordert, ist Seitheben (lateral raises), da es im Allgemeinen unmöglich ist, dies gut mikrobelastbar zu machen. 45 Wenn ihr festgestellt habt, dass reaktives Deloading für eine Übung in eurem Programm nützlich ist und in jedem Training ein Plateau auftritt, implementiert ihr es wie folgt. Ihr ersetzt eure verbleibenden Sätze durch eine explosive Technikarbeit mit niedrigen Wiederholungen: 1 bis 5 Wiederholungen pro Satz bei 60-70% des 1RM (das entspricht ungefähr einem Gewicht, mit dem ihr 12-20 Wiederholungen machen könntet). Diese Art des speed-work ermöglicht es euch, ein hohes Muskelaktivierungsniveau zu erreichen und an eurer Technik zu arbeiten, während ihr nur ein minimales Maß an neuromuskulärer Ermüdung herbeiführt. Es ist wichtig zu erkennen, dass man, um diese Vorteile ohne die Kosten einer hohen weiteren Ermüdung nutzen zu können, die Ausführungsgeschwindigkeit beibehalten muss. Wenn eure Bewegungsgeschwindigkeit während eines Satzes überhaupt merklich abnimmt, geht ihr viel zu schwer und grabt euch nur tiefer in euer Erholungsloch. Bei stärkerer Ermüdung ist es besser, reaktiv um 100% zu deloaden, d.h. alle nachfolgenden Sätze ganz zu überspringen. Schnelligkeitsarbeit ist dann angebracht, wenn ihr die letzte Wiederholung nur knapp verpasst habt, um wie geplant voranzukommen, oder wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr die geplante Anzahl von Wiederholungen hättet erreichen können, wenn eure Technik etwas besser gewesen wäre. Wenn ihr nicht in die Nähe eurer geplanten Leistung gekommen seid, wenn eure trainierten Muskeln immer noch extrem wund waren oder wenn ihr Schmerzen hattet, kann die Geschwindigkeitsarbeit immer noch zu viel sein und ihr seid besser dran, wenn ihr einfach mit der nächsten Übung weitermacht. Sehen wir uns einige Beispiele an. Nehmen wir an, ein fortgeschrittener Bodybuilder soll 175 kg für 5 Wiederholungen in der Kniebeuge trainieren, was eine neue Bestmarke im Programm wäre. Er führt bereits AVT und wellenförmige Periodisierung mit einem Trainingsvolumen von 4 Sätzen durch und der Fortschritt ist im Allgemeinen konsistent, so dass reaktives Deloading für die Kniebeuge durchgeführt wird. Erster Arbeitssatz, er schafft nur 4 statt 5 Wiederholungen. Da er sich wahrscheinlich noch nicht ausreichend erholt hatte, führt er ein reaktives Deloading durch, um einer Überbeanspruchung 46 vorzubeugen: Für seine verbleibenden Sätze senkt er das Gewicht auf 125 kg und führt 3 weitere Sätze a 3 Wiederholungen als Geschwindigkeitsarbeit durch. Beispiel 2: Angenommen, derselbe Bodybuilder macht später in derselben Trainingseinheit Bayesian Flys. Auch hier schreitet er nicht wie geplant voran und erreicht wie beim letzten Training wieder 6 Wiederholungen mit 22 kg, aber da Flys von Natur aus eine höhere Varianz in ihrer Leistung haben und es schwierig ist, eine Wiederholung zum 6RM hinzuzufügen, führt er kein reaktives Deloading durch und macht seine restlichen Sätze wie geplant (möglicherweise mit AVT). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ihr durch reaktives Deloading die Deloads in eurem Programm systematisch, aber individuell programmieren könnt, so dass ihr euren Trainingsstress nur bei Bedarf reduziert. Diese Deloads sind auch spezifisch für die Muskelgruppen, die sie tatsächlich benötigen, im Gegensatz zu einer proaktiven und willkürlichen Planung eines Ganzkörper-Deloads in eurem Programm. 47 Ermüdung und Übertraining Übertraining ist ein weiteres Thema in der Gemeinschaft des Krafttrainings, das voll von Bro-Science und unpräzisen Definitionen ist. Der allgemeine Gedanke, über den sich zumindest alle einig sind, ist, dass Übertraining eine übermäßige Ermüdung ist, die vorteilhafte muskuläre Anpassungen reduziert. Um Übertraining zu verstehen, müssen wir zuerst die Ermüdung verstehen. Was ist Ermüdung? Die meisten Menschen betrachten Ermüdung als ein Gefühl, für das es keine konkrete Definition gibt. In der Trainingswissenschaft haben wir eine sehr objektive und quantifizierbare Definition von Muskelermüdung. Muskelermüdung ist eine vorübergehende Abnahme der maximalen Krafterzeugungskapazität aufgrund von Veränderungen innerhalb des neuromuskulären Systems, die als Reaktion auf den Muskelgebrauch auftreten. Grundsätzlich verlieren Muskeln ihre Funktionalität, wenn sie stark beansprucht werden. In der Praxis kann man Ermüdung leicht als einen Kraftverlust nach einer belastenden Übung beobachten. Nach einem schweren Satz a 8 Wiederholungen schafft ihr beim nächsten Satz möglicherweise nur noch 5 Wiederholungen. Das ist Ermüdung. Während man neuromuskuläre Ermüdung intuitiv als „Abnutzung und Gebrauchsspuren“ bezeichnen kann, ist Ermüdung im Allgemeinen eine Unterbrechung eines oder mehrerer Prozesse, die an der Ausführung der ausgeführten Aufgabe beteiligt sind, wodurch sie zu einem begrenzenden Faktor werden und letztlich zum Abbruch der Aufgabe führen. Ermüdung ist sehr aufgabenspezifisch: Ihr könnt bei einer Tätigkeit oder in einem Körperteil sehr müde werden, bei einer anderen jedoch nicht. Neuromuskuläre Ermüdung kann zwei Ursprünge haben: Zentral und peripher, wie unten dargestellt. 48 Abbildung nach Boyas & Guevel (2011) Periphere Ermüdung Periphere Ermüdung oder lokale Ermüdung ist die greifbarere Art von Ermüdung, die in euren Muskeln auftritt. Während ihr intuitiv denken mögt, dass die periphere Ermüdung in erster Linie durch eine Schädigung des Muskels durch „Abnutzung und Gebrauchsspuren“ verursacht wird, scheint die tatsächliche Schädigung der 49 morphologischen Struktur des Muskels eine relativ kleine Ursache der Ermüdung zu sein. Stattdessen scheint die lokale Ermüdung 2 Hauptursachen zu haben. 1. Unterbrechung des kontraktilen Prozesses, was zu einer verminderten Krafterzeugung durch die Muskelfasern führt. 2. Störung der Stoffwechselprozesse, die zur Erzeugung von ATP erforderlich sind, was zu einer verminderten Energieproduktion führt. Metabolische Ermüdung entsteht häufig im Mittelpunkt, insbesondere in Form von „metabolischem Stress“, wie er von Brad Schoenfeld popularisiert wurde. Davor sprach die Bro-Bodybuilding-Gemeinschaft einfach von „dem Pump“ und „dem Burn“. Stoffwechselstress klingt wissenschaftlicher, hat aber in der Trainingswissenschaft eigentlich keine genau quantifizierte Definition, außer dass er sich auf die Akkumulation von Stoffwechselprodukten und den Sauerstoffmangel im Gewebe (Hypoxie) während des Trainings bezieht. Dies bezieht sich insbesondere auf hochintensives Training, das auf Kohlenhydrate (anaerobe Glykolyse) zur Energiegewinnung (ATP) angewiesen ist. Viele Lehrbücher schlagen vor, dass Laktat- und Wasserstoffionen (H+) die Hauptursache für Ermüdung bei hochintensiven Übungen sind. Laktat soll eine intrazelluläre Azidose verursachen, die die Kalziumfreisetzung behindert, was die Kontraktionsfähigkeit eurer Muskeln verringert. Die moderne Forschung zeigt jedoch, dass diese Theorie falsch ist. Laktat ist keine Quelle von Muskelermüdung; Laktat ist eigentlich ein Puffer gegen metabolischen Stress. Da in der Praxis jedoch die Laktatkonzentration mit der Menge an metabolischer Belastung und Ermüdung korreliert, kann Laktat in der Praxis als Stellvertreter für metabolische Belastung und Ermüdung verwendet werden. Laktat wird häufig, aber fälschlicherweise als Milchsäure bezeichnet, die im menschlichen Körper kaum vorhanden ist. 50 Einige Forscher stellen in Frage, ob neuromuskuläre Ermüdung irgendeinen metabolischen Ursprung hat, während andere argumentieren, dass anorganische Phosphatanreicherung Ermüdung verursacht. Es gibt auch gute Gründe dafür, dass Kalium und andere Elektrolyte die Kalziumsignalisierung und -freisetzung stören. Calciumionen (Ca++) sind, wie unten dargestellt, für die Muskelkontraktion unerlässlich. 51 Kontraktion einer Muskelfaser: Zwischen Aktin und den Myosinköpfen bildet sich eine Querbrücke, welche die Kontraktion auslöst. Solange Ca++-Ionen im Sarkoplasma verbleiben, um an Troponin zu binden und ATP verfügbar ist, wird die Muskelfaser weiter kontrahieren. Quelle: BC-Campus Aktuelle Überlegungen zur metabolischen Ermüdung: Ein Modell zur Veranschaulichung potenziell integrierter physiologischer Mechanismen, durch die Ionen-Ionen-Wechselwirkungen, Ionen-Metabolit-Wechselwirkungen und Katecholamine die Muskelkraftproduktion bei anstrengender Belastung beeinflussen. Durchgehende Linien mit Pfeil zeigen Unterstützung für den nachfolgenden Prozess an. 52 Gestrichelte Linien mit Pfeil zeigen den Widerstand gegen den nachfolgenden Prozess an. Ihr müsst dieses Modell für die Prüfung nicht vollständig verstehen. Quelle Unabhängig von den genauen Mechanismen und der Frage, ob der Ursprung der Ermüdung eine metabolische Komponente hat, gibt es definitiv eine Störung der kontraktilen Prozesse bei hochintensivem Training, die dazu führt, dass wir unfähig werden, ein bestimmtes Gewicht erneut zu heben. Zentrale Ermüdung Ihr wisst bestimmt, wie sehr euch Squats und Deadlifts ermüden? Wie ihr nach einem schweren Training Schlafprobleme habt? Warum sind Compound- und Hochintensitätstraining ermüdender als Isolationsarbeit und Sätze mit höheren Wiederholungen? Das ist die Ermüdung des Zentralnervensystems (ZNS). Angeblich... ZNS-Ermüdung ist ein Thema, das von Broscience durchsetzt ist. Schauen wir uns an, was zentrale Ermüdung ist, was sie verursacht und was dies für euer Training bedeutet. Was ist zentrale Ermüdung? Wie der Name schon sagt, tritt die ZNS-Ermüdung im zentralen Nervensystem auf: Im Gehirn und im Rückenmark. Wenn euer ZNS ermüdet ist, hat es Schwierigkeiten, eure Muskeln zu aktivieren. Selbst wenn eure Muskeln also in der Lage wären, viel Kraft zu produzieren, erreichen sie dieses Potenzial möglicherweise nicht, weil das ZNS ihnen nicht die richtigen Anweisungen gibt. Formal betrachtet tritt zentrale Ermüdung auf, wenn die Nettoerregung, die der motorische Kortex den Motoneuronen liefert, abnimmt. Mit anderen Worten, die Ermüdung des ZNS ist eine Abnahme der willentlichen Muskelaktivierung. 53 Eine populäre Theorie, das so genannte Zentralgouverneursmodell (CGM) der Ermüdung postuliert, dass die zentrale Ermüdung die einzige Quelle wahrer Ermüdung ist. Dieses Modell betrachtet Ermüdung als einen Mechanismus, durch den das Gehirn ein „katastrophales Systemversagen“ verhindert: Das Gehirn ermüdet euch „absichtlich“, um zu verhindern, dass ihr eurem Körper übermäßigen Schaden zufügt, z.B. durch Hyperthermie (Überhitzung) oder Ischämie (unzureichende Durchblutung). Das Gehirn oder der „zentrale Gouverneur“ nutzt also die Ermüdung zur Aufrechterhaltung der Homöostase. Das klassische Beispiel für den Beweis, dass der Zentralgouverneur in Aktion ist, ist die Fähigkeit der Marathonathleten, ihr Tempo am Ende zu erhöhen, um trotz großer peripherer Ermüdung ins Ziel zu sprinten. Dieser Endspurt lässt sich jedoch durch die unterschiedlichen physiologischen Anforderungen des Sprintens im Vergleich zum Laufen mit geringerer Intensität (z.B. unterschiedliche Substratnutzung) oder durch psychologische Faktoren (z.B. erhöhte Motivation, das Ziel zu erreichen) erklären. Ein wenig gesunder Menschenverstand sollte euch helfen zu erkennen, dass das CGM Unsinn ist. Versucht, mit extrem wunden Quads einen persönlichen Rekord im Kniebeugen aufzustellen. Euer geschwollener Quadrizeps ist vielleicht „nur periphere Ermüdung“, aber das hindert trotzdem eure Leistung. Das Modell des Zentralgouverneurs ist ausgiebig kritisiert worden, weil es die Aufgabenabhängigkeit nicht berücksichtigt. Es ist eine bekannte und leicht zu beobachtende Erkenntnis, dass Ermüdung aufgabenabhängig ist. Wenn ihr mehrere Sätze Bizepscurls absolviert, ermüdet euer Bizeps, aber eure Quads ermüden im Allgemeinen nicht, und eure Leistung bei nachfolgenden Beinstreckungen wird im Allgemeinen nicht beeinträchtigt. Selbst bei Übungen, an denen dieselben Muskelgruppen beteiligt sind, ist klar, dass die Ermüdung sehr aufgabenspezifisch ist. Darüber hinaus ist die Ermüdung intensitätsspezifisch. Gemäß dem Thema der Post- activation-potentiation ist es beispielsweise möglich, Ermüdung mit hochintensiven 54 Übungen zu induzieren, welche die Leistung beim anschließenden Ausdauertraining verbessern. Wenn also das nächste Mal jemand das Zentralgouverneursmodell der Ermüdung anspricht, schickt ihm dieses Bild des einzig wahren Gouverneurs des Bodybuildings. Wissenschaftler messen die Ermüdung des Zentralnervensystems häufig, indem sie das Verhältnis von willkürlicher zu unwillkürlicher Muskelaktivierung vergleichen. Die unwillkürliche Muskelaktivierung kann mit elektrischer Stimulation getestet werden. Einer der Fortschritte in der kognitiven Neurowissenschaft ist die transkranielle (trans = durch, cranium = Schädel) Magnetstimulation (TMS). Mit einem elektrischen Gerät können Forscher bestimmte Bereiche des Gehirns mit einem elektrischen Strom stimulieren. Sie können z.B. eure Hand bewegen lassen, indem sie das Gerät an eine bestimmte Stelle eures Gehirns setzen. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man spürt, wie sich der Körper bewegt, ohne dafür verantwortlich zu sein. Indem wir die unwillkürliche Aktivierung testen, können wir sehen, ob das Gehirn eure Muskeln so gut aktiviert, wie es könnte. Das zentrale Aktivierungsverhältnis (Central Activation Ratio, CAR) gibt uns im Grunde genommen die Lücke zwischen der Frage, wie stark ein Muskel physisch aktiviert werden kann (mit TMS) und wie viel davon das ZNS „freiwillig“ erreicht. 55 Wir können die zentrale Ermüdung auch messen, indem wir direkt auf das Signal schauen, das vom motorischen Kortex des Gehirns an eure Muskeln gesendet wird, formal die kortikospinale Erregbarkeit. Ein Maß für dieses Signal ist das motorisch evozierte Potential (MEP). Eine Abnahme des MEP bedeutet, dass eine zentrale Ermüdung vorliegt, da das ZNS den Muskel nicht mehr zu 100% steuert. Verwandte Messgrößen der Unfähigkeit des Zentralnervensystems, eure Muskeln zu aktivieren, sind die intrakortikale Fazilitation (ICF), die intrakortikale Kurzintervall-Inhibition (SICI) und die intrakortikale Langintervall-Inhibition (LICI). Was verursacht ZNS-Ermüdung? Die ZNS-Ermüdung wird allgemein als Folge von Übungen mit großen neuronalen Anforderungen, d.h. Übungen mit hoher Intensität, bezeichnet. Das klingt sehr plausibel. Je höher der Prozentsatz des 1RM, mit dem ihr trainiert, je mehr Arbeit das ZNS zu erledigen hat, desto müder wird das ZNS, nicht wahr? Falsch. Es ist genau andersherum. Die zentrale Ermüdung ist nach einem Ausdauertraining mit niedriger Intensität größer als nach einem Ausdauertraining mit hoher Intensität. Die Forschung, die eine Ermüdung des Zentralnervensystems durch Krafttraining feststellt, basiert oft auf künstlichen Trainingsprotokollen, die mehr Ausdauer- als Krafttraining aufweisen. Als Beispiel für eine „Krafttraining“-Forschung, die eine signifikante zentrale Ermüdung feststellte, untersuchten Smith et al. (2007) eine 70- minütige Bizepskontraktion. Eine ähnliche Studie fand eine zentrale Ermüdung nach einer 4-minütigen Dorsalflexor-Kontraktion. Genau wie beim Ausdauertraining nimmt die zentrale Ermüdung während isometrischer Kontraktionen mit der Trainingsdauer zu , so dass diese Studien zwar ein Beweis für die Existenz einer zentralen Ermüdung sind, aber kaum Aufschluss darüber geben, was während eines praktischen Krafttrainings passiert, bei dem die Muskelkontraktionen typischerweise Sekunden und nicht Minuten dauern. 56 Marshall et al. (2015) verwendeten etwas praktischere Kontraktionszeiten von 30 und 60 Sekunden mit Intensitäten von 40% und 80% des maximalen Drehmoments bei isometrischen Beinstreckungen bei trainierten Männern. Keines der beiden Trainings verringerte die zentrale motorische Leistung. Tatsächlich gab es eine Hochregulierung der zentralen Motorleistung, vermutlich um die periphere Ermüdung auszugleichen. Die Intensität von 40% resultierte in der größten peripheren (Muskel-)Ermüdung sowie in der größten ZNS-Hochregulierung. Latella et al. (2017) verglichen in einem praktischeren Trainingsumfeld die Auswirkungen auf das Nervensystem eines „Hypertrophie-Trainings“ mit 3 Sätzen a 12 Wiederholungen mit 1 Minute Pause zwischen den Sätzen mit einem „Krafttraining“ mit 5 Sätzen a 3 Wiederholungen mit 3 Minuten Pause zwischen den Sätzen in der Beinstreckmaschine. Die gesamte neuromuskuläre Ermüdung war nach beiden Trainings peripherer Natur. Die Funktion des ZNS, gemessen anhand von ICF, SICI und LICI, änderte sich überhaupt nicht. MEP zeigte erneut eine Hochregulation der zentralen Motorleistung, welche die Forscher als Kompensationsmechanismus bezeichneten, um die muskuläre Ermüdung auszugleichen. Die Hochregulierung war akut: Sie war nur unmittelbar nach dem Training signifikant - satte 250% des Ausgangswertes - und löste sich dann im Verlauf von 6 Stunden auf. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die weit verbreitete Theorie, dass höhere Trainingsintensitäten eine größere Ermüdung des Zentralnervensystems hervorrufen, ein Mythos ist. Es ist eher die Dauer oder das Volumen der Übung als die Intensität der Übung - im Wesentlichen das Gegenteil -, welche eine Ermüdung des Zentralnervensystems verursacht. Da Krafttraining von Natur aus ein Training mit hoher Intensität ist, leidet es nicht sehr unter der Ermüdung des Zentralnervensystems. Die überwiegende Mehrheit der Ermüdung während eines Krafttrainings ist auf periphere Faktoren zurückzuführen. Tatsächlich finden mehrere Studien überhaupt keine Ermüdung des ZNS nach einem Krafttraining. 57 Thomas et al. (2018) fanden nach 10 Sätzen Kniebeugen überhaupt keine signifikante zentrale Ermüdung. Tran et al. (2006) fanden heraus, dass die Mehrheit der neuromuskulären Ermüdung nach mehreren Variationen von 3 Sets von preacher curls durch periphere Faktoren erklärt werden könnte. Die zentrale Ermüdung wurde jedoch nicht direkt gemessen, so dass sie möglicherweise eine kleine Rolle gespielt hat. Howatson et al. (2016) ist vielleicht das aufschlussreichste Beispiel dafür, wie überbewertet die ZNS-Ermüdung für das Krafttraining ist. Sie untersuchten die neuromuskuläre Erholung von Elitesportlern. Die Jungs beugten weit über 8 Scheiben (190 kg) und liefen die 100 m in 10,44 Sekunden. Zum Vergleich: Der Weltrekord liegt bei 9,58 Sekunden, aufgestellt von Usain Bolt im Jahr 2009. Die Damen schafften eine Kniebeuge über 4 Scheiben (108 kg) und liefen die 100 m in 11,73 Sekunden. Der Weltrekord für Frauen liegt bei 10,49 Sekunden, aufgestellt von Florence Griffith-Joyner im Jahr 1988. Diese Eliteathleten absolvierten dann eines ihrer typischen Workouts, bestehend aus 4 Sätzen a 5 Wiederholungen für die Rückenkniebeuge, Splitsquats und die Push Press: Insgesamt 12 Sätze schwerer Verbundarbeit. Es gab keine zentrale Ermüdung. Die freiwillige Aktivierung des zentralen Nervensystems nahm von vor bis nach dem Training nicht ab und war 24 Stunden später immer noch stabil. Natürlich gab es eine signifikante neuromuskuläre Ermüdung, was sich in einer verminderten Kontraktionskraft der Muskeln (MVIC) und einem unbedeutenden Trend zu einer geringeren Sprunghöhe (CMJ) zeigte. Es gab auch eine metabolische Belastung, die durch einen Anstieg des Blutlaktats gemessen wurde. Das Nervensystem hatte jedoch keine Schwierigkeiten, die Muskeln zu aktivieren. Die Muskeln waren einfach selbst ermüdet, vermutlich durch die Schädigung durch das Training und den metabolischen Stress. Die Ermüdung war lokal, innerhalb der Muskeln, nicht im zentralen Nervensystem. Es macht Sinn, dass das zentrale Nervensystem nicht leicht ermüdet. Das ZNS ähnelt eher einem Computer als einem Muskel. Es hat keine Fasern, die bei Gebrauch reißen, 58 es sammelt keine Stoffwechselabfallprodukte an und es hat keine Energiesubstrate, die leicht erschöpft werden. Einige Forscher haben in Frage gestellt, ob es überhaupt eine Ermüdung des ZNS gibt. Der größte Teil dessen, was früher als zentrale Ermüdung angesehen wurde, kann jetzt durch lokale Ermüdung erklärt werden. ZNS-„Ermüdung“ tritt wahrscheinlich über andere Mechanismen auf, wie z.B. die Wirkung von Neurotransmittern, die während des Trainings produziert werden. Ammoniak kann ebenfalls eine Ermüdung des ZNS verursachen, da es neurotoxisch ist: Die muskuläre Ammoniakproduktion während der Belastung kann ins Blut austreten und die Blut-Hirn- Schranke überwinden, was zu Neurotoxizität führen kann [2, 3]. Allerdings scheint eine ZNS-Ermüdung beim Krafttraining in bestimmten Situationen aufzutreten. Zu