Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen 2. PDF

Summary

Dieser Text stellt eine Zusammenfassung von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen dar, basierend auf dem ICD-10 und dem DSM-V. Er beschreibt verschiedene Kategorien, Kriterien und Modelle dieser Störungen sowie die Epidemiologie und Ätiologie. Die Zusammenfassung deckt zudem unterschiedliche Therapien und neue Perspektiven im ICD-11 ab.

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## 2. Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen ### Riemer Psychische Erkrankungen I ### Kategorien der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen im ICD-10 * Spezifische Persönlichkeitsstörungen (F60, Borderline Persönlichkeitsstörung im nächsten Semester) * Kombinierte und andere Persönlichkeitsst...

## 2. Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen ### Riemer Psychische Erkrankungen I ### Kategorien der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen im ICD-10 * Spezifische Persönlichkeitsstörungen (F60, Borderline Persönlichkeitsstörung im nächsten Semester) * Kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen (F61) * Andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des Gehirns (F62) * Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (F63) Kleptomanie * Störungen der Geschlechtsidentität (F64) * Störungen der Sexualpräferenz (F65) * Psychische Störungen und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung (F66) * Andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F68) ### Persönlichkeitsstörungen: Allgemeine ICD-10-Kriterien * charakteristische und dauerhafte innere Erfahrungsmuster weichen deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Normen ab; Abweichungen äußern sich in mehr als einem Bereich: (1) Kognition, (2) Affektivität, (3) Impulskontrolle und Bedürfnissbefriedigung, (4) Handhabung zwischenmenschlicher Beziehungen * Abweichung so ausgeprägt, dass das Verhalten in vielen Situationen unflexibel, unangepasst, unzweckmäßig ist * persönlicher Leidensdruck, nachteiliger Einfluss auf die Umwelt oder beides * Abweichung ist stabil, von langer Dauer und begann in der späten Kindheit oder Adoleszenz * nicht erklärbar durch andere psychische Störung, aber andere Störungen können bestehen; organische Krankheit als Ursache ist ausgeschlossen * verschiedene Subtypen sowie kombinierte Störung ohne vorherrschendes Bild ### Modelle der Persönlichkeitsstörungen * **kategoriale Ansätze:** klar unterscheidbare Typen oder nosologische Einheiten; Problem: hohe Komorbidität und willkürliche Cut-Off-Werte * **dimensionale Ansätze:** quantitative Ausprägung mit fließenden Übergängen zwischen normal und pathologisch, klinische Relevanz umstritten ### Epidemiologie und Ätiologie der Persönlichkeitsstörungen * **Epidemiologie:** * Prävalenz der Persönlichkeitsstörungen in verschiedenen Bevölkerungsstichproben 6–22% * Prävalenz in Deutschland 11%; bei psychotherapeutischen und psychiatrischen Patienten 40% * häufiger in Stadtbevölkerung und sozial schwachen Schichten * über alle Gruppen gleiche Geschlechterverteilung, aber große Unterschiede bei spezifischen PS (antisoziale und zwanghafte PS: mehr ơ, Borderline, selbstunsichere und dependente PS: mehr 우) * **Ätiologie:** * Zwillingsstudien: genetische Faktoren * unterschiedliche Modelle (analytisch, interpersonell, KVT, neurobiologisch etc.) ### Clustereinteilung der Persönlichkeitsstörungen (nach DSM-V) * **A: sonderbar exzentrisch** * paranoid * schizoid * schizotyp * **B: dramatisch emotional impulsiv** * emotional instabil * dissozial * narzisstisch * histrionisch * **C: ängstlich vermeidend unsicher** * ängstlich abhängig * zwanghaft ### Kernsymptome von Persönlichkeitsstörungen (I) * **Paranoide Persönlichkeitsstörung:** Misstrauen und Verdacht gegenüber anderen, ohne ausreichenden Grund * **Schizoide Persönlichkeitsstörung:** Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Beziehungen und eingeschränkte emotionale Ausdrucksfähigkeit * **Schizotypische Persönlichkeitsstörung:** exzentrisches Verhalten und ungewöhnliche Denkmuster, oft verbunden mit sozialen und zwischenmenschlichen Defiziten. * **Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung:** * **Impulsiver Typ:** emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle im Vordergrund * **Borderline-Persönlichkeitsstörung:** Instabilität in Beziehungen, Selbstbild und Emotionen, verbunden mit impulsivem Verhalten ### Kernsymptome von Persönlichkeitsstörungen (II) * **Dissoziale Persönlichkeitsstörung:** Missachtung und Verletzung der Rechte anderer, oft kriminelles Verhalten * **Narzisstische Persönlichkeitsstörung:** großes Bedürfnis nach Bewunderung und Mangel an Empathie, oft ein übertriebenes Selbstwertgefühl * **Histrionische Persönlichkeitsstörung:** übermäßige Emotionalität und Aufmerksamkeitssuche, dramatisches Verhalten * **Ängstliche Persönlichkeitsstörung:** soziale Hemmung und Überempfindlichkeit gegenüber negativer Bewertung, verbunden mit einem starken Wunsch nach Akzeptanz * **abhängige Persönlichkeitsstörung:** übermäßiges Bedürfnis, versorgt zu werden, und Angst vor Trennung oder Alleinsein * **zwanghafte Persönlichkeitsstörung:** starke Beschäftigung mit Ordnung, Perfektion und Kontrolle auf Kosten von Flexibilität und Effizienz ### Achtung: Schizotype Persönlichkeitsstörung (F21) * gehört anders als die anderen Persönlichkeitsstörungen zu den psychotischen Störungen (Kapitel F2: Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen) * **Kriterien:** niemals Kriterien einer F20 erfüllt; über mindestens zwei Jahre mindestens vier der Symptome ununterbrochen oder wiederholt * kalt, unnahbar * exzentrisch, skurril, eigentümlich * wenig soziale Bezüge * sonderbare Ansichten, magisches Denken * Misstrauen oder paranoide Vorstellungen * Grübeln ohne inneren Wiederstand, oft mit dysmorphophoben, sexuellen oder aggressiven Inhalten * ungewöhnliche Wahrnehmungen (Illusionen, Derealisation) * vages, umständliches, metaphorisches, stereotypes Denken * gelegentlich quasi-psychotisches Erleben ohne äußere Veranlassung ### Achse-I Komorbiditäten bei Persönlichkeitsstörungen * **Angststörungen:** Komorbidität 50%, v.a. abhängig, zwanghaft, selbstunsicher * **Depressive Störungen:** 40%, v.a. Borderline, ängstlich-vermeidend, histrionisch, abhängig * **Essstörungen:** 50% * Komorbidität mit PS verstärkt die Symptomatik der Achse-I-Störung und verschlechtert die Prognose ### Therapie bei Persönlichkeitsstörungen * **Psychotherapie:** verhaltenstherapeutische, psychodynamische, tiefenpsychologische Verfahren; modifizierte Ansätze, die verschiedene Verfahren integrieren; z. B. dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) bei Borderline PS (mehr im nächsten Semester) * **Standard:** ggf. Psychopharmakotherapie, z. B. Antidepressiva, Atypika, Stimmungsstabilisierer * **therapeutische Probleme:** * keine Änderungsmotivation seitens des Patienten, sondern Stabilisierungsmotivation; entsprechende Versuche des Therapeuten werden oft blockiert * Interaktionsprobleme werden vom Therapeuten oft nicht erkannt * Patienten bereiten dem Therapeuten Probleme auf der Beziehungsebene ► „persönliche Verstrickung“, Ärger, Hilflosigkeit, Resignation, Verlust der therapeutischen Distanz sind Folgen ### Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 * Paradigmenwechsel von einem kategorialen zu einem dimensionalen Ansatz: statt spezifischer Typen werden Persönlichkeitsstörungen nun auf einem Kontinuum der Schwere beschrieben * allgemeine Diagnose „Persönlichkeitsstörung“, die durch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Persönlichkeitsfunktion und spezifische problematische Persönlichkeitsmerkmale weiter differenziert wird * Änderung adressiert Probleme (z.B. hohe Komorbidität und variable Symptompräsentation innerhalb derselben Kategorie), die in der ICD-10 häufig zur Diagnose „Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet" führten; schwierig, da keine therapeutische Konsequenz ### Andauernde Persönlichkeitsveränderungen * Persönlichkeits- oder Verhaltensstörungen, die bei Personen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach katastrophaler oder extrem anhaltender Belastung (z.B. Folter) entwickeln * nicht Folge einer Hirnschädigung * Dauer mindestens 2 Jahre * **Formen:** * Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung; Auftreten z.B. nach Folter; gekennzeichnet z.B. durch permanente Todesfurcht, sozialen Rückzug, Hoffnungslosigkeit, Gefühl der Lehre; Differentialdiagnose PTBS * Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach psychischer Krankheit ### Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle * **Pathologisches Spielen:** häufiges und wiederholtes episodenhaftes Glücksspiel, das die normale Lebensführung des betroffenen Patienten einschränkt und im Verlauf zum Verlust sozialer, beruflicher und familiärer Verpflichtungen führt; nach DMS-V und ICD-11 als Suchterkrankung klassifiziert * **Pyromanie:** häufiges Brandstiften an fremdem Eigentum und ständige Beschäftigung mit Feuer und Brand * **Kleptomanie:** häufiges Stehlen von Gegenständen, die nicht der persönlichen Bereicherung dienen * **Trichotillomanie:** häufiges Ausreißen der Haare mit starkem Haarverlust; wachsende innere Spannung bis zur Handlung und starke Erregung sofort nach der Ausführung sind typisch ### Störungen mit Bezug zu Geschlecht oder Sexualität (ICD-10) | Geschlecht / Sexualität | |---|---| | Mangel an Verlangen | Fetischismus | | Sexuelle Aversion und mangelnde Befriedigung | Fetischistischer Transvestitismus | | Versagen genitaler Reaktionen | Exhibitionismus | | Orgasmusstörung | Voyeurismus | | Ejakulatio praecox | Pädophilie | | Nichtorganischer Vaginismus | Sadomasochismus | | Nichtorganische Dysparaeunie | Multiple Störungen der Sexualpräferenz | | Gesteigertes Verlangen | | | Transsexualismus | Störungen der Sexualpräferenz F65| | Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen | | | Störung der Geschlechtsidentität im Kindesalter kann zu Transexualismus werden | Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit F52 | | | Störungen der Geschlechtsidentität / Geschlechts-Inkongruenz F64 | | | Psychische Störungen und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung F66 | | | Sexuelle Reifungskrise | | | Ichdystone Sexualorientierung | | | Sexuelle Beziehungsstörung | F52 + F64 sind im ICD-11 nicht mehr den psychischen Störungen zugeordnet, sondern eingeordnet unter „Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit“ ### Störungen der Sexualpräferenz (Paraphilien) 1. wiederholt auftretende intensive sexuelle Impulse und Phantasien, die sich auf ungewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten beziehen 2. Person handelt entsprechend den Impulsen oder fühlt sich deutlich durch sie beeinträchtigt 3. Präferenz seit mindestens sechs Monaten * **Fetischismus** (sexuelle Erregung durch Objekte wie Schuhe, Kleidungsstücke) * **Fetischistischer Transvestitismus** (Tragen von Kleidern des anderen Geschlechts gekoppelt mit sexueller Erregung) * **Exhibitionismus** (Zeigen der Genitalien, Lustgewinn durch Erschrecken, kein Wunsch zum Geschlechtsverkehr) * **Voyeurismus** (Zuschauen bei sexuellen Tätigkeiten verbunden mit sexueller Erregung; kein Wunsch, sich zu offenbaren) * **Pädophilie** (Präferenz für sexuelle Handlungen mit Kindern) * **Sadomasochismus** (Erregung durch Schmerzen, Erniedrigung, Fesseln) * **Multiple Störungen der Sexualpräferenz** (meist Fetischismus, Sadomasochismus, Transvestitismus) ### Andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen * **Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen** (Aggravation, „Rentenneurose“) * **Artifizielle Störung** (Vortäuschen / absichtliches Erzeugen von Symptomen, „Münchhausen“ bei sich oder anderen)

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