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MesmerizingEuphemism7933

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Dies ist eine Zusammenfassung des historischen Ereignisses der "Türkenbefreiungsfeier" von 1933. Sie analysiert die medialen und politischen Aspekte dieses Ereignisses im Kontext der österreichischen Geschichte und der Entwicklung moderner Medienerfahrungen im 20. Jahrhundert.

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HIST Zusammenfassung Inhalt I Konzept................................................................................................................................................. 2 II Methodik..........................................................................................................

HIST Zusammenfassung Inhalt I Konzept................................................................................................................................................. 2 II Methodik............................................................................................................................................. 2 III „Türkenbefreiungsfeier“..................................................................................................................... 4 Ernst Rüdiger Starhemberg (1)............................................................................................................ 4 „Unerwünschter Besuch“ (2)............................................................................................................... 8 Schlosspark Schönbrunn (3).............................................................................................................. 13 Faschismus als Tragödie (4)............................................................................................................... 16 „Hymnenchaos“ (5)........................................................................................................................... 18 Marsch auf Wien (6).......................................................................................................................... 23 Bell & Howell 2709 (7)....................................................................................................................... 26 Gymnastik der Wahrnehmung (8)..................................................................................................... 27 Mabuses Befehlszentrale (9)............................................................................................................. 29 „Leck mich im Arsch!“ (10)................................................................................................................ 30 Mikrofone, Kabel, Sender (11).......................................................................................................... 32 RAVAG-Studien (12).......................................................................................................................... 36 Fackeln der Freiheit (13).................................................................................................................... 39 Erziehung neuer Medien (14)............................................................................................................ 44 Hörerstreik (15)................................................................................................................................. 46 Kommunikationswissenschaftliche Genderforschung und feministische Kommunikationsforschung (Mendes & Carter, 2008)....................................................................................................................... 49 1 Kommunikationswissenschaftliche Genderforschung................................................................... 49 2 Feministische Kommunikations- und Medienforschung................................................................ 51 3 Geschlechtertheorien und -konzepte in der feministischen Kommunikations- und Medienforschung.............................................................................................................................. 52 4 Geschlechterstereotype................................................................................................................. 55 5 Feminismus: Mediale Repräsentation und Partizipation............................................................... 56 I Konzept Türkenbefreiungsfeier am 14. Mai 1933 = medialer Ausgangspunkt Fragestellung, welche Möglichkeiten, Medienerfahrungen zu machen, sich im Zeitalter der Moderne (17. – 20. Jh) etablieren, anhand dieses empirischen Beispiels erläutert. menschliche & technische Perspektiven (multiperspektivische Darstellung) mediale Infrastruktur ermöglichte Austrofaschismus diese historischen Zusammenhänge prägen aber auch unsere aktuellen Medienerfahrungen II Methodik Diskurs = Auseinandersetzung, Erörterung, Aussagen in Texten, Diskussion, methodisch aufgebaute Abhandlung über ein bestimmtes (wissenschaftliches) Thema, Dispositiv = Anordnung, Verfügung, Vorhaben Die Tätigkeiten, die die Geschäftsleitung oder Führungskräfte wahrnehmen, werden auch als dispositive Produktionsfaktoren bezeichnet. Historische Dispositivanalyse: Michel Foucault (1926–1984, meistzitierter Autor Sozialwissenschaften) Historiker des Wissens Untersuchte Regelmäßigkeiten von Aussagen in Texten Wurde bekannt durch sein originales Verfahren, Diskurse zu analysieren „Überwachen und Strafen“ von Foucault In dem Buch wurde das Panoptikum (Begriff und Idee kam ursprünglich von Jeremy Bentham) von Foucault als Idee eines idealen Gefängnisses analysiert Zellen sind ringförmig um Wächterturm angeordnet und ständig ausgeleuchtet, Unwissen ob man unter Beobachtung steht aufgrund von Jalousien an den Fenstern Le dispositif panoptique als eine architektonische Anlage, um zu sehen, ohne selbst gesehen zu werden Häftling ist "Objekt einer Information, niemals Subjekt in einer Kommunikation" -> Eindeutige Machtbeziehung Strategie der Disziplinargesellschaften (Entwicklung ab ca 1800) Um 1800 wurden Gefängnisse nach dem Prinzip gestaltet Moderne Institutionen wurden danach laut Foucault immer mehr nach dem Panoptikum als Organisationsprinzip gestaltet Konkrete Anwendungen: Spitäler, Schulen, Fabriken, Kasernen,… Kritik: paranoide Denkweise Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) Bruno Latour prägender Philosoph, sehr Gegenwart & Zukunft fokussiert Die Welt ist netzwerkartig verfasst – Jede Handlung ist ein Netzwerk menschlicher und nichtmenschlicher Akteure Mensch ≠ Medium, sondern Mediator, dh konkreter Handlungsträger nicht Panoptikum (Gesamtschau), sondern Oligoptiken (Einzelschauen), d.h. Multiperspektivität Bsp. Paris ville invisible (1998/2004): o Programm in dem man je nach Mausbewegung eine andere Perspektive Paris erfahren kann (warm kalt, mikro meso makro, viel maps, streetviews) o Aspekte sind also teilweise sichtbar, teilweise versteckt (+ es geht um infrastur work, was man mestens auch nicht mitbekommt -> invisible) Medienarchäologie Materialität, die Kommunikationsprozesse ermöglicht Streamen = enormer Ressourcenverbrauch -> Medienarchäologie ermöglicht das Phänomenologie medialer Infrastrukturen Infrastrukturen sind gebaute Netzwerke, Systeme von Objekten, die einen kontinuierlichen Fluss von Dingen, Lebewesen oder Zeichen erlauben. Virtual reality ist nicht nur auf Bildschirmen real, sondern mit Händen zu greifen (Kabel, Rohre, die in Unmengen verlegt werden müssen) Archäologie des Wissens Foucault III „Türkenbefreiungsfeier“ Ernst Rüdiger Starhemberg (1) S 10-21 Vorgeschichte der Türkenbefreiungsfeier 1933 großes Umbruchsjahr: Deutschland: Hitler wurde Reichskanzler, Erste KZs (zB Dachau) wurde im März 1933 eröffnet. Nazis hatten auch in Österreich starken Aufwind bekommen Österreich: − 3 Nationalratspräsidenten traten aus Protest zurück -> Parlamentssitzung, die nicht formell abgeschlossen werden konnte − Dollfuß nutzte dies für Staatsstreich & verhinderte weiteres Zusammentreffen, − Flugblätter: Es gäbe Parlamentskriese & die Regierung müsse eingreifen; Bundeskanzler Engelbert Dollfuß regiert nun mittels Notverordnungen aufgrund des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917 Starhemberg schlug Dollfuß Propagandaveranstaltung „Türkenbefreiungsfeier“ vor, um Autorität weiter bestehen zu lassen. Benito Mussolini, der italienische Ministerpräsident und Begründer des Faschismus, finanziert die propagandistische Massenkundgebung. Sowohl Mussolini als auch Austrofaschisten waren zumindest nicht offen Anti Semitisten. Zweite Wiener "Türkenbelagerung" im Sommer 1683, Befreiungsschlacht am Kahlenberg am 12.9.1683; die Staatliche Feier zum 250. Jubiläum der "Türkenbefreiung" hätte also erst am 12.9.1933 abgehalten werden sollen Ablauf der „Türkenbefreiungsfeier“ Die Veranstaltung findet am 14.5.1933 im Schlosspark Schönbrunn statt. Aus ganz Österreich reisen Heimwehrleute in Sonderzügen an. 7:30 Beginn: Starhemberg legte jeweils einen Kranz bei Denkmal von ehemalige Bürgermeister/Graf Starhemberg ab Heimwehrleute formieren sich bis 9 Uhr in der barocken Gartenanlage. Die Teilnehmerzahlen schwanken je nach politischer Tendenz der Quelle zwischen 20.000 und 40.000 Mann. Ab 10 Uhr wird eine katholische Feldmesse gelesen. Ab ca. 10:30 Uhr halten die Heimwehrführer & Sicherheitsminister Emil Fey und Ernst Rüdiger Starhemberg sowie Bundeskanzler Engelbert Dollfuß Ansprachen. Anschließend marschieren die Heimwehren von Schönbrunn bis zum Schwarzenbergplatz, wo die ersten Truppen gegen 13 Uhr eintreffen. Veranstaltung sollte für Austrofaschismus gegen Nationalsozialismus und Sozialismus sein Starhemberg Bundesführer des österreichischen Heimatschutzverbands meldete sich 1917 freiwillig im 1.WK zum Fronteinsatz -> große silberne Tapferkeitsmedaille & war dementsprechend stolz auf sich & Familie. Staatswissenschaftsstudium ohne Abschluss (früheres Politikwissenschaftsstudium) Mitglied rechter Burschenschaften 1923 Beteiligung am Münchner „Hitlerputsch“, wendete sich aber danach ab Ab 1927 bei der oberösterreichischen Heimwehr 1930 Bundesführer des Heimatschutzverbandes 1934 Vizekanzler, blieb nach Dollfuß Tod aber freiwillig in dem Amt, wurde später von Schuschnigg wegen Meinungsverschiedenheit entfernt Sowohl Schuschnigg als auch Mussolini fügten sich letztendlich Hitler Starhemberg zog zich mit Familie in die Schweiz zurück, verfasste dort Schleimbrief an Hitler -> unbeantwortet, kämpfte jedoch anschließend an Französischer Front gegen Nazis, welche daraufhin sein Eigentum in Österreich beschlagnahmten Exil Südamerika Kehrte jedoch Mitte der 50iger nach Österreich zurück Erlitt am 15. März 1956 tödlichen Herzanfall, als er auf Kur in Vorarlberg von einem fotografierenden Journalisten erschrocken wurde An seiner Todesstelle steht nun (das Adelsaufhebungsgesetz ungeachtet gelassen) eine Gedenktafel: Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg Vizekanzler und Bundesführer des Österreichischen Heimatschutzes Abreißen, ausstellen oder stehen lassen (+Ergänzungstafel)? Familiengeschichte Starhemberg Sehr altes Adelsgeschlecht des habsburgischen Reichs Erasmus I. (1503-1560) heiratete Anna von Schaumberg -> großes Erbe fiel an Starhembergs Graf Heinrich Ernst Rüdiger von Starhemberg (1638-1701) war 1683 Stadtkommandant & führend bei Befreiung osmanischer Truppen 1919 Adelsaufhebungsgesetz in Österreich -> Starhemberg hatte von da an keine höhere Position mehr & durfte Wappen nicht mehr tragen Wappen Wappen sind alte Kommunikationsmedien Ursprünglich zweigeteilt durch Heirat Schaunberg kam rechts oben & rechts unten dazu Urwappen aus dem 13. Jh. mit zunächst grünem, dann blauem Panther Aufwertung nach "Türkenbefreiung" 1683 als Dank an Graf Ernst R üdiger von Starhemberg, dem Stadtkommandanten von Wien durch Leopold I.: Stephansdom mit Doppelkreuz und herabfallendem "Mondschein" Endversion von 1765: Panther (Eigentlich feuerspeiendes Ungeheuer) mit Degen und "Türkenschädel" "L" für Kaiser Leopold I. Trotz des Adelsaufhebungsgesetz war der Adel nicht vollkommen ausgestorben, Starhemberg wurde von der Heimwehr noch als Fürst angesprochen. Emil Fey und auch die Zeitschrift der Heimwehr stellten ihn als wiedergekehrten, starken Führer Starhemberg da, der das Volk leiten solle. Starhemberg sprach immer vom „Austrofaschismus“, Dollfuß vom „Ständestaat“. „Ständetsaat“ war nicht genug, weil erstens der Staat das Gesamtinteresse vor die Einzelinteressen der Berufsstände stellte und zweitens, weil sich dieses Gesamtinteresse nur als autoritärer Staat durchsetzen lasse -> ausschließlich freundschaftliche Co-Existenz mit Nazis. Dollfuß & Starhemberg schworen sich öffentlich die Treue auf TBF: Symbolbild; Christlichsoziale verbündete sich mit Österreichischer faschistischer Heimwehr, damit wollten sie sagen dass sie nicht mehr zu Parlamentarischer Regierung zurückkehren wollten. Propagandaplakat (links) Frakturschrift: altdeutsch, oft assoziiert mit NS, irreführend weil Nazis meistens große Blockschrift verwendeten, um als modern wahrgenommen zu werden Mit Frakturschrift wollte man an die Monarchiezeit Österreichs anknüpfen Grüne Heimwehrjacke & Tirolerhut Rechtes Plakat soll die Heimwehr in ihrer Männlichkeit darstellen Geschichte der Heimwehren Entstehung paramilitärischer Heimwehren nach dem Ersten Weltkrieg ab 1927 grüne Windjacke und Tirolerhut mit Spielhahnfeder als Uniform Keine offizielle Armee, eher Verbünde von adeligen, Bauern, rechte Bürger, die vom WK auch noch Waffen hatten, trafen sich für Schießübungen, eigentlich militärische Grundausbildung, Idee „Kampf gegen die Roten“ & Angst vor Kommunismus, Bauern hatten Angst vor Zwangsenteignung Führertagung: Korneuburger Eid 1930: Forderung & Erklärung der Heimwehren gegen "westlichen demokratischen Parlamentarismus" und für den Aufbau für autoritärer Ständestaat Ständestaatliche verfassung; Dollfuß hatte jedoch nicht viel möglichkeit das umzusetzen wegen Tod beim Putsch der Nazis (konnten sich zwar nicht durchsetzen aber eben Dollfuß umbringen) 1931 Österreichischer Heimatschutzverband 1932 „Heimatblock“ in der Bundesregierung: Politische Partei der Heimwehren, mischte in der Regierung Dollfuß als Koalitionspartei mit Orientierung an Mussolinis Faschismus Plakat: Männlichkeit „Unerwünschter Besuch“ (2) S. 22-33 Leitartikel „Unerwünschter Besuch“ in der Tageszeitung Reichspost; 9.5.1933 Typisch für Leitartikel: beginnt auf der 1. Seite und geht auf 2. Seite weiter Auch typisch: kein Name; es soll quasi für Zeitung sprechen, meistens vom Chefredakteur geschrieben Nur Zeit- & Ortsangabe Der Leitartikel richtete sich gegen den angekündigten Besuch von NS-Politikern aus Deutschland am 13. und 14.5.1933 in Wien, dem Wochenende der "Türkenbefreiungsfeier" des Österreichischen Heimatschutzes. Die Publikation erregte viel öffentliches Aufsehen, weil der Kommentar als Position der österreichischen Bundesregierung verstanden wurde. Typisch für Zeitungen der Zeit: dreispaltig Damals hat man Aufbau von Zeitungen aufgrund der Drucktechniken nicht beeinflussen können, kam erst später als das verbessert wurde. Struktur des Leitartikels Abs. 1 berichtet über eine Mitteilung der "Wiener Gaupressestelle" der NSDAP, dass deutsche Minister am 13.5.1933 nach Wien kämen. Abs. 2 argumentiert, dass es sich dabei weder um einen angekündigten Ministerbesuch noch um einen informellen Privatbesuch handle; kein offizieller Staatsbesuch, deswegen eigentlich nicht rechtmäßig Abs. 3 urteilt, dass dieser parteipolitische Besuch nicht nur "unerwünscht und unwillkommen" sei, sondern als ein "unfreundlicher Akt" betrachtet und entsprechend behandelt werden müsse. Abs. 4–8 interpretieren, dass die NSDAP mit dieser Aktion versuche, die "Türkenbefreiungsfeier" des Österreichischen Heimatschutzes am 14.5.1933 in Wien zu stören, wobei der geplante Besuch des bayrischen Justizministers, Hans Frank, eine besondere Provokation darstelle. Leitartikel führt Denkproszess vor; geht von einem Sachverhalt aus & beleuchtet diesen aus verschiedenen Perspektiven, schließt mit einem Urteil Der Leitartikel als journalistisches Genre: Journalistische Textsorte, die im Namen einer Zeitung oder Zeitschrift einen aktuellen Sachverhalt kritisch kommentiert. Essays aus UK in Daniel Defoes Review (1704–1713) und Jonathan Swifs Examiner (1710– 1714) (Gullivers Reisen) als Vorläufer o Die beiden sind Ersten aufklärenden Zeitschriften, die politische Kritik ausübten o Unterschieden sich von Leitartikeln: 18. Jh war Name und Autor klar Die Bezeichnungen leading article und Leitartikel kamen im 19. Jh. auf, als Zeitungen nicht mehr nur eine Reihe von Nachrichten enthielten, sondern auch verschiedene Ressorts und Titelseiten mit Schlagzeilen. Der Leitartikel soll in seiner führenden Position auf dem Titelblatt sowohl die folgenden Beiträge als auch die Lektüre anleiten. o Mehr noch, als zu sagen, was man denken soll, zeigt der Leitartikel, wie man denkt, nämlich in Form einer Urteilsbildung o Aufklärung: Immanuel Kant; „habe Mut dich deines eigenen Verstands zu bedienen“ o Bürger sollen also Informationen selbst verarbeiten und dann urteilen o So entstand Leitartikel: führt vor wie man als Leser Meinung bilden kann Heutzutage sind Leitartikel normalerweise mit Namen gekennzeichnet o NYT aber zb nicht, Standard schon o Journalisten sind als Autoren gewichtiger geworden, damals waren Redakteure unbekannter Hans Frank: Leitete die Delegation nach Wien War in 20igern Hitlers Anwalt & hat so Karriere in der NSDAP gemacht -> bayrischer Justizminister Anfang 2. Wk Besetzung Polen; Hans Frank war Generalgouverneur, War einer der bei Nürnberger Prozesse verurteilt & erhängt wurde ua wegen KZs in Polen Rede: Zum Schluß richtete Dr. Frank einen Gruß an seine unterdrückten Parteigenossen in Österreich, die unter der ihm unbegreiflichen Unvernunft ihrer Regierung den letzten Terror und die letzte Unterdrückung auszustehen hätten. Österreich sei jetzt der letzte Teil Deutschlands, in dem man es noch wagen könne, das deutsche nationale Wollen zu unterdrücken. Er möchte die Österreichische Regierung in aller Freundschaft und bundesbrüderlichen Zuneigung davor warnen, etwa die Nationalsozialisten zu veranlassen, die Sicherungen der Freiheit der deutschen Volksgenossen in Österreich zu übernehmen. o seine Argumente ähnlich mit Putins Argumentation für Übernehmen der Ukraine o Grenzen wären unwichtig Österreichs Souveränität Völkerrechtlich gesehen, verneinte der damalige bayrische Justizminister in dieser Rede alle wesentlichen Elemente des Staates Österreich. Frank bezeichnete nicht nur das Gros der Bevölkerung als "deutsche Volksgenossen" und das Territorium als "Teil Deutschlands", sondern drohte auch mit einer Übernahme der Herrschaftsgewalt Nach der Drei-Elemente-Lehre des österreichischen Staatsrechtlers Georg Jellinek besteht ein Staat im juristischen Sinn aus einem Staatsvolk, einem Staatsgebiet und einer Staatsgewalt (vgl. Georg Jellinek: Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., Berlin: Häring 1914 , S. 182–183). Österreichs Souveränität wurde in der Ersten Republik (1919–1934) im politischen Spektrum von links bis rechts infrage gestellt. o war nicht nur von nazis umstritten; „Ein volk ein Reich ein Führer“ von nazis: sollte sagen, dass das ganze deutsche Volk eine Einheit bilden sollte, demnach durfte AT eigentlich nicht existieren o Auch Sozialdemokraten stellten Eigenständigkeit in Frage; für sie sollte sich AT der demokratischen Weimarer Republik anschließen; sie meinten AT ist Wirtschaftlich nicht existenzfähig; waren also auch für anschluss aber nicht zwingend der Nazis o Christlichsozialen stellten in 20igern & 30igern mostly Regierung & bundeskanzler, wollten nicht demokratisch sondern eben eigenständig; austrofaschistisch Staatsgebiet vgl (Karte) 51,4 Mio Menschen damals im österreich-ungarischen Monarchie (um 1914) Name deutsch-österreich, wie es nach 1. WK geheißen hat wurde schnell verboten um keinen Zusammenhang herzustellen; viele zweifelten, ob AT überlebensfähig war Reaktionen auf den Leitartikel Die bürgerliche Neue Freie Presse (Vorgänger von der Presse, Bürgerorgan, kultureslle Beiträge) berichtete schon im Abendblatt vom 9.5.1933 von der Stellungnahme zum "unerwünschten Besuch" im "Wiener Zentralorgan der Christlichsozialen, dessen Äußerungen in diesem Fall gewiss nicht als private Meinung angesehen werden können". Die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung setzte sich in der Ausgabe vom 10.5.1933 mit dem "ungewöhnlich heftigen Leitartikel" auseinander, der im "Regierungsorgan" erschienen war. Die Reichspost gab in den folgenden Ausgaben einige der aggressiven Reaktionen wieder, die ihr Beitrag in der NS-Presse ausgelöst hatte, etwa im Völkischen Beobachter und im Berliner Angriff, und stellte klar, dass sich der geäußerte Protest nicht gegen die deutsche Reichsregierung richte, sondern gegen die Parteipolitik der NSDAP in Österreich. Sorgte für Aufsehen, weil die Reichspost „quasi“ für Kanzler sprach, daran orientierten sich auch viele andere Zeitungen Dollfuß war nicht gegen NSDAP, waren bereit mit ihnen zusammenzuarbeiten „völkerrechtlich freundschaftlich“, waren aber gegen Anschluss, weil souverän bleiben wollte. Ankunft Hans Frank Hans Frank & Co nahmen Lufthansa Flugzeug & flogen nach Flugfeld Aspern AT Regierung hatte Polizei hingeschickt & haben ausrichten lassen dass sie unerwünscht wären; standen aber trotzdem unter polizeilichem Schutz Löwe von Aspern: Napoleons Truppen wurden hier erstmals von österreichischen Kräften geschlagen, erster Verlust Napoleons „Großverdienst des Deutschen Reiches“ Lasalle-Hof; vgl Kapitel 10 Hilfer; zahlreicher Jubel von Nazi Anhängern, Hirschengasse 25 Adolf Hitler Haus; Parteizentrale Wien, bis 2019 Schülerheim; wo Schüler für aufenthalte untergebracht wurden, nach protesten abgerissen NS-Kundgebung in der Engelmann-Arena Nazis haben dort oft Veranstaltungen abgehalten, so auch an diesem Tag; bewusste Gegenveranstaltung Hans Frank: Ich war zwar an der Befreiung Wiens von den Türken nicht mehr beteiligt, aber ich habe aus der Presse entnommen, dass meine heutige Aufgabe sein soll, über die Befreiung Wiens von den Türken zu sprechen. Ich habe mir ein ähnliches Thema vorgenommen, nur hätte ich nicht die Türken gewählt. Ich kann mir vorstellen, dass die Befreiung einer Stadt zu einer Feier reichlich Anlass gibt und ich freue mich heute schon, einmal an einer schönen Feier Wiens teilnehmen zu können. Rede von Hans Frank: Inhalt: er musste über Türkenbefreiungsfeier reden, weil die Veranstaltung nur gestattet wurde, wenn er darüber redet, deswegen verschlüsselt 5 Jahre später aber März Anschluss AT mit Hitlers Rede, deswegen „Heute schon“ Geschichte der Reichspost Gründung der Sozialdemokraten hatten sie direkt eigene Zeitung „Arbeiter Zeitung“; war von Beginn an klar dass Zeitung Parteiisch Christlichsoziale waren langsamer; gaben Reichspost aber als unparteiisch aus; völkerrechtlich problematisch Untertitel: "Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Österreichs" Friedrich Funder: o Founder; Berater Franz Ferdinands; reagierte demnach in Reichspost sehr stark auf die Ermordung o ab 1896 Redakteur der Reichspost, 1902 Chefredakteur, 1904 Herausgeber o Reichspost als inoffizielles Sprachrohr der 1893 gegründeten Christlichsozialen Partei o "christlicher Antisemitismus" im Anschluss an Karl Lueger (vs. "rassischer Antisemitismus" der Alldeutschen unter Georg von Schönerer) o befreundet mit Ignaz Seipel und Engelbert Dollfuß Die Infrastruktur der Reichspost: erstes Redaktions- und Verlagshaus der Reichspost in der Strozzigasse 41, 1080 Wien 1913 Neubau in der Strozzig. 8 als Herold-Verlagshaus mit Rohrpost- und Telefonanlage angezündet von Demonstranten am 15.7.1927, dem Tag des Wiener Justizpalastbrandes heute "Friedrich Funder Heim" für Studierende Rotationspressen erst später erfunden; Neuerung; neu war druck mit beweglichen Blättern; Setzer mussten sehr geschickt sein; damals wurde in Beleiform gegossen, danach hatte man eben bewegliche Buchstaben; heutige Digitalisierung ist genauso eine extreme Erneuerung; mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar Schlosspark Schönbrunn (3) In Barockzeit haben Sachen wie Residenzen, Münzen, Medaillen einen Medialen Wert. Heldenplatz geeigneter, weil: Erzherzog Karl, Bruder von Franz 2., unter seiner Führung wurde Napoleon bei Aspern besiegt, er & Prinz Eugen als Reiterdenkmal am Haldenplatz, weil diese beiden bei Türkenbefreiungsfeier geehrt wurden, wäre Heldenplatz nahe gelegen. Trauerfeier für Dollfuß: am Heldenplatz, wurde beim Juliputsch 1934 ermordet, als NS- Männer ins Bundeskanzleramt eingedrungen sind. Auch Anschluss Österreichs war am Heldenplatz Dokumente im österreichischen Staatsarchiv: Heimatschutz suchte bei der Schlosshauptmannschaft Schönbrunn und beim zuständigen Ministerium für Handel und Verkehr um Sondergenehmigung (Schloss war eigentlich seit 1924 für Veranstaltungen gesperrt) an, die "Türkenbefreiungsfeier" in Schönbrunn abzuhalten, weil der Heldenplatz zu klein sei. Bewilligung wurde ausnahmsweise erteilt, obwohl Begründung nicht stichhaltig war, denn in der Zwischenkriegszeit fanden am Heldenplatz Veranstaltungen mit viel größerem Publikum statt. Bei Frage „warum Schönbrunn“ muss man spekulieren, so wie das manchmal in der Geschichtsschreibung ist 1. Möglicher Grund: Zusammenhang von Türkenbefreiung und Schlossbau Stift Klosterneuburg verkaufte Katterburg 1569 an Maximilian II. Kaiser Matthias fand auf dem Jagdgehege = Wiese, wo Wild frei lebte „Thiergarten“ (nach einer Legende) jenen "schönen Brunnen", der dem Anwesen den Namen gab. Eleonora Gonzaga von Mantua, die Gattin Ferdinands II., ließ das Herrenhaus Mitte des 17. Jh. zu einem Schloss ausbauen. [Universitätsbibliothek Wien] Im Sommer 1683, während der Belagerung Wiens durch osmanisch Wiederaufbau Zuständiger: Architekt Johann Bernhard Fischer für Hause Habsburg Habsburger waren eig „Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nationen“, Französische Kaiser haben sich auch als Nachfolger des hl röm Reiches inszeniert, konflikt Erster Entwurf sollte mehrere Terassen beinhalten, bei Gloriette sollte Schloss stehen, Idee war, dass man sehr langen Weg nach oben hatte und so sollte der niedrige Stand im gegensatz zum Herrschenden verdeutlichen, wieder Zeichen für Franzosen bzw ludwig 14. [ETH Bibliothek Zürich] Zweiter Entwurf von Fischer für Thronfolger Joseph 1., Ehrenhof mit zwei Obelisken als kleine Form von der „Vorbereitung“ beim Überwinden dieses Platzes und sich der Größe und Pracht bewusst zu werden, man wollte Besucher klein und unbedeutend fühlen lassen, man fuhr mit Kutsche zur geschwungenen Freitreppe Zur damaligen Renaissancezeit wurde ein französischer, barocker Garten errichtet, in dem der Kaiser auch jagen konnte. „Das kaiserliche Lustschloss Schönbrunn“ Räume im Schloss sind „Aufgefädelt“ „Enfiladen“, man kann durch alle durchschauen, Zweck damals: man wurde immer nervöser, wenn man vom Bediensteten von Raum zu Raum gelassen wurde = Machttechnik, Ursprung im monarchischen Denken der Barockzeit Wegen dem frühen Tod Josephs I. 1711 blieb der Ausbau von Schönbrunn zu einer kaiserlichen Residenzanlage unvollendet. Ab den 1740er Jahren wurde das Schlossgebäude unter Maria Theresia umgebaut und erweitert. Ihr Gatte, Franz I. Stephan, kümmerte sich um die Neugestaltung des französischen Schlossparks. Maria Theresia war einzige Thronfolgerin, durfte aber weil Frau nicht Titel erhalten, welchen dann ihr Mann bekommen hat Das Große Parterre wurde bis zum Schönbrunner Berg verlängert und das rechtwinklige Alleensystem durch zwei Diagonalachsen erweitert. Parkbauten: o Menagerie (1752): Erste Version des Zoos: Pavillon in der Mitte, rundherum lauter gehe, Machtdemonstration beim Frühstück mit Gästen o Gloriette (1775): Blick über ganz Wien und Hauptblickfang aus dem Garten o Obeliskbrunnen (1777): der Weg dorthin soll ermöglichen, sich den Obelisken immer näher ansehen zu können Beständigkeit des Herrschers; 4 tragende Schildkröten, Adler oben vermittelt zwischen Himmel du Erde „Wir sind gekommen um zu bleiben“ o Römische Ruine (1778): soll Karthago darstellen, dass von Römern zerstört wurde & Personen oben sollen verdeutlichen, dass Gegner keine Chance haben. o Neptunbrunnen (1780): Neptun: Meeresgott, stützt sich auf Dreizack, kann damit Wellen des Meeres aufbrechen = Regierungskunst -> Habsburger kann Volk/Untertanen steuern 1779, ein Jahr vor Maria Theresias Tod, wurde der Großteil des Schönbrunner Schlossparks der Öffentlichkeit zugänglich gemacht 1919 ging die Anlage in Staatsbesitz, stand lange leer & später erst Museum Labyrinth auch riesiger Aufwand, immernoch 2. Möglicher Grund: der zentralisierten Anordnung von Führern und Truppen in der geometrischen Gartenanlage [Universitätsbiblithek Wien] Schönbrunn erlaubte sternförmige Anordnung der Truppen hin zur Terrasse Durch Konstruktionen der Wege sollte immer wieder Blick auf Residenz gereichtet werden bzw. direkt auf die eine Terrasse, von der alle Wege ausgehen, wieder Machtdemonstration Soldaten reisten in einigen Heimatschutz Sonderzügen aus ganz Österreich an Zivilbevölkerung musste hinten am Berg im Zickzack Muster zuschauen Als er Hand hob brauste Menge, als er sie senkte beruhigt sich Menge: unbewusste Widerspieglung des Neptunbrunnen, der mit Dreizack genauso Meer lenkte, setzte sich so als mächtig in Szene Versailles: berühmteste Barockresidenz, durch die immer leicht abfallende Gartenanlage wird Unendlichkeit veranschaulicht, weil das mit Topografie von Schönbrunn nicht ging wurde Gloriette erbaut, um bei einem Spaziergang zur Gloriette hochgehen konnte und Blick über Wien Lautsprecheranlagen/Türme Aufkommen 20iger Jahren, Zusammenhang zwischen aufkommen des Faschismus & Lautsprecher, sie waren für solche politischen Veranstaltungen sehr relevant Faschismus als Tragödie (4) S. 46-59 teilweise behandelt „Hundert Tage“ im Burgtheater Wurde am Abend vor der TBF im Burgtheater aufgeführt Inhalt: Napoleons Herrschaft der Hundert Tage zwischen deinen Exilen auf den Inseln Elba und Sankt Helena „Campo di Maggio“ (Maifeld: irgendeine Kundgebung wurde am Maifeld verhindert)) Emil Ludwig (deutscher Autor) schrieb ein Buch über Napoleon, welches Mussolini sehr gut gefiel (er sah Napoleon als Idol) und er basierend darauf ein Theaterstück in Auftrag gab (an Giovacchino Forzano, italienischer Dramatiker und Librettist) Mussolini gestattete die Nennung von ihm als Mitautor erst im Ausland, weil er schauen wollte, wie Stück in Italien ankam Stück hatte (auch) aufgrund seines Namens im Ausland großen Erfolg Wiener Premiere am 22. April, danach wurde es noch 35-Mal bis Ende Juni aufgeführt Burgtheater: Dem Burgtheater kam das Stück sehr gelegen, denn es drohte Anfang der 30ger die Schließung „Burgtheaterkrise“ Neuer Direktor: Hermann Röbbeling Erfolg: Ließ Stücke Im Radio übertragen, Schüler*innen Vorstellungen, Abonnementsystem Jedoch: Ideologisch Christlichsozialen, auch weil Staat wichtigster Geldgeber (immer wieder wurde von Österreichern ein „Nationaltheater“ gefordert mit rein deutschen Stücken, Burgtheater war das kurzfristig, hielt aber nicht lange) Mussolini in Badehose; kein Zufall, sondern Inszenierung, um sich sportlich & Stark darzustellen v.a. im Gegensatz zu kleinem zierlichen Dollfuß daneben Starhemberg passt eher in das starke italienische faschistische Führerbildnis, Austrofaschismus wäre ohne Mussolini nicht möglich gewesen, damals noch gegen Hitler. Was ist eine Nation? (wichtig) Mussolini ab 1922 Aufbau Herrschaft: 1932 Veröffentlichung von Schriften; er fragt sich: was ist eine Nation? „Nicht Rasse, noch geographisch bestimmtes Gebiet, sondern ein sich geschichtlich fortpflanzendes Geschlecht, durch eine Idee geeinte Volksmenge, die den Willen zum Leben und zur Macht in sich hat: Selbstbewußtsein, Persönlichkeit.“ Was also ist Faschismus? […] eine organisierte, zentralisierte und autoritäre Demokratie […] Quelle: Benito Mussolini: Die politische und soziale Doktrin des Faschismus. Autorisierte Übertragung aus dem Italienischen „Nicht Rasse“ wendet sich gegen Vorstellung der Nazis (Arier „biologisch nachweisbar; Blut“) Kein Gebiet: wendet sich gegen völkerrechtlich bestimmtes Gebiet wie AT Meint mit dem Rest: geistige Gemeinschaft, die Persönlichkeit hat; er selbst ist/ verkörpert die Nation, alles was er tut IST Italien. Faschismus ist die (autoritäre) bessere Demokratie als Gegenspiel zu parlamentarischer Demokratie (Parlament vertraten laut Faschisten nicht das Volk), Mussolini vertritt die sehr wohl, er war fr gute Alternative für die Menschen Duce: das Bild war nichts neues, er hat es einfach besser/anders dargestellt Bild: einer der Gründungsschriften der modernen Politik; Kettenhemd besteht aus Menschen, selbst jetzt noch ähnliche Inszenierungen „Hymnenchaos“ (5) S. 60-74 Ein und dieselbe Melodie für und gegen Österreich In einem Beitrag der Fox Tönenden Wochenschau über die "Türkenbefreiungsfeier" am 14.5.1933 in Wien ist zu hören, wie im Schlosspark Schönbrunn die österreichische Bundeshymne gespielt wurde. o Wochenschau: Vorgänger der Tagesschau o Beitrag ist im Film Archiv Austria erhalten geblieben (35mm Filme, leicht entflammbar) o Hymne wurde am Ende der Kundgebung in Schönbrunn gespielt, als Heimatschutz Flugzeuge über Schlosspark flogen -> Heimwehrleute winken Anschließend sind Nationalsozialisten auf der unteren Mariahilfer Straße zu sehen, die mit dem Deutschlandlied gegen die Parade der Heimwehren von Schönbrunn in die Innenstadt protestieren. o Nationalsozialisten erkennbar an Hitlergruß und Deutschlandlied (Protest gegen Heimwehr) Die in beiden Fällen gleich klingende Melodie ist in Schönbrunn nur instrumental, bei den Demonstrationen aber mit folgendem Text zu hören: "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!2 o welcher Text in Schönbrunn von den Heimwehrleuten gesungen wurde ist unklar Wie kam es, dass ein und dieselbe Melodie für gegensätzliche Ziele eingesetzt wurde, nämlich sowohl für den Erhalt des Staates Österreich als auch für dessen Anschluss an das Deutsche Reich? o einmal wurde die Hymne für ein souveränes Österreich eingesetzt o einmal gegen den Heimatschutz eingesetzt, Österreich als Teil von Deutschland angesehen ▪ Umkehrung/Reframing der Botschaft Filmausschnitt aus Beitrag in Wochenschau 1933: Ende der Kundgebung: Flugparade von Heimatschutz, Kapelle spielt Hymne der österr. Nationalhymne -> für Erhalt von Österreich Nationalsozialisten stehen an Mariahilfer, gleiche Melodie spielt, aber mit Text -> für Anschluss Österreichs an Nazi Deutschland Entstehung des Kaiserliedes 1792-1797 Koalitionskrieg gegen Frankreich o 1789: französische Revolution, Sturz der Monarchie, Gründung der Republik o „europe was defeated“ Seit 1795 Marseillaise als frz. Nationalhymne -> Marschlied 1796 setzte sich Frankreich unter Napoleon Bonaparte in Italien gegen Österreich durch Offizieller Auftrag, nach dem Vorbild des britischen God save the King ein "Nationallied" zu verfassen, das "die treue Anhänglichkeit des Volkes an seinen guten und gerechten Landesvater vor aller Welt" verkünden sollte o Auftrag von Regierungspräsident von Niederösterreich Franz Josef Saurau nach der Niederlage Österreichs o weil Frankreich und England eine Hymne hatten o sprach von Nationallied, ein Lied was Treue an Kaiser darstellen sollte, Kaiserlied: Hymne an damaligen Kaiser Franz II -> Lobgesang für den Kaiser Text 1796 von Lorenz Leopold Haschka o God save the Queen: 3/4 Takt , Walzer (anderes Schema als Kaiserhymne) o Kaiserhymne: Romanzenstrophe: 8 Trochäische Vierheber, kreuzweise gereimt, abwechselnd klingend und stumpf endend (Wörter werden in deren Betonung ausgesprochen) o ähnliches Schema wie Schillers „Öde an die Freude“ ▪ Lied war sehr beliebt, deshalb hat Haschka diese Versform als Vorbild genommen Musik 1796/97 von Joseph Haydn o Auftrag an ihn, weil er God save the Queen kannte (lebte in London) o hatte selbst angeregt in Österreich einen ähnlichen Nationalgesang zu erschaffen Kaiserhymne Text Nationallied = Kaiserlied, bei Habsburgern stellt Kaiser die Nation dar Orientiert am englischen Modell, das Gott als Beschützer des Monarchen nennt „Franz“ und „Gott" wird betont Alle die den Kaiser vom Thron holen wollen, sollen verhindert werden Gottesgesetz = Wille von Gott soll Gesetz des Kaisers und Gesetz von Menschen sein Kaiser als Stellvertreter Gottes auf der Erde Gott -> Kaiser -> Menschen Mussolinis Faschismus: Wille des Souveränen ist Gesetz von allen Kein Nationallied für das Volk wie in Frankreich bei Habsburgern wurden viele Völker (Österreich, Ungarn, Böhmen) nur zusammengehalten durch die Krone (Franz), Völker sollen über den anderen stehen Kaiserlied mit Gebetscharakter, Fokus auf Verhältnis zwischen Gott und Kaiser Das Kaiserlied im 19. Jahrhundert (Gott erhalte) Uraufführung am 29. Geburtstag von Franz II. am 12.2.1797 im Hofburgtheater in Wien o Handzettel wurden im Publikum verteilt, damit gemeinsam gesungen werden konnte Entstanden als Hymne an Franz II. (1792–1806), den letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, aber etabliert als Hymne an Franz I. (1804–1835), den Kaiser von Österreich -> o Achtung! Franz der II. des römisch dt. Reiches, ist die gleiche Person wie Franz der I. o Franz gründete ein Kaiserreich, weil Napoleon dies auch getan hatte o 1804: Gründung des Kaiserreichs Österreich -> Franz II. wurde zu Franz I. vor allem eingesetzt 1809: Österreich unter Erzherzog Karl besiegte Napoleon 1814/15 bei zahlreichen Veranstaltungen der Wiener Kongresse 1826 im Heer eingeführt Ab 1854 neue Textversion von Johann Gabriel Seidl, die nicht mehr den individuellen Herrscher ehrt, sondern "Habsburgs Throne", und mit den Versen beginnt: "Gott erhalte, Gott beschütze / Unsern Kaiser, unser Land!" o Lied musste umgedichtet werden, weil nicht alle Herrscher Franz hießen o Bei Kaiser Franz II, Umdichtung: „Gott beschütze unsren Kaiser“ o Habsburger Text -> Familienhymne der Habsburger ▪ diese Hymne wurde offizielle „Volkshymne“ von Österreich bis zum Ende der Monarchie im Herbst 1918 Das Lied der Deutschen Der Germanist und Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb im Sommer 1841 auf Helgoland Das Lied der Deutschen. o wählte seinen Namen weil er tatsächlich von Fallersleben (Ort) kam, nicht adelig o bracht zuvor „unpolitische Lieder“ heraus, die schon sehr politisch waren Erschienen im Sept. 1841 bei Hoffmann und Campe in Hamburg, Titelblatt vermerkt: "Melodie nach Joseph Haydn's: 'Gott erhalte Franz den Kaiser, / Unsern guten Kaiser Franz!'" o wählte Melodie, die seit über vier Jahrzehnten sehr beliebt war und verfasste richtiges Nationallied Das Lied wurde v.a. nach der Revolution von 1848 zu einem Symbol der deutschen Einheit. o man wollte eine gemeinsame deutsche Nation gründen 1922 wurde das Deutschlandlied zur Nationalhymne der Deutschen Republik erklärt (3. Strophe) o nach dem Ende der Monarchie, wegen Niederlage im 1. WK o seit 1952 ist 3. Strophe wieder Nationalhymne Deutschlands Deutschlandlied Text selbe Melodie anderer Text wie Kaiserhymne Fallersleben komponiert konkurrierenden Text Lied beginnt mit Hyperbel: Übertriebene Darstellung von Deutschland Unklar: worüber Deutschland gestellt/ geliebt wird („Deutschland über alles“) o Sehnsucht nach Deutschem Staat oder will Deutschland über allen anderen stehen? o politische Fehlinterpretationen -> patriotisch oder nationalistisch? Nazis interpretieren: Deutschland soll rassisch über den anderen Völkern stehen Wie groß Deutschland sein soll (4 Flüsse) wird von Fallersleben beschrieben im Text o Westen: Niederlande, Osten: Litauen, Süden: Südtirol, Norden: Norddeutschland o all das soll Deutsches Reich sein (wegen gleicher Sprache) 1. Strophe ist kritisch zu sehen 3. Strophe noch immer deutsche Nationalhymne, auch schon in Weimarer Republik Text: man will nicht mehr unter den Monarchen, sondern frei sein (1848er Revolution, Geist des Deutschlandliedes) Nazis: behielten das Lied als Hymne, aber sangen erste Strophe (nicht dritte), zusammen mit Horst-Wessel-Lied (Nazi Hymne) Karte, Buch/Plakat und Slogan „Österreich über alles wenn es nur will“ (Buch von Phillip Wilhelm von Hörnigk) o Vorschlag wie Österreich nach Türkenbelagerung ökonomische Autonomie erhalten könnte o politischer Slogan entstand Österreich stand für Monarchie, Krone die alles zusammenhielt Deutschland: Deutschland soll über allen stehen Dollfuß reframte den Slogan für Vaterländische Front, wollte Ständestaat (austrofaschistisches Regime) aufbauen, andere Parteien sollten abgelöst werden o sagte Slogan bei Türkenbefreiungsfeier Konkurrenzverhalten zwischen Österreich und Deutschland, welches Land soll Vormacht haben? Karte des deutschen Bundes: wirtschaftlicher Zusammenschluss Fallerslebens Text geht über Grenzen hinaus, nicht nur wirtschaftlicher Verbund, sondern sollen alle die, die die deutsche Sprache beherrschen zusammengehören Österreichische Hymne nach der Monarchie Lied nicht für erste österreichische Republik passend, weil Kaiserhymne ein Symbol für die österreichische Monarchie war o Bruch mit der Monarchie war radikal (Verbot von Adelstiteln etc.) Wenig lyrischer neuer Text von Karl Renner (österreichischer Kanzler und Sozialdemokrat), auch melodisch verändert von Wilhelm Kienzl o Deutsch-österreichisches Lied konnte nicht mithalten mit Kaiserhymne o setzte sich im Volk nicht durch Christlichsozialen nutzten Verfassungsreform (1929) um ehemalige Kaiserlied offiziell als Bundeshymne einzuführen, aber man brauchte neuen Text o österr. Priester-Dichter Otto Karl Kernstock mit Haydns Melodie als Nationalhymne Österreichs Kernstocks Text (Foto): o keinen Kaiser mehr auf den man sich berufen kann o kann sich auch nicht auf Volk berufen, seit Republik „neues“/ kleineres Volk ▪ was ist Österreich? ▪ worauf soll man sich berufen? o Bekenntnis für die Republik, keine Knechte mehr, frei 1929 konnte Haydns traditionsreiche Melodie mit 3 Souveränen assoziiert werden: -> Habsburger Kaisertum (19. Jhdt.) o deutsches Volk (19. - 20. Jhdt.) o österreichischer Staat (1930 – 38) 1933 Türkenbefreiungsfeier/Plakat Starhemberg und Schuschnigg 11.03.1938: Rücktritt von Schuschnigg o weil er von Einmarsch der Nazis wusste 12. März Einmarsch der Nazis in Österreich Land wurde annektiert Radioaufnahme von Schuschniggs Rücktritts Rede: o Verabschiedung mit Deutschen Worten: Gott beschütze Österreich o Anhänger schrieen „Österreich Österreich“ o um zu verhindern, dass das im Radio zu hören ist, wurde instrumentale Version der deutschen Nationalhymne gespielt und Nazis sangen laut mit -> In Österreich ist damit die Kaiserhymne beendet -> In Deutschland ist die dritte Strophe von Fallersleben noch immer die Nationalhymne Beitrag „Türkenbefreiungsfeier“, ist in Filmarchiv Austria erhalten geblieben, Veranstaltung für Fox Tönende Wochenschau (Vorgänger der Tagesschau) gefilmt, am Schluss gab es Flugschau bei der Österreichische Bundeshymne gespielt wurde Beim Marsch auf Wien protestieren Nazis mit dem „Deutschlandlied“ Die in beiden Fällen gleich klingende Melodie ist in Schönbrunn nur instrumental, bei den Demonstrationen aber mit folgendem Text zu hören: "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!" Wie kam es, dass ein und dieselbe Melodie für gegensätzliche Ziele eingesetzt wurde, nämlich sowohl für den Erhalt des Staates Österreich als auch für dessen Anschluss an das Deutsche Reich? Entstehung der Melodie: 1792–97 Koalitionskrieg gegen Frankreich 1795 Marseillaise als frz. Nationalhymne 1796 setzte sich Frankreich unter Napoleon Bonaparte in Italien gegen Österreich durch Offizieller Auftrag, nach dem Vorbild des britischen God save the King ein "Nazionallied" zu verfassen, das "die treue Anhänglichkeit des Volkes an seinen guten und gerechten Landesvater vor aller Welt" verkünden sollte Text 1796 von Lorenz Leopold Haschka Musik 1796/97 von Joseph Haydn Österreich Krieg mit Frankreich: Beginn des Krieges, nach franz Rev, war Marschlied gegen Österreich Text: 3. Vers: Gott wird angesproche, Intrigen sollen verhindert werden, „Dein gesetz sei stets sein“ wille von Gott soll gesetz des Kaisers sein, welchem sich das volk unterwirft Genau wie mussolini war die Vorstellung unter Franz, dass einzige Gemeinsamkeit eines Volkes der Herrscher sein soll -> Franz 2. Von Habsburg, Kaiser hl röm reiches, zu seines Ehren wurde eben die Hymne komponiert, etabliert hat sich die Komposition dann unter Franz 1. Kaiser von Östtereich (gleiche Person, weil Napoleon sich selbst in Frankreich gekrönt hatte, hl röm reich wurde aufgelöst), Hymne wurde nach seinem Tod je nach Namen immer umgedichtet Anderen Völker des habsburgerreiches haben sich gegen deutsch als Amtssprache gewehrt, Hymne wurde in andere sprachen übersetzt (tonis mitschrift) Marsch auf Wien (6) S. 75-85 Heimwehr: Einige trugen Trachten, einige trugen die Uniform der Heimwehren: grüne Windjacke Diese Kleidung drückte für Heimwehr bodenständige Haltung aus, für Sozis aber wie provinziell und rückständig Heimwehr & Veranstaltung war TBF sollte Militärischen Charakter haben, Heimwehr war jedoch unbewaffnet Starhemberg stellte in OÖ Truppen auf, mit denen er regelmäßig zu politischen Zwecken in Städten aufmarschierte Dadurch verschuldete er sich stark, musste von Führerposition zurücktreten, bis er 1932 von Mussolini finanziert wurde „Marsch auf das rote Wien“: Rest ATs war schwarz, man wollte also nur noch Wien „einnehmen“ ➔ “Kampf gegen die Roten“ war von Anfang an eine Triebfeder der Heimwehr In der Presse des Heimatschutzes war von 40 000, in gegnerischen Zeitungen von 20 000 Männern die Rede (was dazwischen ist anzunehmen) Emil Fey: Wiener Heimwehrführer, wurde kurz vor TBF österreichischer Sicherheitsminister Heimatschutz meine nach Veranstaltung, dass Korneuburger Eid österreichisches Staatsprogramm geworden war, bei TBF wurde in den Reden viele Forderungen des Korneuburger Eids angesprochen Beim Marsch auf Wien kamen zwei Aspekte zum Ausdruck: 1. militärische Disziplin „Musterungen“: nur jene Söldner (bezahlte, nicht überzeugte Kämpfer), die in guten Zustand waren, wurden in Musterlisten eingetragen Ludwig XIV. erweiterte Musterungen: Soldaten mussten manövrieren, also mit Gewehr bewegen, er nannte das „Revue“ (eigentlich Mischung aus Musical und Oper, wo sich Einzeldarbietungen aneinanderreihten) Preußen, 18. JH: „Kriegstheater“, Truppen mussten sich in verschiedenen geometrischen Formen arrangieren Exerzieren: Einübung militärischer Grundtugenden, hierarchische Ordnung, körperliche Disziplinierung (Bei der französischen Revolution unter Napoleon waren es keine Söldner mehr, Männer kämpften aus Überzeugung) 2. theatralischer Kaisereinzug Die Route, auf der die Heimwehr marschierte wurde von habsburgischen Monarchen auf den Weg von der Sommerresidenz zur Hofburg gefahren -> kaiserliche Route Heimwehr verkörperte jedoch militärische Disziplin und regionale Volkstümlichkeit Leopold I. war König von Böhmen und Ungarn, am 1. August 1658 in Frankfurt zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches gekrönt Von dort zog er mit seiner riesigen Gefolgschaft nach Wien, übernachtete in Schönbrunn und zog am nächsten Tag durch Wien bis zum Stubentor, wo er vom Bürgermeister symbolisch Stadtschlüssel bekam Signifikant war jedoch die Form des Einzuges, der in einem Kupferstich (typisch für kaiserlichen Einzug 17./18.Jh) visualisiert wurde: Vor dem Hintergrund, der Stadt, wurde die Gefolgschaft in einer Schlangenlinie präsentiert, von vorne nach hinten stieg der Rang, so erscheint der Wagen des Kaisers erst ganz unten am Bild Bedeutung: bei kaiserlichen Einzügen trat Herrscher nicht als Kriegsherr, der seinen Truppen voranschreitet auf, sondern als Stellvertreter Gottes auf Erden Seine Ankunft (lat. Adventus) musste eine lange Zugfolge ankündigen, damit dem Volk die Erhabenheit des Herrschers bewusst wurde Leopold I. stellte sich bei diesem Schauspiel auch sehr gerne in Theaterkostüm dar -> undenkbar für Kaiser Franz Joseph, der sich immer in Uniform präsentierte Zusammenführung der beiden Aspekte: Der Österreichische Heimatschutz inszenierte im barocken Garten von Schönbrunn zwar eine theatrale „Türkenbefreiungsfeier“, bei der die Redner die souveräne Position einnahmen, dem zentralen Schnittpunkt der sternförmigen Anlage Anschließend stellten sic h die Anführer (Starhemberg, Fey, Dollfuß) an die Spitze der Heimwehrtruppen und marschierten in Richtung Schwarzenbergplatz, wo ein Spalier gebildet wurde. Bell & Howell 2709 (7) S. 86-92 Zwei Filmaufnahmen: einen Stumm- und einen Tonfilm, beide schwarz-weiß Tonfilm Beitrag der Fox Tönenden Wochenschau (Wurde vor Kinofilmen gezeigt, ca 20min lang) Gleicher Inhalt + Proteste Marsch auf Mahü, Kameramann rechts ist wahrscheinlich selbstständig und machte aufnahmen für Fox Tönende Wochenschau 35-mm-Film war zu der Zeit der Aktuelle Kamera lässt sich nicht mit Sicherheit identifizieren, Vermutung liegt aber auf Bell & Howell o „Bell & Howell 2709-B1“ o Amerikanischer Hersteller o Betrieben mit einem Synchronmotor, der Aufnahme von 24 Bildern pro Sekunde und synchronen Lichtton ermöglichte o Modell stammte aus 1912, war aber im Gegensatz zu neueren Modellen zuverlässig und langlebig o Standardkamera in amerikanischen Filmstudios o Erste Kamera aus Metall -> davor nicht so robust (Holz & Leder) o Vor dieser Kamera wurde mit der Hand gekurbelt -> stockend o Revolver mit 4 Objektiven, der Arbeit und Scharfstellung erleichterte o Durch den Motor bewegten sich nicht nur die Heimwehr, sondern auch die Bilder, die den „Marsch auf Wien“ dokumentierten, im Gleichschritt. o -> Bildformat entsprach der Uniformität des Motivs Stummfilm Von Polizei erstellt Ca. 5min lang Zeigt von Ankunft der Heimwehr alles bis zum Schwarzenbergplatz Nicht erhaltener Film Aufnahmen der Wiener Selenophon Licht- und Tonbild GmbH Stand mit Aufnahmewagen bei der Veranstaltung in Schönbrunn Frühgeschichte des Films Versuche, nicht nur Stillstehendes, sondern auch Bewegungen bildlich festzuhalten, seit Erfindung der Daguerreotypie in den 1830ern Geschichte der Medien muss in Verbindung mit anderen Entwicklungen gesetzt werden Biologie des 19. Jhdt. definiert Leben als Bewegung, organisch, Tod = anorganisch o Wunsch Leben festzuhalten, Bedarf „to capture life“ Mitte der 1890er Jahre präsentieren die Brüder Lumière den Cinématographe, die Brüder Skladanowsky das Bioscop und Edison das Vitascope (Leben = Bewegung). o Paris, Berlin, New York Im Frühjahr 1896 wird der Cinématographe in der Kärntner Straße in Wien vorgestellt. Kinematografie verbreitet sich zunächst als Jahrmarktsattraktion, v.a. im Prater, ab ca. 1905 entstehen sog. Kinotheater. -> in ganz Wien, hießen damals Lichtspieltheater Gymnastik der Wahrnehmung (8) S. 93-103 Tonfilm der Reichspropagandaleitung der NSDAP „Österreich!“ Beginnt mit der Texttafel über den „Vernichtungsfeldzug“ den Dollfuß „gegen den Nationalsozialismus führte“ Aufnahmen von Schlagzeilen über die „christlich-soziale Verschwörung“ Aufnahmen wurden durch männlichen Kommentator moderiert Aufnahmen der Fox Tönenden Wochenschau eingespielt, wo Dollfuß über den „Fremdgeist“ redet Kommentator während TBF: „In der selben Stunde wurde Hans Frank & co empfangen“, obwohl das am Tag davor war Hans Frank vor Adolf-Hitler-Haus in Wien ist zu sehen, wie er den Führer lobt Im Anschluss werden demonstrierende Nazis, die das „Deutschlandlied“ singen gezeigt, wie sie von Polizisten verdrängt werden um Platz für den Marsch zu machen Danach werden random marschierende SA-Truppen gezeigt Letzte Sequenz zeigt eine Kundgebung in der Engelmann-Arena, man denkt am Tag davor die Gegenveranstaltung, es war aber zwei Wochen früher, 1. Mai, „Tag der nationalen Arbeit“ gemacht Mit der Parteihymne klingt der Bericht aus Manipulation der Realität durch Filmmontage Diese Unwahrheiten lowkey ungeschickt, weil durch Zeitungsberichte und andere Wochenschauen die Daten (Ankunft Hans Frank & Engelmannarena) genau festgehalten wurden. Sequenzen der Fox Tönenden Wochenschau mit anderen Aufnahmen kombiniert „Montage“ kam in den 20ern auf, Filminhalte sollten emotionalisieren und idealisieren Sergej Eisenstein als einer der ersten russischen Regisseure, die Montage umsetzen, aber er wollte möglichst realitätsbezogen bleiben und Wirklichkeit hautnah, vermitteln, nicht manipulieren = künstlerische Montage Im Laufe der 20er entwickelte Eisenstein Methoden, mit denen er die Psyche (intellektuelle Montage) der Zuschauer*innen besonders treffen konnte, genauso wie physische Zuckungen (metrische Montage) verursachen Selbst Goebbels lobte seine Filme für die Machart, man könne dadurch bolschewistisch werden, wäre man weltanschaulich nicht fest Potemkin von Sergej Eisenstein (1925): Uraufführung 1925 in Moskau Propagandafilm über die Meuterei auf dem Kriegsschiff "Potemkin" im russischen Revolutionsjahr 1905 1926 zensurierte Fassung mit deutschen Zwischentiteln und Musik von Edmund Meisel 1930 deutsche Tonfassung internationaler Erfolg und heute ein Klassiker der Filmgeschichte Turksib von Viktor Turin (1929): Viktor Turin, geb. 1895 in St. Petersburg, studierte ab 1912 am MIT in Boston und arbeitete in Hollywood als Drehbuchautor. 1922 kehrte er nach Russland zurück und drehte u.a. Turksib für Wostok-Kino. Dokumentarfilm über die 1.445 km lange Eisenbahnlinie von Turkestan nach Sibirien, gebaut von Ende 1926 bis Anfang 1931 1929 Uraufführung, 1930 Premiere in Wien 1931–33 rund 1,75 Millionen Tote bei der sowjetischen Kollektivierung Kasachstans Mabuses Befehlszentrale (9) S. 103-113 Fritz Langs „Das Testament von Dr. Mabuse“ Fr, 12.5.1933: österr. Premiere von Fritz Langs Das Testament des Dr. Mabuse; lief am Tag der „Türkenbefreiungsfeier“ in 8 Wiener Kinos Das öffentliche Interesse war groß, weil der Regisseur eine aus Wien stammende Berühmtheit & sein neues Werk in Deutschland verboten war. Der Protagonist, Dr. Mabuse, ist Teil eines kriminellen Netzwerks, er selbst sitzt in einer Irrenanstalt in einer Zelle. Es gibt einige Hinweise auf Nazis, das Dr. Mabuse genau wie Hitler seine Anweisungen, das „Testament“ in seiner Zelle verfasste. Er gab es an seinen Arzt weiter, welche Verbrecher damit Anweisungen gab. o Dieser kommuniziert mit den Verbrechern über eine Befehlszentrale, ein Zimmer mit einem Vorhang, dahinter eine Silhouette, die sich später als Attrappe herausstellt. Niemand traut sich, dahinter zu treten, seit einmal jemand umkam, bis ein Verbrecherpärchen sich traut und die Attrappe entlarvt. Der ständige Perspektivenwechsel zwischen Tür und Vorhang soll die Leinwand und Sitzplätze darstellen. Diese Aufdeckung, als die beiden den Vorhang aufmachen (wo der Zuschauer auf einmal direkt angeschaut wird) soll die Apparatur des Tonkinos darstellen. Entwicklung vom Theater zum Kino Lässt sich z.B.: an dem Vorstellungsraum im Hotel Central, Taborstraße 8 nachvollziehen Ab 1900 Theatersaal Ab 1903 vom „Budapest Orpheum Gesellschaft“ mit jüdischen Kabaretts bespielt o Theateraufbau: Viele Tische mit Sesseln, man aß und trank während den Vorstellungen Während des 1. WKs (1916) wurde das Theater in das Central-Kino umgewandelt, es gab nur mehr Sitzplätze, zuerst ein Orchester, das dann später als die Tonfilme (1929) aufkamen entfernt wurde. 1. Geschäftsführer: Journalist, Drehbuchautor & Filmregisseur Alfred Deutsch-German 1929: Ausstattung mit einer Tonfilm-Anlage (Marke „Klangfilm“, kein reines Lichttonsystem, sondern eines, das an bestehende Projektoren angebaut & durch Plattenspieler ergänzt werden konnte) & Umbenennung in „UFA-Ton-Kino“; weil es sich um ein Premierenkino der deutschen Universum Film AG, die schon länger am Central-Kino beteiligt war, handelte. Bei der Österreich-Premiere von „Jazz Singer“ im Central Kino ließ der damalige Geschäftsführer, Heinrich Lipsker, Vitrinen aus dem Jüdischen Museum im Warteraum des Kinos aufstellen, um Bezüge zwischen der Filmhandlung im New Yorker Ghetto & dem jüdischen Leben in der Leopoldsstadt herzustellen. Die UFA galt als deutschnational, gehörte ab 1927 dem Medienkonzern von Alfred Hugenberg, den Mitbegründer & späteren Vorsitzenden der Deutschnationalen Volkspartei. - Im Zuge der Sanierung der UFA 1927 wurden die Lichtton-Experimente des Unternehmens eingestellt, Kooperation mit der Firma „Klangfilm“. „Klangfilm“-Anlage im ehem. Central-Kino: Bild-& Tonprojektor mit Plattenspieler von elektrischem Motor angetrieben, 35-mm-Filme konnten stumm, mit Lichtton oder mit synchron laufenden Schallplatten abgespielt werden elektrodynamische Lautsprecher („Blatthaller“) März 1933: UFA-Vorstand kündigte die Verträge mit jüdischen Mitarbeitern; Testament des Dr. Mabuse wurde in Deutschland, auf die Forderung von Goebbels, verboten. Mai 1933: Wechsel der Geschäftsleitung im UFA-Ton-Kino in Wien; neuer Geschäftsführer: Hermann Stritzko, NSDAP-Mitglied & auch als die NSDAP in Ö verboten war, aufrechter Nationalsozialist. Heinrich Lipsker (Jude) wurde 1941 deportiert & starb im KZ. „Leck mich im Arsch!“ (10) S. 113-123 Ankunft von Hans Frank & Hanns Kerrl in Wien Am Sa, 13.5.1933 landeten einige NS-Politiker aus Deutschland, angeführt vom bayrischen Justizminister Hans Frank & seinem preußischen Amtskollegen Hanns Kerrl, auf dem Flugfeld Aspern bei Wien. Der offizielle Grund für die Reise war die Teilnahme an einer Juristentagung. Auf ihrem Weg in die Innenstadt jubelten die Anhänger & pfiffen die politischen Gegner. Am stärksten war der Protest in der Leopoldstadt, dem 2. Wiener Gemeindebezirk. Der Lasalle-Hof war nicht nur rot beflaggt, sondern einige Bewohner stellten in den Fenstern ihren Hintern zur Schau, als die NS-Politiker aus Deutschland vorbeifuhren. „Götz-Zitat“ Das „Götz-Zitat“ stammt aus dem Theaterstück Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand, das Johann Wolfgang Goethe 1771 verfasste & 2 Jahre später anonym drucken ließ. Er stützte seine literarische Darstellung auf die 1731 veröffentlichte, autobiografische LebensBeschreibung Herrn Gözens von Berlichingen – eines fränkischen Reichsritters, berüchtigten Söldners, historischen Kriegsunternehmers (Goethe stellte ihn als deutschen Freiheitskämpfer dar), der an der Wende vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit lebte. Als über Herrn Gözen eine Reichsacht verhängt & er für vogelfrei erklärt wurde, belagert das Reichsheer seine Burg. Als ihn ein Bote auffordert, sich zu ergeben, ruft Götz aus dem Fenster: „Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kayserliche Majestät, hab ich, wie immer schuldigen Respect. Er aber, sags ihm, er kann mich am Arsch lecken.“ Er bringt durch die Forderung, ihn doch am Arsch zu lecken, auch seinen Trotz, seinen Widerstand gegen eine Autorität zum Ausdruck, und zwar auf eine provozierende & beschämende Weise. Goethe verdeutlichte die Beschreibung in den Memoiren des historischen Götz von Berlichingen, der angeblich zu einem Amtmann sagte, „er solle mich hinden lecken.“ Laut dem Archäologen Otto Jahn gehörte das obszöne & beleidigende Entblößen der Geschlechtsteile im Mittelalter zu den Mitteln, neidische Blicke zu stören bzw. abzuwenden. Als Abwehrgebärde findet sich das Gesäßweisen auch in deutschen Volkssagen, wo es einerseits gegen Geister oder Unwetter und andererseits gegen Belagerer eingesetzt wird („Blecker“). Beleidigung aus dem spätmittelalterlichen Wien: der entblößte Hintern ist i.d.R. gegen religiöse oder politische Respektpersonen gerichtet. (auch gegen Kaiserin Eleonore, 1462) Dass nicht nur die Handlung, sondern auch die sprachliche Aufforderung, jemanden am bzw. im Arsch zu lecken, als „Ausdruck des Trotzes“ zu verstehen sei, hob Sigmund Freud mit Blick auf Goethes Götz von Berlichingen hervor. Das „Götz-Zitat“ stellt in der gestischen wie in der sprachlichen Version ein historisch etabliertes Verhalten dar. Bemerkenswert ist außerdem, dass in beiden Fällen an den mittelalterlichen Kontext der „Blecker“ erinnert wird. Blecker = „Mittelalterliche Karikaturen“, die meist aus Stein in Kirchen oder an Gebäuden zu sehen waren und ihr Hinterteil entblößten Der Lasalle-Hof Nach Ferdinand Lasalle, einem Pionier der deutschen Arbeiterbewegung, benannt Für den Bau des Lasalle-Hofs schrieb die Gemeinde Wien im Herbst 1923 einen Wettbewerb aus. Das Gebäude sollte, da es sich an einem städtebaulich markanten Ort befand, „besonders vorbildlich wirken“. Umgesetzt wurde ab Mai 1924 dann aber nicht das Siegerprojekt des Architekten Karl Krist, sondern der auf den zweiten Platz gereihte Entwurf „Lasalle-Turm“, der von Hubert Gessners Büro stammte. Gessners Baustil wurde für den Wiener Gemeindebau prägend. Die Wohnungen waren alle mit Toiletten & Gasherden ausgestattet & für Wiener Arbeiterfamilien fast gratis. => Stellten eine erhebliche Verbesserung gegenüber den überteuerten Mietshäusern des 19. Jh. dar, wo sich Wasser & Klosett am Gang befanden. Das Ziel der sozialdemokratischen Stadtregierung, die Lebensverhältnisse möglichst vieler Arbeiter mit den vorhandenen finanziellen Mitteln zu verbessern, wurde durch den Gemeindebau allerdings erreicht. Der Wiener Bürgermeister Karl Seitz sagte 1926, dass es in einer Großstadt unmöglich sei, jeder Arbeiterfamilie ein eigenes Haus zur Verfügung zu stellen. Die Gemeindewohnungen seien weder „prunkhaft“ noch „übermäßig groß“, sie trügen aber zur Verringerung der „Wohnungsnot“ bei. Daher werde die Stadtregierung am bewährten Konzept festhalten, also weiterhin mehrgeschossige Wohnanlagen mit gemeinschaftlichen Einrichtungen wie Kindergärten & Bibliotheken bauen. Der Lasalle-Hof mit dem zur Lasallestraße gerichteten achtstöckigen Turm mit Erkern & aufgesetztem Glaspavillon wurde als „Brückenkopf“ zur Donau & als „Einfahrtstor der Stadt“ bezeichnet. Er erinnert mit seinem mächtigen Turm & dem massiven Portal, seinen Erkern & Zinnen an eine mittelalterliche Burg. Mit ihren nackten Hintern wollten die (vermutlich sozialdemokratisch oder kommunistisch gesinnten) Bewohner des Wiener Gemeindebaus die politischen Gegner aus Deutschland beleidigen, den ankommenden Nationalsozialisten jegliche Autorität absprechen, die ihre Anhänger am Straßenrand jubelnd behaupteten. Aufgrund der Lage der Architektur des Lasalle-Hofs handelte es sich jedoch auch um eine Abwehrgebärde gegen Eindringlinge bzw. Belagerer, die erschreckt & an der Passage in die Stadt gehindert werden sollten. Mikrofone, Kabel, Sender (11) S. 123-132 Livesendung der „Türkenbefreiungsfeier“ im Radio Die "Türkenbefreiungsfeier" am 14.5.1933 im Schlosspark Schönbrunn wurde von 10:20 bis 11:05 Uhr in Radio Wien übertragen. o es kamen auch Lautsprecher zum Einsatz, sonst hätte nicht jeder die Reden gehört im Park ▪ Schönbrunner Schlosshauptmannschaft stellte Heimatschutz 7,41 Schilling für den Stromverbrauch der „Lautsprecheranlage“ in Rechnung Diese Livesendung widersprach den Programmrichtlinien der Österreichischen Radio- Verkehrs-AG (RAVAG), die seit ihrer Gründung im Jahr 1924 zu politischer Neutralität angehalten war. 32 von 56 HIST Als Protest gegen die Übertragung der Heimwehr-Kundgebung im Radio organisierte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei einen "Hörerstreik", bei dem rund 10.000 Haushalte ihren Rundfunk-Anschluss abmeldeten. o v.a. in sozialdemokratischen & nationalsozialistischen Zeitungen erschienen kritische Artikel über die Liveübertragung („Tabu-Bruch“, reine Propagandaveranstaltung zu übertragen) Im Lauf des Jahres 1933 kündigten etwa 66.000 der rund 500.000 angemeldeten Haushalte ihr Radioabonnement aus Protest gegen die einseitige Politisierung des österreichischen Rundfunks Mikrofone: Auf den Foto- und Filmaufnahmen der Reden, die bei der „Türkenbefreiungsfeier“ gehalten wurden, ist auf der Gartenterasse eine Reihe von Mikrofonen, insgesamt 6, zu sehen: 1. Kohlemikrofon (Typ unbekannt) 2. 2. dynamisches Mikrofon (evtl. Western Electric 618A); 3. 3. Kohlemikrofon (Reisz); 4. 4. Kohlemikrofon (Reisz) und darüber vermutlich ein dynamisches Mikrofon (Typ unbekannt) 5. 5. evtl. ein Mikrofon der Selenophon Licht- und Tonbild GmbH. o unterschiedliche Übertragungs- und Aufnahmekanäle, daher so viele Mikrofone: ▪ Mikros für Beschallung des Schlossparks, zwei Wochenschau-Teams zeichneten Reden auf, live in Radio Wien gesendet, aufgenommen vom österreichischen Rundfunk und Heimatschutzverband o Kohlemikrofon erst in den Anfängen des Radios verwendet, dann durch dynamische Mikrofone ersetzt Reisz-Mikrofon: 1924 eingeführtes Kohlemikrofon im weißen Marmorblock Von Eugen Reisz aus Berlin Wurde von Radio Wien verwendet, eventuell auch für die Live-Übertragung Konnte auch zur Beschallung (Public Adress) verwendet werden Nicht verwendbar für Film (lautes Hintergrundrauschen) Selenophon: hatte in 1920er eigenes Lichttonverfahren entwickelt Stellte Mikrofone her (7-eckig, in Metallrahmen aufgehängt), wurden auch von Radio Wien verwendet Produzierte auch Filme & seit 1930 auch Wochenschauen, ab dem Frühjahr 1933 im Auftrag des Bundeskanzleramts die propagandistische Wochenschau Österreich in Bild und Ton Aufnahmewagen von Selenophon war bei der „Türkenbefreiungsfeier“ (Foto) Bei der „Türkenbefreiungsfeier“ wurde eine Lautsprecheranlage (Lautsprecher-turm oder - auto) verwendet Western Electric: dynamisches Mikro entweder für Lautsprecherturm oder Wochenschau Hier zentrale Lautsprecheranlage, wahrscheinlich Lautsprecherturm von Western Electric Das dynamische Mikrofon ähnelt den Modellen der Tochtergesellschaft von Western Electric, „Czeija, Nissl & Co“. Czeija, Nissl & Co Tochtergesellschaft von Western Electric Installierten im September 1933 im Schlosspark Schönbrunn eine verzweigte dezentrale Beschallungianlage mit 48 elektrodynamischen Lautsprechern (dienten einem Festgottesdienst mit 300.000 Teilnehmer*innen) Bericht über die Beschallungsanlage erschien in Radiowelt (Wien) 11.11.1933 Zu dieser Zeit in Wien auch stark vertreten: die deutschen Elektronkonzerne Siemens & Halske (dynamische Lautsprecher „Riesenblatthaller“ für zentrale Massenbeschallung), Siemens, AEG & deren Tochterfirma Telefunken (spezialisiert auf dezentrale Beschallungsanlagen, stattete 1932 den Stephansdom mit damit aus). Aufnahmewagen der Fox Tönenden Wochenschau: Filmkamera von Bell & Howell, Apparatur für die Aufzeichnung des Lichttons im Wageninneren mit Kabel zum Mikrofon auf der Schlossterrasse 34 von 56 HIST Links Als "Übertragerauto" bezeichneter Aufnahmewagen der Österreichischen Radio- Verkehrs-AG (RAVAG) rechts das darin enthaltene U7-Gerät zur Lichttonaufnahme, hergestellt von Selenophon Möglichkeit, Originalton auf Wachs- & Gelatineplatten aufzuzeichnen; Verfahren eignete sich nicht zur Tonarchivierung, sondern auch für längere Reportagen/Hörberichte o wahrscheinlich war Wagen bei Türkenbefreiungsfeier vor Ort um zu dokumentieren o aber bei Übertragung handelte es sich wahrscheinlich um kurzfristige Entscheidung, weil davon nichts in Programmzeitschriften stand Kurzwellen-Senderauto der RAVAG (Foto) rechts der darin enthaltene Kurzwellensender Theoretisch Sendung aus Orten in ganz Europa möglich machte es möglich außerhalb von Studio zu senden, 15km weit professionell (10.000 Hertz) o möglich, dass Reden bei Türkenbefreiungsfeier damit aufgenommen und an das Radio Wien in der Innenstadt übertragen wurde o aber: Fotografien zeigen, dass Senderaum zum Zeitpunkt nicht in Schönbrunn war, sondern am Prater (für Staffellauf um 11:05 benötigt) Wahrscheinlich wurde die Livesendung der RAVAG einfach per Telefonkabel vom Schloss Schönbrunn zur Johannesgasse 4 im 1. (Funkhaus der RAVAG) übertragen und von dort aus überallhin. Live-Sendung von Türkenbefreiungsfeier wurde über Rosenhügel per elektromagnetischen Wellen in der jeweils zugewiesenen Frequenz bis nach Graz, Linz, Klagenfurt, Salzburg & Innsbruck übertragen RAVAG-Studien (12) S. 132-145 Wunsch nach Radiounterhaltung statt Propaganda Die Live-Übertragung der "Türkenbefreiungsfeier" des Österreichischen Heimatschutzverbandes am 14.5.1933 in Radio Wien war ein Tabubruch (eigentlich politische Neutralität, weil auch steuerfinanziert) und rief Proteste der HörerInnen hervor o Dollfuß spricht beispielsweise vom „Fremdgeist“, mit dem er die Nazis und Sozis meint, jene sollen sich im Volk eingenistet und böses Unheil angerichtet haben RAVAG: private Aktiengesellschaft, aber meisten Anteile gehörten staats- oder parteinahen Organisationen, Vorgänger des ORF Die Österreichische Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) fügte sich allerdings dem autoritären Kurs der Bundesregierung und gestaltete ab dem Frühjahr 1933 ein entsprechend propagandistisches Radioprogramm, das den Wünschen des Publikums zum großen Teil entgegenstand. Die Mehrheit der HörerInnen wollte vom Radio weder intellektuell noch politisch erzogen, sondern vor allem unterhalten werden. Diesen Unterhaltungswunsch zeigen mehrere Publikumsbefragungen, die von 1924 bis 1932 in Österreich durchgeführt wurden. o In dieser Studienreihe zeigte sich der Wunsch nach Unterhaltung Fragebogen (13.12.1924, S. 7) und Ergebnisse (9.5.1925, S. 1) einer von der Zeitschrift Radiowelt (Wien) durchgeführten Umfrage zur Programmgestaltung des österreichischen Rundfunks. -> keine Politik, keine Börse, keine Predigt -> stattdessen nur Unterhaltung, Spannung 1931: Befragungen der Radiohörer*innen 1931 ließ die RAVAG die Vorlieben und Abneigungen des Publikums mit einer Reihe von Befragungen untersuchen, die in Kooperation mit dem Institut für Psychologie der Universität Wien durchgeführt wurden. Den Anfang machte ein "Wunschkonzert" mit fast 50.000 abgegebenen Stimmen, aus dem Johann Strauss als der beliebteste Komponist und sein Donauwalzer als das meistgewünschte Werk hervorging. Es folgte ein Experiment, bei dem die HörerInnen von den im Radio übertragenen Stimmen neun ausgewählter Männer, Frauen und Jugendlicher auf deren Aussehen und Beruf schließen mussten. Eine weitere Erhebung, die sich den Kündigungsgründen von RAVAG- Abonnements widmete, kam zu dem Schluss, dass fast die Hälfte der Abmeldungen wirtschaftliche Ursachen hatte. Kündigung, weil Menschen zu wenig Geld hatten, weil Geräte immer teurer wurden (Fabriksarbeiter verdiente sechs Schilling pro Woche, Gerät kostete 100 Schilling) RAVAG-Studie von 1931/32 Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle unter der Leitung von Paul Felix Lazarsfeld (Institut f. Psychologie der Uni Wien) -> sehr wichtiger Kommunikationsforscher (später Karriere in USA) Formular im November 1931 mit Fragen zu Programmkategorien, aber auch zu Wohnort, Alter, Geschlecht und Beruf der HörerInnen o Formular: Sozialdaten wurden in Zusammenhang mit Hörerwünschen des Publikums gebracht o Zielgruppen wurden erstmals!! Geformt o Fragebögen wurden Rundfunkzeitschriften bei- und in Trafiken ausgelegt Rücklauf: ca. 36.000 Fragebögen (ausgefüllt von insgesamt 110.312 HörerInnen -> 10% der Hörer*innen beteiligten sich) Nov. 1932: vierseitiger Artikel in Zeitschrift „Radio Wien“ der Ergebnisse zusammenfasste o Befragung sollte sich auf Programmgestaltung auswirken, Auftrag zur Volksaufklärung -> aber: ab 1933: wurde dieser Auftrag zur Volksaufklärung jedoch in Österreich wie in Deutschland in den propagandistischen Dienst von diktatorischen Regimen gestellt bewerten mit + (mehr), – (weniger), = (gleich viel) Paul Lazarsfeld und seine Wiener Forschungsstelle Paul Lazarsfeld, 1901 in Wien geboren, aufgewachsen in einem jüdischliberalen, sozialdemokratischen Elternhaus o Vater: Rechtsanwalt, Mutter: Individualpsychologin Studium der Mathematik und Physik, Promotion 1925 in Mathematik Gymnasiallehrer, Assistent (von Charlotte Bühler) am Institut für Psychologie der Universität Wien (nicht aus Universitätsmitteln bezahlt) o Anstellung an rechtskonservativen Uni Wien als Sozialdemokrat und Jude fast aussichtslos 1927 Heirat mit Marie Jahoda (bekannte Sozialpsychologin, in England bekannt) 1931 Gründung der Wirtschafts-psychologischen Forschungsstelle o außeruniversitären Verein, von Karl Bühler organisiert o Gruppe junger Wirtschaftspsycholog*innen wollte Marktforschung im amerikanischen Stil betreiben Die Arbeitslosen von Marienthal (1931–33) (Marie Jahoda, Otto Bauer) o Marienthal: Ort mit viel Arbeitslosigkeit, nahmen Ort als Labor um Sozialdaten von Arbeitslosen zu erfassen o quantitative Methoden, Statistiken o qualitative Methoden, Befragungen, Tagebücher schreiben lassen o Verbindung mehrerer Methoden, wichtig für Sozialpsychologie Lazarsfeld weitere Radiostudien in den USA Ab 1933 war Lazarsfeld Forschungsstipendiat der Rockefeller-Stiftung in New York. o blieb wegen Nazis und besseren Berufsaussichten in den USA o avancierte zu einem der einflussreichsten Sozial- und Kw.-schaftler des 20. Jhdt. Ab 1937 leitete er dort ein großes Forschungsprojekt über die Rundfunknutzung in den USA. o Zielgruppen in AT wirtschaftlich nicht rentabel, weil Radio staatlich ist o in den USA: interessant was Zielgruppen sind o kommerziell wichtig, verwertbar, welche Werbungen geschalten werden sollen (USA 1930er: 17. Mio. Radiogeräte, die Sendungen von mehr als 600 Rundfunkstationen hörten) -> ökonomisch wertvolle Forschungsleistung Zu den MitarbeiterInnen zählten u.a. Marie Jahoda, Hans Zeisel, Herta Herzog (2. Frau Lazarsfelds) Fackeln der Freiheit (13) S. 145-155 „Humbug, Bluff und Ballyhoo“ Die bürgerliche Wiener Tageszeitung Neue Freie Presse veröffentlichte in der Sonntagsausgabe vom 14.5.1933, dem Tag der "Türkenbefreiungsfeier" des österreichischen Heimatschutzes in Schönbrunn, einen Essay über neue, amerikanische Methoden der Propaganda. o Bernays entwickelte „indirekte Reklame“ zu einer wissenschaftlichen Dienstleistung Der Text stammte von dem Publizisten Arthur Rundt und befasste sich mit Sigmund Freuds Neffe Edward Bernays, der in New York eine Agentur als "Berater für Public Relations" (PR counsel) betrieb. o Text über neue Propaganda formen aus den USA, Bernays Die Publikation des Artikels mit dem Titel "Humbug, Bluff und Ballyhoo" fiel vermutlich zufällig mit der "Türkenbefreiungsfeier" zusammen. Trotzdem sind Parallelen zwischen den PR von Bernays und dieser Propaganda-Veranstaltung erkennbar (Pseudoereignis & Stereotypen). o Pseudoereignisse: Türken Belagerung fand im Sommer 1683 statt, Befreiung im September, aber die Feier wurde vorgezogen (Mai) um Zeichen zu setzen, Propagandaveranstaltung o Stereotype: Stadt Wie als christliche Festung, adelige Kriegshelden, Heimatschutz als Symbol Österreichs, drohende Barbarei aus dem Osten Stammbaum von Edward Bernays Edward Bernays als ein jähriges Kind nach Amerika emigriert in NY aufgewachsen agriculture studiert, arbeitete als Journalist und Pressesprecher eigenes Büro für PR auf der Fifth Avenue 1919 verwendete als erstes den Begriff PR, der den Begriff der „Propaganda“ ersetze in 20er Jahren mehrere Artikel und Bücher Edward Bernays (stehend in der Mitte) mit seiner Frau Doris Fleischman (zu seiner Linken) und dem Personal ihres Büros für Public Relations in New York im Jahr 1926 Edward Bernays: Propaganda (1928) „Modern propaganda is a consistent, enduring effort to create or shape events to influence the relations of the public to an enterprise, idea or group.“ PR wie er sie versteht sind nicht klassische Pressesprecher sondern PR schafft Ereignisse, konstruiert eigene Wirklichkeit (beruht auf Bücher von Walter Lippmann, Nachrichtenwert Theorie) PR muss sich Nachrichtenwerte zu nutzen machen Speck-Kampagne (1920er) Konzept der Meinungsführer (Ärzte) PR als Bildung von Lebensstilen (hier: American Breakfast) o Beech-Nut Packung Company gab in 1920er Jahren Bernays Auftrag Nachfrage nach „sliced Bacon zu erhöhen o Bernays machte nie typische Produktwerbung, stattdessen hatte er besondere Ideen o bittet befreundeten Arzt Briefe an Ärzte zu schicken, gesundheitliche Frage nach süßem oder herzhaftem Essen zum Frühstück o ließ das „Ereignis“, dass Ärzte (Expertenrat) ein reichhaltiges Frühstück empfehlen, in einer medizinischen Fachzeitschrift abdrucken ▪ nytimes und andere große Zeitungen berichteten darüber ▪ darauf aufbauend wurde Werbelinie konzipiert, hat amerikanisches Frühstück benannt gemacht ▪ dadurch wird nicht nur Produkt verkauft, sondern auch ein Lebensstil ▪ perfekte amerikanische Familie, Bacon als Teil des American breakfast ▪ breite Masse ist also über Gruppenführer beeinflussbar (hier: Ärzte ➔ Konzept der Meinungsführer (Ärzte) => opinion leaders zentral in der PR, damaliges Grundprinzip der PR, Bernays hob diese Technik auch in seinem Buch Propaganda hervor: Wer die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung steuern wolle, müsse die relevanten Zielgruppen über ihre Meinungsführer beeinflussen. „Torches of Freedom“ (1929) Bernays war ab 1928 PR-Berater der American Tobacco Company. Das Unternehmen versuchte, die Marke "Lucky Strike" unter Frauen zu verbreiten. o Markt unter Männer gesättigt, bei Frauen noch Ausbau fähig Statt "It's toasted" neuer Slogan: "Reach for a Lucky instead of a sweet!" o Verkauf eines Lifestyles o wer Zigaretten raucht, hat keinen Hunger mehr, man ratet Frauen Zigaretten um schlank zu sein Inszenierte Protestaktion bei der New Yorker Osterparade am 31.3.1929: eine Gruppe junger Frauen rauchte öffentlich Zigaretten als "Fackeln der Freiheit". o Frauen rauchten normalerweise nicht öffentlich o Bernays schickte Journalist*innen und Fotograf*innen Rauchen als emanzipatorischer Akt o bei Nachfrage: Frauen sagten sie rauchen im Sinn der Emanzipation, entzünden die Fackeln der Freiheit o nicht als ungesund angesehen sondern stellt Selbstbestimmung der Frauen dar -> Bernays spielte mit Stereotypen: Links: zeigt Revolution in Paris von 1830: angeführt von Frau, Darstellung der Freiheit (Flagge in der Hand) ähnliche Pose bei Freiheitsstatue (Geschenk von Franzosen): hält Fackel hoch als Symbol der Freiheit, Zigarette: ähnliche Symbolik, Frau als Freiheit, statt Fackel Zigarette Bernays betonte zwar, dass Public Relations wissenschaftlich fundiert seien, in Wahrheit beruhten seine Kampagnen jedoch auf Intuition & persönlichen Beziehungen Während Bernays zur Eigenreklame behauptete, psychologische Methoden in den Public Relations anzuwenden, gab es in Wien eine Gruppe junger Wissenschaftler, die tatsächlich Motivforschung in seinem Sinn betrieben. Im Gegensatz zum intuitiv vorgehenden PR-Berater schufen Lazarsfeld & seine Mitarbeiter jedoch wissenschaftliche Methoden, um psychologische Motive & soziale Zielgruppen definieren & beeinflussen zu können. Im Bureau of Applied Social Research an der Columbia University, wurde nicht nur Zielgruppen- & Motivforschung betrieben, sondern auch das von Bernays angewandte Konzept der Meinungsführer empirisch belegt. Lazarsfelds Studie über amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1940 zeigte, dass die Wirkung der medialen Berichterstattung nicht direkt, sondern über sog. „Meinungsführer“ verläuft => Zweistufiger Kommunikationsprozess. Erziehung neuer Medien (14) S. 155-167 Die österr. Sozialdemokratie im Jahr 1933 Am Sa, 13.5.1933, dem Tag vor der „Türkenbefreiungsfeier“, erschien in der Arbeiter-Zeitung eine programmatische Erklärung der sozialdemokratischen Partei- führung, wonach ihre Linie vom Herbst 1918, als mit dem 1. WK auch die Monarchie der Habsburger endete, im Prinzip weiterhin gelte: (Deutsch-)Österreich solle Teil der demokratischen deutschen Republik werden. o Dieser Grundsatz bedeutete zugleich, dass ein Anschluss an das NS-Regime, wie es seit Ende Jänner 1933 in Deutschland errichtet wurde, ausgeschlossen sei. Die Sozialdemokratie sprach sich für ein demokratisch-republikanisches, friedlich-neutrales Österreich aus, das deutscher Freiheit & Kultur ein Asyl bieten müsse, bis sich Deutschland vom Faschismus befreit habe. Um diesen Worten Taten folgen zu lassen, wurden am Sonntagvormittag, während in Schönbrunn die „Türkenbefreiungsfeier“ stattfand, in allen Wiener Gemeindebezirken 45 von 56 HIST „Festkonzerte & Sportveranstaltungen“ abgehalten, die als „Freiheitsfeiern für die Ideen der Freiheit, der Republik und des Sozialismus“ werben sollte. „Freiheitsfeiern“ Die Wiener Sozialdemokratie hielt der zentralisierten „Türkenbefreiungsfeier“ eine Vielzahl von „Freiheitsfeiern“ entgegen, die über die ganze Stadt verteilt waren. Eine der rund 50 „Freiheitsfeiern“ fand im Karl-Marx-Hof in Döbling statt. Dort bildete sich ein Demonstrationszug zwischen den beiden Innenhöfen & es traten auch Musiker, Kunstradfahrer & Jongleure auf. Zwischen den Vorführungen hielten sozialdemokratische Funktionäre Ansprachen. „Neue Menschen“ 1920 zog sich die Sozialdemokratie aus der österreichischen Bundesregierung zurück. Dadurch blieb der Partei nur die Hauptstadt, um ihre Politik umzusetzen. => Wien sollte in eine sozialdemokratische Modellregion verwandelt werden. „Austromarxismus“, schrieb Otto Bauer (wichtigster Ideengeber des Austromarxismus) in der Arbeiter-Zeitung, sei die Vereinigung von nüchterner Realpolitik & revolutionärem Enthusiasmus; sollte v.a. im sozialen Wohnbau & in einem vernetzten Fürsorgeprogramm realisiert werden. „Neue Menschen“ war nicht nur eine Parole im „Neuen Wien“ der 1920er, sondern auch der Titel eines 1924 erschienenen Buches von Max Adler (maßgeblicher Theoretiker des Austromarxismus). Fokus lag auf den Kindern & Jugendlichen als dem „Bauvolk der kommenden Welt“. Väterlich anleitend & mütterlich fürsorgend war allerdings ein Verhältnis der Parteiführung zu allen Genossen, die zur klassenlosen Gesellschaft erzogen werden sollten. Die österr. Bundespolitik wurde ab 1920 von der Christlich-sozialen Partei bestimmt, und in Wien waren die Gestaltungsmöglichkeiten auf jene Bereiche beschränkt, die gemäß der Bundesverfassung zu den Kompetenzen der Länder gehörten (z.B. Baurecht, Sozialhilfe). Neben den Massenkundgebungen wie der alljährlichen Feier zum 1. Mai, die 1933 aufgrund des Aufmarschverbotes nicht stattfinden durfte, verfügte die Sozialdemokratie über ein dichtes Netz an Kulturorganisationen. „Bildungszentrale“ war u.a. für Publikationen, Bibliotheken, Vorträge & die Arbeiterhochschule zuständig; „Kunststelle“ ermöglichte es Stadtbewohnern, mit vergünstigten Eintrittskarten die Wiener Theater zu besuchen. 1924 wurde der Arbeiterbund für Sport & Körperkultur Österreich (ASKÖ) gegründet Gemeindebauten Die „Freiheitsfeiern“ vom 14.5.1933 fügten sich nahtlos in die Festkultur des „Roten Wien“. Dass anstelle einer zentralen Massenkundgebung ca. 50 lokale Veranstaltungen abgehalten wurden, hing mit dem Aufmarschverbot zusammen. Mit den kommunalen Wohnbauten, die seit 1919 im ganzen Stadtgebiet errichtet wurden, war die geeignete Infrastruktur vorhanden, um eine dezentrale Gegenöffentlichkeit zu bilden. Das Leben im Gemeindebau war nicht kollektivistisch, sondern eher kleinbürgerlich angelegt. Die Gemeindebauten sollten die Arbeiter aus den „Mietskasernen“ aus der Monarchiezeit befreien, in denen mehrere Generationen einer Familie zusammengepfercht in überteuerten Wohnung ohne eigenen Wasseranschluss & eigene Toilette leben mussten. => Gemeindebau als Verbesserung der Lebensqualität Diese Verbesserung hatte allerdings den Preis, dass sich die Bewohner in das Für- bzw. Vorsorgesystem des „Roten Wiens“ fügen mussten. Ihre Freiheit wurde also im Sinn der sozialdemokratischen Stadtregierung organisiert. Obwohl im Gemeindebau ein kleinbürgerlicher Lebensstil herrschte, warnten die politischen Gegner, v.a. Zeitungen der Christlich-soziale Partei, immer wieder vor den „Roten Festungen“ und „Arbeiterburgen“, in denen angeblich die proletarische Revolution vorbereitet werde. Karl-Marx-Hof Der Karl-Marx-Hof wurde 1930 eröffnet & war mit fast 1.400 Wohnungen für etwa 5.000 Personen einer der größten Wiener Gemeindebauten. Seine beiden Höfe sind durch einen gut 10.000qm großen Platz verbunden & die östliche Gebäudefront ist mit sechs rot verputzten Turmbauten begrenzt. Die Architekturkritik hat darauf hingewiesen, dass die Fassadengestaltung des Karl-Marx- Hofs auf Kosten der Wohnqualität ging. Für die Maschinenästhetik der Turmbauten mussten enge, ungünstig beleuchtete & schlecht belüftete Zimmer in Kauf genommen werden. Der Leitspruch von Otto Wagner, dessen architektonische Prinzipien die Gemeindebauten nachhaltig prägten – „Artis sola domine necessitas: der Kunst einzige Herrin ist die Notwendigkeit.“ – wurde beim Bau des Karl-Max-Hofs auf widersprüchliche Art & Weise berücksichtigt. Die Grünflächen z.B. waren notwendig, die „Notwendigkeit“ des monumentalen Mitteltrakts & des repräsentativen Ehrenhofs bestand in der propagandistischen Wirkung auf die Passanten. Als Wohnraum ist dieser Gebäudeteil relativ unwichtig, als Symbol für das „Rote Wien“ erfüllt er aber bis heute seinen Zweck. Skulpturen im Ehrenhof: repräsentieren „Freiheit“, „Aufklärung“, „Körperkultur“, „Fürsorge“. Die Figuren verkörpern nicht nur das Selbstverständnis des „Roten Wiens“, sondern stehen auch für die soziale Infrastruktur des kommunalen Wohnbaus. Im Karl-Marx-Hof war eine „Beratungsstelle für Inneneinrichtung & Wohnungshygiene“ (BEST) des Österr. Verbandes für Wohnungsreform eingemietet. Die Beratungsstelle sollte die Mieter anleiten, durch „richtige“ Möblierung & Nutzung das Beste aus ihrer Gemeindewohnung oder ihrem Reihenhaus zu machen. In beiden Innenhöfen gab es einen Kindergarten (kostenpflichtig, erst für Kinder ab 4 Jahren) & eine Wäscherei, außerdem gab es eine Schulzahnklinik, eine Mutterberatungsstelle, zahlreiche Geschäftslokale & Gasthäuser, eine Gebietskrankenkasse mit Ambulatorium, eine Apotheke & eine Bibliothek. => Der Karl-Marx-Hof bot den Bewohnern eine umfangreiche soziale Infrastruktur mit einem Schwerpunkt auf Kinderbetreuungseinrichtungen. Zentralwaschküchen wie im Karl-Marx-Hof waren in allen Gemeindebauten mit mehr als 300 Wohnungen vorhanden. Unter Aufsicht eines „Waschmeisters“ konnten die Bewohner an einem Tag im Monat, teilweise maschinell unterstützt, Wäsche waschen, trocknen & bügeln. Waschküchen durften von Männern & Kindern nicht betreten waren. In den Stiegenhäusern & Innenhöfen kümmerten sich die Hausmeister um Sauberkeit & Ordnung. Außerdem bekamen die Hausfrauen einmal im Monat unangemeldet Besuch von einem „Wohnungsinspektor“, der den hygienischen Zustand der Gemeindewohnung kontrollierte. Ideales Familienbild im „Roten Wien“ Ideale Lebensform: Kleinfamilie, bestehend aus berufstätigem Mann, der sich in der Freizeit politisch & kulturell engagierte & Ehefrau, die sich um den Haushalt & um die Kinder kümmert. Hörerstreik (15) S. 167-176 RAVAG als öffentlicher Rundfunk Um das Programm der RAVAG hören zu dürfen, musste eine monatliche Gebühr von zwei Schilling bezahlt werden. Das entsprach ca. 1 % des Lohns eines Fabrikarbeiters (~ 60 Schilling/Woche). Schwarzhören wurde mit Geldstrafen oder Arrest bestraft, Abmeldungen waren frühestens nach einem Jahr möglich. o Sozialdemokratie war über Gemeinde Wien finanziell an RAVAG beteiligt Anfangs offene Detektorgeräte mit Kopfhörern, um 1930 Röhrenapparate mit Lautsprecher und Knopfbedienung o Radio entwickelte sich als Gerät von mehrteiligem offenen Apparat, für welches technisches Wissen nötig war, zu einem geschlossenen Möbelstück, dass sich mit wenigen Knöpfen bedienen ließ o lag im Interesse der Radioindustrie, aber widersprach dem Eigenverständnis der Radiobastler Politisierung der RAVAG Von 1924 bis 1932 war Radio Wien als "drahtlose Volkshochschule" konzipiert. o zur Vermeidung von Konflikten, sollte möglichst unpolitisch und neutral berichtet werden Ab 1933 setzte die österreichische Bundesregierung den Rundfunk konsequent für ihre Zwecke ein. Es gab regelmäßig Radiovorträge des Bundeskanzlers und seiner Minister, die für das autoritäre Regime warben. Außerdem wurden "vaterländische" Sendungen eingeführt und keinerlei oppositionelle Stimmen zugelassen. Protestmaßnahmen Die politische Opposition wehrte sich gegen die Instrumentalisierung der RAVAG durch die Bundesregierung: 1. Indem durch zu starkes Drehen an den Reglern des Radioapparats Rückkopplungen erzeugt wurden; -> auch im Umkreis der eigenen Wohnung wurde Signal gestört 2. „Hörerstreik“: durch kollektive Kündigungen der staatlichen Rundfunkanmeldung -> aus Protest kündigten Tausende Haushalte ihr Abonnement -> Herman Melvilles Formel: „I would prefer not to“ Hörerstreik und RAVAG-Kritik der Sozialdemokrat*innen RAVAG-Kritik der Sozialdemokratie Die Arbeiter-Zeitung berichtete am 16.5.1933 von 10.000 Kündigungen & hob außerdem hervor, dass der Motivator so unverschämt gewesen sein, Starhemberg mehrfach als „Fürst Starhemberg“ anzusprechen, obwohl in Ö seit 1919 das Adelsaufhebungsgesetz gelte Bereits im April 1933 gingen bei der RAVAG 5.000 Kündigungen ein, nachdem Emil Fey in einer Rede auf Radio Wien den Republikanischen Schutzbund, als „bolschewistisch verseuchte, schwer bewaffnete Bürgerkriegsorganisation“ bezeichnet hatte. Da die RAVAG die kollektiven Abmeldungen per Brief nicht anerkennen wollte, verbreitete die sozialdemokratische Presse Muster für Kündigungsschreiben

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