Zahnmedizinisches Kursskript 2020 PDF

Summary

Dieses Kursskript dient der Vorbereitung auf eine Fachsprachprüfung in Zahnmedizin. Es behandelt Themen wie Anamnese, Befund, Prophylaxe, Parodontologie, Füllungstherapie und weitere Bereiche der Zahnmedizin. Das Skript wurde 2020 verfasst.

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VORBEREITUNG AUF DIE FACHSPRACHPRÜFUNG ZAHNMEDIZIN Kursskript Vers. 03-2020 Dr. Sonja Paschek Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Anamnese 1.1 Allgemeine Anamnese (Eigenanamnese) 7 1.1.1 Für die zahnärztliche Behandlung relevante Erkrankungen 7 1.1.2 Zusammenfass...

VORBEREITUNG AUF DIE FACHSPRACHPRÜFUNG ZAHNMEDIZIN Kursskript Vers. 03-2020 Dr. Sonja Paschek Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Anamnese 1.1 Allgemeine Anamnese (Eigenanamnese) 7 1.1.1 Für die zahnärztliche Behandlung relevante Erkrankungen 7 1.1.2 Zusammenfassung der Fragen für die allgemeine Anamnese 14 1.2 Spezielle Anamnese 15 1.3 Themenbezogene Fragensammlung allgemeine und spezielle Anamnese 15 Kapitel 2 Befund 2.1 Befunderhebung 20 2.2 Röntgenbefund (OPG) 21 Kapitel 3 Prophylaxe 3.1 Prophylaxe-Konzepte 25 3.2 Individualprophylaxe (IP) 26 3.3 Stellungnahme DGZMK: 7 Maßnahmen zur Kariesprophylaxe 27 3.4 Professionelle Zahnreinigung (PZR) 27 3.5 Fissurenversiegelung 29 Kapitel 4 Parodontologie 4.1 Parodontaler Screening Index 31 4.2 Systematische Parodontalbehandlung 31 4.3 Antiinfektiöse Therapie 33 4.4 Korrektive Therapie 35 4.5 Ätiologie der Parodontopathien 35 Kapitel 5 Füllungstherapie, Bleaching 5.1 Kariesentstehung 37 5.2 Füllungsmaterialien 38 5.3 Bleaching 42 3 Kapitel 6 Endodontologie 6.1 Erkrankungen der Pulpa 46 6.2 Ablauf Wurzelkanalbehandlung 48 6.3 Kostenerstattung der Wurzelkanalbehandlung 52 Kapitel 7 Prothetik 7.1 Festsitzender Zahnersatz 54 7.1.1 Kronen 54 7.1.2 Brücken 55 7.2 Herausnehmbarer Zahnersatz 57 7.2.1 Teilprothesen 57 7.2.2 Modellgußprothese (Klammerprothese) 58 7.2.3 Geschiebe 59 7.2.4 Teleskope 59 7.2.5 Hybridprothese 59 7.2.6 Totalprothesen 59 7.3 Kostenerstattung Prothetik 60 Kapitel 8 Zahnärztliche Chirurgie 8.1 Zahnextraktion 62 8.2 Wurzelspitzenresektion (WSR) 64 8.3 Zysten 66 8.4 Odontogene Infektionen 66 8.5 Implantate 70 Kapitel 9 Dentales Trauma, Frakturen 9.1 Dentales Trauma 74 9.2 Klassifikation und Therapie der Zahnverletzungen 75 9.2.1 Frakturen 75 9.2.2 Dislokationsverletzungen 77 9.2.3 Weichteilverletzungen 79 4 INHALTSVERZEICHNIS 9.3 Kiefer- und Gelenkfrakturen 79 9.3.1 Unterkieferfrakturen 80 9.3.2 Gelenkfortsatzfrakturen 80 Kapitel 10 Anatomie, Funktionelle Zahnheilkunde 10.1 Anatomie 82 10.2 Funktionelle Zahnheilkunde 83 Kapitel 11 Kinderzahnheilkunde, Kieferorthopädie 11.1 Kinderzahnheilkunde 89 11.2 Kieferorthopädie (KFO) 92 Kapitel 12 Übersicht Fachsprachprüfung 12.1 Arzt-Patientengespräch  95 12.2 Dokumentation  97 12.3 Arzt-Arzt-Gespräch  98 5 6 KAPITEL 1 – ANAMNESE Kapitel 1 Anamnese Übersetzung Anamnese: „Erinnerung“, medizinische Vorgeschichte des Patienten, Beurteilung des Gesundheitszustandes. Warum ist Anamnese wichtig? Durch Fortschritte in Medizin und neue Therapiemöglichkeiten können deutlich mehr Erkrankungen geheilt werden, d. h. Zahl der Pat. mit chron. Leiden steigt stetig, Pat. werden immer älter (> 20 % Senioren, d. h. über 65 Jahre). 1. Schutz des Patienten (z. B. Nebenwirkung Medikamente, Blutungsneigung etc.). 2. Schutz des Praxispersonals, ZA und anderer Patienten (z. B. Infektionskrankheiten Hepatitis, HIV). 3. Erstes Kennenlernen mit dem Patienten, Eindruck und Beobachtung, Vertrauensverhältnis schaffen. Umfang und Genauigkeit ist von der Anzahl und Schwere der Grunderkrankungen des Patienten und der Art der geplanten Behandlung abhängig. Aufteilung in 2 Anamneseteile 1. Allgemeine Anamnese: bezieht sich auf Allgemeinzustand des Patienten. 2. Spezielle Anamnese: bezieht sich auf das Anliegen, warum Pat. ZA aufsucht. Möglicher Ablauf in der Praxis Vorgedruckter Anamnesebogen wird bei Erstvorstellung in Praxis vom Patienten im Wartezimmer ausgefüllt. Begrüßung des Patienten, Vorstellung. Was führt Sie zu mir? Was kann ich für Sie tun? Was haben Sie für ein Anliegen? (Offene Frage) Spezielle Anamnese: mit welchen Beschwerden / mit welchem Anliegen stellt sich der Patient in der Praxis vor? (Schmerzpatient, ZE-Planung, Routinekontrolle). „Bevor ich mit der Behandlung beginne, möchte ich Ihnen kurz ein paar Fragen zu Ihrer Allgemeingesundheit stellen, um mögliche Risiken während der Behandlung auszuschließen.“ Allgemeine Anamnese Persönliche Daten (Adresse, Hausarzt, Krankenversicherung) 1.1 Allgemeine Anamnese (Eigenanamnese) Immer an die Aktualisierung des Anamnesebogens denken! (bei multimorbiden und multimedikamentierten Patienten regelmäßig nachfragen: „Wie geht es Ihnen – hat sich etwas an ihrer Medikation geändert?“) 1.1.1 Für die zahnärztliche Behandlung relevante Erkrankungen Herz / Kreislauf Herzfehler (= Herzvitien) Z. B. Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt, persistierender Ductus arteriosus Botalli. CAVE: an Prophylaxe der bakteriellen Endokarditis denken, Gefahr der erhöhten Blutungsneigung, behandelnden Arzt konsultieren. 7 Endokarditisprophylaxe Nur bei Hochrisikopatienten indiziert, dazu gehören: 1. Patienten mit Herzklappenersatz 2. Zustand nach bakteriell verursachter Endokarditis 3. Angeborene Herzfehler 4. Erworbene Herzklappenfehler Bei allen blutigen Eingriffen notwendig: auch intraligamentäre Anästhesie, Retraktionsfäden, PZR. Medikamente: 1 Stunde vor Eingriff: 2 g Amoxicillin ODER Clindamycin 600 mg. Gerinnungshemmende Medikamente 1. Cumarine Z. B.Marcumar ®, Warfarin ® Wirkdauer 10 – 14 Tage. Vitamin K-Antagonisten. Bildung von Gerinnungsfaktoren wird gehemmt. Indikation: Thrombosen und Embolien, nach Herzinfarkt, nach Herzklappenersatz, nach Schlaganfall (Apoplex), arterielle Verschlusskrankheiten, Vorhofflimmern. - Quick-Wert (alt, beim Gesunden: 70 – 100 %). - INR-Wert (International Normalisierte Ratio), genauer und zuverlässiger als Quickwert. Maß für die Gerinnungsfähigkeit. INR-Normalwert: 0,9 – 1,2. Höherer INR-Wert = geringere Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Macumar ®: Patienten sind zwischen 2,0 und 3,5 eingestellt (d. h. Gerinnung ist auf das 2 – 3,5fache der Norm verlängert). 2. Thrombozytenaggregationshemmer Z. B. Aspirin ® / ASS ®, Plavix ® Wirkdauer 7 Tage. Indikation: Herzinfarkt und Apoplexprophylaxe. 3. Heparin Z. B. Mono-Embolex   ®, Clexane ® Wirkdauer 8 Stunden. Greift in die Gerinnungskaskade ein. Indikation: Thromembolieprophylaxe (Tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie). 4. DOAK Direkte Orale Anti Koagulantien Z. B. Xarelto ®, Eliquis ® Wirkdauer 24 Stunden. Relativ neu, Faktor Xa-Hemmer. Indikation: Thromembolieprophylaxe (Tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie). Angina Pectoris (= „Brustenge”) Temporäre Minderdurchblutung des Myokards (Ischämie), verursacht durch arteriosklerotische Veränderungen im Bereich der Koronararterien. Symptom: anfallsartiger Schmerz in der Brust. CAVE: keine Fäden mit Adrenalin, bei LA auf Aspiration achten. Medikamente erfragen (blutdrucksenkende-, blutgerinnungshemmende-, gefäßerweiternde Medikamente (Nitrospray)), Rücksprache mit behandelndem Arzt. Herzinfarkt (= Myokardinfarkt) Akutes und lebensbedrohendes Ereignis, anhaltende Ischämie von Teilen des Myokards. CAVE: keine Behandlung in den ersten 6 Monaten nach Infarkt. Behandelnden Arzt konsultieren, Medikamente abklären (blutdrucksenkende-, blutgerinnungshemmende-, gefäßerweiternde Medikamente (Nitrospray)). 8 KAPITEL 1 – ANAMNESE Kurze Sitzungen, Adrenalin in LA ist möglich (auf sorgfältige Aspiration achten!), kein Adrenalin in Retraktionsfäden. Nitropräparat bereithalten. Herzklappenentzündung (= Endokarditis) Erkrankung, die durch bakterielle Infektion der Herzklappen oder des Endokards verursacht wird, meist in Verbindung mit Herzvitium. CAVE: Endokarditisprophylaxe bei jeder Behandlung, bei der mit Blutung zu rechnen ist. Künstliche Herzklappe (= Herzklappenersatz) CAVE: Hochrisikopatienten: Endokarditisprophylaxe! Erhöhte Blutungsneigung durch Blutverdünner. Herzschrittmacher Gerät zur elektrischen Stimulation des Herzmuskels zur Kontraktion, Indikation: bradykarde Rhythmusstörung. CAVE: keine Ultraschallgeräte zur Zahnsteinentfernung, elektrische Vitalitätsprüfer, elektrochirurgische Geräte. Blutungsneigung abklären. Hoher Blutdruck (= Hypertonie) Dauerhafte Erhöhung des arteriellen Blutdrucks, Normbereich: < 130 systolisch < 85 diastolisch. Schwere Hypertonie: 180 – 209 systolisch 110 – 119 diastolisch, Einheit: mmHg. CAVE: Belastung vermeiden (endogene Adrenalinausschüttung), keine langen Behandlungszeiten, Behandlung am Vormittag, Pat. langsam hochfahren (CAVE: orthostatische Hypotonie). LA mit Adrenalin mögl. (auf sorgfältige Aspiration achten!), KEINE adrenalinhaltigen Retraktionsfäden. Evtl. Blutdruckkontrolle vor Behandlungsbeginn, Behandlung am Vormittag, kurze Sitzungen. Unbehandelte schwere Hypertonie: so konservativ wie mögl. (Antibiotika und Analgetika). Niedriger Blutdruck (= Hypotonie) Rhythmusstörungen Störung der normalen Herzschlagfolge. Zahlreich, z. B. Tachykardie (Pulsfrequenz > 100/min.), Bradykardie (Pulsfrequenz < 60/min.), Extrasystolen, Vorhof- und Kammerflimmern. CAVE: bei schweren Herzrhythmusstörungen KEIN Adrenalin, Stress vermeiden. Herzschwäche (= Herzinsuffizienz) Förderleistung des Herzens ist im Verhältnis zum jeweiligen Bedarf zu gering, Symptomenkomplex. CAVE: KEINE Behandlung bei Pat. mit unbehandelter Herzinsuffizienz (Notfalltherapie: Antibiotika und Analgetika). Arzt konsultieren, Medikamente abklären, häufig Blutverdünner. Möglichst stressfreie Behandlung, LA mit Adrenalin ist möglich (auf sorgfältige Aspiration achten!), KEINE adrenalin- haltigen Retraktionsfäden. Gefäße Schlaganfall (= Apoplex = „Gehirnschlag“) Verursacht durch kritische Störung der Blutversorgung des Gehirns, führt zu einem länger anhaltenden Ausfall von Funktionen des ZNS. CAVE: keine elektive Behandlung in den ersten 6 Monaten. Möglichst stressfreie Behandlung, kurze Sitzungen. LA mit Adrenalin mögl., keine Retraktionsfäden mit Adrenalin. Erhöhte Blutungsneigung durch blutgerinnungshemmende Medikamente. 9 Thrombosen Gefäßerkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) im Gefäß bildet. CAVE: Blutverdünnende Medikamente erfragen. Atemwege / Lunge Asthma bronchiale Syndrom mit anfallsweise auftretender Dyspnoe, Husten und pfeifender Atmung. CAVE: Patient soll Dosieraerosol zu jeder Behandlung mitnehmen. Kein ASS oder NSAR, keine Lokalanästhetika mit Zusatz von Sulfiten als Konservierungsmittel (Mehrfachentnahme­ flaschen), weil diese Anfall auslösen können. Tuberkulose Infektionskrankheit verursacht durch Mycobacterium tuberculosis. CAVE: im aktiven Stadium hoch kontagiös, Rücksprache mit behandelndem Arzt. Schutzmaßnahmen (incl. Isolation und Belüftung), nur Notfallbehandlung, Behandlung am Ende des Praxistages. Bei Rifampicin-Gabe: kein PCM wegen der Gefahr der Potenzierung der Hepatotoxizität. Chronische Bronchitis Gehört zum Krankheitsbild der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (= COPD). CAVE: weitere Atemnot verhindern durch: Aufrechte Lagerung des Patienten, kein Kofferdam, LA mit Adrenalin ist möglich. Lungenblähung (= Lungenemphysem) Hhronisch obstruktive Lungenerkrankung, die sich trotz Therapie nicht zurückbildet. Lungenbläschen sind teilweise zerstört oder überdehnt. CAVE: weitere Atemnot verhindern durch: Aufrechte Lagerung des Patienten, kein Kofferdam, LA mit Adrenalin möglich. Leber Leberverhärtung (= Leberzirrhose) Endstadium chronischer Leberkrankheiten, Ursache: Alkoholmissbrauch, chronische Virushepatitis. Fortschreitende Fibrosierung (Bildung von Bindegewebe) und abnorme Veränderung mit Funktionseinschränkung des Leberparenchyms. CAVE: Blutgerinnungsstörungen. Keine Medikamente, die in der Leber metabolisiert werden: z. B. PCM. Virushepatitis A – E Entzündung der Leber. CAVE: Infektionsgefahr: striktes Einhalten von Hygienemaßnahmen (Handschuhe, Kittel, Mundschutz, Schutzbrille, Kofferdam, Sterilisation des gesamten Instrumentariums nach Behandlung, Behandlung am Ende des Praxistages). Bei aktiver Hepatitis nur Notfallbehandlung, Rücksprache mit behandelndem Arzt, evtl. erhöhte Blutungsneigung. Keine Medikamente, die in der Leber metabolisiert werden: z. B. PCM. Nieren Niereninsuffizienz (= chronisches Nierenversagen) Langsam fortschreitender Verlust der Nierenfunktion. Dialysepflichtigkeit: Nierenersatztherapie, Blutreinigungsverfahren, notwendig bei fortgeschrittener chron. Niereninsuffizienz. CAVE: behandelnden Arzt konsultieren! KEINE Medikamente, die renal eliminiert werden: z. B. ASS, Tetrazycline). 10 KAPITEL 1 – ANAMNESE Magen / Darm Magenulkus (= Magengeschwür) Lokalisierter Defekt der Magenschleimhaut. CAVE: KEIN ASS oder Ibuprofen als Analgetikum, Prophylaxe Protonenpumpenhemmer (Panthozol ®). Stoffwechsel Diabetes mellitus (= „Zuckerkrankheit“) Ist gekennzeichnet durch chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel. Normaler Blutzuckerwert nüchtern: 120 mg/dl. Diabetes mellitus Typ 1: Juveniler Diabetes (10 %), primär insulinabhängiger Diabetes = absoluter Insulinmangel, Insulintherapie erforderlich. Mangel an Insulin infolge einer Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen. Diabetes mellitus Typ 2: Altersdiabetes (90 %), nicht primär insulinabhängiger Diabetes. Ursache: vermindertes Ansprechen der Körperzellen auf Insulin = „Insulinresistenz“: Insulin wird produziert, hat aber nicht mehr blutzuckersenkende Wirkung. Hypoglykämie: = “Unterzuckerung“: Blutzuckerspiegel < 50 mg/dl. Symptome: Zittern, Herzklopfen, Tachykardie, Heißhunger, Blässe, Sehstörungen, Schwindel, Verwirrtheit. Hyperglykämie: = “Überzuckerung“: Blutzuckerspiegel > 200 mg/dl. Symptome: Durst, trockener Mund, vermehrte Urinausscheidung, Sehstörungen. CAVE: genaue Anamnese! (u. a. Häufigkeit hypoglykämischer Reaktionen erfragen), Hypoglykämie möglich, Glukose bereithalten, NIEMALS Insulin geben. Weitere Komplikationen: Xerostomie, Infektionen, Wundheilungsstörungen, schwere Parodontalerkrankungen gehäuft, bei beiden Formen ansonsten alle Behandlungen möglich. Besondere Fragen Ist der Blutzucker gut eingestellt? Bemerken Sie, wenn Sie unterzuckern? Bitte geben Sie mir Bescheid, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie unterzuckern. Schilddrüsenüberfunktion (= Hyperthyreose) Überschuss der Schilddrüsenhormone T3 und T4 im Blut. CAVE: Wenn Hyperthyreose schlecht eingestellt ist, droht die Gefahr der thyreotoxischen Krise (Tachykardie, Hyperthermie, Flush-Symptomatik, Nausea). KEIN Adrenalin in LA oder Retraktionsfäden. Wenn Hyper- und Hypothyreose gut eingestellt sind kann jede erforderliche Behandlung erfolgen. Nerven / Gemüt Krampfanfälle (= Epilepsie) Gruppe von Störungen, die gekennzeichnet sind durch chronische, rezidivierende Veränderungen der Gehirnfunktion (Anfälle). CAVE: genaue Anamnese (Medikation, Art, Ursache, Häufigkeit und Verlauf der Anfälle). Gingivahyperplasie durch Einnahme von Phenytoin: optimale Mundhygiene nötig. Wenn möglich: festsitzender ZE ohne Keramik. Angstzustände: CAVE: Wechselwirkungen Medikamente, behandelnden Arzt konsultieren, Behandlungsfähigkeit? 11 Augen Grüner Star (= Glaukom) „Erhöhter Augeninnendruck“: Sammelbegriff für Erkrankungen des Auges, die mit einer Druckschädigung des Sehnerven einhergehen. CAVE: KEIN Adrenalin in LA oder Retraktionsfäden (Gefahr der weiteren Druckerhöhung). Blut Gerinnungsstörungen (= hämorrhagische Diathesen) Z. B. Hämophilie Erkrankungen mit erhöhter Blutungsbereitschaft, siehe auch „Gerinnungshemmende Medikamente“, Hämostase = physiologische Blutgerinnung. CAVE: Behandlung nur nach Rücksprache mit behandelndem Arzt wegen Gefahr der erhöhten Blutungsneigung. Zusätzlich erfragen: Auch bei Blutsverwandten? (gibt Hinweis auch auf eigene Blutgerinnungsstörung) Häufiges Nasenbluten? Blaue Flecken auch ohne Verletzung bzw. nach leichter Berührung? Nachbluten nach Operationen? Thrombozytopenie Mangel an Thrombozyten (= Blutplättchen) im Blut, Thrombozytenanzahl unter 80.000/µl. Mögliche Ursachen: maligne hämatologische Erkrankungen (Leukämie), Autoimmunthrombozytopenie. CAVE: verminderte Blutgerinnung, Immunsuppression. Allergie Z. B. Heuschnupfen oder Überempfindlichkeit gegen Nahrungsmittel, Fruchtzucker, Medikamente ( z. B. Antibiotikum), Jod, Pflaster, Latex, Nickel. CAVE: KEIN Penicillin (häufig allergisierend). Schwangerschaft Welche Schwangerschaftswoche? 1. Trimenon: KEINE Routinebehandlung und Röntgen. 2. Trimenon: Behandlung am ehesten geeignet. 3. Trimenon: Gefahr Vena-cava-inferior-Syndrom: Lagerung! Wenn Röntgen notwendig: Bleischürze wichtigste Schutzmaßnahme. Mögliche Medikamente: LA: Articain max. 1 : 200.000, auf Aspiration achten! Analgetika: PCM, in der Stillzeit Ibuprofen, Antibiotika: (Penicillin oder Erythromycin, KEIN Clindamycin!). Häufig Gingivitis, KEINE Amalgamfüllungen. Immunschwäche Einnahme von Cortison Z. B. bei Rheumatologischen Erkrankungen, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, neurologische Erkrankungen, Zustand nach Organtransplantation. CAVE: Wundheilungsstörung. 12 KAPITEL 1 – ANAMNESE AIDS Acquirede Immune Defiency Syndrome Verursacht durch HIV-Virus. CAVE: Tragen von Schutzkleidung, Mundschutz, Einmalhandschuhe (doppelt) und Schutzbrille, Stichverletzungen unter allen Umständen vermeiden. Auf orale Manifestationen achten: z. B. Candidiasis, HIV-assoziierte Gingivitis oder Parodontitis, Nekrotisierende Stomatitis, Aphtöse Ulzerationen, Kaposi-Sarkom. Knochen Bisphosphonate Funktion: hemmen Osteoklasten, dadurch Erhöhung der Kochendichte. Indikation: zur Therapie von Knochentumoren, Knochenmetastasen, Osteoporose. Z. B. Alendronsäure, Risedronsäure. CAVE: Wundheilungsstörungen: Gefahr von Nekrose des Kieferknochens nach chirurgischen Eingriffen, Risiko haupt- sächlich bei intravenöser Gabe (z. B. Actonel ®). Mögliche Fragen: Wurden in der Vergangenheit oder werden Sie zurzeit mit Bisphosphonaten behandelt? Wegen welcher Erkrankung? Wann? Mit welchem Präparat? Genussmittel Rauchen Wieviel durchschnittlich? CAVE: erhöhtes Risiko für die Entstehung oraler Karzinome. Erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen, Parodontalerkrankungen und Periimplantitis. Alkohol Fragen: Trinken Sie regelmäßig Alkohol? Wieviel? CAVE: leichte alkoholbedingte Leberschäden: erhöhte Toleranz gegenüber Narkotika: höhere Dosierung erforderlich. Meist vernachlässigte Mundhygiene, Risikopatienten für orale Karzinome. Erhöhte Blutungsneigung bei Alkoholabusus (siehe alkoholbedingte Leberschäden). Erbkrankheiten (Eltern, Geschwister) Familienanamnese Allgemein: Diabetes mellitus, Hämophilie, Tumorerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen. Zahnbezogen: Parodontitis, Dysgnathien, Nichtanlagen. Größe und Gewicht Dient der Einschätzung der Dosierung. 13 1.1.2 Zusammenfassung der Fragen für die allgemeine Anamnese 1. Haben Sie eine Herzerkrankung? Z. B. eine Herzschwäche oder erhöhter Blutdruck? 2. Haben Sie eine Gefäßerkrankung? Hatten Sie z. B. schon einmal einen Schlaganfall? 3. Ist ihre Blutgerinnung gestört? Nehmen Sie zum Beispiel blutgerinnungshemmende Medikamente? 4. Haben Sie Probleme mit der Lunge? 5. Sind Ihre Leber und ihre Nieren gesund? 6. Leiden Sie an Diabetes oder einer Schildddrüsenüberfunktion? 7. Hatten Sie schon einmal einen epileptischen Anfall? 8. Haben Sie eine Infektionskrankheit, wie zum Beispiel Hepatitis oder HIV? 9. Leiden Sie an einer Allergie? 10. Kommen in Ihrer Familie Erbkrankheiten vor? 11. Rauchen Sie und trinken Sie Alkohol? Wieviel? 12. Sind Sie schwanger? Stillen Sie? 13. Nennen Sie mir bitte Ihre Größe und Ihr Gewicht. Beantwortet der Patient eine Frage mit „ja“ IMMER nachfragen: 14. Sind Sie mit dieser Erkrankung in ärztlicher Behandlung? 15. Nehmen Sie Medikamente zur Behandlung der Erkrankung? Am Ende der allgemeinen Anamnese IMMER fragen: Leiden Sie an einer Erkrankung, nach der ich nicht gefragt habe, die aber für uns wichtig sein könnte? Nehmen sie noch weitere Medikamente? Bei schwerwiegenden Erkrankungen: Wie fühlen sie sich heute? Telefonat mit dem Hausarzt Praxisassistentin: Guten Tag, mein Name ist Dr. Müller. Ich bin der behandelnde Zahnarzt von Frau Erna Schmidt. (Geburtsdatum bereit- halten). Frau Schmidt hat bei uns Dr. Becker als ihren Hausarzt angegeben. Ist es möglich, dass ich Dr. Becker kurz zu einer geplanten Therapie eine Frage stellen kann? Hausarzt: Guten Tag, mein Name ist Dr. Müller. Ich bin der behandelnde Zahnarzt von Frau Erna Schmidt, geboren am 01.10.1939. Bei Frau Schmidt ist die Extraktion von 2 Zähnen geplant. Sie hat in dem Anamnesegespräch angegeben, dass sie Macumar nimmt. Können Sie mir bitte sagen, wie das weitere Vorgehen ist? 14 KAPITEL 1 – ANAMNESE 1.2 Spezielle Anamnese Alle Fragen der speziellen Anamnese werden in diesem Skript themenbezogen in den einzelnen Kapiteln dargestellt. 1.3 Themenbezogene Fragensammlung allgemeine und spezielle Anamnese Prophylaxe Allgemeine Anamnese Hier ist besonders wichtig: Haben Sie einen Herzschrittmacher?  Kein Ultraschall! (elektromagnetische Einflüsse) Nehmen Sie blutverdünnende Medikamente?  Antikoagulantien, Thrombozytenaggregationshemmer Besteht ein Endokarditisrisiko? ( Z. B. Herzerkrnakungen, Immunsuppression, Gelenkprothesen erfragen).  antibiotische Abschirmung (= Antibiose) notwendig. Infektionskrankheiten?  Infektionsrisiko durch kontaminierten Sprühnebel (= Aerosole). Leiden Sie an Diabetes? Nehmen Sie Bisphosphonate? Sind Sie schwanger oder stillen Sie? Spezielle Anamnese Wie häufig putzen Sie sich die Zähne? Putzen Sie mit der Handzahnbürste oder der elektrischen Zahnbürste die Zähne? Benutzen Sie Hilfsmittel für die Zahnzwischenraumpflege? Blutet ihr Zahnfleisch beim Zähneputzen, Essen oder spontan? Wurde bei Ihnen schon einmal eine PZR durchgeführt? Haben Sie Mundgeruch oder häufig einen unangenehmen Geschmack im Mund? Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Parodontologie Allgemeine Anamnese Hier ist besonders wichtig: Allgemeinerkrankungen mit Einfluss auf parodontale Erkrankungen: Diabetes mellitus Kadiovaskuläre Erkrankungen Genetische Erkrankungen Infektionserkrankungen Hormonelle Einflüsse Einnahme von Medikamenten Bestimmte Medikamente können zu entzündlichen oder nicht entzündlichen Gingivahyperplasien führen: Antikonvulsiva Kalziumantagonisten Immunsuppressiva Orale Kontrazeptiva Raucher Stress Spezielle Anamnese Wie oft putzen Sie Ihre Zähne? Wie lange? Benutzen Sie zusätzliche Mundhygienehilfsmittel? Blutet ihr Zahnfleisch beim Zähneputzen, Benutzen von Mundhygienehilfsmitteln oder spontan? 15 Ist ihr Zahnfleisch zurückgegangen? Beobachten Sie eine zunehmende Lockerung ihrer Zähne? Hat sich ihre Zahnstellung verändert und haben sich dabei Lücken gebildet? Haben Sie Schmerzen oder Beschwerden an den Zähnen? Haben Sie bei sich Mundgeruch festgestellt? Wurde bei Ihnen schon einmal eine Professionelle Zahnreinigung durchgeführt? Wurde bei Ihnen schon einmal eine Parodontalbehandlung durchgeführt? Wann? Wenn ja: Haben Sie schon einmal an einem Nachsorgeprogramm einer Parodontalbehandlung teilgenommen? Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Familienanamnese Haben ihre Eltern oder Geschwister Zähne frühzeitig durch Zahnlockerung verloren? In welchem Alter? Füllungstherapie Allgemeine Anamnese Hier ist besonders wichtig: Leiden Sie an einer Niereninsuffizienz? Sind Sie schwanger / stillen Sie? Leiden Sie an Allergien? Knirschen Sie mit den Zähnen? Krankheitsbedingte Ursachen (Beeinträchtigung der Speichelproduktion durch z. B. Diabetes oder speichelhemmende Medikamente) Spezielle Anamnese Legen Sie Wert auf eine zahnfarbene Füllung? Legen Sie Wert auf eine lange Lebensdauer der Füllung? Ist Ihnen die Biokompatibilität („Verträglichkeit zwischen einem Gewebe und einem Werkstoff“) besonders wichtig? Individuelle Besonderheiten zur Kariesentstehung: Fluoridanamnese Kariogene Ernährung, Frequenz der Nahrungsaufnahme, säurehaltige Getränke. Mundhygienegewohnheiten (z. B. auch hohes Alter, Apoplex, Demenz, Paresen). Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Bleaching Allgemeine Anamnese Hier ist besonders wichtig: Haben Sie eine Lebererkrankung? (Bilirubineinlagerung) Nehmen Sie Medikamente? (Eisen- oder Nitrathaltige Medikamente) Leiden Sie an Allergien? Spezielle Anamnese Trinken Sie regelmäßig Kaffee, schwarzen Tee oder Rotwein? Rauchen Sie? Wie viele Zigaretten pro Tag? Wie häufig putzen Sie die Zähne? Benutzen Sie besondere Zahnpasta, die zur Zahnaufhellung beitragen soll? Benutzen Sie Mundspüllösungen? Reagieren Ihre Zähne empfindlich auf Kälte? Wurde schon einmal eine Bleichtherapie durchgeführt? Wurde bei Ihnen schon einmal eine PZR durchgeführt? Internes Bleaching: Haben Sie Beschwerden an dem betroffenen Zahn? Wurde eine Röntgenaufnahme gemacht? Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? 16 KAPITEL 1 – ANAMNESE Endodontologie Spezielle Anamanese (= Schmerzanamnese) Wo haben Sie Schmerzen? Seit wann haben Sie die Schmerzen / Beschwerden?“ Ist der Schmerz auf einen bestimmten Zahn lokalisiert oder strahlt er aus? Können Sie den Schmerz beschreiben? Ist er z. B. stechend, dumpf, pulsierend / pochend, ziehend? Ist es ein Dauerschmerz? ODER: Gibt es Faktoren, die den Schmerz auslösen? Reagiert der Zahn z. B. auf Wärme, Kälte, oder Süßes? Schmerzt der Zahn beim Kauen? Wie lange hält der Schmerz an? Wann ist der Schmerz am stärksten, z. B. in der Nacht? Gibt es etwas, das den Schmerz lindert wie z. B. Kälte oder Wärme? Können Sie mir auf einer Schmerzsskala von 0 – 10 sagen, wie stark die Schmerzen sind? Haben Sie Schmerzmittel eingenommen? Welche? Wann haben Sie zum letzten Mal Schmerzmittel genommen? (Haben Sie eine Schwellung festgestellt?) (Haben Sie weitere Beschwerden wie z. B. Schluckbeschwerden, Fieber, Schüttelfrost, Unwohlsein, Nachtschweiß, Kopfschmerzen?) Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Prothetik Spezielle Anamnese Was erwarten von dem neuen Zahnersatz? Was ist für Sie bei dem neuen Zahnersatz besonders wichtig? Ist die Ästhetik besonders wichtig? Ist der Kaukomfort besonders wichtig? ODER: Ist es besonders wichtig, dass Sie gut kauen können? Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Bei bereits vorhandenem alten Zahnersatz: Wie alt ist der Zahnersatz? Warum wünschen Sie neuen Zahnersatz? Wie sind Sie mit ihrem alten Zahnersatz bisher zu Recht gekommen? Was gefällt Ihnen an Ihrem Zahnersatz nicht mehr? Die Ästhetik? Der Kaukomfort? Was stört Sie an dem alten Zahnersatz? Haben Sie Beschwerden wegen des alten Zahnersatzes? Sollte etwas verbessert werden? ODER Sollte etwas anders gemacht werden? Was sollte verbessert werden? Zahnärztliche Chirurgie Allgemeine Anamnese Hier ist besonders wichtig: Blutgerinnungshemmende Medikamente Endokarditisprophylaxe Infektionskrankheiten Diabetes Immunsuppression (z. B. Organtransplantation, Chemotherapie, Rheumatoide Arthritis, Tumorpatienten). Medikament: Bisphosphonate Chemo- / Strahlentherapie Allergien (z. B. Antibiotikum) Außerdem bei odontogenen Infektionen: Drogenabusus, Alkoholabusus (Leberzhirrhose), starkes Rauchen. Renale Insuffizienz HIV-Infektion Asthma bronchiale 17 Spezielle Anamnese: Schmerzanamnese Wie lange besteht die Schwellung schon? Fragen nach Anzeichen einer weiteren Ausbreitung: Reduktion des Allgemeinzustandes (Fieber, nächtliches Schwitzen, Schüttelfrost, Unwohlsein, Krankheitsgefühl, Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit)? Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen? Visuelle und sprachliche Einschränkungen? Funktionsstörungen (Kieferklemme, eingeschränkte Mundöffnung, Schluckbeschwerden, Atemnot, Sensibilitäts- störungen)? Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Dentales Trauma, Frakturen Allgemeine Anamnese Hier ist besonders wichtig: Endokarditisprophylaxe Tetanusprohylaxe Blutungsneigung Immunsuppression Spezielle Anamnese: Angaben zum Unfallhergang: Wie ist der Unfall passiert? Wo ist der Unfall passiert? (Wegeunfall, Schulunfall, Arbeitsunfall). Wieviel Zeit ist seit dem Unfall vergangen? Wann war der Unfall? Waren andere Personen an dem Unfall beteiligt? Ist der Unfall durch eine andere Person verursacht worden? Gibt es Zeugen? Haben Sie weitere Beschwerden (Hinweise auf Schädel-Hirn-Trauma): Waren Sie ohnmächtig? Können Sie sich genau an den Unfallhergang erinnern? Haben Sie Gedächtnislücken? Haben Sie Kopfschmerzen? Leiden Sie an Übelkeit? Haben Sie erbrochen? Bei Avulsion: Wie wurde der Zahn aufbewahrt? Wie lange wurde der Zahn trocken gelagert? Haben Sie versucht, den ahn zu säubern? Wo wurde der Zahn gefunden? Funktionelle Zahnheilkunde Spezielle Anamnese Anamnese kann am besten anhand eines vorgefertigten Anamnesebogens im Rahmen des klinischen Funktionsstatus erfolgen: Seit wann haben Sie Schmerzen? Können Sie die Schmerzen beschreiben (dumpf, stechend)? Strahlen die Schmerzen aus? Können Sie den Bereich zeigen, der Ihnen Schmerzen verursacht? Wann im tageszeitlichen Verlauf treten sie Schmerzen auf (z. B. besonders am Morgen, bei Anspannung)? Wann sind die Schmerzen am schlimmsten? Wie lange hält der Schmerz an (Minuten, Stunden, dauerhaft)? Wie oft tritt der Schmerz auf (täglich, wöchentlich, monatlich)? Werden die Schmerzen durch etwas Bestimmtes ausgelöst (z. B. langes Kauen, weites Mundöffnen)? Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 – 10? Sind die Schmerzen auf einer Seite stärker (rechts oder links)? Haben Sie das Gefühl, dass ihre Mundöffnung eingeschränkt ist? Nehmen Sie selbst Geräusche (z. B. Knacken oder Reiben) im Bereich der Kiefergelenke wahr? 18 KAPITEL 1 – ANAMNESE Wurden die Schmerzen durch ein bestimmtes Ereignis erstmalig ausgelöst (z. B. Unfall oder Schlag, lange Sitzung beim Zahnarzt, neuer Zahnersatz, Operation in Vollnarkose)? Passen die Zähne richtig aufeinander? Waren Sie wegen der Beschwerden schon einmal in Behandlung? Knirschen Sie mit den Zähnen? Tragen Sie eine Schiene? Gibt es weitere Beschwerden / Verspannungen im Bereich des Kopfes, Halses, Schultern, Wirbelsäule? Wann waren Sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Kinderzahnheilkunde Spezielle Anamnese Ernährung: Trinkt ihr Kind aus der Flasche? Was trinkt ihr Kind? Überlassen Sie ihrem Kind die Flasche zur eigenständigen Trinken? Bekommt ihr Kind die Flasche als Einschlafhilfe? Stillen sie ihr Kind? Isst ihr Kind Süßigkeiten? Wie häufig am Tag? Trinkt ihr Kind gesüßte Getränke? Mundhygiene: Wie oft am Tag putzen sie ihrem Kind die Zähne? Wie oft am Tag putzt sich ihr Kind die Zähne? Putzen sie ihrem Kind am Abend die Zähne nach? Fluoride: Benutzt ihr Kind fluoridhaltige Zahnpasta? Nimmt ihr Kind Fluoridtabletten? Welche Dosierung? Führen sie sonstige Fluoridierungsmaßnahmen daheim durch? (z. B. Fluoridgel). Welche? Benutzen sie fluoridhaltiges Speisesalz zum Kochen? Zahnarztbesuch: Wie häufig gehen sie mit ihrem Kind zum Zahnarzt? Wann waren Sie das letzte Mal mit ihrem Kind beim Zahnarzt? Hat ihr Kind schon einmal an einer Individualprophylaxe teilgenommen? Am Ende der speziellen Anamnese IMMER fragen: Gibt es eine Frage, die ich gerade nicht gestellt habe, die aber für sie wichtig ist? Gibt es sonst noch etwas zu ihren Schmerzen/ihrem Anliegen, das ich wissen muss? 19 Kapitel 2 Befund 2.1 Befunderhebung 1. Extraoraler Befund 1.1 Inspektion (schauen): Eindruck, Beobachtung Allgemeinbefund - Kann einen Hinweis auf Allgemeinerkrankungen geben: - Ikterus: Augen zuerst: Hinweis auf Lebererkrankung - Zyanose / kardiale Insuffizienz: blaue Lippen - Nierenschäden: graublasse Hautfarbe, Lidödeme - Atmung: Dyspnoe, gestörte Atmung, Atmungsgeräusche - Gesichtsrötung: Hypertonie - Mundwinkelrhagaden: Candidiasis (insuffiziente Bisshöhe), Eisen- / Folsäure- / Vit. B12-Mangel, Anämie, Morbus Crohn. Zahnärztlicher Befund - Kann einen Hinweis auf ein Trauma, eine dentogene Infektion oder eine Funktionsstörung geben: - Gesicht: Farbe, Schwellung, Symmetrie - Hals: Schwellung, Symmetrie - Kiefergelenk: Beweglichkeit, Abweichungen bei MÖ. 1.2 Palpation (tasten): - Gesicht: Trigeminusdruckpunkte - Kaumuskulatur und Kiefergelenk. - Hals: Lymphknoten: Größe, Anzahl, Lage, Verschieblichkeit, Druckdolenz. - Speicheldrüsen 1.3 Auskultation (hören) - Kiefergelenk: Reiben, Knacken 2. Intraoraler Befund 2.1 Dentaler Befund - Inspektion (schauen) - Palpation (tasten) 2.2 Endodontischer Befund - Perkussion (klopfen) - Vitalitätsprobe (thermisch, elektrisch) 2.2 Schleimhautbefund - Gingivale Blutung, Gingivahyperplasie - Zungenulcera, Tonsillen - Candidiasis 2.3 Mundhygienebefund 2.4 Parodontaler Befund - Sondierung 3. Röntgenbefund 20 KAPITEL 2 – BEFUND 4. Funktionsbefund 5. Allgemeinmedizinische Befunde (Laborwerte, Allergietest) Die Zahnärztliche Befunderhebung richtet sich nach dem Anliegen des Patienten und wird themenbezogen in den einzelnen Kapiteln abgehandelt. 2.2 Röntgenbefund (OPG) Der OPG-Befund ist immer beschreibend = deskritpiv. Nacheinander erfolgen: 1. Beschreibung der nicht detogenen Strukturen 2. Allgemeiner Überblick 3. Betrachtung der Zähne im Detail 4. Beurteilung 1. Diagnose ist sicher: Dann auch festlegend: „Es ist im Bereich des aufsteigenden UK-Astes eine Frakturlinie mit Dislokation der Fragmente zu erkennen.“ 2. Diagnose ist NICHT sicher: Beschreibende Formulierungen, KEINE endgültigen Diagnosen: Beispielhafte Formulierungen: „… mit Verdacht auf … … dringender Verdacht auf … gibt Hinweis auf … … deutet auf … hin, … … gibt Anhalt für … … gibt einen geringen Anhalt für …“ … zur Sicherung der Diagnose empfehle ich eine weitere Röntgenaufnahme von diesem Zahn / diesem Bereich …“ Gliederung OPG Befund 1. Nicht dentogene Strukturen 2. Überblick 3. Fehlende / verlagerte Zähne 4. Füllungstherapie 5. Endodontischer Befund 6. Prothetischer Befund 7. Parodontologischer Befund 8. Kariöse Läsionen 9. Weitere Befunde 10. Beurteilung 21 Mögliche Formulierungen OPG Befund 1. Nicht dentogene Strukturen Beurteilung der Kieferhöhle, des Kiefergelenkes und anderer auffälliger Strukturen. „Verschattung des rechten Kieferhöhlenlumens und Spiegelbildung mit Verdacht auf Sinusitis maxillaris rechts.“ „Es stellen sich beidseits gut belüftete Kieferhöhlen dar.“ „Regelrecht ausgeformtes Kieferköpfchen ohne Hinweis auf Pathologie.“ „Das Kiefergelenk zeigt deutliche Schlifffacetten.“ „Es liegen deutliche Umbauvorgänge des Kiefergelenkes vor. Der Kiefergelenksspalt ist aufgehoben, das Kiefer­ köpfchen ist resorbiert. Dies gibt Anhalt für eine osteogene Anpassung an veränderte Belastungen.“ 2. Überblick „Man erkennt einen vollbezahnten, konservierend versorgten OK / UK.“ „Es liegt ein prothetisch versorgtes Lückengebiss vor“. „Zahnloser OK / UK“, „OK / UK mit Restbezahnung“, „teilbezahnter, prothetisch versorgter OK und zahnloser UK.“ 3. Fehlende / verlagerte Zähne „OK / UK 8er sind angelegt“, “18, 28 sind retiniert und verlagert.“ „Die Zähne 12, 24 – 26, 37, 45 – 47 fehlen.“ 4. Füllungstherapie „Die Zähne 13, 15, 17 … zeigen im Bereich der Zahnkronen eine (metalldichte) Verschattung im Sinne einer Komposit (Amalgamfüllung).“ 5. Endodontischer Befund Alle vollständigen, unvollständigen oder überstopfte WFs, frakturierte Instrumente im Wurzelkanal (Lokalisation: mesial / distal), apikale Aufhellungen / Verschattungen aufzählen. „Man erkennt eine apikale Aufhellung im Sinne einer apikalen Parodontitis, die möglicherweise auf die nicht vollstän- dige / insuffiziente WF zurückzuführen ist.“ „Man sieht eine metalldichte Verschattung im Sinne eines frakturierten Wurzelkanalinstruments.“ „Es ist eine ca. 0,5 cm große, scharf begrenzte Aufhellung am Apex des Zahnes 12 zu erkennen. Dies kann einen Hinweis auf eine radikuläre Zyste geben.“ „Die Wurzelspitze stellt sich unvollständig dar, dies deutet auf einen Zustand nach WSR hin.“ „Der Zahn 11 zeigt eine Vergrößerung des Pulpencavums im Sinne einer internen Resorption. Dies kann auf eine Puplanekrose infolge eines Traumas hindeuten.“ 6. Prothetischer Befund „Im Bereich der Zahnkronen 17, 15 – 13, 24 – 26 sowie 35 erkennt man metalldichte Verschattungen im Sinne einer festsitzenden prothetischen Versorgung (Kronen- / Brückenversorgung).“ 7. Parodontologischer Befund „Es ist ein ausgeprägter, generalisierter horizontaler Knochenabbau im Sinne einer Parodontitis marginalis profunda zu erkennen.“ „Es liegt ein auf den Bereich der Zähne 32 – 42 begrenzter dezenter / gering ausgeprägter horizontaler Knochen­ abbau im Sinne einer lokalisierten Parodontits marginalis superficialis vor.“ „Der Zahn 36 zeigt distal einen vertikalen Knocheneinbruch.“ „Am Zahn 22 ist ein fehlender PA-Spalt zu erkennen. Dies gibt Hinweis auf eine externe Ersatzresorption“. „Der Zahn 46 lässt einen verbreiterten PA-Spalt erkennen.“ 8. Kariöse Läsionen “Im distalen / mesialen Bereich des Kronenrandes / Füllungsrandes / unter der Füllung ist eine Aufhellung zu sehen. Dies deutet auf eine kariöse Läsion hin.“ 22 KAPITEL 2 – BEFUND 9. Weitere Befunde „Weiterhin erkennt man multiple zerstörte Zähne und Wurzelreste im Bereich von …“ „In Regio 18 erkennt man eine dentindichte Verschattung. Dies könnte ein Hinweis auf einen verbliebenen Wurzelrest sein.“ „Erkennbar ist eine Verschattung im Bereich des extrahierten Zahnes 11, welche auf verbliebenes überstopftes Wurzel- füllmaterial schließen lässt.“ „Man sieht in Regio 44 einen reaktionslosen Fremdkörper im Knochen, d. h. es liegt kein osteolytischer oder osteo­ sklerotischer Randsaum vor. Vermutlich handelt es sich hierbei um AH 26.“ 10. Beurteilung Zusammenfassung der pathologischen Befunde: Ist auf Röntgenbild eine Pathologie zu erkennen, wird diese beschrieben, Beurteilung ist in 2 Teile gegliedert: 1. Auf Fragestellung bezogener Befund „Die Zähne 35 – 37 können aus röntgenologischer Sicht als Ursache für die klinischen Beschwerden ausgeschlossen werden.“ „Die Zähne 35 – 37 geben keinen Anhalt für eine dentogene Pathologie.“ „Es finden sich keine Hinweise für ein entzündliches Geschehen im Bereich der klinischen Beschwerden.“ „Das OPG gibt keinen Hinweis / liefert keinen Anhalt auf eine Fraktur.“ „ Die apicale Aufhellung im OPG am Zahn 36 im Sinne einer apicalen Parodontitis bei nicht erfolgter WF bestätigt das klinische Beschwerdebild. Als Therapie ist eine Wurzelbehandlung des Zahnes 36 empfohlen.“ 2. Weitere pathologische Befunde / behandlungsbedürftige Befunde „Als weitere Befunde ergeben sich …“ „Scharf begrenzte Aufhellung im Sinne einer Zyste“. „Dezent ausgeprägt = gering ausgeprägt“, „dezente Vergrößerung“, „massive osteolytische Veränderungen“. „ Der Zahn 15 zeigt eine apicale Aufhellung vereinbar mit einer apicalen Parodontitis.“ ODER: „Dies kann ein Hinweis auf eine apicale Parodontitis sein.“ „Es zeigt sich eine metalldichte Verschattung im Sinne eines frakturieren Wurzelkanalinstrumentes im Bereich der mesialen Wurzelspitze des Zahnes 46 ohne Anhalt auf eine Entzündung im apicalen Bereich.“ „Soweit beurteilbar …“ „Zur Absicherung der Diagnose ist eine zusätzliche Röntgenaufnahme in diesem Bereich notwendig.“ „Ein zusätzliches Röntgenbild von diesem Bereich sollte angefertigt werden, um einen Artefakt auszuschließen.“ „Die Aufhellung am distalen Kronenrand des Zahnes 25 ist nicht eindeutig beurteilbar, daher ist ein weiteres (Detail-) Röntgenbild / Zahnfilm zu empfehlen“. Beschreibung der Pathologie 1. Lokalisation: Wo befindet sich die Pathologie? Z. B. Wurzelspitze Zahn 23, Regio 44 – 46, Kieferwinkel links. 2. Anzahl: handelt es sich um eine einzelne oder multiple Läsionen? 3. Verteilung: Ist die Läsion lokal begrenzt oder diffus? 4. Dichte: Liegt eine Aufhellung oder Verschattung vor? 5. Größe: Wie groß ist die Pathologie? Entweder in cm oder mit anderen Strukturen vergleichen, „die Ausdehnung erstreckt sich von 35 – 37“, auch „pflaumengroß / erbsengroß“ möglich. 6. Abgrenzbarkeit: Ist die Läsion scharf abgrenzbar? Wie sieht die Randstruktur aus? Ist sie unscharf begrenzt? 7. Form: ist die Läsion z. B. oval / rund / ellipsenförmig / nierenförmig? 8. Struktur / Muster: Wie ist die Struktur im Inneren der Läsion? Z. B. Bienenwabenstruktur, Seifenblasenstruktur, ausgestanzter Defekt (s. u.). 23 1. Nicht dentogene Strukturen: 2. Überblick: 3. Fehlende / verlagerte Zähne: 4. Füllungstherapie: 5. Endodontischer Befund: 6. Prothetischer Befund: 7. Parodontologischer Befund: 8. Kariöse Läsionen: 9. Besonderheiten: 10. Beurteilung: 24 KAPITEL 3 – PROPHYLAXE Kapitel 3 Prophylaxe 3.1 Prophylaxe-Konzepte Prophylaxe = Prävention vorbeugende Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten. Primär-Primärprävention: Ansatz bei Schwangeren (Übertragung streptococcus mutans), gute MH, keine Schnuller / Löffel ablecken (Patient). Primäre Prävention: Alle Maßnahmen zur Festigung und Erhalt der Gesundheit (z. B. Vorbeugung von Karies oder Parodontal­ erkrankungen durch gesunde Ernährung, gute Mundhygiene und regelmäßige Fluoridierung) (Patient). Sekundäre Prävention: Frühe Diagnose auftretender Krankheiten sowie deren Behandlung zur Heilung und oder auch Einschränkung der Krankheitsausbreitung, „traditionelle Prophylaxe“ (z. B. Mundhygiene, Ernährungslenkung, Fluoride, Fissurenversiegelung, regelmäßige Kontrolle durch ZA) (Zahnarzt). Tertiäre Prävention: Maßnahmen zur Behandlung von Krankheiten, zur Abwehr einer Verschlimmerung einer Krankheit und zur Rehabilitation (z. B. Wiederherstellung von Form und Funktion des Kauorgans durch Füllungen oder Zahnersatz), (Zahnarzt). 1. Individualprophylaxe: Sog. IP, kariesvorbeugende Maßnahmen, die den einzelnen Menschen betreffen (s.u.)(sekundäre Prophylaxe). s.u. 2. Gruppenprophylaxe: Kariesvorbeugende Maßnahmen für eine Gruppe von Menschen (z. B. Reihenuntersuchung in Schulen und Kinder­ gärten) (sekundäre Prophylaxe). Begriffsdefinitionen Plaque: (= oraler Biofilm): „Zahnbelag“, weicher, aber fest anhaftender Belag, besteht aus Mikroorganismen, Haupt­ ursache für Karies- und Parodontalerkrankungen (S: Tag 5 Parodontologie). Abrasion: Verlust von Zahnsubstanz durch mechanischen Abrieb der Zahnhartsubstanz, verursacht durch Fremdstoffe (z. B. Putzkörper in der Zahnpasta) oder falsche Putztechnik (keilförmige Defekte). Erosion: Verlust von Zahnsubstanz durch Säureeinwirkung auf die Zahnoberfläche, die nicht durch Mikroorganismen ver- ursacht wird, (z. B. Magensäure, saure Nahrungsmittel und Getränke: vermeiden, Zeitfaktor!), oft durch Abrasionseffekte verstärkt (erosiv-abrasiver Additionseffekt). Attrition: Verlust von Zahnsubstanz durch mechanischen Abrieb der Zähne gegeneinander in Kontaktbereichen, z. B. Knirschen (Bruxismus). Halitosis (= Mundgeruch), mögliche Ursachen: Mangelnde Mundhygiene, Belag auf Zungenoberfläche, Gingivitis, Parodontitis, Allgemeinerkrankungen, Mandelentzündungen, tiefe Mandelfurchen, Mandelsteinchen, Mundtrockenheit, bestimmte Speisen (Zwiebel, Knoblauch), Rauchen, Alkoholgenuss. 25 3.2 Individualprophylaxe (IP) „Ein auf Sie persönlich zugeschnittenes Vorsorgeprogramm zur Vermeidung von Karies und Zahnfleischerkrankungen.“ 6 bis 18-jährige Kinder bzw. Jugendliche: IP Leistungen werden über die Krankenkasse abgerechnet. Bei Erwachsenen kann abhängig von der gesetzlichen Krankenkassen ein bestimmter Anteil übernommen werden. Die privaten Krankenversicherungen übernehmen die Kosten. Übliches Intervall ist halbjährlich (oder jährlich), bei erhöhtem Karies- / Parodontitisrisiko oder Allgemeinerkrankungen (z. B. Diabetes) auch häufiger. Schritte der Individualprophylaxe 1. Erhebung eines Plaque- und Entzündungsindex: Plaque-Index (API) Aproximalraum-Plaque-Index - 1. Und 3. Quadrant Messung von oral, 2. Und 4. Quadrant Messung von vestibulär. - Hinweis auf momentanen Zustand der MH, ja / nein Entscheidung. Entzündungs-Index (PBI) Papilen-Blutungs-Index - Sulkus wird im Papillenbereich mit PA-Sonde sondiert. - Hinweis auf dauerhaften Zustand der MH, ja / nein Entscheidung. - Zusätzliche Einteilung nach Grad 0 – 4 möglich. 2. Kariesrisikobestimmung: Mithilfe des DMF-T-Index (Milchgebiss) oder DMF-T/S-Index (bleibende Zähne). d = decayed, m = missing, f = filled, t = tooth, s = surface Kariesrisiko kann in einer Tabelle abgelesen werden. Einteilung erfolgt in Altersgruppen. ZIEL: Erkennen der Individuen mit erhöhtem Risiko zur risikobezogenen Prävention. 3. Darstellung der supragingivalen Beläge Erfolgt mit Hilfe von Plaquerelevatoren: Lebensmittelfarben, die bevorzugt an Plaque haften bleiben. 4. Aufklärung Entstehung und Ursachen der Karies- und Parodontalerkrankungen. 5. Motivation zu sorgfältiger Mundhygiene Individuelle Putzdefizite aufzeigen, Eigenverantwortung wecken. 6. Anleitung / Instruktion  Individuelle Zahnputztechnik, Interdentalraumreinigung (Zahnseide, Interdentalbürsten). Zahnputztechnik: Kinder „Schrubbertechnik“, dann KAI, Erwachsene: Bass-Technik Handzahnbürste (kurzer Bürstenkopf, multitufted, mittelharte Borsten, ebenes Bortenfeld vs. elektrische Zahn- bürste (oszillierende Bewegung, runder Kopf) / schallaktive Zahnbürste (gewöhnungsbedürftig, 10 mal schnel- ler als elektrisch, kitzelt). Reinigung Interdentalräume (= Zahnzwischenräume): Zahnseide (bei engen Interdentalräumen), Superfloss (bei breiteren Interdentalräumen, Brücken verblockten Zähnen, Brackets), Interdentalbürstchen (bei großen Interdental- räumen, Brücken, Brackets, Implantaten). 26 KAPITEL 3 – PROPHYLAXE Anleitung zur zahngesunden Ernährung (Ernährungsbedingte Faktoren zur Kariesentstehung: Häufigkeit der Nahrungsaufnahme, Zuckergehalt der Nahrung, Konsistenz der Nahrung, Säuregehalt der Nahrung), Fluoridpräpa- rate, regelmäßige Kontrollen beim ZA. 7. Professionelle Zahnreingung (siehe unten) 3.3 Stellungnahme DGZMK: 7 Maßnahmen zur Kariesprophylaxe Patient: 1. Mechanische Verfahren zur Reduzierung des Biofilms und Fluoridierung: Mind. 2 x Täglich mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta Zähne putzen: einer der wichtigsten Eckpfeiler der individuellen und gruppenbezogenen Ka- riesprophylaxe; systemische Fluoridierung (fluoridiertes Speisesalz) und lokale Fluoridierung (Zahnpasta, 0,05 – 0,15 % Fluoridgehalt), Einheit ppm (= 500 – 1.500 ppm), Fluoridgelees (1,25 % Fluoridgehalt) 1 x wöchentlich. 2. Ernährung: Zuckeraufnahme und die Anzahl zuckerhaltiger Mahlzeiten (einschließlich zuckerhaltiger Getränke) soll möglichst gering gehalten werden. 3. Zuckerfreie Kaugummis: (für 10 – 20 min. nach Mahlzeit), kariespräventiver Effekt durch: Erhöhung des Speichel­ flusses, positive Beeinflussung des Speichel-pH-Wertes, Senkung der Plaquebildung, Senkung der Speichelkonzentrati- on an Mutans-Streptokokken und Laktobazillen. Zahnarzt: 4. Prophylaxeprogramme: = Individualprophylaxe 5. Weitere Fluoridierungsmaßnahmen: Fluoridlacke (2,5 – 5 % Fluoridgehalt) halbjährlich. 6. Chemische Biofilmbeeinflussung: CHX Chlorhexidin-(CHX-)-Lacke: (mind. 1 %): chemische Beeinflussung des Biofilms: einzig die kariesreduzierend Wirkung im Okklusalbereich durchbrechender Zähne und bei Wurzelkaries nachgewiesen. 7. Fissurenversiegelung: Bei kariesgefährdeten Fissuren und Grübchen durchbrechenden oder gerade durchge­ brochenen Molaren, besonders bei Kindern mit hohem Kariesrisiko. 3.4 Professionelle Zahnreinigung (PZR) „Die PZR ist eine Intensivreinigung mit Spezialinstrumenten, mit dem Ziel, alle krank machenden und kosmetisch stören- den Beläge auf der Zahnoberfläche zu entfernen.“ Kann delegiert werden an Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin (ZMP), Dentalhygienikerin (DH). (Patient sagt: Zahnarzthelferin oder Helferin, Im Arzt-Patienten-Gespräch: Prophylaxehelferin, Prophylaxeassistentin. Besondere Indikationen PZR Zahnstein (supragingival) Konkremente = subgingivaler Zahnstein Externe Verfärbungen (Tee, Tabak, Kaffee, Rotwein) Vor umfangreicher konservierender oder prothetischer Sanierung (synoptisches Behandlungskonzept). Initialbehandlung bei Parodontitis (= Initialphase / Hygienephase). Unterstützende Parodontitistherapie = Nachsorge = Erhaltungstherapie. Schwangerschaft / Stillzeit, Primär-Primärprävention = Primär-Primärprophylaxe (bei werdenden Müttern). Systemische Faktoren (Diabetes) oder genetische Faktoren (IL-1-Polymorphismus). Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen. Bisphosphonat-Therapie. Motorisch eingeschränkte Patienten, geistig behinderte Patienten. 27 Allgemeine Anamnese Leiden Sie an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung? Haben Sie einen Herzschrittmacher?  Kein Ultraschall! (elektromagnetische Einflüsse) Nehmen Sie blutverdünnende Medikamente?  (Antikoagulantien, Thrombozytenaggregationshemmer) Besteht ein Endokarditisrisiko? (z. B. Herzerkrankungen, Immunsuppression, Gelenkprothesen erfragen)  antibiotische Abschirmung (= Antibiose) notwendig. Infektionskrankheiten?  Infektionsrisiko durch kontaminierten Sprühnebel (=Aerosole). Leiden Sie an Diabetes? Nehmen Sie Bisphosphonate? Sind Sie schwanger oder stillen Sie? Spezielle Anamnese Wie häufig putzen Sie sich die Zähne? Benutzen Sie Hilfsmittel für die Zahnzwischenraumpflege? Blutet ihr Zahnfleisch beim Zähneputzen, Essen oder spontan? Wurde bei Ihnen schon einmal eine PZR durchgeführt? Haben Sie Mundgeruch oder häufig einen unangenehmen Geschmack im Mund? Ablauf PZR 1. Patient mit Chlorhexidindiglukonat (CHX) spülen lassen. Keimreduktion in der Mundhöhle. 2. Grobreinigung Entfernung von harten Belägen (Zahnstein, Konkremente) – manuell / maschinell: supra- und subgingival. 1. Handinstrumente Scaler, Universalküretten, Spezialküretten (z. B. Gracey-Küretten) 2. Ultraschallinstrumente (z. B. Cavitron ®), Frequenz 20.000 – 45.000 Hz 3. Schallinstrumente (Schallscaler, Airscaler, z. B. SONICflex ®), mit Druckluft angetrieben, Frequenz 6.000 – 8.000 Hz - Schall- und Ultraschallinstrumente im Bereich der Furkationen effektiver als Handinstrumente. - Kunststoffinstrumente bei Implantaten (jedoch schlechtere Reinigungswirkung). 4. Pulverstrahlgeräte (z. B. Prophyflex ®, Airflow ®)  Reinigung von Fissuren, Entfernung von hartnäckigen Verfärbungen.  Druckluft mit Gemisch aus Wasser und Pulver (Natriumbikarbonat oder Glycin). - Natriumbicarbonat: große Korngröße: Indikation: Verfärbungen am Schmelz, nicht im Bereich von freiliegendem Wurzelzement oder Dentin anwenden! - Glycin: kleine Korngröße: Schonung der Wurzeloberfläche, zur Entfernung des subgingivalen Biofilms, in der Nachsorge Parodontitistherapie. 3. Politur der Zahnoberflächen und vollständige Entfernung von Verfärbungen.  Maschinell mit rotierenden Bürsten oder Gummikelchen.  Polierpasten, Polierstreifen 28 KAPITEL 3 – PROPHYLAXE 4. Interdentalreinigung Alle Approximalräume werden mit Zahnseide oder Interdentalbürsten gereinigt. 5. Fluoridierung (z. B. Elmex Fluid) 3.5 Fissurenversiegelung Fissuren und Grübchen der bleibenden Molaren haben die höchste Kariesgefährdung im Kindes- und Jugendalter. Versiegelung kann prinzipiell an allen Zähnen mit Fissuren oder Grübchen in der primären und bleibenden Dentition angewendet werden. Nicht kavitierte Läsion: Frühes Stadium der Karies. Mineralverlust unter der Schmelzoberfläche, Schmelzoberfläche bleibt scheinbar (pseudo-) intakt. Klinisch: weißliche Verfärbung des Schmelzes (= White Spot). Kavitierte Läsion: Einbruch der Läsionsoberfläche. 1. Definition Präventiver Verschluss der kariesanfälligen Fissuren und Grübchen. ZIEL: Vorbeugung einer Kariesinitiation. Arretierung kariöser Frühstadien (= Kariesprogression wird verhindert). 2. Diagnostik Vor der Fissurenversiegelung soll eine sorgfältige diagnostische Untersuchung erfolgen: Visuelle Kontrolle der gereinigten und getrockneten Zahnflächen. Nicht kavitierte Läsionen: ergänzende diagnostische Verfahren anwenden (z. B. Röntgendiagnostik, lichtoptische Verfahren), um versteckte Dentinläsionen zu erkennen. Einschätzung der Kariesaktivität und des Kariesrisikos: Besondere Indikationsstellung bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko und bestehender Kariesaktivität. 3. Indikation 1. Kariesfreie Fissuren und Grübchen bei Patienten mit einem erhöhten Kariesrisiko. 2. Kariesfreie Fissuren und Grübchen mit einem anatomisch kariesanfälligen Fissurenrelief. 3. Fissuren und Grübchen mit nicht kavitierten kariösen Läsionen (ZIEL: Kariesarretierung). 4. Fissuren und Grübchen mit einem anatomisch kariesanfälligen Fissurenrelief an hypomineralisierten oder hypo­plastischen Zähnen. Fissuren und Grübchen bei Patienten mit Allgemeinerkrankungen bzw. körperlichen und / oder geistigen Behinder­ungen (effektive tägliche Mundhygiene nur begrenzt möglich). Partiell oder vollständig verloren gegangene Fissurenversiegelungen sollten bei unverändertem Kariesrisiko repariert oder erneuert werden. Bei erhöhtem Kariesrisiko kann eine Fissurenversiegelung an Milchmolaren oder anderen bleibenden Zähnen durchgeführt werden (dann keine BEMA-Leistung). 4. Kontraindikation Zahn ist noch nicht vollständig in die Mundhöhle durchgebrochen (keine adäquate Trockenlegung möglich). Zähne mit nachgewiesener Dentinkaries im Bereich der Fissuren: dann minimalinvasive Füllungstherapie. Milchzähne, deren Exfoliation unmittelbar bevorsteht. Allergie gegenüber den Versiegelungsmaterialien. 29 5. Materialauswahl Materialgruppen mit hoher Retentionsrate: niedrigvisköse methacrylatbasierte Versiegelungskunststoffe. Anwendung in Verbindung mit Säurekonditionierung. Verwendung von Lichtpolymerisaten als Einkomponenten-Materialien (VORTEIL: weniger techniksensitiv, kürzere Behandlungszeit). 6. Klinisches Vorgehen Fissurenreinigung mit rotierendem Bürstchen. Relative Trockenlegung Säurekonditionierung der aprismatischen Schmelzschicht. Verwendung von 35 – 37 %-ige Ortho-Phosphorsäure in Gelform, 30 sekündige Applikationszeit, gründliches Absprayen und forcierte Trocknung (kreidig-weiße Schmelzoberfläche = opakes Ätzmuster). ZIEL: mikroretentives Oberflächenrelief. Applikation des Versiegelungsmaterials: grazil im Fissurenrelief. Polymerisation, Okklusionskontrolle: Polymerisationzeit: 20 Sekunden. Politur: Entfernung der Sauerstoffinhibitionsschicht. Fluoridierung zur Remineralisation geätzter, aber nicht versiegelter Schmelzareale. Monitoring: Versiegelte und unversiegelte Fissuren und Grübchen sollen entsprechend der Kariesrisikoeinstufung regelmäßig kontrolliert werden. 30 KAPITEL 4 – PARODONTOLOGIE Kapitel 4 Parodontologie 4.1 Parodontaler Screening Index Parodont = Zahnhalteapparat Verankerungssystem, das den Zahn mit den ihn umgebenden Geweben verbindet. Bestandteile: Gingiva, Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen. PSI = Parodontaler Screening Index Dient dem Herausfinden einer parodontalen Behandlungsbedürftigkeit (vorläufige Diagnose). Wird im Rahmen der zahnärztlichen Routinekontrolle alle 2 Jahre durchgeführt. Unterteilung des Gebisses in Sextanten, pro Sextant wird der schlechteste Wert notiert. Gemessen wird an 6 Stellen pro Zahn an allen Zähnen. Einteilung Grad 0: keine Blutung, Sondierungstiefen < 3,5 mm Grad 1: Blutung, Sondierungstiefen < 3,5 mm Grad 2: Blutung, Sondierungstiefen < 3,5 mm, Reizfaktoren vorhanden (z. B. Zahnstein, abstehende Kronen- oder Füllungsränder etc.) Grad 3: Blutung, Sondierungstiefen > 3,5 mm, jedoch < 5,5 mm Grad 4: Blutung, Sondierungstiefen > 6 mm Konsequenz Grad 1 und 2: Hinweis auf eine bestehende Gingivitis. Verbesserung der Mundhygiene, Ausschaltung der lokalen Reizfaktoren, Aufnahme in Prophylaxeprogramm. Grad 3 und 4: Hinweis auf eine behandlungsbedürfige Parodontitis. Weiterführende eingehende Diagnostik notwendig mit anschließender systematische Parodontitistherapie. Kennzeichen einer Gingivitis Entzündungszeichen (Schwellung, Rötung, Blutung, erhöhte Fließrate Gingivaexsudat, erhöhte Temperatur im Sulkus), Halitosis, meist Plaque. 4.2 Systematische Parodontalbehandlung Allgemeine Anamnese Allgemeinerkrankungen mit Einfluss auf parodontale Erkrankungen: Diabetes mellitus Kadiovaskuläre Erkrankungen Genetische Erkrankungen Infektionserkrankungen Hormonelle Einflüsse Einnahme von Medikamenten Bestimmte Medikamente können zu entzündlichen oder nicht entzündlichen Gingivahyperplasien führen: Antikonvulsiva Kalziumantagonisten Immunsuppressiva Orale Kontrazeptiva Raucher Stress 31 Spezielle Anamnese Wie oft putzen Sie Ihre Zähne? Wie lange? Benutzen Sie zusätzliche Mundhygienehilfsmittel? Blutet ihr Zahnfleisch beim Zähneputzen, Benutzen von Mundhygienehilfsmitteln oder spontan? Ist ihr Zahnfleisch zurückgegangen? Beobachten Sie eine zunehmende Lockerung ihrer Zähne? Hat sich ihre Zahnstellung verändert und haben sich dabei Lücken gebildet? Haben Sie Schmerzen oder Beschwerden an den Zähnen? Haben Sie bei sich Mundgeruch festgestellt? Wurde bei Ihnen schon einmal eine Professionelle Zahnreinigung durchgeführt? Wurde bei Ihnen schon einmal eine Parodontalbehandlung durchgeführt? Wann? Wenn ja: Haben Sie schon einmal an einem Nachsorgeprogramm einer Parodontalbehandlung teilgenommen? Familienanamnese Haben ihre Eltern oder Geschwister Zähne frühzeitig durch Zahnlockerung verloren? In welchem Alter? Befund 1. Bleeding on Probing (= BoP) Dokumentation der Blutungspunkte 30 Sekunden nach Sondierung. Maß für die Entzündungsaktivität einer parodontalen Tasche am Taschenboden. 2. Attachmentstatus Attachment = Gesamtheit des Zahnhalteapparates = Parodonts (Gingiva, Wurzeloberfläche, Wurzelhaut (= Desmodont), Knochen). Sondierungstiefen: Distanz zwischen der marginalen Gingiva und dem Taschenboden. Rezessionen: Abstand zwischen der Schmelz-Zement-Grenze und der marginalen Gingiva. Sondierungstiefe und Rezession ergeben zusammen den klinischen Attachmentverlust. Messung an 6 Stellen pro Zahn (mb, b, db, mo, o, do). 3. Furkationsbeteiligung Grad 1: Furkation ist mit der Sonde in horizontaler Richtung bis 3 mm sondierbar. Grad 2: Furkation ist über 3 mm tief tastbar, aber noch nicht komplett duchgängig. Grad 3: Furkation ist durchgängig sondierbar. 4. Röntgenbefund Möglichkeiten: 1. OPG mit zusätzlichen Zahnfilmen. 2. Röntgenstatus mit Zahnfilmen in Paralleltechnik. Dient der Beurteilung: 1. Horizontaler Knochenabbau (Schmelz-Zement-Grenze bis Limbus alveolaris). 2. Vertikale Knocheneinbrüche (Schmelz-Zement-Grenze bis Boden intraalveolärer Defekt). 3. Einwandiger oder mehrwandiger Knochendefekt. 4. Interradikulärer Knochenabbau (Indikator für Furkationsbefall Grad 2 – 3). 5. Zahnlockerung Grad 1: Zahnkrone bis 1 mm auslenkbar. Grad 2: Zahnkrone über 1 mm auslenkbar. Grad 3: Zahn ist auf Lippen- oder Zungendruck beweglich. 32 KAPITEL 4 – PARODONTOLOGIE 6. Sulkusflüssigkeitsfließrate Menge an Sulkusflüssigkeit innerhalb einer Zeiteinheit wird mit einem Filterpapierstreifen bestimmt und mit einem Messgerät ausgewertet. Menge der Flüssigkeit nimmt mit dem Schweregrad der parodontalen Entzündung zu. 7. Mikrobiologische Analyse der subgingivalen Bakterienbesiedlung Mit sterilen Papierspitzen werden Proben der subgingivalen Plaque entnommen und analysiert. Diagnose Seit 2018 gibt es eine neue Klassifikation der Parodontalen und peri-implantären Erkrankungen. 4.3 Antiinfektiöse Therapie Initialphase Patientenaufklärung Bedeutung der Mundhygiene zur Beseitigung des Biofilms als entscheidende Voraussetzung. Mundhygienedemonstrationen: Bestimmung optimaler Putztechnik. Auswahl geeigneter Hilfsmittel zur Interdentalpflege. Langfristiger Erfolg hängt stark von der Mitarbeit des Patienten ab. „Parodontitis ist eine chronische Erkrankung, bei der dauerhaft Nachsorge betrieben werden muss. Die Eck­ pfeiler sind: konsequente häusliche Mundhygiene, regelmäßige Kontrolluntersuchungen und regelmäßige Durchführung eine Professionellen Zahnreinigung. Motivation und Instruktion Mehrere (meist 3) aufeinander folgende Sitzungen im Abstand von 2 – 4 Wochen. Pat. wird wiederholt instruiert und motiviert. Aufnahme der Plaque- und Gingivaindex. Plaqueindex: quantitative Beurteilung der Plaqueanlagerungen. Gingivaindex: beurteilt den Entzündungsgrad der marginalen Gingiva als Reaktion auf die bakterielle Plaque. Erfolg wird kontrolliert und dokumentiert. Reduktion von irritierenden Faktoren Raucherentwöhnungsprogramm Entfernung insuffizienter Füllungen, kariöser Läsionen und Restaurationsüberhängen. ZIEL: Verbesserung der Mundhygienefähigkeit, Eliminierung potentieller Keimreservoirs. Evtl. Schienung gelockerter Zähne. Extraktion nicht erhaltungswürdiger Zähne. Supragingivales Debridement PZR: alle harten und weichen supragingival gelegenen Beläge werden entfernt. ZIEL: Zahnoberflächen werden geglättet, dadurch kann sich neuer Biofilm nicht so schnell wieder anheften. Aufnahme des Parodontalstatus (endgültige Diagnose). Dieser ist notwendig für die Beantragung des subgingivalen Debridements bei der GKV. Subgingivales Debridement = Geschlossene Kürettage Subgingivale Instrumentierung aller pathologisch vertieften Taschen (> 4 mm mit Blutung auf Sondierung). Mineralisierter und nicht mineralisierter Biofilm wird von der Wurzeloberfläche entfernt. Hand-, Schall-, piezoelektrische- oder magnetorestriktive Ultraschallinstrumente. 33 Reevaluation = erneute Bewertung von Befunden oder einer Situation im Verlauf einer Erkrankung. Nach 4 – 12 Wochen erneute Messung des Attachmentstatus. Parodontologische Ausheilung erfolgt histologisch hauptsächlich reparativ: Ausbildung eines langen Saumepithels. UPT = unterstützende Parodontitistherapie = Recall Parameter für die Abschätzung des individuellen Rezidivrisikos Einschätzung des individuellen Parodontitisrisikos: niedriges-, mittleres-, hohes Parodontitisrisiko. Danach richtet sich der Abstand der UPT Intervalle (12, 6, oder 3 Monate). Risiko wird regelmäßig reevaluiert und Intervalle der UPT bei Bedarf angepasst. Beurteilung nach bereits durchgeführter nicht-chirurgischer Parodontaltherapie 1. Stellen, die auf Sondierung bluten, in Prozent (BoP-Wert in Prozent). 2. Sondierungswerte: Prozentsatz der Stellen mit Resttaschen von mehr als 4 mm. 3. Anzahl der bereits verlorenen Zähne. 4. Verlust von Attachment im Verhältnis zum Patientenalter. 5. Systemische Faktoren (Diabetes) oder genetische Faktoren (IL-1-Polymorphismus). 6. Rauchen 7. Mundhygienestatus, Compliance Anzeichen für Rekurrenz der Parodontitis Ansteigen des Bleeding-on-Probing Wertes. Vergrößerung der Sondierungstiefen. Röntgenologischer Knochenabbau. Zunahme der Zahnmobilität. Ablauf einer Sitzung der UPT Aktualisierung der Anamnese (Risikofaktoren?). Extra- und intraorale Untersuchung. Regelmäßige Aufnahme des Blutungs- und Gingivaindex. Erneute Aufnahme des Attachmentstatus (= Messung der Taschentiefen). Evtl. röntgenologische Untersuchung (Beurteilung vertikaler Defekte, bei Verdacht auf Paro-Endo-Läsionen). Einschätzung der Parodontitis-Progression und Mundhygiene. Einschätzung eines erhöhten Kariesrisikos durch freiliegende Wurzeloberflächen. Erneute Mundhygiene-Instruktion (Anpassung der Interdentalpflegemittel) und Remotivation. PZR Festlegen eines neuen Termins. Weitere Therapie bei erhöhten Messwerten der Taschentiefe 4 mm mit Blutung, > 4 mm ohne Blutung: Sub- und supragingivales Debridement der pathologischen Taschen. > 5 mm mit Blutung auf Sondierung: Reinstrumentierung Gegebenenfalls adjuvante Antibiotikatherapie Gegebenenfalls PA-chirurgisch korrektive Therapie. 34 KAPITEL 4 – PARODONTOLOGIE Zusammenfassung: Möglicher Ablauf der antiinfektiösen Therapie 1. Sitzung Plaqueindex, BoP, Aufklärung, supragingivales Debridement, Reduktion irritierender Faktoren 2. Sitzung Remotivation, supragingivales Debridement, ggf. Extraktion 3. Sitzung Parodontalstatus, Remotivation, supragingivales Debridement 4. Sitzung Subgingivales Debridement Reevaluation Parodontalstatus, Remotivation, supragingivales Debridement Adjuvante Antibiotikatherapie Antibiotika werden als Unterstützungstherapie eingesetzt. Lokale oder systemische Verabreichung Antibiotika können aufgrund der Biofilm-Struktur nur eingeschränkt in die Plaque penetrieren: subgingivaler Biofilm muss entfernt sein: Beginn der Antibiose direkt nach Abschluss des supra- und subgingivalen Debridements. Auswahl des geeigneten Antibiotikums durch mikrobiologische Analyse. Indikation: 1. Aggressive Parodontitis 2. Schwere generalisierte chronische Parodontitis 3. Parodontitiden, die trotz vorangegangener Therapie progrediente Attachmentverluste aufweisen. 4. Parodontalabszeß mit Tendenz zur Ausbreitung in die benachbarten Logen 5. Nekrotisierende ulzerierende Gingivitis oder Parodontitis mit ausgeprägter Allgemeinsymtomatik. 6. Mittelschwere bis schwere Parodontitis bei systemischen Erkrankungen oder Zuständen, die die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen. Mögliche AB Kombination: Metronidazol 400 mg und Amoxicillin 500 mg 3 x täglich 7 Tage ODER: Metronidazol 500 mg und Ciprofloxacin 250 mg 2 x täglich 7 Tage. 4.4 Korrektive Therapie Parodontalchirurgische Techniken 1. Resektive Parodontalchirurgie Gingivektomie, Gingivoplastik, Lappenoperationen, Resektive Furkationstherapie. 2. Regenerative Parodontalchirurgie Guided Tissue Regeneration (GTR), regenerative Furkationsbehandlung mit GTR. 3. Mukogingivale Parodontalchirurgie Rezessionsdeckung, Frenektomie. 4.5 Ätiologie der Parodontopathien Die Mundhöhle stellt ein komplexes Biotop dar, wobei die Schleimhautauskleidung der Mundhöhle durch die Zähne un- terbrochen ist und somit eine Angriffsfläche für Bakterien geschaffen wird. Zähne bieten ökologische Nischen (Prädilekti- onsstellen) durch z. B. Fehlstellungen, überstehende Füllungs- und Kronenränder, kariöse Defekte und KFO-Geräte. Trotz selbstreinigender Mechanismen im Mund (wie Speichelfluss, Epitheldesquamation, Selbstreinigung während der Kaufunk- tion) können sich – bevorzugt an den genannten Stellen – Beläge (Plaque) bilden. Parodontopathogene Keime werden neben der genetischen Disposition als grundlegender Faktor für die Entstehung von Parodontitiden angesehen. 35 Die Pellikel (= aquired pellicle, Schmelzoberhäutchen) ist ein initialer oraler Biofilm aus Proteinen des Speichels, der sich innerhalb von Minuten auf gereinigte Zahnflächen auflegt. Die Pellikel hat eine Schutzfunktion gegenüber Erosionen, Zahn- halsüberempfindlichkeit und eine Steuerungsfunktion bei der Mineralisation. Die bakterielle Besiedlung der Pellikel führt zu Plaque. In Einzelschritten erfolgt zuerst eine Adhäsion von Mikroorganismen in einem hoch komplexen Biofilm. Das Wachstum der Mikroorganismen erfolgt durch Teilung, Kohäsion und Adhäsion und endet in der Bildung von Kolonien. Extrazelluläre Strukturen wie Kapselpolysaccharide oder eine Glykokalix werden von den Mikroorganismen gebildet, die diese dann als Matrix umgeben. Die Plaque ist ein fest anhaftender, strukturierter Zahnbelag, der aus Mikroorganismen besteht, die in eine Protein- und Polysaccharidmatrix eingebettet sind. Plaque kann mit geeigneten Färbemitteln (sog. Revelatoren) sichtbar gemacht werden. Der Zahnstein ist eine mineralisierte bakterielle Plaque, die von weicher Plaque bedeckt ist. Man unterscheidet supra- und subgingivalen Zahnstein. Supragingivaler Zahnstein lässt sich vor allem an Prädilektionsstellen lokalisieren, wie an den Lingualflächen der UK-Frontzähne oder der Bukkalflächen der OK-Molaren. Subgingivaler Zahnstein (= Konkrement) hingegen ist in parodontalen Taschen lokalisiert. Die Gingivitis ist eine akute oder chronische, meist plaquebedingte Entzündung der Gingiva. Hauptursachen der Gingi­ vitiden sind Mikroorganismen der dentalen Plaque und ihre Stoffwechselprodukte. Die Parodontitis ist eine entzündliche, durch Plaque verursachte Erkrankung aller Teile des Zahnhalteapparates mit fort- schreitendem Verlust des Stützgewebes (Attachmentverlust), einhergehend mit einem Abbau des Kochens und somit auch Zahnlockerung oder Zahnverlust. Eine Parodontitis entsteht immer auf Basis einer bereits vorhandenen Gingivitis. Sie wird ausgelöst durch bestimmte Bakterienarten und derer Stoffwechselprodukte und den damit einhergehenden Abwehr­ mechanismen des Immunsystems. 36 KAPITEL 4 – FÜLLUNGSTHERAPIE, BLEACHING Kapitel 5 Füllungstherapie, Bleaching 5.1 Kariesentstehung Karies Zerstörung von Zahnhartsubstanzen durch organische Säuren, die von Bakterien der Plaque aus der Nahrung gebildet werden. Normalerweise befinden sich die Vorgänge Demineralisation und Remineralisation im Gleichgewicht. Kariöse Läsionen entstehen, wenn die Demineralisation durch organische Säuren überwiegt. Kariesprädilektionsstellen sind Approximalkontakte, Fissuren oder Grübchen. Die Entstehung der Karies ist von mehreren zusammenhängenden Faktoren abhängig: Primäre Faktoren der Kariesentstehung 1. Mikroorganismen (v. a. Streptococcus mutans, Laktobazillen). 2. Substrat (v. a. niedermolekulare Kohlenhydrate). 3. Zeit „Die Bakterien wandeln mit der Zeit Nahrungsreste/Zucker in Säure um. Die Säure greift die Zahnoberfläche an und dadurch entsteht ein Loch im Zahn.“ Sekundäre Faktoren der Kariesentstehung 1. Speichel Aufgaben: Spülfunktion (Nahrungsreste vom Zahn spülen, Verdünnung von Säuren). Pufferung von Säuren (pH = 6,5 – 6,9; Pufferkapazität = Fähigkeit, Säuren zu neutralisieren). Remineralisation (Speichel ist eine kalzium-, phosphat- und fluoridhaltige Lösung). Einfluss auf Nahrungsaufnahme und Verdauung (Gleitfähigmachen und Andauung von Nahrung, antibakterielle Wirkung). 2. Zahnform (z. B. tiefe Fissuren), Zahnstellung (z. B. engstehende, verschachtelte Zähne, nicht vollständig durchgebrochene Zähne), Zahnstruktur (z. B. durch Schädigung in der Zahnentwicklung). 3. Individuelle Besonderheiten: Kariogene Ernährung, Frequenz der Nahrungsaufnahme, säurehaltige Getränke. Mundhygienegewohnheiten (z. B. auch hohes Alter, Apoplex, Demenz, Paresen). Krankheitsbedingte Ursachen (Beeinträchtigung der Speichelproduktion durch z. B. Diabetes oder speichel­ hemmende Medikamente). Klassifikation der Karies Einteilung in Stadien Initialkaries = Karies im Frühstadium (Opake Flecken, White Spots, intakte Schmelzoberfläche). Caries superficialis oder -media = Schmelz- oder Dentinkaries. Caries profunda = tiefe Karies (Karies bis in das pulpanahe Dentin). Sekundärkaries = Randkaries (erneute Kariesbildung am Rand einer restaurativen Versorgung: Randspalt). Rezidivkaries: Erneutes Ausbrechen einer zeitweise ruhenden Karies als Folge einer mangelhaften Entfernung der Kari- es bei der Erstbehandlung. Einteilung nach der Karieslokalisation Fissurenkaries = Karies in Fissuren und Grübchen Glattflächenkaries Approximalkaries (Karies an den Kontaktflächen benachbarter Zähne) Zahnhalskaries Wurzelkaries 37 Einteilung nach der Kariesaktivität Arretierte Karies = inaktive Karies, ruhende Kariesläsion. Aktive Karies = Progrediente Karies, schnell fortschreitende Karies. Kavitätenklassen Klasse 1: Grübchen und Fissuren in der Kaufläche (Prämolaren und Molaren okklusal). Klasse 2: Berührungsflächen Prämolaren und Molaren (approximal und okklusal). Klasse 3: Berührungsflächen Schneide- und Eckzähne (Schneidekante nicht beteiligt). Klasse 4: Wie Klasse 3, aber mit Beteiligung der Schneidekante. Klasse 5: Zahnhalsfläche Klasse 6: Defekte an Inzisalkante / Höckerspitzen. 5.2 Füllungsmaterialien Auswahlkriterien Individuelle Gebißsituation (z. B. Kavitätenklasse, Defektgröße, Versorgung der Nachbarzähne / Antagonisten, wurzelbehandelte Zähne, Bruxismus). Biokompatibilität Ästhetische Ansprüche Zeit- und Kostenaufwand Haltbarkeit Allgemeine Anamnese Leiden Sie an einer Niereninsuffizienz? Sind Sie schwanger / stillen Sie? Leiden Sie an Allergien? Knirschen Sie mit den Zähnen? Spezielle Anamnese Legen Sie Wert auf eine zahnfarbene Füllung? Legen Sie Wert auf eine lange Lebensdauer der Füllung? Ist Ihnen die Biokompatibilität („Verträglichkeit zwischen einem Gewebe und einem Werkstoff“) besonders wichtig? Komposite Bestandteile Organische Matrix , anorganische Füllstoffe und Verbundphase. Regelversorgung bei Klasse 3, 4 und 5 Kavitäten, die von der GKV bezahlt wird. Indikation Klasse 1 und 2 Kavitäten einschließlich Ersatz (ein oder mehrere Höcker). Klasse 3, 4 und 5 Kavitäten. Versorgung wurzelkanalbehandelter Zähne (ein- oder zweiflächige Defekte). Aufbaufüllungen vor Kronenversorgung. Ästhetische Zahnumformungen (z. B. Zapfenzahn). Klasse 6 Kavitäten. Kontraindikation Bei fehlender Möglichkeit adäquater Trockenlegung = Kontaminationskontrolle (z. B. Blut, Speichel). Bei Patienten mit Unverträglichkeiten gegenüber Inhaltsstoffen von Kompositen oder Adhäsiven. 38 KAPITEL 5 – FÜLLUNGSTHERAPIE, BLEACHING Vorteile Weites Anwendungsspektrum (deckt weitgehend den Indikationsbereich von Inlays ab). Minimalinvasive Vorgehensweise: Zahnhartsubstanzschonung (keine spezielle Präparationsform notwendig). Reparaturfähigkeit Hohe Lebensdauer Hohe Ästhetik Nachteile Verarbeitung ist technik- und zeitintensiv (Mehrschicht- und Adhäsivtechnik). Im Seitenzahnbereich ist Mehrkostenvereinbarung notwendig (im Frontzahnbereich werden die Kosten von der GKV übernommen). Absolute Trockenlegung notwendig. Eventuell schwierige Entfernung. Schichttechnik Einbringen des Komposits erfolgt in einzelnen Schichten, die lichtpolymerisiert werden müssen. ZIEL: Schrumpfungsstress des Materials und die daraus entstehenden Spannungen im Zahn sollen so gering wie möglich gehalten werden. Adhäsive Befestigung Adhäsion: Haftung zweier Substanzen, die in engem Kontakt zueinander stehen. 1. Haftung am Schmelz Schmelzstruktur: Durch seine glatte Oberfläche bietet der Schmelz wenig Angriffspunkte zur mikromechanischen Verankerung. Schmelz-Ätz-Technik: Schmelzoberfläche wird angeraut, es kommt zu einer Oberflächenvergrößerung (37 %-ige Phosphorsäure). Entstehung eines sogenannten Ätzmusters. ZIEL: Schafft die Voraussetzung für eine mikromechanische Retention des niedrig-viskösen, ungefüllten Adhäsivs. 2. Haftung am Dentin Smear Layer: Nach einer mechanischen Bearbeitung ist die Dentinoberfläche mit Smear Layer bedeckt: Eine mit Mikroorganismen infizierte Schmierschicht. Dentinkonditionierung ZIEL: Entfernung der Smear Layer. Freilegung der Dentintubuli und des Kollagennetzwerkes. Amalgam Material Legierung des Quecksilbers mit anderen Metallen (Silber, Kupfer, Indium, Zinn und Zink). Regelversorgung bei Klasse 1 und 2 Kavitäten, die von der GKV bezahlt wird. Vorteile Gute mechanische Eigenschaften, dadurch starke Belastbarkeit. Lange Haltbarkeit Kostengünstig Einfache Verarbeitung 39 Bakteriostatische Wirkung Mit natürlicher Zahnsubstanz vergleichbares Abriebverhalten. Nachteile Quecksilberbelastung Unzureichende Ästhetik Erhöhter Substanzverlust durch Präparation für Retention. Elektrochemische Probleme (keine Amalgamfüllung im direkten Kontakt zu Goldgussfüllungen). Wärmeleitung Amalgamtätowierungen (schwärzliche Verfärbungen der Gingiva). Kontraindikation Schwangerschaft und Stillzeit. Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Nierenfunktionsstörungen Amalgamallergie Bereits vorhandene Füllungen sollen nicht entfernt und ersetzt werden. Bei Schwangeren, stillenden Frauen und Kindern unter 15 Jahren darf Amalgam nicht mehr als Füllungsmaterial ver- wendet werden. Als Alternative wird die Versorgung mit Kompositfüllungen im Seitenzahnbereich abrechnungsfähig. „Amalgamdiskussion“ Amalgam ist das meist untersuchte Arzneimittel in Deutschland. Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass Amalgam negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten hat: Viele unspezifische Symptome (Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, allgemeine Disposition) sind KEINE Nebenwirkungen des Amalgams. Aufgenommene Quecksilbermenge liegt durchschnittlich etwa in der gleichen Größenordnung wie die Quecksil- berbelastung durch die Nahrung und ist toxikologisch unbedenklich. Nachgewiesene Amalgamallergie ist sehr selten: unmittelbar nach Legen der Füllung tritt Urtikaria auf. Bei Verdacht auf Amalgamallergie Überweisung zum Hausarzt, Durchführung eines Epikutantests. Nur bei nachgewiesener Amalgamallergie übernimmt die GKV die Kosten für Kompositfüllung. Quecksilberbelastung ist mit und ohne „Amalgam-Ausleitung“ (Entgiftung mit Chelatbildnern, z. B. EDTA) gleich. GIZ = Glasionomerzemente Indikation: Semipermanente Restauration (kurz- bis mittelfristige Versorgung) = provisorische Füllung. Aufbaufüllungen Befestigungszement Vorteile: Einfache und schnelle Verarbeitung. Fluoridabgabe an den Zahn. Chemische Haftung an Schmelz- und Dentin. Nachteile: Geringe Biegefestigkeit. Stark eingeschränkte mechanische Stabilität. 40 KAPITEL 5 – FÜLLUNGSTHERAPIE, BLEACHING Kompomere Zahnfarbener Füllungswerkstoff , Kombination aus Glasionomerzement und Komposit. Verwendung eines Einkomponenten-Dentinadhäsivs erforderlich (= selbstätzend). Materialeigenschaften liegen zwischen den GIZ- und Kompositefüllungen. Indikation Als definitive Füllung nur für Klasse 5 Kavitäten (nicht okklusionstragende Füllungen). Längerfristige provisorische Versorgung kleinerer Kavitäten im Seitenzahnbereich. Milchgebiss Kontraindikation Endgültige Füllung für Klasse 1 und 2 Kavitäten. Allergien gegen Bestandteile von Kompositen und Adhäsiven. Vorteile Ansprechende Ästhetik. Einfache Verarbeitung. Fluoridabgabe an den Zahn. Keine Säure-Ätz-Technik erforderlich. Keramik-Inlay = Einlagefüllung, die im Labor angefertigt wird. Restauration zur Stabilisierung der Restzahnsubstanz (Höckerstabilisierung) durch adhäsive Befestigung. Kein Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung. Indikation Schmelzbegrenzte, mittelgroße bis große Kavitäten (auch mit Höckerersatz). Postendodontische Restaurationen. Kein Kontaktpunkt mit plastischer Füllung möglich. Kontraindikation Kleine Defekte (hier Indikation für minimalinvasives Vorgehen). Tiefe subgingivale Kavitäten (keine Trockenlegung möglich). Starker Bruxismus. Unverträglichkeiten gegenüber den Befestigungskomponenten. Vorteile Perfekte Ästhetik. Geringe Neigung zur Plaqueanlagerung. Hohe Biokompatibilität. Hohe Lebensdauer. Nachteile Hohe Kosten Größerer Zeitaufwand: zwei Behandlungssitzungen notwendig. erhöhter Substanzverlust durch Präparation. 41 Gold-Inlay = Einlagefüllung, die im Labor angefertigt wird. Gussfüllung, die die Kaufläche des Zahnes nicht vollständig bedeckt. Kein Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung. Indikation: Mittelgroße Klasse 1 und 2 Kavitäten. Kein Kontaktpunkt mit plastischer Füllung möglich. Allergien gegen Bestandteile von plastischen Füllungsmaterialien (Komposit, Amalgam). Kontraindikation: Kleine Defekte. Zerstörungsgrad, der adäquate Retention nicht zulässt. Kurze klinische Krone ohne ausreichende Verankerungsmöglichkeit approximal. Vorteile: Gleiche Abriebfestigkeit wie Zahnschmelz. Biologisch sehr gut verträglich. Hervorragende Haltbarkeit. Nachteile: Hohe Kosten. Ästhetik (nicht zahnfarbend). 5.3 Bleaching Zahnaufhellung = Bleichen = Bleaching Ursachen Zahnverfärbungen Im Rahmen der Therapieplanung muss die Ursache für die Verfärbung geklärt werden. Externe Verfärbungen / extrinsisch Auflagerung von Farbpigmenten auf der Zahnoberfläche. Kaffee, Tee, Tabak, Rotwein. Eisen- oder nitrathaltige Medikamente. Chlorhexidin-Digluconat (CHX)  Keine Bleichtherapie, sondern professionelle Zahnreinigung. Interne Verfärbung / intrinsisch Farbveränderungen der Zahnhartgewebe, verursacht durch verfärbende Substanzen, die den Zahn durchdringen Präeruptiv Medikamente (Tetrazykline 3. Monat – 6. Lebensjahr) Zahntrauma Metabolismus (Fluorose) Hepatitis (Bilirubin) Amelogenesis / Dentinogenesis imperfecta 42 KAPITEL 5 – FÜLLUNGSTHERAPIE, BLEACHING Posteruptiv Intrapulpale Blutung (Traumata) Pulpanekrose Verbliebenes Pulpagewebe nach einer Wurzelkanalbehandlung. Medikamentöse Einlage, Wurzelfüllmaterial. Alterungsprozess (gelbliche Verfärbung durch Dentinsklerosierung, Sekundärdentin). Freie Metallionen von restaurativen Materialien (Amalgam, Silberstifte)  nicht bleichbar!!! Indikationen Ablagerungen durch Nahrungsmittel, Getränke und Tabak mit Penetration in die Zahnsubstanz. Altersbedingte degenerative Veränderungen: Die natürliche Zahnfarbe wird durch die Pigmentierung bzw. Opazität des Dentins bestimmt und verändert sich im Laufe des Lebens. Tetrazyclinverfärbungen ersten und zweiten Grades. Fluorose, vor allem braune Pigmentierung. Pulpennekrose und / oder endodontische Behandlung. Maskieren von Schmelzflecken. Genetisch bedingte dunkle Zähne. Kontraindikationen Schwangerschaft / Stillzeit Allergien gegenüber Inhaltsstoffen des Bleichmittels. Kinder / Jugendliche (ausgedehntes Pulpencavum) Hypersensibilitäten (Freiliegende Zahnhälse) (Sehr tiefe Schmelzrisse) Insuffiziente Füllungen, offene kariöse Läsionen. Unbehandelte parodontale Veränderungen. Hochgradige Struktur-und Farbveränderungen (Dysplasien, starke Fluorosen). Allgemeine Anamnese Haben Sie eine Lebererkrankung? (Bilirubineinlagerung) Nehmen Sie Medikamente? (Eisen- oder Nitrathaltige Medikamente) Leiden Sie an Allergien? Spezielle Anamnese Trinken Sie regelmäßig Kaffee, schwarzen Tee oder Rotwein? Rauchen Sie? Wie viele Zigaretten pro Tag? Wie häufig putzen Sie die Zähne? Benutzen Sie besondere Zahnpasta, die zur Zahnaufhellung beitragen soll? Benutzen Sie Mundspüllösungen? Reagieren Ihre Zähne empfindlich auf Kälte? Wurde schon einmal eine Bleichtherapie durchgeführt? Wurde bei Ihnen schon einmal eine PZR durchgeführt? Internes Bleaching: Haben Sie Beschwerden an dem betroffenen Zahn? Wurde eine Röntgenaufnahme gemacht? 43 Befund Ursache der Verfärbung Kariesdiagnostik Kontrolle bestehender Restaurationen  insuffiziente Füllungen / Kronen? Kontrolle der Zahnhartsubstanz  Erosionen, Abrasionen, freiliegende Zahnhälse, Schmelzrisse? Eventuell Röntgenaufnahme. Patientenaufklärung Wichtige Info für Patient: Vorhandene Restaurationen lassen sich nicht bleichen! 1. Dauer der Aufhellungsbehandlung, verschiedene Methoden, s. u. 2. Ablauf 3. Gewährleistung  Keine Garantie für den Aufhellungserfolg! In seltenen Fällen kommt es trotz eindeutiger Indikation und korrekter Behandlung zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen. 4. Ergebnisdauer Von Fall zu Fall verschieden Aufhellungsergebnis nicht dauerhaft stabil!  Externes Bleaching: Eingeschränkte Wirkdauer von zirka zwei Jahren.  Rezidive häufig beim internen Bleichen (Farbstabilität oft nicht länger als 6 Monate!) Von häuslicher Mundhygiene und von Ernährungsgewohnheiten abhängig. 5. Nebenwirkungen / Risiken Schleimhautirritationen Reversible Pulpitis Hypersensibilität bei vitalen Zähnen (vorrübergehend) Externe Wurzelresorption bei avitalen Zähnen (internes Bleaching) Erhöhung der Oberflächenrauhigkeit bei Kompositrestaurationen ( Politur nach Bleaching) Eventuell Austausch bestehender Restaurationen zur Farbanpassung nach Bleichtherapie erforderlich. 6. Alternativen Veneers  jedoch Abschleifen der Zähne 7. Vorbehandlung PZR, eventuell Füllungstherapie 8. Kosten Die Zahnaufhellung gilt nicht als zahnmedizinisch notwendige Heilbehandlung! Sie wird hauptsächlich aus ästhetischen / kosmetischen Gründen durchgeführt.  Gesetzliche und private Krankenversicherungen übernehmen die Kosten nicht!  Verlangensleistung = Wunschleistung (§ 2 Abs. 3 GOZ)  Heil- und Kostenplan vor Beginn der Behandlung erforderlich! 9. Kann delegiert werden an Zahnmedizinische Fachangestellte (ZMF), Dentalhygienikerin (DH). Patient fragt: „Ist Bleichen schädlich für die Zähne?“ Zahnarzt: „Eine Veränderung der Zahnhartsubstanz oder eine Abnahme der Schmelzhärte konnte nicht nachgewiesen werden!“ 44 KAPITEL 5 – FÜLLUNGSTHERAPIE, BLEACHING Bleichverfahren 1. Internes Bleichen = Walking-Bleach-Technik Voraussetzung: suffiziente, erfolgreiche endodontische Versorgung. WF 2 mm unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze kürzen (Kontrolle mit PA-Sonde). Natriumperborat mit Wasser angemischt für 5 – 7 Tage in Pulpenkavum. 2. Chair-side bleaching Wasserstoffperoxid 30 – 35 % wird für 30 Minuten auf Zahnoberfläche aufgetragen. Gingiva durch Kofferdam geschützt. Vorgehen kann mehrfach wiederholt werden, bis Bleichergebnis erreicht ist. 3. Home bleaching Gängigste Methode. Laborgefertigte Schiene für zuhause und Carbamidperoxid-Gel 10 – 15 %. Patienteninstruktion in der Praxis. Schiene wird ca. 7 – 10 Tage in der Nacht getragen, (Bleichwirkung nach fünf Stunden zu Ende). Kontrolle nach 3 – 4 Tagen in der Praxis. Vorgang wird wiederholt, bis das gewünschte Aufhellungsergebnis erreicht ist. WICHTIG  Farbstabilität erst zwei bis drei Wochen nach Bleichen erreicht!  Neuversorgung mit Kompositrestaurationen erst zwei bis drei Wochen nach Bleichtherapie. Folgende Leistungen gehören nach Universitätsstandard zur Bleichtherapie 1. Anamnese 2. Befundaufnahme 3. Beratungsgespräch 4. Zahnreinigung (PZR) 5. Erneuerung insuffizienter Füllungen, Versorgung kariöser Läsionen, Versiegeln freiliegender Zahnhälse 6. Farbbestimmung, Fotodokumentation (Ausgangssituation) 7. Abdruck OK / UK für Bleichschiene 8. Bleachingtherapie / Instruktion des Patienten. 9. Nachkontrolle  etwa 14 Tage nach Aufhellung (Zähne hellen nach)  Fotodokumentation  Fluoridierung 45 Kapitel 6 Endodontologie Endodontologie (ENDO) = Endodontie Wurzelkanalbehandlung = „Entfernung des Zahnmarks“, „Nerv ziehen“. Nerv oder Zahnmark wird entfernt. Patient sagt: „toter Zahn“, „Zahn ist tot“. Endodont: Zahnpulpa mit den umgebenden Geweben (Dentin; periapikales / laterales Parodont). Präventive Endodontie: z. B. Kariesprävention, Pulpa-Dentin Schutz. Konservative Endodontie: Aufbereitung, Desinfektion, Wurzelfüllung. Chirurgische Endodontie: z. B. Wurzelspitzenresektion, Hemisektion / Wurzelamputation. Postendodontische Versorgung: Höckerstabilisierung (adhäsive Aufbauten), internes Bleaching, Restauration. „Durch eine Karies können Bakterien in das Zahnmark gelangen. Dadurch kann es zu einer Entzündung des Nerven kommen.“ ZIEL der Endodontie: Vermeidung einer apikalen Parodontitis. 6.1 Erkrankungen der Pulpa Verlauf der Pulpitis Reversible Pulpitis: lokale Entzündungsreaktion der Pulpa auf bakterielle Toxine (Hyperämie, Bildung von Tertiärdentin=Reizdentin), Pulpa ist vital. Pulpitis serosa: Entzündungsreiz hält an, Schwellung der Pulpa: wässrige Pulpaentzündung, Zahn ist vital, irreversibel. Pulpitis purulenta: Vereiterung der Pulpa, Zahn ist wärmeempfindlich, irreversibel. Puplpanekrose: Absterben des Pulpagewebes (partiell / total), Zahn ist ab hier devital. Pulpagangrän: Bakterien zersetzen das nekrotische Pulpagewebe (Geruchsbildung). Apikale Parodontitis: Bakterien gelangen über das Foramen apicale in das umliegende Parodont. CHRONISCHER VERLAUF (asymptomatisch) Apikale Ostitis: Entzündung breitet sich auf den Knochen aus. Apikales Granulom: Umbildung des Gewebes: Granulationsgewebe mit bindegewebiger Kapsel (Erreger und Abwehr im Gleichgewicht). Radikuläre Zyste: flüssigkeitsgefüllter Hohlraum, der von Kapsel (Zystenbalg) umgeben ist. ODER AKUTER VERLAUF (symptomatisch) Abszess: Pusbildung = mit Eiter gefüllter Hohlraum. Maßnahmen zur Vitalerhaltung der Pulpa Überkappung = Abdecken der vitalen Pulpa mit einem Medikament. 1. Indirekte Überkappung = cp-Behandlung Caries profunda (tief liegende, pulpanahe Karies, dünne Dentinschicht über der Pulpa vorhanden). Z. B. nach Kronenfraktur, Entfernung einer Caries profunda, Präparation. 46 KAPITEL 6 – ENDODONTOLOGIE 2. Direkte Überkappung = p-Behandlung Eröffnete / freiliegende Pulpa. Z. B. nach Kronenfraktur, Entfernung einer Caries profunda, Präparation. Medikamente: cp/p-Behandlung: ZIEL: Schutz der Pulpa vor dem Eindringen bakterieller Toxine, Vitalerhaltung der Pulpa. Anforderungen: Sollen Zellen zur Hartgewebsbildung anregen. Antibakterielle Wirkung. Nicht zytotoxisch. 1. Calciumhydroxid-Suspension: Standardmedikament, z. B. Calxyl ®. 2. Calciumsilikat-Zemente: z. B. MTA ® (Mineral Trioxide Aggregate).

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