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MSH Medical School Hamburg

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sleep physiology sleep disorders psychology

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This document provides an outline of a lecture on sleep, covering topics such as the definition of sleep, its architecture and physiology, the role of sleep in memory and dream function, and sleep disorders. The document is intended for undergraduate-level students.

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Was soll in dieser Vorlesung gelernt werden? Kenntnis der Definition von Schlaf und seiner (vermuteten) Funktionen Grundkenntnisse der Architektur und Physiologie des Schlafes Verständnis der Rolle des Schlafes für das Gedächtnis und der Funktion von Träumen Kenntnis von Formen von Sch...

Was soll in dieser Vorlesung gelernt werden? Kenntnis der Definition von Schlaf und seiner (vermuteten) Funktionen Grundkenntnisse der Architektur und Physiologie des Schlafes Verständnis der Rolle des Schlafes für das Gedächtnis und der Funktion von Träumen Kenntnis von Formen von Schlafstörungen und von typischen Folgen von Schlafmangel 4 Was ist Schlaf? Schlaf - Definition Natürlicher, schnell reversibler Zustand relativer Inaktivität mit reduzierter Reaktivität auf externe Stimulation und Bewusstlosigkeit (Miyazaki et al., 2017) Homöostatisch reguliert (Borbély & Achermann, 1999) In allen Vertebraten (Säugetiere, Fische, Reptilien, Vögel) Schlaf-ähnliche Zustände auch in Invertebraten, z.B. Bienen, Schaben (Cirelli & Tononi, 2008) 6 Historische Entwicklung Anfänge der physiologischen Schlafbeobachtung in den 1930er- Jahren: Alfred Loomis und Mitarbeiter zeichneten erstmals das Elektroenzephalogramm (EEG) beim schlafenden Menschen auf Zwei Erkenntnisse: 1. Die elektrische Aktivität des Gehirns verändert sich im Laufe einer Nacht mehrfach 2. Wechsel in zyklischer Weise zwischen typischen „Mustern“, die mit der Schlaftiefe (= Höhe der Weckschwelle) zusammenhängen Systematische laborexperimentelle Schlafforschung seit 1953: Entdeckung der rapid eye movements (REMs) 7 Drei psychophysiologische Standardmaße des Schlafs 1. Elektroencephalogramm (EEG): Beim Menschen verändert sich die EEG- Aktivität im Verlauf einer Nacht bedeutsam. 2. Elektrookulogramm (EOG): Es kommt zu rapid eye movements (REMs). 3. Elektromyogramm (EMG): Aktivität der Nackenmuskeln nimmt ab. 8 EEG Frequenzbänder Alphawellen (α): 8–13Hz Betawellen (β): 14–30Hz https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=473243 Hugo Gamboa - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Thetawellen (θ): 4–7Hz Deltawellen (δ): 0,5–3Hz 9 Schlaf – Architektur & Physiologie Wach 2 Stadien des menschlichen Schlafs, die über die Schlafperiode zyklieren: NREM Rapid Eye Movement (REM): Beta- & Theta-Aktivität Non-REM (NREM) REM N1: Theta-Aktivität (4-8 Hz) Wach N2: Schlafspindeln (7-14 Hz) REM & K-Komplexe (Ripples) N3 + N4 (Slow-Wave Schlaf, NREM SWS): Delta-/Slow-Wave – Aktivität (1-4 Hz) Abb. modifiziert aus Miyazaki et al., 2017 10 Verlauf der Schlafstadien Jeder Schlafzyklus ist ca. 90 Minuten lang. Im Verlauf einer Nacht wird zunehmend mehr Zeit im Schlafstadium 1 und immer weniger Zeit in den anderen Schlafstadien verbracht. Es gibt im Verlauf einer Nacht kurze Wachphasen, die aber normalerweise am nächsten Morgen nicht erinnert werden. Abb. modifiziert aus Miyazaki et al., 2017 11 Wachstadium Gekennzeichnet durch Alphawellen und alternierend Betawellen Beide Wellentypen lösen sich in kurzen Zeitabständen (ca. 1–20 Sek) gegenseitig ab Im entspannten Wachzustand mit geschlossenen Augen dominieren Alphawellen Quelle: Bischofberger J. Wachheit und Schlaf im EEG. In: Behrends J, Bischofberger J, Deutzmann R, et al., Hrsg. Duale Reihe Physiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. doi:10.1055/b-004-132217 12 Stadium N1 Übergangszustand zwischen Wachen und Schlafen Niedrigamplitudige Alphawellen, Betawellen und Thetawellen Häufig langsam rollende Augenbewegungen α-Wellen Quelle: Bischofberger J. Wachheit und Schlaf im EEG. In: Behrends J, Bischofberger J, Deutzmann R, et al., Hrsg. Duale Reihe Physiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. doi:10.1055/b-004-132217 13 Stadium N2, Schlafspindeln und K-Komplexe Schlafspindeln und K-Komplexe bei Eintritt in den Schlafzustand Schlafspindeln: Kurze Züge von EEG-Wellen, Frequenz: 12–14 Hz, Dauer: 0,5–1 Sek Wahrscheinlich Zeichen reduzierter Aufnahmebereitschaft des Kortex für externe Reize K-Komplexe: Plötzlich erscheinende scharfe Wellenformen mit hoher Amplitude (Reaktion auf akustische Reize) Auftretenshäufigkeit ca. 1x pro Minute Quelle: Bischofberger J. Wachheit und Schlaf im EEG. In: Behrends J, Bischofberger J, Deutzmann R, et al., Hrsg. Duale Reihe Physiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. doi:10.1055/b-004-132217 14 Tiefschlafstadien (Slow-Wave-Sleep): Stadium N3 und N4 Stadium N3: Gekennzeichnet durch das Auftreten von Deltawellen mit einem Anteil von 20–50% des EEG innerhalb eines 30-Sekunden- Zeitraums Stadium N4: Gekennzeichnet durch das Auftreten von Deltawellen mit einem Anteil von über 50 % des EEG innerhalb eines 30-Sekunden- Zeitraums Quelle: Bischofberger J. Wachheit und Schlaf im EEG. In: Behrends J, Bischofberger J, Deutzmann R, et al., Hrsg. 15 Duale Reihe Physiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. doi:10.1055/b-004-132217 REM-Schlaf Das EEG ist dem des Schlafstadiums N1 sehr ähnlich: Hochfrequent einschießende Thetaaktivität mit etwas spitzeren Wellenformen („Sägezahnaktivität“) sowie Gammawellen Auffälligstes Charakteristikum: Schnelle Augenbewegungen → 1-4 Rollbewegungen pro Sek in sog. REM-Bursts Quelle: Bischofberger J. Wachheit und Schlaf im EEG. In: Behrends J, Bischofberger J, Deutzmann R, et al., Hrsg. Duale Reihe Physiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016. doi:10.1055/b-004-132217 16 Weitere Charakteristika des REM-Schlaf Weckschwelle ist hoch → paradox in Anbetracht des hier vorherrschenden EEGs (dem Wachzustand ähnlich!) Muskuläre Inaktivierung, deren biologische Bedeutung im Verhindern des Ausagierens von Trauminhalten gesehen wird Myocloni: Kurze Muskelzuckungen, sehr scharfe, vereinzelt auftretende Spitzen im EMG Verstärkte Genitaldurchblutung In Nächten nach REM-Deprivation tritt REM-Schlaf mit erhöhter Häufigkeit auf. Anteil des REM-Schlafs an der Gesamtschlafdauer ist beim Neugeboren am höchsten und nimmt bis ins hohe Alter kontinuierlich ab. 17 Träume Aufwachen aus dem REM-Schlaf hat in 80% der Fälle eine Traumerinnerung zur Folge, Aufwachen aus einem Non-REM-Schlaf jedoch nur in 7% der Fälle Träume im REM-Schlaf sind in der Regel lebendiger, handlungsreicher und gefühlsbetonter als Non-REM-Träume Sigmund Freud: Träume werden durch unannehmbare, unterdrückte Wünsche, oft sexueller Natur, ausgelöst. Sie sind Schlüssel zum Verständnis und zur Behandlung psychischer Probleme (man kann die Bedeutung der latenten Träume durch Deutung ihrer manifesten (erlebten) Träume zu enthüllen) → Keine überzeugenden Beweise für Freuds Traumtheorie! 18 Aktivierungs-Synthese-Theorie von Hobson (1989) Während des REM-Schlafs werden viele Schaltkreise des Hirnstamms aktiv und „bombardieren“ den zerebralen Kortex mit neuronalen Signalen Die Aktivierungs-Synthese-Theorie geht davon aus, dass dem Kortex während des REM-Schlafs größtenteils zufällige Informationen zur Verfügung gestellt werden („Aktivierung“). Der daraus entstehende Traum ist der Versuch des Kortex, aus diesen zufälligen Signalen Sinn zu machen („Synthese“). Cholinerge Erregung, v.a. während der REM-Phasen, wird kortikal entsprechend der Erfahrung am Tage interpretiert. Dabei führen plötzliche Impulse aus Pons, NGL und Okzipitallappen (sog. PGO-Erregungen) zu visuellen Vorstellungen, welche integriert werden. 19 Schlaf – Warum? Evolutionärer Fitnessgewinn “Energiesparmodus“: Energie- und Zellwiederherstellung, Thermo- und metabolische Regeneration, adaptive Immunfunktionen Aber: Auch im entspannten Wachzustand möglich?! Essentiell „für das Gehirn“: Entgiftung, (Glykogen-)Regeneration, Bedeutung für Lernen und Gedächtnis sowie synaptische Plastizität Eselsbrücke: Die drei “E‘s“: Erholung (Immunsystem, Muskulatur, Skelett) Erinnerung (Informationsverarbeitung, Lern-und Gedächtnisprozesse), Entwicklung (Sprache, Bewegungsmuster, Reifung des Gehirns,....) 20 Schlaf und Gedächtnis Schlaf und Gedächtnis Das wache Gehirn ist optimiert für die Verarbeitung neuer (Enkodierung) und den Abruf gespeicherter Informationen. Schlaf ist durch die reduzierte Reaktivität auf externe Reize ein optimaler Zustand für die Stabiliation noch labiler Inhalte (Konsolidierung). Enkodierung Konsolidierung Abruf (Rasch & Born, 2013) 22 Schlaf und Gedächtnis Klassische Studie mit N=2, die über einen 2-Monats-Zeitraum im Labor lebten und fast jeden Tag/jede Nacht getestet wurden Schlaf Korrekt erinnerte Silben Erfassung der Anzahl korrekt erinnerter Silben nach Retentionsintervallen von 1, 2, 4 oder 8 Stunden Schlaf bzw. Wach Wachheit Ergebnis: 1 bis 8 Stunden Schlaf Stunden verbessern Abruf von zuvor gelernten Nonsens-Silben (Jenkins & Dallenbach, 1924) Abb. modifiziert aus Rasch & Born, 2013 Aber: keine Auskunft darüber, welche Schlafphasen besonders wichtig sind … 23 Schlafphasen & Gedächtnissysteme Wortpaar-Abruf Spiegelzeichnen (deklarativ) (prozedural) Verbesserung (Sek) Verbesserung (%) ▪ Ein Nickerchen am Nachmittag (ohne REM) verbessert Abruf von Wortpaaren, jedoch nicht Spiegelzeichnen (Tucker et al., 2006) Wach Schlaf Wach Schlaf NREM-Schlaf ist beteiligt an der Konsolidierung deklarativer, Hippocampus- abhängiger Erinnerungen REM-Schlaf ist beteiligt an der Konsolidierung emotionaler, Amygdala-abhängiger sowie prozeduraler Erinnerungen (für einen Überblick, siehe Payne, 2011) 24 Schlaf & Gedächtnis Schlaf nach dem Lernen verbessert die Gedächtnisleistung für deklarative und prozedurale Inhalte! Dies sollte aber nicht mit neuem Lernen verwechselt werden. Wie kommt es zu dieser Verbesserung? Passive Rolle Aktive Rolle Schlaf schützt vor retroaktiver Schlaf schafft ein Milieu, das Interferenz Konsolidierungsprozesse begünstigt 25 Schlaf & Gedächtnis Schlaf nach dem Lernen verbessert die Gedächtnisleistung für deklarative und prozedurale Inhalte! Dies sollte aber nicht mit neuem Lernen verwechselt werden. Wie kommt es zu dieser Verbesserung? Passive Rolle Aktive Rolle Schlaf schützt vor retroaktiver Schlaf schafft ein Milieu, das Interferenz Konsolidierungsprozesse begünstigt 26 Neuronale Mechanismen Im Slow-wave-Schlaf Reaktivierung neuer Gedächtnisinhalte aus einem temporären Speicher (Hippocampus) Reaktivierungen als Grundlage für graduellen Transfer in neokortikale Netzwerke (Langzeitspeicherung und Integration) Transfer über Synchronisation der Reaktivierungen und neokortikaler Aktivität Abb. aus Rasch & Born, 2013 Stabilisation übertragener Gedächtnisinhalte im REM Schlaf 27 Zirkadianer Rhythmus Chronotypen – Lerche oder Eule? Die bevorzugte Schlafens-/Wachzeit und der Zeitpunkt maximaler Leistungsfähigkeit weichen zwischen Lerchen (Frühaufstehern) und Eulen (Nachtmenschen) um Stunden voneinander ab! Diese Chronotypen sind genetisch festgelegt. Image by Chräcker Heller from Pixabay Kinder sind zumeist frühe Chronotypen, was sich dann in der Pubertät und Adoleszenz nach hinten verschiebt. Es ist ungünstig (aber nicht unmöglich), wenn man gegen seinen Chronotyp lebt Image by Dimitris Vetsikas from Pixabay 29 Chronotypen – Häufigkeitsverteilung in der Bevölkerung Das Zentrum für Chronobiologie am Institut für Medizinische Psychologie der LMU München unterscheidet 7 Typen (links), die sich in 3 Haupttypen unterteilen lassen: Frühaufsteher („Lerche“; lila/blau) Normaltyp (hellblau/grün), Großteil der Bevölkerung Spätaufsteher („Eule“, „Abendmensch“, „Nachtmensch“, gelb/orange/rot), kommt Schlafens- häufiger vor als „Frühaufsteher“ zeit 30 Zirkadianer Rhythmus von Schlaf und Wachzustand diane Rhythmen von Schlaf und Wachzustand Täglicher Verlauf der Schlaf-Wach-Rhythmen eines Menschen: Jede horizontale Linie entspricht einem Tag; die durchgezogenen Linien stellen den Schlaf dar, die gestrichelten Linien den Wachzustand. Ein Dreieck zeigt den Punkt der niedrigsten Körpertemperatur des Tages an. Der Proband war wechselnden Lufttemperaturen ausgesetzt. Während der mittleren 25 Tage wurden dem Probanden Zeitreize entzogen und er konnte seinen Tagesablauf selbst bestimmen. Unter solchen „Freilauf“-Bedingungen blieben die Schlaf- Wach-Zyklen stabil, waren jedoch auf eine 25-Stunden-Periode ausgerichtet. Auffällig ist auch, dass der Tiefpunkt der Körpertemperatur sich vom Ende der Schlafphase zum Beginn der Schlafphase verlagerte. Während der letzten 11 Tage wurde mithilfe von Hell-und Dunkelperioden und Mahlzeiten erneut ein 24-Stunden- Rhythmus eingeführt. Die Körpertemperatur sank während des Schlafes allmählich wieder auf ihren normalen Punkt. hen Verlauf der Schlaf-Wach-Rhythmen eines Menschen dar. Jede horizontale 31 durchgezogenen Linien stellen den Schlaf dar, die gestrichelten ne Rhythmen von Schlaf und Wachzustand. Das Schaubild stellt den täglichen Linien den Neurobiologie des Schlafs Zweiprozessmodell von Borbely und Achermann (1992): Das Schlafbedürfnis auf Basis der zirkadianen Periodik wird zum Schlafbedürfnis aufgrund der vorangegangenen Wachheit in Bezug gesetzt. ➔ Einschlafdruck 32 Abb. aus Schandry, 2011 Nucleus suprachiasmaticus: Zentraler zirkadianer Taktgeber Nucleus suprachiasmaticus (NSC): Der wichtigste zirkadian oszillierende Taktgeber beim Menschen Kern des Hypothalamus, der Zuflüsse von der retino-thalamischen Bahn enthält, über die - vermittelt über Hell-Dunkel-Unterschiede im Tageslauf - ein ständiges Angleichen (Entrainment) der Rhythmik des NSC an die Tag-Nacht-Periodizität ermöglicht wird Projiziert zu anderen hypothalamische Kerne, die vegetative Funktionen steuern, sowie zur Epiphyse (Ausschüttung von Melatonin) Abb. aus Schandry, 2011 33 Melatonin Hat eine entscheidende Bedeutung bei der Schlafinduktion bzw. bei der Aufrechterhaltung eines ununterbrochenen Schlafs Produktion in der: Epiphyse (Zirbeldrüse) Melatoninsynthese: Tryptophan➔ Serotonin ➔ Melatonin Ausgeprägter zirkadianer Rhythmus: Anstieg in den Abendstunden, Abfall in den frühen Morgenstunden Bei hohem Lichteinfall auf die Retina sinkt die Melatoninausschüttung. Melatonin ist schlaffördernd und wirkt auf zahlreiche Zielorgane aktivitätsdämpfend. Abb. aus Pinel & Pauli, 2017 34 Aktivierungsmodulierende Strukturen der Schlaf-Wach-Regulation Ein niedriges Aktivitätsniveau in der Formatio reticularis erzeugt Schlaf Ein hohes Aktivitätsniveau erzeugt Wachheit Formatio reticularis wird auch aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem (ARAS) genannt Abb. aus Schandry, 2011 35 Aktivierungsmodulierende Strukturen der Schlaf-Wach-Regulation Locus caeruleus (LC): Enthält noradrenerge Neuronen, die verzweigt in den Neokortex, Hippocampus, Thalamus, die Kleinhirnrinde und weitere Kerne des Pons und die Medulla oblongata projizieren. Aktivität im LC sinkt vor dem Einschlafen kontinuierlich ab. Im Tiefschlaf ist sie deutlich erniedrigt und im REM-Schlaf schließlich minimal. Abb. aus Schandry, 2011 36 Aktivierungsmodulierende Neurotransmitter Noradrenalin: Aktivierende noradrenerge Neuronen im Locus Caeruleus des Hypothalamus verzweigen sich weit im Gehirn Acetylcholin (ACh): Zahlreiche Neurone, die von der Formatio reticularis zum basalen Vorderhirn laufen, sind cholinerg ACh-Ausschüttung korreliert hoch mit der motorischen Aktivität im Schlaf; wichtig für REM-Schlaf Serotonin: Für die aktive REM-Beendigung und REM-Unterdrückung von Bedeutung, sowie für die Aufrechterhaltung von Wachheit 37 Die Regulation von REM- und Slow-Wave-Schlaf REM-on-Neuronen: Cholinerge Neuronen, die vermutlich für die Auslösung der charakteristischen schnellen Augenbewegungen verantwortlich sind REM-off-Neuronen: Befinden sich im Locus coeruleus (Noradrenalin) und im dorsalen Raphe-Kern (Serotonin). Abb. aus Schandry, 2011 38 Überblick Schlaf-Wach-Regulation im ZNS Quelle: Wischmeyer E, Pape H. Neuronale Regulation der Schlafphasen. In: Gekle M, Wischmeyer E, Gründer S, et al., Hrsg. Taschenlehrbuch Physiologie. 2., überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015. doi:10.1055/b-003-124633 39 Schlafdeprivation und Schlafstörungen Schlafdeprivation und zirkadiane Rhythmik Weitverbreitetes Phänomen: z.B. Schichtarbeit Oft unzulängliche Anpassung der zirkadianen Rhythmen bei Schichtarbeitern (Körpertemperatur, Melatonin, Kortisol) Dramatische Katastrophen der letzten Jahrzehnte z.B. Beinahe-GAU des Atomreaktors Three Mile Island 1979, die Explosion des Space-Shuttles Challenger 1986 und die Ölkatastrophe durch den Tanker Exxon-Valdez 1989 ereigneten sich in der Spät- bzw. Nachtschicht der Verantwortlichen! Auswirkungen von massivem Schlafmangel Psychische Minderleistung, sensorische Beeinträchtigung und negativer Affekt (Konzentrationsschwierigkeiten, Wahrnehmungsstörungen) Mikroschlafepisoden: Sekundenschlaf beim Autofahren! Tiefschlaf zur Regeneration in der Erholungsnacht Hormonelle Dysregulation 41 Schlafstörungen: Insomnien = Ein-/Durchschlafstörungen, schlechte Schlafqualität (Prävalenz von ca. 20 bis 30%) 1. Psychiatrisch bedingte Insomnien: Verursachende Grunderkrankung häufig Depression 2. Insomnien infolge organischer Erkrankungen, wie z.B. Schmerzzustände, Restless-Legs-Syndrom oder Schlafapnoe 3. Primäre Insomnien: Hier sind die Patienten psychiatrisch und organisch unauffällig Substanzinduzierte Insomnien (Hypnotika, Alkohol, Stimulanzien) Rebound-Insomnie mit REM-Rebound: Lange und intensive Träume, häufig mit Alptraumcharakter Verhaltensbasierte Therapie der primären Insomnien Schlafhygiene, Schlafrestriktion 42 Schlafstörungen: Hypersomnien & Parasomnien Narkolepsie Tagsüber auftretende, wiederholte und nicht beherrschbare Schlafanfälle Kataplexie, d. h. vorübergehender Verlust des normalen muskulären Haltungstonus Oft traumähnliche Halluzinationen und wiederkehrende Einstreuungen von REM- Schlaf in den Übergangsperioden zwischen Wachen und Schlafen Gilt als neurologische Erkrankung: Dysfunktion der Schlaf-Wach-Zentren im Hirnstamm sowie Dysfunktion im Orexin-System Parasomnien Schlafwandeln, Albträume V.a. im Kindes- und Jugendalter; stehen mit einer noch nicht vollständigen ZNS-Reifung in Verbindung Schlafparalyse Zähneknirschen (Bruxismus) 43 Schlafprofil bei Narkolepsie Charakteristische frühe REM-Phasen, die unmittelbar an die Wachphasen anschließen Insgesamt ist der Schlaf des Patienten leicht; er erreicht nur Schlafstadium 2. Häufiges Erwachen Quelle: Masuhr K, Masuhr F, Neumann M. Diagnostik. In: Masuhr K, Neumann M, Hrsg. Duale Reihe Neurologie. 7. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2013. doi:10.1055/b-003-106487 44 Schlaf-Apnoe-Syndrom 1. Obstruktiv: Atemstillstände durch eine Behinderung des Luftstroms in den oberen Atemwegen 2. Zentral: Deaktivation der an der Atemtätigkeit beteiligten Muskeln 3. Gemischt Beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom: Lautes und unregelmäßiges Schnarchen, bis zu 100x pro Nacht unterbrochen durch Apnoe-Episoden Gestörtes Schlafprofil begleitet von Tagesmüdigkeit mit erhöhter Einschlafneigung Faktoren: Übergewicht, Alkohol- und Nikotingenuss, Einnahme von sedierenden Medikamenten, unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus Behandlung: Lebensstil (Gewichtsreduktion, Verzicht auf Nikotin und Alkohol), bronchienerweiternde Medikamente, leichte Erhöhung des Luftdrucks in den oberen Atemwegen (z.B. durch eine CPAP-Nasenmaske) 45 Polysomnographie bei obstruktiver Schlafapnoe Elektroenzephalogramm (EEG), Elektro- okulogramm (EOG), Elektromyogramm (EMG) des Kinns und beider Beine, EKG, Atembewegungen von Thorax und Abdomen (Effort Upper Belt, Lower Belt und Summe), Atemstrom an Mund und Nase (Flow-Thermistor) und pulsoxymetrisch am Finger gemessener Sauerstoffsättigung (SaO2) Atemstrom an Mund und Nase sistiert über 20s bei nur leicht reduzierten Atembewegungen von Thorax und Abdomen. Der resultierende Abfall der Sauerstoffsättigung folgt entsprechend der Kreislaufzeit erst nach der Apnoe. Das EOG Quelle: Arastéh K, Baenkler H, Bieber C, et al., Hrsg. Duale Reihe Innere Medizin. 3. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2012. doi:10.1055/b- zeigt schnelle Augenbewegungen als 002-5209 Zeichen des REM-Schlafs. 46 Schlafhygiene 47 48 Pharmakologische Beeinflussung des Schlafs Benzodiazepine (alles, was auf „–zepam“ endet): Klassische Tranquilizer, wirken spannungsreduzierend, muskelrelaxierend und angstlösend, binden an GABA-Rezeptoren, gehen mit Abhängigkeit einher Moderne Hypnotika: Zolpidem und Zopiclon Ähnliche Eigenschaften wie Benzodiazepine, greifen auch in den Wirkmechanismus des GABA- Rezeptors ein, etwas geringere Toleranzentwicklung Melatonin besitzt therapeutisches Potential bei der Behandlung zweier Arten von Schlafproblemen: 1. Insomnie-Patienten, die an einem Melatonin-Defizit leiden 2. Bei blinden Patienten, deren Schlafstörungen auf die fehlende Synchronisation durch den Hell-Dunkel- Zyklus zurückzuführen sind 49 Cortisol & Zirkadiane Rhythmik Cortisol Cortisol ist ein Stresshormon, das katabole (= abbauende) Stoffwechselvorgänge aktiviert und so dem Körper energiereiche Verbindungen zur Verfügung stellt. Cortisol besitzt ein sehr breites Wirkungsspektrum und hat im Stoffwechsel vor allem Effekte auf den Kohlenhydrathaushalt (Förderung der Glukoseproduktion in der Leber und damit der Insulinwirkung entgegenwirkend), den Fettstoffwechsel (Förderung der lipolytischen Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin) und den Proteinumsatz (katabol). 51 Cortisol Die Freisetzung von Cortisol unterliegt einer ausgeprägten zirkadianen Rhythmik. Sie folgt der pulsatilen Freisetzung des Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH/Corticoliberin) aus dem Hypothalamus, die in den frühen Morgenstunden am intensivsten ist. →Cortisolspiegel ist also am frühen Morgen am höchsten und sinkt dann bis Mitternacht wieder auf etwa ein Viertel ab. →Nach dem Erwachen „Cortisol Awakening Rise“ = Anstieg um ca. 75% binnen 30-45 Minuten. Dieser Anstieg nach dem Erwachen ist sozusagen auf den durch die zirkadiane Rhythmik bedingten Anstieg „aufgesattelt“. 53 Das Hypothalamus-Hypophysen-System Hypothalamus Zentrale Schaltstelle der Hormonregulation in unserem Organismus Streng genommen keine Drüse, besteht aus Nervenendigungen Steuert nahezu alle vegetativen Funktionen, z.B. beteiligt an der Regulation der Körpertemperatur, Fortpflanzung, Nahrungsaufnahme, Stressantwort u.v.m. Wiegt ca. 5 Gramm, ist anatomisch und funktionell eng verknüpft mit dem limbischen System Ist über eine dünne Struktur mit der Hypophyse verknüpft → Hypophysenstiel → dieser enthält viele Axone und außerdem eine große Dichte an kleinen Blutgefäßen → Pfortadersystem 54 Das Hypothalamus-Hypophysen-System Hypophyse Kleine Struktur, die an der Schädelbasis sitzt - also letztlich außerhalb des Gehirns als ein "Anhängsel“ (1 cm3 groß, 0,5 gr schwer) Produktion, Speicherung und Freisetzungen von Hormonen in Abhängigkeit vom darüber liegenden Hypothalamus Besteht aus zwei Lappen, die unterschiedliche Klassen von Hormonen produzieren: Adenohypophyse (HVL) Neurohypophyse (HHL) 55 Hypothalamus: Bildung von 7 Neurohormonen → 5 wirken als Releasing-Hormone (Liberine), 2 als Inhibiting-Hormone (Statine) auf den Hypophysenvorderlappen (HVL) HVL produziert und speichert 6 Hormone: 4 Steuerhormone (glandotrope Hormone) und 2 Effektorhormone. ADH und Oxytozin werden im Soma hypothalamischer Neurone produziert und in deren präsynaptischen Endigungen im Hypophysen- hinterlappen (HHL) gespeichert. Ihre synaptische Freisetzung erfolgt unmittelbar ins Blut. Abb. aus Birbaumer & Schmidt, 2010 56 Abb. aus Birbaumer & Schmidt, 2010 57 Hormonfreisetzung Die meisten Hormone werden nicht in konstanter Menge über die Zeit freigesetzt, sondern die Freisetzung erfolgt rhythmisch. Hierbei gibt es zirkadiane, ultradiane und infradiane Rhythmen. Abb. aus Birbaumer & Schmidt, 2010 58 Hormonfreisetzung 24-Stunden Profile von Corticosteron im Blutplasma bei 3 weiblichen Sprague- Dawley Ratten. Sampling alle 10 Min.; Tag- Nacht-Rhythmus → 14 Std. hell, 10 Std. dunkel (schwarzer Balken markiert Dunkelperiode) Windle, Wood, Shanks, Lightman, & Ingram. Endocrinology,139 (1998) 443–450. 59 Cortisol im Tagesverlauf Serum-Cortisol-Level über 24 Stunden bei N=33 gesunden Erwachsenen Debono M., Ghobadi C., Rostami-Hodjegan A., Huatan H., Campbell M.J., Newell-Price J., et al. (2009) Modified-release hydrocortisone to provide circadian cortisol profiles. J Clin Endocrinol Metab 94: 1548–1554 60 Cortisol & Schlaf Reziproke Interaktionen von Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) und Schlafregulation: − Verschiebung des Schlaf-Wach-Zyklus ist assoziiert mit HPA-Achsen- Dysfunktion − Höhere Cortisollevel am Abend führen zu häufigerem nächtlichen Aufwachen − Schlafdeprivation erhöht Cortisolspiegel (Stress?!) − Chronische Kurzschläfer zeigen höhere Cortisollevel als chronische Langschläfer − Erhöhter Cortisolspiegel führt zu Reduktion von Slow-Wave- und REM- Schlaf − Komplexe bi-direktionale Interaktionen zwischen Schlaf, Stress und Metabolismus (Hirotsu, Tufik & Andersen, 2015) 61 Interaktionen von Schlaf, Metabolismus & Stress (Abb. aus Hirotsu, Tufik & Andersen, 2015) Gemeinsamer Wirkpfad von Schlafstörungen/Schlafdefiziten und Stress auf metabolische Dysfunktion (via HPA-Achse → Cortisol); erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit und Diabetes 62 „Biologische“ Rhythmen 63 Zusammenfassung I Kenntnis der Definition von Schlaf und seiner (vermuteten) Funktionen Reversibler Zustand relativer Inaktivität und reduzierter Reaktivität, Bewusstlosigkeit Regenerative Funktionen, Entgiftung, synaptische Plastizität → Bedeutung für Lernen und Gedächtnis! Grundkenntnisse der Architektur und Physiologie des Schlafes Beim Menschen zwei zyklierende Phasen (REM und NREM) mit charakteristischer Elektrophysiologie NREM (SWS) dominiert im frühen und REM im späten Schlaf Verständnis der Rolle des Schlafes für das Gedächtnis und der Funktion von Träumen Schlaf schafft optimale Bedingungen für Konsolidierung (aktive Rolle) NREM (SWS) wichtig für Konsolidierung deklarativer Inhalte Mechanismus: Synchronisation hippokampaler Reaktivierungen mit neokortikaler Slow-Wave Aktivität Träume als der Versuch des Kortex, aus zufälligen im REM Schlaf Signalen Sinn zu machen 64 Zusammenfassung II Kenntnis von Formen von Schlafstörungen und von typischen Folgen von Schlafmangel Insomnien, Parasomnien, Hypersomnien Narkolepsie und Schlafapnoe und charakteristische Veränderungen des Schlafprofils Schlafmangel führt typischerweise u.a. zu psychischer Minderleistung, sensorischen Beeinträchtigungen, negativem Affekt, Mikroschlafepisoden, Tiefschlaf zur Regeneration in der Erholungsnacht, hormonellen Dysregulationen Schlaf-Wach-Rhythmus als nur ein Beispiel für biologische Rhythmen mit unterschiedlicher zeitlicher Struktur 65 Zusammenfassung III Die Freisetzung des Stresshormons Cortisol (über HPA-Achse) unterliegt einer ausgeprägten zirkadianen Rhythmik. Komplexe, reziproke Interaktionen von HPA-Achse (Stress) und Schlafregulation; diese haben profunde Effekte auf metabolische Prozesse und können so zur steigenden Prävalenz von Fettleibigkeit und Diabetes beitragen 66 Weiterführende Überlegungen Welche klinische Bedeutung hat ein tieferes Verständnis der Interaktion von Schlaf und Gedächtnisprozessen? Schlaf- und Gedächtnisstörungen bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen Einfluss psychotroper Medikation auf Schlafarchitektur Welche Relevanz hat die Verbesserung der Gedächtnisleistung durch Schlaf eigentlich für uns? Image by Irina L from Pixabay 67

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