Betriebswirtschaftliches Handeln - HeinzeSkript PDF
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Bernhard Kretschmer
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This document is a business administration study material, covering topics such as business forms, economic principles, and organizational structures. It provides insights into the different legal forms of companies and the relevant aspects of business organization. The content also emphasizes the importance of economic principles in corporate decision-making.
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Betriebswirtschaftliches Handeln Geprüfter Industriemeister/geprüfte Industriemeisterin _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 1 Inhaltsverzeichnis 1. Berücksichtigung der ökonomischen Handlungsprinzipien...
Betriebswirtschaftliches Handeln Geprüfter Industriemeister/geprüfte Industriemeisterin _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 1 Inhaltsverzeichnis 1. Berücksichtigung der ökonomischen Handlungsprinzipien von Unternehmen unter Einbeziehung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge und sozialer Wirkungen 1.1 Unternehmensformen und deren Einbindung 3 in volkswirtschaftliche Zusammenhänge 1.2 Unternehmensformen 3 1.3 Hauptfunktionen in Unternehmen 16 1.4 Produktionsfaktor Arbeit 21 1.5 Bedeutung des Produktionsfaktors Betriebsmittel 31 1.6 Bedeutung der Energie und Werkstoffe als Kostenfaktor 37 2. Berücksichtigung der Grundsätze betrieblicher Aufbau- und Ablauforganisation 2.1 Grundsätzliches 40 2.2 Grundstrukturen betrieblicher Organisation 41 2.3 Bedeutung der Leitungsebenen 43 2.4 Organisationssysteme 48 2.5 Entwicklung der Aufbauorganisation 55 2.6 Aufgaben der Unternehmensplanung 61 2.7 Grundlagen der Ablaufplanung 68 2.8 Elemente des Arbeitsplans 73 2.9 Aspekte zur Gestaltung des Arbeitsvorganges 78 2.10 Aufgaben der Bedarfsplanung 80 2.11 Produktionsplanung, Auftragsdisposition und deren Instrumente 87 3. Nutzen und Möglichkeiten der Organisationsentwicklung 3.1 Grundsätzliches 113 3.2 Organisationsentwicklung in betrieblichen Abläufen 113 3.3 Organisationsentwicklung als Mittel für Veränderungsprozesse 124 _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 2 1. Berücksichtigung der ökonomischen Handlungsprinzipien von Unternehmen unter Einbeziehung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge und sozialer Wirkungen Mit der gewählten Unternehmensform, hier Rechtsform, werden die rechtlichen Beziehungen des Unternehmens sowohl nach innen als auch nach außen geregelt. In der Regel wird die Wahl der wirtschaftlich zweckmäßigsten Unternehmensform bei der Gründung eines Unternehmens getroffen und ist in den meisten Fällen langfristig angelegt. Ändern sich allerdings rechtliche, steuerrechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Faktoren, kann dies auch zu einer Änderung der Unternehmensform, Rechtsform, führen. 1.1 Unternehmensformen und deren Einbindung in volkswirtschaftliche Zusammenhänge Bei einer Rechtsform kann sowohl der betriebswirtschaftliche als auch der volkswirt- schaftlicher Aspekt betrachtet werden. In diesem Zusammenhang versteht man die Betriebswirtschaft als die mikroökonomische Betrachtungsweise mit dem Fokus auf die Einzelwirtschaftung und deren betriebliche Strategien, wobei das Ziel auf der Gewinnmaximierung liegt. Die Volkswirtschaft als makroökonomischer Aspekt hat den Bezug zum Volk, die Gesamtwirtschaft oder Nationalökonomie, mit ihren Abhängigkeiten von Einzelbetrieben und deren Güteraustausch, wobei der Fokus auf der Wohlfahrtsmaximierung liegt. 1.2 Unternehmensformen 1.2.1 Grundsätzliches Im Folgenden werden Unternehmensformen gleichbedeutend mit den Rechtsformen von Unternehmen dargestellt. Die Rechtsform eines Unternehmens kann bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. Kapitalanlagegesellschaft, frei gewählt werden. Weiterhin ist es möglich, eine einmal gewählte Rechtsform zu verändern. Je nach Rechtsform sind die Möglichkeiten zur Aufnahme neuen Eigen- oder Fremd- kapitals eingeschränkt oder auch - wie im Fall von Aktiengesellschaften, die an der Börse agieren können - erweitert. Auch die Besteuerung der an die Eigentümer ausgeschütteten und der in der Gesellschaft einbehaltenen Gewinne fällt je nach Rechtsform unter- schiedlich hoch aus. Bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen umfasst die Haftung, anders als bei Kapitalgesellschaften, neben dem Betriebsvermögen auch das gesamte Privatvermögen _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 3 der Eigentümer. Größere Kapitalgesellschaften müssen prinzipiell ihre Ertrags- und Vermögensverhältnisse wesentlich häu ger und umfassender veröffentlichen. Auch in der Rechnungslegung gelten für sie strengere Regeln als für kleinere Personengesellschaften. Demgegenüber lässt sich der Kauf oder Verkauf von Eigenkapitalanteilen bei Kapitalgesellschaften in der Regel leichter bewerkstelligen als bei Personengesellschaften. Abb.1: Systematisierung der Rechtsformen1 Die nachstehende Tabelle zeigt die Anzahl der Unternehmen, gegliedert nach Rechtsform und Umsatz, in den Zahlen von 2006. Mit rund 70 % aller Unternehmen ist die am häu gsten anzutreffende Rechtsform die der Einzelunternehmung. Andererseits führt die GmbH mit rund 35 % beim Umsatz. Auffällig ist des Weiteren, dass die AG - als Rechtsform von größeren Unternehmen - in ihrer Gesamtzahl mit 0,24 % verschwindend gering ist, wohingegen ihr Umsatzanteil bei fast 20 % liegt. 1Bundeszentrale für politische Bildung, Wirtschaft heute, Mannheim 2009, S. 59. Im Folgenden: Bundeszentrale, 2009 _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 4 fi fi Abb. 2: Anzahl der Unternehmen nach Rechtsform und Umsatz 2006 in Mrd. €2 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Wahl der Rechtsform zu den strategisch bedeutsamen, unternehmerischen Entscheidungen zählt. Sie wird gefällt bei Gründungen und Umwandlungen, wenn sich wesentliche persönliche, wirtschaftliche, rechtliche und auch steuerliche Bedingungen ändern. Ein usskriterien für die Wahl der Rechtsform können folgendermaßen dargestellt werden: ‣ Haftung, ‣ Kapitalbeschaffung, ‣ Unternehmensleitung, ‣ Publizität- und Prüfungsp ichten, ‣ Flexibilität der Änderung der Gesellschafterverhältnisse (insbesondere im Erbfall) sowie die ‣ Steuerbelastung. Auch hier soll darauf hingewiesen werden, dass infolge der bestehenden Interdependenzen diese Kriterien nicht isoliert betrachtet werden dürfen; sie müssen vielmehr im Verbund gesehen und entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet werden. Mit der Entscheidung über die Rechtsform wird die rechtliche Verfassung des Unternehmens beein usst. Die Unternehmensverfassung kann als Summe aller Regelungen verstanden werden, die durch die Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung und Kollektivverträge für die Unternehmen geschaffen wurden. 2Bundeszentrale 2009, S. 59 _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 5 fl fl fl 1.2.2 Gesellschaftsformen Unter einer Gesellschaft versteht man den vertraglichen Zusammenschluss von mehreren Personen, der eine Organisation zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes schafft (§ 5 BGB). Die Mitglieder haben die P icht, zur Verfolgung dieses Zieles beizutragen. Grundsätzlich lassen sich Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unter- scheiden. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist der Haftungsumfang gegenüber den Gläubigern. Bei Personengesellschaften ist die persönliche Haftung ein Wesensmerkmal, bei Kapitalgesellschaften haftet dagegen nur das Gesellschaftsvermögen der juristischen Person. Die Personenbezogenheit äußert sich z.B. in der Treuep icht (§ 242 BGB), beim Tod eines Gesellschafters (z.B. Au ösung der Gesellschaft) oder in der Organisation. Kapitalbezogenheit bedeutet in erster Linie, dass die Unternehmen über ein bestimmtes Kapital bei der Gründung verfügen müssen (z.B. Grundkapital bei der AG (§§ 1,6 AktG), Stammkapital bei der GmbH [(§ 5 GmbHG]). 1.2.3 Personengesellschaften 1.2.3.1 Einzelunternehmen Die von einer einzelnen natürlichen Person betriebene selbstständige Betätigung wird häu g schlicht als Einzelunternehmen bezeichnet.3 Die natürliche Person ist der alleinige Inhaber dieses rechtlich nicht verselbständigten Unternehmens und führt dessen Geschäfte. Durch die sich daraus ergebende Unabhängigkeit und die damit zusammenhängenden Gestaltungsspielräume ist diese Rechtsform in Deutschland weiterhin sehr attraktiv, auch wenn im Gegenzug gewisse Nachteile in Kauf genommen werden müssen: Auf dem Kaufmann lastet die gesamte Verantwortung des Geschäftsbetriebes, weiterhin richtet sich die Erweiterung der Kapitalbasis primär nach seinem Vermögen4. Der Hauptnachteil liegt in der haftungsrechtlichen Ausgestaltung. Der Einzelunternehmer 3Streng genommen ist ein Einzelunternehmen keine Personengesellschaft, da sie von einer einzelnen natürlichen Personen betrieben wird. 4Um möglichen Finanzierungsschwierigkeiten zu begegnen, ergibt sich jedoch für das Einzelunternehmen - so wie bei anderen Rechtsformen auch - die Möglichkeit, einen stillen Gesellschafter aufzunehmen (vgl. §§ 230ff. HGB). _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 6 fl fl fl fi haftet nämlich unbeschränkt und allein, d.h. auch mit seinem Privatvermögen, für die Verbindlichkeiten seines Unternehmens. Die Gründung eines Einzelunternehmens kann formlos erfolgen, allerdings muss in Abhängigkeit von Umfang und Art des Gewerbes eine Eintragung im Handelsregister vorgenommen werden. Prototyp des Einzelunternehmens ist der Istkaufmann, der ein Handelsgewerbe, also nach § 1 Abs. 2 HGB einen Gewerbebetrieb, führt. Ist der Einzelunternehmer Kaufmann, so führt er eine Firma. Das ist der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt, unter der er klagen und verklagt werden kann (§ 17 HGB). I.d.R. besteht die Firma aus den Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen des Kaufmanns. 1.2.3.2 Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Grundform der Personengesellschaft ist die in §§ 750ff. BGB normierte Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Zur Gründung ist der Abschluss eines BGB-Gesellschafts- vertrages unbedingte Voraussetzung. Für den Abschluss des Vertrages gelten die allgemeinen Regeln des BGB, so kann er auch stillschweigend durch schlüssiges Handeln erfolgen. GbR werden oftmals gegründet für zeitlich befristete und zweckgebundene Konsortien natürlicher oder juristischer Personen, den sog. Arbeitsgemeinschaften (ARGES), oder Konsortien, z.B. für Wertpapieremissionen. Die Gesellschaft hat keine Firma; sie wird auch nicht in das Handelsregister eingetragen und endet im Normalfall mit dem Erreichen des beabsichtigten Zwecks. Die Gesellschaftsanteile können in Geld, Sachen, Forderungen, Rechten und Dienstleistungen bestehen. Zusammen mit den Vermögensgegenständen, die durch die gesetzlich vorgesehene gemeinschaftliche Geschäftsführung erworben wurden, bildet sie das Gesellschaftsvermögen, das allerdings einer gesamthänderischen Bindung unterliegt. Über dieses Vermögen hinaus besteht noch eine „persönliche“ Haftung der Gesellschafter, wobei die „Person“ auch eine juristische Person sein kann. Die Gesellschafter sind Gesamtgläubiger der Gesellschaftsforderungen und Gesamtschuldner der Gesellschafts- schulden. Alle diese Bestimmungen sind, soweit es sich um das Verhältnis der Gesellschafter untereinander handelt (Innenverhältnis), nur dispositiv, d.h. sie können durch Gesellschaftsvertrag verändert werden. So können z.B. einzelnen Gesellschaftern Geschäftsführung und Vertretung übertragen werden. Im Außenverhältnis kann die GbR _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 7 als Gesamthandsgemeinschaft5 ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen und somit eigene Rechte und P ichten begründen. 1.2.3.3 Partnergesellschaft Angehörige der sog. freien Berufe, wie z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Ingenieure, können mit der Partnergesellschaft eine speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Rechtsform wählen. Mit dieser Gesellschaftsform wird also kein Handelsgewerbe verfolgt. Rechtlich knüpft die Partnergesellschaft weitgehend an die Regelungen zur GbR an. Die Gründung der Partnergesellschaft hat schriftlich zu erfolgen. Sie stellt, wie die anderen Personengesellschaften, eine eigene Rechtspersönlichkeit dar. Besonderheiten zeigen sich jedoch im Hinblick auf die Haftung. Nach § 8 PartGG haften neben der Partnerschaft mit ihrem Gesellschaftsvermögen zwar auch die Partner als Gesamt- schuldner. Allerdings ist für Ansprüche aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung die Haftung auf den jeweiligen Partner beschränkt. Damit wird also das Risiko der anderen Partner für Berufsfehler, an deren Entstehung sie nicht beteiligt waren, begrenzt, was einen großen Vorteil gegenüber der GbR, gerade für die freien Berufsgruppen, darstellt. 1.2.3.4 Offene Handelsgesellschaft Die offene Handelsgesellschaft (OHG) (§§ 105ff. HGB) ist die vertragliche Vereinigung von zwei oder mehreren Personen zum Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma mit unbeschränkter Haftung aller Gesellschafter (§ 105 Abs. 1 HGB). Die Firma muss im Handelsregister angemeldet werden. Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind gesetzlich alle Gesellschafter berechtigt und verp ichtet. Allerdings kann im Gesellschaftsvertrag die Führung, z.B. auf ein bestimmtes Aufgabengebiet, beschränkt oder sogar aufgehoben werden. Über das Recht einer gemeinschaftlichen Geschäftsführung hinaus werden die Gesellschafter zur Leistung von Beiträgen verp ichtet. Des Weiteren haben die 5 Die Gesamthandsgemeinschaft ist eine Gemeinschaft von Personen, denen ein bestimmtes Vermögen gemeinschaftlich zusteht. Jede Person hat einen ideellen Anteil am Gesamthandsvermögen, nicht dagegen an den einzelnen zum Vermögen gehörenden Gegenständen und Forderungen. Diese stehen den Personen vielmehr gemeinschaftlich zu, aber in gesamthänderischer Gebundenheit. Im Gegensatz zur Bruchteilsgemeinschaft ist also jeder Gesamthänder Eigentümer der ganzen Sache und Inhaber der gesamten Forderung ("Jedem gehört alles"). Das Gesamthandsvermögen ist rechtlich selbstständig und losgelöst vom sonstigen Privatvermögen der Gesamthänder. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 8 fl fl fl Gesellschafter eine (nicht allgemein gesetzlich geregelte) Treuep icht: sie unterliegen insbesondere nach § 112 HGB einem Wettbewerbsverbot. Die Gesellschafter haben ein Kontroll- und Stimmrecht. Die Beschlüsse müssen alle einstimmig gefasst werden, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht. Nach § 121 HGB werden die Gesellschafter am Gewinn beteiligt und haben auch nach § 142 HGB ein Entnahmerecht. Die Verteilung des Verlustes ist einfach geregelt: sie erfolgt nach Köpfen, so dass jeder Gesellschafter einen gleich hohen Verlustbetrag zu tragen hat - unabhängig von seinem Kapitalanteil. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass alle diese Regelungen dispositiv sind, d.h. der Gesellschaftsvertrag kann die Gewinn- und Verlustverteilung und das Entnahmerecht auch anders regeln, als das Gesetz es vorsieht. Geschäftsführung und Vertretung sind nicht miteinander gekoppelt. Daraus folgt, dass die Beschränkungen der Vertretungsmacht eines vertretungsberechtigten Gesellschafters im Innenverhältnis möglich, im Außenverhältnis, also Dritten gegenüber, aber nach § 126 Abs. 2 HGB unwirksam sind. 1.2.3.5 Kommanditgesellschaft Die Kommanditgesellschaft (KG) (§§ 161 ff. HGB) ist eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist. Wir unterscheiden die Gesellschafter in Kommanditisten, deren Haftung auf die Einlage beschränkt ist, und in persönlich haftende Gesellschafter, also die Komplementäre, deren Haftung unbeschränkt zu erfolgen hat (§ 161 Abs. 1 HGB). Allerdings beteiligen sich die Kommanditisten auch nur entsprechend ihrer Einlage an Gewinn und Verlust und sind von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Für die Komplementäre gelten die Vorschriften für die OHG. 1.2.4 Kapitalgesellschaften 1.2.4.1 Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft (AG) ist eine Handelsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (und daher eine juristische Person, §1 AktG). Ihre Gesellschafter sind an ihr mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Das Grundkapital (= gezeichnetes Kapital) muss zu Beginn - unabhängig davon, ob eine Bar- oder Sachgründung vorliegt - mindestens 50.000 € betragen (§§ 6,7 AktG). Aktiengesellschaften entstehen meist nicht durch Neugründung, sondern durch Umwandlung eines bereits bestehenden Unternehmens nach §§ 190ff. UmwG. Ansonsten vollzieht sich die Gründung nach § 23ff. AktG, ähnlich wie bei der GmbH. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 9 fl Die AG ist im Grundsatz ähnlich strukturiert wie die GmbH. Hier ist allerdings manches durch Gesetz - nämlich das Aktiengesetz - vorgeschrieben, was bei der GmbH im Gesellschaftsvertrag frei gestaltet werden kann. Auch hat sie andere Organe als die GmbH, nämlich anstelle des Geschäftsführers einen Vorstand und zusätzlich in jedem Fall einen Aufsichtsrat. Wirtschaftlich ist die Aktiengesellschaft von großer Bedeutung. Wegen des im Vergleich zur GmbH doppelt so hohen Mindestkapitals von 50.000 € und der strengeren AG- Gesetzesvorschriften bietet sich die AG allerdings für Klein- und Familienunternehmen weniger an. Die AG hat drei Organe, den Vorstand, der das Unternehmen leitet, den Aufsichtsrat, der den Vorstand bestellt und überwacht sowie die Hauptversammlung, in der die grundlegenden Entscheidungen für die Gesellschaft gefällt werden. So können u.a. die Aufsichtsratsmitglieder der Kapitalseite durch die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit bestellt bzw. mit Dreiviertelmehrheit abberufen werden. Außerdem wählt die Hauptversammlung den Abschlussprüfer, beschließt über die Verwendung des festgestellten Gewinns und die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Abb. 3: Organe der Aktiengesellschaft Trotz der vergleichsweise einfachen Möglichkeit der Kapitalbeschaffung über die Börse ist die AG unter den Rechtsformen in Deutschland immer noch unterrepräsentiert. Als Grund wird von Unternehmensseite häu g der durch das Aktiengesetz festgelegte hohe Gründungsaufwand angeführt6. Zudem werden die weitreichenden Mitbestimmungs- rechte der Arbeitnehmerseite häu g als Nachteil einer AG empfunden. 6 Hinzuweisen ist noch auf das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und die damit einhergehende Deregulierung des Aktiengesellschaftsrechts. Hiermit wurde die Gründung einer sog. Ein-Mann-AG möglich. Auf die Besonderheiten dieser kleinen AG kann hier aber nicht näher eingegangen werden. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 10 fi fi 1.2.4.2 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist eine juristische Person, deren Gesellschafter am Stammkapital von mindestens 25.000 € beteiligt sind (§§ 5, 13 GmbHG). Die GmbH verfügt über drei Organe: die Geschäftsführung, die von einem oder mehreren Geschäftsführern ausgeübt werden kann, einen Aufsichtsrat, der nach Mitbestimmungsgesetzen ab einer bestimmten Größe und bei bestimmter Branchenzugehörigkeit rechtlich vorgeschrieben ist, und als drittes Organ die Gesellschafterversammlung, die, ähnlich wie die Hauptversammlung einer AG, das beschließende Organ der GmbH darstellt. Durch das Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern können diese die Geschicke der GmbH weitestgehend steuern. So können die Gesellschafter festlegen, für welche Arten von Tätigkeiten die Zustimmung der Gesellschafter- versammlung eingeholt werden muss. Somit sind sie in der Lage, den Handlungs- spielraum der Geschäftsführer genau abzustecken. Da in der Praxis die Gesellschafter jedoch zumeist auch in der Geschäftsführung tätig sind, wird hiervon oft nur im beschränkten Rahmen Gebrauch gemacht. Deshalb führt ein solches Vorgehen in aller Regel nicht zu übermäßigen Kon ikten. Im Gegensatz zur AG wurde die Rechtsform der GmbH wegen des niedrigen Kapitalbedarfs bei der Gründung und der wesentlich geringeren Gründungskosten, aber auch wegen der beschränkten Haftung, sehr häu g gewählt. Die Möglichkeit der Kapitalbeschaffung durch Aufnahme neuer Gesellschafter bleibt im Vergleich zur AG eher eingeschränkt. Auf der Grundlage der bereits erwähnten Gesetze haben sich in der Praxis einige Mischformen entwickelt. Hierzu zählt insbesondere die GmbH & Co. KG: Bei dieser Form übernimmt eine juristische Person (GmbH) die Funktion des Komplementärs der KG. Die Gesellschafter der GmbH können dabei auch gleichzeitig Kommanditisten der KG sein. Im Ergebnis ist bei dieser Rechtsform die Haftung aller natürlichen Personen ausgeschlossen. Gleichzeitig muss aber nicht auf den Charakter einer Personengesellschaft - mit dem Vorteil einer größeren unternehmerischen Entscheidungsfreiheit - verzichtet werden. Die GmbH & Co. KG ermöglicht somit auch eine einfache Begründung einer Konzerngruppe. Dabei fungiert die Komplementär- GmbH als Holdinggesellschaft, während für jeden Geschäftsbereich eine eigene KG mit dieser Gesellschaft gegründet wird. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 11 fl fi Gegenüberstellung von Personen- und Kapitalgesellschaften Auf der folgenden Seite ndet sich eine Übersicht der Rechtsformen von Unternehmen. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 12 fi _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 13 1.1.2 Konzentrationsformen der Wirtschaft Da die an Unternehmen gestellten Aufgaben in zunehmendem Maße komplexer werden und insofern nicht mehr von Einzelunternehmen allein zu erreichen sind, geht man in vielen Branchen in zunehmendem Maße den Weg der Kooperation oder Konzentration. Eine Kooperation liegt dann vor, wenn wirtschaftlich selbstständige und weitgehend selbstständig bleibende Unternehmen sich durch Verträge zur Zusammenarbeit ver- p ichten (Kartellabsprachen über einheitliche Lieferung- und Zahlungsbedingungen, Interessengemeinschaften zur gemeinsamen Grundlagenforschung; Spediteure verein- baren beispielsweise zur Vermeidung von Leerfahrten eine engere Zusammenarbeit). Von einer Konzentration spricht man, wenn die wirtschaftliche Selbstständigkeit der beteiligten Unternehmen aufgegeben wird und die Betriebe einer umfassenden zentralen Leitung unterstellt werden. Folgende Ziele können zu einer Kooperation bzw. Konzentration führen: ‣ Sicherung der Beschaffungs- und Absatzbasis (Beispielsweise vereinbaren eine Zellulosefabrik, Papierfabrik, Druckerei und ein Zeitungsverlag gegenseitige Beteiligungen.) ‣ Steigerung des Absatzes durch gemeinschaftliche Werbung (Reiseunternehmen und Hersteller von Freizeitkleidung werben gemeinsam.) ‣ Höhere Erträge durch Beschränkung bzw. Ausschaltung des Wettbewerbs (Konkurrierende Unternehmen treffen Preisabsprachen.) ‣ Sicherung der Beschäftigung durch Übernahme von Aufträgen, die das Leistungs- vermögen und die Finanzkraft einer einzelnen Unternehmung übersteigen würden (Mehrere Bauunternehmen schließen sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen.) ‣ Höherer technischer und wirtschaftlicher Wirkungsgrad durch gemeinsame Entwicklungs- und Forschungsarbeit (Gründung einer gemeinsamen Forschungs- GmbH mit Kapitalbeteiligung mehrerer Unternehmungen) ‣ Größere Produktivität und Wirtschaftlichkeit durch gemeinsame Rationalisierung der Fertigungsverfahren, der Fertigungsgegenstände und der Sortiments- gestaltung (Absprachen über gemeinsame Normen und Typen; Zusammen- fassung, Ergänzung oder Aufteilung der Produktionsprogramme) _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 14 fl ‣ Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber ausländischen Großunternehmen (Zusammenschluss inländischer Automobilunternehmen zum gemeinsamen Vertrieb ihrer Erzeugnisse auf Auslandsmärkten) Folgende Unternehmenszusammenschlüsse können unterschieden werden: ‣ Horizontale Zusammenschlüsse (gleiche Produktion- oder Handelsstufen), Ziel ist hierbei die Schaffung einer starker Marktposition. ‣ Vertikale Zusammenstöße (aufeinanderfolgende Produktion- und Handelsstufen); Beschaffung und Absatz sollen dadurch gesichert werden. ‣ Anorganische (branchenfremde) Zusammenschlüsse; sie dienen dem Ausgleich eines branchenspezi schen Risikos. Es gibt noch folgende Konzentrationsformen: ‣ Kartell In einem Kartell schließen sich Unternehmen vertraglich horizontal zusammen, bleiben rechtlich selbstständig, geben aber einen Teil ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit auf. Das Ziel von Kartellen besteht in der Marktbeherrschung. In der Bundesrepublik, dem deutschen Kartellrecht folgend, ist die Bildung von Kartellen grundsätzlich verboten. Allerdings gibt es Ausnahmen wie z.B. meldep ichtige und genehmigungsp ichtige Kartelle. Der Bundeswirtschafts- minister kann allerdings auch verbotene Kartelle unter bestimmten Voraussetzungen genehmigen. ‣ Interessengemeinschaft (IG) Die Interessengemeinschaft ist ein horizontaler oder vertikaler Zusammenschluss von Unternehmen, die rechtlich selbstständig bleiben, ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit aber aufgeben. ‣ Konsortium Unternehmen schließen sich horizontal zu einem Konsortium zusammen, um meist zeitlich begrenzte, bestimmte Aufgaben durchzuführen. (Bankenkonsortium zur Emission von Wertpapieren) ‣ Verbundene Unternehmen Hier geht es z.B. um Konzerne, gleichbedeutend mit einem Zusammenschluss von Unternehmungen, die rechtlich selbstständig bleiben, jedoch einer Leitung unterstehen. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 15 fl fi fl ‣ Vereinigte Unternehmen Darunter versteht man z.B. den Trust, Zusammenschluss von Unternehmen, die ihre rechtliche und wirtschaftliche Stellung aufgeben, da sie auch nur einer Leitung unterstehen. 1.1.3 Internationalisierung und Globalisierung Durch die Bildung und den Ausbau der Europäischen Union und der damit verbundenen Vereinheitlichung in vielen wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftspolitischen Bereichen lassen sich die Begriffe „Internationalisierung“ und „Globalisierung“ immer stärker in das Bewusstsein der Menschen rücken. Um konkurrenzfähig bleiben zu können, muss fast jedes größere Unternehmen sich bemühen, weltweit zu operieren. Hierbei ist nicht zu vergessen, dass die Zerti zierung oftmals unerlässlich ist, wenn internationale Angebote abgegeben werden sollen. Multinationale Konzerne müssen sich mit der Internationalisierung bzw. Globalisierung stark beschäftigen. So werden meist dann ausländische Tochtergesellschaften gegründet, wenn die Exportaktivitäten gesteigert oder eigene Produktionsstätten im Ausland errichtet werden sollen. Die Präsenz in Europa, Nordamerika und Asien, also die Globalisierung der Unter- nehmensaktivitäten, stellt die Unternehmen vor zusätzliche Anforderungen. So ist eine organisatorische Gestaltung, die Unternehmensmitglieder aus verschiedenen Kultur- systemen eingliedern sollen, ohne ein fundierteres Verständnis von anderen Kultur- und Wertehintergrund nicht erfolgreich. Diese Erkenntnis führt zu der Notwendigkeit einer multikulturellen Unternehmensführung. 1.3 Hauptfunktionen in Unternehmen 1.3.1 Funktionen Leitung Die Hauptaufgabe der Geschäftsleitung besteht in der Leitung des Unternehmens. Die Aufgaben können in Anordnungs-, Entscheidungs- und Kontrollbefugnis untergliedert werden und haben den Charakter einer Führungsfunktion. Des Weiteren hat die Geschäftsleitung die strategische Planung vorzunehmen und gibt somit die Gesamt- planung des Unternehmens vor. Darüber hinaus wird durch sie die Unternehmens- struktur festgelegt. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 16 fi Zu weiteren Aufgaben der Geschäftsleitung zählen: ‣ Festlegung der Unternehmensziele und der Unternehmenspolitik, ‣ Koordinierung der großen betrieblichen Teilbereiche, ‣ Beseitigung außergewöhnlicher Unstimmigkeiten im laufenden Betriebsprozess, ‣ besondere Maßnahmen von großer Bedeutung (z.B. Beteiligungen an Unter- nehmen oder auch Stilllegung von Betriebsteilen) und ‣ Besetzung der obersten Führungsstellen Entwicklung, Konstruktion und Planung Die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung beein ussen stark die Innovationskraft eines Unternehmens. So stellt die Produktentwicklung einen wesentlichen Anteil dieser Aufgaben dar. Das gilt gleichermaßen für die technische als auch für die gestalterische Produktentwicklung. Der Ablauf der „technischen Produktentwicklung“ bis zur Erzeugnisreife: _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 17 fl Fertigung Die Aufgabe der Fertigung besteht in der Leistungserstellung von Produkten oder auch Dienstleistungen. Durch die Kombinationen der drei Produktionsfaktoren (Mensch, Betriebsmittel und Material) werden aus bearbeiteten Rohmaterialien Halbfabrikate und schließlich Produkte gefertigt. Insofern spricht man auch von Produktion. Der Begriff Fertigung kann gegliedert werden in Fertigung (Herstellung von Halbfabrikaten aus Rohmaterialien) und in Montage (Herstellung von Fertigfabrikaten = Erzeugnisse). Lagerung Lager dienen zur Aufbewahrung von Roh,- Hilfs- und Betriebsstoffen und Halb- und Fertigfabrikaten. Es hat hauptsächlich eine Pufferfunktion: ‣ das Rohmateriallager als Puffer zwischen Lieferant und Fertigung, ‣ das Halbfabrikatelager als Puffer zwischen Fertigung und Montage, ‣ das Fertigfabrikatelager als Puffer zwischen Montage und Versand. Häu g ist es auch so, dass beschaffte Materialien nicht sofort verarbeitet werden können, sondern sie müssen erst gelagert werden. Ebenso ist es denkbar, dass eine Lieferung nicht immer „just in time“ erfolgt. Zielsetzung der Lagerhaltung: ‣ Gewährleistung einer hohen Lieferbereitschaft, ‣ Minimierung der Kapitalbindung, ‣ Minimierung der Lagerkosten (Lagerhaltungskosten, Kapitalbindungskosten), ‣ geringe Transportzeiten und -kosten, ‣ niedrige Fehlmengenkosten und ‣ geringe Stillstandzeiten im Material- und Waren uss. Absatz (Marketing) Der Absatz umfasst alle Tätigkeiten, Maßnahmen und Einrichtungen, die den Verkauf der betrieblichen Leistungen betreffen. Der Absatz ist somit die letzte Phase des betrieblichen Leistungsprozesses und beschließt damit den Wertekreislauf. Werden die erstellten Leistungen nicht verkauft, so hat das Unternehmen lediglich Kosten produziert. Oder anders formuliert: Ohne Absatz kann ein Unternehmen nicht überleben! In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass auf den pünktlichen Eingang der Zahlungen zu achten ist. Für Unternehmen gilt, dass die Außenstände _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 18 fi fl (Forderungen) nicht zu hoch sein dürfen, da dann die eigene Liquidität stark eingeschränkt wird. Durch den Wandel der Märkte von Verkäufer- zu Käufermärkten steht heute die Funktion Absatz im Vordergrund des unternehmerischen Handelns. Insofern hat sich der Begriff Absatz zum Begriff Marketing gewandelt. Damit wird auch das Konzept deutlich: Unternehmen erkunden den Markt, beschreiben die entsprechende Zielgruppe, erkennen frühzeitig auftauchende Bedürfnisse und beantworten diese mit einem entsprechenden Produkt/Dienstleistung. Neben der Aufgabe der Markterschließung müssen sich die Unternehmen ständig um eine Marktausweitung bemühen. Die Summe der absatzpolitischen Maßnahmen kann also als bewusste schöpferische Marktgestaltung bezeichnet werden, als Marketing. Mit dem Begriff ´marketingpolitische Instrumente` oder auch Marketing Mix werden diejenigen Instrumente bezeichnet, die dazu dienen, dass das Unternehmen aktiv Ein uss auf den Absatzmarkt nehmen kann. Die marketingpolitischen Instrumente können schematisch folgendermaßen dargestellt werden: Marketingpolitische Instrumente Produkt Kontrahierung Distributions Kommunikation - s- - s- product price place promotion Zur Gewinnung von Informationen setzt man die Marktforschung (zeitpunktbezogen) und die Marktbeobachtung (zeitraumbezogen) ein. In diesem Zusammenhang ist die Produktpolitik besonders hervorzuheben. Denn das Produkt wird als eine Sache oder Dienstleistung angesehen, die auf einem Markt angeboten wird, i.d.R. mit einem Preis besetzt ist und ein Bedürfnis der Nachfrage befriedigen soll. Diese De nition ermöglicht zudem die weitergehende Sicht auf den Kern eines jeden Produktes: Das Produkt soll ein Problem lösen bzw. ein Bedürfnis befriedigen. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 19 fi fl Ohne die Entwicklung und Einführung neuer Produkte wird der Erfolg eines Unternehmens langfristig nicht möglich sein. Insofern kann die Produktpolitik mit Recht als der Kern des Marketings bezeichnet werden. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die marketingpolitischen Instrumente harmonisch aufeinander abgestimmt eingesetzt werden müssen. Ein Instrument allein bewirkt keinen Erfolg. So ist es sinnlos, ein neues Produkt zu entwickeln, zur Marktreife zu führen und dann darauf zu hoffen, dass der Markt es aufnimmt, ohne dass entsprechende Informationen in den Markt gegeben werden. Verwaltung Ziel der Verwaltung ist es, die Funktionsfähigkeit des Betriebes zu sichern. Dazu gehören z.B. die rechnerische Erfassung des Betriebsgeschehens (Rechnungswesen), die Dokumen- tation und Verwahrung des Schriftguts, das gesamte Personalwesen mit der Personal- organisation. Im weiteren Sinne kann auch die technische Instandhaltung der Gebäude dazu gezählt werden. Beschaffung Die Aufgabe der Beschaffung ist es, diejenigen Mittel zu beschaffen, die zur Zielerfüllung des Betriebes benötigt werden. Es werden also Arbeitskräfte (Personalabteilung), Betriebsmittel und Materialien (Einkauf), Kapital (Finanzabteilung) und Informationen beschafft. In den letzten Jahren hat sich die Beschaffung des Produktionsfaktors Rohstoffe dahingehend verändert, dass in zunehmendem Maße nicht mehr nur das Material sondern ganze Komponenten beschafft werden. Dieser Trend erklärt sich aus der Notwendigkeit, dass Unternehmen sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren müssen, so dass andere Kompetenzen hinzugekauft werden. Die Aufgaben des Einkaufs haben sich also gewandelt, denn sie sind vielfältiger und komplexer geworden. Finanzierung Die Finanzierung dient der Kapitalbeschaffung und ist Voraussetzung für die Beschaffung von Betriebsmitteln und Werkstoffen. Des Weiteren verursachen Beschaffung, Lagerung, Fertigung, Absatz, Personal Kosten und müssen ggf. in einem gewissen Umfang vor- nanziert werden. Nach dem Kriterium der Kapitalherkunft unterscheidet man zwischen Innen- und Außen nanzierung. Die Außen nanzierung ermöglicht dem Unternehmen, von außen nanzielle Mittel, z.B. durch Einlagen der Eigentümer oder durch Kredite (Fremdkapital), zu erhalten. Der betriebliche Umsatzprozess (durch den Verkauf der Betriebsleistungen) _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 20 fi fi fi fi führt zur Innen nanzierung. Dazu kommen auch noch Mittel aus Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens, nicht entnommener Gewinne und Rücklagen. 1.3.2 Wechselwirkungen Die nachstehende Abbildung zeigt das Modell eines Unternehmens mit seinen einzelnen Funktionen und den wechselseitigen Beziehungen: 1.4 Produktionsfaktor Arbeit In betriebswirtschaftlichem Sinn wird die menschliche Arbeitskraft als Produktionsfaktor Arbeit verstanden. Trotz der fortschreitenden Industrialisierung, verbunden mit weit- gehender Automatisierung und dem Einsatz von Robotertechnologie, kann auf den Produktionsfaktor Arbeit nicht verzichtet werden. Allerdings führt diese Entwicklung auch zu Rationalisierungseffekten, die dann den Verzicht auf die menschliche Arbeitskraft nach sich zieht. Allerdings bleibt der Mensch immer ein wichtiger Produktionsfaktor, wenn es um geistige Arbeit geht. Des Weiteren ist Handarbeit auch anderweitig in vielen Bereichen nicht wegzudenken bzw. durch Maschinen nicht wirtschaftlich zu ersetzen; ein Beispiel hierfür bildet das Handwerk. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 21 fi Es können drei Arten von Arbeit unterschieden werden: 1. körperliche Arbeit (statisch oder dynamisch), 2. geistige Arbeit und 3. mentale Arbeit (= geistige Arbeit mit zusätzlich hoher Verantwortung und/oder hoher Konzentration). 1.4.1 Formen menschlicher Arbeit Die Produktionsfaktoren können folgendermaßen dargestellt werden: Die elementaren Faktoren sind objektbezogen, da sie eine direkte Beziehung zum Produktionsobjekt haben. Der Produktionsfaktor „menschlicheArbeit“ umfasst einerseits den Einsatz der physischen (körperlichen) und andererseits der psychischen (geistig- schöpferischen) Fähigkeiten eines Menschen, die zum Erreichen des betrieblichen Ziels genutzt werden. Die körperliche Arbeit zählt zu den ausführenden Tätigkeiten. Geistige Arbeit, die Planung, Organisation und Kontrolle beinhaltet, wird als dispositive Arbeit aufgefasst und überwiegend von Mitarbeitern in Leitungsfunktionen ausgeübt. Eine eindeutige Trennung zwischen beiden Arten der Arbeit ist nicht möglich. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass darüber hinaus noch zwischen selbständiger und unselbstständiger Arbeit unterschieden werden kann. 1.4.2 Bedingungen der menschlichen Arbeitsleistung und deren Ein ussfaktoren Die Anforderungen an Menschen steigen immer stärker und unterliegen zudem einem ständigen Wandel. Im Übrigen verändern sich die eingesetzten Arbeitsverfahren, Arbeits- _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 22 fl methoden und Arbeitsbedingungen durch die wirtschaftliche und technische Entwick- lung, Rationalisierung, fortschreitende Mechanisierung und Automatisierung. Bei den heutigen mechanisierten Arbeitssystemen, insbesondere bei computergestützten Fertigungssystemen, sind nicht nur die Arbeitsverfahren und -methoden festgelegt, sondern auch die zur Steuerung des Ablaufes erforderlichen Informationen in der Anlage gespeichert. Insofern beschränkt sich die Aufgabe des Mitarbeiters im Wesentlichen auf überwachende Tätigkeiten und gelegentliches Eingreifen, wenn Unregelmäßigkeiten auftreten. Konsequenterweise ergeben sich daraus meist Arbeitsinhalte mit geringer körperlicher Belastung, auf der anderen Seite aber mit erheblicher nervlicher Anspannung. Neue Formen der Arbeitsorganisation, vor allem die, die menschengerechtere Arbeits- bedingungen und eine bessere Arbeitsstrukturierung gestalten wollen, sollen dazu führen, den Arbeitsinhalt mit den Fähigkeiten und Bedürfnissen des arbeitenden Menschen in Einklang zu bringen. Arbeitsinhalt, Arbeitstechniken und Arbeitsorganisation haben großen Ein uss auf die Anforderungen an die arbeitenden Menschen. Die Leistungsanforderungen können für den arbeitenden Menschen nur durch ein entsprechendes Leistungsangebot gedeckt werden, wobei das Leistungsangebot durch die Ein ussfaktoren Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft bestimmt werden. Das Leistungsangebot und die Ein ussfaktoren des Menschen: Zudem ist das Leistungsangebot des Menschen von der Tageszeit abhängig. Es verändert sich mit der Tageszeit, da es von Ermüdung und von Übung beein usst wird. Die nach- stehende Abbildung zeigt eine normale biologische Tagesrhythmuskurve: _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 23 fl fl fl fl Die folgende Abbildung zeigt die Lern- bzw. Übungskurve bei der Einarbeitung in Ablaufprozesse: Nicht zu vergessen ist, dass das Leistungsangebot des Menschen auch vom Geschlecht und vom Alter abhängig ist. Auf der nachfolgenden Übersicht wird die altersabhängige Veränderung von menschlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen gezeigt, siehe nächste Seite. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 24 Die körperliche Leistungsfähigkeit, wie z.B. die Muskelkraft, erreicht ihr Maximum mit etwa dem 25. Lebensjahr und nimmt dann stetig ab. Einen ähnlichen Verlauf zeigt auch die Lern- und Merkfähigkeit. Weitere Faktoren, die die menschliche Arbeitsleistung beein ussen: Eignung des Mitarbeiters Die Leistungserstellung muss in einem möglichst reibungslosen Ablauf erfolgen. Aus diesem Grund sind die jeweiligen Stellen mit den bestmöglich geeigneten Mitarbeitern zu besetzen. Insofern ist bei der Personalauswahl darauf zu achten, dass das Anforderungs- pro l der Stelle mit der Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters übereinstimmt. Äußere Arbeitsbedingungen Mit den äußeren Arbeitsbedingungen werden zunächst einmal der Arbeitsplatz des Mitarbeiters in Abhängigkeit seiner jeweiligen Aufgabe beschrieben. Des Weiteren gehören dazu alle Hilfsmittel, die eine optimale Gestaltung der Arbeitsbedingungen erlauben. Nicht zu vergessen sind dabei das persönliche Verhältnis von Vorgesetzten und _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 25 fi fl Mitarbeitern, die Abgrenzung des eigenen Verantwortungsbereiches und die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Zudem beein ussen die physikalischen Umgebungsein üsse wie Lärm, Klima usw. die Leistungsfähigkeit. Entlohnung und freiwillige betriebliche Sozialleistungen Der Mitarbeiter muss davon überzeugt sein, dass er seiner Leistung entsprechend bezahlt wird. Die freiwillig gewährten betrieblichen Sozialleistungen haben den Zweck, den Mitarbeitern das Gefühl zu geben, dass das Unternehmen über die gesetzlichen Vorschriften hinaus seiner Fürsorgep icht nachkommt, indem es z.B. Einrichtungen zur Weiterbildung und zur Freizeitgestaltung oder freiwillige Leistungen zur wirtschaftlichen Absicherung des Mitarbeiters gewährt. Mitbestimmung Das zentrale Organ der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in einem Unternehmen ist der Betriebsrat. Er hat u.a. die Aufgabe, sich den Anliegen der Arbeitnehmer anzunehmen und mit der Unternehmensleitung über Probleme bei den Arbeitsbedingungen oder mit den Vorgesetzten Lösungen zu besprechen und sie konstruktiv im gegenseitigen Einver- nehmen zu lösen. Die Folge ist, dass der Mitarbeiter sich weitgehend an dem Betriebs- geschehen beteiligt fühlt, seine Arbeitszufriedenheit steigt. Im Übrigen hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei Fragen der Personalauswahl, Umgruppierung, Versetzung oder Kündigung. 1.4.3 Arbeitssystem in Bezug auf die menschliche Arbeit Die gegenseitigen Abhängigkeiten und Zusammenhänge bei der Erfüllung von Arbeits- aufgaben sind in einem modernen Industriebetrieb oftmals so komplex, das es schwer ist, sie vollständig zu erfassen und zu überblicken. Daher ist es zweckmäßig, komplizierte Sachverhalte mit der Systemtheorie darzustellen, indem man sich vereinfachender Modelle bedient. Als System können in der betrieblichen Praxis die unterschiedlichsten Einheiten bzw. Zusammenhänge verstanden werden, wie z.B. eine technische Anlage, ein einzelner Arbeitsplatz, eine Abteilung, ein umfangreicher Aufgabenkomplex. Zur Verdeutlichung sei eine allgemein anwendbare De nition (angelehnt an DIN 19 226) angeführt: Ein System ist die Gesamtheit von Elementen, deren Beziehungen einem bestimmten Zweck dienen. Es können drei Arten von Systemen unterschieden werden: 1. technische Systeme (Maschinen-Systeme) 2. soziale Systeme (Menschen-Systeme) 3. soziotechnische Systeme (Mensch-Maschine-Systeme) _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 26 fi fl fl fl Die Arbeitsorganisationslehre befasst sich fast ausschließlich mit den soziotechnischen Systemen in einem Unternehmen. Diese Systeme sollen der Erfüllung von Arbeits- aufgaben dienen, wobei Mensch und Betriebsmittel mit dem Arbeitsgegenstand (Eingabe) unter unterschiedlichen Umweltein üssen zusammenarbeiten. Wenn komplizierte Arbeitsprozesse mithilfe von Arbeitssystemen modellhaft dargestellt werden, spricht man von einem Arbeitsprozessmodell, siehe folgende Abbildung: Es können 7 Elemente eines Systems unterschieden werden: 1. Die Arbeitsaufgabe, die den Zweck des Arbeitssystems kennzeichnet und das Arbeitssystem eindeutig bestimmt. 2. Die Eingabe (Input), die aus den Arbeitsgegenständen besteht. Hier wird festgelegt, in welcher Form oder in welchen Zustand diese Arbeitsgegenstände verändert oder verwendet werden sollen. Zur Eingabe zählen Arbeitsgegenstände, Informationen, Energie und Menschen. Mensch und Betriebsmittel werden als die Kapazitäten des Arbeitssystems verstanden; sie sollen im Zusammenwirken mit der Organisation die Eingabe (Arbeitsgegenstand) gemäß der Arbeitsaufgabe entsprechend verändern. 3. Der Mensch als das wichtigste „aktive“ Element des Systems, weil nur der Mensch die anderen Elemente beein ussen kann. 4. Das Betriebsmittel, das als Maschinen, Messe- und Prüfmittel, Fördermittel und sonstige Organisationsmittel verstanden wird. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 27 fl fl 5. Der Arbeitsablauf als die räumliche und zeitliche Ausgestaltung des Zusammenwirkens von Mensch, Betriebsmittel und Arbeitsgegenstand. Der Arbeitsablauf kann je nach Zweck und Organisationsform unterschiedlich fein untergliedert sein. In der gröbsten Form ist der Arbeitsablauf praktisch identisch mit der Beschreibung der Arbeitsaufgabe. 6. Die Umfeldein üsse, die als Störfaktoren auf das Arbeitssystem in physikalischer, organisatorischer oder sozialer Form einwirken. Sie können auch vom Arbeitssystem selbst erzeugt werden. Physikalische Umweltein üsse werden auch als Umgebungsein üsse bezeichnet. Hierzu gehören Klima, Lärm und Licht. Die organisatorischen Ein üsse umfassen u.a. die Frage der Materialbereitstellung oder der Pausenregelung; die sozialen Ein üsse werden bestimmt z.B. durch das Betriebsklima oder Entlohnungsgrundsätze (Leistungslohn, Zeitlohn). 7. Die Ausgabe (Output), die aus den veränderten Arbeitsgegenständen besteht. Beispiel einer Arbeitssystembeschreibung: Das Arbeitssystem „Scannerkassen-Arbeitsplatz“ mit der notwendigen Grundausstattung und der Arbeitsaufgabe „Waren erfassen und Kasse bedienen“ ist anhand der sieben Systembegriffe durch Zuordnung eines selbst gewählten notwendigen Textes zu beschreiben. 1. Arbeitsaufgabe: Waren mit Scanner erfassen und Kasse bedienen 2. Arbeitsablauf: Waren greifen und scannen. Artikel auf Band ablegen. Band für Weitertransport betätigen. Kassenbanderole wechseln. Geld empfangen und Wechselgeld herausgeben. Kreditkarten verrechnen. Kassenbeleg an Kunden aushändigen. Zählen und Kasse abrechnen. Kasse übergeben. 3. Eingabe: Ware, Kunde, Geld, Kredit, Kassenbanderole, Rückwaren, Strom, Auftrag der Einsatzzeit, Hinweise auf Sonderangebote. 4. Ausgabe: erfasste Ware, Kunde, Wechselgeld, Kreditkarte, Kassenbeleg, Rückwaren, Hinweise auf Sonderangebote. 5. Mensch: Frau S. Schmidt, 35 Jahre, Personal-Nummer 4711, Kassiererin. 6. Betriebsmittel: Band, Registrierkasse, Tisch, Stuhl. 7. Umgebungsein uss: evtl. Zugluft, Beleuchtung, Lärm, Stress, Gerüche, klimatische Ein üsse. 1.4.4 Beurteilungsmerkmale des menschlichen Leistungsgrades Da Menschen unterschiedliche Leistungen erbringen, ist die Zeit für das Ausführen bestimmter Arbeitsaufgaben von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ein Mensch wird _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 28 fl fl fl fl fl fl fl mit gleichen Tätigkeiten an verschiedenen Tagen unterschiedliche Leistungen erbringen. Insofern können durchschnittliche Istzeiten bzw. Istleistungen einer Arbeitsperson nur bedingt als Sollzeiten verwendet werden. Aus diesem Grund muss der Leistungsgrad ermittelt werden, der dazu führt, dass die Istzeiten zu gültigen Sollzeiten umgerechnet werden können. Die Leistungsgradbeurteilung ermittelt den Leistungsgrad. Die Grundlage hierfür ist die Beurteilung des Erscheinungsbildes des Bewegungsablaufes. Bei der Beobachtung des Erscheinungsbildes achtet der Beurteiler auf zwei wesentliche Merkmale: 1. Die Intensität, die sich aus der Bewegungsgeschwindigkeit und der Kraft- anspannung ergibt. 2. Die Wirksamkeit, die daran gemessen wird, wie harmonisch, beherrscht, sicher, ruhig, zügig und locker gearbeitet wird. Die folgende Übersicht zeigt die Merkmale der Leistungsbeurteilung: Bei der Zeitnahme (Istzeitmessung) beobachtet der Zeitnehmer immer auch die menschliche Leistung (= Erscheinungsbild) und vergleicht sie mit der ihm bekannten Normalleistung. Die Abweichung von der Normalleistung ergibt den Leistungsgrad. Eine möglichst genaue Beurteilung des Leistungsgrades ist nur dann möglich, wenn eine klare Vorstellung der Normalleistung sowie eine sorgfältige Ausbildung des Beurteilers zusammen mit seinem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein vorliegen. REFA hat verschiedene Leistungsbereiche festgelegt und dazu annähernde Leistungsgrade angegeben. Unter der REFA-Normalleistung wird eine Bewegungsausführung verstanden, deren Einzelbewegungen, Bewegungsfolgen und ihre Koordinierung dem Beobachter besonders harmonisch, natürlich und ausgeglichen erscheinen. Erfahrungsgemäß kann diese Normalleistung von jedem geeigneten und voll eingearbeiteten Arbeiter auf Dauer erbracht werden. Der Leistungsgrad wird stets in Fünferschritten angegeben, z.B. 95 %, 100 % 105 % usw. Der Leistungsgrad von 100 % entspricht der Normalleistung und dem Akkordrichtsatz. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Mensch die Mengenleistung _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 29 nicht immer beein ussen kann. Demnach gibt es auch Grenzen der Leistungsgrad- beurteilung: ‣ Der Arbeitsablauf muss im Wesentlichen vom Menschen beein ussbar sein. ‣ Die Arbeit darf keinen zu hohen Anteil an statischer Muskelarbeit beinhalten. ‣ Taktgebundene Fließbandarbeiten lassen nur eine bestimmte Leistung zu. ‣ Extrem hohe oder niedrige Leistungen lassen sich sehr schwer beurteilen. ‣ Geistige Tätigkeiten sind hierbei leistungsmäßig nicht beurteilbar. Es folgen einige neue De nitionen: Die quantitative Arbeitsleistung (Arbeitsproduktivität) beschreibt das Verhältnis von Ausbringungsmenge und Arbeitszeit: Ausbringungsmenge Quantitative Arbeitsleistung = Arbeitsproduktivität = Arbeitszeit Zur Ermittlung der Entlohnung muss zunächst die Vorgabezeit (Sollzeit) für die zu leistende Arbeit ermittelt werden. Sie entspricht der Normalleistung und wird durch Arbeitszeitstudien ermittelt. Entscheidend für die Entlohnung ist der Leistungsgrad, der die tatsächliche Leistung in Prozent der Normalleistung ausdrückt: beobachtete Istleistung Leistungsgrad = x 100 Normalleistung Der Leistungsgrad lässt sich auch in einen Zeitgrad umrechnen, der die vorgegebene Sollzeit in Prozent der erzielten Istzeit ausdrückt: Ausbringungsmenge Istleistung Istarbeitszeit Sollarbeitszeit = = Normalleistung Ausbringungsmenge Istarbeitszeit Sollarbeitszeit Sollarbeitszeit Zeitgrad = x 100 Istarbeitszeit Folgende Unterschiede sollten beachtet werden: ‣ Der Leistungsgrad wird nur bei Tätigkeiten ermittelt. ‣ Wird der Zeitgrad errechnet, so enthält er auch Verteilzeitanteile und Erholzeitanteile. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 30 fl fi fl 1.5 Die Bedeutung des Produktionsfaktors Betriebsmittel Betriebsmittel sind Produktionsfaktoren, die ebenfalls wie der Faktor Arbeit zur Leistungserstellung eingesetzt werden. Der Begriff Betriebsmittel umfasst alles, das nicht dem Faktor Arbeit (Mensch) oder dem Produktionsfaktor Werkstoff (Material) zugeordnet werden kann. Es handelt sich hierbei insbesondere um Anlagen und alle Einrichtungen, siehe nachfolgende Abbildung: nach VDI-Richtlinie 2815 _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 31 1.5.1 Auswirkungen von Investitionen auf Mitarbeiter und Produktionsabläufe Investitionen werden durchgeführt, um die Leistungsfähigkeit/Produktivität eines Unter- nehmens zu erhalten bzw. zu steigern. Der Einsatz von Betriebsmitteln führt beim Menschen meist zu einer Reduzierung der muskelmäßigen, geistigen und mentalen Belastung. Der Einsatz von Betriebsmitteln erlaubt die Automatisierung der Produktionsabläufe und steigert vor allem die Produktivität durch beschleunigte Prozesse. Insofern können auch Mengenleistung gesteigert, die Qualität verbessert und ggf. die Übersichtlichkeit erhöht werden. 1.5.2 Notwendigkeit von Investitionen Der erhöhte Wettbewerbsdruck führt dazu, dass Unternehmen qualitativ hochwertige Produkte ‣ möglichst schnell zur Marktreife bringen, ‣ kostensparend produzieren sowie ‣ unmittelbar auf Kundenwünsche hinsichtlich Menge, Ausstattung und Qualität reagieren wollen. Die Anforderung, exibel und schnell auf Marktwünsche reagieren zu können, zwingt Unternehmen zu einem ständigen Anpassungsprozess. Die Gründe für diesen Anpassungsprozess, der Investitionen auslöst, können wie folgt dargestellt werden: ‣ Erstinvestitionen: entspricht einer Gründungsinvestition. ‣ Ersatzinvestitionen: nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll nutzbare Objekte werden durch neue gleichartige Investitionsgüter ersetzt. ‣ Rationalisierungsinvestition: vorhandene Investitionsobjekte werden durch neue, technisch verbesserte Investitionsobjekte ersetzt. ‣ Erweiterungsinvestition: verspricht der Markt Möglichkeiten, den Absatz zu steigern, werden diese Investitionen getätigt. ‣ Obligate Investition: Gesetze oder Verordnungen zwingen das Unternehmen, eine derartige Investition in z.B. Umweltschutzmaßnahmen zu tätigen. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 32 fl Investitionen lassen sich auch noch von ihrem Bedarf/Objekt her unterscheiden: Sachinvestitionen beziehen sich stets direkt auf den Leistungsprozess und betreffen das Anlagevermögen. Finanzinvestitionen beziehen sich auf das Finanzanlagevermögen eines Unternehmens und gliedern sich in ‣ Forderungsrechte, wie z.B. Wertpapiere und gewährte Darlehen, ‣ Beteiligungsrechte, wie z.B. aus Aktien und/oder Beteiligungen an Unternehmen. Unter immateriellen Investitionen versteht man Investitionen, die die Wettbewerbs- fähigkeit des Unternehmens erhalten oder stärken sollen. Sie lassen sich gliedern in ‣ Investitionen in den Forschungs- Entwicklungsbereich für Produkte und/oder Fertigungsverfahren, ‣ Investitionen in Rechte und Lizenzen. Da Investitionen durch die langfristige Bindung von Kapital erhebliche Auswirkungen auf den Bestand des Unternehmens haben, muss jede Investition nachhaltig auf ihren wirtschaftlichen Effekt geprüft werden. Hierbei werden folgende Kennzahlen/Rechen- größen ermittelt: Zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen stehen mehrere Investitions- rechnungsverfahren zur Auswahl, siehe Abbildung auf der nächsten Seite: _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 33 Die statischen Verfahren untersuchen lediglich einen repräsentativen Zeitraum für die Investitionslebensdauer. Die dynamischen Verfahren untersuchen die gesamte Lebensdauer eines Investitionsobjektes und die während dieser Zeitpunkte eintreffenden wirtschaftlichen Effekte. Des Weiteren benutzen sie die Zinseszinsrechnung, um das zeitliche Eintreffen der wirtschaftlichen Effekte entsprechend gewichten zu können. 1.5.3 Bedeutung der Kapazitätsauslastung aus betriebswirtschaftlicher Sicht Unter „Kapazität“ wird das (technische) Leistungsvermögen eines Arbeitssystems innerhalb eines bestimmten Zeitraums verstanden. Der Kapazitätsbegriff bezieht sich auf unterschiedliche Arbeitssystemgrößen, wie z.B. den einzelnen Arbeitsplatz als Mikro-Arbeitssystem oder auch das gesamte Unternehmen als Makro-System. Es kann unterschieden werden in: ‣ quantitative Kapazitäten, die sich auf messbare Einheiten beziehen, wie Anzahl, Dauer des Einsatzes und auch Zeitpunkt und Ort des Einsatzes und ‣ qualitative Kapazitäten, die sich auf das Leistungsvermögen beziehen. Die folgende Gra k zeigt eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit, nämlich nach Kapazitätsarten: _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 34 fi Der Kapazitätsbedarf errechnet sich aus der Beanspruchung der Systeme zur Durchführung von angeforderten Aufgaben; der Kapazitätsbestand beschreibt die zur Durchführung der Arbeitsaufgaben vorhandenen Kapazitäten, siehe die Zusammenhänge auf folgendem Schaubild: Mit dem „Auslastungsgrad“ wird das Verhältnis von Kapazitätsbestand und Kapazitätsbedarf beschrieben: Kapazitätsgrad Auslastungsgrad = 100 Kapazitätsbestand Der maximal zu erreichende Auslastungsgrad beläuft sich auf 100 %. Unter „Kapazitätsbelegung“ wird die tatsächliche Ausnutzung (Belegung) des Kapazitäts- bestandes verstanden. Das heißt, der Kapazitätsbestand wird so lange mit Aufträgen zeitlich belegt, bis eine optimale Kapazitätsbelegung mit einem Auslastungsgrad von 100 % erreicht wird. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 35 Der „Nutzung“ im Sinne von wirtschaftlicher, rationeller Auslastung muss besondere Aufmerk- samkeit geschenkt werden, da in vielen Unternehmen die Kosten der Betriebsmittel (Anlage- vermögen) die Kosten für Arbeitsleistung und Werkstoffe übersteigen. Im Übrigen zählen neben den Maschinen und Anlagen des Produktionsprozesses auch noch EDV-Anlagen, etwa zur Steuerung des Leistungsprozesses, des Rechnungswesens, der Kommunikation mit Kunden (CRM) u.a.m., zum Anlagevermögen. Sie verursachen gleichermaßen hohe Arbeits- und Kapitalkosten. Entscheidend für die betriebswirtschaftliche Analyse der Betriebsmittel ist die Nutzungsdauer. Hier muss unterschieden werden in: die technische und die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Die technische Nutzungsdauer beschreibt die mögliche, technisch de nierte Lebensdauer des Anlagegutes. Also wird hiermit die mögliche technische Leistungsabgabe während einer bestimmten Periode de niert. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer basiert auf der Schätzung des Investors (das Unternehmen, das das Anlagegut gekauft hat), wie lange er das Investitionsgut wirtschaftlich nutzen kann. Ein ussfaktor für diese Schätzung ist neben der technischen Nutzungsdauer insbesondere die voraussichtliche Entwicklung seines Absatzmarktes (seiner Kunden). Insofern entsteht die folgende betriebswirtschaftliche Aufgabe: Wenn ein Unternehmen in ein Anlagegut investiert, bindet es langfristig erhebliches Kapital, das im Laufe der Lebensdauer über den Verkauf der darauf erstellten Leistungen vom Markt zurück- gewonnen wird. Zudem verlangt der Investor eine entsprechende Verzinsung des investierten Kapitals, die ebenfalls vom Markt zurück ießen muss. Das wirtschaftliche Ergebnis wird zudem erheblich von der Kapazitätsauslastung beein usst. Zusammenfassend kann also festgehalten werden: Je länger das Anlagegut wirtschaftlich genutzt werden kann, desto besser verteilen sich die Fixkosten (Kapitalkosten) auf die produzierten Einheiten. Allerdings wird das Risiko, dass das eingesetzte Kapital einschließlich der verlangten Verzinsung erwirtschaftet wird, umso höher, je länger das Anlagegut genutzt werden soll. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 36 fl fi fl fl fi 1.5.4 Aspekte der Substitution menschlicher Arbeit durch Betriebsmittel Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wurde während der vergangenen Jahrzehnte der Leistungsprozess stark verändert. Waren noch Ende der 1960er Jahre Werkzeuge und Maschinen lediglich Hilfsmittel, so dass die menschliche Arbeitskraft den Hauptanteil der Produktion übernahm, so führten der Zwang zur Rationalisierung und Produktivitäts- steigerung dazu, dass der Einsatz von Maschinen und Anlagen die menschliche Arbeitskraft in starkem Maße ersetzte. In der Konsequenz werden in Industrieunternehmen elektronisch gesteuerte Maschinen und Anlagen eingesetzt, die nur noch zentral überwacht werden müssen. Sie arbeiten quasi „vollautomatisch“. Für den arbeitenden Menschen hat sich sein subjektives Erleben des Leistungsprozesses und des Sozial- und Gruppenverhaltens verändert - mit unter Um- ständen negativen Effekten auf ‣ das allgemeine Wohlbe nden (Entfremdung, hohe Taktfrequenz, Monotonie) und ‣ die informellen Beziehungen und die Zusammenarbeit, die im Folgenden skizziert werden. Das allgemeine Wohlbe nden kann durch sogenannte Stressoren, die im Zusammenhang mit spezi schen Arbeitsbedingungen stehen, negativ beein usst werden, wie z.B.: ‣ Flexibilisierung und Erweiterung der Arbeitszeiten, ‣ Belastung durch zunehmend lückenlose Verhaltens- und Leistungskontrollen, ‣ monotone Überwachungstätigkeiten mit dem Zwang zu langanhaltender Konzentration, ‣ erhöhter Leistungsdruck durch gestiegene Anforderung an beru iche Quali kation, Verantwortung und geistige Beanspruchung und ‣ psychischer Stress durch befürchteten Verlust des Arbeitsplatzes. Wie soziale Beziehungen und Kooperationen der Mitarbeiter - oder auch informelle Beziehungen und Zusammenarbeit - durch die Automatisierung verändert werden, sollen folgende Beispiele zeigen: ‣ Die informelle Kommunikation wird in hoch automatisierten Industrie- unternehmen aufgrund der großen räumlichen Distanz erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Der Zusammenhalt bereits bestehender Gruppen wird geschwächt. ‣ Aufgrund der Automatisierung kann es sogar zur Trennung von lang zusammenarbeitenden Gruppen kommen, so dass bewährte Interaktion bzw. Kooperation unterbrochen wird. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 37 fi fi fi fi fl fl ‣ Aus Sorge um den Wegfall des eigenen Arbeitsplatzes kann es zu unerwünschtem Konkurrenzverhalten, Spannungen und Kon ikten zwischen den Mitarbeitern kommen. ‣ Die Veränderung der Quali kationsstruktur kann die Befürchtung auslösen, seine Arbeit als eine „Jedermann-Tätigkeit“ ausüben zu müssen. Es kann sogar zu einer „Zweiklassen-Gesellschaft“ kommen, wenn die Strukturierung zur Polarisierung der Arbeitsinhalte führt. 1.6 Die Bedeutung der Energie und Werkstoffe als Kostenfaktor 1.6.1 Grundsätzliches Energie ist ein wesentlicher Kostenfaktor und wird dem Betriebsmittel über Leitungen bzw. Rohre zugefügt, beispielsweise in Form von elektrischem Strom, Gas oder Öl. Energie kann bis auf etwaige Grundkosten als variabler Kostenfaktor angesehen werden: Je stärker ein Betriebsmittel genutzt wird, desto höher sind die Energiekosten. Allerdings muss in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, dass die Messung und Zuordnung der Energiekosten auf den einzelnen Kostenträger wirtschaftlichen Gesichtspunkten entsprechen muss. Unter Werkstoff wird Material verstanden, das dazu dient, Güter herzustellen, siehe folgende Gra k: Im Folgenden werden die einzelnen Begriffe geklärt. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 38 fi fi fl 1.6.2 Werk- und Arbeitsstoffe sowie Energie als betriebswirtschaftlicher Faktor Der Begriff „Werkstoff“ entstammt der Begriffswelt „Arbeitssystem“. Der Werkstoff wird hier als Eingabe verstanden. Nach der Bearbeitung innerhalb des Arbeitssystems verlässt der Werkstoff dieses System als Ausgabe und wird zum Transport zum nächsten Arbeitssystem bereitgestellt. In diesem Prozess muss ein Unternehmen dafür sorgen, dass die Durchlaufzeiten des Werkstoffes so gering wie möglich gehalten werden. Die Begründung für dieses Ziel liegt darin, dass der Werkstoff durch die Bearbeitung von Menschen und Betriebsmitteln Kosten verursacht und somit am Ende des Leistungs- prozesses als Kostenträger dienen wird. Hier entsteht also eine Wertschöpfungskette, die im Umlaufvermögen erfassbar ist und das Kapital in Form von gezahlten bzw. entgangenen Zinsen sowie durch weitere Kosten wie Raumkosten für Produktion, Zwischenlagerung und Bereitstellung bindet. Diese Überlegungen gelten natürlich auch für Energie, die ebenfalls ein Begriff des Arbeitssystems (= Eingabe) ist. Insofern gilt es, mit der Energie sparsam und sinnvoll umzugehen. Dies kann zum Beispiel durch Anreize mittels Einsparungsprämien gefördert werden. 1.6.3 Werk- und Arbeitsstoffverluste Da Werkstoffe zu den knappen Gütern zählen und Kosten verursachen, ist deren optimale Nutzung wichtig. Lohnanreize und Kontrollen können dazu führen, den Ausschuss so gering wie möglich zu halten. Dass die Vergeudung von Werkstoffen und Betriebsmitteln vermieden wird, ist eine zentrale Anforderung an jeden in der Fertigung arbeitenden Mitarbeiter. Ausschuss bzw. mangelnde Qualität kann zudem ggf. Preisnachlässe auf dem Markt nach sich ziehen und zudem die Reputation des Unternehmens gefährden. Rationelle Fertigungsverfahren sowie zweckmäßiger Einkauf (Beachtung der notwendi- gen Abmessung usw.) können helfen, die Materialabfälle zu reduzieren. Außerdem lassen sich Abfälle veräußern (z.B. Schrott) oder einer Wiederverwendung im Unternehmen zugeführen (Recycling). _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 39 1.6.4 Stoff- und Energiewiedergewinnung Die Verknappung der Rohstoffe und die daraus resultierende Verteuerung fördert Anstrengungen, die Rücklaufnutzung von Abfallstoffen zu verbessern: Anstatt Abfälle und Abwärme an die Umgebung abzugeben, werden Stoffe und Energien im Rahmen des Recyclings der Fertigung erneut zugeführt, so dass eine Entlastung des Rohstoff- verbrauchs erreicht werden kann. Bei der Wiederverwendung wird der Stoff für den gleichen Einsatzzweck erneut genutzt. Bei der Wiederverwertung hingegen ist es zunächst notwendig, durch Bearbeitung und Aufbereitung der Abfallstoffe den ursprünglichen Verwendungszweck wiederherzu- stellen. Des Weiteren werden bei der Weiterverwendung und -verwertung die Stoffe in anderen Fertigungsprozessen eingesetzt. Die Erfassung, Aufbereitung und Umwandlung von Abfallstoffen durch das eigene Unternehmen oder durch Spezialunternehmen reduziert die Beschaffungsnotwendigkeit von Primärrohstoffen. Zudem stellt sie einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungs- sicherung des Unternehmens dar, der selbst dann gerechtfertigt sein kann, wenn die Recyclingkosten die Aufwendungen für die Beschaffung des neuen Rohstoffes und der Beseitigung des Abfalls übersteigen. Der Umweltaspekt soll hier auch nicht vergessen werden. 2. Berücksichtigung der Grundsätze betrieblicher Aufbau- und Ablauforganisation 2.1 Grundsätzliches Unter Organisation versteht man das Bemühen der Unternehmensleitung, den komplexen Prozess betrieblicher Leistungserstellung und Leistungsverwertung so zu strukturieren, dass die Ef zienzverluste auf der Ausführungsebene minimiert werden. Ökonomische Rationalität, d.h. die Umsetzung des ökonomischen Prinzips im Unternehmensalltag ist das Leitmotiv zum Aufbau einer Organisation. Insofern hat die Organisation zwei Aufgaben: 1. Schaffung einer Ordnung arbeitsteiliger Prozesse nach Maßgabe des ökonomischen Prinzips, 2. Entlastung der Unternehmensleitung durch generelle Regeln zur Erledigung häu g wiederholbarer Aufgaben. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 40 fi fi Organisieren ist also ein Hilfsmittel zum Erreichen von Zielen. Die Betriebsorganisation legt generell oder vorübergehend fest, wie die Faktoren Arbeitskräfte, Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffe so miteinander kombiniert werden, dass das Unternehmensziel ökonomisch und ef zient erreicht werden kann. Der laufende Prozess ist als Regelkreis dargestellt. Es ist also immer wieder zu überprüfen, ob Art und Umfang, der Aufbau- und Ablauforganisation geeignet sind, das festgelegte Unternehmensziel zu realisieren. De nition Der Begriff Organisation kann also einerseits als gestalterische Tätigkeit, andererseits als Zustandsbeschreibung verstanden werden. In beiden Fällen ist Organisation auf planvolles Wirtschaften, auf bestmögliche Zielerreichung, ausgerichtet. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Organisation eines Unternehmens sich vor allen Dingen an der jeweiligen Branche zu orientieren hat. Zudem entscheiden die Rechtsform, die Bedeutung der Gliederungsmerkmale, die Anzahl der Leitungsstellen und der Hierarchieebenen sowie weitere externe Faktoren, wie z.B. Kunden und Lieferanten, über die Wahl der Unternehmensstruktur. 2.2 Grundstrukturen betrieblicher Organisation Die Organisation eines Betriebes lässt sich unterscheiden in _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 41 fi fi 1. Regelungen für den Betriebsaufbau (= Aufbauorganisation), die Orga-Einheiten (d.h. Stellen), Zuständigkeiten, Ebenen usw. festlegen und 2. Regelungen für den Betriebsablauf (= Ablauforganisation, Prozessorganisation), die den Ablauf nach den Kriterien Ort, Zeit oder Funktion zwischen Orga- Einheiten, Bereichen usw. regeln. Die Aufbauorganisation zeigt als Ergebnis das Organigramm, aus dem die statischen Beziehungszusammenhänge eines Unternehmens abzulesen sind: ‣ Stellen werden als kleinste organisatorische Einheit des Unternehmens gebildet, zu Gruppen, Abteilungen, ggf. Geschäftseinheiten zusammengefasst. ‣ Dabei werden die Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche angezeigt. ‣ Die Stellenaufgaben werden nach den Merkmalen Verrichtung (was) und Objekt (woran) zugewiesen. Die Aufbauorganisation muss sich nach den internen Kriterien Unternehmensgröße, Rechtsform, Fertigungstechnologie, Branche , sowie nach externen Kriterien, wie Absatz- und Beschaffungsmarkt, Gesetze, Verordnungen und Rechtsprechung sowie Kapitalgeber richten. Die Ablauforganisation gestaltet die dynamischen Beziehungszusammenhänge des Unternehmens, wobei folgende Ziele verfolgt werden: ‣ die Leistungserstellung, der Fertigungsprozess mit dem geringsten Aufwand ‣ Optimierung der Durchlaufzeiten ‣ strikte Termintreue ‣ optimale Integration der Mitarbeiter in den Prozess durch Vereinfachung Um die Prozesse festlegen zu können, müssen Raum (wo) und Zeit (wann) mit in die Ablauforganisation einbezogen werden. Auf die Ablauforganisation wird in späteren Kapiteln, z.B. Ablaufplanung, Arbeitsplan, eingegangen. Die Aufbauorganisation hat dafür zu sorgen, dass sinnvolle Organisationseinheiten gebildet werden, Kompetenzen und Verantwortungsbereiche zugeteilt und abgegrenzt werden. Folgende Begriffe werden näher betrachtet, s. folgende Abb. „Stellenarten“: _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 42 Grundsätzlich gilt, dass nur kleine Einheiten gebildet werden sollten, da diese bedeutend exibler einsetzbar sind und schneller reagieren können als Gruppen von 30 - 40 Mitarbeitern. Zudem erhalten die Mitarbeiter bei diesen kleinen Einheiten entsprechende Befugnisse und können auch besser Verantwortung übernehmen. Insofern kann es zu kürzeren Durchlaufzeiten kommen. Da die Verantwortung dezentral beim einzelnen Mitarbeiter angesiedelt ist, identi zieren sich die Mitarbeiter stärker mit dem Unternehmen mit der Folge, dass die Motivation steigt und das Zusammen- gehörigkeitsgefühl der Belegschaft verstärkt wird. Wie bereits gesagt, ist das Ziel der Aufbauorganisation die Bildung der hierarchischen Struktur. Sie umfasst im Wesentlichen folgende Tätigkeiten: ‣ Stellenbildung mit entsprechender Aufgabengliederung und -zuweisung, ‣ Regelung der Verantwortung und der Kompetenzen, ‣ Bildung der Stellenhierarchie und ‣ Regelung der Kommunikations- und Leistungsbeziehungen. 2.3 Bedeutung der Leitungsebenen 2.3.1 Grundsätzliches Im Anschluss an die Aufgabenanalyse wird mittels der Aufgabensynthese die Stellen- bildung vorgenommen und nach dem Rang festgelegt, z.B. als führende oder ausführende Stelle. Leitungsstellen (Instanzen) können sein: ‣ leitend mit allen Führungsaufgaben und der Kompetenz, Personal- entscheidungen einschließlich Einstellung und Kündigung vorzunehmen, oftmals mit Prokura ausgestattet oder ‣ führend mit allen Führungsaufgaben, jedoch ohne Personalkompetenzen. Zu den besonders wichtigen Leitungsaufgaben gehören die Festlegung der Unter- nehmensziele sowie die Planung und Kontrolle der Zielerreichung. Hierbei ist es Unternehmern bzw. Vorständen oder Geschäftsführern vorbehalten, aus den möglichen Unternehmenszielen und Planungsalternativen die für das Unternehmen geeignete Wahl zu treffen. Diese Entscheidungen sind i.d.R. strategisch ausgerichtet und für die Lebensfähigkeit des Unternehmens von besonderer Bedeutung. Insofern werden an den Leitungskreis hohe Anforderungen gestellt. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 43 fl fi Bei der Erschaffung der Strukturen ist darauf zu achten, dass die Hierarchie eines Unternehmens nicht zu breit und nicht zu tief gegliedert wird, so dass Entscheidungswege kurz bleiben, so dass die Flexibilität des Unternehmens erhalten bleiben kann. 2.3.2 Wesentliche Hierarchie- und Organisationseinheiten Es lassen sich folgende Organisationseinheiten unterscheiden: Stelle Eine Stelle ist die kleinste organisatorische Einheit. Sie umfasst grundsätzlich folgende Kriterien: Aufgaben, Befugnisse und Verantwortung als immaterielles Element jeder Stelle. Die materiellen Elemente sind Mitarbeiter, Sachmittel und Versorgung. In der Regel werden Stellen auf Dauer gebildet, können aber auch nur für einen bestimmten Zeitraum (z.B. Projekte) errichtet werden. Besonders wichtig ist, dass jede Stelle organisatorisch eindeutig und klar abgegrenzt ist. Eine weitere De nition: Eine Stelle ist grundsätzlich eine personenunabhängige, abstrakte Einheit, der bestimmte Aufgabenkompetenzen und Verantwortungsbereiche sowie Kommunikationswege zu anderen Stellen zugeordnet sind. Des Weiteren ist die Vertretungsp icht und die P icht zur Berichts- erstattung in der Stellenbeschreibung erfasst. Die Stelle ist von mindestens einer Person als Aufgabenträger und Verantwortlichen zu besetzen. Instanz Unter Instanzen versteht man Leitungsstellen, die mit bestimmten Leitungsfunktionen, wie Planen, Kontrollieren und Entscheiden, befasst sind. Bei der Instanzenbildung muss darauf geachtet werden, dass die Instanzen inhaltlich und räumlich überschaubar bleiben, dem Stelleninhaber zeitliche Leitungsmöglichkeit gegeben wird und die Leitungsspanne nicht zu hoch ist. Die Leitungsspanne, manchmal auch Kontrollspanne, ist de niert durch die Zahl der optimal betreubaren unterstellten Mitarbeiter. Die höchste Instanz eines Unternehmens ist die Unternehmensleitung, die Ent- scheidungs- und Anordnungsbefugnisse auf untergeordnete Instanzen überträgt. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 44 fi fl fi fl Stabsstelle Stabsstellen oder Stäbe werden gebildet, um ihre Vorgesetzten zu beraten, Ent- scheidungsunterlagen zu erarbeiten und/oder das Unternehmensgeschehen zu kontrollieren. Stäbe haben grundsätzlich keinerlei Weisungs- oder Entscheidungs- befugnisse gegenüber anderen Stellen in der Linie. Selbstverständlich können sie durch ihre beratende Tätigkeit Ein uss auf die Entscheidungen der Instanzen nehmen, der sie zugeordnet sind. Beispiele für derartige Stabsstellen sind Controlling, Revision, Arbeitsvorbereitung, Marktforschung und andere mehr. Hierarchie Die Leitungsspanne schränkt die Zahl der optimal zu betreuenden Mitarbeiter ein und wird zudem durch weitere Kriterien begrenzt, wie beispielsweise die Komplexität der Aufgaben, die Quali kation der Mitarbeiter, die Art des Führungsstils u.a.m. Daraus folgt unmittelbar, dass das Unternehmen in eine hierarchische Struktur gegliedert werden muss. Insofern sollte man bei der Bildung der hierarchischen Struktur folgendermaßen vorgehen: 1. Gruppen- und Abteilungsbildung Bei der organisatorischen Gruppenbildung werden einzelne Stellen zu betrieblichen Gruppen zusammengefasst, die in unterschiedlicher Weise strukturiert werden können. Sie wird im Sinne der betrieblichen Zielerreichung geplant bzw. bestimmt und bezieht sich ausschließlich auf die untere Ebene des Unternehmens, also auf das Lower Management. In der Praxis ist die Zusammenfassung zu Gruppen, zu Abteilungen, zur Hauptabteilung usw. üblich. In großen Betrieben kann eine noch stärkere Unterteilung wünschenswert sein, um die Leitungs- bzw. Führungsspanne nicht zu groß werden zu lassen. 2. Darstellung der Aufbauorganisation als Organigramm Der Organisationsplan bildet die Aufbauorganisation ab, also die Bereiche, Hauptabteilung, Abteilungen, Gruppen und Stellen. Es wird auch als Strukturbild, Organigramm oder Organisationsschaubild bezeichnet. Die wesentlichen Inhalte eines Organigramms, dass allen Mitarbeitern zugänglich sein sollte, sind: - die hierarchische Ordnung der betrieblichen Organisationseinheiten, - die Informationswege zwischen den Organisationseinheiten, - das Organisationssystem des Unternehmens bzw. seiner Bereiche. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 45 fi fl Folgende Begriffe werden in der Aufbauorganisation verwendet: Stelle, Abteilung, Hauptabteilung, Bereich und schließlich Leitungsorgan, s. folgende Abb. „Hierarchie“: Zentralisation und Dezentralisation Unter Zentralisation, auch Zentralisierung, versteht man die Zusammenfassung gleichartiger Aufgaben in einer Stelle. Dezentralisation, auch Dezentralisierung, bedeutet, dass gleichartige Aufgaben auf mehrere Stellen verteilt werden. Weitere Unterscheidungsmerkmale können dem Begriff Zentralisation zugeordnet werden: die Verrichtungszentralisation, die Objektzentralisation, die Verwaltung, die Entscheidung, das Sachmittel oder auch die Person. Zentralisation vs. Dezentralisation, siehe folgende Abbildung: _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 46 2.3.3 Aufgaben und Kompetenzen Aufgaben Aufgaben können de niert werden als mündliche oder schriftliche Aufforderungen an Menschen, bestimmte Tätigkeiten auszuüben, die der Erreichung eines gesetzten Zieles dienen. Aus der Aufgabenanalyse ergeben sich die Aufgaben, die dann nach bestimmten Gliederungsmerkmalen gegliedert und in der anschließenden Aufgabensynthese für eine Stelle sinnvoll zusammengefasst werden. Die Aufgaben werden schließlich in der Stellen- beschreibung als Haupt- und Einzelaufgaben beschrieben. Kompetenzen Unter Kompetenzen versteht man Befugnisse von Menschen, aufgrund ihrer Zuständigkeiten bestimmte Maßnahmen zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben zu ergreifen. Es können drei wichtige Arten unterschieden werden: Fachliche Kompetenz: Hierunter versteht man im Allgemeinen z.B. wirtschaftliche Kenntnisse über Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten des Wirtschaftslebens, besondere Fachkenntnisse auf kaufmännischem, technischem und juristischem Gebiet, wie Kenntnisse im Arbeits- und Sozialrecht, in der Unternehmensführung u.a.m. Strategische Kompetenz: Das bedeutet, Entscheidung treffen und vertreten zu können, hierbei Wagnisse einzugehen, allerdings verbunden mit Besonnenheit und Umsicht; moderne Kommunikation- und Informationsmittel zu beherrschen und einzusetzen; Ideen zu entwickeln und umzusetzen, über Organisationstalent und Improvisations- fähigkeit zu verfügen. Soziale Kompetenz: umfasst, Mitarbeitern Ziel und Arbeitsinhalte zu vermitteln, sie zu motivieren und ihre Kreativität entfalten zu lassen, so dass neue Ideen und Produkte verwirklicht werden; Personalentscheidungen zu treffen und zu verantworten; gesell- schaftspolitische Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Öffentlichkeit für Arbeits- plätze und Umwelt zu verantworten; Bereitschaft zur Wahrnehmung gesellschafts- politischer Aufgaben (Mitbestimmung, Miteigentum, Vermögensbildung) sowie Aufgeschlossenheit für neue Erkenntnisse aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft (z.B. Verp ichtung zum Umweltschutz) Persönliche Kompetenz: Verantwortungs- und Einsatzbereitschaft sowie Kooperations- und Teamfähigkeit _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 47 fl fi 2.4 Organisationssysteme Leitungssysteme (auch Weisungssysteme genannt) de nieren, in welcher Form Weisungen von „oben nach unten“ erfolgen. Die klassischen Leitungssysteme werden auch als Organisationsformen oder Organisationsysteme bezeichnet. Ein Organisations- system wird gebildet aus einer Menge von Organisationseinheiten, die über Informationswege verbunden sind. Seine organisatorische Struktur kann unterschiedliche Ausprägungen haben: Das Liniensystem ist die älteste Organisationsstruktur. Bei ihm sind die Stellen und Abteilungen in einem einheitlichen Instanzenweg eingegliedert, der von der obersten Instanz bis zur untersten Stelle reicht. Damit wird das „Prinzip der Einheit von Auftrags- erteilung und Auftragsempfang“ verwirklicht. Vielfach wird das Liniensystem auch als Einliniensystem oder Linienorganisation bezeichnet. Sein Einsatz ist bei Kleinbetrieben, Mittelbetrieben, Großbetrieben und Holdings möglich. Das Liniensystem ist die straffste Form der organisatorischen Gliederung. Jeder Mitarbeiter ist dabei nur einem Vorgesetzten unterstellt. Weisungen und Informationen gehen jeweils an die unmittelbar unterstellten Stelleninhaber, bis die zum Empfang bestimmte Stelle erreicht wird, z.B. von der Unternehmensleitung bis zu den Mitarbeitern der Gruppen Non Food, Lagerhaltung, siehe Gra k auf folgender Seite. Insofern sind damit gleichrangige Instanzen gehalten, bei Sachfragen über ihre gemeinsame, übergeordnete Instanz zu kommunizieren. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 48 fi fi Beispielhaftes Organigramm Einliniensystem Vor- und Nachteile des Einliniensystems _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 49 Das Stabliniensystem ist eine Variante des Einliniensystems. Um den Nachteil der Überlastung von Führungskräften bei reinen Liniensystemen zu mindern, werden den höheren Instanzen dabei Stäbe zugeordnet, die grundsätzlich kein unmittelbares Weisungsrecht gegenüber anderen Stellen haben, z.B. als Planung, Organisation, Controlling, Wertanalyse, Rechtsabteilung, Steuerabteilung. Stabsstellen haben die Aufgabe, als „Spezialisten“ die Linienstellen zu unterstützen mit z.B. Erarbeitung von Entscheidungsvorlagen, Konzepten oder Grundsatzfragen. In großen Unternehmen ist das Stabliniensystem weit häu ger anzutreffen und um- fassender ausgeprägt als in kleinen Unternehmen. Die Vor- und Nachteile des Stabliniensystems, s. nächste Seite. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 50 fi Das Mehrliniensystem basiert auf dem Funktionsmeistersystem des Amerikaners Taylor (1911) und ist heute höchstens noch in betrieblichen Teilbereichen anzutreffen. Der Mitarbeiter hat zwei oder mehrere Fachvorgesetzte, von denen er fachliche Weisungen erhält. Die Disziplinarfunktion ist nur einem Vorgesetzten vorbehalten. Der Rollenkon ikt beim Mitarbeiter, der zwei oder mehrere Vorgesetzte hat, ist die notwendige Konsequenz, da jeder Fachvorgesetzte natürlich von seinem Mitarbeiter erwartet, dass er zunächst in seinem Sinne handelt und die von ihm gestellten Aufgaben als erste erledigt. Durch die im Funktionssystem praktizierte Mehrfachunterstellung wird das „Konzept des kürzestem Weges“ realisiert. So informiert sich z.B. Arbeiter A bei Meister 1 über spezi sche Probleme bei der Bearbeitung eines Werkstückes, bei Meister 2 über über terminlichen Vorgaben und bei Meister 3 gegebenenfalls über Beschaffung des Materials. Die Vor- und Nachteile des Mehrliniensystems _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 51 fi fl Die Spartenorganisation ist eine Organisationsform, die hauptsächlich durch die Dezentralisierung geprägt ist. Sie wird auch als Divisionalorganisation bezeichnet. Bei der Spartenorganisation ist die zweite Hierarchieebene des Unternehmens nach Objekten gegliedert, die Produkte, Regionen und Kunden sein können.Jede Sparte wird als eigenständige Unternehmenseinheit geführt - orientiert an der Größe „Gewinn“ als sog. Pro tcenter oder an der Größe „Umsatz“ - bei vorgegebener Kostenhöhe als sog. Costcenter. Wesentliche Elemente sind bei der Spartenorganisation die Zentralabteilungen, die für die leistungsbezogenen Sparten vielfältige Dienstleistungen erbringen, z.B. als Revisionsabteilung, Organisationsabteilung, Personalabteilung u.a.m. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 52 fi Die Matrixorganisation ist eine Weiterentwicklung der Spartenorganisation. Bei der Matrixorganisation werden auf der zweiten Hierarchieebene zwei Gliederungsprinzipien gleichzeitig und gleichberechtigt verfolgt: ‣ In der Horizontalen der Matrix lassen sich zentrale Funktionen aufnehmen, z.B. Rechnungswesen, EDV. ‣ Die Vertikale der Matrix kann die Objekte als die zentralen Organisations- einheiten ausweisen, z.B. Produkt 1 und Produkt 2. In den Schnittstellen von Funktionen und Objekten be nden sich als Organisationseinheiten die doppelt unterstellten Abteilungen, z.B. Fertigung 1 und 2 und Vertrieb 1 und 2. Auf der nächste Seite sind noch einmal die Vor- und Nachteile der klassischen Organisationsformen zusammengefasst dargestellt: _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 53 fi _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 54 2.5 Entwicklung der Aufbauorganisation 2.5.1 Wesen und Zweck der Tätigkeitsbeschreibung Jedes Unternehmen verfolgt eine bestimmte Gesamtaufgabe. Um diese Aufgabe zielgerichtet, dem ökonomischen Prinzip folgend, erledigen zu können, benötigt das Unternehmen eine Aufbauorganisation, die aus der Aufgabenfestlegung bzw. den Beschreibungen der erforderlichen Tätigkeiten gebildet werden muss. Im Rahmen der Aufgabenanalyse muss die Gesamtaufgabe in Teilaufgaben zerlegt werden. Anschließend werden die Teilaufgaben entsprechend ihrer betrieblichen Bedeutung geordnet. Es ist empfehlenswert, dass das Unternehmen mit nachfolgenden Analyseschritten arbeitet: 1. Das Unternehmensziel de niert die Erreichung eines bestimmten Gewinnes. 2. Die Gesamtaufgabe wird daraus abgeleitet, z.B. auf die Erzielung eines bestimm- ten Umsatzes. 3. Daraus folgt als Hauptaufgabe z.B. der Vertrieb. 4. Eine Teilaufgabe kann dann der Abschluss von Kaufverträgen sein. 5. Und schließlich könnte die Elementaraufgabe, nämlich die Erlangung der Kundenunterschrift, als letzter Schritt dieser Analyse angesehen werden. Die Aufgabengliederung erfolgt mittels Aufgabenanalyse und kann anhand von folgenden Merkmalen vorgenommen werden: ‣ nach sachlichen und formalen Gliederungsmerkmalen ‣ nach Art der Verrichtung _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 55 fi Die Funktion Lagerwesen soll als Beispiel dienen, um die Untergliederung in weitere Teilaufgaben verdeutlichen zu können: ‣ Gliederung in Teilaufgaben ‣ Gliederung nach dem Objekt ‣ Gliederung nach dem Rang _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 56 ‣ Gliederung nach der Phase ‣ Gliederung nach der Zweckbeziehung Die übergeordnete Gesamtaufgabe kann natürlich nach verschiedenen Merkmalen gegliedert werden, wobei diese Merkmale wiederum von bestimmten Fragen abhängig sind: Verrichtung: Welche Tätigkeiten werden ausgeführt? Phase: Ist die Tätigkeit zu planen, auszuführen oder zu kontrollieren? Rang: Ist die Ausführung einer Haupt-, Teil- oder Einzelaufgabe von der Entscheidung einer übergeordneten Stelle abhängig? Zweckbeziehung: Ist die Hauptaufgabe für das Erreichen der Aufgabe von direkter oder nur von indirekter Bedeutung? Objekt: Sind die Hauptaufgaben so umfangreich oder speziell, dass sie sachlich gegliedert werden müssen? Die Aufgabengliederung, Aufgabenanalyse, führt zu der Aufgabensynthese, der Aufgabenzusammenfassung, die die Aufgaben zu Stellen bündelt. Auch hierbei können die bereits beschriebenen Gesichtspunkte/Merkmale verwendet werden. _____________________ BERNHARD KRETSCHMER 57 2.5.2 Wesen und Gliederungsmerkmale des Stellenpro ls Die Stellenbeschreibung, auch Stellenpro l, hat mehrere Aufgaben zu erfüllen und dient dem Unternehmen: ‣ als Basis für die Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter, ‣ als Grundlage für die tari iche Eingruppierung hinsichtlich des Entgeltes, ‣ zur Erleichterung der Einarbeitungsphase neuer Mitarbeiter und schließlich ‣ als Hilfe bei der Stellenbesetzung und Festlegung von Ausbildungs- bedürfnissen. Der Stelleninhaber ndet in der Stellenbeschreibung: ‣ die klare De nition der von ihm erwarteten Leistung, ‣ die Abgrenzung seiner Aufgaben und Kompetenzen, ‣ Informationen über seine Beziehung zu anderen Stellen (Zusammenarbeit) und ‣ Informationen über die Stelle