Gerechtigkeit Lüders PDF
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Universität Erfurt
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This document provides an overview of the concept of justice from a philosophical perspective focusing on Piaget's work. The summary covers different types of justice, including a detailed description of the concept of justice and how children understand it. It suggests different ways to perceive justice.
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6 Der Begriff der Gerechtigkeit 6 Der Begriff der Gerechtigkeit Textgrundlage: Piaget, J.: Das moralische Urteil beim Kinde. Stuttgart 1983: S. 225-246 (Strafe und vergeltende Gerechtigkeit), S. 297-312 (austeilende Gerechtigkeit) Kinderur...
6 Der Begriff der Gerechtigkeit 6 Der Begriff der Gerechtigkeit Textgrundlage: Piaget, J.: Das moralische Urteil beim Kinde. Stuttgart 1983: S. 225-246 (Strafe und vergeltende Gerechtigkeit), S. 297-312 (austeilende Gerechtigkeit) Kinderurteile werden nach anderen Kriterien gebildet als Erwachsene Es verändert sich die Gewichtung der Kriterien, die zur Urteilsbildung herangezogen werden Erwachsene unterliegen oft dem Irrtum, dass Kinder nicht gut informiert sind Kinder können nicht zur Übernahme der Kriterien der Erwachsenen gezwungen werden Wie kann ein entstandenes Unrecht wieder gut gemacht werden? → Was denken Kinder? 6.0 Zusammenfassung 6.1 Gerechtigkeit Piaget: Gerechtigkeit als Zustand, in dem sich eine Gesellschaft befindet ist durch Rechtslage und Regeln geregelt wenn Unrecht eintritt / Regeln verletzt werden → Was kann man tun, um Gerechtigkeit wiederherzustellen? Piaget unterscheidet drei Arten der Gerechtigkeit Immanente Gerechtigkeit: Normwidriges Handeln wird schicksalhaft (automatisch), durch übernatürliche Kräfte bestraft (S. 284). Vergeltende Gerechtigkeit: Normwidriges Handeln wird geahndet / vergolten (S. 225). → Wiedergutmachung ist möglich Austeilende Gerechtigkeit: Materielle und ideelle Güter werden verteilt (S. 225) Fragestellung Wie entwickelt sich der Begriff der Gerechtigkeit? o Nach welchen Kriterien werden Verstöße gegen geltende Regeln geahndet (vergeltende Gerechtigkeit)? ▪ Möglicher Fall: Diebstahl und Sachbeschädigung ▪ Möglicher Fall: Lüge und Betrug Nach welchen Kriterien sind materielle und ideelle Güter zu verteilen (austeilende Gerechtigkeit)? o materielle Güter (Geld, Spielzeug, Kuchen etc.) o ideelle Güter (Pflichten, Chancen, Berechtigungen etc.) 37 6 Der Begriff der Gerechtigkeit Untersuchungsmethode Gelegenheitsstichprobe (95 und 167 Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren) Es werden Geschichten zu Normenverstößen und möglichen Strafen für solche Verstöße erzählt. o Die Normenverstöße betreffen materielle Güter (Eigentum) und ideelle Güter (Vertrauen). o Die Strafen sind schmerzhafte Verbote, Tadel, Wiedergutmachungen, Erklärungen etc. Es werden Geschichten zur Verteilung materieller Güter (z.B. Kuchen) und ideeller Güter (Pflichten, Chancen, Berechtigungen) erzählt. Verständnisprüfung (Geschichten nacherzählen lassen) Interview o Wie hoch soll die Strafe sein? (Inhalt) o Ist die Strafe gerecht? (Struktur) o Wer soll was bzw. wieviel von etwas bekommen? (Inhalt) o Ist die Verteilung gerecht? (Struktur) Verteilung der Antworten zur „immanenten Gerechtigkeit“ (S. 286) Anzahl der befragten Kinder = 167 Alter 6 7-8 9-10 10-12 Die Strafe folgt „automaisch“ (Angaben in Prozent) 86 73 54 34 auch Erwachsene haben manchmal noch die Vorstellung, dass sie durch das Schicksal bestraft werden → Erinnerung an kindliche Strukturen → Vorstellung verschwindet nie ganz Annahme: Strafen sind universell und man kann sich ihnen nicht entziehen Befunde zur „vergeltenden Gerechtigkeit“ Wie ist normwidriges Handeln zu bestrafen? Wiederherstellung der Gerechtigkeit durch „zwei Typen der Strafe“ (S. 233-236): o Sühnestrafen ▪ soll wehtuen (aber nicht zwingend körperlich) ▪ → kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Vergehen und Strafe ▪ zielt auf Unterordnung ab → Ausdruck einer heteronormen Realität ▪ es kostet Einiges in der Entwicklung, um über Sühnestrafen hinwegzukommen ▪ auch in der Erwachsenenwelt noch verbreitet (Religion, körperliche Züchtigung) ▪ Kinder sind von sich auf nicht so friedlich wie Erwachsene o Gegenseitigkeitsstrafen (Ausschließung, Folgen spüren lassen, Wiedergutmachung, Tadel) ▪ Inhaltlicher Zusammenhang zwischen Vergehen und Strafe liegt vor! Verteilung der Antworten zur „vergeltenden Gerechtigkeit“ (S. 237) Anzahl der befragten Kinder = 95 Anzahl 6-7 8-10 11-12 Sühnenstrafen 72 51 18 (Angaben in Prozent) Gegenseitigkeitsstrafen 28 49 82 (Anzahl in Prozent) Sühnestrafen begeben sich nie ganz auf null → keine scharfen Altersgrenzen bei Entwicklung moralischer Kompetenzen 38 6 Der Begriff der Gerechtigkeit Befunde zur „austeilenden Gerechtigkeit“ Gerecht ist o was dem Gehorsam entspricht (Autoritäts- und Zwangsmoral) → Das tun, was … sagt o was dem Gleichheitsgrundsatz genügt (Egalitarismus) o was den Prinzipien der Gleichheit und Billigkeit genügt (Nuancierung des Egalitarismus) Verteilung der Antworten zur „austeilenden Gerechtigkeit“ (S. 304) Anzahl der befragten Kinder = 167 Anzahl 6-9 10-12 13-14 Strafe (Angaben in 48 3 0 Prozent) Gleichheitsgrundsatz (Angaben in 35 55 5 Prozent) Billigkeit (Angaben 17 42 25 in Prozent) Die Befunde Piagets im Überblick Alter Regelpraxis = Regelverständnis Verantwortlichkeit Vergeltende Austeilende Regelbeachtung Gerechtigkeit (Strafe) Gerechtigkeit 1 Motorisch, ohne 2 Regeln - 3 Äußerliche 4 Nachahmung Heteronom Nach objektiven Sühnestrafen Gehorsam 5 (vorsozial) → Kriterien 6 Assimilation (Schadenshöhe) 7 Regelkonformes 8 Verhalten 9 (sozial) Nach subjektiven Ausgleichs- und Gleichheit 10 Kriterien (Absicht) Wiedergutmachungs- 11… Konstruktiver Autonom strafen Umgang mit Gleichheit Regeln Tadel und Billigkeit Ältere geben sich oft mit Tadel zufrieden Ältere positionieren sich moralisch anders als Jüngere → Ihre Urteile fallen anders aus 6.2 Wie ist die Entwicklung moralischer Kompetenzen zu erklären? Hypothesen (gelten als bestätigt) Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der kognitiven Entwicklung (Intelligenz) und der Entwicklung moralischer Urteile. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Häufigkeit und der Qualität der Interaktionen unter Gleichaltrigen und der Entwicklung moralischer Urteile. o Interkation zwischen Eltern und Kindern und Lehrern und Schülern ist nicht ausschlaggebend für moralische Entwicklung o Lehrer sind nicht die, die sie vom moralischen Handeln überzeugen, sondern Kinder tun dies gegenseitig o Im Kontakt mit Gleichaltrigen erleben sich Kinder als gleich, nicht wie im Verhältnis zu Erwachsenen 39 6 Mögliche Prüfungsfragen „Der Begriff der Gerechtigkeit“ 6 Mögliche Prüfungsfragen „Der Begriff der Gerechtigkeit“ Was sind Sühnestrafen/Gerechtigkeitsstrafen? Sühnestrafe o willkürlich, kein inhaltlicher Zusammenhang, es zählt nur dass zwischen Leid durch die Strafe und dem Vergehen das richtige Verhältnis besteht Gegenseitigkeitsstrafe: o Eine Gegenseitigkeitsmaßnahme, die den Schuldigen den Sinn seiner Vergehen verstehen lässt. o Richtiges Verhältnis zw. Schwere d. Schuld und Strafe und inhaltliche Beziehung zwischen Strafe und Vergehen o (verschiedene Strenge möglich) Was ist laut der austeilenden Gerechtigkeit als gerecht zu erachten? Gerecht ist… was dem Gehorsam entspricht (Autoritäts- und Zwangsmoral) → Das tun, was … sagt o Ungehorsam wird bestraft, man muss gehorsam sein, Frage nach Gerechtigkeit wird nicht gestellt; o Beispiel: Das Kind bekommt kein Brot mehr. / Die liebe Tochter bekommt ein größeres Stück Kuchen. Die böse Tochter nur ein kleines Stück oder gar nichts. was dem Gleichheitsgrundsatz genügt (Egalitarismus) o Unterscheidung zwischen Gehorsam und Gerechtigkeit bei älteren Kindern, o Gerechtigkeit ist unabhängig von Vergeltung o Beispiel: Das Kind bekommt noch ein Brot. / Beide Töchter müssen ein gleich großes Stück Kuchen bekommen. was den Prinzipien der Gleichheit und Billigkeit genügt (Nuancierung des Egalitarismus) o Einsicht, dass mildernde Umstände wirken, wenn es Unterschiede zwischen Personen gibt, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen o Beispiel: Nur der Kleine bekommt noch ein Brot, weil er der Kleinste ist und es noch nicht besser kann / Die ungehorsame Tochter muss auch ein gleichgroßes Stück Kuchen bekommen, weil sie dümmer ist als die andere und es nicht besser weiß 40