Grundlagen der Soziologie PDF

Summary

This document introduces the fundamental concepts of sociology, including its historical development, key figures, and core theories. It covers topics ranging from the historical context of the discipline and early sociologists like Adam Smith and Auguste Comte, to more recent figures such as Max Weber, Emile Durkheim, and contemporary sociologists. The text explores the concept of social action, and how individuals interact with one another.

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16 10.. 24 Einfhrung in den Gegenstaud der Soziolog...

16 10.. 24 Einfhrung in den Gegenstaud der Soziologie Soziologie = junge Disziplin Historische Vorläufer: schottische Aufklärung (metaphysisches Denken tritt in den Hintergrund; Vernunft!; Interesse am empirischen), Französische Revolution (Realisierung der Veränderbarkeit der Gesellschaft) Verständnis von moderner Wissenschaft -> nicht gebunden sein an kirchendogmatische Vorgaben, eigene Logik/ Standards, keine Notwendigkeit des Rechtfertigens vor der Kirche Bürgertum (neu entwickelt) erfährt Anstieg von Bedeutung/Kraft; Bereitschaft über eigenes Sein (in der Gesellschaft) nachzudenken mündet in neuen Wissenschaftszweigen -> Reflexionswissenschaften Die industrielle Revolution: der sich entwickelnde Kapitalismus/Wirtschaft löst Faszination (Wille nach Verständnis neuer sozialer Verhältnisse) aber auch Erschrecken (über Entwurzelung, Verarmung, Urbanisierung, Elend des Proletariats, soziale Ungleichheit) -> Neue Komplexität der Gesellschaft wird deutlich -> Begriff der Gesellschaft wandert in den allgemeinen Sprachgebrauch ein: weg vom Hofe hin in die breite Bevölkerung (beschreibt alles was sich nicht durch Staat und Kirche beschreiben lässt) Protosoziologen/ Soziologen avant la lettre (= soziologische Denker bevor es die Disziplin überhaupt gab): Adam Smith (Wirtschaft), Auguste Comte (Evolutionstheorie), Karl Marx (Antikapitalist), Herbert Spencer (Evolutionstheorie) -> gnädig sein mit damaligem Wissensstand, leisten von Beiträgen (fortschrittlich damals) Klassiker der Soziologen um 1900: Emile Durkheim (1. Lehrstuhl der Soziologie; untersucht Entscheidung des Freitods; Versuch Soziologie zu definieren), Max Weber (breites Themenspektrum; Definitionsbereich/Begriffsarbeit; Protestantismusstudie -> geistige Wurzeln d. Kapitalismus), Norbert Elias (historisch arbeitend; jüdischer Hintergrund, Exil; Leben am feudalen Hof; Kunstsoziologe), George Herbert Mead (Wie werden Menschen zu sozialen Wesen; Entwicklung persönlicher Identität), Ferdinand Tönnies (Begriffsdefinitionen: Gemeinschaft & Gesellschaft), Georg Simmel (Figur d. Fremden; Sozialer Raum; breites Spektrum) Frauen in der frühen Soziologie: Simone de Beauvoir (eigentlich Philosphin, Buch „Das andere Geschlecht“); Marie Jahoda (Gemeindestudie; Arbeitssoziologie) Ruth Glass (Stadtsoziologin; Arbeit in England, Gentrifizierung); Renate Mayntz (leitete Max-Plank-Institution) Abgrenzung: keine Philosophie (Begriffsarbeit; adäquate Beschreibung), keine VWL (großes Interesse an Wirtschaftsformen & deren Auswirkung; Vergesellschaftung d. Wirtschaft), keine Literatur (nah an Hermeneutik), keine Naturwissenschaft (Methoden, Reichweite d. Aussagen) -> von allen Wissenschaften beeinflusst Max Weber: „Soziologie (…) soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. Handeln soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven SInn verbinden. Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ -> Interesse am sozialen Handeln (Hauptgegenstand der Soziologie) -> Ziel: Verstehen & Erklären -> Erkenntnis: Handeln ist durch innere Motive gesteuert nicht automatisiert (= subjektiver Sinn) -> soziales Handeln ist auf andere bezogen/ an anderen orientiert; unmittelbarer Austausch mit anderen Personen -> Sozial: jedes Wahrnehmen, Denken, Bewerten & Unterlassen von Handeln, das auf andere sinnhaft bezogen ist Bsp.: alleine Kaffeekochen weil es mir schmeckt = subjektiver Sinn; Kaffeekochen weil Freunde zu Besuch kommen = soziale Handlung (orientiert an anderen) Studie: „Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ -> wegen fehlendes Versprechen für den Himmel führen eines asketischen Lebens => Geld direkt investieren, Erfolg zu haben als Zeichen auserwählt zu sein (religiös begründetes intrinsisches Handeln befeuert Kapitalismus) Emile Durkheim: „Ein soziologischer Tatbestand ist jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im Beireiche einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von den individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt.“ -> Interesse an sozialen Zwängen & Institutionen, die unabhängig von Einzelnen existieren (verpflichtenden Charakter; überdauern den Einzelnen) -> Frage: wodurch wird das Handeln des Einzelnen bestimmt/geprägt? -> durch soziale Strukturen -> Das Handeln des Einzelnen ist eher uninteressant Bsp.: Gesellschaftliche Institutionen (Gerichte, Parlamente, Schule), soziale Regeln/Normen (Gesetze, Konventionen, Traditionen, Moral), Zeichen & Symbole Studie: „Der Selbstmord“ -> Suche nach Unterschieden; Finden unterschiedlicher Typen des Selbstmords (z.b.: egoistischer Selbstmord bei zu wenig Integration in Gesellschaft; altruistischer Selbstmord bei zu nicht Gerechtwerden von gesellschaftlichen Erwartungen; anomischer Selbstmord bei moralischer Irritation, Herausfallen aus sozialem Setting) -> auch in der heutigen Soziologie lassen sich Tendenzen dieser beiden Schwerpunkte festmachen -> aber auch ein Versuch aus dieser Gegenüberstellung herauszukommen (kein entweder oder) Herausforderung der Soziologie = Beschäftigung mit einer Gesellschaft, der die Soziologen selbst angehören Durch Soziologie klärt sich die Gesellschaft über sich selbst auf Problemstellungen kommen aus dem Alltag und die Erkenntnisse fließen dahin wieder zurück Soziologisches Wissen -> als Alltagswissen absorbiert Häufige Erwartung: Soziologe soll Lösung gesellschaftlicher Fragen liefern -> eigentlich nicht gewollt Der Werteurteilsstreit: Webers Position: Erfahrungswissenschaften können keine verbindliche Werte/Normen entwickeln -> unwissenschaftlich; Soziologie soll lediglich die Problemlagen verstehen & erklären aber wertfrei; kein Anleiten der Forschung durch eigene Wunschvorstellungen Trotzdem haben Werturteile ihren Platz: die eigenen müssen bei der Analyse zurückgenommen werden; Wertfragen können aber generell behandelt werden; man kann für eigene Werte einstehen muss das aber klar von der eigenen Forschung trennen Schmollers Position: Soziologie soll Werturteile über die anzustrebende Gesellschaftsordnung erarbeiten; Objektivität von Werturteil möglich; Sozialwissenschaftler*in steht nicht „außerhalb“ des Untersuchungsgegenstandes Kronberg Interview Link: letzter Wertestreit Vorlesung (23.10.2024) - Individuum & Sozialisation wir sind nicht nur Individuen, sondern wir wollen auch individuell sein (-> Anspruch westlicher Kultur) Individualität = Bewusstsein von Besonderheit & das Bedürfnis diese Einzigartigkeit zum Ausdruck zu bringen; auch feststellen, dass andere ebenfalls individuell sind Ausdruck Z.B. durch Wohnen (Einrichtung, individuelle Note), Mode (Hipsterkultur), projiziert auf Haustier gibt auch Gesellschaftsformationen in denen Individualität nicht gefördert und kultiviert wird (z.B. Nordkorea, sogar mit Inszenierung der Kollektivität) Anspruch der Individualität ist ein Kulturmuster Andreas Reckwitz: öffentlich wahrnehmbarer Soziologe -> Die Gesellschaft der Singularitäten -> Individualität im Westen dominant -> immer weiter fortschreitender Prozess -> Es wird immer mehr die Besonderheit erwartet (-> soziale Entwicklung; keine freie Entscheidung mehr) -> Steigerungsform: Singularität nicht nur Selbstoptimierung sondern eben nach Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit Paradoxie: Streben nach Einzigartigkeit ist allgemein eine Erwartung der Gesellschaft Georg Simmel über Mode: -> erwähnt ebenfalls diese Paradoxie und macht diese an der Mode dingfest -> Mode vereint gegensätzliche Ziele nach Zugehörigkeit & Besonderung -> Mode entsteht durch Pendeln zwischen diesen Zielen (Distinktionswert ist zunächst sehr hoch und nimmt dann ab) -> Mode setzt Individualität voraus und bringt sie gleichzeitig immer wieder hervor -> man braucht ein Bewusstsein der eigenen Identität aber durch Übernehmen der Praxis wird die Individualität gleichzeitig auch hervorgebracht Die Tendenz zur Singularität ist eine neue Qualitätsstufe in einem Prozess der Individualisierung Individualisierungsprozess: in der westlichen Moderne in besonderem Maße kennzeichnendes Merkmal Bewusstsein über eigene Individualität setzt die erfolgreiche Ausbildung einer Identität voraus Teil einer jeden Identität sind soziale Rollen, die man als Individuum übernimmt und auf spezifische Weise ausgestaltet Jeder Mensch erwirbt seine Identität und ein Set sozialer Rollen im Laufe der Sozialisation „Von Identität soll gesprochen werden, wenn ein Mensch über verschiedene Handlungssituationen und über unterschiedliche Lebensphasen hinweg eine Kontinuität des Selbsterlebens auf der Grundlage eines bewusst verfügbaren Selbstbildes wahrt.“ - Klaus Hurrelmann Identität hat etwas mit Konitnuität zu tun; heißt nicht dass das ein festes Konstrukt ist; Flexibilität möglich; trotzdem wird sie problematisch wenn sie sehr diskontinuierlich erlebt wird -> wird im Laufe der Sozialisation ausgebildet Mead über Identität: George Herbert Mead: Wie prägen Menschen Identität aus? Sprache fällt besonderer Wert zu: sehr komplexes gemeinsames Zeichen- & Symbolsystem; nur im Rahmen der Sprache ist Ausdruck möglich; ermöglicht Austausch, Kommunikation und wechselseitige Orientierung Fähigkeiten eines Menschen: Kooperation, Kommunikation & Selbstreflexion Interaktion = Gespräch (ich sage etwas, höre mir zu -> reflexive Haltung, beobachten der Reaktion des Anderen) „role-taking“: Ich kann mich in den Augen anderer sehen, kann die Erwartungen an mich nachvollziehen; gilt auch für generalisierte Rollenanforderungen Unterscheidung in drei unterschiedliche Instanzen: -> „I“: ist das Subjekt, das spontan und kreativ sein kann -> „Me“: soziale Repräsentanz, in der sich eine Bezugsperson oder Bezugsgruppe in mir niederschlägt -> „Self“: die Identität, entsteht im Wechselspiel von „I“ und „Me“ => Identität wird dadurch geformt, dsss der Einzelne von anderen eine Reaktion auf sein Handeln erfährt, aber auch dadurch, dass der Einzelne die Reaktionen der anderen antizipiert und damit einhergehende generalisierte Erwartungen in sein Handeln einschließt -> Entstehung eines dauerhaften Selbstbildes => kommunikative Beziehungen (Interaktion) zwischen den Individuen sind Vorraussetzung für Ausbildung von Identität Meads Theorie ist Grundlage späterer Theorien der Sozialisation & Rollentheorien Fähigkeit zur Rollenübernahme als Grundvorraussetzung der Identitätsausbildung -> entsteht im Laufe des Sozialisationsprozesses -> ist einem Neugeborenen z.B. noch nicht möglich Entwicklungs- & Lernprozess = (Sozalisationsprozess) Unterscheidung von „play“ und „game“ bei Kindern -> play (Spiel) = Kind übernimmt spielerisch Rolle; Beschäftigung mit Spielzeug oder auch Vorstellung eines imaginären Spielgefährten -> beobachtbar ist die wechselseitige Übernahme von Rollen -> game („Wettkampf“) = erst bei größeren Kindern (5-7); Entwicklung komplexer Anordnungen spielerischer Settings, Festlegen von Rollen und Regeln; Spielen komplexer Spielen, Präsenz der Rollen aller anderen Beteiligten, Aushandeln von Regeln ist extrem wichtig -> üben der Rollenübernahme auf spielerischer Art Wer bestimmt über mein Leben?: Ich wird sehr zentral wahrgenommen Trotzdem drumherum viele Einflussfaktoren wie Freunde, Familie, Gesetze, Gesellschaft, Normen/ Werte, Religion, Kapitalismus (basierend auf Mentimeter von 21/22) Zusammenfassung: Identität = die Gesamtheit der Antworten auf die Frage: Wer bin ich? (Es kommen ständig neue Antworten dazu) Identität = das andauernde Ergebnis von: -> der Auseinandersetzung mit signifikanten Anderen & den wechselseitigen Erwartungen -> Identifikation mit und Distanzierung von sozialen Rollen und den mit ihnen verknüpften gesellschaftlichen Normen & Werten Identitätsbildung wird in der Moderne vielfach krisenhaft erlebt Soziale Rollen: Individuen übernehmen soziale Rollen Mead: Rollenübernahme als wechselseitig aufeinander bezogenes Handeln Soziale Positionen bringen bestimmte soziale Rollen mit sich, von dessen Träger:innen ein bestimmtes Verhaltensrepertoire erwartet wird Diese Rollen werden in sozialen Interaktionen bedeutsam (vgl. VL kommende Woche) Rollentypen: zugeschriebene Rollen (z.B. Geschlecht, Staatsangehörigkeit) Erworbene Rollen (z.B. Klassensprecherin, Direktorin) Rollenkonflikte: Intra-Rollenkonflikte (z.B. gute Kollegin und Konkurrentin) -> widersprüchliche Ansprüche innerhalb einer Rolle Inter-Rollenkonflikte (z.B. berufliche versus familiäre Rolle) -> widersprüchliche Ansprüche unterschiedlicher Rollen an das Individuum Emile Durkheim: brachte als erster den Begriff der Sozalisation ins Spiel Dachte ihn vor allem im Sinne von Erziehung -> Formung des Menschen entsprechend der geltenden gesellschaftlichen Normen und Regeln Ziel: Herausbildung eines sozialen Wesens Ununterbrochene Herausforderung Kindern ein bestimmtes Handeln und Denken aufzuerlegen -> Ausprägung von Gewohnheiten etc. verringert Gefühl des Zwangs Ständige Regulation von Kindern bis Anforderungen übernommen und nicht mehr eingefordert werden (internalisiert) -> Einseitige Perspektive, die heute nicht mehr vertreten wird * Hurrelmann: „Ein Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehende Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt“ -> Sozialisation als aktiver Prozess, der vom Individuum auch aktiv erarbeitet wird Intrinische Motivation sich mit der eigenen Umwelt auseinanderzusetzen Ein fortlaufender Prozess (im späteren Leben weniger rasant aber immernoch vorhanden) Das „von anderen oder anderem Geprägt-Werden“ Mitgliedwerden einer Gesellschaft Individuum eignet sich die Normen, Werte und Handlungsmuster einer Gesellschaft an (teils als soziokulturelle Enkulturation) und erwirbt dadurch seine Handlungsfähigkeit und persönliche Identität Bedarf einer aktiven Auseinandersetzung mir der sozialen und dinglichen - inneren und äußeren - Umwelt (auch die sozialisierte Person ist Akteur) -> keine einfache reaktive Anpassung Erfolgt auch ungezielt, unbewusst, unbeabsichtigt und weit über die Kindheit hinaus Menschen sind ein Leben lang in der Lage zu Lernen und sich an andere/neue gesellschaftliche Normen anzupassen (weniger schnell und viel aber trotzdem) Unterscheidung in zwei Phasen/Formen der Sozialisation: Primäre Sozialisation: Prozess der frühkindlichen Sozialisation erfolgt durch significant others ( z.B. Eltern, Geschwister, Tagesmutter) Es entstehen erste Erwartungen und Vertrauen, wenn diese Erwartungen erfüllt werden (ständiges Wechselspiel) Ist beendet, wenn erste einfachste Formen von Identität und Regelbewusstsein ausgeprägt habe (ca. ab 5-7); erste Prägung durch die Gesellschaft kann wahrgenommen werden Sekundäre Sozialisation: Prozess der weiteren Sozialisation - notwendig durch funktionale Differenzierung der Gesellschaft Endet nach neueren Definition erst mit dem Tod (lebenslanger Prozess) Sozialisationsphasen = einzelnen gesellschaftlich geprägten Entwicklungsetappen des Sozialisationsprozess: Sozialisationsinstanzen: Bezeichnung für soziale Systeme, gesellschaftliche Gruppen, Institutionen und Medien, die wesentliche Anteile der Vermittlung sozialer Kenntnisse und sozialen Wissen übernehmen (z.B. Schule, Kindergarten, Peer Group, Unternehmen/Firma, Medien, Organisationen, Familie) Selbstsozialisation Sozialisationsforschung analysiert: verschiedene Stadien von Sozialisation (Kinder-, Jugend und Erwachsenenalter) Vielfältige Dimensionen (z.B. Spracherwerb, soziokulturelle Prägung, Identitätsbildung) Auswirkungen unterschiedlicher Sozialisationsbedingungen (z.B. Schicht- und milieuspezifisch, unterschiedliche Erziehungsstile) Vielfältige Sozialisationsinstanzen (Familie, Freundschaftsbeziehungen, Schule, Peers, Massenmedien) Sozialisation in Ost und West: Unterschiedliche Bedeutung von Sozialisationsinstanzen (z.B. Einfluss von Familien zurückzudrängen zum Vorrang von Massenorganisationen, Schule, Hort, etc.) Unt. Normen, Werte & Handlungsmuster -> kollektivistische Orientierung (DDR) -> Grad der Individualisierung unterscheidet sich Andere Erfahrungen in der aktiven Auseinandersetzung mit der sozialen und dinglichen -inneren und äußeren- Umwelt Vorlesung (30.10.24) - soziales Handeln, Interaktion,… Methode „Idealtypen“: Idealtyp = Gedankenbild (stellt nicht historische oder „eigentliche“ Wirklichkeit dar) -> Steigerung/ Idealisierung von etwas -> verschiedene Charakteristika & Verhaltensweisen werden idealistisch zusammengenommen Idee: Weil Idealtyp einGrenzbegriff ist taug er besonders um ihn an konkrete empirische Verhältnisse anzulegen -> z.b. Abweichen von empirischem Phänomen wird deutlich Hilft zum Anleiten von Forschung Soziologische Begriffe werden der Realität entnommen Beispiel: Typen sozialen Handelns (Idealtypen): Unterscheidung entlang der jeweils maßgeblichen Motive des sozialen Handelns 1. Zweckrationaler Handlungstyp: Handeln ist auf strategischen Zweck hin ausgerichtet; instrumentell, erfolgsorientiert (Zweck-Mittel-Folgen-Abwägung) -> Handeln wird nach Effektivität und Effizienz zum Erreichen des eigenen Ziels ausgelegt 2. Wertrationaler Handlungstyp: Handlung ist auf grundlegenden Werten und der Einhaltung oder Realsierung ausgerichtet ohne Rücksicht auf Konsequenzen (religiöse, ästhetische oder moralische Werte) -> Handlung wird um ihrer selbst begangen 3. Affektueller Handlungstyp: nicht planvoll, reaktiv, emotional (Grenzfall sinnhaften Handelns) -> Impulsivität 4. Traditionaler Handlungstyp: Handeln ist an Gewohnheiten orientiert, routiniert (Grenzfall sinnhaften Handelns) -> viele unserer Alltagshandlungen basieren auf diesem Typ Weber: Soziales Handeln = sinnhaften aufeinander bezogenes Handeln Mead: wechselseitige Rollenübernahme bzw. Perspektivwechsel -> Miteinander spielt extrem große Rolle Soziale Interaktion = wechselseitige Bezugnahme Interaktionen können unter: Anwesenden (zb im Gespräch) oder Unter Abwesenden (zb beim Schreiben in sozialen Medien) erfolgen Interaktionen haben besondere Qualität, in ihnen wird kommunieziert (verbal/ nonverbal) und die Botschaften werden wechselseitig interpretiert Interaktionen sind alltäglich und beherrschen eine Fülle von damit verbundenen Verhaltensweisen und Situationsanforderungen (Seminar/Vorlesung, familiäres Abendessen, Bewerbungsgespräch…) In Interaktionen kommen jeweilige Rollen zum Tragen und werden sozial bedeutsam (Dozent-Studierende, Personalchefin-Bwerbende, Enkelkind-Großmutter, Fahrkartenkontrolleur-Bahnreisende) Durch wiederholte Interaktionen entstehen soziale Beziehungen (wichtig im Sozialisationsprozess, Freundschaften, Berufsleben) es bilden sich soziale Konventionen aus, die bestimmte Verhaltensweisen erwartbar und als moralisch gerechtfertigt erscheinen lassen Es erfolgt eine starke Ausrichtung des eigenen Handelns am Handeln des Anderen Es entstehen Abhängigkeiten und Bindungen zwischen den Akteuren (Grundlage Gruppenbildung) Emotionen verstärken & verändern sich Interaktionen werden beeinflusst von Macht, Sozialstruktur und Kultur Zwei unterschiedliche Forschungsfelder für soziale Interaktion: 1. Interpretative Interaktionsforschung (Situationsanalysen) -> Ausgangspunkt: Normen sind nie soweit spezifiziert, als dass sie schlicht zur Gurndlage einer Gesellschaftstheorie gemacht werden -> Grundannahme: Alltag und sie ihn im geltenden Regeln und Normen sind grundsätzlich interpretationsbedürftig und werden von Individuen beständig interpretiert, dies läuft so lange routiniert und „geräuschlos“ ab, wie keine Störungen auftrete (-> Symbolischer Interaktionismus) Wie ist es möglich, dass Akteure in der Kommunikation Übereinstimmung über die Bedeutung ihrer Äußerungen erreichen? -> Interpretationen basieren auf einem Wissensvorrat (durch Sozialisationsprozess vermittelt bekommen) -> Annahme, dass anderen Beteiligten dieses Wissen auch zugänglich ist und von ihnen geteilt wird (implizite Grundannahme) => Idealisierung der Austauschbarkeit des Standpunkte (Du siehst das genauso wie ich) => Idealisierung der Kongruenz der Relevanzsysteme (Dir sind die gleichen Dinge wichtig) Bsp.: In einer Schlange im Supermarkt geht es nicht weiter -> jemand beginnt sich darüber aufzuregen (sucht Kontakt zu anderen) -> Annahme, dass andere in der Schlange sich ebenfalls darüber aufregen, weil sie ebenfalls nicht unendlich viel Zeit haben (Relevanz) Wie lässt sich Theorie von Schütz und seine Annahme von den Idealisierungen empirisch überprüfen? Wie lassen sich die im Normalfall bei einer Interaktion implizit bleibenden Regeln und wechselseitigen Erwartungen freigeben? Forschungsstrategie: gezielte Störung durch Regelbruch, Entwicklung sogenannter Krisenexperimente (Methode) -> Ethnomethodologie Krisenexperiment Begrüßung: T: winkt fröhlich „Wie geht‘s?“ E: Wie geht es mir in Bezug worauf? Meine Gesundheit, meine Finanzen, meine Schulaufgaben, meinen Seelenfrieden,… T: Schau ich wollte nur höflich sein, wenn ich ehrlich bin ist es mir total Wurst wie es dir geht“ -> soll lediglich Interesse signalisieren, aber im Begrüßungskontext soll keine ausführliche Beantwortung vorgenommen werden Krisenexperimente zielen darauf ab, durch bewusste Verstöße gegen soziale Konventionen, latente Erwartungen und Normen zu erschließen Sie eignen sich zur Untersuchung alltäglicher Handlungsweisen und Praktiken, die in einer sozialen Gruppe fest etabliert oder für bestimmte Situationen typisch sind Auch in Räumen möglich (zb Bahn, Toilette, Strand, Hörsaal) Erving Goffmann: Interesse an Interaktionen und Interaktionsritualen im Alltag sowie an Bedeutung von sozialen Rollen und ihrem Aufeinandertreffen in sozialen Situationen Bevorzugte Methode: teilnehmende Beobachtung (zb als Hotelgast oder Assistenzarzt) Beobachtung öffentlich begehbarer Räume (Dorfplatz,…) Unterscheidung zwischen zentrierten und nicht-zentrierten Interaktionen: Nicht-zentrierte Aktionen: können schlecht abgeschirmt werden und sind Extremfall für alle zugänglich -> nonverbale Zeichen Es gibt kein Zentrum der Aufmerksamkeit Die Zeichen werden vor allem über den Körper vermittelt, Goffmann spricht von einem „situativem Engagement“ (zb einem dem Ort angemessenem Verhalten) Höfliche Gleichgültigkeit Das Nichteinhalten bestimmter Normen Zentrierte Interaktion im öffentlichen Raum (zb Demo, Kundgebung): Gruppen von Personen, die einander eine besondere Lizenz für Kommunikation erteilen und einen besonderen Typus von wechselseitiger Aktivität unterhalten, der andere in der Situation Anwesende ausschließen kann (teilzentriert) Interaktion erfolgt v.a. Über Sprache aber im Wechselspiel mit körperlich vermittelten Zeichen Durch Blicke werden Interaktionen eröffnet, dann folgen Worte, das Recht auf Abgang wird durch kleine Gesten eingefordert Dramaturgischer Ansatz: Alltag ist „Theaterhaus“ Strukturierung über Rollen und wechselseitige Rollenerwartung Erfolgen auf einer Vorderbühne mit einem Ensemble, entsprechender Ausstattung und Requisiten Es existieren „Regieanweisungen“ und Reparaturstrategien bei Misslingen der Aufführung Sie passieren zuweilen auch auf einer Hinterbühne, auf der man „aus der Rolle fallen“ kann Methodische Konsequenzen: Wenn soziale Interaktionen erforscht werden muss der Forscher daran teilnehmen, um sich in die subjektive Perspektive der Akteure hineinversetzen zu können -> teilnehmende Beobachtung -> offene Interviews -> Dokumente 2. Verhaltensorientierte Interaktionsforschung (zb Netzwerkanalyse) Betrachtet weite Teile sozialen Verhaltens als wechselseitige (nützliche) Tasuchvorgänge (-> Rational Choice Theory) Rreziprozität wird als Grundlage aller Interaktionen angesehen (Leistung - Gegenleistung; Gabe - Gegengabe) Soziale Ordnung folgt aus dem Interesse der Nutzenmehrung rationaler Akteure, die zu Kooperationen (Netzwerke) führt, wenn diese den Zielen der Akteure dienen Humans Haupthypothesen sozialen Verhaltens: Erfolgshypothese: je häufiger die Aktivität einer Person belohnt wird, mit um so größerer Wahrscheinlichkeit wird diese Person die Aktivität ausführen (bes. bei Kindern beobachtbar) Reizhypothese: Wenn in der Vergangenheit ein bestimmter Reiz oder eine Menge von Reizen eine Aktivität begleitet hat, die belohnt worden ist, dann wird eine Person um so eher diese oder eine ähnliche Aktivität ausführen, je ähnlicher die gegenwärtigen Reize vergangenen sind Werthypothese: Je wertvoller die Belohnung einer Aktivität für eine Person ist, desto eher wird sie die Aktivität ausführen Entbehrungs-Sättigungshypothese: Je öfter eine Person in der nahen Vergangenheit eine bestimmte BElohnung erhalten hat, desto weniger wertvoll wird für sie jede zusätzliche Belohnungseinheit Frustration-Aggression Hypothese: Wenn die Aktivität einer Person nicht wie erwartet belohnt und unerwartet bestraft wird, wird die Person ärgerlich, und im Ärger sind die Ergebnisse aggressiven Verhaltens belohnend HOmans verhaltensorientierte Interaktionsanalyse (Tauschtheorie) interessiert sich für: Ressourcen (zb Kontakte, Wissen) Erträge/Nutzen (zb Anerkennung, Erreichung des Ziels) Kosten (zb Zeit) -> Homans will zeigen, wie Individuen durch Interaktionen Beziehungen - und auf diese Weide soziale Ordnung schaffen Netzwerkanalyse: Ausgangspunkt: Menschen haben vielfältige soziale Beziehungen (Verwandte, Freunde, Kollegen,…) Auch diese haben wiederum Kontakte -> Kreuz- & Querverbindungen sind möglich) -> Entstehung eines Netzwerkes Netzwerke liegen zwischen direkten zozialen Interaktionen und großen gesellschaftlichen Strukturen (Mesoebene) Studie Granovetter: Interesse: Wie entstehen aus Interaktionen weitreichende gesellschaftliche Strukturen? Fokus auf Stärke der Beziehung zwischen Individuen Welchen Einfluss haben diese Bindungen auf Makrophänomene wie Diffusion (= Wandern von Information/Innovation), soziale Mobilität, politische Organisation, gesellschaftlicher Zusammenhalt Definition starker Bindung: zeitintensiv, emotionale Intensität, Intimität (= Vertrautheit), Reziprozität (Gegenseitigkeit) -> linear; treten tendenziell gemeinsam auf um Stärke der Beziehung auszumachen je stärker die Beziehung, desto größer der Anteil der Individuen mit denen beide sich verbunden fühlen Eine Überlappung von Freundeskreisen ist am stärksten, wenn die Verbindung stark ist & am schwächsten wenn sie fehlt Je stärker die Beziehung zwischen zwei Individuen, desto ähnlicher sind sie sich Hat A eine starke Beziehung zu B und C, so gibt es wahrscheinlich auch eine Verbindung zwischen B und C Fehlt die Beziehung zwischen B und C, so ist dies psychologisch herausfordernd für A Begriffe: Studie von Dyaden und Triaden Nur eine schwache Beziehung kann eine Brücke sein Selten gibt es wirklich nur eine Brücke zwischen zwei Gruppen, aber die Distanz innerhalb des NEtzwerks kann stark variieren und entscheiden, ob es sich um eine Brücke handelt Granovetter kritisiert, dass frühere Nertzwerkanalysen schwache Beziehungen vernachlässigt haben, z.b. durch eine Beschränkung der zu nennenden Kontakte Weiter Einsatzmöglichkeiten von Netzwerkanalysen: Rollen von Meinungsbildnern Bereitschaft, sich an Rechtsstreitigkeiten zu beteiligen Ausbreitung von Innovation Rolle von persönlichen Beziehungen für den Abbau von Vorurteilen zwischen Ost- und Westdeutschen Methodische Konsequenzen: -> standardisierte Befragung zu Qantität und Qualität von Kontakten Bei persönlichen Netzwerken z.B. durch Fragen nach: Emotionaler Nähe Häufigkeit des Kontaktes Länge der Beziehung Art der Beziehung (Verwandtschaft, Freunde, Kollegen) Alter, Geschlecht etc. der Kontaktperson -> Netzwerkanalysen sind aber auch für Organisation, Gruppen oder Nationen möglich! Vorlesung (06.11.24) - Gemeinschaft, Gesellschaft, Gruppe, soziale Kontrolle Gemeinschaft und Gesellschaft: Gesellschaften des Westens sind extrem komplex, formalisiert und in hohem Maße um das einzelne Individuum herum organisiert Historische Quellen: Christliche Religion mit Fokus auf Seelenheil des Gläubigen (Reformation verstärkt eise Tendenz, verschiebt Verantwortung noch mal mehr in Richtung der Individuen) Aufklärung und ihre Betonung der Vernunft- & Erkenntnisfähigkeit des/der Einzelnen Industrielle Revolution setzt Einzelne frei: Landflucht & Urbanisierung sorgen für Abbruch tradierter sozialer Gefüge und Bindungen Organisationsbildung: schafft Komplexität der Beziehungsgefüge und indirekte Abhängigkeiten (z.B. Zulieferer) und sorgt für Formalisierung der Beziehungen -> indirekte Beziehungen nehmen immer weiter zu Dennoch gibt es auch in modernen Gesellshcaften weiterhin enge soziale Beziehungen: -> dörfliche Gemeinschaften -> Freundesgruppen -> Wohngemeinschaften, religiöse Gruppierungen => frühe Soziologie fragt nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen engen, persönlichen und abstrakten, unpersönlichen Beziehungen Ferdinand Tönnies - fiktive Gesellschaften & reale Gemeinschaften: Gemeinschaften: real („organisch“) -> Individuen begreifen das Zusammenkommen als Selbstzweck; die Umwelt hat das Eigenleben, ist unverfügbar („Wesenswillen“) Gesellschaften: fiktiv („künstlich“) -> zwecksrationaler Willensakt der Subjekte, Zusammenkommen des eigenen Vorteils wegen („Kürwille“) => Tönnies will zeigen, dass beides auf „individuellen Willensakten wechselseitiger Bejahung“ beruht Die Soziologie der Gruppen: auch in der Moderne spielen Gruppenzusammenhänge eine Rolle Gruppen unterschieden systematisch von: -> einfache Interaktionen (zwischen zwei Personen = Dyaden) -> größere formale Zusammenhänge wie Organisationen mit ihren Hierarchien und Mitgliedschaftsbeziehungen Eine Gruppe ist ein soziales Gebilde welches: 1. entstehen durch regelmäßige Interaktion zwischen den Mitgliedern 2. Ein starkes Wir-Gefühl (Gefühl von Zusammengehörigkeit) 3. Normen nicht durch bewusste Entscheidungen, sondern im Rahmen des alltäglichen Zusammenlebens ausgebildet Merkmal 1: regelmäßige Interaktion Gruppenzugehörigkeit wird durch direkte Interaktion hergestellt Die Wiederholung des Kontaktes vertieft die Beziehung Man muss nicht jedes Mal dabei sein, aber es fällt auf, wenn man nicht dabei ist Viele Gruppen bilden eigene Rituale aus (z.B. bestimmte Gruppenaktivitäten; Arten zu feiern; 1x im Jahr Wochenende) Aber: Regelmäßigkeit alleine reicht nicht aus (notwendiges Kriterium, aber nicht hinreichend) Merkmal 2: Gefühl der Zusammengehörigkeit Zusammengehörigkeit bezieht sich auf einen bestimmten, unverwechselbaren Kreis von Personen (Wir-Gefühl; Rollenbezüge i.d.R. Diffus) Menschen stehen in einem besonderen Verhältnis zueinander, nicht aber zu Dritten (Sonderstatus als Abgrenzung von der restlichen Welt) Dem Anspruch nach haben alle mit allen eine besondere Beziehung Merkmal 3: Entstehung von Gruppennormen Normen gibt es auf allen gesellschaftlichen Ebenen Aber: in Gruppen entstehen Normen selten durch bewusste Entscheidungen; die schleichen sich häufig durch alltägliches Handeln ein, werden nicht formalisiert (schriftlich fixiert), es gibt eine stille Übereinkunft Durch die sich ausbildenden Normen gemeinsam mit anderen Merkmalen (regelmäßige Interaktion und Zusammengehörigkeitsgefühl) entsteht Gruppendruck und eine mehr oder weniger starke Exklusivität Wichtiger dynamisierender Faktor: Gruppengröße kleinste Gruppengröße 3 (Triade) Kleine Gruppe: gewisse Arbeitsteilung möglich, Ausbildung diffuser „Rollen“, intensive Kommunikation und Interaktion zwischen allen Beteiligten, Einigung schnell möglich Größere Gruppen: stärkere Arbeitsteilung und Spezialisierung möglich, nicht alle nehmen ehr in gleichem Umfang an Austausch teil, der durchschnittliche Beitrag eines Gruppenmitglieds ist geringer, Erzielung eines Konsens einfacher regelmasige & > Zusammengehrigkeits- Interaktion gefuhl M 7 S L Gruppennormen Funktion der Gruppe: Integration in die Gesellschaft, Vermittlung gesellschaftlicher Normen, Solidarität Stabilisierung von Kritik, Protest und Abweichung Primäre und sekundäre Sozialisation (Familie als spezielle Gruppe, Peer) Bekannter Roman: William Golding „Herr der Fliegen“ -> Gruppe von Jungen stürzt bei Evakuierung mit Flugzeug ab und landet auf einer einsamen Insel -> Müssen ihr Leben eigenverantwortlich organisieren, entwickeln Arbeitsteilung und Zuständigkeiten sowie Differenz zwischen Anführer (stilisiert) und einfachen Gruppenmitgliedern -> Entstehung zweier rivalisierender Gruppen -> Parabel auf das Verhältnis von Zivilisation und Barbarei Empirische Studien: Paul Willis „Spaß am Widerstand“ -> Suche nach Ursachen für Reproduktion sozialer Ungleichheit Inhalt der Studie: Beobachtung männlicher Jugendcliquen untereinander & die Interaktion zwischen Schüler:innen und Lehrer:innen Frage: Wie kommt es, dass Schüler:innen aus Arbeiterfamilien trotz des Engagements von Lehrer:innen doch wieder ohne Ausbildung enden Gängige These: Objektive Klassenlagen behindern den sozialen Aufstieg (kein Geld für Nachhilfe,…) Gegenthese von Willis: arbeiterliche Jugendgruppen geltenden und dort stabilisierten Normen und Verhaltenserwartungen verhindern sozialen Aufstieg (eigener Humor, Gruppenkultur von Körperlichkeit, Ablehnung der Schule als Institution) -> Kultur der Widerständigkeit sorgt für Verbleib in Arbeiterklasse, Bestätigung erfolgt durch Gruppe, nicht durch offizielle (staatliche) Institutionen Elton Mayo „Probleme industrieller Arbeitsbedingungen“ -> Suche nach Faktoren für Produktivitätssteigerung Inhalt der Studie: über verschiedene Experimente wurde untersucht, welche Faktoren einen Einfluss auf Arbeitsabläufe und die Produktivität der Arbeitenden hat Variiert wurden u.a. Beleuchtungsstärke in Fabrikhalle, Pausenlänge und Umfeld von Arbeitenden Hintergrund: Probleme der Wirtschaft durch hohe Fluktuationen, Streiks, das „Bremsen“ der Arbeitsabläufe durch Arbeitende Als Ursache wurde Langeweile, Monotonie und Ermüdung durch eintönige Arbeitsabläufe diagnostiziert -> Taylorismus: Zerlegen der Abreitsvorgänge in kleinste Abschnitte, Unternehmen funktionieren wie Maschinen (Ideal früher Fabriken) beobachtbarer Effekt: Anregungen durch Anwesenheit der Forschenden wirkte sich positiv auf Produktivität aus (eigentlich unerwünschter Effekt; Forschende drehen Spieß um und untersuchten soziale Faktoren) Weiterer Effekt: durch Isolierung einer kleinen Gruppe zur besseren Beobachtung entstanden zwischen den Beobachteten Beziehungen die zu einem besseren Arbeitsumfeld führten (Group Factors) Forschungsbericht: Change of „moral“; Entstehen der Gruppe als wichtigster Faktor für Produktivität -> vom scientific Management zu dem human relations Howard S. Becker „Außenseiter - Zur Soziologie abweichenden Verhaltens“ -> Wie werden Menschen zu Außenseitern (gemacht) Frage: Wie lassen sich soziale Abweichungen verstehen und erklären? Kritik: abweichendes verhalten lässt sich nicht adäquat über den Verweis auf eine persönliche Charaktereigenschaft oder Disposition erklären These: Nicht abweichende Motive führen zu abweichende, Verhalten, sondern umgekehrt: das abweichende Verhalten erzeugt mit der Zeit abweichende Motive Befund: Zugehörigkeit zu einer Gruppe stabilisiert abweichendes Verhalten, Stabilidierung verläuft prozessfähig („Karriere“) Beispiel: Marihuana-Konsum These: Man lernt in einer Gruppe die Drogen „richtig“ zu gebrauchen (beim ersten Marihuana-Rauchen oft kein Effekt) Dies heißt im Einzelnen: 1. Marihuana in einer Weise zu rauchen, die tatsächlich Wirkungen hervorruft (richtige Technik) 2. Die Effekte zu erkennen und mit dem Drogengebrauch in Verbindung zu bringen 3. Die wahrgenommenen Empfindungen genießen (Angstgefühle werden umgedeutet) Soziale Einbettung und soziale Effekte des Drogengebrauchs: -> man verschafft sich Zugang zur Droge über Kontakte (Gruppe); diese Kontakte sind um Wertvorstellungen und Aktivitäten herum organisiert, die sich von Mehrheitsgesellschaft unterscheiden -> Management des Drogenkonsums gegenüber Kontakten (eigene Familie, Kolleg:innen,…) Reduzierung/ Distanzierung gegenüber Kontakten, die dem Konsum negativ gegenüber eingestellt sind; weitgehende Integration von Gewohnheitsnutzer:innen in Außenseitergruppen 1. Folge: in der abweichenden Gruppe lernt man, wie man sein abweichendes Verhalten. It einem Minimum an Ärger ausüben kann /Strategien der Geheimhaltung etc.) 2. Folge: man entwickelt komplizierte rechtliche, biografische, psychologische Rechtfertigungen/ Rationalisierungen für sein Handeln, diese werden von Außenseitergruppen geteilt/stabilisiert Theoretische Schlussfolgerung: abweichendes Verhalten ist ein Verhalten, das Menschen als solches bezeichnen; Etikettierungsansatz (labeling approach) Methodologische Schlussfolgerung: Nicht Warum-Fragen, sondern Wie-Fragen -> Interessa an „Delinquent- Karriere“ (Prozesshafte Perspektive) und interaktiver Herstellung abweichenden Verhaltens (konstruktivistische Perspektive) Soziale Kontrolle = alle Strukturen, Prozesse und Mechanismen, mit deren Hilfe eine Gesellschaft oder soziale Gruppe versucht, ihre Mitglieder dazu zu bringen, ihren Normen Folge zu leisten. Soziale Kontrolle ist ein zentraler Bestandteil aller Prozesse der sozialen Integration. Sie bezeichnet nicht nur den sozialen Druck, der von der Umwelt in Form negativer Sanktionierung von Normverletzungen ausgeht (externe soziale Kontrolle), sondern auch die im Verlaufe des Seozialisationsprozesses erfolgte Verlagerung der sozialen Kontrolle in das Persönlichkeitssystem oder gewissen des Einzelnen (interne soziale Kontrolle) soziale Kontrolle ist lose mit Legitimitationsgrundlagen verbunden (Regeln beziehen sich z.B. auf rechtliche oder kulturell-traditionale Normen) Regeln können mehr oder weniger stark formalisiert sein Regeln sind sozial gemacht, sie können und werden offensiv eingefordert aber auch ignoriert Sanktionsmechanismen: -> Einhaltung von Regeln im Alltag durch Blicke/Worte eingefordert (allgemein verständliche Äußerungen der Missbilligung,…) -> manchmal wird aber auch mit den Mitteln des Rechts sanktioniert (Anklage, Verurteilung) -> Einsatz von Gewalt (bspw. Bei einem Polizeieinsatz) Kontrollformen, z.B. räumlich, durch Gettoisierung, finanziell, Isolationsfurcht Neuere Kontrollformen: Bewegungs- & Einkaufsprofile, Finanzströme, Brwosing-Gewohnheiten etc. Kontrollinstanzen: oft legitimierte Instanzen (Polizei, Behören,…) Kontrollmechanismen: Disziplinierung, Domestizierung, Kasernisierung, Stigmatisierung, Sanktionierung, Delegetimierung, Marginalisierung Kontrolle über Körper und Identität nimmt zu Vorlesung (20.11.24) - Kultur I) Kulturbegriff - historische Semantik und wichtige Beiträge schillernd, da vielschichtig verständlich -> gibt es schon lange (vor wissenschaftlicher Beschäftigung) Begriffsgeschichte/ historische Semantik: „colere“ (lat.) -> im Sinne von anbauen, bearbeiten, Ackerbau betreiben, sowie im Sinne von ausbilden, veredeln -> Kultivieren -> im Sinne von schmücken, putzen, Körperpflege, Kleiderputz -> Kultivieren, Stilisieren -> im Sinne von hoch-halten, verehren, anbeten, feiern, huldigen -> Kult (vom heutigen Begriff eher ausgelagert) Drei Verwendungsweisen des Kulturbegriffs: Niklas Luhmann (1995): Kultur in einem modernen Sinne - als Kollektivsingular „die Kultur“ - ist ein Vergleichbegriff; Er ist Ergebnis eines zunehmenden Kontakts mit anderen Gesellschaften und ermöglicht Öffnung & Abgrenzung Siehe zb Johann Gottfried Herders Überlegungen (1800): -> betont Andersartigkeit von Kulturen; verweist auf Gefahren von Migration; fordert Anerkennung von Diversität; lehnt Vermischung von Kulturen ab Norbert Elias (1985): Kulturbegriff des deutschen Bürgertums ist ganz besonders mit Bedeutung aufgeladen (i.S. Gefühlskultur, innere Werte, Selbstbildung) Fungierte im 18. Jh. Als Abgrenzungsbegriff gegenüber dem Adel und dessen (Selbst-) Verständnis als Repräsentanten einer „Civilisation“ (kritisiert als oberflächlich, rein äußerlich) Friedrich H. Tenbruck: Kultur ist Ergebnis der Herauslösung der symbolischen Ordnung aus religiöser Dominanz Moderne Kultur ist Reflexionskultur (Modus des ständigen Hinterfragens, Kritisierens, Suchens -> immer neue Werke) Entstehung einer eigenständigen kulturellen Sphäre mit -> professionellen Akteuren (Kunstschaffende, Kritiker:innen) -> eigenen Initiativen & Organisationen (Museen, Theater) -> Interessiertes Publikum Vier Varianten des Kulturbegriffs: 1. Kultur als zweite Natur des Menschen 2. Kultur als Sinn sozialer Phänomene 3. Kultur als soziales Feld 4. Kultur als Erfahrungsgemeinschaft (entspricht Luhmann & Herder) II) Kulturbegriff - Systematik II.I) Kultur als soziales Feld Kultur resp. Kunst als soziales Feld ist ein Produkt der Moderne Wichtige Prozesse (18./19. Jh.) -> Säkularisierungsprozess: Kultur schält sich aus religiöser Dominanz heraus, Kirchen treten als Auftraggeber zurück, Bildthemen, literarische Motive etc. profanisieren sich -> Professionalisierungsprozess: akademische Ausbildung von Künstler:innen, Etablierung von Kunsttheorien, Kunst als freier Beruf, Entstehung einer bürgerlichen Publikums -> Organisationsbildung: Entstehung einer Vielzahl unterschiedlichster Vereine & Gesellschaften, Gründung von Museen, Theatern, Opernhäusern, Bibliotheken etc. Typische Konfliktlinien: etablierte VS. Neue Akteure Hoch VS. Populärkultur (Unterhaltungs- VS. Ernste Kunst) Expert:innen VS. Laien/Publikum Ebenen: Produktion: Urheber künstlerischer Werke (Kunstschaffende) Distribution: Kultureinrichtungen, Agenturen, Festivals (zur Verfügung stellende) Rezeption: Publikum, Geschmack 11 Mögliche Forschungsschwerpunkte und -Interessen: Vermessung kultureller Praxis (Ebene der Produktion, Distribution, Rezeption) -> Beispiele: Gunnar Otte, Ulrich Dolata, Larissa Buchholz Rekonstruktion von Aushandlungsprozessen, Bedeutungsverschiebungen, Bewertungen, Konflikten -> Beispiele: Jana-Maria Weiss (Das Gedicht über Frauen), Anja Frank Studie: Gunnar Otte - Das Publikum für Kunst und Kunsthandwerk Frage: Wie lässt sich das Publikum der bildenden Künste in Deutschland beschreiben? Und wie lässt sich das Zustandekommen seiner sozialen Zusammensetzung erklären? Operationalisierung/ Methode: Operationalisierung über die quantitative Erfassunf von Ausstellungsbesuchen, daneben Angaben zu Bildungsniveau, Einkommen, Migrationshintergrund, Haushaltsgröße, Freizietverhalten der Eltern, Erwerbsstatus, Gesundheit etc. Vergleichspublikum: Besucher:innen von Kunsthandwerksmärlten Zufallsstichprobe der Bevölkerung: ca. 2600 Personen aus 183 Gemeinden über 15 Jahre alt Theoretische Annahmen: Pierre Bourdieus Theorie sozialer Ungleichiet und kulturellen Geschmacks Annahme, dass Kunstinteresse klassenspezifisch ist (vermittelt v.a. Durch Elternhaus -> „kulturelles Kapital“) Dass Kunst unterschiedliche anspruchsvoll dekodiert werden kann (vorrangig sinnlich oder eher intellektuell) Hypothesen: Publikum in Kunstauststellungen verfügt über mehr kulturelles Kapital als dasjenige von Kunsthandwerkermärkten Personen mit Migrationshintergurnd fehlt tendenziell sozialisationsbedingt das entsprechende kulturelle Kapital Kunstrezeption verlangt Sonderwissen, das v.a. In Gymnasien vermittelt wird Sinderwissen nimmt im Alter zu /Erfahrungen mit Ausstellungen) Befunde: Anwendung einer Negativ-Binominalregressionen (Ziel ist es, die Verteilung der abhängigen Variablen durch einen Satz Variablen zu erklären) 37,4% der Befragten über 15 haben im vergangenen Jahr mdst. Eine Kunstaustellung besucht (58,7% besuchten mdst. Einmal im Jahr einen Kunsthandwerkermarkt) Bildungsniveau einer der stärksten Determinanten (unter den Ausstellungsbesucher:innen haben 21% einen Hauptschulabschluss, 68% Abitur) Studie: Anja Frank - große Gesellschaft Frage: Theater und Oper stehen als öffentlich geförderte Kultureinrichtungen vor zunehmendem Legitimitationsdruck. Welche Selbst- und Gesellschaftsentwürfe stehen hinter dem Bemühen um diese Kunstgattung durch Fördervereine? Operationalisierung/ Methode: kulturelles Engagement in einem Verein = gemeinschaftliche Praxis Gruppendiskussion mit Vereinsmitgliedern, um kollektive Orientierungsmuster und Sinnbezüge herausarbeiten zu können Offenes Verfahren, d.h. relevante und thematische Schwerpunkte werden von Gruppe selbst in Diskussion gesetzt Im gemeinsamen Diskutieren reproduzieren Teilnehmende nicht nur kollektive Orientierungsmuster, sonder konstituieren sich auch als Gruppe Befunde: Fördervereine engagieren sich keineswegs nur aus ästhetischen Motiven heraus für Theater und Oper; diesen Typus gibt es auch, aber er ist nicht der einzige „Weltstadt in der kleinen Stadt“ - Verein begreift sich als Anwalt lokaler Identität „Kämpfer“, „Freude“, „Mittler“ - Verein begreift sich als Anwalt des Hauses „Vertreter der Besucherschaft“ - Verein begreift sich als Anwalt des Publikums „Die höchste Form der Entwicklung“ - Verein begreift sich als Anwalt von Kunst und Ästhetik II.II) Kultur als Sinn sozialer Phänomene „Ein Sachverhalt wird zu Kultur, weil er für Menschen Bedeutung hat, weil sie ihm einen Sinn zuweisen. Kultur existiert als nicht an sich, sondern nur dadurch, dass wir ein Phänomen - egal ob positiv oder negativ - mit Bedeutung, aufladen“ Max Weber: Kultur hat eine Bedeutungszuweisung. Verläuft nicht nach Gesetzen, sondern orientiert an Wertideen. Kultur ist ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter endlicher Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens. Kulturmenschen = bewusst zur Welt Stellung nehmen. Kultur nicht im normativen Sinne. Auch Prostitution kann unter Kultur gefasst werden => weiter Kulturbegriff Mögliche Forschungsschwerpunkte und -Interessen: Rekonstruktion von Aushandlungsprozessen, Bedeutungsverschiebungen, Bewertungen, Konflikten im Hinblick auf soziale Phänomene Analyse des Wertewandels (Kulturvergleich) Studie: Schmidt-Lux - Gerecht Strafe. Legitimitationskonflikte um vigilante Gewalt Frage: Wie werden angesichts des Gewaltmonopols des Staates Formen von Selbstjustiz legitimiert bzw. Gerechtfertigt Operationalisierung/ Methode: Die Taten vigilanter Akteure müssen zu offiziellem Gewaltmonopol und Verhältnis gesetzt werden, es müssen sich also Spuren der (Selbst-) Rechtfertigung für die Anwendung von Gewalt finden lassen Untersuchung von 31 Dikussionen in Online-Foren (natürliches Material, selbstläufig entstanden) Befunde: Vigilantismus ist nicht mit anderen Formen von Kriminalität oder Gewaltanwendung gleichzusetzen; es geht hier primär um eine Steuerung des Verhaltens von Anderen im Namen von Recht und Ordnung -> normative Spielart von Gewalt Legimitationen vigilanter Gewalt haben kognitive, normative und emotionale Dimensionen Legitimitationsformeln (Beispiele): -> man habe ein Recht auf „Verteidigung“ bei Angriff -> Die Justiz ist abwesend (weil sie überfordert bzw. Weil nicht Willens sei) -> Es brauche Wiederherstellung von „Gerechtigkeit“ -> Die Täter haben sich mit ihren Taten aus sozialer Gemeinschaft ausgeschlossen, ihnen kann mit Gewalt begegnet werden (kein Anspruch mehr auf Fairness -> Form der Entmenschlichung) Gegenseite: Gewaltmonopols des Staates, Gefahren & Risiken, Einhaltung der Menschenrechte Studie: Inglehardt, Ron und Wayne Baker - Modernization, cultural change Anspruch/Vorhaben: Langzeitbeobachtung von Wertewandel weltweit Operationalisierung/Methode: WVS wird seit 1981 durchgeführt repräsentative nationale Umfragen in derzeit 80 Ländern (Welle 7 lief von 2017-2021) Themen: Unterstützung für Demokratie, Toleranz für Zugewanderte und ethnische Minderheiten, Unterstützung für Geschlechtergerechtigkeit, Rolle von Religion und veränderte Religiosität, Einfluss von Globalisierung, Einstellungen gegenüber Umwelt, Arbeit, Familie, Politik, nationale Identität, Diversität, Unsicherheit, subjektives Wohlbefinden 2 Dimensionen kultureller Variationen in der Welt: traditionelle versus säkular-rationale Werte und Überlebenswerte versus Selbstverwirklichung 2008 2020 Kultur = Sinn & Bedeutung Die Industrialisierung bringt den Wechseln von traditionellen zur säkular-rationalen Werten Postindustrielle Gesellschaften wenden sich von absoluten Werten ab und orientieren sich an vertrauen, Toleranz, Wohlergehen und postmateriellen Werten Die Werte wandeln sich mit wachsendem gesellschaftlichen Wohlstand, aber Pfadabhänigkeiten entlang der definierten Cluster bleiben erkennbar: die Länder bewegen sich in dieselbe Richtung, aber konvergieren nicht Vorlesung (27.11.24) - Soziale Ungleichheit, soziale klasse, Milieu I) Soziale Ungleichheit - Grundlagen zusammen mit „soziale Differenzierung“ ein Kernthema/Kernkompetenz der Soziologie Thematisierung und Analyse sozialer Ungleichheit setzt voraus, dass soziale Unterschiede zwischen Menschen nicht mehr einfach als gottgegeben angesehen werden (nicht mehr legitim & gerechtfertigt) -> vgl. Aristoteles: Ungleichheit sei Ausdruck einer natürlichen Ordnung -> Vgl. dagegen Jean-Jaques Rousseau: Unterscheidung von natürlicher und sozialer Ungleich Thematisierung sozialer Ungleichheit in modernen Gesellschaften hat Werte der Gerechtigkeit & Gleichheit im Gepäck (F.R.; amerikanische Erklärung der Menschenrechte) Drei Hauptinteressen der Soziologie: -> Vermessung empirisch bestehender Formen von Ungleichheit (Sozialsturkturanalyse) -> Verstehen und Erklären der Persistenz, Reproduktion, aber auch des Wandels von Formen sozialer Ungleichheit -> Analyse und Abschätzung der Folgen „Als soziale Ungleichheit bezeichnet man (1) wertvolle, (2) nicht absolut gleich und (3) systematisch aufgrund von Positionen in gesellschaftlichen Beziehungsgefügen verteilte, vorteilhafte bzw. Nachteilige Lebensbedingungen von Menschen“ (Stefan Hradil) 1) knappe und begehrte Güter („das gute Leben“) haben einen Wert, Menschen streben danach 2) umfasst sowohl „gerechte“ als auch „ungerechte“ Ungleichverteilung -> nicht immer als ungerecht empfunden 3) es muss Hypothesen über sozial strukturierte Ursachen geben Jede Zeit & Gesellschaftsform hat ihre eigenen Ungleichheitsstrukturen entlang der jeweils erstrebenswerten Güter (z.B. nomadische Gesellschaften: Besitz von Weidevieh; europäische Gesellschaften: Besitz, Einkommen, Bildungstitel) „Soziale Ungleichheit“ ist nicht gleichbedeutend mit „sozialer Ungerechtigkeit“ (z.B. wird in einer Meritokratie Verteilungsungleichheit aktzeptiert, Chancengleichheit abgelehnt; Menschen, die glauben, dass individuelle Leistung für das Vorankommen zählt, akzeptieren Ungleichheit leichter) Haupterkenntnisinteressen: welches sind die Erschienungsformen sozialer Ungleichheit und wie verändern sie sich im Zeitverlauf? (Z.B. ungleiche Verteilung von Bildung, materieller Wohlstand, Macht & Prestige) Welche Faktoren beeinflussen die Position von Individuen oder sozialen Gruppen in einem Ungleichheitsgefüge und welche Zuweisungsmechanismen werden dabei wirksam? -> wichtige Determinanten: Region, Geschlecht, Migrationshintergrund, Religion, Familienstand Welches sind die Folgen sozialer Ungleichheit? (Z.B. geringere Lebenserwartung, soziale Segregation in Städten) Ungleichheitstheorien & Konzepte Ökonomische Klassentheorie (z.B. Karl Marx) Einteilung entlang des (Nicht-)Besitzes von Produktionsmitteln/ ökonomischem Kapital Kritik: zu starr Kultursoziologische Klassentheorie (z.B. Pierre Bourdieu) Einteilung entlang von Umfang und Zusammensetzung von verschiedenen Kapitalsortenn (ökonomisch, sozial, kulturell) und damit korrespondierendem Lebensstil Sozialer Stand/ Statustheorie (z.B. Max Weber) Einteilung entlang des gesellschaftlichen Ansehens/ Prestige (heutzutage meist über Ansehen des Berufes ermittelt) Schichttheorie(n) (z.B. Karl Martin Bolte) Einteilung über Kombination von Merkmalen (ökonomisches Kapital, Macht, Prestige) Soziale Lagen (z.B. Stefan Hradil) Erwerbsstatus, Einkommen, wohlfahrtsstaatliche Absicherungen, Beziehungsverhältnisse, Diskriminierungen, subjektive Faktoren (Lebenszufriedenheit) Theorien sozialer Milieus (z.B. Gerhard Schulze, SINUS Milieus) Einteilung über ökonomische und kulturelle (Einstellungen, Werte, Lebensstil) Merkmale konomische Faktoren kulturelle Faktoren Pierre Bourdieu (1930 - 2002) interessiert sich für die Reproduktionsmechanismen sozialer Ungleichheit Kritisiert bestehende Theorien & such nach besseren Erklärungsansätze Kombiniert dafür Theorieelemente von Karl Marx, Max Weber und Emmile Durkheim -> von Marx übernimmt er die Klassentheorie und den Kapitalbegriff (erweitert: ökonomisch, kulturell und soziales Kapital) -> von Weber: symbolisch-kulturelle Dimension sozialer Unterschiede -> von Durkheim: Einsicht, dass unser Denken von kognitiven und moralischen Klassifikationen abhängig ist (wir werden gedacht & wir denken) Erweiterung des Marxschen Kapitalbegriffs: ökonomisches Kapital: Besitz, Vermögen, Einkommen Soziales Kapital: mobilisierungsfähige Beziehungen, die sich in handfeste Vorteile umwandeln lassen - „Vitamin B“ Kulturelles Kapital: Wissen und Bildung -> inkorporiertes kulturelles Kapital: Geschmack, Lebensstil, Urteilsvermögen, Fähigkeiten -> diffiziler Prozess -> objektiviertes kulturelles Kapital: Bücher, Bilder, Instrumente, Designermöbel -> institutionalisiertes Bildungskapital (Bildungstitel) übergeordnet ist das symbolische Kapital i.S.v. Anerkennung, Prestige -> Verteilung dieser Kapitalien über die verschiedenen sozialen Klassen Konzept des sozialen Raumes, in dem Klassen je nach Umfang des Kapitalbesitzes und je nach konkreter Zusammensetzung der Kapitalsorten verortet werden können Annahme, dass sich die sozialen Klassen in einem ständigen „Spiel“ von Abgrenzung und Integration befinden, das vor allem auch über die kulturell-expressive Dimension ausgetragen wird Bourdieu unterschiedet drei Klassen und verschiedene Klassenfraktionen, die je nach gesellschaftlicher Situation auf ihren Positionen verbleiben, auf- oder absteigen (Oberklasse, Mittelklasse, Volksklasse) Pierre Bourdieu (1987): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frage?: Wie lässt sich die relative Stabilität dieser Ungleichheit erklären? Operationalisierung/ Methode: Umfangreiches Datenmaterial über ökonomische Lebensbedingungen und Lebensstil der frz. Bevölrerung in den 1970er Jahren (Statistiken, Fotographien, Interviews) Argumentation: soziale Positionen vermitteln sich über einen Lebensstil und drücken sich in ihm aus; Dem Raum sozialer Positionen entspricht ein Raum der Lebensstile Der Habitus als ein inneres System von Wahrnehmungs-, Denk- und Bewertungsschemata vermittelt zwischen der sozialen Position und der Wahl des Lebensstils (Kleidung, Essgewohnheiten, Bildungsaspirationen,…) Definition Habitus: „Systeme dauerhafter Dispositionen, die als Erzeugungsprinzipien und zugleich Klassifikationssysteme individueller und kollektiver Praktiken wirksam sind. Habitusformen sind inkorporierte soziale Strukturen, die ihrerseits als Ergebnis sozialer Praktiken begriffen werden. Im Nomalfall funktioniert der Habitus als unbewusst wirkendes Klassifikationsschema, mit dessen Hilfe die Handelnden Gegenstände, Situationen und Personen klassifizieren und sich (…) zugleich selbst klassifizieren“ Der Habitus sorgt dafür, dass ich mag, was ich bin und objektiv erreichen kann und dass ich ablehne, was mir fremd ist - auch für meine Kinder Er sorgt auch dafür, dass ich „erkannt“ werde und andere „erkenne“ (d.h. Sozial zuordnen/einordnen) kann und dass ich Nähe zu meinesgleichen bzw. Abstand zu Anderen empfinde Wie kann der Habitus unbewusst wirken? Zum Beispiel über den Geschmack: Neigung und Fähigkeit zur Aneignung einer bestimmten Klasse klassifizierter und klassifizierender Gegenstände und Praktiken Erzeugt den einheitlichen Gesamtkomplex distinktiver Präferenzen System von Klassifikationsschemata, die nur höchst bruchstückhaft dem Bewusstsein zugänglich sind Aufeinander abgestimmte Eigenschaften, die sich wechselseitig verstärken -> der jeweilige Geschmack bestimmt den Lebensstil II) Soziale Schicht/ Klasse Diskussion in den 1980er und 1990er Jahren: Befinden wir uns in einer Zeit, in der Klasse und Schicht an Bedeutung verlieren? Kritiker wie Ulrich Beck und Ronald Hitzler argumentieren: Klasse und Schicht seien statistische Artefakte, Verteilungsrelationen zwar ziemlich konstant, aber es gäbe allgemeiner Wohlstandsgewinne, das Geld mischt die sozialen Kreise neu Individualisierung und Diversifizierung von Lebensstilen weichen Klassendifferenzen auf: Mesnchen sind immer weniger schicksalshaft an ihre Klasse oder Schicht gebunden, es gibt Zunahme von Wahlmöglichkeiten, Bastelidentitäten etc. -> Neuere Mobilitätsforschung widerspricht! -> Aber: weitere Kulturalsieirung der Ungleichhietsforschung, siebe Verbeitung der Milieustudien Ab den späten 1980er Jahren vermehr Erforschung von Milieus als alltagsweltlichen Zusammenhängen und Vergemeinschaftungen, aber weiterhin Berücksichtigung von ökonomischen Kriterien Innerhalb von Milieus werden Sinnstrukturen herausgebildet, es kommen bestimmte kulturelle Repertoites zum Einsatz Milieusturien zb die SINUS-Milieus (kommerziell), Studie von Gerhard Schule „Erlebnisgesellschaft“ Milieu der Performer (die effizienzorienterte Leistungselite) Leitmotiv: „Leistung aus Leidenschaft“ Bürgerliche Mitte (Der bürgerliche Mainstream) Leitmotiv: „Das Erreichte sichern“ Hedonistisches Milieu (die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht/ untere Mitte) Leitmotiv: „Fun & Action & Entertainment“ Vorlesung (04.12.24) - Sozialstruktur & soziale Mobilität Sozialstruktur Sozialstrukturanalyse = nicht das gesamte Gesellschaftsgefüge in den Blick Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf dem Wandel der Sozialstruktur (Reproduktion von Ungleichheit, soziale Mobilität etc.) Eine der Hauptfragen der Sozialstrukturanalyse lautet: Wie entstehen aus bestimmten Verteilungsmustern soziale Großformationen (Klassen, Milieus) Annahme: Es bilden sich soziale Grenzen zwischen den Formationen aus, die sie auch lebensweltlich voneinander unterscheidbar machen (hinsichtlich ihrer Lebensbedingungen, Lebenschancen und Prägungen) Entstand im 19. Jh. Als die jungen europäischen und nordamerikanischen Nationalstaaten durch die industrielle Revolution mit völlig neuen sozialen Problemen konfrontiert wurden Fokus auch heute oft auf nationalstaatlich zugeschnittene Gesellschaften Gesellschaftsvergleich ist nur bedingt möglich, da unterschiedliche Dimensionen von Ungleichheit eine Rolle für die Herausbildung der Sozialstruktur spielen Häufige Methode: längsschnittliche Trendbeobachtung BRD (1949-1990) “(nivellierte) Mittelstandsgesellschaft” Nach Krieg und mit zunehmender Blockkonfrontation Zuzug weiterer Angehöriger des Bildungs- und Besitzbürgertums sowie der Oberschicht, aber auch Flüchtlinge (Statuskonsistenzen) Konsolidierung, Wirtschaftswunder, Ungleichheitsbegrenzung, ab 1960er Jahre Bildungsexpansion Vertikale soziale Differenzierung bleibt erhalten, Besitz und Einkommen weiterhin starke Ungleichheitsfaktoren Reduktion absoluter Armut, Reduktion extremen Reichtums, Ausweitung der bürgerlichen Mittelschicht DDR (1949-1989) “Arbeiterliche Gesellschaft” Gesellschaftliches Ziel: klassenlose Gesellschaft, d.h. Abbau sozialer Ungleichheit in Richtung Egalität Weggang von Angehörigen des Bürgertums, Zuzug von Flüchtlingen (Statuskonsistenz), Enteignung, Umverteilung Vertikale soziale Differenzierung wurde nicht vollständig aufgehoben, aber Besitz und Einkommen als Ungleichheitsfaktoren stark relativiert Vertikale soziale Differenzierung wurde nicht vollständig aufgehoben, aber Besitz und Einkommen als Ungleichheitsfaktoren stark relativiert Kaum absolute Armut, kaum existenter Reichtum, arbeiterliche und kleinbürgerliche Schichten dominant Soziale Mobilität Soziale Vor- und Nachteile von Menschen ergeben sich nicht nur durch den aktuellen sozialen Status, sondern auch durch die Frage, wie lange jemand arm oder angesehen bleibt Intergenerationale Mobilität (Eltern - Kinder) Intragenerationale Mobilität (Stationen einer Karriere) -> Analyse von individuellen und kollektiven Laufbahnen "soziale Mobilität zeigt an, wie gut es Kindern aus weniger vorteilhaften sozialen Lagen gelingt, für sich selbst vorteilhafte soziale Lagen zu erreichen, oder umgekehrt, wie hoch das Risiko von Kindern mit vorteilhafter Familienherkunft ist, spätere eine weniger vorteilhafte soziale Lage zu erreichen" Strukturelle Mobilität durch den Krieg oder Systemwechsel verursachter (temporärer) Gesellschaftsumbau Durch wirtschaftliche Entwicklungen (zb Entstehen oder Wegfall bestimmter Sektoren) Durch politische Entscheidungen (Einführungen oder Abbau wohlfahrtsstaatlicher Instrumente) Familiäre Umstellungsstrategien Individuelle Mobilität durch Leistung und Erfolge: Vorraussetzung dafür ist Chancengleichheit In Deutschland sind Chancengleichheit im Bildungswesen und Leistungsgerechtigkeit im Berufsleben unerreichte Ziele BRD: zunächst Abbau von sozialer Ungleichheit und größere Mobilität, aber Wiederanstieg der Ungleichheit seit den 1980ern Nach 1945: das halbe sozialdemokratische Jahrhundert deutlicher Ausbau des Wohlfahrtsstaates, moderate, abgefederte Ungleichheit Regulierung des Arbeitsmarktes, Reallohnzuwächse unter den Arbeitern, Teilhabe an wirtschaftlichen Gewinnen Bildungsexpansion Liberalisierung, Globalisierung seit den 1980er Jahren Deregulierung Abwanderung von FIrmen und Produktionszweigen ins günstigere Ausland ("Billiglohnländer") DDR: zunächst hohe Mobilität nach 1945 ("Mobilitätssog"), später dann das gerade Gegenteil einer blockierten Mobilität Nach 1945: diverse sozialstaatliche Maßnahmen (Rente, Lohnerhöhungen, Sozialleistungen) Umbau des Schulsystems, Anreize für Angehörige der Arbeiterklasse für höhere Bildungslaufbahnen Hohe Entlohnung von Jobs im Industriesektor, vergleichsweise geringe Entlohnung von klassischen bürgerlichen Berufen Im Laufe der 1980er: wirtschaftliche Stagnation, zunehmende Verstopfung der Aufstiegskanäle Deutschland seit den 1990er Jahren die Regulierung Arbeitsmarkt: Lockerung Kündigungsschutz, Auswirkung des Niedriglohnsektors Einheitskosten Hartz IV Gesetze 2004 (Verringerung der Leistungsansprüche) Rentenkürzungen Veränderungen im Steuersystem -> Spitzensteuersatz wurde gesenkt von 53% auf 42% -> 1997 wurde Vermögenssteuer abgeschafft -> Erhöhung der Freibeträge bei Erbschaftssteuer -> Absenkung der Körperschaftssteuer von 52% auf 29% - Deutschland in den 1990er Jahren: gestiegene soziale Ungleichheit, vor allem im Osten hohe strukturell bedingte Mobilität Ostdeutsche Bundesländer: Überschichtung der vorhandenen Sozialstruktur Westdeutsche Bundesländer: Unterschichtung der vorhandenen Sozialstruktur Ostdeutsche: Abstiege durch wirtschaftliche Abwicklungen, Verlust des Arbeitsplatzes, Entwertung der Abschlüsse und Qualifikationen (traf v.a. Mittlere u. ältere Jahrgänge, Männer häufiger abgestiegen als Frauen), kleiner Kreis von Wendegwinnern, Öffnung der Bildungsinstitution -> insgesamt kein nach oben gerichteter Mobilitätsschub Westdeutsche: Mobilitätskanäle durch Übernahme vonPositionen in neuen Bundesländern, gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen, ansonsten eher Stagnation Lohnungleichheit hat sei den 1990er Jahren deutlich zugenommen, geht v.a. Auf sinkende Reallöhne bei mittleren und niedrigeren EInnkommensgruppen zurück Anstieg der Ungleichheit der Haushaltseinkommens, Einkommensmittelschicht schrumpft Armutsgefährdung nimmt zu (2005: 12%; 2019: 16-20%) Die selbstwahrgenommene (oder öffentlich thematisierte) Position in der Sozialstruktur muss nicht unbedingt mit der objektiven Position übereinstimmen Konzentration von Vermögen, Kapital und Besitz in DE höher als in jedem anderen EU-Land außer Lettland Bildung und soziale Mobilität Gesellschaften im Übergang von Feudalgesellschaft zu bürgerlicher Gesellschaft stellen auf neues differenzierendes und Zugang verschaffendes Kapital um: vom Adelstitel auf Bildungstitel (institutionalisiertes kulturelles Kapital) Lukrative gesell. Positionen (v.a. Innerhalb des Staatsapparates) werden nicht mehr nach Geburtsprivilegien vergeben, sondern entlang erworbener Bildungstitel -> Talent und Verdienst anstatt Erbe und Gnade der Geburt Ausweitung von Schul- und Bildungsanstalt (Akademie, Kolleg Pensionate), Vergrößerung der Schüler- und Studentenschaft Mythos der "befreienden Schule", "Aura der Fortschrittlichkeit" Aber: schule honoriert, vor allem Kinder mit kulturellen Kapital (familiär weitergegebene Wissensbestände, Verhaltensweisen, Fertigkeiten, Aspirationen) - sind am besten an schulische Erfordernisse angepasst de facto Verschränkung von ererbten/familiär vermittelten Kompetenzen und schulischer Sortierung Soziale Herkunft wird in Bildungstitel "übersetzt" Ergebnisse der empirische Studie zu DE (meist Ost und West, Geburtskurorten von 1919-1980), hier Übergang zu Universität, nicht FH: Kinder von Eltern mit Hochschulbildung hatten nicht nur die besten Chancen, einen Sekundarstufenabschluss zu erwerben, sondern auch die besten Chancen, einen Abschluss einer traditionellen Universität (nicht FH) zu erwerben Die Vorteile in den verschiedenen Bildungsgängen multiplizieren sich für diese Gruppe und führen dazu, dass diese Gruppe den höchsten Anteil an Hochschulabsolvent:innen unter allen Familien stellte Der Erfolg der Kinder aus Akademikerfamilien basiert erstens auf ihren besseren akademischen Leistungen, zweitens auf besseren nicht-kognitiven Fähigkeiten und drittens teilweise auch auf familiär getroffenen Bildungentscheidungen Chancengleichheit Wie sind die Auf- und Abstiegschancen von Personen aus bestimmten Herkunftsklassen? in den 1970er Jahren in Westdeutschland: Personen aus oberer Dienstkllasse hatten 26 mal höhere Chancen, die obere Dienstklasse statt der Facharbeiterklasse zu erreichen, im Unterschied zu Personen der Facharbeiterklasse Seitdem ist die Stärke des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und eigener Klassenposition im Westen gesunken in Ostdeutschland hat der Zusammenhang jedoch stark zugenommen Derzeit Angleichung der Mobilitätschancen zwischen Ost und West Vorlesung (11.12.24) - Organisation, Institution, Legitimitation Institution Der Begriff "Institution" wird im täglichen Sprachgebrauch oft in einem politikwissenschaftlichen Sinne (zb "Staatsorgan") oder in einem organisationswissenschaftlichen Sinne (zb "Universitt", "Theater") verwendet Das soziologische Institutionsverständnis ist breiter Grundlage ist die Einsicht der Philosophischen Anthropologie, dass der Mensch ergänzungsbedürftig ist; die Natürlichkeit anderer Lebewesen ist für ihn unerreichbar, er benötigt aufgrund seiner Instinktarmut Stabilisierungen, die er sich durch eine künstliche Umwelt schafft Hieraus leitet sich die Notwendigkeit von Werkzeugen und materieller Infrastruktur (Häuser, Städte) ebenso ab, wie die Etablierung von Routinen sowie in Festlegung von Regeln, Normen und ihrer Legitimation Entstehung von Institutionen alles menschliche Tun ist dem Gesetz der Gewöhnung unterworfen -> Handlungen werden habitualisiert -> dies ermöglicht Krafteinsparung durch Befreiung von Entscheidung Habitualisierungen gehen jeder Institutionalisierung voraus Institutionen entstehen, indem Akteure bestimmte Handlungen auf die immer gleiche Weise vollziehen - dies setzt Historizität voraus (Insititutionen entstehen nicht über Nacht) "Soziale Institutionen lassen sich allgemein definieren als kollektiv-kulturell vererbte komplexe "Handlungsprogramme" von Routinen, Regeln und Normen sowie wechselseitigen Erwartungen, die für große Verflechtungeszusammenhänge (zb ganze Gesellschaften oder ethnische Gruppen) bestimmte Lebensbereiche strukturieren und soziale Identität, Integration und Stabilität stiften." Beispiele Ehe Duale Berufsausbildung -> vielfältige formale Regelwerke (Gesetzesbestimmungen, Ausbildungsodrnungen, Ausbildungsverträge, etc.) -> informelle Normen (Handlungsreisenden Regeln für Ausbildungsmeister, Eltern, Auszubildende, Politiker, beschäftigende Unternehmen, etc.) -> soziale Praktiken des Menschen (zb Entscheidung für bestimmte Ausbildungsberufe, Ausüben bestimmter Professionen) -> spezifische Symbolsysteme (zb dem Gesellen-/Meisterbrief) -> materialisierte Artefakte (Schulgebäude, Ausbildungswerkstätten, Berufskleidungen etc.) "Eine Institution ist eine soziale Einrichtung, in der auf Dauer bestimmt wird, was getan werden muss" (Dimbath) Institutionen "Schränken die Willkür, Beliebigkeit, Entropiebereitschaft sozialen Handelns ein; sie geben dem Dasein Gebildecharakter, ordnen es und üben normative Wirkung aus" (Kontrollfunktion über ihre bloße Existenz) Institutionen haben eine Entlastungsfunktion: Menschen müssen aufgrund von Institutitonen ihre Interaktions- nein Kooperationszusammenhänge nicht ständig wieder aufs Neue aushandeln und durchplanen Stehen dem Individuum als objektive Faktizität gegenüber Etablierte Institutionen üben per se kontrollierende, normative Wirkungen aus, benötigen dennoch Legitimation und Rechtfertigung Sobald sie nämlich Wirklichkeit geworden sind, entsteht auch schon die Möglichkeit der Abweichung von den institutionell "programmierten" Handlungsabläufen, die sich von der konkreten Relevant ihres Ursprung abgelöst haben -> vgl. Generationeneffekt Mehrzahl der Rechtfertigungen und Legitimationen ist vortheorethisch: "so ist das eben", "das macht man so", Lebensweisheiten, Sprichwörter, Legenden Daneben aber auch theoretische (i.S. Von elaborierten, systematisch argumentierenden) Legitimationen: Staatstheorien, Theologien Geschichte der Institutionsforschung Philosophische Anthropologie: neben Helmut Plessner v.a. Arnold Gehlen -> Menschen sind Mängelwesen, sie brauchen Führung -> starker Institutionsbegriff -> konfliktbehaftet wegen bestimmten Weltanschauungen Heute: Revidierung der Gehlenschen Institutionentheorie u.a. Durch Karl-Siegbert Rehberg Institutionen sind Realisierungen von bestimmten Leitideen Institutionen sind umkämpft, man spricht besser von konflikthaften Mechanismen der Institutionalisierung (Prozessperspektive) Beispiel: Staat, Protestantismus Beispiel Protestantismus im 19.Jh. grundlegende gesellschaftliche Veränderungen (Urbanisierung, Industrialisierung, Verbürgerlichung, Demokratisierung) -> Frage: wie soll ein zeitgemäßer Protestantismus aussehen (Leitbild)? Stellenwert von Religion in der Moderne überhaupt (Verhältnis weltlicher Macht, gesellschaftliche Dominanz/ Deutungshoheit) Verhältnis zum Katholizismus Verhältnis von Amtskirche zu Gläubigen Mitte des 19. Jh. Wandel von reiner Amtskirche zu einer stärker gesellschaftlich eingebetteten Kirche -> Zulassung von Kirchennahen Vereinen (diakonische Vereine, Kulturvereine) -> Etablierung von Synoden (Mitsprachemöglichkeit von Laien) Erscheinungsweise signalisiert weiterhin Anspruch auf gesell. Dominanz (Leitbild) -> vgl. Kirchenbau ab 1840er Jahre: monumentale Architektur, historischer Baustil (Gotik), repräsentativer Standort, sorgfältige Innenausstattung -> Kritik am Leitbild ab 1880er Jahre: Forderung nach kleinen Kirchen (Gemeindezentren) mit mehr sozialen Angeboten Organisation Protestantismus und Katholizismus sind nicht nur Beispiele für Institutionen - als Kirchen sind sie zugleich historisch frühe Beipsiele für Organisationen! Frühe Gesellschaften waren wenig durch das Vorhandensein von Organisationen bestimmt (aber schon immer durch Institutionen!) Moderne = Organisationsgesellschaft: Leben wird umfassend durch Organisationen bestimmt (Krankenhaus, Kita, Schule, Unternehmen, Altenheim, Behörden, Sportvereine, etc.) Organisation schon früh Gegenstand der Soziologie Schwerpunkte in der Betrachtung sehr unterschiedlich -> Perspektive eher auf das Verhältnis von Organisation & Individuum: welche Auswirkungen haben Organisationen auf das individuelle Leben? -> Perspektive eher auf Verhältnis von Organisation & Gesellschaft: welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat der zunehmende Organisationsgrad? häufig normativ -> positive Betrachtung: Organisationen sind effizient, durchsetzungsfähig etc. -> negative Betrachtung: Organisationen entmündigen Individuen Merkmale von Organisationen A: Zweck: Organisationen verfolgen bestimmte Zwecke & Ziele B: Hierarchie: Organisationen sind nicht demokratisch aufgebaut, sondern beruhen auf Heirarchien C: Mitgliedschaft: Organisation haben Mitglieder, die ein- und austreten können A: Luhmann Kriterium des Zwecks In Organisationen verpflichten sich auf einige wenige Zwecke Zwecke fokussieren die Wahl der Mittel Aber: -> Konflikte wischen Zwecken -> Zwecke (anstrakt formuliert) dienen der Außendarstellung -> Zwecke können gewechselt, (nicht) erreicht oder verfehlt werden -> Zwecke und Mittel können vertauscht werden Zwecke sind ein Strukturierungsmerkmal unter anderen B: Luhmanns Ktirerium der Hierarchie Organisationen bestehen aus Positionen (jede Position ist mit Rechten und PFlichten ausgestattet, Personal auf Position ist auswechselbar) Zusammenfassung von Positionen nach Sachgesichtspunkten (Buchhaltung, Marketing, Einkauf) zu Abteilungen (auch wieder hierarchisch organisiert) Hierarchien stabilisieren die Führung Aktzeptanz der Hierarchie als Mitgliedschaftsbedingung Hierarchien erleichtern die Anpassung an die Umwelt (schnellere Entscheidungen möglich) Hierarchien können Neuanfänge initiieren Aber: -> Informationen über die Umwelt kommen nicht nur von oben -> Einfluss von (externen) Experten -> Kontrolle informeller Kommunikationswege -> Überwachung der Mitarbeiter und "Unterwachung" der Vorgesetzten C: Luhmanns Kriterium der Mitgliedschaft: 1. Funktion Kriterien der Mitgliedschaft reduzieren den Kreis möglicher Mitgleider Der eigentliche Grund der Zulassung (Erfüllung bestimmter Erwartungen) wird in einige wenige Merkmale "übersetzt" (zb Zeugnisse, bisherige Arbeitserfahrungen) Man nimmt an, dass das neue Mitglied die Erwartungsordnung nicht stören wird Allerdings muss die Abscheibung von nicht passenden Anwärtern möglich sein, damit dieses System die Zulassung funktioniert C: Luhmanns Kriterium der Mitgliedschaft: 2. Stabilisierug der Verhaltenserwartungen Verhaltenserwartungen in Organisation werden zum Bestandteil der Mitgleidsrolle; bestimmte Erwartungen muss man erfüllen, um die Mitgliedschaft nicht zu riskieren Allerdings sind nicht alle Aufgaben einer Stelle klar umschrieben: Mitgleider müssen auch indifferent gegenüber weiteren Aufgaben sein (Indifferenzzone) Austritt und Verlust der Mitgliedschaft müssen vorstellbar sein, um zu beurteilen, ob man die aufgrund der Mitgleidschaft gestellten Rollenerwartungen erfüllen will. Warum genau man Mitglied geworden ist, ist dabei irrelevant C: Luhmanns Kriterium der Mitgliedschaft: 3. Motivation der Mitglieder Organisationen motivieren ihre Mitlgieder zb. Mittels: Geld (Zustimmung, Unterordnung werden "erkauft", z.b. über Gehalt) Zwang (keine Exit-Option, z.b. Gefängnis) Zweckidentifikation (je besser der Zweck, desto geringer kann die Bezahlung ausfallen; erhöht aber die Inflexibilität einer Organisation) Attraktivität der Handlung (muss nicht mit der Attraktivität des Zwecks zusammenfallen) Kollegialität -> oft sind verschiedene Motive miteinander verbunden Verhältnis von Formalität und Informalität Organisationen sind nicht ausreichend beschrieben, wenn man sich auf Betrachtung der formalen Strukturen, d.h. Der offiziellen Dienstwege, Weisungsbefugnisse, Berichtspflichten etc. beschränkt Daneben gibt es immer auch ein beträchtliches maß an Informalität -> "kurze Dienstwege"/ unkonventionelle Handhabungen von Vorgaben -> ungeschriebene Regeln und Erwartungen -> kreative Lösungen, wo es (noch) keine formalisierte Vorgaben gibt -> Unterwandern von Vorschriften Beispiel: Regelverletzungen Informalität Hawthorne Studie Unternehmen erwartete, dass Arbeiter gleichmäßig im Takt arbeiten an ihren jeweiligem Platz Aber: -> Arbeiter arbeiteten morgens härter als nachmittags -> tauschten untereinander Jobs, um Monotonie zu entgehen -> halfen anderen, die hinter Anforderungen zurückfielen -> behinderten Aufsichtspersonal (Inspektoren), diese Abweichungen zu melden Formen der Informalität Mit Formalität kompatible Informalität (Hilfe/Unterstützung anderer Kolleg:innen; Einrichten einer Kaffeepause) Regelverletzende Informalität ("brauchbare Illegalität") (Umgehen vorgeschriebener Kommunikationswege) Illegale (gegen das Gesetz verstoßende) Informalität (Manipulation zb VW Abgasskandal, Bestechung) Informale (nicht entschiedene) Entscheidungsprämissen stehen in Spannung zu formaler Struktur -> Bedeuten einen gewissen Wildwuchs -> Ermöglichen es aber oft auch, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren - durchaus im Sinne der Organisation Umgekehrt kann es eine Organisation regelrecht lahmlegen, wenn alle "Dienste nach Vorschrift" machen Neben "nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen" gibt es auch nicht "nicht entscheidende Entscheidungsprämissen" -> Verhalten, Umgangsweisen Legitimation (von Organisationen) Entdeckung, dass Organisationen keineswegs immer so effizient und effektiv sind, wie sie in der Außendarstellung behaupten - oder umgekehrt: dass sie effizient gerade dann sind, wenn sie sich NICHT an die formalen Regeln halten das "rationale" einer Organisation ist oft aber nur eine gern präsentierte Fassade ("Mythos") De facto finden sich sehr viele Beipsiele für scheinbar irrationales, bzw. Nicht regelgeleitetes Agieren von und in Organisationen -> z.B. Akkreditierung von Studiengängen: für Funktionieren der Uni nicht nötig -> z.B. Besucherumfrage in Theater: Ergebnisse bleiben in der Schublade -> vgl. auch die schon genannten regelverletzenden Formen von Informalität Nach Außen wird aber an den formalen Regeln festgehalten - warum? Ursachen für Festhalten an formalen Regeln: Schaffen nach Innen Identität und Selbstvertrauen Vermitteln nach Außen Konformität der Organisation mit dem Organisationsfeld (Leitbilder: "Rationalität", "Diversität", "Nachhaltigkeit") theoretische Schlussfolgerung: nicht formale Rationalität -> sondern Konventionen der kulturellen Legitimierung (Normen, Verpflichtungen und eingeschliffene Routinen) bestimmen Organisationsstrukturen -> methodologische Schlussfolgerung: Unterscheidung von Innen & Außen (Fassade); Organisationen in ihrem gesellschaftlichen Kontext ("Organisationsfeld") untersuchen Vorlesung (18.12.24) - Macht, Autorität, Herrschaft, Disziplinierung 1) Gewalt Gewalt als Option Der Mensch als instinktarmes, nicht festgestelltes und ergänzungsbedürftiges Lebewesen schafft sich "zweite Kultur", um soziales Miteinander zu regeln (vgl. Philosophische Anthropologie) Institutionelle Ordnung ist Ergebnis von Aushandlung - selbst da wo mächtige Traditionen/Legitimitationen sie schützen und stützen wird sie immer wieder zum Gegenstand von Kritik und Angriff -> Gesellschaft = fragile Wirklichkeit, bei der Konflikte zur Tagesordnung gehören Gewalt ist dabei immer eine Option: sie wird mit Hilfe von Institutionen wirkungsvoll verhindert, kann aber auch gezielt kanalisiert und explizit befördert werden Gewalterfahrung in europäischen Religionskonflikten als Ursprung moderner Macht- und Herrschaftsvorstellungen Dreißigjähriger Krieg (1618-1648) im Anschuss an die Reformation: Suche nach Grundlagen für stabile Ordnung, Entstehung erster Vertragstheorien Thomas Hobbes (1588-1679): Naturzustand des Menschen: Krieg gegen alle; "Leviathan" = allmächtiger Herrscher, der Gewalt regelt, dafür geben Menschen Macht an ihn ab John Locke (1632-1704): Regierung braucht Zustimmung der Regierten, deren Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum sie beschützen soll; Unterscheidung von legitimen und illegitimen Regierungen, Recht auf Widerstand 2) Macht Maurer: "Mit Gewalt wird die Androhung oder der tatsächliche Einsatz von Zwang gegen andere bezeichnet. Gewalt beruht im Unterschied zu anderen Formen der Über- und Unterordnung allein auf der glaubhaft zu machenden Verfügung bzw. Anwendung physischer, psychischer oder sozialer Zwangsmittel." -> immer wenn Menschen etwas machen, was sie freiwillig nicht machen würde Popitz: Unterscheidung grundlegender (anthropologischer) Machtformen Aktionsmacht (äußere Macht) Gewaltanwendung: Möglichkeit der Verletzung, der Beraubung existenzieller Grundlagen, des sozialen Ausschlusses Instrumentelle Macht (äußere Macht) Mechanismen der Bestrafung und Belohnung bzw. Der Drohung und des Versprechens (Situationsdefinition liegt beim Übermächtigen, Menschen werden zu Werkzeugen fremden Willens) Autoritative Macht (innere Macht) ? Schenken oder Entziehen von Anerkennung, es gibt Folgebereitschaft gegenüber Autorität und Suche nach Anerkennung durch Autorität Datensetzende Macht (äußere Macht) Wissen, Macht des Herstellens (z.B. Maschinen) und Bearbeitens ("Fakten schaffen") 3) Exkurs: Autorität Arendt: "Der moderne Autoritätsverlust, die Tatsache nämlich, dass wir in der modernen Welt kaum noch Gelegenheit haben zu erfahren, was Autorität eigentlich ist, hat natürlicherweise zu einer gewissen Begriffsverwirrung geführt. Da Autorität immer mit dem Anspruch des Gehorsams auftritt, wird sie gemeinhin für eine Form der Macht, für einen Zwang besonderer Art gehalten. Autorität jedoch schließt gerade den Gebrauch jeglichen Zwangs aus, und wo Gewalt gebraucht wird, um Gehorsam zu erzwingen, hat Autorität immer schon versagt.“ Arendts Machtbegriff Positiver Machtbegriff - am Beispiel der griechischen Polis Entwicklung eines kommunikativen Handlungsmodells, in dem sich formal gleiche freie Bürger über ihre Anglegenheiten verstndigen, dabei werden ein gemeinsamer Wille der Verständigung sichtbar und zum Selbstzweck "Keine politische Führung kann ungestraft Macht durch Gewalt ersetzen; und Macht kann sie einzig aus einer nicht deformierten Öffentlichkeit gewinnen." 2) Macht Institutionalisierung von Macht -> Herrschaft (Popitz) Herrschaft = institutionalisierte Macht; setzt Prozess der Institutionalisierung voraus Institutionalisierungsprozess: Entpersonalisierung von Macht; Formalisierung von Macht; Integrierung des Machtverhältnisses in übergreifende gesell. Ordnung Institutionalisierung von Herrschaft führt zu Stabilisierung und Konsolidierung von Macht Geht häufig zudem mit Machtsteigerung einher -> Erhöhung der Reichweite -> Verstärkung der Wirkungsintensität 4) Herrschaft Max Weber: Herrschaft soll "die Chance heißen, für spezifische (oder: für alle) für spezielle (oder alle) Befehle bei einer angebbare Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden" Jede Herrschaft versucht dabei früher oder später, "den Glauben an ihre Legitimität zu erwecken und zu pflegen", also für die in Anspruch genommenen Werte und Ordnungsprinzipien ein Mindestmaß an Anerkennung zu finden Gehorchenwollen/ Interesse (äußeres oder inneres) gehört zu jedem echten Herrschaftsverhältnis Jede Herrschaft braucht einen Verwaltungsstab Herrschaft: Die Legitimitätsgeltung Legitmitätsglaube ist differenziert nach Art beanspruchten Legitimität nach Art der beanspruchten Legitimität, was Einfluss hat auf: Typ des gehorchend, Charakter der Ausübung der Herrschaft, Wirkung -> Herrschaft ist nach jeweiligem Legitimitätsanspruch zu unterscheiden Drei Typen legitimer Herrschaft 1) rationalen Charakters (legale Herrschaft): ruht auf dem Glauben an die Legalität gesetzter Ordnungenund des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausführung Berufenen 2) traditionellen Charakters (traditionelle Herrshcaft): ruht auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen 3) charismatischen Charakters (charismatische Herrschaft): ruht auf der außergewöhnlichen Hingabe an die Heiligkeit oder Heldenkraft oder Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnung 3) Charismatische Legitimität -> die charismatische Herrschaft beruht auf der Anerkennung von außergewöhnlichen Qualitäten einer Persönlichkeit durch dessen Gefolgschaft - Anerkennung als Führungsfigur Typische Beispiele: Kriegsherren, Propheten, politische Anfphrer Außergewöhnliche Qualitäten unterliegen der ständigen Bewährung - bleibt Bewährung aus, schwindet charismatische Autorität Herschaftsverband: Gemeinde, Gefolgschaft Es gibt keine feststehende Behörden, sondern spontane Beauftragung enger Gefolgsleute Es gibt kein Rgelement, keine Rechtssätze, auch keine traditionellen Weisheiten und Rechtssprüche Führungsfiguren verkünden neue Ordnung und Gebote: "Es steht geschrieben, ich aber sage euch..." Form hält nicht lange (z.B. bei Ableben der Führungsperson) außer sie wird institutionalisiert 2) Traditionale Legitimität -> die traditionale Herrschaft auf dem Glauben an die Heiligkeit altüberkommender Ordnungen und Herrengewalten Typische Beispiele: Hausvorstand, Fürst Gehorsam beruht auf der den Führenden zugeschriebenen Eigenwürde Herrschaftsverband: Hausstand, Hofstaat Es gibt keine feststehende Behörde, sondern persönlich unterstellte Hausangestellte (Familienangehörige, Sklaven, Günstlinge) - keine sachliche Amtspflicht, sondern persönliche Diensttreue Es gelten Traditionen und die Autorität des sie repräsentierenden (in der Regel patriarchalen) Herrschenden, oft gepaart mit Willkür 1) Rationale Legitimität -> die legale Herrschaft beruht auf der Anerkennung formaler Regeln und Satzungen (auch für die Führungsposition) Typische Beispiele: Parteien, Gewerkschaften, Behörden etc. gehorsam beruht auf Glauben an die Legitimität der Regeln, Genossen gehorchen dem Herrn nur im Rahmen seiner Zuständigkeit, der typische legale Herr/ Vorgesetzte gehorcht seinerseits der unpersönlichen Ordnung Beliebiges Recht kann durch Paktierung oder Oktroyierung gesetzt werden mit Anspruch auf Nachachtung durch die Genossen des Verbandes/ Personen im Machtbereich Jedes Recht besteht aus Regeln, die auf den Einzelfall angewendet werden und den Interessen von Verbänden Grenzen aufzeigen Herrschaftsverband: Organisation Typisch ist nicht Außeralltäglichkeit, sondern ein kontinuierlicher regelgebundener Betrieb von Amtsgeschäften Zudem das Prinzip der Amtshierarchie (eine Ordnung fester Kontroll- und Aufsichtsbehörden mit Beschwerderecht) Mitglieder des Verbandes / der Organisation sind fachlich geschult Volle Trennung des Verwaltungsstabs von den Mitteln Keine Appropriation des Amtes durch den Beamten Prinzip der Aktenmäßigkeit (schriftlich fixiert, Büro/Amtsstube als Kern) -> Die Einzelbeamten des Verwaltungsstabes: 1. gehorchen nur sachlichen Amtspflichten 2. Agieren in Amtshierarchie 3. Haben feste Amtskompetenzen 4. Werden kraft Kontrakts, also frei ausgewählt 5. Nach Fachqualifikation angestellt 6. werden mit festen Gehältern in Geld entgolten, Pensionsrecht 7. Sind hauptberuflich 8. Verfolgen eine Laufbahn 9. Sind getrennt von Verwaltungssitzen und ohne Appropriation der Amtsstelle 10. Unterliegen einer Amtsdisziplin und Kontrolle Staat Moderne Staaten sind Max Weber zufolge eine Form primär rationaler Herrschaft Staat: -> Zweckverband, der auf einer formal korrekten, zweckrational gesetzten Ordnung beruht -> Über einen anerkannten verwaltungs- und Erzwingungsstab zur Drchsetzung seiner Ordnung verfügt -> In hohem Maße berechenbar ist -> Legitimität (und damit Autorität) bei Bürger:innen besitzt => "institutionell-normatives" Herrschaftsmodell Dagegen: "kritisches" Herrschaftsmofell Neomarxistische Ansätze: weitere Diskussionen um Verhältnis von "Basis" (ökonomische Verhältnisse) und "Überbau" (Politik, Recht, Kultur etc.) Bsp. Antonio Gramsci "hegemonietheorie" (beeinflusste wiederum u.a. Michel Foucault) Poststrukturalistische Ansätze Bsp. Pierre Bourdieu Bsp. Michel Foucault Pierre Bourdieu: Staat Hervorgegangen aus Konzentrationsprozess verschiedener Kapitalsorten Besitzer einer Art "Metakapital", das ihm Macht über die gesellschaftlichen Teilbereiche und deren Verhältnis zueinander verleiht (über rechtliche Regelungen, finanzielle Zuschüsse) Produziert nicht zuletzt mit Hilde des Bildungssystems Denkkategorien, die wir auch auf den Staat selbst anwenden -> schafft sich darüber seine Legitimität/Autorität "Bank" für symbolisches Kapital durch die Verleihung von Titeln und Ämtern "Als Orgnisationsstruktur und Regulierungsinstanz der Praktiken übt der Staat, vermittel über die körperlichen und mentalen Twänge und Disziplinierungen, die er allen Akteuren gleichermaßen auferlegt, permanent eine Wirkung aus, die zur Bildung dauerhafter Dispositionen führt" 5) Disziplinierung Michel Foucault: Staat Ist eine Kombination von individualisierenden und totalisierenden Herrschaftsmechanismen "Ich glaube, dass es niemals in der Geschichte der menschlichen Gesellschaften eine so verwickelte Kombination von Individualisierungstechniken und Totalisierungsverfahren innerhalb ein und derselben politischen Struktur gegeben hat wie in der westlichen Moderne Wechselverhältnis von Disziplinierung und Selbstdisziplin Foucault untersucht die Veränderungen von Strafroutinen (von der Marter zum Gefängnis) Zweck der modernen Strafe ist nicht mehr die Rache und Machtwiederherstellung des Herrschenden im Absolitismus, sondern die Besserung der Gesellschaft Das Gefängnis bietet die Möglichkeiten, den Gefangenen zu disziplinieren und so "vor sich selbst zu schützen" Mit Bezug auf Humanität und Aufklärung wurden qualvolle öffentliche Bestrafungen abgeschafft und ersetzt durch vielfältige kleine Züchtigungen Damit beobachtet Foucault eine Ausweitung des Überwachens und Strafens an sich in der Gesellschaft "kleine Hinterlistigkeiten von großer Verbreitungsmacht; subtile Maßnahmen von scheinbar Unschuld, aber tiefem Misstrauen, Einrichtungen, die uneingestehlichen Ökonomien gehorchen oder Zwänge ohne Grße ausüben - sie sind es, welche die Mutation des Strafwesens an der Schwelle zur Moderne durchgesetzt haben. Will man sie beschreiben, so muss man bereit sein, im Detaila für der Stelle zu treten und auf Kleinigkeiten zu achten. (…) Es handelt sich nicht um die List der großen Vernunft, die noch in ihrem Schlaf am Werk ist (…) sondern um die Listen der aufmerksamen „Böswilligkeit“, die alle Wässerchen auf ihre Mühlen leitet.“ Beispiele für Disziplinartechniken räumliche Konzentration zu kontrollierenden Gruppen (z.B. während einer Klausur) Räumliche Anordnungen als Interaktionsordnungen (hierarchisch, mit Zugangsbarrieren) Sichtbarkeiten (z.B. in Großraumbüros) Training und Drill (z.B. bei der Armee oder Polizei) Zeitreise (z.B. Stundenpläne in der Schule, Arbeitstakt in Fabrik) Herrschaft (verschiedene Theorien) Normativ-institutionelles Modell (z.B. Max Weber) -> Herrschaft als soziale Regelungs- und Beziehungsform kritisches Modelle (z.B. Antonio Gramsci, Pierre Bourdieu, Frankfurter Schule) -> Herrschaft als ein Ungleichheit stabilisierender Konfliktregelungsmechanismus Rationales Modell -> (z.B. James Coleman, Thomas Hobbes) Herrschaft als (individuell) vorteilhafter Ordnungs- und Koordinationsmechanismus Vorlesung (08.01.25) - soziale Grenzen, Ein-& Ausschluss, Diskriminierung I) Soziale und symbolische Grenzen Rückblick sozial Ungleichheit Konzept des sozialen Raumes, in dem Klassen je nach umfang des Kapitalbesitzes und je nach konkreter Zusammensetzung der Kapitalsorten verortet werden können Annahme, dass sich die sozialen Klassen in einem ständigen "Spiel" von Abgrenzunh und Integration befinden, das vor allem auch über die kulturell-expressive Dimension ausgetragen wird Bourdieu definiert Habitusformationen als „Systeme dauerhafter Dispositionen, die als Erzeugungsprinzipien und zugleich Klassifikationssysteme individueller und kollektiver Praktiken wirksam sind. [… im Normalfall funktioniert der Habitus als] unbewusst wirkendes Klassifikationsschema, mit dessen Hilfe die Handelnden Gegenstände, Situationen und Personen klassifizieren und sich […] zugleich selbst klassifizieren“ Der Habitus sorgt dafür, dass ich mag, was ich bin und objektiv erreichen kann und dass ich ablehne, was mir fremd ist – auch für meine Kinder (amor fati = Liebe zum Schicksal) Veranlasst die Neigung und Fähigkeit zur Aneignung einer bestimmten Klasse klassifizierter und klassifizierender Gegenstände und Praktiken Ausbildung eines spezifischen Lebensstils er sorgt also insgesamt dafür, dass ich ‚erkannt‘ werde und andere ‚erkenne‘ (d.h. sozial zuordnen/einordnen) kann und dass ich Nähe zu meinesgleichen bzw. Abstand zu Anderen empfinde -> Sowohl Gruppen als auch Lebensstile gehen mit Grenzziehung einher -> soziale Grenzen werden dabei in symbolische Grenzen übersetzt, diese wiederum stabilisieren und legitimieren soziale Grenzen Symbolische Grenzen = die sozialen Klassifizierungen von Personen, Praktiken und Gegenständen, die in alltäglichen Praktiken zum Ausdruck kommen; objektivierte soziale Differenzen, zb ungleiche Verteilung von Ressourcen Studie: Michele Lamont Analyse von Grenzziehungen in oberer Mittelklasse in USA und Frankreich Personen wurden mittels Leitfadeninterviews u.a. -> nach Qualitäten, die sie am Arbeitsplatz schätzen und -> wie sie Freunde auswählen, befragt Ziel war, kulturelle Kategorien zu identifizieren, mit denen die Befragten andere Personen wahrnehmen -> Überlegenheitsgefühle -> Unterlegenheitsgefühle -> Gleichgültigkeitsgefühle 3 Arten symbolischer Grenzen Rückblick: Sozialstrukturanalyse Soziale Positionen und damit verknüpfte Lebensstile sowie auch Gruppenzugehörigkeiten sind greprägt durch weitere Differenzierungslinien bzw. Merkmale (Geschlecht, Migrationshintergrund, Religion, regionale Herkunft, Familienstand) Diese Faktoren sind nicht immer eindeutig verknüpft mit einer bestimmten sozialen Lage; oft liegen sie quer dazu -> Frauen gibt es in allen gesellschaftlichen Positionen -> nicht alle Muslime betreiben ein kleines Gewerbe oder arbeiten in der Automobilindustrie Allerdings gibt es auch sich wechselseitig verstärkende Effekte -> vgl. Kunstfigur aus der Sozialstrukturanalyse zur Erklärung von Bildungsbenachteiligung -> 1960er Jahre "die katholische Arbeitertochter vom Lande" -> Heute: "der türkische Jugendliche aus dem Problemviertel" Diese Effekte haben Einfluss auf soziale und symbolische Grenzziehungen Intersektionalität Intersektionalitätsansätze stellen in Rechnung, dass auch (scheinbar) askriptive Merkmale wie Geschlecht und Ethnizität weiterhin eine Rolle spielen Intersection = Schnittpunkt, Kreuzung -> verschiedene Dimensionen (Geschlecht, Ethnizität, Alter, Nationalität, ökonomischer Status) wirken zusammen und verstärken sich wechselseitig Ansatz stammt ursprünglich aus schwarzen Feminismus Starke Nähe zur Diskriminierungs- und Rassismusforschung und zur aktivistischen Szene In Ungleichheitstheorien gibt es eine idealtypische Unterscheidung zwischen: askriptiven (zugeschriebene) Eigenschaften, die durch eigenes Zutun nicht veränderbar sind zb ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht Erworbene (achieved) Eigenschaften zb Bildung Annahme, dass Bedeutung von zugeschriebenen Merkmalen tendenziell abnimmt, hat sich nicht bestätigt Anna

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