Einführung in die Grundlagen der Psychologie (PDF)

Summary

This document provides an introduction to the fundamental aspects of psychology. It covers topics typically taught in introductory psychology courses, including the definition of psychology and explores various branches of the discipline.

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Kapitel 1 Was ist Psychologie? Abbildung 1.1: Die Psychologie richtet den Blick auf das Erleben und Verhalten von Individuen und betrachtet dabei auch Entwicklungsprozesse, Persönlichkeits- eigenschaften und den Einfluss des sozialen Gefüges Welche Prozesse sind am Denken und Handeln eines Mensch...

Kapitel 1 Was ist Psychologie? Abbildung 1.1: Die Psychologie richtet den Blick auf das Erleben und Verhalten von Individuen und betrachtet dabei auch Entwicklungsprozesse, Persönlichkeits- eigenschaften und den Einfluss des sozialen Gefüges Welche Prozesse sind am Denken und Handeln eines Menschen beteiligt? Wel- che Faktoren können die Wahrnehmung und das Denken eines Menschen ver- ändern? Wie lernen wir sprechen? Wie wichtig sind zwischenmenschliche Bezie- hungen für unser Wohlbefinden? Warum vergessen wir Dinge? Wie kann Neues effektiv gelernt und behalten werden? Wie verändern Schäden am Gehirn unser Erleben, Denken und Handeln? Wodurch kann die Persönlichkeit eines Menschen beschrieben werden? Was ist Gewissenhaftigkeit und wie kann sie erfasst wer- den? Wodurch entstehen psychische Störungen und wie können sie behandelt werden? Wie kann ein Unternehmen das am besten geeignete Personal finden? 9 KAPITEL 1. WAS IST PSYCHOLOGIE? Das alles sind Beispiele für Fragen, die in der Psychologie aufgeworfen werden und auf die vermutlich auch Sie – da Sie dieses Skript in Händen halten – Antwor- ten finden möchten. Dieses Lernskript hat Themen zum Inhalt, die üblicherweise in den ersten Semestern des Psychologiestudiums gelehrt werden und kann Ihnen eine Idee geben, wohin die Reise gehen könnte, wenn Sie ein Psychologiestudium beginnen. Nach einem ersten Überblick über die Psychologie sowie grundlegende Begrif- fe in diesem Kapitel folgt ein Kapitel zur Geschichte der Psychologie (Kapitel 2), in dem wichtige Meilensteine in der Entwicklung der Psychologie als Wissenschaft behandelt werden, und ein Kapitel zur Forschungsmethodik in der Psychologie (Kapitel 3), in dem erläutert wird, worauf bei der Durchführung von psychologi- schen Studien geachtet werden muss und erste statistische Methoden behandelt werden. Im Anschluss ist das Skript nach Grundlagenfächern der Psychologie ge- gliedert. Mehr zu dieser Aufteilung in Grundlagenfächer finden Sie in Kapitel 1.2. Zu den Grundlagenfächern zählen die Biologische Psychologie (Kapitel 4), die All- gemeine Psychologie (Kapitel 5), die Entwicklungspsychologie (Kapitel 6), die So- zialpsychologie (Kapitel 7) sowie die Differentielle und Persönlichkeitspsychologie (Kapitel 8). 1.1 Definition Das Wort Psychologie setzt sich aus den beiden griechischen Wörtern „psyche“ (= Seele, Gemüt) und „logos“ (= Kunde, Wissenschaft) zusammen und bedeutet damit wörtlich übersetzt Seelenkunde (siehe auch Kapitel 2.1.1). Allgemein ver- steht man unter Psychologie die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen (Gazzaniga, Heatherton, & Halpern, 2017). Darunter fallen auch kogni- tive Prozesse, also Prozesse, welche das Denken betreffen (siehe Infobox 1.1). Infobox 1.1: Was ist Kognition? Der Begriff ist aus dem Lateinischen von „cognoscere“ abgeleitet, was „(er-)kennen“ bedeutet. Kognition ist ein Sammelbegriff für mentale Fähigkeiten und Prozesse mit denen Informationen aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Dazu gehören u. a. Aufmerksamkeit, Wahr- nehmung, Gedächtnis, Schlussfolgern sowie Denken und Problemlösen (Neisser, 2014). Dieser Begriff wird in den einzelnen Kapiteln dieses Lernskripts noch häufig vorkommen und gehört gewissermaßen zum Standardvokabular der Psychologie. 10 KAPITEL 1. WAS IST PSYCHOLOGIE? 1.2 Teildisziplinen der Psychologie Die Psychologie als empirische Wissenschaft ist sowohl grundlagen- als auch anwendungsorientiert: Psychologinnen und Psychologen sind bestrebt, auf Ba- sis wissenschaftlicher Forschungsmethoden allgemeine Gesetzmäßigkeiten psy- chischer Prozesse und Strukturen und ihrer verhaltenssteuernden Wirkungen zu ergründen, um darauf aufbauend Schlussfolgerungen für Verhaltensveränderung in unterschiedlichsten Praxisfeldern ableiten zu können. Kennzeichnend für die wissenschaftliche Psychologie ist es, dass sie eine bereichsübergreifende Wis- senschaft darstellt, die Elemente aus den Geistes-, Sozial- und insbesondere Na- turwissenschaften vereint. Vor allem der naturwissenschaftliche Fokus wurde in den letzten Jahren stärker, erkennbar durch die immer mehr Bedeutung findende kognitive Neurowissenschaft. Diese versucht, psychologische Prozesse anhand neuronaler Mechanismen, also der Art und Weise wie das menschliche Gehirn or- ganisiert ist, zu erklären (Mausfeld, 2010). Innerhalb der Psychologie kann zwischen Methoden-, Grundlagen- und Anwen- dungsfächern unterschieden werden. Diese Aufteilung ist wichtig als Ordnungssys- tem innerhalb der Psychologie – für die Forschung als auch für die Lehre und häu- fig in den Curricula für das Psychologiestudium anzutreffen. Die Methodenfächer bilden das Grundgerüst psychologischer Forschung und beinhalten Themen wie Ethik, Wissenschaftstheorie, Methodenlehre und Statistik. Zu den Grundlagen- fächern, deren Inhalte den Hauptbestandteil dieser Lernunterlage bilden, zählen folgende Teildisziplinen der Psychologie: Biologische Psychologie: Inhalt der Biologischen Psychologie sind die physi- schen Abläufe im Körper, die den psychischen Phänomenen zugrunde lie- gen. Von besonderem Interesse sind dabei jene Prozesse, welche im Ner- vensystem ablaufen (Kapitel 4). Allgemeine Psychologie: Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich mit jenen Prozessen, die allen Menschen gemein sind und untersucht allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten. Dazu gehören beispielsweise Wahrnehmung, Denken, Lernen, Gedächtnis, Sprache, Emotion und Motivation (Kapitel 5). Entwicklungspsychologie: In der Entwicklungspsychologie beschäftigt man sich mit den Veränderungen psychischer Prozesse im Laufe des gesamten Le- bens. Sie untersucht, in welchem Alter sich spezielle kognitive Funktionen entwickeln oder welche Faktoren auf die Entwicklung des Menschen Einfluss nehmen (Kapitel 6). Sozialpsychologie: In der Sozialpsychologie werden soziale Einflüsse untersucht. Von Interesse ist, welche Wirkung die Interaktion mit anderen Personen auf das Erleben, Fühlen und Verhalten hat (Kapitel 7). Differentielle und Persönlichkeitspsychologie: Die Differentielle und Persön- lichkeitspsychologie untersucht Unterschiede im Erleben und Verhalten zwi- schen verschiedenen Personen und innerhalb einer Person, z. B. zu ver- 11 KAPITEL 1. WAS IST PSYCHOLOGIE? schiedenen Zeitpunkten. Auch die Frage, wie die Persönlichkeit durch Gene, Umwelt und den kulturellen Kontext beeinflusst wird, ist von Belang (Kapitel 8). Es sei angemerkt, dass die Aufteilung in die Grundlagenfächer künstlich ist und sich die verschiedenen Richtungen teilweise unabhängig voneinander entwickelt haben. Verschiedene Themen der Psychologie können daher häufig nicht exakt einem Grundlagenfach zugeordnet werden. Es ergeben sich Überschneidungen und die Inhalte stehen in Beziehung zueinander. Zudem kann ein Phänomen Inhalt mehrerer Grundlagenfächer sein, wobei sich die verschiedenen Grundlagenfächer unterschiedlichen Aspekten des Phänomens widmen. Verdeutlicht werden kann dies anhand des Themas Wahrnehmung und Sie finden in Tabelle 1.1 eine Über- sicht über die einzelnen Grundlagenfächer und deren allgemeine Fragestellungen sowie eine konkrete Fragestellung zur Wahrnehmung. Auch in diesem Lernskript wird Ihnen dieses Thema in den verschiedenen Kapitel begegnen und aus unter- schiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden. Tabelle 1.1: Grundlagenfächer der Psychologie Grundlagenfach allgemeine Fragestellung Beispielfrage zur Wahrnehmung Biologische Wie ist... im Körper (bzw. Wie funktionieren unsere Augen und wie Psychologie im Gehirn) verankert? werden visuelle Informationen im Gehirn verarbeitet? Allgemeine Auf welchen allgemeinen Wie funktioniert unsere visuelle Wahrneh- Psychologie psychischen Prozessen mung? beruht... ? Entwicklungs- Wie entwickelt sich... ? Wie und wann lernen wir, verschiedene Ei- psychologie genschaften unserer Umwelt wahrzuneh- men? Sozialpsychologie (Wie) wird... vom sozialen Beeinflusst die Anwesenheit anderer Per- Gefüge / von anderen be- sonen die (visuelle) Wahrnehmung? (vgl. einflusst? Experiment von Muller et al. (2004) in Ka- pitel 7.3.1) Differentielle und Ist... bei allen gleich? / Nimmt eine extrovertierte Person eine so- Persönlichkeitspsy- Welche Varianten gibt es? ziale Situation anders wahr als eine intro- chologie vertierte Person? Vor allem in den ersten Semestern nehmen die Grundlagenfächer einen Groß- teil des Studiums ein. Neben den Grundlagenfächern gibt es auch eine Reihe von Anwendungsfächern. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie das psychologi- sche Wissen in verschiedenen Berufsfeldern auch praktisch zur Anwendung brin- gen. Dadurch ergeben sich auch andere Fragestellungen, nämlich wie man das psychologische Wissen in den einzelnen Anwendungsfeldern sinnvoll einsetzen kann. An dieser Stelle werden exemplarisch Anwendungsfächer genannt: Pädagogische Psychologie Die Pädagogische Psychologie befasst sich mit der Beschreibung und Erklärung psychologischer Komponenten in Erziehungs- 12 KAPITEL 1. WAS IST PSYCHOLOGIE? und Bildungsprozessen. Mögliche Fragestellungen können sein: Wie lässt sich die Lernmotivation steigern? Wie kann Wissen effektiv vermittelt wer- den? Wie können Talente gefördert werden? Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie: In der AOW-Psycholo- gie (Arbeit, Organisation, Wirtschaft) wird das Erleben und Verhalten von Personen im Beruf und in Unternehmen betrachtet, Marktforschung betrie- ben und Unternehmen in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise in der Personalauswahl oder im Marketings beraten. Mögliche Fragestellungen können sein: Wie kann das Personal eines Unternehmens sinnvoll gefördert werden? Wie kann das Konsumverhalten von Personen beeinflusst werden? Klinische Psychologie: Betätigungsfelder der Klinischen Psychologie sind psy- chische Störungen und deren Prävention, Behandlung und Rehabilitation. Mögliche Fragestellungen können sein: Wie entsteht abweichendes Verhal- ten bzw. psychische Störungen? Wie können psychische Störungen diagno- stiziert werden? Gesundheitspsychologie: Die Gesundheitspsychologie beschäftigt sich mit der Entwicklung und Umsetzung gesundheitserhaltender und -fördernder Maß- nahmen – dabei werden biologische, psychische und soziale Faktoren be- rücksichtigt. Themen der Gesundheitspsychologie sind beispielsweise Er- nährung und Bewegung, Rauchen und Alkoholkonsum sowie Stress. Psychologische Diagnostik: Eine Sonderrolle nimmt die Psychologische Dia- gnostik ein: Sie wird in den Curricula häufig als Anwendungsfach angeführt. Man kann sie allerdings auch als Fertigkeit ansehen, die in den verschie- densten Anwendungfächern von Psycholog:innen eingesetzt wird, um Ent- scheidungen fundiert zu treffen. Mithilfe von diagnostischen Verfahren wer- den Fragestellungen in den verschiedenen Anwendungsbereichen überprüft (z. B. Kann eine Legasthenie der Grund für die Lernschwierigkeiten eines Kindes sein? Verfügt eine Person über die notwendigen Persönlichkeitsei- genschaften für das Erlernen oder die Ausübung eines Berufes? Liegt eine psychische Erkrankung vor und wenn ja, welche?). Die theoretische (grundlagenorientierte) Psychologie und die praktische (an- gewandte) Psychologie erscheinen mitunter als zwei voneinander unabhängige Bereiche. Im Idealfall sollten jedoch Grundlagenforschung und Anwendung der Psychologie einem Zwei-Stufen-Modell folgen, indem die durch die theoretische Psychologie erlangten Erkenntnisse in der praktischen Psychologie ihre Anwen- dung finden. Doch auch in den Anwendungsfächern wird Forschung betrieben. Ein Beispiel dafür ist die Therapieevaluation. Es wird dazu geforscht, welche Strate- gien und Methoden bei der Behandlung und Therapie einer bestimmten psychi- schen Erkrankung Wirkung zeigen. Im praktischen Feld werden diese Methoden bei entsprechender Evidenz angewandt und anschließend im Hinblick auf deren Nützlichkeit evaluiert. 13

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