Philosophie- und Ethikbegriff (PDF)
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This document provides an overview of philosophy and ethics, particularly focusing on applied ethics and its various methodologies. The text highlights the historical context of the field and the ongoing relevance of ethical discussions in contemporary society.
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Kapitel 1: Philosophie- und Ethikbegriff sowie Methodiken der angewandten Ethik =============================================================================== Die philosophische Ethik ist eine vielschichtige Disziplin mit einer langen Theoriegeschichte, die im westlichen Kulturkreis auf Aristotele...
Kapitel 1: Philosophie- und Ethikbegriff sowie Methodiken der angewandten Ethik =============================================================================== Die philosophische Ethik ist eine vielschichtige Disziplin mit einer langen Theoriegeschichte, die im westlichen Kulturkreis auf Aristoteles und das vierte vorchristliche Jahrhundert zurückgeht. Eine genaue Definition der [[Philosophie (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie) als Wissenschaft kann hier nicht erörtert werden, da die Frage nach der Definition von \"Philosophie\" selbst eine philosophische Frage ohne allgemeingültige Antwort ist. Die Wissenschaftstheorie als eigenständige Teildisziplin der Philosophie befasst sich seit dem 19. Jahrhundert mit dem Status von Naturgesetzen oder dem Realitätsbegriff mathematischer Theorien. Die Etymologie der Philosophie gibt uns eine Annäherung an ihren Gegenstand und ihre Arbeitsweise, indem sie den Philosophen als einen \"Freund\" oder Liebhaber der Weisheit oder wissenschaftlichen Erkenntnis beschreibt. Die grobe Unterscheidung zwischen praktischer und theoretischer Philosophie hat sich etabliert, wobei die theoretische Philosophie Wissen als Selbstzweck ansieht und die praktische Philosophie bzw. die Ethik mit praktischen Problemen konfrontiert ist. Der deutsche Philosoph [[Otfried Höffe (https://de.wikipedia.org/wiki/Otfried\_H%C3%B6ffe)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Otfried_H%C3%B6ffe) unterscheidet im Hinblick auf die praktische Philosophie die paradigmatischen Fälle von Konflikt, Kritik und Krise, welche die praktischen Konfrontationen der ethischen Theoriebildung kennzeichnen. Diese Konflikte können sich als moralisch-praktischer Konflikt, als Prinzipienkonflikt oder als fundamentalethischer Konflikt darstellen, wobei der moralisch-praktische Konflikt von einem allgemein akzeptierten Leitziel ausgeht, der Prinzipienkonflikt das Leitziel selbst strittig macht und der fundamentalethische Konflikt den moralischen Standpunkt strittig macht. Die ethische Theoriebildung ist auf verschiedenen Stufen mit unterschiedlichen Ethiktheorien wie der aristotelischen Ethik oder der utilitaristischen Ethik konfrontiert und muss sich auch mit Positionen wie dem moralischen Skeptizismus auseinandersetzen. Die gesellschaftliche und soziale [[Verantwortung (https://de.wikipedia.org/wiki/Verantwortung)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Verantwortung) ist ein wichtiger Aspekt der [[Philosophie (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie) und Ethik, der in verschiedenen Kulturen und Traditionen behandelt wird. Neben europäischen Philosophie- und Ethikkonzeptionen gibt es auch außereuropäische Konzeptionen wie die buddhistische oder konfuzianische Philosophie, die an europäischen Universitäten und Forschungsinstituten zunehmend Beachtung finden. Der Philosoph Otfried Höffe betont, dass die Ethik nicht nur auf europäische Traditionen zurückgeht, sondern dass die Suche nach einer Ethik zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehört. Philosophie ist ein komplexer und uneinheitlicher Forschungsbereich, der durch verschiedene Begriffe und Übersetzungen geprägt ist, was eine explizite Auseinandersetzung mit terminologischen Unterscheidungen erforderlich macht. Die Ethik als philosophische Fachdisziplin kann in einen praktischen und einen theoretischen Zweig unterteilt werden, wobei die praktische Philosophie sich mit praktischen Fragestellungen und Problemen beschäftigt und Lösungen und Konzeptionierungen formulieren möchte. Der Philosoph [[Otfried Höffe (https://de.wikipedia.org/wiki/Otfried\_H%C3%B6ffe)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Otfried_H%C3%B6ffe) unterscheidet drei Konfliktebenen, mit denen die Ethik konfrontiert ist: moralisch-praktische Konflikte, Prinzipienkonflikte und fundamentalethische Konflikte. Ethische Fragen haben sich in ihren Grundzügen seit der Antike kaum verändert und werden in der gesamten Gesellschaft diskutiert, nicht nur von Experten, sondern auch von allgemeinen Regeln des Respekts oder der Höflichkeit. Ethikbeiräte und Ethikkommissionen beraten heute Politiker und Unternehmensvorstände, während früher Philosophen herrschende Personen in Angelegenheiten der gerechten Staats- und Lebensführung beraten haben. Gesamtgesellschaftlich relevante Fragen wie Sterbehilfe, Embryonenforschung, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz werden vorrangig unter ethischen Gesichtspunkten diskutiert. [Die philosophische Ethik ist als philosophische Disziplin der praktischen [Philosophie]](https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie) ( [[ https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie)] zuzuordnen und befasst sich mit dem](https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie) richtigen Handeln und dem menschlichen Handeln, das einem praktischen Sollen genügt und zugleich eine allgemeine Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Peter Prechtl definiert Ethik in Metzlers Lexikon der Philosophie als das menschliche Handeln, das einem praktischen Sollen genügt und zugleich eine allgemeine Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt, sowie das Streben nach dem Guten und die Begründung moralischer Werte und Normen. Die Begriffe Ethik, Moral und Sitte(n) werden alltagssprachlich oft synonym gebraucht, aber im Fachdiskurs wird zwischen ihnen unterschieden. Die historische Entwicklung dieser Begriffe geht auf das altgriechische Ēthos zurück, das drei verschiedene Bedeutungsvarianten aufweist: Wohnung oder Wohnort, Sitte oder Gewohnheit von Gruppen und Charakter bzw. Denkweise von Individuen. Der Begriff Ethos, mit kurz gesprochenem e, umfasst eher eine äußerliche Befolgung von kollektiven Sitten und individuellen Gewohnheiten im Unterschied zu einer tiefen Identifikation oder einer bewussten Entwicklung des eigenen Charakters. Im Fachdiskurs wird Moral als ein Normensystem verstanden, dessen Gegenstand menschliches Verhalten ist und das einen Anspruch auf unbedingte Gültigkeit erhebt. Moral besteht aus Werturteilen und Maßstäben, die für sich den Anspruch erheben, in Bezug auf menschliche Handlungen uneingeschränkt gültig zu sein. Moral kann sich auf Einzelpersonen oder Gruppen beziehen und ist historisch und kulturell geprägt, was zu unterschiedlichen Moralsystemen führt, die als \"Moralitäten\" im Plural bezeichnet werden. Diese Moralsysteme können auf unterschiedlicher Basis, wie religiösen Texten oder politischer Ideologie, parallel existieren und sich gegenseitig widersprechen, ohne dass festgestellt wird, ob sie ihren Geltungsanspruch berechtigterweise erheben. Die philosophische Definition von Ethik als \"Wissenschaft von der Moral\" befasst sich mit der Frage, welche Moralen es gibt, welche Begründungen sich für sie angeben lassen und welcher Logik ihre Begriffe, Aussagen und Argumentationen folgen. Diese Definition korrespondiert mit Michael Quantes zweiter Grundfrage der philosophischen Ethik (\"Warum ist diese Handlung richtig?\"), während die erste Grundfrage (\"Wie soll ich handeln?\") in den Geltungsbereich der Moral fällt. Die Wissenschaft von der Moral zerfällt in mehrere Ebenen, wobei die wichtigste Unterscheidung zwischen deskriptiver und normativer Ethik besteht. Die deskriptive Ethik beschreibt Moral in verschiedenen Kulturen und ist zumeist Gegenstand der Sozialwissenschaften, während die normative Ethik die Wissenschaft der Moral ist, die nach Moralbegründung fragt. Die normative Ethik charakterisiert sich durch verschiedene normativ-ethische Theorien wie Deontologie, Tugendethik oder Utilitarismus. Die Metaethik ist die Wissenschaftstheorie der Ethik und versucht, eine tiefergehende Reflexion der ethischen Grundbegriffe zu leisten, was mit Michael Quantes dritter Grundfrage der Ethik (\"Wie sind die ethischen Grundbegriffe beschaffen und wie funktionieren ethische Begründungen?\") korrespondiert. Die Grundfragen nach der Bedeutung ethischer Grundbegriffe dienen nicht dazu, ein Normensystem zu beschreiben oder normative Forderungen zu formulieren, sondern vielmehr dazu, die Ethik als Wissenschaft zu systematisieren und zu strukturieren. Diese Systematisierung ist auch in anderen Wissenschaften ein zentrales Kriterium für die Unterscheidung von Alltagswissen und wissenschaftlichem Wissen. Fachdiskussionen über die Bedeutung moralischer Begrifflichkeiten und die Gültigkeit bestimmter Grundsätze reichen über die normative Ethik hinaus und sind Teil der Metaethik, also der philosophischen Reflexion über die Sprache der Moral. Die Metaethik ist in ihren Analysen und Prämissen nicht völlig neutral gegenüber materiellen ethischen Aussagen und Theorien, sondern kann eine limitierende Funktion für die Ethik haben. Eine metaethische Annahme kann mit gewissen ethischen Positionen unvereinbar sein, wodurch die Metaethik eine limitierende Funktion für die Ethik hat, und benötigt besonders starke Rechtfertigungsgründe, wenn sie basalen Ethikkonzeptionen entgegensteht. Quante spricht von einem sogenannten Überlegungsgleichgewicht zwischen Ethik und Metaethik, bei dem die wechselseitige Korrektur und Anpassung der diversen Annahmen sich danach ausrichten muss, einen maximal positiven Gesamteffekt auf unsere Überzeugungen bzw. deren Kohärenz und Nützlichkeit zu erzielen. Ein Drei-Ebenen-Modell von Ethik als deskriptiver, normativer und Metaethik sowie die strikte Abgrenzung von Ethik und Moral stellen einen guten Startpunkt für die weitere Beschäftigung mit philosophischen Fragestellungen dieser Art dar. Die einzelnen Ebenen können als aufeinander aufbauende Abstraktionsstufen verstanden werden, wobei die Moral das Untersuchungsobjekt darstellt, die Ethik die wissenschaftliche Theorie der Moral und die Metaethik die Wissenschaftstheorie der Ethik ist. Die deskriptive Ethik ist nicht Teil der [[Philosophie (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie) und beschreibt lediglich die Moral, während die philosophische Ethik stets normative Ethik meint. Die angewandte Ethik, auch bekannt als \"practical ethics\", hat seit den 1970er-Jahren einen Boom erlebt und kann als Teilbereich der normativen Ethik verstanden werden. Der Begriff \"angewandte Ethik\" erscheint selbst erklärungsbedürftig, da die Ethik als Teilbereich der praktischen Philosophie immer schon einen Anwendungsbezug aufweist. Die normative Ethik wird oft in eine allgemeine und eine angewandte Ethik unterteilt, um die Begründungsfunktion moralischer Theorien zu erfüllen. Allgemeine ethische Prinzipien können im konkreten Anlassfall ein Problem nicht zufriedenstellend lösen, da es oft unklar ist, wie und unter welchen Bedingungen diese Prinzipien umzusetzen sind. Die angewandte Ethik formuliert zwei wesentliche Typen von Anwendungsmodellen: Top-down-Modelle und Bottom-up-Modelle. Top-down-Modelle folgen einer deduktiven Schlussform und versuchen, aus allgemeinen Prinzipien und dem konkreten situativen Kontext die richtige Handlungsoption abzuleiten. Bottom-up-Modelle verfahren induktiv und versuchen, aus beobachteten Einzelfällen zu allgemeinen Gesetzen aufzusteigen. Die deduktive Methode ist Teil der philosophischen Ethik und versucht, konkrete ethische Herausforderungen im Hinblick auf die ethischen Theorien der philosophischen Tradition zu lösen. Die induktive Methode zeichnet sich durch ein transakademisches Engagement von Ethikkommissionen aus und ist oft institutionell und personell von der philosophischen Ethik abgekoppelt. Die Definitionen der angewandten Ethik müssen vor dem Hintergrund dieser zwei methodischen Zugänge verstanden werden. Die deduktive Methodik ist durch eine interdisziplinäre Forschungspraxis gekennzeichnet, da Philosophen auf empirisches Wissen von Kollegen aus den Einzelwissenschaften angewiesen sind. Die angewandte Ethik als Teilbereich der normativen Ethik wird durch die Methodiken ihrer Theoriebildung konstituiert. Die philosophischen Bereichsethiken stehen in Beziehung zu den Konzeptionen der angewandten Ethik und zeichnen sich durch einen inhärenten Praxisbezug aus. Bereichsethiken wie Wirtschaftsethik, Medizinethik, Umweltethik oder Marketingethik finden sich unter dem Sammelbegriff der Bereichsethiken und haben alle einen bestimmten Praxisbezug im Umgang mit ethischen Themen. Eine allgemeine Systematisierung der Bereichsethiken ist oft schwierig, was sich bereits bei den verschiedenen Definitionsversuchen zum Gegenstand der Bereichsethiken zeigt. Metzlers Lexikon der [[Philosophie (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie) definiert die Bereichsethiken als den Teil der philosophischen Ethik, in dem ethische Konflikte behandelt werden, die in einem spezifischen Handlungskontext entstehen oder entstehen können. Die starke Orientierung an Anwendungskontexten und empirischen Problemstellungen unterscheidet die Bereichsethiken von anderen philosophischen Teildisziplinen wie der Rechtsphilosophie oder der politischen Philosophie. Die methodische Konzeption der Bereichsethiken kann sowohl deduktiv als auch induktiv sein, was sich in der historischen Genese der Bereichsethiken widerspiegelt. Geht man von einem deduktiven Modell aus, so handelt es sich bei der angewandten Ethik bzw. bei den Bereichsethiken um ein vergleichsweise junges Phänomen der wissenschaftlichen Forschung. Geht man hingegen von einer induktiven Reflexion aus, so finden die anwendungsbezogenen Bereichsethiken ihren Vorläufer bereits in der sogenannten Kasuistik des Mittelalters. Die Kasuistik beschäftigte sich mit Einzelfällen in den Bereichen der Rechtswissenschaften oder der Moraltheologie und formulierte konkrete Handlungsanweisungen. Die antike Vorstellung der [[Philosophie (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie)]](https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie) als Lebenskunst oder Lebenshilfe folgt einer ähnlichen Logik wie die Bereichsethiken. Terminologisch kann angewandte Ethik im Sinne einer deduktiven Konzeption als Sammelbezeichnung für alle Bereichsethiken aufgefasst werden, oder als generalistische Sichtweise, die einen systematischen Zusammenhang der einzelnen Bereichsethiken hinsichtlich ihrer ethischen Grundprinzipien in den Blick bringt. ![](media/image2.png) Die Frage nach der genauen Anzahl der Bereichsethiken ist schwer zu beantworten, da die Einteilung der Bereichsethiken historischen Entstehungsprozessen folgt und nicht immer streng systematisch argumentiert wird. Bereichsethiken können sich überschneiden oder ineinander unterteilen, wie beispielsweise die Bioethik, die in die Medizinethik, Tierethik und Pflanzenethik unterteilt werden kann.