Lernzettel Störungslehre 11.1 PDF

Summary

This document provides an overview of the history of psychiatry, covering various historical periods. It details views on disorders, treatments, and approaches. It also looks at the modern methods of diagnosing and treating mental health issues.

Full Transcript

Geschichte der Psychiatrie (2(3)) - Prähistorische Ansichten und Behandlungsweisen Gestörtes Verhalten als Werk böser Geister Trepanation (primitive Gehirnoperation) zur Behandlung dieses auffälligen Verhaltens Versuch böse Geist...

Geschichte der Psychiatrie (2(3)) - Prähistorische Ansichten und Behandlungsweisen Gestörtes Verhalten als Werk böser Geister Trepanation (primitive Gehirnoperation) zur Behandlung dieses auffälligen Verhaltens Versuch böse Geister durch Exorzismus auszutreiben Griechische/ römische Ansichten und Behandlungsweisen Beschreibung von Melancholie (Zustand unaufhebbarer Traurigkeit), Manie (Zustand von Euphorie und hektischer Tätigkeit), Demenz (allgemeiner geistiger Abbau), Hysterie (körperliches Leiden ohne ersichtliche körperliche Ursache), Wahnvorstellungen (offensichtlich falsche Überzeugungen) und Halluzinationen (eingebildete Gesichter und Geräusche) Hippokrates (400 v. Chr.): Vier-Säfte-Lehre (Humoralpathologie -> Erkrankungen beruhen auf Ungleichgewicht der 4 Säfte) Galen (200 n. Chr.): Unterscheidung körperlicher und psychischer Ursachen -> hat unterschiedliche Behandlung zur Folge ! Mittelalterliche Ansichten und Behandlungsweisen Milde und harte Formen des Exorzismus leben wieder auf Abweichendes Verhalten als Zeichen für Bund mit Satan Religiöser Glaube als zentrale Aspekt des Lebens Ansichten und Behandlungsweisen der Renaissance Weyer (Begründer der Psychopathologie): Geist sei genauso anfällig für Krankheiten wie der Körper Erstes Aufkommen von Irrenhäusern -> Aufbewahrung geistig Gestörter Irrenhäuser als Touristenattraktion (z.B. Narrenturm in Wien) Erste Versuche von „gemeindepsychiatrische Versorgungsmodellen“ Ansichten und Behandlungsweisen der Aufklärung Machbarkeitsideologie: Erziehung der unvernünftigen möglich -> naive Methodengläubigkeit Behandlungen unwissenschaftlich-experimentell Ansichten und Behandlungsweisen des 19. Jahrhunderts Irrenhausreform durch Pinel und Duke Verbreitung der moralischen Behandlung: psychische Störungen sollten mit Unterstützung und Freundlichkeit und nicht mit Ketten und Schlägen behandelt werden Niedergang der moralischen Behandlung Ende des 19. Jhd, aufgrund von Geldmangel und Enttäuschung Somatogener Ansatz: gestörtes Empfinden und Verhalten ist auf körperliche Ursache zurückzuführen (Kraepelin, Alzheimer) Behandlung mit zahlreicher medizinischer Therapien (z.B. Insulinschock, Lobotomie, Hydrotherapie) -> unwirksam Psychogener Ansatz: Hauptgründe gestörten Verhaltens sind in der Psyche zu suchen Behandlung mit Hypnose/ Mesmerismus (Mesmer) und Psychoanalyse (Freud) Ansichten und Behandlungsweisen des Nationalsozialismus Therapeutische Hilflosigkeit -> überfüllte Anstalten -> Tolerierung der rassenhygienischen Theorien + die Maßnahmen der Nazis Ansichten und Behandlungsweisen der modernen Psychiatrie Einführung wirksamer Psychopharmaka Deinstitutionalisierung/ Psychiatrie-Enquete (1975): Auflösung von Großeinrichtungen ○ Bedarfsgerechte und gemeindenahe Versorgungssysteme mit ambulanten und komplementären Diensten ○ Trialog mit Betroffenen und Angehörigen ○ Bio-psycho-soziales Störungsverständnis ○ Gleichstellung körperlicher und seelischer Erkrankungen in rechtlicher, finanzieller und sozialer Hinsicht Problem der „Drehtürpsychiatrie“: Zu schnelle Entlassungen, wodurch Patienten zwischen Gemeinde und Psychiatrie hin und her geschoben werden Zunehmende Spezialisierung der Einrichtungen Wachsende Empathie für die Prävention von Erkrankungen (positive psychology) Evidenzbasierte 3 Medizin (EBM) 3 327 - - - Evidenzbasierte Medizin ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisse für Entscheidungen in der individuellen Patientenversorgung, wobei klinische Expertise, Patientenpräferenzen und systematische Forschung integriert werden. Umsetzung evidenzbasierter Medizin in der Praxis Gewissenhafter und umsichtiger Einsatz: Erkenntnisse sorgfältig und bedacht anwenden Nutzung aktueller bester Evidenz: Berücksichtigung der neuesten und zuverlässigsten Forschungsergebnisse Einbeziehung klinischer Versorgungsforschung: Erkenntnisse aus Studien zur Patientenversorgung fließen in die Behandlung ein Individuelle Patientenbehandlung: Die Evidenz wird auf den einzelnen Patienten und seine spezifische Situation angewendet Ziele der evidenzbasierten Medizin Qualität der Versorgung zu verbessern, indem Klinikern Informationen zur Verfügung gestellt werden, auf denen sie ihre klinischen Entscheidungen basieren können Sicherstellen, dass die Patientenversorgung auf den aktuellsten Erkenntnissen basiert und zu den bestmöglichen Ergebnissen führt EBM verspricht nicht die beste Entscheidung in einer bestimmten Situation, aber maximiert die Wahrscheinlichkeit positiver Ergebnisse über viele Patienten hinweg Lücke zwischen Wissen und Praxis zu minimieren ○ zunächst: um den Einsatz von nicht evidenzbasiertem Wissen in der klinischen Praxis zu minimieren ○ jetzt: um klinische Expertise und Patientenpräferenzen bei Versorgungsentscheidungen zu integrieren Strategien und Werkzeuge der evidenzbasierten Medizin 1. DSM - Diagnostic and Statistical Manual for the Classification of Mental Disorders 2. Richtlinien für die Behandlung ○ Zuverlässige Methoden verwenden (Forschungsergebnisse + Expertise integrieren) ○ So umfassend und spezifisch wie möglich sein ○ Auf aktuellen Informationen basieren ○ Ergebnisforschung einbeziehen (Ergebnisziele, Ergebnismessungen) ○ Weit verbreitet werden! Methoden der klinischen 32SCForschung CSCC- - Besonderheiten der klinischen Forschung Klinische Forscher versuchen, breite Gesetze oder Prinzipien der abnormalen psychologischen Funktionsweise zu entdecken Gesucht wird nach einem nomothetischen (allgemeinen) Verständnis von Natur, Ursachen und Behandlungen von Abnormalität Schwer fassbare Konzepte wie unbewusste Motive, private Gedanken, Stimmungsschwankungen und menschliches Potenzial sollen gemessen werden können Klinische Forscher müssen sich mit ethischen Problemen auseinandersetzen Es müssen verschiedene kulturelle Hintergründe, Geschlechter und Ethnien in der Forschung beachtet werden Methoden Fallstudie Detaillierte und oftmals interpretierende Beschreibung einer Einzelperson Beschrieben werden der Hintergrund, die gegenwärtigen Lebensumstände und die Symptome Teilweise Beschreibung der Anwendung und Ergebnisse einer Behandlung Spekulation darüber warum die Probleme aufgetreten sind Wert der Fallstudie Quelle von Hypothesen für Verhalten Theorien vorläufig bestätigen oder in Frage stellen Ideen für neue therapeutische Techniken oder neuartige Anwendungen vorhandener Verfahren Gelegenheit ungewöhnliche Probleme zu untersuchen Schwächen der Fallstudie Beobachter und Verfasser sind nicht neutral und objektiv Therapeuten haben persönliches Interesse am Ausgang ihrer Fälle Fallstudien stützen sich auf subjektive Beweise -> Kaum Grundlage für eine Generalisierung ! Korrelationsstudie Ermöglicht breitere Schlussfolgerungen über das Auftreten und die Eigenschaften psychischer Störungen in der Bevölkerung insgesamt zu ziehen Grundlagen 1. Forscher beobachten viele Individuen 2. Einheitliche, sehr genaue vorgeschriebene Verfahren (Reliabilität) 3. Ergebnisse werden statistischen Tests unterzogen Ablauf 1. Operationalisierung: abstrakte Variablen werden in abgrenzbare und beobachtbare Einheiten übersetzt, um sie messen zu können 2. Operationalisierte Anzahl an Variablen werden bei einer bestimmten Anzahl an Versuchspersonen (einer Stichprobe), welche repräsentativ für die Bevölkerung sein muss, gemessen 3. Ergebnisse werden folglich statistisch ausgewertet durch Bildung eines Regressionsgradienten -> positive Korrelation, negative Korrelation oder unverbunden Stärken der Korrelationsmethode Variablen werden quantifiziert Zahlreiche Probanden werden betrachtet Statistische Analysen werden durchgeführt Ergebnisse können generalisiert werden -> hohe externe Validität Schwächen der Korrelationsmethode Beziehungen zwischen Variablen können nicht erklärt werden -> niedrige interne Validität ○ 3 mögliche Ursachen für Beziehung von Variablen 1. Variable A verursacht Variable B 2. Variable B verursacht Variable A 3. Variable C verursacht sowohl A als auch B Besondere Formen der Korrelationsstudie 1. Epidemiologische Studie: Bestimmt die Inzidenz (Anzahl neuer Störungen in der Bevölkerung innerhalb eines bestimmten Zeitraums) und Prävalenz (Gesamtzahl aller Fälle einer Störung zu einem bestimmten Zeitpunkt) einer Störung in einer gegebenen Population 2. Längsschnittstudie: Untersucht Merkmale oder Verhalten derselben Versuchspersonen bei vielen Gelegenheiten über einen längeren Zeitraum Experiment Manipulieren einer Situation und Beobachten der Wirkung Unabhängige Variable: manipulierte Variable Abhängige Variable: beobachtete Variable Kontrollgruppe: Versuchspersonen, die nicht der unabhängigen Variable ausgesetzt sind Experimentalgruppe: Versuchspersonen, die der unabhängigen Variable ausgesetzt sind Konfundierende/ Störvariable: Variable, die nicht die unabhängige Variable ist, aber ebenfalls Einfluss auf die abhängige Variable hat Randomisierung: Auswahlverfahren, das sicherstellt, das Teilnehmer zufällig entweder in die Kontrollgruppe oder in die Experimentalgruppe platziert werden Doppel-Blindversuch: Weder Versuchsleiter noch Versuchspersonen wissen wer welcher Gruppe angehört, um Verzerrungseffekte zu vermeiden Verzerrungseffekte Probandeneffekt: Probanden versuchen dem Versuchsleiter zu helfen oder entgegen zu wirken Versuchsleitereffekt (Rosenthal-Effekt): Versuchsleiter versucht aufgrund seiner Erwartungen das Experiment in eine Richtung zu lenken Abwandelungen des Experimentes 1. Quasi-Experiment: Versuchspersonen werden nicht zufällig auf die Gruppen verteilt, sondern bereits existierende reale Gruppen werden verwendet 2. Analogexperiment: Versuchsleiter erzeugt abnormales Verhalten bei Versuchspersonen, welche zu der realen Störung funktionell analog sein soll und führt dann Studien mit diesen Versuchspersonen durch Grenzen der klinischen Forschung 1. Klinsiche Versuchspersonen haben Bedürfnisse und Rechte, die die Forscher achten müssen 2. Die Ursprünge des menschlichen Erleben uns Verhaltens sind sehr vielschichtig 3. Menschen ändern sich 4. Die menschliche Selbstbewusstheit kann die Resultate klinischer Untersuchungen beeinflussen 5. Klinische Forscher sind auf besondere Weise mit ihren Probanden verbunden Definition PsychischeCSCS) Störung S "U2 - Die 4 D´s der Definition 1. Deviance (different, extrem, unusual) - Devianz 2. Distress (unpleasant and upsetting to the person) - Leidensdruck 3. Dysfunction (interfering with the person`s ability to conduct daily activities in a constructive way) - Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit 4. Dangerous to oneself or others - Eigen- und Fremdgefährdung Probleme beim Definieren Devianz ist stark abhängig von gesellschaftlichen Normen und Werten, welche sich im Laufe der Zeit zusätzlich verändern Leidensdruck geht nicht zwingend mit der Störung einher (bsp. Manie) Teilweise schwierig zu differenzieren, wann ein Verhaltensmuster die Grenzlinie zwischen exzentrischer Persönlichkeit und psychischer Störung überschreitet JU2S SC --53 - E Juristische Aspekte Betreuungsgesetz Bei Vorliegen psychischer Krankheit oder körperliche, geistige, seelische Behinderung Betroffene Person kann seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht erledigen Erfordert persönliche Anhörung durch Richter und Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens (persönliche Befragung/Untersuchung) Dauert oft mehrere Monate Amtsgericht hat Vormundschaft Kernbereiche Aufenthalt Ärztliche Behandlung Vermögensangelegenheiten Unterbringungsgesetz „Wer an einer psychischen Krankheit oder einer krankheitswertigen psychischen Störung leidet und darüber hinaus eine Gefahr für sich selbst oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, kann nach den Unterbringungsgesetzen gegen seinen Willen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht werden“ Ablauf 1. Untere Verwaltungsbehörden leiten Unterbringung ein (Polizei oder Amt für öffentliche Ordnung) 2. Arzt nimmt zu ihren Voraussetzungen Stellung 3. Richter beim zuständigen Vormundschaftsgericht entscheidet über Unterbringung (bis zum Ablauf eines Tages muss Entscheidung vorliegen) Strafgesetzbuch § 21 StGB verminderte Schuldfähigkeit und § 20 StGB Schuldunfähigkeit Durch krankhafte seelische Störung Tief greifende Bewusstseinsstörung (v.a. im Rahmen hochgradiger Affektzustände) Schwachsinn Andere schwere seelische Abartigkeit (Abhängigkeit, Sexual- und Persönlichkeitsstörungen, Konfliktreaktionen) Die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln aufgehoben (§ 20) oder erheblich eingeschränkt (§ 21) war (Nachweis für die Tatzeit) Unterbringung im Rahmen des Maßregelvollzugs in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB: wenn erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und deshalb Gefahr für die Allgemeinheit besteht) Psychopathologische Modelle Grundlagen Verwendung mehrerer Modelle zur Erklärung von abnormalen Funktionsweisen/ gestörtem Verhaltens Modelle befinden sich auf einem Spektrum ○ Biologisches Modell Soziokulturelles Modell Jedes Modell fokussiert sich auf einen Aspekt der menschlichen Funktionsweise ○ Keines kann alle Aspekte von Abnormalität erklären ! Übersicht psychopathologische Modelle Das biologische Modell Das psychodynamische Modell Das lerntheoretische Modell Das kognitive Modell Das humanistisch-existentielle Modell Das soziokulturelle Modell Das biopsychosoziale Modell (Diathese-Stress-Modell) Biologisches Modell Organische Prozesse als Schlüssel zum menschlichen Verhalten Grundlagen Berücksichtigung der biologischen Grundlagen von Gedanken, Gefühlen und Verhalten Immer mehr biochemisch-neurophysiologiche/ funktionelle und neuroanatomische/ strukturelle Zusammenhänge/ Ursachen identifiziert Ursachen für anatomische oder biochemische Dysfunktion können erworben (durch z.B. Infektionen) oder genetisch prädisponiert sein Erklärung gestörten Verhaltens Gestörtes Verhalten wird als Krankheit gesehen, die durch körperliche Funktionsstörungen (vor allem des Gehirns) hervorgerufen werden Biologische Therapien Elektrokrampftherapie Transkranielle Magnetstimulation Psychochirurgie Medikamente 1. Angstlösende Medikamente: Reduzieren Spannung und Angst, z.B. Benzodiazepine wie Diazepam und Alprazolam 2. Antidepressive Medikamente: Heben die Stimmung, z.B. Fluoxetin und Sertralin 3. Antibipolare Medikamente: Stabilisieren die Stimmung, z.B. Lithium 4. Antipsychotische Medikamente: Dämpfen Verwirrung, Halluzinationen und Wahnvorstellungen, z.B. Haloperidol und Risperidon => Medikamente helfen nicht jedem ! Kritik Zusammenspiel von psychologischen und biologischen Faktoren ist wichtig Medikamente können „überverwendet“ werden und haben teilweise gravierende Nebenwirkungen (z.B. extrapyramidale Störungen) Psychodynamisches Modell Postuliert unbewusste, innere Konflikte der Menschen Grundlagen Determinismus: Verhalten ist in starkem Maße von untergründigen psychischen Kräften (dynamisch) bestimmt Erklärung gestörten Verhaltens Folgen innerpsychischer Konflikte zwischen den Kräften Versuch, diese Konflikte zu lösen Alle Symptome/ Verhaltensweisen werden durch vergangene Erfahrungen bestimmt Psychodynamische Therapien Ziel: Bewusstwerdung eines emotionalen Traumas in der Vergangenheit Voraussetzung: Einsicht muss durch den Patienten selbst erreicht werden Techniken Freie Assoziation: Gedanken, Gefühle etc. frei schildern Katharsis: Wiedererleben verdrängter Gefühle Durcharbeiten: Problem immer wieder untersuchen, mit immer zunehmender Klarheit Interpretation des Therapeuten bei: Widerstand: Unbewusste Ablehnung der Therapie durch den Patienten Übertragung: Patient überträgt Gefühle auf den Therapeuten Träume: Sollen unbewusste Triebe, Bedürfnisse und Wünsche enthüllen Kritik Empirische Belege fehlend weitgehend Lerntheoretisches Modell Befasst sich mit eingeschliffenen Verhaltensweisen und wie sie erlernt werden Grundlagen Unser Verhalten ist weitgehend von unseren Lebenserfahrungen bestimmt (Determinismus) Verhalten als Antwort eines Organismus auf seine Umwelt: -> Verhalten = konstruktiv und adaptiv Menschen sind die Summe ihres gelernten Verhaltens: inneres (Gedanken und Gefühle) + äußeres (Handlungen) Verhalten Lernen findet durch klassisches Konditionieren (zeitliche Assoziation), operantes Konditionieren (Verstärkungslernen) und Modelllernen statt Erklärung gestörten Verhaltens Symptome sind wie normales Verhalten gelernt/ konditioniert Lerntheoretische Therapie/ Verhaltenstherapie Klassische Konditionierung ○ Systematische Desensibilisierung: Schrittweises Verfahren, bei dem Klienten lernen, ruhig auf die gefürchteten Objekte oder Situationen zu reagieren (Phobien) ○ Aversionstherapie: Kopplung eines unerwünschten Verhaltens mit negativen Reizen Operante Konditionierung ○ Wertmarkenverstärkungssysteme: Gewünschtes Verhalten wird durch den Erhalt von Wertmarken (Token) belohnt, die später gegen Belohnungen eingetauscht werden können Modelllernen ○ Training sozialer Fertigkeiten ○ Selbstsicherheitstraining Kritik Black Box: Mensch ist zum kritischen Denken fähig Um Verhalten zeigen zu können benötigt es Selbstwirksamkeit (kognitives Konstrukt!) Kognitives Modell Konzentriert sich auf Denkprozesse und -inhalte, die dem Verhalten zugrundeliegen Grundlagen Kognitive Prozesse als Zentrum des Verhaltens, Gedanken und Emotionen Kliniker sollten nach den Überzeugungen und Einstellungen fragen, die die Wahrnehmung eines Klienten beeinflussen, um ihre Gedanken und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen besser zu verstehen Erklärung gestörten Verhaltens Fehlangespasste Annahmen oder Haltungen Unlogische Denkprozesse, welche zu Denkfehlern führen 1. Selektive Wahrnehmung: nur die negativen Seiten eines Ereignisses sehen 2. Überbewertung: Bedeutung unerwünschter Ereignisse übertreiben 3. Übergeneralisierung: auf der Grundlage eines einzigen unbedeutenden Ereignisses umfassende negative Schlussfolgerungen ziehen Kognitive Therapien Kognitive Umstrukturierung ○ Nicht die negativen Ereignisse, sondern wie wir sie interpretieren verursachen psychische Störungen ○ Negative Gedanken, verzerrte Interpretationen und logische Denkfehler sollen erkannt werden ○ Neue Interpretationen sollen ausprobiert und im Alltag eingesetzt werden Kritik Fehlangepasste Kognition könnten auch Folge statt Ursache sein Hoch wirksamer und effektiver Ansatz ! Humanistisch-existenzielles Modell Betont die Rolle der Werte und Wertentscheidungen für die menschliche Individualität und Erfüllung Grundlagen Humanisten: Menschen werden mit einer natürlichen Neigung sich selber verwirklichen zu wollen geboren Existenzialisten: Menschen besitzen von Geburt an die Freiheit das Leben anzupacken und ihm Sinn zu verleihen Der Mensch ist in der Lage sich mit komplexen philosophischen Problemen und ethischen Fragen auseinanderzusetzen Erklärung gestörten Verhaltens Verhinderung der Selbstverwirklichung durch äußere Einflüsse oder sogar sich selbst Humanistisch-existenzielle Therapie Rogers klientenzentrierte Therapie/ Perls Gestalttherapie: ○ Unbedingte, positive Wertschätzung ○ Empathie ○ Echtheit Frankls Logotherapie: ○ Betonung der Eigenverantwortung/ Freiheit ○ Spirituellen Sinn erarbeiten Andere Techniken: ○ Frustration/Herausforderung ○ Rollenspiel ○ Übertreibungsspiel ○ Regeln: ‚Hier und Jetzt‘, ‚Ich-Sprache‘ etc. Kritik Kaum empirische Beweise aufgrund zu abstrakter Fragestellungen Soziokulturelles Modell Untersuchung der Auswirkungen von Gesellschaft und Kultur auf das individuelle Verhalten Grundlagen Fokus auf die sozialen und kulturellen Kräfte, die auf ein Individuum einwirken Untersuchung welche Normen in der Gesellschaft und Kultur des Individuums gelten Untersuchung welche Rollen das Individuum in seinem sozialen Umfeld spielt Erklärung gestörten Verhaltens Verhalten wird von den sozialen Einflüssen geformt 2 Hauptperspektiven: Familie-Soziales + Multikulturelle Perspektive Familie-Soziales: Familienstruktur und -kommunikation, soziale Netzwerke Multikulturelle Perspektive: gesellschaftliche Belastungen und Ettiketierungen Soziokulturelle Therapie Gruppentherapie Selbsthilfegruppen Familientherapie/ Paartherapie Gemeindenahe Versorgung Kritik Viele Störungen müssen als universell bezeichnet werden Keine Vorhersage aus gesellschaftlichen Faktoren möglich Biopsychosoziales Modell Annahme, dass Störungen von der Interaktion genetischer, biologischer, entwicklungsmäßiger, emotionaler, verhaltensmäßiger, kognitiver, sozialer und gesellschaftsmäßiger Einflüsse abhängt Grundlagen Annahme von prädisponierenden Faktoren und auslösenden Faktoren 1. Prädisponierende Faktoren (Diathesen = Vulnerabilitäten) können biologischer oder psychologischer Natur sein 2. Auslösende Faktoren können Stress oder kritische Lebensereignisse sein Erklärung psychischer Störung Bei einer Interaktion dieser Faktoren kommt es zu einer psychisches Störung Durch aufrechterhaltende Faktoren wird die Störung aufrechterhalten Therapie Kombination mehrerer Behandlungstechniken Bei höherer Diathese braucht es nur eine geringere Stressbelastung als Auslöser ! Vergleich der Modelle Diagnostik Grundlagen Definition Diagnostik: gründlich kennen lernen Diagnose: entscheiden/ beschließen -> handlungsleitend Klassifikation: Bündelung von Merkmalen/ Symptomen zu Klassen Ziele Interindividuelle Unterschiede im Verhalten und Erleben identifizieren Intraindividuelle Merkmale und deren Veränderungen identifizieren Vorhersage künftigen Verhaltens und Erlebens (Prognosen) Entscheidungsgrundlage für Interventionen (Modifikationsdiagnostik) Platzierung (Selektionsdiagnostik) Evaluation von Interventionen/Veränderungsmessung (Prä-Post-Messungen) Bereiche psychiatrischer Diagnostik Spezifische und unspezifische Tests 1. Intelligenz (keine Folge psychischer Störung!) 2. Soziale Kognition (Prädiktor für Rehabilitationserfolg) 3. Persönlichkeitstests (Verlaufsprädiktive Wirkung) 4. Emotionsregulation 5. Kognitiver Stil (Kontrollüberzeugung/ Selbstwirksamkeit/ Lebenszufriedenheit) 6. Motivationaler Bereich/ Handlungsebene (Krankheitsbewältigung/ Stressverarbeitung/ Leistungs- und Arbeitsmotivation) Allgemeine Psychopathologie AMDP-System Beinhaltet Instrumente zur standardisierten Erfassung des psychopathologischen Befundes, körperlicher Symptome und Anamnese-Daten bei psychisch Kranken. Inhalt AMDP-Manual, einem Glossar psychopathologischer Symptome Mehrere Rating-Bögen für den psychischen Befund, den somatischen Befund und die Anamnese ○ Sie dienen der standardisierten Erfassung der Befunde (Verbesserung Reliabilität) Beurteilungskriterien Psychopathologisches Symptom (4 D´s) Devianz Leidensdruck Beeinträchtigung (dysfunktional) Gefährdung (Fremd- und Selbstgefährdung) AMDP-Bereiche (Bereiche psychischer Funktionen) 1. Bewusstseinsstörungen 2. Orientierungsstörungen 3. Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen 4. Formale Denkstörungen 5. Befürchtungen und Zwänge 6. Inhaltliche Denkstörung: Wahn 7. Sinnestäuschungen 8. Ich-Störungen 9. Störungen der Affektivität 10. Antriebs- und psychomotorische Störungen 11. Circadiane Besonderheiten 12. Andere Störungen Bewusstseinsstörung 1. Quantitative Bewusstseinsstörung Bewusstseinsverminderung (Vigilanzminderung, Störung der Wachheit) ○ Benommenheit ○ Somnolenz ○ Sopor ○ Koma 2. Qualitative Bewusstseinsstörung (keine Vigilanzminderung) Bewusstseinseintrübung: beeinträchtigtes Verstehen, sich nicht mitteilen können und nicht sinnvoll handeln können (z.B. Intoxikation) Bewusstseinseinengung: Erleben und Verhalten ist auf wenige Themen eingeengt (z.B. epileptischer Dämmerzustand, aber auch hohe Konzentration beim Problemlösen) Bewusstseinsverschiebung: subjektiv berichtetes erweitertes Erleben; subjektiv erleben sich Personen als wacher und lebendiger; Gefühle werden als besonders intensiv erlebet (z.B. Cannabisintoxikation, Meditation) Überprüfung Ansprechbarkeit/ Augenschein Orientierungsstörung Mangelndes Bescheidwissen über zeitliche, örtliche, situative Gegebenheiten und/oder Orientierung zur Person Je nach Intensität eingeschränkt oder aufgehoben Cave: Wenn sich ein Mensch in seiner Umgebung nicht zurechtfindet Überprüfung Fragen Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörung Auffassungsstörung: Äußerungen (und Texte) können nicht mehr in ihrer Bedeutung erfasst werden (kognitive Verarbeitung von Informationen ist gestört) ○ Überprüfung: Bildergeschichte erzählen lassen Konkretismus: Beeinträchtigung der Fähigkeit zu abstrahierend-symbolischen Denken, z.B. Schwierigkeiten beim Zuordnen von Elementen zu Klassen oder Haftenbleiben in Details ○ Überprüfung: Sprichwörter Konzentrationsstörung: Zuwendung der Wahrnehmung gemäß der Sinne vermittelnden Eindrücke (Aufmerksamkeit) bzw. Konzentration auf einen bestimmten Sachverhalt ist gestört ○ Überprüfung: Aufmerksamkeitstests Störung der Merkfähigkeit und Störung der Erinnerungsfähigkeit ○ Überprüfung: 5 Items Einkaufsliste nennen und wiederholen lassen, am Ende des Gesprächs noch einmal danach fragen Amnesie (retrograde = keine Erinnerung an Geschehnisse vor dem Trauma/ anterograde = keine Erinnerung an Geschehnisse nach dem Trauma) ○ Überprüfung: Fragen Konfabulation (Erinnerungslücken werden mit spontan wechselnden Einfällen gefüllt) ○ Überprüfung: Faktencheck Paramnesien/Trugerinnerungen (Erinnerungsverfälschungen/ -täuschungen): Déjà-vu (schon erlebt; falsches Wiedererkennen) oder jamais-vu (noch nie erlebt; falsche Fremdheit); Flashbacks (Nachhallerinnerungen); Intrusionen (sich aufdrängende Erinnerungen an ein traumatisches Erlebnis) ○ Überprüfung: Fragen Ekmnesien (Störungen der zeitlichen Einordnung) ○ Überprüfung: Lebensgeschichte chronologisch erzählen lassen Störung der Intelligenz Nicht im AMDP ! Angeborene (Oligophrenie) oder erworbene (Demenz) Intelligenzstörungen Wichtige Hinweise aus Lebensgeschichte (Leistungen in der Schule bzw. Berufsausbildung Überprüfung Testung nur bei Hinweis Eigener Test, da nicht im AMDP Formale Denkstörung Gehemmtes Denken (gebremst, blockiert) -> nur subjektiv vom Patienten zu beurteilen Denkverlangsamung (schleppend) -> vom Therapeuten zu beurteilen Umständliches Denken (Nebensächliches nicht vom Wesentlichen trennen können) Eingeengtes Denken (eingeschränkt auf ein Thema) Perseveration (Haften an zuvor gebrauchten Worten oder Angaben, die im aktuellen Zusammenhang nicht mehr sinnvoll sind) Ständiges Grübeln (unablässiges gedankliches Beschäftigtsein mit meist unangenehmen Themen) Gedankendrängen (dem Druck vieler verschiedener Einfälle oder Gedanken ausgesetzt) Ideenflucht (Vermehrung von Einfällen, die aber nicht mehr zielführend sind; Ziel des Denkens wechselt ständig oder geht ganz verloren) Vorbeireden (Frage wurde verstanden, aber Antwort geht trotzdem an Frage vorbei) Sperrung/ Gedankenabreißen Inkohärenz/ Zerfahrenheit (Denken/Sprache verlieren ihren verständlichen Zusammenhang) Neologismen (Wortneubildungen oder unübliche Verwendung von Worten) Befürchtung und Zwänge Misstrauen (das Verhalten anderer wird ängstlich, unsicher oder feindselig auf die eigene Person bezogen) Hypochondrie (ängstliche Körperbeziehung, wo Missempfindungen mit unangemessener Befürchtung einhergehen, krank oder körperlich verunstaltet zu sein) Phobien (Angst vor bestimmen Situationen oder Objekten) ○ Überprüfung: Beobachtung/Befragung Zwangsdenken (sich aufdrängende Gedanken oder Vorstellungen, die als unsinnig bzw. übertrieben erlebt werden) Zwangsimpulse (sich aufdrängende Impulse, bestimmte Handlungen ausführen zu müssen, die als unsinnig bzw. übertrieben empfunden werden) Zwangshandlungen (immer wieder ausgeführte Handlungen, die als unsinnig bzw. übertrieben erlebt werden, z.B. Kontrolle, Ordnung, Sammeln, Waschen) ○ Überprüfung: oft verheimlicht (peinlich!) Inhaltliche Denkstörung: Wahn Nicht wahnhafte inhaltliche Denkstörungen: überwertige Ideen, Hypochondrie, Zwänge,… 1. Wahnstimmung: Ein Zustand emotionaler Anspannung und Unsicherheit, der das Vorfeld eines Wahns prägt Gefühle wie Misstrauen, Unheimlichkeit, Bedrohung oder manchmal Euphorie 2. Wahnwahrnehmung: Reale Sinneswahrnehmungen erhalten eine abnorme, irrationale Bedeutung (z. B. „Der Vogel zwitschert, weil er mich warnt“) 3. Wahneinfall: Plötzlich auftretende, gedankliche Überzeugungen, die wahnhafter Natur sind 4. Wahngedanken: Dauerhafte wahnhafte Überzeugungen, die aus Wahnwahrnehmungen oder Wahneinfällen entstehen 5. Erklärungswahn/systematisierter Wahn: Strukturierte Verknüpfung einzelner Wahnelemente (oft mit Sinnestäuschungen oder Ich- Störungen), die logisch oder auch scheinbar logisch wirken können 6. Wahndynamik: Die emotionale Intensität, mit der der Wahn erlebt wird (z. B. starke Angst, Euphorie oder Aggression) Arten von Wahn Beziehungswahn (wahnhaftes Beziehen von Ereignissen auf die eigene Person) Bedeutungswahn Beeinträchtigungs-/ Verfolgungswahn Eifersuchtswahn Liebeswahn Schuldwahn Verarmungswahn Hypochondrischer Wahn (abzugrenzen von der Hypochondrie, die nicht wahnhaft ist) Nihilistischer Wahn Größenwahn … Überprüfung Private Wirklichkeitsauffassung (entspricht nicht der Realität) subjektive Gewissheit Starres Festhalten – Unkorrigierbarkeit (trotz widersprüchlicher Erfahrungen) Apriorische Evidenz (erfahrungsunabhängige Gewissheit) Sinnestäuschung/ Wahrnehmungsstörung Illusionen Veränderung der Wahrnehmungsintensität Mikro-/Makropsie Metamorphose (Dysmorphopsie) Halluzinationen ○ akustische Halluzinationen ○ optische Halluzinationen ○ olfaktorische ○ gustatorische Halluzinationen ○ Zönästhesien/ Körperhalluzinationen (taktiles Wahrnehmen ohne entsprechende Reizquelle Pseudohalluzinationen Hypnagoge Halluzinationen Überprüfung Nachfragen Ich-Störung Derealisation (Umgebung oder Zeiterleben werden unwirklich verändert erfahren; die Vertrautheit geht verloren) Depersonalisation (man kommt sich selbst fremd, unwirklich, verändert oder wie ein anderer) Gedankenausbreitung (andere haben Anteil an den Gedanken und wissen, was man denkt) Gedankenentzug Gedankeneingebung (Gedanken werden als gemacht, gelenkt, beeinflusst oder eingegeben erlebt) Andere Fremdbeeinflussungserlebnisse (Fühlen, Wollen und Handeln oder auch Körperfunktionen betreffend) Überprüfung Nur subjektiv vom Patienten zu beurteilen! Störung der Affektivität Ratlos Schuldgefühle Gefühl der Gefühllosigkeit Dysphorie Ambivalenz Gereizt Euphorie innerlich unruhig Ängstlichkeit Störung der Vitalgefühle (keine Kraft, Lebendigkeit) Affektstarrheit (verringerte Modulationsfähigkeit + Verminderung der Affektstärke/ Affektverflachung) Insuffizienzgefühle Affektarmut (Verminderung des Affekt- Klagsam/Jammrig Spektrums) gesteigertes Selbstwertgefühl Affektlabilität (schneller Wechsel) Parathymie Verarmungsgefühle Affektinkontinenz (nicht beherrschbar) Deprimiertheit Hoffnungslosigkeit Überprüfung Beobachtung/ Befragung Störung des Antriebs und der Psychomotorik Antrieb: Belebende Kraft, die die Bewegung aller psychischen Funktionen hinsichtlich, Tempo, Intensität und Ausdauer bewirkt Antriebsarm (Mangel an Energie, Initiative und Interesse, bis hin zu Stupor) Antriebshemmung (vom Patienten als gebremst erlebte Energie und Antrieb) Antriebssteigerung (auch motorische Unruhe) Parakinesen (qualitativ abnorme Bewegungen, Gestik, Mimik und Sprache betreffend): auch Stereotypien, Befehlsautomatismus, Negativismus, Tics, Paramimie Stereotypien: Wortstereotypien (Verbigerationen), Echolalie, Echopraxie, Katalepsie (Haltungsstereotypien), flexibilitas cerea (wächserne Biegsamkeit) ○ Manierismen/bizarr (verstiegen, verschroben, posenhaft) ○ Theatralisches Verhalten ○ Mutistisch ○ Logorrhoisch Katatone Symptome (v.a bei katatonem Subtyp der Schizophrenie) ○ psychomotorische Hypophänomene (z.B. Katalepsie, Flexibilitas cerea) bis zu Stupor ○ psychomotorische Hyperphänomene (z.B. Antriebssteigerung) bis zu Raptus Zirkadiane Besonderheiten Andere Störungen Aggressivität/“übergriffig“ (feindselig, angriffslustig) Sozialer Rückzug (vom Patienten ausgehend) Soziale Umtriebigkeit: Zunahme sozialer Aktivitäten, dabei oberflächlich und häufig wechselnd (von den anderen als belästigend empfunden; mangelnde Distanz) Suizidalität Selbstbeschädigung Mangel an Krankheitsgefühl ○ Krankheitsgefühl: Der Patient fühlt sich nicht krank, obwohl er aktuell krank ist. ○ Krankheitseinsicht: Der Patient erkennt seine krankhaften Erlebens- und Verhaltensweisen nicht als krankheitsbedingt an, sondern führt sie auf andere Faktoren zurück. ○ Ablehnung der Behandlung: Der Patient lehnt die Behandlung ab oder wehrt sich dagegen. ○ Pflegebedürftigkeit: Der Patient ist bei Aktivitäten des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen Klassifikation psychischer Störungen Abstraktionsniveaus 1. Syndromatologisch (z.B. paranoid-halluzinatorisches Syndrom, z.B. bei Schizophrenie ODER bei organischen Psychosen) 2. Nosologisch (z.B. Schizophrenie, Emil Kraepelin) -> diagnostische Ebene Dissoziative Störungen Definition und Klassifikation ICD-10 F44 Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen] Das allgemeine Kennzeichen der dissoziativen oder Konversionsstörungen besteht in teilweisem oder völligem Verlust der normalen Integration der Erinnerung an die Vergangenheit, des Identitätsbewusstseins, der Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen. Alle dissoziativen Störungen neigen nach einigen Wochen oder Monaten zur Remission, besonders wenn der Beginn mit einem traumatisierenden Lebensereignis verbunden ist. Eher chronische Störungen, besonders Lähmungen und Gefühlsstörungen, entwickeln sich, wenn der Beginn mit unlösbaren Problemen oder interpersonalen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Störungen wurden früher als verschiedene Formen der "Konversionsneurose oder Hysterie" klassifiziert. Sie werden als ursächlich psychogen angesehen, in enger zeitlicher Verbindung mit traumatisierenden Ereignissen, unlösbaren oder unerträglichen Konflikten oder gestörten Beziehungen. Die Symptome verkörpern häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Krankheit manifestieren müsste. Körperliche Untersuchung und Befragungen geben keinen Hinweis auf eine bekannte somatische oder neurologische Krankheit. Zusätzlich ist der Funktionsverlust offensichtlich Ausdruck emotionaler Konflikte oder Bedürfnisse. Die Symptome können sich in enger Beziehung zu psychischer Belastung entwickeln und erscheinen oft plötzlich. Nur Störungen der körperlichen Funktionen, die normalerweise unter willentlicher Kontrolle stehen, und Verlust der sinnlichen Wahrnehmung sind hier eingeschlossen. Störungen mit Schmerz und anderen komplexen körperlichen Empfindungen, die durch das vegetative Nervensystem vermittelt werden, sind unter Somatisierungsstörungen (F45.0) zu klassifizieren. Die Möglichkeit eines späteren Auftretens ernsthafter körperlicher oder psychiatrischer Störungen muss immer mitbedacht werden. F44 Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen] F44.0 Dissoziative Amnesie F44.1 Dissoziative Fugue F44.2 Dissoziativer Stupor F44.3 Trance- und Besessenheitszustände F44.4 Dissoziative Bewegungsstörungen F44.5 Dissoziative Krampfanfälle F44.6 Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen F44.7 Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen], gemischt F44.8- Sonstige dissoziative Störungen [Konversionsstörungen] F44.80 Ganser-Syndrom F44.81 Multiple Persönlichkeit(sstörung) F44.82 Transitorische dissoziative Störungen [Konversionsstörungen] in Kindheit und Jugend Definition und Klassifikation ICD-11 Dissoziative Störungen Dissoziative Störungen sind gekennzeichnet durch eine unwillkürliche Unterbrechung oder Diskontinuität der normalen Integration eines oder mehrerer der folgenden Bereiche: Identität, Empfindungen, Wahrnehmungen, Affekte, Gedanken, Erinnerungen, Kontrolle über Körperbewegungen oder Verhalten. Die Unterbrechung oder Diskontinuität kann vollständig sein, ist aber häufiger partiell und kann von Tag zu Tag oder sogar von Stunde zu Stunde variieren. Die Symptome dissoziativer Störungen sind nicht auf die direkten Auswirkungen einer Substanz oder eines Medikaments, einschließlich Entzugserscheinungen, zurückzuführen, lassen sich nicht besser durch eine andere psychische Störung, eine Verhaltensstörung oder eine neuromentale Entwicklungsstörung, eine Schlaf-Wach-Störung, eine Erkrankung des Nervensystems oder einen anderen Gesundheitszustand erklären und sind nicht Teil einer anerkannten kulturellen, religiösen oder spirituellen Praxis. Die dissoziativen Symptome bei dissoziativen Störungen sind so schwerwiegend, dass sie zu einer bedeutsamen Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, ausbildungsbezogenen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen führen. 6B60 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen 6B60.0 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: Sehstörung 6B60.1 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: Hörstörung 6B60.2 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: Schwindel oder Benommenheitsgefühl 6B60.3 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: sonstige sensorische Störung 6B60.4 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: nichtepileptischer Anfall 6B60.5 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: Sprech- und Sprachstörungen 6B60.6 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: Parese oder Muskelschwäche 6B60.7 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: Gangstörung 6B60.8 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: Bewegungsstörung 6B60.9 Dissoziative Störung mit neurologischen Symptomen: kognitive Symptome 6B61 Dissoziative Amnesie 6B61.0 Dissoziative Amnesie mit dissoziativer Fugue 6B61.1 Dissoziative Amnesie ohne dissoziative Fugue 6B62 Trance-Störung 6B63 Besessenheits-Trance-Störung 6B64 Dissoziative Identitätsstörung 6B65 Partielle dissoziative Identitätsstörung 6B66 Depersonalisations-Derealisationsstörung Symptomatik Hauptsymptome Entkoppelung von seelischen und körperlichen Funktionen Störung der Integration seelischer Funktionen (Erinnerungen, Identitätsbewusstsein, Kontrolle willkürlicher Körperfunktionen) Psychogen entstandene, organisch anmutende Körpersymptome (häufig neurologischer Art) „Ruhige Hinnahme” der Symptome durch den Patienten Symptomatik nach Subtypen Dissoziative Amnesie (F44.0) Plötzlicher Gedächtnisverlust für persönliche Erinnerungen (episodisches Gedächtnis) Meist lokalisiert, selten generalisiert oder kontinuierlich Abrupter Beginn und plötzliches Ende Häufig nach traumatischen Ereignissen Kann Stunden bis Jahre umfassen Dissoziative Fugue (F44.1) Flucht mit Gedächtnisverlust für persönliche Identität Reise an einen anderen Ort Annahme einer neuen Identität Meist kurze Dauer (Stunden/Tage), kann länger anhalten Plötzliches Ende, oft mit Verwirrung über den Aufenthaltsort Dissoziativer Stupor (F44.2) Massive Verringerung oder Fehlen willkürlicher Bewegungen Eingeschränkte Reaktionen auf äußere Reize Tritt nach massiven Belastungen auf Trance- und Besessenheitszustände (F44.3) Trancezustände: Verlust des Identitätsgefühls und der Umgebungswahrnehmung Besessenheitszustände: Überzeugung, von fremder Macht gesteuert zu werden Dissoziative Bewegungsstörungen (F44.4) Störungen der Willkürmotorik wie Lähmungen, Sprachverlust oder Bewegungslosigkeit Dissoziative Krampfanfälle (F44.5) Anfälle, die epileptischen Anfällen ähneln, aber keine organische Ursache haben Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen (F44.6) Störungen der Sinneswahrnehmung wie Blindheit, Taubheit oder Gefühllosigkeit Multiple Persönlichkeitsstörung (F44.81) Zwei oder mehr unterschiedliche Persönlichkeiten Jede mit eigenen Erinnerungen, Verhaltensweisen und Gedanken Plötzliche Übergänge zwischen den Persönlichkeiten Depersonalisations-/Derealisationssyndrom (F48.1) Gefühl der Entfremdung vom eigenen Selbst oder der Umgebung Anhaltend oder wiederkehrend Verursacht subjektives Leiden Symptomatik nach Funktionsbereichen Körperbewegung (Willkürmotorik) Parese oder Paralyse (Lähmungserscheinungen) Aphonie (Stimmverlust) Akinese (Bewegungslosigkeit) Tremor (Zittern) Dissoziative Bewegungsstörungen Sinneswahrnehmung Visusminderung oder Blindheit Anästhetische Hautareale Minderung des Hörvermögens Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen Personale Identität Multiple Persönlichkeitsstörung (Dissoziative Identitätsstörung) Depersonalisation (Gefühl der Entfremdung vom eigenen Selbst) Gedächtnis Dissoziative Amnesie (Gedächtnisverlust für bestimmte Ereignisse oder Zeiträume) Dissoziative Fugue (Flucht verbunden mit Identitätsverlust und Amnesie) Komplexe Störungen Dissoziative Krampfanfälle Dissoziativer Stupor (massive Verringerung willkürlicher Bewegungen und Reaktionen) Trance- und Besessenheitszustände Diagnostik Diagnostische Kriterien Symptome sind nicht auf direkte Effekte von Medikamenten oder Substanzen zurückzuführen Symptome können nicht besser durch eine andere psychische oder neurologische Störung erklärt werden Symptome sind nicht Teil einer akzeptierten kulturellen, religiösen oder spirituellen Praxis Symptome führen zu signifikanter Beeinträchtigung in wichtigen Funktionsbereichen Differentialdiagnosen Körperliche Krankheiten (z.B. Epilepsie) Psychosomatische Störungen Hypochondrische Störung Simulation Epidemiologie Dissoziative Störungen der Bewegungen und der Sinnesempfindungen: 0.5% Lebenszeitprävalenz Häufigkeitsgipfel zwischen 20. und 40. Lebensjahr Frauen sind häufiger betroffen Dissoziative Amnesien, Fugue, multiple Persönlichkeitsstörung und Depersonalisationsstörungen werden in Europa nur sehr selten diagnostiziert Ätiologie Psychologische Faktoren Psychoanalytische Theorien: Konversion seelischer Konflikte auf körperliche Bereiche Symbolcharakter der Symptome (z.B. Blindheit als Ausdruck, dass der Patient für den Konflikt “blind” ist) Ursprünglich Fokus auf sexuell-erotische Konflikte, heute breiteres Spektrum Soziale und Umweltfaktoren Traumatisierende oder belastende Ereignisse Länger anhaltende, unlösbare Konflikte Modelllernen: gehäuftes Auftreten psychogener Störungen bei nahen Bezugspersonen Positiver (z.B. Zuwendung anderer) + Negativer Verstärker (z.B. psychische Entlastung durch Vermeidung) = Krankheitsgewinn Therapie dissoziative Störungen Psychotherapeutische Ansätze Beziehungsaufbau ist zentral Berücksichtigung des primären und sekundären Krankheitsgewinns Kognitive Therapie zur Veränderung von Überzeugungen zur Symptombildung Psychoanalyse: Fokus auf ungelöste Konflikte und Katharsis Verhaltenstherapie: Adressierung von positiver und negativer Verstärkung Pharmakologische Behandlung Antidepressiva Gelegentlich Benzodiazepine Weitere Interventionen Körperliche Übungsbehandlung (z.B. physiotherapeutische Maßnahmen) als “Brücke” Besonderheiten Hypnose wurde historisch zur Behandlung und zum Verständnis dissoziativer Störungen eingesetzt Placebo-Effekt spielt eine wichtige Rolle bei der Symptombildung und -auflösung Nocebo-Effekt: Negative Erwartungen können körperliche Reaktionen auslösen Suizidalität

Use Quizgecko on...
Browser
Browser