ZF VNM PDF - Organisation und Komplexität

Summary

This document explores organizational complexity and management strategies. It discusses various theoretical frameworks, including system theory and the concept of VUKA/BANI. The author analyzes the role of technology and AI in creating complex problems and solutions. The implications of digital transformation, blockchain technology and smart contracts, and generative AI are also examined.

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Kapitel 2: Organisation und Komplexität Weshalb Komplexität Die Welt ist so komplex geworden, dass man neue Organisationskonzepte in Betracht ziehen muss, um die vielfältigen Beziehungen in Unternehmen sinnvoll erfassen und eventuell managen zu kön- nen. Komplexität ist dabei definiert als der Umga...

Kapitel 2: Organisation und Komplexität Weshalb Komplexität Die Welt ist so komplex geworden, dass man neue Organisationskonzepte in Betracht ziehen muss, um die vielfältigen Beziehungen in Unternehmen sinnvoll erfassen und eventuell managen zu kön- nen. Komplexität ist dabei definiert als der Umgang mit dem Unbekanntem. Die Welt wird durch Technologie und KI zunehmend instabil und komplex.  Komplexität: Umgang mit Unbekanntem, laut Ashby’s Gesetz: „Gesetz der erforderlichen Va- rietät“: Die Lösungen für komplexe Probleme sind wiederum komplex, das heisst nur „Kom- plexität kann Komplexität ersetzen“  Manager müssen das Unerwartete managen (Weick & Sutcliffe).  Komplexität = Lösung, nicht das Problem (Baecker).  Komplizierte Probleme: Bekannte Variablen (z.B. Auto montieren).  Komplexe Probleme: Unbekannte Variablen, wie bei KI-Integration.  Menschliche Kreativität ist ein Vorteil, muss aber strukturiert zur Wertschöpfung beitragen.  Triviale Maschinen: Vorhersagbare Resultate.  Nicht-triviale Maschinen: Unvorhersehbar, aber mit Wahrscheinlichkeitsmustern (Foerster). Kommunikation und Koordination sind in der heutigen, komplexen Welt zentrale Managementaufga- ben.  VUKA (volatil, unsicher, komplex, ambivalent) beschreibt seit der Jahrtausendwende die Welt.  BANI (brüchig, ängstlich, nicht-linear, unbegreiflich) könnte VUKA im digitalen Zeitalter ablö- sen. Komplexitätsverständnisse Fünf Strategien im Umgang mit Komplexität (nach Prof. Dr. Kruse) 1. Ausprobieren 2. Ausblenden: wenn die Strukturen dafür nicht ausgeprägt sind, oder wenn die Neuigkeiten nicht zum Leitbild der Akteure passen) 3. Rationale Analyse 4. Vereinfachung: konzentriert sich auf zentrale Faktoren, was zur Trivialisierung von Problemen führen kann. Dabei werden komplexe Aspekte ausgeblendet. Kann jedoch Komplexität steigern. Trivialisierung ist legitim, solange man sich bewusst ist, dass es um eine Vereinfachung handelt. 5. Intuitive Bewertung: Menschen nutzen Erfahrungen, um Handlungsmuster zu entwickeln, die in bekannten, aber nicht detailliert erfassbaren Situationen Entscheidungen erleichtern. Wenn sich der Kontext ändert, können diese Muster jedoch ungültig werden. In der Praxis werden oft ver- schiedene Strategien kombiniert. Wesentliche Eckpfeiler der neueren Systemtheorie Organisationen müssen als Systeme verstanden werden, die sich von Individuen unterscheiden. Men- schen lernen individuell, während Organisationen als soziale Systeme anders lernen. Ein System besteht aus einer Menge von Elementen (z. B. Personen, Maschinen, Geld), die miteinan- der verbunden sind und sich von ihrer Umwelt abgrenzen. Diese Elemente stehen in Beziehung und verfolgen gemeinsam einen Zweck, den sie selbstregulierend aufrechterhalten, wie etwa die Siche- rung von Finanzströmen in Unternehmen oder Prüfungsleistungen an Hochschulen. Systeme sind dynamisch und passen sich an ihre Umwelt an. Dieses Konzept ist auf verschiedene Ebenen anwendbar, von Zellen bis hin zu grossen Organisationen. Soziale Systeme, wie Unternehmen, sind dabei besonders relevant. Sie weisen folgende Charakteris- tika auf:  Kommunikation und Entscheidung: Organisationen bestehen aus Kommunikationsakten. Diese sichern das System, indem sie weitere Kommunikation ermöglichen. Entscheidungen sind essenzielle Akte, um das Überleben der Organisation zu gewährleisten.  Selbsterzeugend und -referenziell: Sie verfolgen spezifische Ziele, wie Unternehmen das Er- zeugen von Geld. Einzelpersonen können zwar Einfluss haben, aber die Eigenlogik des Sys- tems entfaltet sich unabhängig von ihnen. Systeme orientieren sich nur an ihren eigenen Beobachtungen, und nur was sie erkennen, führt zu weiteren Entscheidungen und Kommuni- kation.  Selektive Wahrnehmung und Grenzziehung: Organisationen nehmen nur den Teil ihrer Um- welt wahr, der für ihr Überleben wichtig ist, wie Wirtschaft oder Politik. Sie sind selektiv und haben blinde Flecken. Systeme ziehen Grenzen zur Umwelt, um Komplexität zu reduzieren, und ersetzen komplexe Strukturen durch einfachere. Diese Grenzen helfen, die interne Kom- plexität zu managen und bilden die Grundlage für die Identität des Systems.  Individuen und Systeme: Einzelne Personen sind dabei Träger des Systems. Die Strategie wird vom Unternehmen aufgegriffen und verarbeitet und kann unabhängig von Individuen weiterverfolgt werden.  sozio-technische Ansatz: Der soziotechnische Ansatz erkennt eine gleichwertige Beziehung zwischen Mensch, Technik und Organisation an. Menschliches Verhalten wird im Kontext der technischen und organisatorischen Umwelt verstanden und umgekehrt. Dieser Ansatz ist im digitalen Zeitalter besonders relevant, da technologische Entwicklungen die Zusammenarbeit und Wertschöpfung erheblich beeinflussen. Der Ansatz unterstreicht auch die Werteorientie- rung von Systemen: Jedes Unternehmen hat ein eigenes Wertesystem, das es von anderen unterscheidet.  Systeme verändern sich ständig: Systeme passen sich in drei Schritten an: o Variation: Schaffung von Wahlmöglichkeiten o Selektion: Auswahl einer Option o Retention: Stabilisierung der Entscheidung Systemtheorie 1 (die ältere, ab 1972) Systeme sind «eine Menge von Elementen, zwischen denen Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können».¨ Merkmale:  Ganzheitlich/interdiszizplinär  Umweltorientiert  Dynamisch  Selbstregulierend/lernfähig  Gestaltungsorientiert Neuere Soziologische Systemtheorie (ab 1984) Soziale Systeme..  Bestehen ausschliesslich aus Kommunikationsakten  Selbsterzeugend (autopoietisch)  Selbstbezüglich (selbstreferentiell)  Reduzieren Komplexität zwischen System und Umwelt durch hochselektive Grenzziehung  Weisen dadurch «blinde Flecken» auf Management und Komplexität Nicht steuerbar aber zu beeinflussen: Manager*innen können nur Kommunikationsangebote machen, die von der Organisation auch abge- lehnt werden können. Eine mechanistische Verbindung zwischen Anweisung und Erfolg existiert nicht. Anschlussfähige Handlungsstrategie entwickeln: Manager haben Handlungsspielraum, indem sie Strategien entwickeln, die als Anreiz für das System wirken. Ein strategischer Plan dient dabei als Ausgangspunkt, um bestimmte Handlungen zu fördern und andere zu bremsen. Wichtig dabei: "Die Karte ist nicht das Terrain" – ein Plan ist nicht die Reali- tät, sondern eine konkrete Idee, die selbst Teil des Plans wird. St. Galler Management Modell: Beschreibt Organisationen als in ihrer Umwelt agierend und mit verschiedenen Anspruchsgruppen interagierend. Management wird als kollektive Praxis verstanden, in der Kommunikation und Ent- scheidungen situationsbezogen getroffen werden, um die Legitimität der Organisation zu sichern. Es löst Komplexität, bleibt aber selbst komplex, basierend auf der neueren Systemtheorie. Management ist/wird  Gemeinsam praktiziert (kollektive Gestaltungspraxis)  Gegenseitig voneinander abhängig (reziprok)  Eingebettet  Reflexiv (nach Sinn suchend)  Kommunikativ (aus Kommunikationsakten bestehend)  Management löst Komplexität ist aber in sich wiederum komplex. Komplexität (n+1) / Kompliziertheit Komplexität  Menge der Elemente eines Systems = n+1, also mindestens eine Unbekannte  Nur Komplexität kann Komplexität ersetzen (Ashbys Gesetz der requisiten Varietät)  Jede Problemlösung ist ein neues Problem Kompliziertheit Unübersichtliche, auch dynamische, aber grundsätzlich voll erfassbare Anordnung von Elementen Abbildung 1: Triviale und nicht-triviale Maschine Management und digitale Transformationen Digitalisierung und digitale Transformation als Technologietrigger: Digitalisierung bezieht sich auf die Umstellung auf digitale Daten- und Informationsnutzung für effizientere Prozesse. Digitale Transformation bedeutet, diese Technologien für innovative Lösungen und Geschäftsmodelle zu nutzen, wie etwa Echtzeit-Ampelsysteme oder direkte Patienteneinweisun- gen über Apps. Beide Konzepte sind entscheidend für technologische Entwicklungen und zukünftige Zusammenarbeit, besonders durch Fortschritte in dezentraler Datenverarbeitung und generativer KI. Blockchain-Technologie und Smarte Verträge: Blockchain-Technologie basiert auf zwei Hauptkonzepten: 1. Validierung und Verkettung: Transaktionsdaten werden kontinuierlich validiert und in Blö- cken zusammengefasst, die kryptografisch verknüpft sind. Änderungen an einer Transaktion erfordern das Neuverketteln aller nachfolgenden Blöcke. 2. Dezentrale Datenhaltung: Die Blockchain-Daten werden auf vielen Rechnern (Knoten) von unterschiedlichen Teilnehmern repliziert. Ein Konsensprotokoll synchronisiert die Daten und erschwert Manipulationen, weshalb diese Technologie auch als Distributed Ledger Techno- logy (DLT) bezeichnet wird. Die Blockchain kann durch Forks aufgespalten werden, was neue Steuerungsregeln einführt. Ihre Wertigkeit steigt mit der Anzahl vertrauensvoller Mitglieder. Anwendungsbeispiele sind öffentliche Register, Kryptowährungen und Unternehmensfinanzierungen. Smart Contracts und das Internet der Dinge(IoT): Smart Contracts sind automatisierte Anweisungen, die auf einer Wenn-dann-Logik basieren und Akti- onen selbstständig ausführen. Sie ermöglichen die Automatisierung von Prozessen, beispielsweise im IoT, wie das automatische Aussortieren medizinischer Produkte bei Überschreitung einer Kühltempe- ratur. Sie können an Bedingungen gekoppelt werden, die in der Blockchain festgehalten sind, was auch Zah- lungen oder die Übertragung von digitalen Gütern (Tokens) umfassen kann. Smart Contracts bieten Transparenz, da die Bedingungen in der Blockchain aufgeführt sind. Aller- dings sind sie nicht primär rechtssicher und unterscheiden sich von smarten Verträgen, die rechtlich festgelegt sind. Die Nutzung von Smart Contracts kann Risiken bergen, da nachträgliche Änderungen schwierig sind und unklare Haftungsfragen für Programmierfehler bestehen. Zudem müssen rechtliche Aspekte in jedem betroffenen Land berücksichtigt werden, was ihre Implementierung komplex macht. Dezentrale Autonome Organisation (DAOs): DAOs bestehen aus mehreren Smart Contracts, die einen Steuerungsmechanismus haben und auto- nom interagieren, oft mit minimaler menschlicher Einmischung. Sie sind wichtig für die Anpassungs- fähigkeit von Unternehmen, insbesondere mit fortschrittlicher Informationstechnologie. Chancen: DAOs können Wertschöpfungskonfigurationen optimieren, Intermediäre ausschalten, Prüf- prozesse automatisieren und Geschäftsbeziehungen verändern. Dadurch lassen sich Transaktionskos- ten senken und Zeit sparen. Herausforderungen: Technologische Unreife, Tokenisierung von Vermögensgegenständen, Manage- ment von Kryptowährungen und die Integration in staatlich regulierte Währungen sind Probleme. Ausserdem ist die Durchführung von Abstimmungsprozessen innerhalb der Gemeinschaft eine Her- ausforderung. Generative Künstliche Intelligenz: GKI nutzt maschinelles Lernen und Algorithmen zur Erstellung neuer Daten basierend auf vorhande- nen Informationen. Im Organisationsdesign kann GKI dazu beitragen, aus grossen Datenmengen Er- kenntnisse zu gewinnen und bessere Entscheidungen zu treffen. Herausforderungen: Datenqualität und Verständnis der Technologie (komplexe Algorithmen können Interpretation der Ergebnisse erschweren) Zukunftsausblick:  Autonome KI: In Zukunft könnten autonome generative KIs selbstständig agieren, was zu neuen Risiken, wie z.B. Sicherheitsbedrohungen oder ethischen Problemen, führen könnte.  Human-in-the-loop: Das Konzept, dass menschliche Entscheidungsträger immer noch eine zentrale Rolle spielen, bleibt wichtig, um ethische und sicherheitsrelevante Aspekte zu kon- trollieren. Unersetzliche menschliche Reflexivität: Menschen besitzen eine kritische Reflexivität, die für die Entscheidungsfindung im Management unerlässlich ist. Diese Fähigkeit ermöglicht es, Unsicherheiten zu konfrontieren und kreative Ansätze abzuwägen. Rolle der generativen KI: Obwohl KI nicht die Entscheidungen selbst trifft, kann sie das Management erheblich unterstützen, indem sie:  Szenarien entwickelt: KI kann verschiedene Szenarien simulieren, die Entscheidungsfin- dungsprozesse erweitern und neue Möglichkeiten eröffnen.  Entscheidungsqualität verbessert: Durch die Analyse von hochwertigen, vielfältigen Daten kann KI die Qualität von Entscheidungen fördern, vorausgesetzt, dass die Daten frei von Bias sind. Komplexität vs. Kompliziertheit: Der Einsatz von KI macht die Unterscheidung zwischen komplexen und komplizierten Problemen wichtig, insbesondere bei reflexiven Themen wie gesellschaftlicher und unternehmerischer Verantwortung. Fragen Fallbeispiel Moonwatch S.48 1. Welche Rolle spielt der Umgang mit Komplexität für die Firma Swatch? Der Umgang mit Komplexität ist für Swatch entscheidend, um sich im wettbewerbsintensiven Uh- renmarkt zu positionieren. Die Einführung der MoonSwatch zeigt, wie das Unternehmen auf Markttrends reagiert, die Nachfrage analysiert und Produkte entwickelt, die sowohl zugänglich als auch ansprechend sind. Dies erfordert eine effektive Managementstrategie, um sowohl Pro- duktionskapazitäten als auch Marketingansätze flexibel anpassen zu können. 2. Welche grundsätzlichen Strategien im Umgang mit Komplexität sind zu erkennen? Ausprobieren: Swatch hat mit der MoonSwatch eine neue Produktlinie eingeführt, die das beste- hende Portfolio ergänzt. Dies zeigt den Willen, innovative Ansätze zu testen, um den Umsatz zu steigern. Vereinfachung: Durch die Schaffung eines erschwinglicheren Modells (MoonSwatch) wird die Komplexität der Preisschichten innerhalb des Portfolios reduziert. Das erleichtert den Kunden die Kaufentscheidung, kann jedoch dazu führen, dass die Wertschätzung für das teurere Originalmo- dell beeinträchtigt wird. 3. Die Produktion der MoonSwatch läuft weitgehend vollautomatisch. Inwiefern kann man bei diesem Prozess bei Swatch von einem sozio-technischen System sprechen? Technische Aspekte: Die weitgehende Automatisierung der Produktion zeigt, dass moderne Ma- schinen und Technologien zum Einsatz kommen, um Effizienz und Präzision zu gewährleisten. Diese technologischen Systeme sind entscheidend für die Massenproduktion und gewährleisten eine konstante Qualität der Produkte. Soziale Aspekte: Menschen spielen eine wichtige Rolle im Produktionsprozess, indem sie Maschi- nen bedienen, überwachen und warten. Diese menschlichen Elemente sind notwendig, um sicher- zustellen, dass die Technologie effektiv eingesetzt wird und Probleme schnell gelöst werden kön- nen. 4. Offenbar kann Nick Hayek als CEO von Swatch im Namen des Unternehmens Swatch sprechen. Ist seine Kommunikation in diesem Fall als individuelle Aktivität oder Teil des sozialen Systems zu verstehen? Nick Hayeks Kommunikation ist primär Teil des sozialen Systems von Swatch. Während seine Aus- sagen individuelle Elemente seiner Persönlichkeit reflektieren, repräsentiert er als CEO das ge- samte Unternehmen und dessen Werte. 5. Inwiefern kann die Blockchain-Technologie zur Leistungserstellung bei Swatch beitragen? Transparenz und Rückverfolgbarkeit: Sicherstellung der Herkunft von Materialien, was Vertrauen schafft. Smart Contracts: Automatisierung von Prozessen wie Bestellungen und Lieferungen, die Effizienz steigern. Dezentrale Produktion: Flexibilität in der Produktion, um schnell auf Marktveränderungen zu rea- gieren. Kundendaten: Sichere Erfassung von Kundendaten zur Verbesserung von Marketingstrategien. Innovative Geschäftsmodelle: Entwicklung neuer Angebote, wie digitale Uhren, zur Erschliessung zusätzlicher Einnahmequellen. Überprüfungsfragen 1. Weshalb gibt es heute komplexere Theorien als früher? Komplexere Theorien entstanden aufgrund der zunehmenden Komplexität der Welt, die durch Technologie, globale Vernetzung und dynamische Märkte geprägt ist. Diese Faktoren erfordern neue Organisationskonzepte zur effektiven Bewältigung vielfältiger Beziehungen und Unsicherhei- ten. 2. Was bedeutet Ashby’s Gesetz der ‚erforderlichen Varietät‘? Ashby’s Gesetz besagt, dass die Varietät eines Systems mindestens so gross sein muss wie die Va- rietät der Herausforderungen, denen es begegnet. Das bedeutet, um komplexe Probleme zu lö- sen, sind ebenso komplexe und vielfältige Lösungen erforderlich. Ashby’s „Gesetz der erforderli- chen Varietät“: Die Lösungen für komplexe Probleme sind wiederum komplex, das heisst nur „Komplexität kann Komplexität ersetzen“ 3. Was ist der Unterschied zwischen trivialer und nicht-trivialer Maschine? Triviale Maschinen haben vorhersagbare Ergebnisse und verarbeiten bekannte Variablen, wäh- rend nicht-triviale Maschinen unvorhersehbare Ergebnisse erzeugen und sich mit unbekannten Variablen befassen. 4. Erläutern Sie die Abkürzung „VUKA“. VUKA steht für volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Diese Begriffe beschreiben die heraus- fordernden und dynamischen Bedingungen, unter denen Organisationen heute operieren müssen. 5. Bennen Sie die fünf Strategien zum Umgang mit Komplexität. Ausprobieren, Ausblenden, Rationale Analyse, Vereinfachung, Intuitive Bewertung 6. Was ist eine grundsätzliche Definition eines Systems? Systeme sind „eine Menge von Elementen, zwischen denen Beziehungen bestehen oder herge- stellt werden können“ 7. Nennen Sie Charakteristika eines Systems. Kommunikation und Entscheidung, Selbsterzeugend und -referenziell, Selektive Wahrnehmung und Grenzziehung, Individuen als Träger des Systems, Dynamik und Anpassungsfähigkeit 8. Wie hängen Kommunikation und Entscheidung gemäss Systemtheorie zusammen? Kommunikation sichert das System, indem sie Entscheidungen ermöglicht und deren Umsetzung fördert. Entscheidungen sind essenziell für das Überleben und die Entwicklung des Systems. 9. Warum ist das Bewusstsein für eine Grenzziehung von Systemen wichtig für das Verständnis von Organisationen? Grenzziehung hilft Organisationen, ihre Identität zu definieren und Komplexität zu reduzieren, in- dem sie nur relevante Teile ihrer Umwelt wahrnehmen und verarbeiten. 10. Wie hängen Personen und Systeme zusammen? Personen sind Träger des Systems, und ihre individuellen Handlungen beeinflussen das System, während das System selbst unabhängig von den Individuen existiert und funktioniert. 11. Aus welchen Komponenten besteht der sozio-technische Ansatz? Der sozio-technische Ansatz berücksichtigt die gleichwertige Beziehung zwischen Mensch, Technik und Organisation und betont die Wechselwirkungen dieser Elemente im Kontext der Wertschöp- fung. 12. Welche drei Phasen einer Systemveränderung lassen sich beschreiben? Variation, Selektion, Retention 13. Was bedeutet Management in komplexen Systemen? Management in komplexen Systemen bedeutet, dass Führungskräfte Strategien entwickeln, um flexible Kommunikations- und Entscheidungsprozesse zu fördern, ohne direkte Kontrolle über alle Variablen zu haben. 14. Erläutern Sie die Metapher der Organisationsentwicklung „Die Karte ist nicht das Terrain“ und ihre Bedeutung für die Organisationsentwicklung. Diese Metapher verdeutlicht, dass Pläne und Strategien lediglich Modelle der Realität sind, die nicht die tatsächlichen Bedingungen und Dynamiken widerspiegeln. Für die Organisationsent- wicklung ist es wichtig, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und sich an die tatsächlichen Ge- gebenheiten anzupassen, anstatt starr an den Plänen festzuhalten. Kapitel 3: Klassische Organisationsstrukturen Beurteilungskriterien Organisatorische Problemlösungen müssen beurteilt werden hinsichtlich:  Markt und Wettbewerbsorientierung  Flexibilität: Handlungs und Anpassungsfähigkeit  Innovationsfähigkeit: Produkt, Prozess und Strukturinnovation  Führungsprozess-Effizienz: Zielgerichtete Führungsprozesse (PEAK planen, entscheiden, ausführen, kontrollieren)  Leistungsprozess-Effizienz: Optimale Leistungserstellung  Humanressourcen-Effizienz: Optimaler Mitarbeitendeneinsatz  Sachressourcen-Effizienz: Optimale Ressourcenallokation Beurteilungskriterien müssen jeweils situativ definiert werden. Primär- und Sekundärorganisation Die Organisationsstruktur einer Organisation gliedert sich in Aufbau- und Ablauforganisation. Die Aufbauorganisation befasst sich mit der Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung gemäss dem organisatorischen Kongruenzprinzip. Sie bildet eine hierarchische Struktur (Primärorga- nisation), die auf Dauer angelegte Stellen umfasst. Die Primärorganisation kümmert sich um das Kerngeschäft und Routineaufgaben. Falls Probleme auftreten, die in der Primärorganisation nicht ge- löst werden können, wird eine Sekundärorganisation hinzugefügt, um diese zu lösen. Es gibt verschiedene klassische Organisationsformen:  Primärorganisationen: o Funktionale Organisation (Verrichtungen) o Divisionale Organisation (Spartenorganisation, nach Objekten: Produkten, Kunden, Regionen) o Mehrdimensionale Organisation (Matrixorganisation, Verrichtungen und Objekten) o Holdingorganisationen (rechtlich selbständigen Unternehen)  Sekundärorganisationen: o Projektorganisation o Prozessorganisation Die Wahl der Organisationsform hängt von externen Faktoren wie Wettbewerbsfähigkeit, Flexibilität und Innovationsfähigkeit ab. Unternehmen werden oft in Form einer Dualorganisation ausgestaltet. Die Verbindung aller dauerhaften Stellen und Gremien schafft eine hierarchische Struktur die als Pri- märorganisation bezeichnet wird. Die Primärorganisation wird oft durch hierarchieübergreifende, flexible Strukturen ergänzt (Sekun- därorganisation) Die Begriffe Rahmenorganisation (ganze Unternehmung) resp. Detailorganisation (Abteilung) wei- sen unterschiedliche Bezüge auf. Funktionales Organisationsdesign  Unterteilt Organisation nach Funktionen (Finanzen, Produktion, Marketing…)  Jede Abteilung auf bestimmte Aufgabe spezialisiert  Hierarchische Struktur  Einlinienprinzip  Meist in KMU mit stabilem Umfeld verbreitet Vorteile:  Gut kontrollierbare, steuerbare Struktur für Führungskräfte in den Leitungsstellen  Leicht verständliche, überschaubare Struktur für die Ausführungsstellen  Nutzung von Spezialisierungseffekten  Einfache Zuordnung von Erfolgen und Fehlern Nachteile:  Hoher Kommunikations- und Koordinationsaufwand durch Schnittstellenprobleme.  Gefahr von Bereichsegoismen  Überlastung der Führung (Kamineffekt).  Schwierigkeit, auf externe Veränderungen schnell zu reagieren  zu starke Spezialisierung Wie muss Führungsperson sein?  Koordinations- und Kommunikationsfähigkeit  Entscheidungsstärke  Fähigkeit der Delegation  Belastbarkeit  Strategische Weitsicht  Empathie und soziale Kompetenzen Divisionale Organisation/Geschäftsbereichorganisation (divisional / Sparten)  Vor allem in grossen Unternehmen  die Einheiten werden nach Produkten, Märkten, Regionen oder Kunden in eigenständige Ge- schäftsbereiche gegliedert  Sparten agieren weitgehend autonom  Geschäftsleitung konzentriert sich auf strategische Entscheidungen  geeignet v.a. für mittlere und grosse Mehrproduktunternehmen, die sich in einer dynamischen Unternehmensumwelt befinden. Ein Beispiel zeigt, dass eine osteuropäische Division durch Preisunterbietung den Erfolg der westeu- ropäischen Division gefährdete („Kannibalisierung“), da die Zentralbereiche dies nicht verhinderten. Das Center-Konzept fördert unternehmerische Eigenständigkeit und Flexibilität der Bereiche, wobei vier Formen unterschieden werden: 1. Cost-Center: Verantwortlich für die Kosten. 2. Profit-Center: Verantwortlich für Umsatz und Gewinn. 3. Investment-Center: Verantwortlich für Umsatz, Gewinn und Investitionen. 4. Service-Center: Verantwortlich für Leistung und Kosten. Vorteile:  Selbstverantwortliche und schnellere Entscheidungsfindung innerhalb der Geschäftsbereiche  Entlastung der Unternehmensführung durch Delegation von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen an Geschäftsbereiche  Eigenständige Division reagieren flexibel auf Änderungen und ermöglichen eine bessere Er- folgsbeurteilung  Unternehmerische Eigenständigkeit der Geschäftsbereiche kann die Motivation der Mitarbei- tenden erhöhen  Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von Mitarbeitenden im Geschäftsbereich durch starke Ob- jektorientierung Nachteile:  Spartenegoismus  Doppelspurigkeit und dadurch suboptimale Ressourcenallokation  Hoher Koordinationsaufwand.  Mehr qualifizierte Führungspersonen erforderlich.  Risiko von Abstimmungsproblemen zwischen Geschäftsbereichen und zwischen den Ge- schäftsbereichen und den Zentralbereichen Führungsherausforderungen  Zusammenhalt aufrecht erhalten  Aufbau Kommunikationsprozesse  Balance zwischen Autonomie und Integration  Konfliktlösungsorientiert Matrixorganisation  Mehrdimensionale Organisationform  Zwei oder mehr Gliederungsmerkmale, z.B. Funktionen und Produkte gleichzeitig  Mehrlinienorganisation  Mitarbeitende sind mehreren Vorgesetzen unterstellt  geeignet v.a. für grosse Mehrproduktunternehmen, die sich in einer dynamischen Unterneh- mensumwelt befinden Vorteile:  Ganzheitliche, innovative Problemlösungen in Teams durch institutionalisierte Konflikte.  Entlastung der Unternehmensführung durch spezialisierte Leistungsfunktionen (Matrixstel- len).  Flexible Anpassung an Umfeldbedingungen und Marktveränderungen.  Kurze Kommunikationswege und eine höhere Mitarbeiterbeteiligung an Entscheidungen.  Hierarchie steht nicht im Vordergrund, sondern selbstgesteuerte Teams  Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeitende Nachteile:  Hoher Koordinationsaufwand und zeitintensive Entscheidungsprozesse.  Problematische Kompetenzabgrenzung durch Mehrfachunterstellung der Ausführungsstelle (Matrixschnittstellen)  Risiko zu vieler Kompromisse und Bürokratisierung.  Hohe Anforderungen an Führungskräfte und Informationsverarbeitung. Die Matrixorganisation eignet sich vor allem für wissensintensive und große Unternehmen, die in dy- namischen Umfeldern agieren und auf kreative Lösungen angewiesen sind. Führungsherausforderungen:  Entscheidungen über Zielkonflikte werden an Top-Management zurückgetragen  Loyalitätskonflikte bei Mitarbeiter mit mehreren Vorgesetzen  Ausspielen der Vorgesetzen durch Mitarbeitenden  Konfliktfähig, kommunikativ, Flexibilität Formen der Sekundärorganisation Projektorganisation  Ergänzt bestehende Primärorganisation  Umfasst hierarchische Struktur und Abläufe eines Projekts  Projekte sind: o Zeitlich befristet o Neuartig und oft komplex o Schwer in bestehende Primärorganisation zu integrieren o Interdisziplinären Charakter und bringen Risiken  Effiziente und effektive Durchführung Je nach Grad der organisatorischen Eigenständigkeit und Strukturierung kann die Projektorganisation verschiedene Ausprägungen annehmen. Folgende 3 Grundformen: Stabsprojektorganisation  Spezielle Stabstellen eingerichtet, die ausschliesslich der Projektkoordination dienen  Stabstellen haben keine Entscheidungsbefugnisse oder Weisungsbefugnisse  Rein beratend, greifen nur bei Bedarf als Vermittlungsinstanz ein  Verändert bestehende Organisationform kaum, leicht umzusetzen und wird oft gut akzeptiert  Konflikte zwischen Linienmitarbeitenden und den Stabstellen, vor allem bei Projektverantwor- tung oder Identifikation mit Projekt Vorteile:  Einfache Implementierung: Leicht in bestehende Strukturen integrierbar.  Hohe Akzeptanz: Fachliche Kompetenz der Stabsstellen kann zu hoher Akzeptanz führen.  Geringe organisatorische Störungen: Die Primärorganisation wird kaum verändert. Nachteile:  Keine Entscheidungsbefugnisse: Stabsstellen haben keine direkte Autorität, was ihre Wirk- samkeit einschränken kann.  Konfliktpotenzial: Spannungen zwischen Stabsstellen und Linienmitarbeitenden möglich, ins- besondere bei Übernahme von Projektverantwortung.  Geringe Identifikation: Mitarbeitende identifizieren sich möglicherweise weniger mit dem Projekt. Matrixprojektorganisation  kombiniert die bestehende funktions- oder objektorientierte Struktur der Primärorganisation mit einer horizontalen Projektstruktur  Mitarbeitende übernehmen sowohl ihre regulären Aufgaben als auch projektbezogene Tätigkei- ten  Projektleitung hat dabei fachliche Entscheidungskompetenzen und teils auch disziplinarische Be- fugnisse in die Linie  Doppelunterstellung, bei der die Mitarbeitenden Anweisungen sowohl von der Primärorganisa- tion als auch von der Projektleitung erhalten  kann Konflikte verursachen Vorteile:  Bereichsübergreifende Zusammenarbeit: Fachliche Kompetenzen aus verschiedenen Berei- chen werden gebündelt.  Komplexitätsbewältigung: Geeignet für komplexe Projekte, die spezielle Expertise erfordern.  Förderung kreativer und innovativer Lösungen: Zusammenarbeit fördert qualitativ hochwer- tige Projektergebnisse. Nachteile:  Konfliktpotenzial: Doppelunterstellung kann zu Spannungen und Konflikten führen.  Schwierige Verantwortungszuweisung: Bei Fehlern oder Misserfolgen ist die klare Zuordnung schwierig.  Erhöhte Belastung für Mitarbeitende: Zusätzliche projektbezogene Aufgaben neben den re- gulären Tätigkeiten. Reine Projektorganisation  Mitarbeitende werden vollständig aus der Primärorganisation herausgelöst  Klare temporäre Vorgesetzten-Mitarbeitenden-Verhältnisse  Neben diesen zeitlich befristeten Projektstrukturen gibt es oft dauerhafte Abteilungen, die Sup- portfunktionen wie Controlling oder Marketing übernehmen. Vorteile:  Eindeutige Weisungsbefugnisse: Klare Hierarchien und Verantwortlichkeiten innerhalb der Projektteams.  Hohe Motivation: Mitarbeitende identifizieren sich stark mit dem Projekt, was die Leistungs- bereitschaft erhöht.  Flexibilität: Schnelle Anpassungen und Entscheidungen sind möglich, da Teams eigenständig arbeiten.  Spezialisierung: Mitarbeitende können ihre Fähigkeiten gezielt in einem Projekt einsetzen. Nachteile:  Fragmentierung: Mögliche Abkopplung von der Gesamtorganisation, was zu einem Verlust der Unternehmensidentität führen kann.  Ressourcenengpässe: Schwierigkeiten bei der Bedarfsgerechten Bereitstellung von Ressour- cen, da diese temporär gebunden sind.  Wissensmanagement: Herausforderungen bei der Dokumentation und dem Austausch von Wissen zwischen Projekten.  Doppelte Strukturen: Parallele Organisationen können ineffizient sein, wenn nicht ausrei- chend koordiniert wird. Führungscharakteristik  Organisatorische Fertigkeiten  Vertrauen  Kommunikationsfreudig  Arbeit im Team  Langfristig wie kurzfristig orientiert  Flexibilität und Responsivität Prozessorganisation  Prozessorganisation wird als Sekundärorganisation eingeführt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, da Primärorganisationen oft nicht in der Lage sind, abteilungsübergreifende Abläufe zu berücksichtigen  Ziel der Prozessorganisation ist es, Innovationsfähigkeit, Qualität, Flexibilität sowie Kosten- und Zeitreduktion zu fördern.  Fokussierung auf einen zentralen Kernprozess im Vordergrund, unterstützt durch gut dokumen- tierte Ablauforganisationen und die Implementierung von Support- und Führungsprozessen  Ausgangspunkt ist die Erfassung der Kundenwünsche, während der Endpunkt die Lieferung des Produkts oder die Erbringung der Dienstleistung ist. Vorteile:  Erhöhte Innovationsfähigkeit und Qualität  Bessere Kundenorientierung und -zufriedenheit  Geringerer Koordinationsaufwand  Motivation und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden Nachteile:  Komplexität der Prozesse kann zu suboptimalen Gesamtprozessen führen.  Notwendigkeit kompetenter Prozessverantwortlicher, um das Zusammenspiel der Teilpro- zesse zu koordinieren.  Risiko der Vernachlässigung von Prozessverantwortlichkeiten in hektischen Situationen. Führungsherausforderungen  Störung: Durch “Strikte Kopplung” können einzelne Störungen gesamten Prozess lahmlegen & enorme wirtschaftliche Schäden verursachen  Komplexität: Aufgrund Kernprozess-Komplexität gibt es keine Stelle mehr, die Gesamtprozess differenziert überblickt  Kooperation: Das Gelingen einer teamförmigen Kooperation ist ein kritischer Erfolgsfaktor Die Prozessorganisation kann als Primärorganisation fungieren, wenn sie konsequent umgesetzt wird, indem die gesamte Organisation in Prozesse unterteilt wird und die traditionelle hierarchische Struktur ersetzt wird. Fazit Eine allgemeingültige Empfehlung für ein optimales Organisationsdesign ist nicht möglich, da es von der spezifischen Situation einer Organisation abhängt. Jedes Unternehmen muss die passende Kom- bination aus Primär- und Sekundärorganisation wählen, um seine Ziele zu erreichen. In der VUKA-Welt erfordert die Globalisierung und Digitalisierung ein resilientes Organisationsdesign, oft unterstützt durch moderne Konzepte. Wichtige Entwicklungen:  Eigenverantwortliche Teams: Übernehmen Entscheidungen ohne umfangreiche Abstimmun- gen.  Netzwerklogik: Fördert Kooperation und erfordert ein Umdenken in der Führung.  Innovative Kommunikationsplattformen: Erleichtern bereichsübergreifende Lösungen. Diese Trends zeigen, dass Organisationen anpassungsfähig sein müssen, um den modernen Anforde- rungen gerecht zu werden. Überprüfungsfragen 1. Wodurch unterscheiden sich Primärorganisationen von Sekundärorganisationen? Primärorganisationen sind die grundlegenden, dauerhaften Strukturen eines Unternehmens, die die Hauptaufgaben und -funktionen abdecken. Sie sind auf die Erfüllung der Kernziele der Organi- sation ausgerichtet. Sekundärorganisationen hingegen sind ergänzende Strukturen, die temporär eingerichtet werden, um spezifische Projekte oder Prozesse zu unterstützen und die Effizienz der Primärorganisation zu verbessern. 2. Warum kann beim funktionalen Organisationsdesign ein Bereichsegoismus aufkommen? Bereichsegoismus tritt im funktionalen Organisationsdesign auf, weil die einzelnen Abteilungen oft nur ihre eigenen Ziele und Interessen verfolgen, anstatt die Gesamtziele der Organisation im Blick zu haben. Diese Fokussierung auf bereichsspezifische Ergebnisse kann zu einer unzureichen- den Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen und somit zu Ineffizienzen führen. 3. Welche Aufgaben haben die Zentralbereiche in einer Geschäftsfeldgliederung? Die Zentralbereiche in einer Geschäftsfeldgliederung übernehmen typischerweise unterstützende Funktionen, die für mehrere Geschäftsbereiche von Bedeutung sind, wie z.B. Controlling, Marke- ting oder Personalmanagement. Sie stellen sicher, dass die zentralen Unternehmensziele erreicht werden und bieten Synergien zwischen den verschiedenen Geschäftsfeldern. 4. Wodurch unterscheiden sich die jeweiligen Center-Konzepte? Die Center-Konzepte unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre Struktur und Funktionalität. Bei- spielsweise gibt es Profit-Center, die für ihre eigenen Gewinne verantwortlich sind, und Cost-Cen- ter, die sich auf Kostenkontrolle konzentrieren. Daneben können auch Investment-Center einge- richtet werden, die für die Kapitalverwendung verantwortlich sind. Jedes Konzept hat spezifische Ziele und Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation. 5. Warum sind in einer Matrixorganisation Konflikte erwünscht? In einer Matrixorganisation sind Konflikte erwünscht, weil sie als Quelle für kreative Lösungen und innovative Ansätze angesehen werden. Die gleichzeitige Anweisung von mehreren Vorgesetzten fördert Diskussionen und unterschiedliche Perspektiven, was letztendlich zu einer besseren Ent- scheidungsfindung und Problemklärung führen kann. 6. Was unterscheidet eine Matrixprojektorganisation von einer reinen Projektorganisation? In einer Matrixprojektorganisation sind Mitarbeitende weiterhin Teil ihrer Primärorganisation und haben sowohl Linien- als auch Projektvorgesetzte. Das bedeutet, dass sie Anweisungen von meh- reren Führungsebenen erhalten. In einer reinen Projektorganisation hingegen sind die Mitarbei- tenden vollständig der Projektleitung unterstellt und agieren unabhängig von ihrer ursprüngli- chen Organisation. 7. Was ist der Unterschied einer Prozessorganisation als Primär- oder Sekundärorganisation? Eine Prozessorganisation als Primärorganisation bedeutet, dass die gesamte Unternehmensstruk- tur auf Prozesse ausgerichtet ist, und somit die klassische hierarchische Struktur ersetzt wird. In diesem Fall sind alle Abläufe und Funktionen prozessorientiert. Eine Prozessorganisation als Se- kundärorganisation hingegen ergänzt eine bestehende Primärorganisation, um die Effizienz be- reichsübergreifender Abläufe zu steigern, ohne die grundlegenden Strukturen der Primärorganisa- tion zu verändern. Kapitel 4: Postheroische/Moderne Organisationskonzepte Multirationales Management als Grundlage für moderne Organisationen  fördert die Akzeptanz unterschiedlicher Perspektiven, entscheidend, um die wachsende Komple- xität von Umweltbedingungen zu bewältigen und Ziele effizient zu erreichen  stärkt Legitimität und Anpassungsfähigkeit von Organisationen Multinationales Management/Kompetenz als Auslöser Drei mögliche Ansätze:  Kooperationen/Netzwerkorganisationen  Holacracy  Exponential Organizsations Mythen Begriffserklärung Kooperationen und Netzwerke  Kooperation kommt von „cooperatio“ (lateinisch) und bedeutet im Wortsinn „Mitwirkung“  Eine Kooperation findet dann statt, wenn zwei oder mehrere Personen (oder Organisationen) zusammen etwas tun, um einen Nutzen für alle zu erreichen  Netzwerke sind eine Gruppe untereinander verbundener Systeme, die in der Lage sind, mitei- nander zu kommunizieren  Kooperationen und Netzwerke heisst immer auch, dass unterschiedliche Interessen, Kultu- ren, Ressourcenausstattungen usw. aufeinandertreffen  Kultur-Eisberge treffen aufeinander  Werte, Normen, Grundüberzeugungen (und Erfahrungen) „steuern“ unser Verhalten Holacracy  Verzichtet auf klassische Hierarchien  Selbstorganisation im Vordergrund  Teams übernehmen Führung und koordinieren selbständig  Mitarbeitende haben dynamische Rollen, die regelmässig angepasst werden, um Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu fördern  Entscheidungen werden transparent getroffen und Zusammenarbeit folgt klaren Regeln, die Ho- lacracy-Verfassung festgehalten sind.  Agile Arbeitweise Wichtige Merkmale von Holacracy:  Keine Vorgesetzten: Führung erfolgt über selbstorganisierende Teams.  Dynamische Rollen: Mitarbeitende übernehmen mehrere, sich ändernde Rollen statt fester Stellenbeschreibungen.  Kreissystem: Teams („Kreise“) sind in über- und untergeordnete Einheiten strukturiert, mit klaren Aufgaben und Verantwortlichkeiten.  Lead Link & Rep Link: Zwei Rollen verbinden die Kreise und sorgen für Informationsfluss und Prioritätensetzung.  Transparenz: Entscheidungen und Rollen sind offen und für alle sichtbar, keine Anweisungen von außen.  Effiziente Meetings: Strukturiert, schnell und ergebnisorientiert.  Holacracy-Verfassung: Regelwerk, das die Autorität von der Führung auf die Teams überträgt („No-Boss-Prinzip“).  Herausforderungen: Mögliche Schattenhierar- chien und Blockaden durch zu viele formalisierte Rollenbeschreibungen. Scaling Agile – agile Skalierung Scaling Agile ist ein Organisationskonzept, das agile Methoden auf verschiedene Teams und Bereiche ausweitet, um Flexibilität und Innovationsfähigkeit zu steigern. Es zielt darauf ab, Organisationen an- passungsfähiger und lernfähiger zu machen, indem iterative Prozesse und dynamische Anpassungen an die Umwelt gefördert werden. Es gibt verschiedene Frameworks wie SAFe® oder LeSS, die als Leit- faden für die Umsetzung dienen. Dabei werden keine starren Ziele gesetzt, sondern flexible Richtli- nien, die je nach Bedarf angepasst werden können. Wichtige Merkmale von Scaling Agile (gemäss Hayes):  Teamgröße: Kleine Teams fördern Transparenz und schnelle Kommunikation.  Spezialisierung der Mitarbeitenden: Fokus auf vielseitig einsetzbare Mitarbeitende (Versati- listen), die breites Wissen haben und agil arbeiten.  Iterationslänge: Kurze, wiederkehrende Arbeitszyklen (Iterationen) ermöglichen schnelles Feedback und Anpassung.  Synchronisierte Kadenz: Koordinierte Arbeitszyklen über mehrere Teams hinweg, um Effizi- enz zu gewährleisten.  Release-Definitionen: Regelmäßige Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen nach vier bis sechs Iterationen, oft angepasst an Geschäftszyklen.  Abschnittsgröße: Arbeit in kleinen, priorisierten Einheiten fördert schnelle Rückmeldung und Flexibilität.  Rolle des Produktinhabers: Verantwortlich für die Koordination und Entwicklung des richti- gen Produkts.  Rolle des Benutzers/Kunden: Enge Zusammenarbeit mit Kunden, um deren Anforderungen frühzeitig zu berücksichtigen. Scaling Agile bezieht sich auf Frameworks, die agile Methoden in Organisationen skalieren, wie SAFe®, Disciplined Agile (DA), LeSS oder Scrum@Scale. Diese Frameworks fördern Flexibilität und An- passungsfähigkeit, erfordern jedoch eine spezifische Unternehmenskultur. Unternehmen müssen ih- ren eigenen Weg zur agilen Skalierung finden, da direkte Übernahmen nicht funktionieren. Beispiel: Spotify nutzt eine modulare, matrixartige Struktur mit funktionsübergreifenden Teams, die Flexibilität und Innovation fördern. Wichtig:  Frameworks für agile Skalierung  Individuelle Anpassung erforderlich  Erfolgsfaktor: geeignete Unternehmenskultur Kooperationen und Netzwerkorganisationen Kooperationen und Netzwerkorganisationen beziehen sich auf unterschiedliche Modelle der Zusam- menarbeit, wie virtuelle oder modulare Organisationen, strategische Allianzen und Netzwerkorgani- sationen. Sie dienen dem Ziel, durch gemeinsame Handlungen Synergien und Nutzen für alle Beteilig- ten zu schaffen. Netzwerkorganisationen zeichnen sich durch ein Zusammenspiel aus Einzelpersonen, Teams oder Unternehmen aus, die miteinander kommunizieren und kooperieren. Sie können intra- oder interor- ganisational sein und sind häufig auf gemeinsame Ziele und Werte ausgerichtet. Besonders in der Praxis zeigt sich, dass Vertrauen und eine geteilte Vision entscheidend für den Erfolg solcher Netz- werke sind. Erfolgsfaktoren für Netzwerkorganisationen (Endres, 2008):  Gemeinsame Ziele und Visionen  Gegenseitiges Vertrauen  Gemeinsame Sprache und direkte Kommunikation  Fähigkeit zur Perspektivübernahme  Kontinuierliche Pflege der Beziehungen Vorteile von Netzwerkorganisationen:  Kostenvorteile in Produktion und Finanzierung  Synergieeffekte bei Entwicklung und Marke- ting  Flexibilität bei schwankender Nachfrage  Unterstützung bei Internationalisierungsstrategien  Kreative Lösungen für Innovationen Netzwerkorganisationen bieten zahlreiche Vorteile, erfordern aber auch eine starke kulturelle Aus- richtung, gute Vertrauensbasis und können pflegeintensiv sein. Sie gelten als wertvolle Option in ei- nem komplexen, globalen Umfeld. Exponential Organizations (ExO)  Denken BIG (oft auch soziale Absicht)  Wollen Welt verändern und streben massive/radikale Transformation an  Output mindestens das Zehnfache dessen beträgt, was nicht-exponentielle Organisationen errei- chen  MTP wird als Vision formuliert. Power of Pull, Community  IDEAS- und SCALE-Elemente von Exponential Organizations sind auf den „Massive Transformative Purpose“ (MTP) ausgerichtet, eine ambitionierte Vision zur Veränderung der Welt.  Eine Organisation wird als Exponential Organization anerkannt, wenn sie mindestens vier der zehn charakteristischen Merkmale aufweist.  Sie nutzen innovative Techniken, um Wachstum zu beschleunigen und betrachten Informationen als wertvolle Ressource für Wettbewerbsvorteile.  Nutzen sie Ressourcen, die sie nicht besitzen, wie z. B. Unterkünfte bei Airbnb oder Fahrzeuge bei Uber.  Anstoß für dieses Konzept liegt in der Digitalisierung, die Organisationen die Chance bietet, expo- nentiell zu wachsen  Entwickelt von Salim Ismail an der „Singularity University“, basiert es auf umfangreichen Analy- sen von Unternehmen und Startups  fünf interne Merkmale zur Förderung von Ordnung und Kontrolle mit fünf externen Merkmalen, die Kreativität und Wachstum unterstützen.  Beispiele: Airbnb, Spotify, GitHub, Valve, Google Ventures, Uber, Tangerine, Local Motors, Schindler, Hilti Flottenmanagement Externen Merkmale - SCALE Staff on Demand  Reduzierte Zahl der Vollzeitmitarbeitenden, Mehrheit Teilzeit, befristet oder Freelancer  Kleines Kernteam, zentrale Managementaufgabe übernimmt  Dadurch flexibler und schnellere Anpassung an Umfeldveränderung möglich Absolventen von Elitehochschulen bringen frisches Wissen und Kreativität mit, während digitale Plattformen die Rekrutierung geeigneter Freelancer erleichtern, besonders im Fachkräftemangel. Community & Crowd Community  Community umfasst Mitarbeiter, Kunden und Partner, die durch einen MTP verbunden sind.  Um das Engagement zu fördern, ist regelmäßige Informationsbereitstellung und Feedback wich- tig, unterstützt durch eine Plattform für Peer-to-Peer-Interaktionen. Crowd  Crowd sehr viel grösser als Community  Innovation (Open Innovation, Plattformen Brightidea /Innocentive)  Validation (Google Adwords)  Zudem können Ressourcen über Crowdfunding generiert werden.  spezifische Aufgaben werden dem Staff on Demand zugewiesen Algorithmen Algorithmen sind Softwaresequenzen, die automatische Analysen großer Datenmengen durchführen und als „Miner“ in den „Datenminen“ fungieren. Die wachsende Datenmenge im Internet, einschließ- lich der von Maschinen (Internet der Dinge), verstärkt die Bedeutung von Algorithmen. Big Data ent- stand durch Web 2.0, Preiszerfall für Speicherplatz und Leistungssteigerung bei Prozessoren. Unternehmen, die große Datenmengen generieren, nutzen Algorithmen zur Analyse, um:  Produktivität zu steigern (z. B. Kostenreduktion in der Gesundheitsversorgung)  Präventive Maßnahmen zu ergreifen (z. B. kein Autowaschen bei Regen)  Partizipation zu ermöglichen (z. B. Crowdsourcing-Plattformen)  Angebote zu personalisieren (z. B. Prämienreduktion für Autoversicherungen)  Voraussagen zu treffen (z. B. Einbruchsprävention) Die Verwendung von Künstlicher Intelligenz in der Datenanalyse bietet entscheidende Wettbewerbs- vorteile. Leveraged Assets (Zugang zu Ressourcen, die man nicht besitzen muss)  Outsourcing auch von Kernprozessen  Unternehmen gewinnen Flexibilität und dadurch schnelles Wachstum möglich Exponential Organizations minimieren Kapitalkosten, indem sie betriebsnotwendige Anlagen mieten anstatt sie zu kaufen. Dies ist besonders effektiv, wenn ein breites Angebot an Ressourcen vorhan- den ist, was durch die Globalisierung in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen ist. Durch das Mieten entfallen die Managementaufgaben des Eigentümers (z. B. Kauf und Wartung), wodurch diese Organisationen flexibler werden und schnelles Wachstum ermöglichen. Sie müssen keine großen Investitionen in teure Maschinen tätigen. Unternehmen wie Apple nutzen dieses Modell, indem sie die Produktion an „Original Equipment Ma- nufacturers“ auslagern. Engagement  Gezielte Steuerung von Kunden und Mitarbeiteraktivitäten  Games/Wettbewerbe kann bsp. Den Inhabern ein Mehrwert geboten werden  Innerhalb von unternehmen können Games zu Schulungszwecken eingesetzt werden Engagement bezeichnet die gezielte Steuerung von Kunden- und Mitarbeiteraktivitäten und ist ent- scheidend, um Netzwerkeffekte in der Community und Crowd zu erzielen. Traditionelle Methoden wie Kundenkarten, Rabattgutscheine und Meilenprogramme werden durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien präziser eingesetzt. Unternehmen setzen zunehmend Gamification-Elemente ein, um Kunden und Mitarbeiter zu motivieren. Durch spielerische Ansätze, die besonders bei den „digital Natives“ beliebt sind, können Organisatio- nen Verhaltensänderungen fördern, das Personal schulen und die Crowd aktivieren, etwa durch Wettbewerbe. Dies erfordert ein Umdenken in der klassischen Anreizgestaltung. Interne Merkmale - IDEAS Interfaces  SCALE-Elemente werden mit IDEAS-Elemente verbunden  möglichst effektive und effiziente Prozesse  Brücke zwischen externen Wachstumstreibern und internen Stabilisatoren. So brechen Systeme nicht zusammen Interfaces sind die Schnittstellen zwischen externen Partnern, wie App-Entwicklern, und den internen Leistungseinheiten von Exponential Organizations. Sie nutzen Algorithmen zur Verarbeitung der SCALE-Elemente und ermöglichen exponentielles Wachstum. Diese Schnittstellen sind entscheidend, um die große Datenmenge, die aus der Interaktion mit der Community entsteht, zu bewältigen. Beispielsweise bieten Mobiltelefon-Stores Millionen von Apps an, die automatisiert verwaltet werden. Algorithmen priorisieren Apps basierend auf Community- Präferenzen, sodass nur die beliebtesten Anwendungen hervorgehoben werden. Dies führt zu inten- sivem Wettbewerb, der nur führenden Produkten langfristig Erfolg verspricht. Dashboards (und Objective Key Results)  Cockpits/digitale Anzeigetafeln, die in Echtzeit wichtige Kennzahlen anzeigen  Sie benötigen Cloud-Lösungen, Sensoren und andere Datenquellen. Ein Beispiel ist Walmart, das einen eigenen geostationären Satelliten für das Echtzeit-Tracking seiner Bestände nutzt. Im Vergleich zur früheren jährlichen oder halbjährlichen Datenerhebung erfordert die heutige Ge- schäftswelt häufigere Aktualisierungen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Exponential Organizations messen zunehmend ihre Lernfähigkeit, um im Wettbewerb erfolgreich zu bleiben. Viele Unternehmen, wie Intel und Google, nutzen „Objectives and Key Results“ (OKR) als Teil ihrer Dashboards. OKRs fördern eine transparente, gemeinsame Zielverwirklichung und regelmäßige Feed- back-Zyklen. Die Merkmale von OKRs umfassen:  Bottom-up-Entwicklung: Ziele und Schlüsselergebnisse werden von Mitarbeitenden und Teams festgelegt.  Qualitative Ziele: Diese beantworten die Frage „Was will ich erreichen?“ und sollten heraus- fordernd sein.  Quantitative Schlüsselergebnisse: Diese zeigen, wie die Ziele erreicht werden können. Experimentation Exponential Organizations bringen kontinuierlich neue oder verbesserte Produkte auf den Markt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie nutzen die „Lean-Startup“-Methode von Eric Ries (2011), die emp- fiehlt, Neuentwicklungen bereits im Prototypen-Stadium potenziellen Kunden vorzustellen. So kön- nen deren Feedbacks zur Optimierung genutzt und Risiken minimiert werden, da echte Kundenbe- dürfnisse oft erst im Entwicklungsprozess klar werden. Ries hat einen datenbasierten, iterativen In- novationsprozess etabliert, der auch in Großunternehmen Beachtung findet. Autonomy Exponential Organizations bestehen idealerweise aus selbstorganisierten, multidisziplinären Teams, die eigenständig arbeiten. Diese Struktur fördert eine offene Vertrauenskultur und steigert die Mitar- beitendenzufriedenheit. Wichtige Grundsätze sind: 1. Fachautorität ist wichtiger als Macht- oder Positionsautorität; Hierarchiedenken wird vermie- den. 2. Verantwortung wird dorthin delegiert, wo sie erforderlich ist. 3. Controlling erfolgt dezentral, beispielsweise durch OKR-Checks in den Teams. 4. Pläne sind dynamisch und flexibel, langfristige Planungen werden minimiert. 5. Die Entwicklung erfolgt selbstgesteuert und evolutionär. Social Technologies  Horizontale Interaktionen ermöglicht in vertikal organisierten Unternehmen Exponential Organizations nutzen moderne Technologien zur Optimierung der Mitarbeiterinteraktio- nen. Während die Kommunikation früher hauptsächlich asynchron über E-Mails erfolgte, ermögli- chen Echtzeit-Updates heute eine sofortige Beobachtung und Reaktion auf Aktivitäten. Die Nutzung von Software für interne Kommunikation und Aufgabenmanagement-Tools fördert die Zusammenarbeit in Teams und hilft, die gesetzten OKRs zu erreichen. Zudem reduzieren diese Sys- teme Geschäftsreisen, was sowohl Kosten spart als auch umweltfreundlicher ist. Ein Vergleich zwischen klassischen Organisationen und Exponential Organizations zeigt wesentliche Unterschiede, wie von Ismail et al. (2014) beschrieben. Jede Organisation kann sich zu einer Expo- nential Organization entwickeln, sofern die Unternehmensleitung dieses Ziel konsequent verfolgt und eine passende Unternehmenskultur aufbaut, die auf den zehn Merkmalen basiert. Beispiele:  Arbeit der Schindler-Monteure mit Smartphones  Nutzung von Cloudlösungen zum Filesharing  Nutzung von Raumverwaltungssoftware  Videoconferencing Vergleich klassische Organisation mit ExO Wie baut man ExO auf? 1. MTP finden/wählen  Welches Problem möchte ich lösen 2. Community zu dieser MTP bilden 3. Team zusammenstellen, alle müssen von MTP gepackt sein (Discovery + Delivery Skills müssen im Team vorhanden sein) 4. Bahnbrechende Idee entwickeln, muss auf MTP passen, muss transformativ sein 5. Businessmodell entwickeln / wählen 6. Prototyp bauen  experimentieren damit 7. Marketingkommunikation starten 8. SCALE + IDEAS implementieren Fazit Die Organisationsform beeinflusst direkt die Zielerreichung. Moderne Organisationskonzepte fördern die Selbststeuerung von Teams, was entscheidend für den Erfolg ist. Mitarbeitende können innova- tive Ideen besser einbringen als in klassischen Strukturen. Hierarchien treten zugunsten funktionsübergreifender Kommunikationsprozesse in den Hintergrund, was komplexe Entscheidungsfindungen erleichtert. Die Verantwortung wird zunehmend an Teams delegiert, wobei die Fähigkeit, diese Verantwortung zu tragen, hinterfragt werden sollte. Zukünftige Forschungsarbeiten müssen zeigen, inwieweit sich moderne Organisationskonzepte etab- lieren können. Überprüfungsfragen 1. Warum können unterschiedliche Rationalitäten(Verstand) beim Denken und Handeln in einer Organisation ein Vorteil sein? Unterschiedliche Rationalitäten in einer Organisation fördern Kreativität und Innovation. Sie er- möglichen es, Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, was zu einer breiteren Pa- lette an Lösungsansätzen führt. Diese Vielfalt an Denkweisen kann die Anpassungsfähigkeit und Resilienz einer Organisation erhöhen, da unterschiedliche Ansichten zu besseren Entscheidungen und effektiveren Problemlösungen führen können. Dadurch kann die Organisation auch auf un- vorhergesehene Herausforderungen flexibler reagieren. 2. Was ist unter dem „No-Boss-Prinzip“ bei Holacracy zu verstehen? Das „No-Boss-Prinzip“ bei Holacracy bedeutet, dass es keine traditionelle hierarchische Struktur gibt, in der ein einzelner Vorgesetzter die Entscheidungen trifft. Stattdessen übernehmen Teams selbstorganisiert Verantwortung und treffen Entscheidungen in ihren spezifischen Rollen. Dies för- dert die Eigenverantwortung, das Engagement und die Initiative der Mitarbeitenden, da sie direkt in die Entscheidungsprozesse eingebunden sind. 3. Was ist mit „Hierarchie der Kreise“ bei Holacracy gemeint? Die „Hierarchie der Kreise“ bei Holacracy bezieht sich auf die Struktur, in der Organisationen in verschiedene Kreise unterteilt sind. Jeder Kreis hat spezifische Verantwortlichkeiten und Ziele, wo- bei die Kreise miteinander verbunden sind. Höhere Kreise koordinieren die Aktivitäten der unteren Kreise und stellen sicher, dass die Gesamtziele der Organisation erreicht werden. Diese Struktur ermöglicht eine flexible und dynamische Anpassung an Veränderungen. 4. Welche Rolle spielen „Frameworks“ bei Scaling Agile? „Frameworks“ spielen eine entscheidende Rolle beim Scaling Agile, da sie die Anwendung agiler Prinzipien auf größere und komplexere Organisationen ermöglichen. Sie bieten bewährte Metho- den und Strukturen, die Teams helfen, agiles Arbeiten effizient zu implementieren. Frameworks wie SAFe oder LeSS unterstützen die Koordination zwischen verschiedenen Teams und Abteilun- gen und fördern die Zusammenarbeit, um die Produktivität und Flexibilität zu erhöhen. 5. Was sind wichtige Voraussetzungen, um eine Netzwerkorganisation bilden zu können? Wichtige Voraussetzungen für die Bildung einer Netzwerkorganisation sind:  Vertrauen: Eine offene und vertrauensvolle Kultur, die Zusammenarbeit fördert.  Technologische Unterstützung: geeignete digitale Plattformen und Tools zur Kommunikation und Zusammenarbeit.  Flexibilität: Die Fähigkeit, sich schnell an Veränderungen im Markt oder in der Umgebung an- zupassen.  Klare Ziele: Ein gemeinsames Verständnis von Vision und Zielen, um alle Beteiligten zu moti- vieren. 6. Was könnten wesentliche Vorteile einer Netzwerkorganisation sein? Wesentliche Vorteile einer Netzwerkorganisation umfassen:  Erhöhte Agilität: Schnelle Anpassung an Veränderungen und Marktanforderungen.  Ressourcenteilung: Zugang zu einem breiteren Spektrum an Ressourcen und Fachkenntnissen durch externe Partnerschaften.  Innovation: Förderung von kreativen Lösungen durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure.  Kosteneffizienz: Minimierung der Fixkosten durch die Nutzung externer Ressourcen. 7. Warum ist im Modell Exponential Organization der MTP (Massive Transformative Purpose) so wichtig?¨ Der MTP (Massive Transformative Purpose) ist im Modell der Exponential Organizations wichtig, weil er als zentraler Antrieb für die Organisation dient. Er motiviert und inspiriert Mitarbeitende und Stakeholder, indem er ein gemeinsames Ziel definiert, das größer ist als das Unternehmen selbst. Der MTP fördert das Engagement, die Zusammenarbeit und die Innovation, was zu einem exponentiellen Wachstum der Organisation beiträgt. Er ist somit entscheidend für die Ausrichtung und den Erfolg der Organisation. Kapitel 5: Agiles Management Wozu Agiles Management? Agiles Management bezieht sich auf die Anpassung von Organisationen an zunehmend komplexe und unvorhersehbare Umfelder (VUKA-Kontext). Dabei wird hinterfragt, ob Unternehmen in einem stabi- len, planbaren Umfeld agieren oder mit Unsicherheiten umgehen müssen. Ein zentraler Aspekt des Agilen Managements ist die „Responsivität“, also die Fähigkeit von Organisationen, flexibel auf Ver- änderungen zu reagieren, um erfolgreich zu bleiben. Diese Denkweise wurde bereits im „Responsive Manifesto“ von 2014 formuliert. Agiles Management umfasst neue Führungs- und Organisationsfor- men, wie Agilität und Selbstorganisation, die besonders in unvorhersehbaren Umfeldern von Bedeu- tung sind. Agilitätsbegriff Was ist gemeint mit Agilität? Agilität im Management bezieht sich auf die Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit von Organisatio- nen, insbesondere in dynamischen und komplexen Umfeldern. In der Literatur gibt es verschiedene Ansätze, wie Agilität definiert wird:  Sprachliche Bedeutung: Agilität wird mit Beweglichkeit, Flinkheit und Aktivität beschrieben (Wirtz & Dorsch, 2020).  Fähigkeit: Die Fähigkeit, in einer sich ständig und unvorhersehbar verändernden Wettbe- werbsumgebung erfolgreich zu agieren (Goldmann, 1996).  Strategie: Anstelle von starren Zielen wird eine flexible Richtungsbestimmung gewählt, die genügend Raum für Anpassungen lässt (Klaffke, 2019). Im Agilen Management geht es darum, in Bezug auf folgende Aspekte flexibel zu sein:  Äußere Einflussfaktoren  Kundenbeziehungen  Produkte  Organisationsstrukturen Gegenteil von Agilität:  zu starren Plänen über längere Zeiträume  Formalen Hierarchien. Ursprung: Agiles Manifest Das Agile Manifest entstand 2001 in der Softwareentwicklung und legt folgende Kernwerte fest:  Individuen und Interaktionen über Prozesse und Werkzeuge  Funktionierende Software über Dokumentation  Zusammenarbeit mit Kunden über Vertragsverhandlungen  Reagieren auf Veränderungen über das Befolgen eines Plans Diese Prinzipien fördern Flexibilität, Zusammenarbeit und Fokus auf funktionierende Ergebnisse. Das Manifest beeinflusst heute nicht nur die Softwareentwicklung, sondern auch Bereiche wie Pro- duktentwicklung und Projektmanagement. Wasserfallprozess vs. Agiler Prozess Wasserfall:  Vor 2001 Softwareentwicklung hauptsächlich  Lineare Ansatz  Folgt festen Schritten: Anforderungen erfassen, Design erstellen, Code schreiben, Software testen und schließlich ausliefern.  Keinen Kontakt mit Kunden (führe zu Problemen da Anforderungen nicht gerecht) Agiler Prozess:  Kurze Entwicklungszyklen  Nach jedem Zyklus eine Produktversion erstellt und mit Kunden abgestimmt  Flexibel, ermöglich schnelle Veränderung reagieren (VUKA) Der agile Prozess hat den Wasserfallprozess in der Softwareentwicklung nahezu vollständig abgelöst, da er in der modernen, schnelllebigen Welt der Digitalisierung und Globalisierung bessere Ergebnisse liefert. Agil verstehen Agile Methoden und Frameworks Für die Gestaltung agiler Prozesse haben sich verschiedene Methoden und Frameworks etabliert, die auch außerhalb der Softwareentwicklung Anwendung finden. Zu den bekanntesten gehören Scrum, Kanban, OKR und Design Thinking, die auf folgenden zentralen Bausteinen basieren:  Konsequente Nutzerorientierung  Selbstorganisation der Teams  Fokussierung auf kurze Zeitzyklen  Erhöhte Transparenz der Arbeit  Erhöhte Reflexivität Überblick über die Methoden:  Scrum: Die am weitesten verbreitete Methode für agile Prozesse, besonders in Softwareent- wicklungsteams.  Kanban: Fokussiert auf die Visualisierung des Arbeitsflusses und die Begrenzung der gleich- zeitigen Aufgaben (Work in Progress Limits). Mithilfe von Kanban-Boards wird der Fort- schritt sichtbar gemacht, und Teammitglieder organisieren ihre Aufgaben selbst (Pull-Prin- zip).  OKR (Objectives and Key Results): Setzt auf kurze Zeitzyklen in der Zielsetzung und Erfolgs- messung. Ziele werden in der Regel alle drei Monate neu definiert, im Gegensatz zu jährli- chen Zielvorgaben.  Design Thinking: Betont die Nutzerorientierung und frühe Einbindung der Nutzer durch schnelle Prototypen und Tests. Es dient als agile Methode zur systematischen Innovation. Diese Methoden unterstützen die Agilisierung von Prozessen und fördern Flexibilität sowie eine ver- besserte Zusammenarbeit. Being Agile vs. Doing Agile Im agilen Management ist es wichtig, zwischen "Being Agile" und "Doing Agile" zu unterscheiden. Diese Unterscheidung verdeutlicht, dass der Fokus nicht nur auf der Methode selbst liegen sollte, sondern auf den zugrunde liegenden Werten und Prinzipien, die die Zusammenarbeit in einer Organi- sation prägen. Wesentliche Punkte:  Werte und Prinzipien: Die zentralen Fragen sind: o Was ist in der Zusammenarbeit wichtig? o Welchen Werten möchte die Organisation folgen?  Doing Agile: o Bezieht sich auf die Anwendung spezifischer Methoden und Praktiken (z. B. Scrum, OKR). o Fokus liegt auf den technischen Aspekten und Vorgehensweisen.  Being Agile: o Betont die Werte und Prinzipien hinter den Methoden. o Geht um eine grundlegende Einstellung und Kultur der kontinuierlichen Verbesse- rung. Prozess zur Entwicklung von Agilem Management: 1. Reflexion der gewünschten Werte: o Klärung, was in der Zusammenarbeit wichtig ist. 2. Definition von Prinzipien: o Festlegung allgemeingültiger Spielregeln, die helfen, die Werte zu leben. 3. Umsetzung durch agile Praktiken: o Identifikation praktischer Maßnahmen zur Umsetzung der Prinzipien. 4. Einführung agiler Methoden: o Auswahl von Methoden, die diese Praktiken unterstützen. In der Praxis wird häufig zu schnell auf Methoden wie Scrum zurückgegriffen, ohne zuvor die ge- wünschten Werte und Prinzipien zu reflektieren. Daher sollte die Entscheidung für eine agile Me- thode idealerweise erst nach dieser Reflexion getroffen werden. Agile Prinzipien Zu Beginn der Entwicklung von Agilem Management stehen die organisationalen Herausforderungen im Mittelpunkt. Es gilt zu klären, welche agilen Prinzipien helfen können, diese Herausforderungen anzugehen. Diese Prinzipien können unabhängig von spezifischen Methoden implementiert werden.  Verantwortung im Team (Selbstorganisation)  Regelmäßige Feedbackzyklen  Limitierung der laufenden Arbeiten (Work in Progress Limit)  Fluss der Arbeit visualisieren  Anforderungen kontinuierlich aufnehmen (z. B. auf „Backlogs“)  Iterative Planung in kurzen Abschnitten (z. B. „Sprints“)  Integrierte Lernschleifen (z. B. „Retrospektiven“)  Transparente Prozesse  Lieferergebnisse in Bestandteilen („Inkremente“)  Pull-Prinzip (die Teammitglieder ziehen selbst neue Aufgaben) Agile Methoden im Detail Scrum Scrum ist eine weitverbreitete agile Methode, die sich ursprünglich an der Teamarbeit im Rugby ori- entiert. Der Vergleich beschreibt, dass die Zusammenarbeit nicht wie ein sequentieller Staffellauf, sondern als gemeinsames Arbeiten im "Gedränge" (Scrum) um einen Auftrag herum zu verstehen ist. Die Methode wurde ab 1993 von Jeff Sutherland formalisiert und 2003 veröffentlicht. Wesentliche Merkmale von Scrum:  Selbstorganisiertes Team: Die Teams arbeiten in kurzen Zyklen, sogenannten Sprints, die in der Regel zwei bis vier Wochen dauern.  Inkrementelle Lieferung: Nach jedem Sprint kann ein Inkrement des Produkts an den Kun- den ausgeliefert werden. Bereits nach dem ersten Sprint gibt es einen Prototyp, der mit dem Kunden besprochen wird. Scrum-Ablauf: 1. Sprint Planning: o Kundenanforderungen aus dem Product Backlog werden priorisiert und in den Sprint Backlog übertragen. o Der Sprint Backlog bleibt während des Sprints unverändert. 2. Daily Scrum: o Tägliches kurzes Stand-up-Meeting, um den Fortschritt zu besprechen. 3. Sprint Review: o Am Ende des Sprints wird das Ergebnis gemeinsam mit dem Kunden reflektiert. 4. Sprint Retrospektive: o Das Team reflektiert die Zusammenarbeit und identifiziert Verbesserungsmöglichkei- ten, die in das nächste Sprint Planning einfließen. Rollen im Scrum:  Scrum Master: Moderiert die Meetings und unterstützt das Team bei der Beseitigung von Hindernissen.  Product Owner: Verwaltet den Product Backlog und repräsentiert die Kundeninteressen. Vorteile von Scrum im Vergleich zur traditionellen Wasserfall-Methode: 1. Sichtbarkeit: o Ergebnisse sind nach jedem Sprint sofort sichtbar; beim Wasserfall werden sie erst am Ende sichtbar. 2. Anpassungsfähigkeit: o Prioritäten können nach jedem Review neu festgelegt werden; im Wasserfall nimmt die Anpassungsfähigkeit während des Projekts ab. 3. Gelieferter Wert: o Bei Scrum wird mit jedem Sprint ein funktionierendes Produktinkrement ausgelie- fert; beim Wasserfall erfolgt die Auslieferung erst am Ende des Projekts. 4. Risiko: o Probleme werden frühzeitig erkannt, wodurch das Risiko kontinuierlich abnimmt; beim Wasserfall bleibt das Risiko bis zum Ende hoch. Scrum fördert somit eine flexible und reaktionsfähige Arbeitsweise, die auf kontinuierlichem Lernen und Anpassung basiert. SAFe – Skalierung von Agilität SAFe (Scaled Agile Framework) ist ein agiles Framework, das sich auf die Skalierung von Agilität in großen Organisationen konzentriert. Es stellt eine Antwort auf die Herausforderung dar, mehrere agile Teams mit zahlreichen Mitarbeitenden effizient zu koordinieren. SAFe wird häufig als eine Form von "Scrum of Scrum" verwendet, um Scrum-Prinzipien auf größere Maßstäbe zu übertragen. Hauptmerkmale von SAFe:  SAFe ist das weltweit am meisten genutzte agile Skalierungsframework, neben anderen An- sätzen wie LeSS (Large Scale Scrum) oder Nexus.  Teams müssen nicht zwingend mit Scrum arbeiten, können jedoch Muster wie Backlogs, Pro- duct Owner, Inkremente und Sprints nutzen. Struktur von SAFe: 1. Essential SAFe: o Umfasst ein Programm, in dem mehrere Teams einen Agile Release Train (ART) bil- den (ca. 50–125 Personen). 2. Large Solution SAFe: o Für große und komplexe Lösungen werden mehrere Agile Release Trains in einem Solution Train organisiert (> 125 Personen). 3. Portfolio SAFe: o Oberste Ebene, die die Schnittstelle zur Geschäftsstrategie darstellt. Hier werden mehrere Solution Trains als Value Streams zusammengefasst (von mehreren Hun- dert bis Tausend Personen). Programm Increment (PI) Planning: Alle zehn Wochen findet ein PI-Planning statt, bei dem alle be- teiligten Teams zusammenkommen, um die Planung für die nächsten zehn Wochen festzulegen. Ein PI umfasst in der Regel fünf Zyklen à zwei Wochen. Vorteile der Skalierung mit SAFe:  Effiziente Koordination: Mehrere Teams können synchronisiert arbeiten, was die Effizienz bei großen Projekten erhöht.  Flexibilität: Teams haben die Freiheit, agile Methoden zu wählen, die für sie am besten ge- eignet sind. Zusammenfassung:  SAFe ermöglicht die Skalierung agiler Prinzi- pien in großen Organisationen.  Es umfasst verschiedene Ebenen der Organi- sation, um den spezifischen Anforderungen größerer Teams gerecht zu werden.  Die Methode fördert die Zusammenarbeit und Planung zwischen mehreren Teams und ermöglicht eine effiziente Umsetzung großer Projekte. Anwendungsfeld Agile Methoden Agile Methoden, die in der Softwareentwicklung bereits Standard sind, finden zunehmend auch in anderen Arbeitsbereichen Anwendung. Dabei sollte die Einführung agiler Methoden immer auf Werte und Prinzipien basieren, und es kann sinnvoll sein, nur einzelne Praktiken zu übernehmen, an- statt die gesamte Methodik zu übertragen. Stacey-Matrix: Die Stacey-Matrix, entwickelt von Ralph Douglas Stacey, unterscheidet zwischen den Dimensionen „Was soll erreicht werden?“ (klar/unklar) und „Wie kann es erreicht werden?“ (bekannt/unbe- kannt). Dadurch entstehen vier Kategorien von Umfeldern: 1. Einfach: Klare Ziele und bekannte Lösungen – hier reichen Standardprozesse aus. 2. Kompliziert: Fachwissen ist nötig, klassische Projektmanagementmethoden wie der Wasser- fallprozess passen hier. 3. Komplex: Unklare Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung – Agile Methoden wie Scrum und Kanban helfen, Anforderungen schrittweise zu identifizieren. 4. Chaotisch: Handeln ist notwendig, um Ordnung zu schaffen – Agile Methoden mit schnellen Experimenten und Feedbackprozessen eignen sich. Zusammengefasst sind Agile Methoden vor allem in komplexen und chaotischen Umfeldern sinnvoll, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. In einfachen oder komplizierten Situationen sind traditionelle Ansätze ausreichend. Agile Leadership In agilen Organisationen spielt die Führung eine zentrale Rolle, doch die Frage, was eine "agile" Füh- rungskraft ausmacht, ist nicht eindeutig zu beantworten. Besonders in hierarchischen Organisatio- nen, in denen agile Teams oft immer noch einem klassischen Linienvorgesetzten unterstellt sind, müssen neue Führungsansätze entwickelt werden, damit die Teams die agilen Werte und Prinzipien leben können. Eigenschaften einer Führungsperson in agilen Umgebungen: Eine Führungsperson in agilen Settings:  schafft Raum für die Entfaltung agiler Prinzipien,  beseitigt Hindernisse,  unterstützt bei der Problemlösung,  fördert iterative Lernprozesse,  sorgt für gemeinsame Ausrichtung. Agile Leadership wird oft mit dem Konzept des Servant Leadership (dienende Führung) verbunden. Dabei stellt die Führungskraft das Wohl des Teams über ihre eigenen Interessen und unterstützt es, anstatt Macht auszuüben. Dies erfordert Kommunikations- und Moderationskompetenzen sowie eine werteorientierte Haltung. Zudem kann es bedeuten, das Team gegenüber anderen Managern zu verteidigen. Integration in die Führungsstruktur: Damit agiles Management effektiv funktionieren kann, muss die Führungskultur des Unternehmens einen gewissen Reifegrad erreichen. Je nach Reifegrad kann die Führung als personengebunden (tra- ditionell) oder rollenbasiert (agil) definiert werden. In einer zielorientiert-autonomen Kultur (Stufe 5) können agile Methoden gut funktionieren, wäh- rend es in autoritären Kulturen schwieriger ist, die agilen Prinzipien zu etablieren. Einige Organisatio- nen lösen sich komplett von der Linienführung und arbeiten in selbstorganisierten Teams ohne klassi- sche Führungspersonen (Stufe 6), was im nächsten Kapitel weiter vertieft wird. Überprüfungsfragen 1. Weshalb beschäftigen sich immer mehr Organisationen mit agilem Management? Organisationen setzen sich zunehmend mit agilem Management auseinander, um auf die sich schnell verändernden Marktbedingungen und technologischen Entwicklungen flexibler reagieren zu können. Agile Management-Methoden bieten ihnen die Möglichkeit, dynamischer auf Kunden- anforderungen einzugehen, Innovationen schneller zu entwickeln und effizienter auf Veränderun- gen zu reagieren. 2. Was ist damit gemeint, wenn in Organisationen von „Agilität“ gesprochen wird? Agilität bedeutet in Organisationen, die Fähigkeit zu entwickeln, flexibel, anpassungsfähig und schnell auf Veränderungen zu reagieren. Dies umfasst nicht nur die Implementierung bestimmter Methoden, sondern vor allem die Verinnerlichung von Werten und Prinzipien, die eine kontinuier- liche Verbesserung und Anpassung an neue Herausforderungen ermöglichen. 3. Was ist der zentrale Unterschied zwischen einem Wasserfallprozess und einem Agilen-Prozess? Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ein Wasserfallprozess linear und sequenziell ab- läuft, während ein agiler Prozess iterativ ist. Im Wasserfallmodell wird das gesamte Produkt am Ende des Projekts geliefert, während in einem agilen Prozess in kurzen Zyklen (Sprints) regelmäßig funktionsfähige Inkremente des Produkts geliefert werden, die kontinuierlich überprüft und ange- passt werden können. 4. Auf welche Prinzipien und Bausteine setzen die meisten agilen Frameworks? Die meisten agilen Frameworks basieren auf Prinzipien wie Selbstorganisation des Teams, regel- mäßige Feedbackzyklen, Begrenzung der gleichzeitig bearbeiteten Aufgaben (Work in Progress Limit), Visualisierung des Arbeitsflusses, kontinuierliche Aufnahme von Anforderungen, iterative Planung in kurzen Abschnitten (z. B. Sprints), integrierte Lernschleifen (z. B. Retrospektiven), transparente Prozesse und Lieferung von Arbeitsergebnissen in kleinen Inkrementen. 5. Was ist gemeint mit „Being Agile“ und „Doing Agile“? Weshalb ist diese Unterscheidung rele- vant? "Being Agile" bezieht sich auf die Haltung und das Verinnerlichen der Werte und Prinzipien, wäh- rend "Doing Agile" die Umsetzung agiler Methoden und Praktiken beschreibt. Die Unterscheidung ist wichtig, weil es nicht nur darum geht, eine Methode zu nutzen, sondern die dahinterliegenden Werte und Prinzipien zu leben. Nur wenn Organisationen diese Werte verstehen und umsetzen, kann Agilität effektiv sein. 6. Worin liegt die Ursprungsidee der Methode Scrum? Die Ursprungsidee von Scrum basiert auf einem Vergleich mit Rugby. Anstatt wie bei einem Staf- fellauf von einer Person zur nächsten zu arbeiten, organisiert sich das Team wie bei einem Rugby- "Scrum" um ein gemeinsames Ziel (den Ball), arbeitet eng zusammen und passt sich flexibel an. Scrum fördert die Selbstorganisation von Teams in kurzen, iterativen Arbeitszyklen. 7. Aus welchen Elementen besteht ein Scrum-Durchlauf? Ein Scrum-Durchlauf besteht aus mehreren festen Elementen: dem Sprint Planning, in dem die Aufgaben des Sprints festgelegt werden, dem Daily Scrum, einem täglichen kurzen Stand-up- Meeting, dem Sprint Review, in dem die Ergebnisse am Ende des Sprints mit dem Kunden bespro- chen werden, und der Sprint Retrospektive, in der das Team die Zusammenarbeit reflektiert und Verbesserungen für den nächsten Sprint festlegt. 8. Wofür steht der Begriff SAFe? SAFe steht für Scaled Agile Framework und ist ein Framework zur Skalierung agiler Methoden auf große Organisationen. Es ermöglicht die Koordination mehrerer Teams, die an großen Projekten oder Programmen arbeiten, und integriert bekannte agile Muster wie Sprints, Backlogs und Pro- duct Owner auf mehreren Ebenen. 9. Worin liegt der Unterschied von Scrum und SAFe? Der Unterschied zwischen Scrum und SAFe besteht darin, dass Scrum sich auf ein einzelnes Team konzentriert, während SAFe darauf abzielt, agile Prinzipien in großen Organisationen mit vielen Teams zu skalieren. SAFe koordiniert mehrere Teams in Programmen und fügt zusätzliche Ebenen und Rollen hinzu, um große, komplexe Projekte zu verwalten. 10. Welche Rolle hat eine Führungsperson in einem agilen Setting? Eine Führungsperson in einem agilen Setting schafft den Rahmen, in dem agile Prinzipien gedei- hen können. Sie entfernt Hindernisse, unterstützt das Team bei der Problemlösung, fördert itera- tive Lernprozesse und sorgt für eine gemeinsame Ausrichtung des Teams. Agile Führung ist oft mit dem Konzept des "Servant Leadership" verbunden, bei dem die Führungskraft dem Team dient und dessen Erfolg unterstützt. Kapitel 6: Selbstorganisation Agile Methoden beziehen sich hauptsächlich auf die Teamarbeit und darauf, wie Leistungen struktu- riert und optimiert werden können. Dies wird als Ablauforganisation bezeichnet. Hierbei stehen die Prozesse und die Zusammenarbeit im Team im Vordergrund. Im Gegensatz dazu zielt Selbstorganisation darauf ab, die Organisationsstruktur zu verändern und die Führungsarbeit zu dezentralisieren. Dies wird als Aufbauorganisation verstanden und betrifft, wie die Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation verteilt sind. Obwohl sich diese beiden Konzepte in ihren Anwendungen unterscheiden, basieren sie auf ähnlichen Werten und Prinzipien. In vielen Fällen werden sogar ähnliche Praktiken eingesetzt, um die Selbstor- ganisation in einem Unternehmen zu fördern. Zum Selbstorganisationsbegriff Was ist gemeint mit Selbstorganisation? Merkmale der Selbstorganisation:  Netzwerkförmige Strukturen: Organigramme bestehen aus Zellen oder Kreisen ohne traditi- onelle Chefs.  Neue Hierarchien: Statt flacher Hierarchien entstehen neue Formen der Hierarchie mit ver- teilten Autoritäten.  Dezentrale Entscheidungsfindung: Autorität ist auf verschiedene Rollen verteilt, und Ent- scheidungen basieren auf Konsent (Zustimmung) anstelle von Konsens (Einigkeit).  Schnelles Arbeiten mit Prototypen (anstatt Suche nach perfekter Lösung): Fokus auf schnel- les Testen und Anpassen in kleinen Schritten (Iterationen) statt langen Planungsphasen.  Explizite Regelwerke: Rechte und Pflichten der Teammitglieder sind klar geregelt und oft schriftlich dokumentiert. Es ist ein Missverständnis, dass Selbstorganisation ohne Regeln chaotisch sei. Tatsächlich haben Or- ganisationen, die erfolgreich selbstorganisierte Teams nutzen, oft klarere Regeln als traditionelle hie- rarchische Strukturen. Je nach methodischem Ansatz kann Selbstorganisation sogar mehr explizite Regeln beinhalten als klassische Managementsysteme. Entwicklung des Feldes „Selbstorganisation“ Selbstorganisation hat eine lange Geschichte in der Unternehmenswelt, mit Ansätzen, die bis in die 1960er- und 1970er-Jahre zurückreichen, wie teilautonome Arbeitsgruppen (Kolb & Ling, 1976) und organisationale Demokratie (Schneider, 2019). Die soziokratische Kreismethode (SKM) wurde 1974 eingeführt und hat Wurzeln im 19. Jahrhundert (Strauch & Reijmer, 2018). In den 1980er-Jahren er- langte Semco, unter der Leitung von Ricardo Semler, Bekanntheit als Beispiel für Selbstorganisation (Semler, 1989). Seit den 2010er-Jahren hat die Verbreitung agiler Methoden das Thema neu belebt, wobei Konzepte wie „Führen ohne Chefs“ in den Mainstream eingetreten sind. Wichtige Begriffe sind die Responsive Organisation und die Teal Organisation aus Frederic Laloux' Reinventing Organizations (2014). Moderne Ansätze wie Holacracy (Robertson, 2015) und Soziokratie 3.0 (Cumps, 2018) haben sich verbreitet, während im deutschsprachigen Raum auch der Begriff „Kollegiale Führung“ (Oesterreich & Schröder, 2017) populär ist. Durchbrüche bei Teal Organizations Das Buch „Reinventing Organizations“ von Frederic Laloux ist für viele im Bereich Selbstorganisation ein wichtiger Bezugspunkt. Laloux, ehemaliger McKinsey-Berater, sucht nach sinnstiftenden Formen der Zusammenarbeit und beschreibt in seinem Buch zwölf Unternehmen, die innovative Organisati- onsgestaltungen entwickelt haben. Er leitet drei wesentliche Durchbrüche ab, die sich von traditionellen Organisationsformen unter- scheiden: 1. Self-Management: Selbstorganisation als neues Führungsverständnis. 2. Wholeness: Ein ganzheitliches Menschenbild, das emotionale Aspekte einbezieht. 3. Evolutionary Purpose: Eine evolutionäre Sinnstiftung, die die strategische Ausrichtung auf einen klaren Zweck fokussiert. Diese Pionierorganisationen nennt er „Teal Organizations“, die sich durch selbstorganisierte Teams und eine Abkehr vom traditionellen Führungsverständnis auszeichnen. In Teal-Organisationen wird das Zulassen von Emotionen und individuellem Befinden gefördert, während in traditionellen Unter- nehmen oft eine unprofessionelle Sichtweise darauf vorherrscht. Zudem beschreibt er ein Stufensystem, in dem Organisationen anhand von Farben (wie petrol für Teal) klassifiziert werden. In Teal-Organisationen verändert sich das Organigramm von einer top- down Pyramide zu einem dezentral gesteuerten Netzwerk aus Zellen oder Kreisen. Selbstorganisations-Methoden im Detail Soziokratische Varianten Holacracy und Soziokratie 3.0 sind Weiterentwicklungen der soziokratischen Kreismethode (SKM). Beide Ansätze entwickeln sich kontinuierlich weiter: Holacracy ist mittlerweile in Version 5.0 verfüg- bar, während die Muster der Soziokratie 3.0 unter einer Creative Commons Lizenz regelmäßig aktua- lisiert werden. Die Möglichkeit der Entstehung weiterer soziokratischer Varianten, wie einer hypothetischen Soziok- ratie 4.0, wird ebenfalls angedeutet. Diese Entwicklungen zeigen, dass es im Bereich Selbstorganisa- tion nicht darum geht, die „beste“ Methode zu finden, sondern die passendste Methode für spezifi- sche Herausforderungen auszuwählen. So wie sich Organisationen und ihre Herausforderungen stän- dig wandeln, werden auch diese Ansätze kontinuierlich angepasst, um neue Lösungen zu finden. Alle soziokratischen Varianten verfolgen grundlegende Ziele (nach Krämer, 2015):  Transparente und nachvollziehbare Steuerung von Macht  Gleichwertigkeit in der Beschlussfassung  Eigenverantwortung und Mitverantwortung  Dynamische, lebendige sowie flexible und wandlungsfähige Organisation Der letzte Punkt erinnert an die Responsive Organisation und die Metapher des lebendigen Organis- mus bei Laloux. Diese Ziele gelten grundsätzlich auch für die Selbstorganisation. Ähnlich wie im agilen Management ist es wichtig, dass jede Organisation selbst definiert, was Selbst- organisation für sie bedeutet und warum sie diesen Weg einschlagen möchte. Die verschiedenen For- men der Selbstorganisation sollten als Antworten auf die individuellen Herausforderungen der jewei- ligen Organisation betrachtet werden. Die vier soziokratischen Basisprinzipien und deren Weiterentwicklung Die Soziokratische Kreismethode (SKM) wurde in den 1970er Jahren von Gerard Endenburg in den Niederlanden entwickelt und basiert auf vier festen Prinzipien: 1. Konsentprinzip (aktiv Einwand): Entscheidungen werden getroffen, wenn keine schwerwie- genden Einwände bestehen. Dies unterscheidet sich von Mehrheitsentscheidungen oder Konsens. Hier wird gefragt, ob ein Vorschlag "momentan gut genug und sicher genug zum Ausprobieren" ist 2. Kreisstruktur: Organisationen sind in Kreise unterteilt, die autonom arbeiten. 3. Doppelte Koppelung der Kreise: Jeder Kreis hat zwei Personen, die ihn nach außen vertre- ten. Diese Rollen heißen bei SKM „Kreisleitung“ und „Delegierte“, bei Holacracy „Circle Lead“ und „Circle Rep“. 4. Offene Wahl: Alle Kreismitglieder entscheiden gemeinsam, wer welche Rolle übernimmt. In SKM werden Rollen durch Konsent verteilt, während Holacracy nur bestimmte Systemrollen zur offenen Wahl zulässt. Während die SKM die vier Prinzipien festlegt, geht Holacracy einen Schritt weiter und verwendet ein eigenes Verfassungsdokument für die Selbstorganisation. Soziokratie 3.0 (S3) hingegen bietet ein of- fenes, modulares Modell mit über 70 sogenannten Mustern, die flexibel genutzt werden können, um selbstorganisierte Strukturen zu gestalten. Die Praxis zeigt, dass Organisationen, die mit Soziokratie 3.0 arbeiten, sehr unterschiedlich aussehen können, während Organisationen mit SKM oder Holacracy mehr Gemeinsamkeiten aufweisen. Dies liegt daran, dass SKM und Holacracy feste Strukturen und Prinzipien implementieren, während S3 mehr Flexibilität bietet. Diese Vielfalt der Ansätze ist für Organisationen wertvoll. Viele finden den individuell gestalteten Weg der Soziokratie 3.0 passend, während andere von den festgelegten Systemen der SKM oder Ho- lacracy profitieren. Darüber hinaus werden soziokratische Modelle kontinuierlich durch individuelle Anpassungen erweitert, wie zum Beispiel Globokratie bei Globetrotter oder Velocracy bei Velafrica. Kollegiale Führung Die Kollegiale Führung, entwickelt von Bernd Oestereich und Claudia Schröder (2017), erweitert das Themenfeld der Selbstorganisation und umfasst über 70 Muster aus verschiedenen Bereichen wie agile Methoden, Soziokratie, Teal Organisationen, integrale Theorie und Systemtheorie. Die Defini- tion lautet: „Kollegiale Führung ist die auf viele Kollegen und Kolleginnen dynamisch und dezentral verteilte Führungsarbeit an Stelle von zentralisierter Führung durch einige exklusive Führungskräfte.” Diese Definition beschreibt das Ziel vieler Organisationen, die sich mit Selbstorganisation beschäfti- gen: Die Verteilung von Führungsaufgaben auf mehrere Personen. Hierbei wird betont, dass nicht alle Mitarbeitenden Führungsrollen übernehmen müssen und dass bestimmte Führungsaspekte bei früheren Führungskräften bleiben können. Die Kollegiale Führung legt großen Wert auf Anpassungsfähigkeit, was sich auch in Responsive und Teal Organisationen widerspiegelt. Ihr Kreismodell orientiert sich an der Pfirsich-Organisation von Niels Pfläging und Silke Hermann (2018) und zeichnet sich durch eine Steuerungslogik von innen nach außen aus, im Gegensatz zu Holacracy, wo die Steuerung von außen nach innen erfolgt. Insgesamt zeigt die Kollegiale Führung, dass es nicht darum geht, eine "richtige" Form der Selbstorga- nisation zu finden, sondern den passenden Ansatz für die individuellen Herausforderungen einer Or- ganisation auszuwählen und weiterzuentwickeln. Anwendungsfelder und Transformationsstrategien Anwendungsfeld für Selbstorganisation Die Anwendung von Selbstorganisation in Unternehmen wirft oft die Fragen auf, in welchen Bran- chen und Größenordnungen sie funktioniert und in welchen kulturellen Kontexten sie möglich ist. Während viele annehmen, dass Selbstorganisation nicht überall umsetzbar ist, argumentiert Frederic Laloux (2014), dass diese Aspekte eine untergeordnete Rolle spielen. Er nennt lediglich zwei entscheidende Voraussetzungen für die Einführung selbstorganisierter, evolu- tionärer Strukturen: 1. Haltung des Top-Managements: Die Führungspersonen müssen sich in die Weltanschauung der Selbstorganisation hineinentwickeln und diese aktiv unterstützen. 2. Haltung der Eigentümerschaft: Die Eigentümer müssen die Entwicklung vorbehaltslos för- dern, um zu verhindern, dass sie in schwierigen Zeiten die Kontrolle zurückerlangen. Diese Voraussetzungen deuten darauf hin, dass Selbstorganisation in jeder Organisation gelingen kann, solange das Top-Management diese Führungsform ernsthaft will. Die Rolle der Führungskraft ist entscheidend, um den Raum für eine neue Art der Zusammenarbeit zu öffnen und zu halten. Die Führungskraft agiert dabei als „Space Holder“, deren Haltung und Mindset über das Gelingen der Selbstorganisation entscheiden. Die Faktoren Branche und Unternehmensgröße sind somit nicht entscheidend für den Erfolg von Selbstorganisationsmodellen. Erfolgreiche Beispiele aus verschiedenen Branchen belegen dies. Viel- mehr kommt es auf die Organisationskultur an, die die Einführung selbstorganisierter Strukturen be- einflusst. Idealerweise baut die Entwicklung auf einer bereits bestehenden Geschichte der Partizipa- tion auf. Je größer der Unterschied zwischen der bestehenden und der angestrebten Kultur ist, desto herausfordernder wird die Transformation zur Selbstorganisation. Transformationsstrategien für Selbstorganisation Es werden zwei grundlegende Strategien unterschieden, wie Organisationen sich in Richtung Selbst- organisation transformieren können (Oestereich & Schröder, 2020): 1. Revolution: Bei dieser Strategie wird die Veränderung umfassend vorbereitet und am festge- legten Tag von herkömmlicher Führung auf selbstorganisierte Teams umgestellt. 2. Evolution: Diese Strategie erfolgt in mehreren, langsamen Schritten, in denen die selbstorga- nisierte Struktur gemeinsam erarbeitet und eingeübt wird. Früher propagierte die Einführung von Holacracy stark die revolutionäre Strategie. In jüngerer Zeit zeigt sich jedoch ein wachsendes Bewusstsein, dass eine evolutionäre Entwicklung nachhaltigere Er- gebnisse erzielt. Ab der Version 5.0 von Holacracy wird daher ein modularer Ansatz verfolgt, bei dem einzelne Kapitel der Verfassung schrittweise eingeführt werden können. Für Organisationen, die mit Soziokratie 3.0 oder Kollegialer Führung arbeiten, war die evolutionäre Strategie bereits länger er- kennbar. Klein und Hughes (2019) schlagen einen „Loop Approach“ vor, bei dem auf bestehenden Strukturen ein Entwicklungsweg gestartet wird. Dabei sollen zunächst Prototypen erstellt werden, die das Neue testen, gefolgt von mehreren Iterationen (Loops), bis die gesamte Organisation in die Selbstorganisa- tion überführt werden kann. Ähnliche Vorgehensweisen finden sich auch in der Kollegialen Führung. Der Prozess kann entweder Top-down beginnen, indem die Geschäftsleitung als erster selbstorganisierter Kreis fungiert, oder es wird ein initialer Selbstorganisationskreis gegründet, der die neuen Prinzipien erprobt und andere Bereiche unterstützt. Hierbei können zwei Prinzipien unterschieden werden:  Flussprinzip: Es wird jeweils nur ein Kreis nach dem anderen gebildet.  Wellenprinzip: Mehrere Kreise werden gleichzeitig gebildet. Eine weitere Strategie ist die Zellteilung, bei der ein Team aufgeteilt wird, sobald die Selbstorganisa- tion gut erprobt ist. Die erfahrenen Mitarbeitenden geben dabei die Prinzipien der Selbstorganisation an weniger erfahrene Kollegen weiter. Diese Vorgehensstrategien sind in einer Abbildung visualisiert. Rolle der Begleitperson In der Begleitung von Veränderungsprozessen hin zu selbstorganisierten Formen der Zusammenar- beit stellt sich die Frage nach neuen Beratungsansätzen. Externe Berater sollten dabei nicht die In- halte oder Entscheidungen vorgeben, sondern die Art der Veränderung bereits die angestrebte Selbstorganisation und Mitbestimmung widerspiegeln. Die Rolle der Begleitperson erfordert daher eine Anpassung des Beratungsverständnisses. Wichtige Aspekte sind:  Auftragsklärung: Eine klare Definition des Auftrags ist essenziell.  Selbstorganisation: Bei Unsicherheiten sollte von Selbstorganisation abgeraten werden.  Prozess- und Strukturvorschläge: Zu Beginn sollten klare Vorschläge zur Prozessgestaltung gemacht werden.  Systemische Zusammenhänge: Die Begleitperson sollte auf die systemischen Zusammen- hänge achten.  Meta-Ebene: Die Begleitung sollte auch die Meta-Ebene des Prozesses einbeziehen.  Wechsel zwischen Beratungsansätzen: Ein bewusster Wechsel zwischen Prozess- und Exper- tenberatung ist notwendig, um der Organisation Raum für eigene Lösungen zu geben.  Ausprobieren statt Schulen: Die Begleitung sollte auf praktisches Ausprobieren fokussiert sein, anstatt theoretisches Wissen zu vermitteln.  Iteratives Vorgehen: Der Prozess sollte in iterativen Zyklen ablaufen.  Ergebnisoffene Anpassung: Anpassungen sollten flexibel und offen für Veränderungen sein.  Pragmatismus: Praktische Lösungen sind entscheidend.  Eigene Anteile: Ein bewusster Umgang mit den eigenen Anteilen der Beratungsperson ist wichtig. Besonders hervorzuheben ist der wechselseitige Komplementärmodus zwischen Prozess- und Exper- tenberatung, da externe Beratung im Bereich der Selbstorganisation zunehmend Fachwissen und sys- temische Prozessberatung vereinen muss. Dies erfordert ein bewusstes Management der Unter- schiede zwischen diesen Ansätzen. Die beschriebenen Rollen der Begleitperson zeigen Parallelen zu agilen Prinzipien. Es wird empfoh- len, schnell in die praktische Erprobung zu gehen und erste Prototypen der neuen selbstorganisierten Zusammenarbeit zu testen. Der Grundsatz „Ausprobieren statt Schulen“ betont die Wichtigkeit von iterativen und empirischen Vorgehensweisen, die auch in agilen Ansätzen wie Scrum und Soziokratie 3.0 zentral sind. Herausforderungen und Erfolgsfaktoren Herausforderungen bei zunehmender Partizipation Rahmenbedingungen für die Transformation zu einer Kreisorganisation 1. Bewusstsein für evolutionäre Haltung bei der Initiatorin  Rolle des „Space Holders“: Die Initiatorin muss eine evolutionäre Haltung einnehmen und die Verantwortung für den Raum der Veränderung aktiv gestalten und halten. Sie fungiert als „Space Holder“, der einen Rahmen für Selbstorganisation und Wachstum schafft. 2. Zeit für gemeinsames Lernen und Reflektieren  Langfristige Perspektive: Die Transformation zu Selbstorganisation ist ein langfristiger Pro- zess, der mindestens zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen kann. Es ist wichtig, genügend Zeit für gemeinsames Lernen und Reflexion einzuplanen. 3. Kulturentwicklung als zentrales Element  Veränderung von Werten und Annahmen: Die Transformation sollte nicht nur als Einführung neuer Methoden betrachtet werden, sondern als tiefgreifende Kulturentwicklung. Es müssen neue Werte in der Führung gelebt und kollektive Grundannahmen über Steuerung, Macht und Autorität hinterfragt werden. 4. Es braucht einen mittel- bis langfristigen Horizont 5. Gesunde Organisation als Basis  Finanzielle und kulturelle Gesundheit: Eine selbstorganisierte Struktur funktioniert am bes- ten in einer Organisation, die sowohl finanziell als auch kulturell gesund ist. Vorhand

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