Jahresabschluss und Bewertung PDF Sommersemester 2024
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Karlsruher Institut für Technologie
2024
Dr. Torsten Lüdecke
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This document is lecture notes on financial statements for the summer semester 2024 at KIT – University of the State of Baden-Württemberg. The lecture covers topics such as external financial reporting instruments, addresses, institutional frameworks, regulations, balance sheets, income statements, and the relationship between accounting and financial statements. It is about an introduction and institutional fundamentals for the annual accounts and evaluation.
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Jahresabschluss und Bewertung Sommersemester 2024 finance.fbv.kit.edu Dr. Torsten Lüdecke, Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) KIT – University of the State of Baden-Württemberg and National Research Center of the Helmholtz Association...
Jahresabschluss und Bewertung Sommersemester 2024 finance.fbv.kit.edu Dr. Torsten Lüdecke, Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) KIT – University of the State of Baden-Württemberg and National Research Center of the Helmholtz Association www.kit.edu Organisatorisches Vorlesungsbeginn 19.06.2024 Vorlesungszeit 08:00 – 09:30 & 09:45 – 11:15 Uhr Vorlesungsort Gerthsen-HS & Audimax Unterlagen Im ILIAS-System 20.08.2024 (6.12.2024) Klausur (Nachklausur) Anmeldung: 01.07.2024 – 19.08.2024 Aushänge Im ILIAS-System 2 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Themen der externen Rechnungslegung 3 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Problemstellung Die externe Rechnungslegung muss verschiedene Funktionen erfüllen, unterschiedlichen Adressaten gerecht werden, finanzielle und nichtfinanzielle Aspekte berücksichtigen und nationalen (und internationalen) Rechtsgrundlagen genügen. Wie aber muss sie im konkreten Fall gestaltet werden? Welche Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sind anzuwenden? In welchem Umfang müssen Angaben und Informationen gemacht werden? 4 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Kernfragen im institutionellen Kontext Wer muss einen Jahresabschluss (JA) erstellen? Welche Berichtselemente muss der JA enthalten? Welche gesetzlichen Vorschriften finden Anwendung bei der Erstellung des JA? Welchen Einfluss haben Größenmerkmale und die Rechtsform auf den Umfang des JA? Welche Unternehmen sind prüfungspflichtig? Wer muss welche Berichtselemente offenlegen? 5 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Zielsetzung der Vorlesung Die Vorlesung vermittelt ein grundlegendes Verständnis für die einzelnen Elemente des Jahresabschlusses und die ergänzenden Instrumente. Der Schwerpunkt der Vorlesung liegt auf dem handelsrechtlichen Einzelabschluss nach deutschem Recht. Hierbei werden die grund- legenden Schritte zur Erstellung des Jahresabschlusses aufgezeigt. Darüber hinaus werden die Funktionen des Anhangs und des Lageberichts erklärt und damit verbundene Angaben erörtert. Motivation: Deutsche Unternehmen müssen nach wie vor ihre Einzelabschlüsse nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) erstellen, da an diese Abschlüsse spezifische Rechtsfolgen geknüpft sind. 6 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Kern der Vorlesung: Die Grundschritte der Bilanzierung Was wird bilanziert? Ansatz Welche Ansatzkriterien gibt es? Wie wird bilanziert? Bewertung Welche Bewertungsmaßstäbe gibt es? Wo wird bilanziert? Ausweis & Gliederung Welche Mindestanforderungen gibt es? Welche erläuternden Angaben sind zu machen? Angaben Welche zusätzlichen Angaben müssen erfolgen? 7 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Inhalt der Vorlesung 1 Einführung und institutionelle Grundlagen 2 Grundlagen des Jahresabschlusses 3 Grundlagen der Bilanzierung 4 Grundlagen der Bewertung 5 Gewinn- und Verlustrechnung 6 Ergänzende Instrumente 8 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Literatur Coenenberg et al. (2024): Einführung in das Rech- nungswesen: Grundlagen der Buchführung und Bilanzierung, 9. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag. Fleischer (2024): Handelsgesetzbuch, 69. Auflage, Beck-Texte im dtv. Wöltje (2022): Jahresabschluss Schritt für Schritt, 5. Auflage, UVK-Verlag München. 9 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Jahresabschluss und Bewertung Kapitel 1: Einführung und institutionelle Grundlagen finance.fbv.kit.edu Dr. Torsten Lüdecke, Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) KIT – University of the State of Baden-Württemberg and National Research Center of the Helmholtz Association www.kit.edu Inhalt der Vorlesung 1 Einführung und institutionelle Grundlagen 2 Grundlagen des Jahresabschlusses 3 Grundlagen der Bilanzierung 4 Grundlagen der Bewertung 5 Gewinn- und Verlustrechnung 6 Ergänzende Instrumente 2 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Heutige Themen Instrumente der externen Rechnungslegung Adressaten der externen Rechnungslegung Institutioneller Rahmen der Rechnungslegung Regulierung der Rechnungslegung 3 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Instrumente der externen Rechnungslegung 1/2 Der Jahresabschluss besteht aus einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), der in bestimmten Fällen durch einen Anhang zu erweitern und um einen Lagebericht zu ergänzen ist. Der Jahresabschluss (JA) ist ein Ergebnis des externen Rechnungswesens, der in Form eines Einzelabschlusses oder Konzernabschlusses erstellt wird. Grundsätzliche Pflicht zur Erstellung des JA. Ausnahme: Kleinstkaufleute gemäß HGB. 4 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Instrumente der externen Rechnungslegung 2/2 Anforderungen gemäß HGB: 5 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Einzelabschluss versus Konzernabschluss Einzelabschluss Konzernabschluss Rechnungslegung bezieht sich auf Rechnungslegung umfasst mehrere ein Unternehmen als rechtliche wirtschaftlich abhängige, aber recht- Einheit (z. B. OHG, KG, GmbH, AG). lich selbständige selbstständigeUnternehmen Unternehmen (Tochtergesellschaften). Konzernabschluss der Obergesell- schaft (Mutterunternehmen) schließt die Tochtergesellschaften ein. 6 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Buchführung und Inventar als Grundlagen der externen Rechnungslegung Zusammenhang zwischen Buchführung, Inventar und Jahresabschluss: 7 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Vom Inventar zur Bilanz Inventar Vermögen − Schulden* = Reinvermögen (Eigenkapital) Bilanz Aktiva Passiva Anlagevermögen Eigenkapital Fremdkapital Umlaufvermögen *An Stelle der Wortes „Schulden“ tritt in der Bilanz das Wort „Verbindlichkeiten“ (Fremdkapital). 8 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Adressaten, Funktionen und Ziele der externen Rechnungslegung Für die Interessen unterschiedlicher Adressaten wie … Eigentümer Gläubiger Fiskus Management erfolgt die … Ermittlung des Bestands an Ermittlung des Periodenerfolgs Vermögen und Kapital zum Zweck der … Information Zahlungsbemessung 9 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Fragen zu Adressaten, zur Information und Zahlungsbemessung Welche zusätzlichen unternehmensexternen Adressaten sind an Information interessiert? Welche Eigenschaften sollte “gute“ Information aufweisen? Welche Zahlungsansprüche müssen bemessen werden? 10 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundproblem der externen Rechnungslegung als Informationssystem Trennung von Ersteller und Benutzern der Unternehmens- rechnung führt zu vielfältigen Friktionen. Bedingen Interessenkonflikte zwischen Management und Aktionären: Prinzipal Asymmetrische Information Agent Erfordern institutionelle und vertragliche Lösungen wie z.B. … 11 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Institutioneller Rahmen der Rechnungslegung 1/5 Geschäftstransaktionen und wirtschaftliche Ereignisse Transformation und Aggregation aufgrund Rechnungslegungsregeln Corporate Governance Informationspolitische Entscheidungen des Managements innerhalb gegebener Spielräume Jahresabschluss Weitere Informationen (Zwischenberichte, Ad hoc-Berichte, frei- willige Informationen) 12 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Institutioneller Rahmen der Rechnungslegung 2/5 Jahresabschluss Weitere Informationen Corporate Governance (Zwischenberichte, Ad hoc-Berichte, freiwillige Informationen) Prüfung durch Wirtschaftsprüfer Kontrolle durch Aufsichtsrat Offenlegung, Veröffentlichung Kontrolle durch Gremien (zB Gerichte, Börsen, Börsenaufsicht) Außerhalb des Entscheidungen der Adressaten Unternehmens liegende Informationsquellen Gerichtliches Klagesystem 13 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Institutioneller Rahmen der Rechnungslegung 3/5 Einbettung der Rechnungslegung in die Corporate Governance (CG): Verantwortungsvolle Unternehmensführung und Förderung des Vertrauens aller externer Adressaten. Interessenkonflikte zwischen Kapitalgebern und Management sowie Maßnahmen zu deren Reduzierung. Umfang und Inhalt der Informationen zur Aufgabenerfüllung wird durch die externe Rechnungslegung bestimmt. Management ist verantwortlich für die interne Qualitätssicherung, z.B. durch die Kontrolle von Managementanreizen und ein System interner Kontrollmechanismen. CG ist als rechtlicher und faktischer Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens definiert 14 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Institutioneller Rahmen der Rechnungslegung 4/5 Wirtschaftsprüfung Unabhängigkeit der Abschlussprüfer. Prüfung, ob Rechnungslegung frei von Fehlern und falschen Aussagen ist. Bezieht sich auf Jahresabschlüsse, nicht auf Zwischenberichte und freiwillige Finanzberichterstattung. Gesetzliche Regelungen und Prüfungsstandards (GoA, ISA). Kontrolle durch den Aufsichtsrat Im Rahmen der Überwachungsfunktion. Bilanzausschuss, Rechnungslegungs- und Prüfungsausschuss (audit committee). Erweitert auf nicht-finanzielle Angaben. 15 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Institutioneller Rahmen der Rechnungslegung 5/5 Kontrolle durch öffentliche und private Gremien BRD: Staatlich organisierte Prüfung durch die BaFin. Gerichtliches Klagesystem Klagemöglichkeiten gegen Vorstand und Aufsichtsrat. Musterfeststellungsverfahren und Abhilfeverfahren durch Verbraucherverbände möglich. Dritthaftung der Abschlussprüfer nur bei Vorsatz (s.a. FISG). 16 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Regulierung der Rechnungslegung 1/2 Gründe: Schutzbedürftigkeit schwacher Adressatengruppen. Effizientere Gesamtmarktsituation durch Begrenzung oder Ausschaltung externer Effekte. Quellen der Regulierung: Gesetzliche Quellen: Einfache Gesetze, Verordnungen und Gerichtsurteile. Standardsetter: Öffentliche Gremien und private Gremien. Empfehlungen: Wirtschaftsverbände, Unternehmensverbände und Experten. 17 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Regulierung der Rechnungslegung 2/2 Historische Entwicklung Rechnungslegungsvorschriften seit 1794 (Allg. Preußische Landrecht). HGB seit 1897 (erstmaliger Verweis auf GoB). Ständige Zunahme der Regulierung, u.a. bedingt durch Zusammenbrüche großer Unternehmen, Wirtschaftskrisen, Betrugsfälle und Bilanzdelikte. Verstärkte Ausrichtung an Kapitalmarkterfordernissen und internationalen Rechnungslegungsstandards. Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichterstattung stark gestiegen. 18 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Zusammenfassung Elemente des Jahresabschlusses sind das Ergebnis des externen Rechnungswesens. Hauptfunktionen der externen Rechnungswesens sind die Bereitstellung entscheidungsnützlicher Informationen und die Anspruchsbemessung. Institutioneller Rahmen dient der Sicherstellung der Qualität der externen Rechnungslegung. Die Regulierung der externen Rechnungslegung erfolgt weitgehend durch Gesetze. Die Weiterentwicklung der Rechnungslegung zielt u.a. auf eine stärkere Kapitalmarktorientierung. 19 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Jahresabschluss und Bewertung Kapitel 2: Grundlagen des Jahresabschlusses finance.fbv.kit.edu Dr. Torsten Lüdecke, Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) KIT – University of the State of Baden-Württemberg and National Research Center of the Helmholtz Association www.kit.edu Inhalt der Vorlesung 1 Einführung und institutionelle Grundlagen 2 Grundlagen des Jahresabschlusses 3 Grundlagen der Bilanzierung 4 Grundlagen der Bewertung 5 Gewinn- und Verlustrechnung 6 Ergänzende Instrumente 2 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Heutige Themen Das Handelsrecht und sein Kaufmannsbegriff Handelsrechtliche Vorschriften im Überblick Rechtsformunabhängige Rechnungslegungsvorschriften Rechtsformspezifische Rechnungslegungsvorschriften Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) Grundsätze ordnungsgemäßer Dokumentation (GoD) Grundsätze ordnungsgemäßer Inventur (GoI) Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung (GoBil) Grundsatz der Vorsicht als zentraler GoB Grundsatz der Periodenabgrenzung 3 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Das Handelsrecht und sein Kaufmannsbegriff Handelsrecht wird allgemein als Sonderrecht der Kaufleute definiert. Umfasst spezielle Vorschriften, die sich auf einen subjektiven Anknüpfungspunkt - die Kaufmannseigen- schaft – beziehen. Nach Handelsrecht ist Kaufmann, wer ein Handelsge- werbe betreibt (vgl. §1 HGB - Istkaufmann). Kaufleute sind schließlich die Handelsgesellschaften kraft ihrer Rechtsform (vgl. §6 HGB - Formkaufmann). 4 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Exkurs: Rechtsformen der Betriebe (Privatrecht) Einzelunternehmen Personengesellschaften GbR, OHG, KG AG & Co. KG, SE & Co. KG, GmbH & Co. KG Kapitalgesellschaften AG, SE, GmbH, UG, Ltd. Was ist der wesentliche Unterschied zwischen KGaA Personen- und Kapitalgesellschaften? Genossenschaften Vereine, Stiftungen Welche Rolle spielen dabei Mischformen? 5 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsformen in Deutschland – Stand: 2020* Lieferungen und Steuerpflichtige1 Rechtsform Leistungen2 Absolut Prozent 1,000 EUR Prozent Natürliche Personen; Einzelunternehmen 1,926,543 63.7% 622,178,722 9.6% Personengesellschaften 415,299 13.7% 1,558,488,684 24.0% Kapitalgesellschaften 603,538 20.0% 3,734,723,142 57.4% Aktiengesellschaften (AG) 7,389 0.2% 841,090,493 12.9% Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) 134 0.0% 91,279,475 1.4% Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) 552,289 18.3% 2,627,035,731 40.4% Europäische Aktiengesellschaft (SE) 285 0.0% 165,321,289 2.5% Unternehmergesellschaft (UG, haftungsbeschränkt) 43,421 1.4% 9,907,706 0.2% Sonstige Kapitalgesellschaften 20 0.0% 88,448 0.0% Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften 5,305 0.2% 71,250,105 1.1% Körperschaften des öffentlichen Rechts 8,555 0.3% 61,035,736 0.9% Sonstige Rechtsformen 65,905 2.2% 455,784,236 7.0% Insgesamt 3,025,145 100.0% 6,503,460,626 100.0% 1 Steuerpflichtige mit Lieferungen und Leistungen über 22,000 Euro. 2 Umsätze der Unternehmen, ohne Umsatzsteuer. *Source: https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Steuern/Umsatzsteuer/Tabellen/voranmeldungen-rechtsformen.html 6 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsform-, Größen- und Branchenabhängigkeit der Rechnungslegungsvorschriften Maßgebliche Anknüpfungspunkte für die Anwendung unterschiedlicher Rechtsgrundlagen für den JA sind: Rechtsform Größe Branche Rechtsformspezifische Rechnungslegungsvorschriften betreffen Kapitalgesellschaften. Diese sind zudem nach Unternehmensgröße gestaffelt. Sondervorschriften bestehen auch für Unternehmen bestimmter Branchen: Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds Bestimmte Unternehmen des Rohstoffsektors 7 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsgrundlagen des Jahresabschlusses Unternehmen ohne Unternehmen mit Haftungsbeschränkung Haftungsbeschränkung Einzelunternehmen/PersG mit PersG ohne natürlicher Person als Voll- natürliche Person GmbH AG/KGaA hafter als Vollhafter HGB, Drittes Buch, Erster Abschnitt (§§ 238-263) HGB, Drittes Buch, Zweiter Abschnitt (§§ 264-289f) GmbHG AktG PublG (§ 5) (§§ 41-42a) (§§ 150-161) 8 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Fragen zur Mischform von PersG und weiteren Gesetzen Welche Konsequenz hat die Ausgestaltung der PersG als Rein- oder Mischform auf die Anforderungen der Rechnungslegung? Was motiviert den Gesetzgeber bei haftungsbeschränkten Unternehmen rechtsformspezifische Gesetze zu erlassen, die über das HGB hinausgehende Anforderungen an die Rechnungslegung stellen? 9 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Das Handelsgesetzbuch (HGB) und seine Bücher Rechtsgrundlage für den kaufmännischen Rechts- und Geschäftsverkehr ist in erster Linie das HGB, das in fünf Bücher gegliedert ist: 1. Buch 2. Buch Handelsgesellschaften Handelsstand und stille Gesellschaft 3. Buch 4. Buch Handelsbücher Handelsgeschäfte 5. Buch Seehandel 10 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Aufbau des dritten Buches des HGB Quelle: Coenenberg et al. (2021) 11 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) 1/3 HGB nutzt GoB-Begriff ohne Legaldefinition. GoB sind ein unbestimmter Rechtsbegriff, die als überindividuelle Verhaltensnormen eine zweckgerechte Bilanzierung sichern und alle Tatbestände auffangen sollen, die der Gesetzgeber nicht oder mit auslegungsbedürftigen Normen geregelt hat. Inhaltlich ein System von allgemein anerkannten Regeln zur Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen und zur Darstellung des Jahresabschlusses. GoB haben Rechtsnormcharakter 12 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) 2/3 In der Fachliteratur gibt es keine allgemein gültige Definition bzw. Systematisierung der GoB. Gängige Unterteilung der GoB: Grundsätze ordnungsgemäßer Dokumentation (GoD), Grundsätze ordnungsgemäßer Inventur (GoI), Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung (GoBil). Wann kommen GoB zur Anwendung? Immer dann, wenn spezielle Rechnungslegungsvorschriften auslegungsbedürftig oder lückenhaft sind. 13 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Frage zur Bedeutung der GoB in der Praxis GoB sind bedeutende Hilfe zur Entscheidungsfindung bei praktischen Fragen der Rechnungslegung. Geben Sie einige Beispiele: 14 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) 3/3 Deutsche GoB werden aus der Gläubigerschutzfunktion abgeleitet. Diese kommt vor allem im Vorsichtsprinzip zum Ausdruck und konkretisiert sich im Realisations-, Imparitäts-, AHK-, und Niederstwertprinzip (§§252 Abs. 1 Nr. 4, 253 HGB) sowie im Grundsatz der Einzelbewertung (§252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Die Informationsfunktion im Interesse der Anteilseigner hat im Laufe der Zeit mehr Gewicht bekommen. Warum? 15 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Dokumentation (GoD) GoD = Regelungen zur Gewährleistung einer zugriff- sicheren Aufzeichnung buchungspflichtiger Geschäfts- vorfälle Formelle GoD: Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (§238 Abs. 1) Grundsatz der Sicherheit (§239 Abs. 4) Grundsatz der formellen Kontinuität Materielle GoD Grundsatz der Vollständigkeit (§239 Abs. 2) Grundsatz der Richtigkeit (§239 Abs. 2) 16 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Inventur (GoI) 1/2 Inventur: Aufgabe? Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden zum Bilanzstichtag. Ergebnis? Art der Bestandsaufnahme: Körperlich oder buchmäßig. HGB erlaubt verschiedene Inventurarten und Bewertungsvereinfachungen. Inventur ist Pflicht gem. §240 Abs. 1. 17 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Inventur (GoI) 2/2 Im Hinblick auf den Stichtag lassen sich drei Inventurarten unterscheiden: Stichtagsinventur (§240 Abs. 2). Alternativen: Vor- oder nachgelagerte Stichtagsinventur (§241 Abs. 3). Permanente Inventur (§241 Abs. 2). Stichprobeninventur (§241 Abs. 1). Bewertungsvereinfachungen für Vermögensgegen- stände: Festwertverfahren (§240 Abs. 3). Gruppenbewertung (§240 Abs. 4). 18 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung (GoBil) 1/2 Formelle GoBil Grundsatz der Klarheit & Übersichtlichkeit (§243 Abs. 2): Mindestgliederung der Bilanz gem. §247 Abs. 1: Aktiva = AV + UV + RAP Passiva = S + EK + RAP Grundsatz der formellen Bilanzkontinuität Beibehaltung der Gliederung der Bilanz und GuV im Zeitablauf. Einhaltung der Bilanzidentität (§252 Abs. 1 Nr. 1): Anfangsbilanz = Schlussbilanz des Vorjahres Beibehaltung des Abschlussstichtages. 19 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung (GoBil) 2/2 Materielle GoBil Grundsatz der Vollständigkeit von Bilanz und GuV: Vollständige Erfassung aller Vermögensgegenstände und Schulden in der Bilanz und aller Aufwendungen und Erträge in der GuV (§246 Abs. 1). Beachtung des Saldierungsverbots (§246 Abs. 2). Grundsatz der Richtigkeit der Bewertung: Im Sinne von sachgerechter Anwendung der Bewertungsgrund- sätze und -vorschriften und von Willkürfreiheit. Grundsatz der materiellen Bilanzkontinuität: Bewertungsstetigkeit gem. §252 Abs. 1 Nr. 6. 20 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Der Grundsatz der Vorsicht als zentraler GoB Der Grundsatz der Vorsicht beherrscht als zentraler GoB (allgemeines kaufmännisches Vorsichtsprinzip) das gesamte Handelsbilanzrecht. Das Vorsichtsprinzip ist Ausfluss des Gläubigerschutz- gedankens. Beugt der Gefahr eines zu hohen Erfolgsausweises vor. Die Haftungssubstanz bleibt erhalten, überhöhte Gewinnent- nahmen sowie übermäßige Steuerbelastungen werden vermieden. Tendenziell werden Aktiva eher niedriger, Passiva eher höher angesetzt. Inhaltlich wird der Vorsichtsgrundsatz durch weitere Prinzipien konkretisiert … 21 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Gesetzlich normierte Ausprägungen des Vorsichtsprinzips 1/3 Realisationsprinzip: Gewinne dürfen erst dann ausgewiesen werden, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Der Zeitpunkt der Ergebnisrealisierung wird folglich an der wirtschaftlichen Erbringung festgemacht und nicht an der schuldrechtlichen Erfüllung. Imparitätsprinzip: Es sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen. Ausweispflicht für unrealisierte Verluste, Ausweisverbot für unrealisierte Gewinne (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). 22 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Gesetzlich normierte Ausprägungen des Vorsichtsprinzips 2/3 Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip (AHK): Vermögensgegenstände sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellkosten (vermindert um AfA), Verbindlichkeiten und Rückstellungen sind zu ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen (vgl. §253 Abs. 1 HGB). Was wird durch die Begrenzung der Wertansätze erreicht? 23 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Gesetzlich normierte Ausprägungen des Vorsichtsprinzips 3/3 Niederstwertprinzip (NWP): Bei zwei für die Bewertung von Aktiva in Betracht kommenden Werten ist der niedrigere Wert anzusetzen. Das NWP konkretisiert somit den gebotenen Ausweis unrealisierter Verluste im Anlagevermögen – gemildertes NWP (§253 Abs. 3 HGB), im Umlaufvermögen – strenges NWP (§253 Abs. 4 HGB). Grundsatz der Einzelbewertung (§252 Abs. 1 Nr. 3): Gewährleistet grundsätzlich die Wirksamkeit des Imparitäts- prinzips durch Verhinderung der Saldierung von nicht ausweis- baren unrealisierten Gewinnen und ausweispflichtigen unrealisierten Verlusten. 24 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Der Grundsatz der Periodenabgrenzung 1/2 Die kaufmännische Buchführung basiert auf dem Grund- satz der Periodenabgrenzung nach dem Verursachungs- prinzip: Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unabhängig von den Zeitpunkten der Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) Durch die Abgrenzung der Sache nach wird das Realisationsprinzip in sinnvoller Weise ergänzt. Wie kommt das in der GuV zum Ausdruck? 25 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Der Grundsatz der Periodenabgrenzung 2/2 Eine Abgrenzung der Zeit nach erfolgt dann, wenn Erträge und Aufwendungen weder nach dem Realisations- prinzip noch der Sache nach zugeordnet werden können. Streng zeitraumbezogene Beträge (z.B. Mieten und Zinsen) sind zeitanteilig den betreffenden Geschäftsjahren zuzuordnen. Auch hier gilt: Die Abgrenzung erfolgt unabhängig vom jeweiligen Zahlungszeitpunkt (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) 26 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Abschließende Fragen Welche Finanzberichte enthält der Jahresabschluss einer Personengesellschaft bzw. einer Kapitalgesellschaft zwingend? Wie unterscheiden sich die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) inhaltlich und bezüglich ihrer Aussagen? Erläutern Sie den formalen Zusammenhang von Bilanz und GuV. Wieso sind die GoB nicht im HGB definiert? Welche beiden Aspekte regelt das Realisationsprinzip? 27 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Jahresabschluss und Bewertung Kapitel 3: Grundlagen der Bilanzierung finance.fbv.kit.edu Dr. Torsten Lüdecke, Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) KIT – University of the State of Baden-Württemberg and National Research Center of the Helmholtz Association www.kit.edu Inhalt der Vorlesung 1 Einführung und institutionelle Grundlagen 2 Grundlagen des Jahresabschlusses 3 Grundlagen der Bilanzierung 4 Grundlagen der Bewertung 5 Gewinn- und Verlustrechnung 6 Ergänzende Instrumente 2 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Heutige Themen Bilanzierungsgrundsätze Unter welchen Voraussetzungen sind wirtschaftliche Sachverhalte bilanzierungsfähig? Bilanzierungsvorschriften Welche Vorschriften gelten allgemein? Welche Vorschriften sind an die Rechtsform geknüpft? Ausweis- und Gliederungsvorschriften Welche Positionen sind in der Bilanz auszuweisen und wie sind sie zu gliedern? 3 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierungsgrundsätze Bilanzierungsfähigkeit bezieht sich auf die Eigenschaft eines Sachverhaltes in der Bilanz als Position angesetzt zu werden. Was also qualifiziert einen Sachverhalt in die Bilanz aufgenommen zu werden ? Diese Frage lässt sich abstrakt und konkret beantworten. 4 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Abstrakte Bilanzierungsfähigkeit 1/2 Mit Hilfe der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit werden Sachverhalte zunächst losgelöst vom konkreten Einzelfall auf ihre grundsätzliche Eignung als Bilanzansatz geprüft. Sie ist gegeben, wenn sich das betreffende Objekt einer der folgenden Kategorien zuordnen lässt: → Vermögensgegenstand Problem → Schulden (Verbindlichkeiten, Rückstellungen) !!! → Eigenkapital Lösung → Rechnungsabgrenzungsposten ? 5 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Abstrakte Bilanzierungsfähigkeit 2/2 Vermögensgegenstand und Schulden werden grundsätzlich wie folgt charakterisiert:* Vermögensgegenstand Hat wirtschaftlichen Wert, ist selbständig bewertbar, d.h. objektivierbar, und ist selbständig verkehrsfähig, d.h. einzeln veräußerbar. *Vgl. Coenenberg, 2024, S. 337 Schulden Bestehende oder hinreichend sicher erwartete Belastungen des Vermögens, die auf einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Leistungsver- pflichtung des Unternehmens beruhen und selbständig bewertbar, d.h. als solche abgrenzbar, sind. 6 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Abstrakte Bilanzierungsfähigkeit Börsenwert digitaler Zahlungsmittel im April 2024 Marktkapitalisierung in Millionen US-Dollar 0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 Bitcoin 1.308,7 Ethereum 402,14 Tether 105,33 Solana 85,08 BNB 84,53 USD Coin 32,91 XRP 32,49 Frage: Dogecoin 26,81 Sind Kryptowährungen bilanzierungsfähig? Cardano 21,11 Avalanche 18,16 Hinweis: Weltweit; Stand: 3. April 2024. Quelle: CoinMarketCap; ID 296205 7 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Konkrete Bilanzierungsfähigkeit 1/2 Ist eine abstrakte Bilanzierungsfähigkeit gegeben, muss die konkrete Bilanzierungsfähigkeit geprüft werden. Ist das zu bilanzierende Objekt im konkreten Einzelfall tatsächlich bilanzierungsfähig? Die Antwort hängt an drei Kriterien: Persönliche Zuordnung: Das zu bilanzierende Objekt muss dem Bilanzierenden wirtschaftlich zuzurechnen sein. Sachliche Zuordnung: Das Objekt muss dem Unternehmens- betrieb zuzurechnen sein. Kein ausdrückliches Bilanzierungsverbot. 8 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Konkrete Bilanzierungsfähigkeit 2/2 Wichtige Fälle, in denen wirtschaftliches Eigentum zur Bilanzierung führt (vgl. §246 Abs. 1 Satz 2 HGB): Verkauf von Ware unter Eigentumsvorbehalt Bilanzierung beim Käufer. Gefahr, Nutzen und Lasten und damit Verwertungsrecht gehen auf den Vorbehaltskäufer über. Zur Sicherung übereignete Vermögensgegenstände, zur Sicherung abgetretene Forderungen Bilanzierung beim Sicherungsgeber. Das Verwertungsrecht des Sicherheitsnehmers wird für Rechnung des Sicherheitsgebers ausgeübt. 9 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsformunabhängige Bilanzierungsvorschriften 1/5 Sind sämtliche bisher genannten Voraussetzungen erfüllt, besteht nach dem Grundsatz der Vollständigkeit (§246 Abs. 1 HGB) generell Bilanzierungspflicht für sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten. Gilt seit 2009 auch für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert. Ausnahmen gelten bei Anwendung eines Bilanzierungswahlrecht oder Bilanzierungsverbots 10 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsformunabhängige Bilanzierungsvorschriften 2/5 Der derivative Geschäfts- oder Firmenwert wird im Rahmen eines Unternehmenskauf entgeltlich erworben. Ansatzpflicht für den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kauf- preis und dem Substanzwert des erworbenen Unternehmens. Substanzwert = Zeitwert des EK zum Zeitpunkt der Übernahme Gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand. (Vgl. §246 Abs. 1 Satz 4 HGB) Ausweis als immatrieller Vermögensgegenstand. In der Praxis auch Goodwill genannt 11 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Goodwill als Residualgröße eines Unternehmenskaufs Synergien & Restrukturie- Unterneh rungs- menswert potenzial aus Goodwill Käufer- Unterneh Sicht menswert Kaufpreis aus Verkäufer- sicht Frage: Warum ist der Goodwill ein Vermögensgegenstand? 12 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsformunabhängige Bilanzierungsvorschriften 3/5 Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) dienen der periodengerechten Erfolgsermittlung: RAP Aktiv Passiv Ausgabe vor T Einnahme vor T Transistorisch Aufwand nach T Ertrag nach T Einnahme nach T Ausgabe nach T Antizipativ Ertrag vor T Aufwand vor T T = Abschlussstichtag Unter der Position „RAP“ sind nur transistorische Posten ausweispflichtig (§250 Abs. 1 & 2). Frage: Wo erscheinen die antizipativen RAP in der Bilanz? 13 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Mietvorauszahlung Ein Unternehmen erhält für eine vermietete Immobilie im November 01 die Halbjahresmiete i.H.v. 12.000 €. Das Geschäftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Fragen: a) Welche Art RAP muss gebildet werden? b) In welcher Höhe ist der RAP anzusetzen? 14 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsformunabhängige Bilanzierungsvorschriften 4/5 Aktivierungswahlrechte Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände (vgl. §248 Abs. 2 Satz 1 HGB). Können nicht körperlich erfasst werden, müssen aber eindeutig identifizierbar sein. Typische Beispiele? Müssen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Entstehung begriffen sein. Hier ist die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung wichtig. Disagio darf unter RAP aktiviert werden: Unterschiedsbetrag, wenn der Erfüllungsbetrag einer Verbindlich- keit höher als der Ausgabebetrag ist (vgl. §250 Abs. 3 HGB). 15 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Abgrenzung von Forschung und Entwicklung (F&E) Abgrenzung von F&E-Kosten ist bedeutsam, da für Forschungskosten ein Aktivierungsverbot und für Entwicklungskosten ein Aktivierungswahlrecht besteht. (§255 Abs. 2a HGB) Forschungsbegriff gem. HGB Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wirtschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaft- liche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. Entwicklungsbegriff gem. HGB Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Anforderungen. 16 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Prüfung der Bilanzierungsfähigkeit selbstgeschaffener immatrieller Vermögensgegenstände Frage: Wie wirkt sich die Ausübung eines Aktivierungswahlrechts auf die Bilanz und GuV aus? 17 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Aktivierung eines Disagios als RAP Ein Unternehmen nimmt am 01.04.01 bei einer Bank einen endfälligen Kredit mit einer Laufzeit von 4 Jahren (bis 31.03.05) i.H.v. 1.000 T€ auf. Der Auszahlungsbetrag ist 960 T€. Der Zinssatz für den Kredit beträgt 8%. Das Unternehmen entscheidet sich das Disagio i.H.v. 40 T€ als RAP zu aktivieren. Frage: Wie sieht die Zahlungsreihe für das Darlehen aus Sicht des Unternehmens aus? Jahr 2001 2002 2003 2004 2005 Kreditauszahlung 960 Abschreibung Disagio Zinsaufwand Tilgung 1.000 18 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Rechtsformunabhängige Bilanzierungsvorschriften 5/5 Aktivierungsverbote (vgl. §248 HGB Abs. 1): 1. Aufwendungen für die Gründung eines Unternehmens, 2. Aufwendungen für die Beschaffung von Eigenkapital, 3. Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen. Aktivierungsverbote (vgl. §248 HGB Abs. 2 Satz 2): Selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögens- gegenstände des AV. Passivierungsverbot (vgl. §249 Abs. 2 Satz 1): Bildung von Rückstellungen für Zwecke, die nicht im HGB genannt sind. 19 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Allgemeine Ausweis- und Gliederungsvorschriften HGB schreibt für Nicht-KapG weder die Gestaltung noch die Gliederung des Jahresabschlusses vor. HGB (§247 Abs. 1) verlangt lediglich den Ausweis von Anlage- und Umlaufvermögen, EK und Schulden, und RAP sowie eine hinreichende Aufgliederung der Positionen. Zum Anlagevermögen gehören nur die Gegenstände, die bestimmt sind, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§247 Abs. 2) Bei Ausweis und Gliederung sind die GoB zu beachten. Praxis orientiert sich an der Bilanz kleiner KapG 0 20 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Ergänzende Ausweis- und Gliederungsvorschriften für Kapital- gesellschaften und bestimmte Personenhandelsgesellschaften Verbindliches Gliederungsschema in Kontoform. Vorgabe zielt auf Erfüllung der Generalnorm des HGB: Der JA hat unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln (§264 Abs. 2) Gliederungsschema abhängig von der Größe der KapG (§267 HGB): mittelgroß/groß: Detaillierte Gliederung gem. §266 Abs. 2 und 3. klein: Verkürzte Bilanzgliederung (ohne arabische Zahlen). 21 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Allgemeine Grundsätze für die Gliederung der Bilanz einer Kapitalgesellschaft Stetigkeit der Darstellung (§265 Abs. 1 HGB). Ausweis der Vorjahresbeträge zu den jeweiligen Posten der Bilanz. Erlaubte Modifikationen der Mindestgliederung: Eine weitere Untergliederung der vorgesehenen Aktiv- oder Passivposten. Eine Hinzufügung neuer Posten darf dann vorgenommen werden, wenn ihr Inhalt nicht von einem vorgeschriebenen Posten gedeckt wird. Eine abweichende Gliederung der mit arabischen Zahlen versehenen Posten der Bilanz ist dann vorzunehmen, wenn dies wegen der Besonderheiten der KapG erforderlich ist. 22 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Größenklassen nach §267 und §267a HGB Bilanzsumme Umsatz Mitarbeiter (Mio. EUR) (Mio. EUR) Ø Anz./ Jahr Kleinst ≤ 0.35 ≤ 0.7 ≤ 10 Klein ≤6 ≤ 12 ≤ 50 Mittel > 6 – 20 > 12 – 40 51 – 250 Groß > 20 > 40 > 250 Klassenzugehörigkeit dann, wenn 2 der 3 Kriterien an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen erfüllt sind. Kapitalgesellschaften gelten stets als groß, wenn sie kapitalmarktorientiert sind (§ 267 Abs. 3 Satz 2) 23 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften Eine Kapitalgesellschaft ist kapitalmarktorientiert (gem. §264d HGB), wenn deren Wertpapiere an einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sind bzw. die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt wurde. Eine organisierter Markt im Sinne des WpHG erfordert staatliche Genehmigung, Regulierung und Überwachung (Geltungsbereich: Inland, EU und EWR). Fragen: a) Welche Rechtsformen können grundsätzlich börsennotiert sein? b) Sind kapitalmarktorientierte Unternehmen immer auch börsennotiert? 24 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzgliederung kleiner KapG Aktiva Passiva A. Anlagevermögen A. Eigenkapital I. Immaterielle I. Gezeichnetes Kapital Vermögensgegenstände II. Kapitalrücklagen II. Sachanlagen III. Gewinnrücklagen III. Finanzanlagen IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag V. Jahresüberschuss/ Jahresfehlbetrag B. Umlaufvermögen B. Rückstellungen I. Vorräte C. Verbindlichkeiten II. Forderungen und sonstige D. Rechnungsabgrenzungsposten Vermögensgegenstände E. Passive latente Steuern III. Wertpapiere IV. Flüssige Mittel C. Rechnungsabgrenzungsposten D. Aktive latente Steuern E. Aktiver Unterschiedsbetrag der Vermögensrechnung 25 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Gliederung der Aktiva von KapG (mittel & groß) 1/2 A. Anlagevermögen I. Immaterielle Vermögensgegenstände: III. Finanzanlagen: 1. Selbst geschaffene gewerbliche 1. Anteile an verbundenen Schutzrechte und ähnliche Rechte Unternehmen und Werte 2. Ausleihungen an verbundene 2. entgeltlich erworbene Konzessionen, Unternehmen gewerbliche Schutzrechte und 3. Beteiligungen ähnliche Rechte und Werte sowie 4. Ausleihungen an Unternehmen, Lizenzen an solchen Rechten und mit denen ein Beteiligungs- Werte verhältnis besteht 3. Geschäfts- oder Firmenwert 5. Wertpapiere des Anlage- 4. geleistete Anzahlung vermögens 6. sonstige Ausleihungen II. Sachanlagen: 1. Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken 2. technische Anlagen und Maschinen 3. andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung 4. geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau 26 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Gliederung der Aktiva von KapG (mittel & groß) 2/2 B. Umlaufvermögen: I. Vorräte: 1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 2. unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen 3. fertige Erzeugnisse und Waren 4. geleistete Anzahlungen II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände: 1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 2. Forderungen gegen verbundene Unternehmen 3. Forderungen gegen Unt., mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 4. sonstige Vermögensgegenstände III. Wertpapiere: 1. Anteile an verbundenen Unternehmen 2. Sonstige Wertpapiere IV. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kredit- instituten und Schecks C. Rechnungsabgrenzungsposten D. Aktive latente Steuern E. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensrechnung 27 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Gliederung der Passiva von KapG (mittel & groß) 1/2 A. Eigenkapital: I. Gezeichnetes Kapital II. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklage 1. gesetzliche Rücklage 2. Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen 3. satzungsmäßige Rücklagen 4. andere Gewinnrücklagen IV. Gewinnvortrag/ Verlustvortrag V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag B. Rückstellungen: 1. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen 2. Steuerrückstellungen 3. sonstige Rückstellungen 28 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Gliederung der Passiva von KapG (mittel & groß) 2/2 C. Verbindlichkeiten: 1. Anleihen, davon konvertibel 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 3. erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen 7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 8. Sonstige Verbindlichkeiten: davon aus Steuern davon im Rahmen der sozialen Sicherheit D. Rechnungsabgrenzungsposten E. Passive latente Steuern 29 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Spezielle Vorschriften zu einzelnen Posten in der Bilanz einer Kapitalgesellschaft Gesonderter Ausweis folgender Posten (§268 HGB): Bilanzgewinn/Bilanzverlust bei teilweiser Verwendung des Jahresergebnisses. “Nicht durch EK gedeckter Fehlbetrag“ am Schluss der Bilanz. Aktiva Passiva Anlagevermögen Schulden Umlaufvermögen EK-Fehlbetrag Forderungen mit Restlaufzeit > 1 Jahr. Verbindlichkeiten mit Restlaufzeit < 1 Jahr. Disagio unter RAP (Aktivseite). 30 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierungsvorschriften für bestimmte Posten Rechtsformunabhängig: Frage: Rückstellungen (§249 HGB) Aus welchem Prinzip resultieren die Angaben? Haftungsverhältnisse (§251 HGB) Rechtsformabhängig: Beteiligungen, verbundene Unternehmen (§271 HGB) Eigenkapital (§272 HGB) Latente Steuern (§274 HGB) Bietet tieferen Einblick in die Struktur der Abgrenzung Finanzanlagen & EK 31 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierung von Rückstellungen 1/2 Was sind Rückstellungen? Verpflichtungen, die am Abschlussstichtag zwar dem Grunde nach, aber hinsichtlich der Höhe und/oder der Fälligkeit, noch nicht genau feststehen. Verbindlichkeitsrückstellungen: Rechtliche Verpflichtung (z.B. Pensions-, Steuer- und Garantie- rückstellungen sowie Rückstellungen für drohende Verluste). Wirtschaftliche Verpflichtung (z.B. Kulanzrückstellungen). Aufwandsrückstellungen: Für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung. Für unterlassene Aufwendungen für Abraumbeseitigung. 32 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Frage: Wie wäre das Ereignis bilanziell abzubilden? 33 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierung von Rückstellungen 2/2 Kleine KapG können alle Rückstellungen unter einem Posten ausweisen (§266 Abs. 1 Satz 3). Mittelgroße und große KapG und bestimmte PersG müssen drei Unterposten auf der Passivseite ausweisen (§266 Abs. 3): 1. Rückstellungen für Pensionen u.a. Verpflichtungen 2. Steuerrückstellungen 3. Sonstige Rückstellungen Beispiele: 34 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Vermerk von Haftungsverhältnissen Eventualverbindlichkeiten Laut HGB müssen unterhalb der Bilanz folgende Angaben gemacht werden (vgl. §251 Satz 1): Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln, aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften und aus Gewähr- leistungsverträgen sowie Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten. Erweiterte Pflichten für KapG (§268 Abs. 7 HGB): Gesonderte Angabe der Verbindlichkeiten unter Angabe der gewährten Pfandrechte und sonstigen Sicherheiten, wahlweise auch im Anhang. Bestehen derartige Haftungsverhältnisse gegenüber verbundenen Unternehmen, sind diese gesondert auszuweisen. 35 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierung von Beteiligungen und Anteilen an verbundenen Unternehmen 1/2 Ausweis unter Finanzanlagen (Posten A.III.3 bzw. A.III.1). Bilanzielle Aufgliederung der Finanzanlagen orientiert sich an zwei Aspekten: 1. Art der Investition - Anlagen oder Ausleihungen. 2. Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Unternehmen bzw. Grad der finanziellen Verflechtung: ≤ 20% > 20% & < 50% > 50% HGB „… Anteile an anderen Unternehmen, die bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenen Unternehmen zu dienen “ (§271 Abs. 1 Satz 1) 36 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierung von Beteiligungen und Anteilen an verbundenen Unternehmen 2/2 Beteiligungsvermutung: Anteile an einer Kapitalgesellschaft überschreiten 20% des Eigenkapitals dieser Gesellschaft (§271 Abs. 1 Satz 3 HGB). Weitere Indizien für Beteiligungsabsicht: Personelle Verflechtungen, interdependente Produktions- programme, gemeinsame F&E Aktivitäten, gegenseitige Lieferungs- und Abnahmeverträge, etc. Beteiligungen jenseits 50%: Verbundene Unternehmen. Diese sind gem. §290 HGB aufgrund der Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses als Mutter- oder Tochterunternehmen in einen Konzernabschluss einzubeziehen (vgl. §271 Abs. 2). 37 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierung des Eigenkapitals Ausweis gem. Gliederungsschema der Bilanz: Darstellung des EK vor Gewinnverwendung. HGB erlaubt auch Darstellung nach vollständiger oder teilweiser Verwendung des Jahresergebnisses (vgl. §268 Abs. 1). Nettoausweis der nicht eingeforderten ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital (§272 Abs. 1 Satz 3). Zusatzangaben bei AGs in Bezug auf das gezeichnete Kapital (§152 AktG): Den auf jede Aktiengattung entfallenden Betrag des Grundkapitals. Die Verteilung der Stimmenzahl auf die Aktiengattungen. Die Entwicklung der Kapital- und Gewinnrücklagen während der abgelaufenen Rechnungsperiode. 38 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierung latenter Steuern 1/2 Diese Posten dienen der Steuerabgrenzung. Ein steuerliches Abgrenzungsproblem stellt sich grundsätzlich dann, wenn Handels- und Steuerbilanz- gewinn voneinander abweichen. Latente Steuern resultieren folglich aus der Steuerschuld aufgrund des steuerlichen Gewinns und einer fiktiven Steuerschuld aufgrund eines Handelsbilanzgewinns. Dieser Betrag kann positiv- oder negativ sein, d.h. führt zum Ausweis eines Aktiv- o. Passivpostens für latente Steuern. Ansatz führt zur periodengerechten Verrechnung des Ertrags- steueraufwands. 39 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bilanzierung latenter Steuern 2/2 HGB sieht das Konzept der latenten Steuerabgrenzung vor (vgl. §274 Abs. 1): Passivierungspflicht: Eine sich voraussichtlich insgesamt ergebende zukünftige Steuerbelastung ist als passive latente Steuer abzugrenzen. Ausweis gemäß Bilanzgliederung (Position 3.E ). Aktivierungswahlrecht: Im Falle einer sich voraussichtlich insge- samt ergebenden zukünftigen Steuerentlastung kann eine aktive latente Steuer ausgewiesen werden (Position 2.D). Ausweis grundsätzlich saldiert. Alternativ ist auch Bruttoausweis möglich (§274 Abs. 1 Satz 3 HGB). Kleine KapG sind vom Ausweis befreit (§274a Nr. 5). 40 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Ausweis Latenter Steuern Welche Möglichkeiten haben die folgenden Unternehmen, die latenten Steuern auszuweisen? a) Die Metallwaren GmbH ermittelt aktive latente Steuern in Höhe von 120.000 € und passive latente Steuern in Höhe von 200.000 €. b) Die Software GmbH ermittelt aktive latente Steuern in Höhe von 140.000 € und passive latente Steuern in Höhe von 100.000 €. 41 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Grundlegende Ursachen latenter Steuern Fall 1: Wertansätze des Vermögens im HGB- Jahresabschluss sind Summe des höher als in der Eigenkapitals im HGB- Steuerbilanz Bildung passiver Jahresabschluss ist höher als in der Fall 2: Wertansätze der latenter Steuern Steuerbilanz Schulden im HGB- Jahresabschluss sind niedriger als in der Steuerbilanz Ursachen latenter Steuern Fall 1: Wertansätze des Vermögens im HGB- Jahresabschluss sind Summe des niedriger als in der Eigenkapitals im HGB- Steuerbilanz Bildung aktiver Jahresabschluss ist niedriger als in der Fall 2: Wertansätze der latenter Steuern Steuerbilanz Schulden im HGB- Jahresabschluss sind höher als in der Steuerbilanz 42 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Typische Fälle für die Bilanzierung latenter Steuern 1/2 Aktive latente Steuerabgrenzungen: Nichtaktivierung des Disagios Aktivierungswahlrecht in der Handelsbilanz (§250 Abs. 3 HGB). Aktivierungspflicht in der Steuerbilanz (R 6.10 EStR). Unterstellung einer unterschiedlichen ND für einen Geschäfts- bzw. Firmenwert in der Handelsbilanz (§253 Abs. 3 HGB) und in der Steuerbilanz (über 15 J. gem. §7 Abs. 1 Satz 3 EStG). Unterschiedliche Bewertung von Pensionsrückstellungen Unter Verwendung eines niedrigeren als des gem. §6a Abs. 3 Satz 3 EStG steuerlich vorgeschriebenen Zinssatzes von 6%. 43 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Typische Fälle für die Bilanzierung latenter Steuern 2/2 Passive latente Steuerabgrenzungen: Aktivierung immaterieller Vermögensgegenstände Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des AV in der Handelsbilanz (§248 Abs. 2 HGB). Aktivierungsverbot in der Steuerbilanz. Aktivierung von Fremdkapitalzinsen Wahlrecht in der Handelsbilanz (§255 Abs. 3 HGB). Aktivierungsverbot in der Steuerbilanz (R 6.3 EStR). 44 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Zusammenfassung: Bilanzansatz für Qualifizierte Sachverhalte Die Ansatzvorschriften des HGB lassen sich wie folgt kategorisieren: Bilanzansatz 45 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Zusammenfassung: Der Entscheidungsweg zum Bilanzansatz 46 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Abschliessende Fragen zum Bilanzansatz Bitte kreuzen Sie die richtige Lösung an. Aktivierungs- Passivierungs- gebot wahlr. verbot gebot wahlr. verbot Selbst entwickeltes Patent Entgeltl. erworbenes Patent Pensionsrückstellung Forschungskosten Disagio eines Kredits Kulanzgewährleistungen Aufwendungen für die Beschaffung von EK 47 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Jahresabschluss und Bewertung Kapitel 4: Grundlagen der Bewertung finance.fbv.kit.edu Dr. Torsten Lüdecke, Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) KIT – University of the State of Baden-Württemberg and National Research Center of the Helmholtz Association www.kit.edu Inhalt der Vorlesung 1 Einführung und institutionelle Grundlagen 2 Grundlagen des Jahresabschlusses 3 Grundlagen der Bilanzierung 4 Grundlagen der Bewertung 5 Gewinn- und Verlustrechnung 6 Ergänzende Instrumente 2 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Heutige Themen Bewertungsgrundsätze Welche Bedeutung haben die allgemeinen Bewertungsgrundsätze und welche gibt es? Bewertungsvorschriften Welche Wertmaßstäbe kennt das HGB für die Bewertung von Vermögen und Schulden? Wie ist bei der Zugangs- und wie ist bei der Folgebewertung zu verfahren? Bilanzpolitische Maßnahmen Welche Spielräume bestehen bei der Bilanzerstellung und in welcher Weise kann man diese nutzen? 3 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Wozu dienen Bewertungsgrundsätze? Sie setzen verbindliche Standards für die Bewertung der Vermögensgegenstände und der Schulden. Die Bewertung nach HGB (§§252-256a) dient der Kapitalerhaltung und damit dem Schutz der Gläubiger. Bewertungsgrundsätze des HGB (§252) Grundsatz der Bilanzidentität Grundsatz der Unternehmensfortführung Grundsatz der Einzelbewertung und Stichtagsprinzip Grundsatz der Vorsicht Grundsatz der Periodenabgrenzung Grundsatz der Bewertungsstetigkeit 4 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Was legen die Bewertungsvorschriften fest? Wertkategorien und Wertermittlungsvorschriften Wertansatzpflichten und -wahlrechte Verfahren zur Vereinfachung der Bewertung 5 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bewertungsgrundsätze 1/5 Grundsatz der Bilanzidentität Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres müssen mit denen der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 1). Grundsatz der Unternehmensfortführung o.a. Going-Concern-Prinzip Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmens- tätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 2). 6 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Verhinderung der Unternehmensfortführung Corona-Pandemie Hat Unternehmen beeinträchtigt, nachhaltig Gewinne zu erzielen und bilanzielle Überschuldung möglich gemacht. In diesem Fall ist eine explizite Prüfung der Annahme der Unternehmensfortführung erforderlich. Rechtliche Gegebenheiten Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Verfassung eines Auflösungsbeschlusses. Sonstige gesetzliche oder behördliche Vorschriften oder Auflagen. 7 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bewertungsgrundsätze 2/5 Grundsatz der Einzelbewertung Die Vermögensgegenstände und Schulden sind einzeln zu bewerten (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 3). Stichtagsprinzip Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschluss- stichtag zu bewerten (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 3). Bei der Bewertung sind Informationen, die der Bilanzersteller bis zum Bilanzaufstellungszeitpunkt über die Verhältnisse am Ab- schlussstichtag erhält, zu berücksichtigen (sog. Wertaufhellung). 8 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Wertaufhellung: Was ist das? Wertaufhellend sind zusätzliche Informationen über zum Abschlussstichtag bereits bestehende Verhältnisse, die nach dem Abschlussstichtag, aber vor der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt werden. Berücksichtigung von wertaufhellenden Informationen ist Pflicht (gem. Vollständigkeits- und Stichtagsprinzip). Merke: Grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen sog. wertbegründende Ereignisse, d.h. solche Ereignisse, die nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind und die zu neuen, wertverändernden Verhältnissen führen. 9 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Wertaufhellung oder wertbegründendes Ereignis? Fall A: Der Bilanzierende erfährt nach dem Abschlussstichtag, jedoch vor Beendigung der Jahresabschlusserstellung, dass ein Schuldner kurz vor dem Abschlussstichtag Konkurs angemeldet hat und mit einer Quote nicht zu rechnen ist. Wie ist die Forderung am Abschlussstichtag zu behandeln? Fall B: Ein Betriebsgebäude brennt nach dem Abschlussstichtag und vor Erstellung des Jahresabschlusses ab. Wie ist der Schaden am Abschlussstichtag zu behandeln? 10 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bewertungsgrundsätze 3/5 Grundsatz der Vorsicht (§252 Abs. 1 Nr. 4). Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind (→ Wertaufhellung). Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschluss- stichtag realisiert sind. 11 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Fragen zum Vorsichtsprinzip 1. Durch welche Prinzipien konkretisiert sich das Vorsichts- prinzip im Bereich der Bewertung? 2. Bei welchen Ermessensspielräumen ist ein vorsichtige Bewertung geboten? 12 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bewertungsgrundsätze 4/5 Grundsatz der Periodenabgrenzung Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unab- hängig von den Zeitpunkten der Zahlungen im Jahresab- schluss zu berücksichtigen (vgl. §252 Abs. 1 Nr. 5). Fokus auf die Periode, in der der Werteverzehr bzw. Wertezugang wirtschaftlich verursacht wurde. Dadurch werden Aufwendungen und Erträge verursachungsgerecht den einzelnen Perioden zugeordnet. 13 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bewertungsgrundsätze 5/5 Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§252 Abs. 1 Nr. 6): Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss ange- wandten Bewertungsmethoden sind beizubehalten. Bewertungsmethoden sind bestimmte, in ihrem Ablauf definierte Verfahren der Wertfindung. Bei aus mehreren Komponenten zusammengesetzten Werten kann das Gesetz alternative Wertansätze gestatten. Wertansätze können durch unterschiedliche Bewertungsmethoden ermittelt werden. Abweichungen von den zuvor genannten Grundsätzen sind nur in begründeten Ausnahmefällen erlaubt (§252 Abs. 2) 14 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Vorgehen bei der Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden 1/2 Zugangsbewertung Hierbei geht es um die Frage, mit welchem Wertansatz die einzelnen Bilanzpositionen zum Zeitpunkt der Ersterfassung (= Zugang) in die Bilanz aufgenommen werden müssen bzw. können. Als Ergebnis resultieren Ausgangswerte Folgebewertung Hierbei werden die Wertansätze der einzelnen Vermögensgegen- stände und Schulden gemäß den für sie geltenden Bewertungsvorschriften fortgeführt und am Ende der Abrechnungsperiode zur Überprüfung der Werthaltigkeit speziellen Korrekturwerten gegenübergestellt. Als Ergebnis resultieren fortgeführte Ausgangswerte 15 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Vorgehen bei der Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden 2/2 Grundsätzliche Vorgehensweise bei der Bewertung von Vermögen und Schulden: Zugangs- bewertung Ausgangswert Folge- Fortgeführter bewertung Korrekturwert Ausgangswert Vergleich auf Basis des Niederst- bzw. Höchst- wertprinzips 16 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Bewertungsvorschriften Für die Zugangsbewertung der einzelnen Vermögenswerte und Schulden legt das HGB folgende Wertmaßstäbe fest (vgl. §253 Abs. 1): Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Vermögensgegenstände. Den Erfüllungsbetrag für Verbindlichkeiten und für Rückstellungen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Den beizulegenden Zeitwert für bestimmte Rückstellungen, die der Erfüllung von Alters- versorgungsverpflichtungen dienen. 17 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Anschaffungskosten Anschaffungskosten stellen den originären Wertmaßstab für alle vom Unternehmen fremdbezogenen Vermögens- werte dar. Definition gem. HGB (§255 Abs. 1 Satz 1): „Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können.“ Anschaffungskosten sind ein pagatorischer Wertmaßstab. … und was bedeutet das? 18 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Komponenten der Anschaffungskosten Ermittlungsschema gem. HGB (§255 Abs. 1 Satz 2): Anschaffungspreis − Anschaffungskostenminderungen + Anschaffungsnebenkosten, sofern einzeln zurechenbar + Nachträgliche Anschaffungskosten = Anschaffungskosten nach HGB Anmerkungen zu den Kostenkomponenten: In die Anschaffungskosten gehen nur Nettopreise (excl. MwSt.) ein, wenn der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Für Anschaffungskosten in einer Fremdwährung ist der Wechselkurs der Verbindlichkeit maßgebend. 19 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Ermittlung der Anschaffungskosten 1/2 Die Klimatechnik AG hat einen neuen Server (Hardware) gekauft. Für die Auswahl der Serverlösung hatte die Beschaffungsabteilung zwei Monate gebraucht. Außerdem wurde im Computerraum ein Klimagerät aus der eigenen Produktion installiert, das dort die für den Server nötige Temperatur und Luftfeuchtigkeit hält. Dabei entstanden folgende Kosten (EUR): Preis der Anlage: 95.200,- (incl. der 19 % als vorsteuerabzugsfähige USt.) Kosten der Montage: 3.570,- (incl. der 19 % als vorsteuerabzugsfähige USt.) Anteilige Kosten der Beschaffungsabteilung: 4.995,- Frachtkosten: 595,- (incl. der 19 % als vorsteuerabzugsfähige USt.) Herstellungskosten des Klimagerätes: 780,- Montagekosten des Klimagerätes: 20,- Mit welchem Betrag ist der Server in der Bilanz zum 31. Dezember 2020 anzusetzen? Welche Kosten müssen sofort als Aufwand behandelt werden? 20 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Ermittlung der Anschaffungskosten 2/2 Bilanzierungsfähige Kosten: Kostenart Betrag Als Aufwand zu verrechnende Kosten: … und was ist mit dem Klimagerät? 21 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Herstellungskosten 1/2 Herstellungskosten bilden den Ausgangswert für alle vom Unternehmen hergestellten, am Bilanzstichtag noch nicht verkauften Gegenstände des Anlage- und Umlauf- vermögens. Definition gem. HGB (§255 Abs. 2): „Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.“ 22 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Herstellungskosten 2/2 Beachte: Herstellungskosten ≠ Herstellkosten Für Herstellungskosten gilt: Diese sind auf aufwandsgleiche Kosten beschränkt. Der Umfang der Herstellungskosten ergibt sich in erster Linie aus dem Grundsatz der sachlichen Abgrenzung. 23 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Komponenten der Herstellungskosten 1/2 Ermittlungsschema gem. HGB (§255 Abs. 2 Satz 2): Materialeinzel- und Gemeinkosten + Fertigungseinzel- und Gemeinkosten + Sondereinzelkosten der Fertigung + Verwaltungsgemeinkosten + Fremdkapitalkosten (unter best. Bedingungen) = Herstellungskosten nach HGB Bei der Einbeziehung von Gemeinkosten ist der Grundsatz der Angemessenheit zu berücksichtigen (vgl. §255 Abs. 2 Satz 3). 24 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Komponenten der Herstellungskosten 2/2 Welche Kosten sind vom Grundsatz der Angemessenheit betroffen? Materialgemeinkosten z.B. für Materialprüfung, Lagerhaltung, Materialverwaltung, innerbetrieblichen Transport u.ä. Fertigungsgemeinkosten z.B. Energiekosten, Kosten für nicht direkt zugerechnete Hilfs- und Betriebsstoffe, Versicherungsprämien für Fertigungsanlagen, Instandhaltung der Fertigungsanlagen, Betriebsleitung, Arbeits- vorbereitung, Fertigungskontrolle, u.ä. Wertverzehr der Fertigungsanlagen d.h. angemessene Teile der Anlagenabschreibung. 25 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Herstellungskosten von immateriellen Vermögensgegenständen Herstellungskosten eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstandes sind die bei dessen Entwicklung anfallenden Aufwendungen wie im HGB benannt. Beispiele: Entwurf, Konstruktion, Testen von Prototypen und Modulen. Entwurf von Werkzeugen und Gussformen unter Verwendung neuer Technologien. Entwerfen, Konstruieren und Testen einer gewählten Alternative für neue Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen. Das Aktivierungswahlrecht für Entwicklungsaufwand bedingt, dass F&E verlässlich voneinander unterschieden werden können. Ansonsten ist eine Aktivierung ausgeschlossen (§252 Abs. 2a Satz 4). 26 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Pflicht- und Wahlbestandteile der Herstellungskosten gem. HGB Materialeinzelkosten Pflicht Fertigungseinzelkosten Pflicht Sondereinzelkosten der Fertigung Pflicht Material- und Fertigungs-GK Pflicht ∑ = Wertuntergrenze Allgemeine Verwaltungskosten Wahlrecht (herstellungsbezogen) Allgemeine Verwaltungskosten (nicht Wahlrecht herstellungsbezogen) Fremdkapitalkosten (an bestimmte Wahlrecht Bedingungen gebunden) ∑ = Wertobergrenze Sondereinzelkosten des Vertriebs Verbot Vertriebskosten Verbot Forschungskosten Verbot 27 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Anmerkungen zu den Bestandteilen der Herstellungskosten Bewertung der Kostenbestandteile Da gemäß HGB alle Kosten des Material- und Fertigungsbereichs aktivierungs- pflichtig sind, können ausschließlich Verfahren der Vollkostenbewertung zum Einsatz kommen. Kosten der allgemeinen Verwaltung Hierzu zählen z.B. Löhne und Gehälter des Verwaltungsbereichs o.a. Abschreibungen auf Verwaltungsgebäude (§255 Abs. 2 Satz 4). Zinsen für Fremdkapital Das zur Finanzierung der Herstellung eines (bestimmten) Vermögensgegenstandes verwendet wird, dürfen in die Herstellungskosten einbezogen werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (§255 Abs. 3 Satz 2). Weiteres Verbot Der Grundsatz der Angemessenheit verbietet die Einbeziehung von offensichtlichen Unterbeschäftigungskosten (Leerkosten) in die Herstellungskosten. 28 Institut für Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen (FBV) - Dr. Torsten Lüdecke Beispiel: Bilanzierung und Bewertung von Bitcoins Bilanz