Deci & Ryan: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation PDF

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This article from the *Zeitschrift für Pädagogik* (1993) details the self-determination theory of motivation and its relevance to pedagogy. It explores the connection between motivation and learning, focusing on the importance of self-determination and autonomy for high-quality learning experiences.

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Deci, Edward L.; Ryan, Richard M. Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) 2, S. 223-238 Quellenangabe/ Reference: Deci, Edward L.; Ryan, Richard M.: Die Selbstbestimmungstheor...

Deci, Edward L.; Ryan, Richard M. Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) 2, S. 223-238 Quellenangabe/ Reference: Deci, Edward L.; Ryan, Richard M.: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik - In: Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) 2, S. 223-238 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-111739 - DOI: 10.25656/01:11173 https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-111739 https://doi.org/10.25656/01:11173 in Kooperation mit / in cooperation with: http://www.juventa.de Nutzungsbedingungen Terms of use Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und We grant a non-exclusive, non-transferable, individual and limited right to beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist using this document. ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch This document is solely intended for your personal, non-commercial use. 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Schwierigkeiten wissen¬ schaftlicher Pädagogik mit der Theoretisierbarkeit einer zentralen „Kulturtechnik" der Moderne 275 Stephanie Hellekamps/Hans-Ulrich Musolff Bildungstheorie und ästhetische Bildung Diskussion 295 Hans Scheuerl Waldorfpädagogik in der Diskussion. Ein Überblick über neuere Ver¬ öffentlichungen I 313 Werner Sacher Jugend gefährdung durch Video- und Computerspiele? Diskussion der Risiken im Horizont internationaler Forschungsergebnisse 335 Christian Lüders Grundlagen und Methoden qualitativer Sozialforschung. Ein Überblick über neuere Veröffentlichungen Besprechungen 351 Klaus Klemm Achim LeschinskyIKarl Ulrich Mayer (Eds.): The Comprehensive School Experiment Revisited: Evidence from Western Europe 353 Ulrich Schiefele Felix Winter: Schüler lernen Selbstbewertung. Ein Weg zur Veränderung der Leistungsbeurteilung und des Lernens 355 Hilde Kipp Hans-Christoph Koller: Die Liebe zum Kind und das Begehren des Erziehers. Erziehungskonzeption und Schreibweise pädagogischer Texte von Pestalozzi und Jean Paul Dokumentation 365 Pädagogische Neuerscheinungen II Contents Topic: Learning Motivation 177 Hans Schiefele Do We Need Motivational Pedagogics? 187 Andreas Krapp The Psychology of Learning Motivation Research perspectives - and problems concerning their impact on pedagogics 207 Mihaly Csikszentmihalyi/Ulrich Schiefele The Quality of Experiencing and the Process of Learning 223 Edward L. Deci/Richard M. Ryan The Theory of Self-Determination of Motivation and its Relevance to Pedagogics 239 Manfred Prenzel Autonomy and Motivation in Adult Learning Topic: Aesthetic Education 257 Andreas von Prondczynsky "Reading" as a Metaphor for Acquiring Knowledge about the World - Problems in educational science concerning the possibility of theo- rizing about a crucial "cultural technique" of modern times 275 Stephanie Hellekamps/Hans-Ulrich Musolff The Theory of Education and Aesthetic Education Discussion 295 Hans Scheuerl The Debate on Waldorf Pedagogics - A survey of recent publications 313 Werner Sacher Video and Computer Games - A Threat to the Young? 335 Christian Lüders Fundamentals and Methods of Qualitative Social Research - A survey of recent publications Book Reviews 351 Documentation 365 III Edward L. Deci/Richard M. Ryan Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik Zusammenfassung In diesem Beitrag werden die Grundzüge einer Theorie vorgestellt, die den Zusammenhang zwischen Motivation und Lernen auf der Basis einer Theorie des Selbst neu interpretiert. Es wird als selbst¬ gezeigt, daß sowohl intrinsische als auch bestimmte Formen extrinsischer Motivation bestimmt erlebt werden. Befunde aus Labor- und Felduntersuchungen belegen, daß Empirische eine aufSelbstbestimmung beruhende Lernmotivation positive Wirkungen auf die Qualität des Lernens hat. Darüber hinaus läßt sich zeigen, daß die soziale Umwelt in Schule und Familie an der für die Entstehung selbstbestimmter Motivation erheblichen Anteil hat. Einige Schlußfolgerungen Praxis werden Diskussion gestellt. pädagogische zur Die Theorie der Selbstbestimmung ist eine organismische und dialektische Theorie der menschlichen Motivation. Organismisch ist sie insofern, als eine fundamentale Tendenz zur stetigen Integration der menschlichen Entwicklung postuliert wird. Vorangetrieben wird dieser Prozeß durch (intrinsische) moti¬ vationale Faktoren, welche die erforderliche psychische Energie liefern. Als dialektisch bezeichnen wir die Theorie, weil eine permanente interaktive Be¬ diesem organismischen Integrationsprozeß und den Einflüs¬ ziehung zwischen sen der sozialen Umwelt unterstellt wird. Im Zentrum der Theorie steht der Begriff des Selbst. Das Selbst kann zu¬ gleich als Prozeß und Ergebnisder Entwicklung interpretiert und untersucht werden. Das Prinzip der organismischen Integration bestimmt die Entwicklung des Selbst von Anfang an. Eine wichtige Rolle spielen angeborene psycholo¬ des Indivi¬ gische Bedürfnisse und grundlegende Fähigkeiten und Interessen duums. Die Struktur des Selbst erweitert und verfeinert sich im Laufe der Entwicklungdurch die Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt; sie ist das sich ständig ändernde Produkt von Prozessen und Strukturen dieser organis¬ mischen Dialektik. wissenschaft¬ Folgende Fragestellungen standen bislang im Vordergrund der lichen Arbeit zur Selbstbestimmungstheorie: (1) Unterscheidung motivationa¬ ler Prozesse nach dem Grad ihrer Selbstbestimmung, d.h. inwieweit sie vom Selbst und nicht von äußeren und inneren Zwängen hervorgerufen werden; (2) Beschreibung der Erlebens- und Verhaltenseigentümlichkeiten der verschie¬ denen motivationalen Prozesse; (3) Analyse der Bedeutung dieser Faktoren für die Entwicklung des Selbst. In diesem Beitrag werden die Grundzüge der Theorie vorgestellt. Dies ge¬ schieht auf dem Hintergrund empirischer Befunde, auf denen diese Theorie basiert. Außerdem werden einige Schlußfolgerungen für die pädagogische Pra¬ xis zur Diskussion gestellt. Z.f.Pad.,39.Ig.l993,Nr.2 224 Thema: Lernmotivation 1. Grundzüge der Theorie 1.1 Die motivationale Steuerung des Verhaltens In Übereinstimmung mit vielen anderen modernen Theorien der menschlichen Motivation (z.B. Heider 1960; Lewin 1951) stützt sich auch die Theorie der Selbstbestimmung auf das Konzept der Intentionalität, um die Steuerung des Verhaltens zu erklären (Deci 1992; Deci/Ryan 1985, 1991). Menschen gelten dann als motiviert, wenn sie etwas erreichen wollen wenn sie mit dem Ver¬ - halten einen bestimmten Zweck verfolgen. Die Intention zielt auf einen zukünftigen Zustand, gleichgültig ob er wenige Sekunden oder mehrere Jahre entfernt liegt. Dazu gehört auch die Bereitschaft, ein Mittel einzusetzen, das den gewünschten Zustand herbeiführt. Intentionale und insofern motivierte Handlungen gehen von der Person aus und richten sich entweder auf eine unmittelbar befriedigende Erfahrung (wenn man z.B. einen Sachverhalt als interessant, spannend oder aufregend empfindet) oder auf ein längerfristiges Handlungsergebnis, z.B. das Bestehen einer Prüfung. Manche Verhaltensweisen gehen nicht auf Intentionen zurück; folglich kann man sie auch nicht als „motiviert" bezeichnen. In unserer Theorie nennen wir sie „amotiviert" (amotivated). Dazu gehören z.B. Verhaltensweisen, die kein erkennbares Ziel verfolgen (z.B. dösen, herumlungern), oder die einem un¬ kontrollierten Handlungsimpuls entspringen (z.B. Wutanfall). Auch die amo- tivierten Verhaltensweisen sind energetisiert und psychologisch erklärbar. Aber wir bezeichnen sie nicht als motiviert, weil sie nicht durch intentionale Prozesse gesteuert werden. Die meisten „kognitiven" Theorien verwenden die Intention als Definitions¬ merkmal motivierten Handelns (Bandura 1977; Ford in Druck; Locke/Lat¬ ham 1990). Diese Theorien beschreiben auch internale und externale Fakto¬ ren, die denZustand des Motiviertseins direkt oder indirekt beeinflussen, z.B. den wahrgenommenen Ort der Handlungskontrolle (locus of control; Rotter 1966), Selbstwirksamkeitserwartungen (Bandura 1977), das Produkt aus Er¬ wartung (mal) Valenz (Vroom 1964) oder den erlebten Schwierigkeitsgrad des Ziels (Locke/Latham 1990). Einzelne Theorien haben auch Aspekte nicht- intentionalen Verhaltens thematisiert, die wir als amotiviert bezeichnen. Dazu gehören z.B. die Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Seligman (Abram- son/Seligman/Teasdale 1978; Seligman 1975/dt. 1983) oder das Konzept der Lageorientierung von Kühl (Kuhl/Goschke/Kazensaad 1993). Heider (1958) hat die Begriffe der persönlichen bzw. unpersönlichen Verursachung einge¬ führt, um intentionale von nicht-intentionalen (amotivierten) Handlungen zu unterscheiden. Alle bislang erwähnten Theorien, gleichgültig ob sie sich auf motiviertes oder amotiviertes Verhalten beziehen, behandeln Motivation als einheitliches Konzept. Es werden allenfalls Unterschiede in der Motivationsstärke ange¬ nommen: Personen gelten als mehr oder weniger motiviert. Keine dieser Theorien beinhaltet ein Konzept wie z.B. das der motivationalen Orientierung oder des Handlungsregulationsstils, um qualitative Unterschiede zu beschrei¬ ben und zu erklären. Die Selbstbestimmungstheorie postuliert dagegen unter¬ schiedliche qualitative Ausprägungen des motivierten Handelns. Wir unter- Deci/Ryan: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation 225 scheiden also nicht nur zwischen motiviertem und amotiviertem Verhalten, sondern schlüsseln die intentionalen Handlungen weiter auf. Insbesondere gehen wir davon aus, daß sich motivierte Handlungen nach dem Grad ihrer Selbstbestimmung bzw. nach dem Ausmaß ihrer Kontrolliert- heit unterscheiden lassen. Manche Handlungen erlebt man als frei gewählt; sie entsprechen den Zielen und Wünschen des individuellen Selbst. Andere wer¬ den dagegen als aufgezwungen erlebt, sei es durch andere Personen oder intrapsychische Zwänge. In dem Ausmaß, in dem eine motivierte Handlung als frei gewählt erlebt wird, gilt sie als selbstbestimmt oder autonom. In dem Ausmaß, in dem sie als aufgezwungen erlebt wird, gilt sie als kontrolliert1. Selbstbestimmtes und kontrolliertes Verhalten definieren somit die Endpunkte eines Kontinuums, das die „Qualität" oder „Orientierung" einer motivierten Handlung festlegt. In der Tradition von Heiders (1958) Attributionstheorie verwendet DcCharms (1968) die Begriffe der internalen versus exte malen Handlungsverursachung (locus of causality) zur Kennzeichnung dieses Konti¬ nuums. Unsere empirischen Untersuchungen zur Differenzierung von Typen moti¬ vierten Verhaltens begannen mit der Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation. 1.2 Intrinsische und extrinsische Motivation Intrinsisch motivierte Verhaltensweisen können als interessenbestimmte Handlungen definiert werden, deren Aufrechterhaltung keine vom Hand¬ lungsgeschehen „separierbaren" Konsequenzen erfordert, d. h. keine externen oder intrapsychischen Anstöße, Versprechungen oder Drohungen (Deci 1975, 1992). Csikszentmihalyi (1975) benutzt den Begriff „autotelisch", um die spontane Erfahrung dieser Art freudvollen Tuns zu kennzeichnen. Intrinsische Motivation beinhaltet Neugier, Exploration, Spontaneität und Interesse an den unmittelbaren Gegebenheiten der Umwelt. Evident wird sie im Bestreben, eine Sache voll und ganz zu beherrschen (White 1959) oder im Assimilations¬ prozeß (vgl. Piaget 1971). Extrinsische Motivation wird dagegen in Verhal¬ tensweisen sichtbar, die mit instrumenteller Absicht durchgeführt werden, um eine von der Handlung separierbare Konsequenz zu erlangen. Extrinsisch mo¬ tivierte Verhaltensweisen treten in der Regel nicht spontan auf; sie werden vielmehr durch Aufforderungen in Gang gesetzt, deren Befolgung eine (posi¬ tive) Bekräftigung erwarten läßt, oder die auf andere Weise instrumentelle Funktion besitzen. Diese definitorische Unterscheidung von Verhaltensweisen, die spontan aus persönlichem Interesse durchgeführt werden von solchen, die einem instru¬ menteilen Kalkül folgen, beeinflußte lange Zeit das theoretische Denken und die Suche nach geeigneten Forschungsmethoden (Deci 1992). Sie lieferte z.B. die Begründung für zwei häufig verwendete Verfahrensweisen zur Erfassung der intrinsischen Motivation, nämlich die Zeitdauer frei gewählter Aktivitäten 1 DerKontrollbegriff hat hier eine spezielle Bedeutung, die nicht mit den zumeist positiven Bedeutungen in neueren Handlungs- und Copingtheorien verwechselt werden darf. 226 Thema: Lernmotivation und Ratings über das Ausmaß von Interesse und Freude im Handlungsvollzug. Obwohl die theoretischen Modeile und operationalen Definitionen inzwischen weiter differenziert und verfeinert wurden, hat die Unterscheidung von intrin¬ sischer und extrinsischer Motivation nach wie vor eine große Bedeutung für unser Verständnis des motivationalen Geschehens (Renninger/Hidi/Krapp 1992). Intrinsisch motivierte Handlungen repräsentieren den Prototyp selbstbe¬ stimmten Verhaltens. Das Individuum fühlt sich frei in der Auswahl und Durchführung seines Tuns. Das Handeln stimmt mit der eigenen Auffassung von sich selbst überein. Die intrinsische Motivation erklärt, warum Personen frei von äußerem Druck und inneren Zwängen nach einer Tätigkeit streben, in der sie engagiert tun können, was sie interessiert. 1.3 Sind intrinsische und extrinsische Motivation Gegensätze? In einer Reihe empirischer Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß die in¬ trinsische Motivation abnimmt, wenn man Versuchspersonen extrinsische Belohnungen wie z.B. Geld oder Auszeichnungen für eine ursprünglich in¬ trinsischen Aktivität anbietet (z.B. Deci 1971, 1972; Lepper/Greene/Nisbett 1973; Ross 1975). Nachdem manVersuchspersonen belohnt hatte, waren sie weniger geneigt, die gleiche Tätigkeit in ihrer Freizeit erneut aufzunehmen; sie äußerten weniger Interesse als Versuchspersonen, die für dieselbe Tätigkeit keine Belohnung erhalten hatten. Deci (1975), der diese Befunde zusammen¬ fassend darstellt und interpretiert, vertritt die Auffassung, daß die Einführung extrinsischer Motivatoren in den Handlungsablauf einer intrinsisch motivierten Tätigkeit das Gefühl der Selbstbestimmung unterminiert. Der wahrgenom¬ mene Ort der Handlungsverursachung verschiebt sich von innen nach außen (DeCHARMS 1968). Als Folge davon sinkt die Neigung, die Aktivität allein wegen ihrer intrinsischen Befriedigung auszuüben. Das Ergebnis dieser empirischen Studien hat viele Autoren veranlaßt, in¬ trinsische und extrinsische Motivation als Gegensatzpaar darzustellen. Intrin¬ sisch motivierte Handlungen wurden als selbstbestimmt, extrinsisch motivierte Handlungen dagegen als nicht-selbstbestimmt charakterisiert. Weiterhin wurde angenommen, daß die Kombination beider Motivationstypen negative Konsequenzen für die intrinsische Motivation hat. Spätere Studien (z. B. Ha- rackiewicz 1979; Ryan 1982; Ryan/Mims/Koestner 1983) zeigten allerdings, daß unter bestimmten Umständen extrinsische Belohnungen die intrinsische Motivation eher aufrechterhalten als schwächen. Zunehmend wurde klar, daß extrinsische und intrinsische Motivation keine Antagonisten darstellen, und es verstärkte sich die Vermutung, daß auch extrinsisch motiviertes Verhalten durchaus selbstbestimmt sein kann. Aufgrund dieser Einsicht wurde die Selbst¬ bestimmungstheorie überarbeitet und ergänzt (Deci/Ryan 1985; 1991; Ryan/ Connell/Deci 1985). Entwicklungspsychologische Analysen machten es möglich, das Konzept der extrinsischen Motivation aufzuschlüsseln und gleichzeitig zu klären, wann und aufweiche Weise das extrinsisch motivierte Verhalten als selbstbestimmt gelten kann. Da intrinsisch motivierte Verhaltensweisen per definitionem selbstbe- Deci/Ryan: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation 227 stimmt sind, liefern die dort festgestellten Erlebnis- und Verhaltensqualitäten ein Bewertungsraster, auf dessen Grundlage extrinsisch motivierte Verhaltens¬ weisen beurteilt und das Ausmaß ihrer Selbstbestimmung eingeschätzt werden kann. Extrinsisch motivierte Verhaltensweisen können durch die Prozesse der In¬ ternalisation und Integration in selbstbestimmte Handlungen überführt wer¬ den. Internalisation ist der Prozeß, durch den externale Werte in die internalen Regulationsprozesse einer Person übernommen werden (Meissner 1981; Schafer 1968). Integration ist der weifergehende Prozeß, der die internalisier- ten Werte und Regulationsprinzipien dem individuellen Selbst eingliedert (Deci/Ryan 1991). Wir sind der Auffassung, daß der Mensch die natürliche Tendenz hat, Re¬ gulationsmechanismen der sozialen Umwelt zu internalisieren, um sich mit anderen Personen verbunden zu fühlen und Mitglied der sozialen Umwelt zu werden. Durch die Integration dieser sozial vermittelten Verhaltensweisen in das individuelle Selbst schafft die Person zugleich die Möglichkeit, das eigene Handeln als selbstbestimmt zu erfahren. Im Bemühen, sich mit anderen Per¬ sonen verbunden zu fühlen und gleichzeitig die eigenen Handlungen autonom zu bestimmen, übernimmt und integriert die Person also Ziele und Verhal¬ tensnormen in daseigene Selbstkonzept. Voraussetzung dafür sind Angebote und Anforderungen in einem akzeptierten sozialen Milieu, das die entspre¬ chenden Verhaltenstendenzen verstärkt (Deci/Ryan 1985,1991). In bezug auf bestimmte Verhaltensregeln können die Prozesse der Internalisation und In¬ tegration mehr oder weniger effektiv sein; je nachdem wird das künftige Verhalten als stärker selbstbestimmt oder kontrolliert erlebt. 1.4 Eine differenzierte Betrachtung der extrinsischen Motivation Es gibt vier Typen extrinsischer Verhaltensregulation. Sie können einem Kon- tinuum mit den Endpunkten „heteronome Kontrolle" und „Selbstbestim¬ mung" zugeordnet werden. Zum Typ der externalen Regulation zählen durch Kontingenzen regulierte Verhaltensweisen, auf die das Individuum keinen direkten Einfluß hat. Bei¬ spiele sind Handlungen, die entweder ausgeführt werden, um eine (externale) Belohnung zu erhalten oder einer angedrohten Bestrafung zu entgehen. Ex¬ ternal reguliertes Verhalten ist zwar intentional, aber von äußeren Anregungs¬ und Steuerungsfaktoren abhängig. Es entspricht weder den Prinzipien der Au¬ tonomie noch der Freiwilligkeit. Der Typ der introjizierten Regulation bezieht sich auf Verhaltensweisen, die internen Anstößen und innerem Druck folgen; sie beziehen sich auf Ereignisse, die für die Selbstachtung relevant sind. Man tut etwas, „weil es sich gehört" oder weil man sonst ein schlechtes Gewissen hätte. Eine introjizierte Hand¬ lungsregulation ist insofern internal, als keine äußeren Handlungsanstöße mehr nötig sind, sie bleibt aber weiterhin vom individuellen Selbst separiert. Metaphorisch ausgedrückt: Regulator und Regulierter sind verschieden, ob¬ wohl sie beide ein und derselben Person innewohnen. Die introjizierte Regu¬ lierung beschreibt somit eine Form von Motivation, bei der die Verhaltens- 228 Thema: Lernmotivation weisen durch innere Kräfte kontrolliert oder erzwungen werden, die außerhalb des Kernbereichs des individuellen Selbst hegen. Man kann auch sagen, daß sie einem als external wahrgenommenen Ort der Handlungsverursachung zuge¬ ordnet werden (DcCharms 1968, Ryan/Connell 1989). Das Stadium der identifizierten Regulation ist erreicht, wenn eine Verhal¬ tensweise vom Selbst als persönlich wichtig oder wertvoll anerkannt wird. Man tut etwas nicht einfach deshalb, weil man das Gefühl hat, es tun zu sollen, sondern weil man es für wichtig hält. Diese persönliche Relevanz resultiert daraus, daß man sich mit den zugrunde liegenden Werten und Zielen identi¬ fiziert und sie in das individuelle Selbstkonzept integriert hat. Ein Beispiel für diesen Regulationsstil wäre ein Schüler, der sich auf das Abitur vorbereitet, weil ein bestimmtes Universitätsstudium anstrebt, ein Ziel, das er sich selbst er gesetzt hat. Das Gegenbeispiel wäre ein Schüler, der sich nur deshalb auf die Prüfungen vorbereitet, weil er meint, wie alle seine Freunde das Abitur ma¬ chen zu sollen und sich ohne diesen Schulabschluß minderwertig vorkäme (introjizierte Regulierung) oder weil seine Eltern es von ihm erwarten und entsprechenden Druck ausüben (externale Regulierung). Integrierte Regulation ist die Form der extrinsischen Motivation mit dem höchsten Grad an Selbstbestimmung. Sie ist das Ergebnis der Integration von Zielen, Normen und Handlungsstrategien, mit denen sich das Individuum identifiziert und die in das kohärente es Selbstkonzept integriert hat. Diese Form der integrierten Regulierung steht am Ende des Internalisierungsgesche- hens. Jemand kann sich z.B. sowohl mit der Rolle eines leistungstüchtigen Studenten als auch mit der eines guten Sportlers identifizieren, obwohl diese Rollen miteinander in Konflikt zu stehen schei¬ nen. Beide Auffassungen von sich selbst kann der Student aber durchaus integrieren, wenn er beide Wertorientierungen wichtig findet und seine Studienplanung bzw. die Auswahl der Freunde aufeinander abstimmt. In diesem Fall werden die beiden Wertsysteme mit anderen Aspekten des Selbst harmonieren. Durch die kreative Synthese wird die Realisierung der beiden Rollen möglich und ist frei von psychologischem Streß. Der integrierte Regulationsstil, der die eigenständigste Form extrinsischer Mo¬ tivation repräsentiert, bildet gemeinsam mit der intrinsischen Motivation die Basis des selbstbestimmten Handelns. Da sowohl die integrierte Regulation als auch die intrinsische Motivation Qualitäten besitzen, die Selbstbestimmung konstituieren, sind sie einander durchaus ähnlich. Der Unterschied ist, daß intrinsisch motivierte Verhaltensweisen autotelischer Natur sind, während in¬ tegriertes (extrinsisches) Verhalten eine instrumentelle Funktion besitzt, aber freiwillig ausgeführt wird, weil das individuelle Selbst das Handlungsergebnis subjektiv hoch bewertet.2 1.5 Ein motivationaler Zugang zum Selbstkonzept Eine wichtige Imphkation unserer Auffassung von einem integrierten Selbst ist, daß extrinsisch motivierte Prozesse das individuelle Selbst nur insoweit zum 2 Eine ähnliche Auffassung findet sich in der Person-Gegenstands-Theorie des Interesses (vgl. Krapp 1992 b) Deci/Ryan: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation 229 Ausdruck bringen, als sie in dessen Kernstruktur einverleibt worden sind. Deshalb sind z.B. introjizierte Regulationsmechanismen keine vollwertigen Bestandteile des Selbst, obwohl sie zum internalen Bestand der Person gehö¬ ren. Ein Regulationsprozeß ist dem individuellen Selbst nur dann wirklich zuzurechnen, wenn er als internal verursacht (DcCharms 1968, Ryan/Con- nell 1989) und als Basis selbstbestimmten Handelns erlebt wird. 2. Menschliche Bedürfnisse und die Bedeutung der sozialen Umwelt Im Laufe der Geschichte hat die Motivationsforschung v.a. drei Typen von Konzepten verwendet, um die Herkunft der motivationalen Handlungsenergie zu erklären: physiologische Bedürfnisse (oft auch als Triebe bezeichnet), Emo¬ tionen und psychologische Bedürfnisse. Die meisten kognitiven Motivations¬ theorien haben sich allerdings mit dieser zentralen Frage der Motivation gar nicht befaßt. Sie gehen einfach davon aus, daß der Mensch über eine hinrei¬ chende psychische Energie verfügt, um seine Ziele zu verfolgen. Die Theorie der Selbstbestimmung behauptet dagegen, daß menschliches Verhalten auf alle drei Energiequellen angewiesen ist. Von besonderer Bedeutung sind jedoch die psychologischen Bedürfnisse. Sie liefern nicht nur die energetische Grundlage vieler Alltagshandlungen, sondern beeinflussen v. a. diejenigen Prozesse, mit deren Hilfe der Mensch seine Triebe und Emotionen autonom steuert. Die Selbstbestimmungstheorie postuliert dreierlei angeborene psychologi¬ scheBedürfnisse, die für intrinsische und extrinsische Motivation gleicherma¬ ßen relevant sind (Deci/Ryan 1985): Bedürfnis nach Kompetenz oder Wirk¬ samkeit (effectance, White 1959), Autonomie oder Selbstbestimmung (De- Charms 1968) und soziale Eingebundenheit (social relatedness) oder soziale Zugehörigkeit (affiliation, Harlow 1958). Wir gehen also davon aus, daß der Mensch die angeborene motivationale Tendenz hat, sich mit anderen Personen in einem sozialen Milieu verbunden zu fühlen, in diesem Milieu effektiv zu wirken (zu funktionieren) und sich dabei persönlich autonom und initiativ zu erfahren. Intrinsisch motivierte Verhaltensweisen sind in erster Linie mit den Bedürfnissen nach Kompetenz und Selbstbestimmung verbunden (Deci 1975); extrinsisch motivierte Verhaltensweisen sind v. a. während ihrer Entwicklung mit allen drei Bedürfnissen verbunden (Deci/Ryan 1991; Ryan 1991). Das Konzept der angeborenen psychologischen Bedürfnisse ist für unsere Theorie ausmehreren Gründen zentral. Es liefert z.B. eine Antwort auf die Frage, warum bestimmte Handlungsziele motivierend sind. Wir vermuten, daß Personen deshalb bestimmte Ziele verfolgen, weil sie auf diese Weise ihre angeborenen Bedürfnisse befriedigen können. Die Spezialisierung primärer psychologischer Bedürfnisse liefert darüber hinaus wichtige Anhaltspunkte, um die Auswahl der Handlungsziele, d.h. die Intentionsbildung verstehen und erklären zu können. Weiterhin geben sie Hinweise auf Faktoren im sozialen Milieu, die für das Auftreten intrinsischer Motivation und die Entwicklung extrinsischer Motivation verantwortlich sind. Wir nehmen an, daß soziale Um¬ weltfaktoren, die den Heranwachsenden Gelegenheit geben, ihre Bedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit zu befriedigen, das Auftreten intrinsischer Motivation und die Integration extrinsischer Mo- 230 Thema: Lernmotivation tivation erleichtern. Soziale Umweltfaktoren, die die Befriedigung dieser Bedürfnisse behindern, hemmen diese Prozesse. Eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur befaßt sich mit den Auswir¬ kungen sozialer Umwelten auf Motivation und - in derFolge davon auf - Lernen und Entwicklung. In den folgenden Abschnitten geben wir eine Über¬ sicht über wichtige Forschungsergebnisse. Zunächst befassen wir uns mit den Einflüssen auf die intrinsische Motivation, im Anschluß daran auf Prozesse der Internalisation und Integration extrinsischer Regulationsmechanismen. 2.1 Die Bedeutung des sozialen Kontextes für die intrinsische Motivation Intrinsisch motivierte Verhaltensweisen und die Bedürfnisse nach Kompetenz und Autonomie stehen in einem integralen Zusammenhang (Deci 1975). In¬ trinsische Verhaltensweisen sind auf die Gefühle der Kompetenzerfahrung und Autonomie angewiesen; gleichzeitig tragen sie zur Entstehung dieser Gefühle bei. Die soziale Umgebung fördert somit das Auftreten intrinsischer Motiva¬ tion insoweit, als sie die Bedürfnisse nach Kompetenz und Autonomie unter¬ stützt. Dieser Sachverhalt wurde im Rahmen von zwei unterschiedlichen Forschungsansätzen näher untersucht. Laborexperimente analysieren den Ein¬ fluß bestimmter extrinsischer Maßnahmen, z.B. Belohnung oder kontrollie¬ rendes Feedback. Feldstudien im Klassenzimmer bzw. Elternhaus befassen sich mit der Auswirkung allgemeinerer Faktoren wie z.B. Sozialklima oder Zuwendung und Engagement der Bezugspersonen („Anteilnahme"). 2.1.1 Laborexperimente zum Einfluß externer Kontrollfaktoren Die ersten Studien über die Auswirkung externaler Belohnung auf die intrin¬ sische Motivation waren die bereits erwähnten Experimente, in denen Rück¬ meldungen aus der Umwelt systematisch manipuliert wurden (Deci 1971). Im allgemeinen ergab sich, daß kontrollierende Maßnahmen und Ereignisse, die als Druck erlebt werden, die intrinsische Motivation untergraben. Maßnahmen und Rückmeldungen, die dagegen als selbständigkeitsfordernd erlebt werden, die also Eigeninitiative und Wahlfreiheit unterstützen, halten intrinsische Mo¬ tivation aufrecht und verstärken sie. Mit einigen Einschränkungen haben diese Experimente gezeigt, daß materielle Belohnungen (Deci 1971,1972), Strafan¬ drohungen (Deci/Cascio 1972), Bewertungen (Smith 1974), Termindruck (AMABiLE/DeJoNG/LEPPER 1976), aufgezwungene Ziele (Mossholder 1980) und besondere Auszeichnungen (good play er awards, Lepper/Greene/Nisbett 1973) als eher kontrollierend erlebt werden und auf diese Weise intrinsische Motivation zerstören. Das Angebot von Wahlmöglichkeiten (Zuckerman/Po- rac/Lathin/Smith/Deci1978) und die Äußerung anerkennender Gefühle (Koestner/Ryan/Bernieri/Holt 1984) werden in der Regel als autonomieför¬ dernd wahrgenommen und steigern die intrinsische Motivation. In weiterführenden Untersuchungen konnte man allerdings nachweisen, daß die Wirkungsweise der kontrollierenden oder autonomieunterstützenden Maßnahmen durch zusätzliche Faktoren Deci/Ryan: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation 231 erheblich verändert werden kann. Wichtig ist z. B. die Art und Weise der Rückmeldung (Sprache, Ausdrucksweise). Leistungsabhängige Rückmeldungen, die in einem kontrollierenden Stil dargeboten werden, beeinträchtigen die intrinsische Motivation. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn Rückmeldung und B elohnung auf eine eher autonomieunterstützende Weise gegeben werden (Ryan/Mims/Koestner 1983; Koestner et al. 1984). 2.1.2 Experimente zur Kompetenzförderung Wenn eine Aktivität intrinsisch motiviert sein soll, muß sie für das Individuum ein optimales Anforderungsniveau besitzen (Deci 1975; Csikszentmihalyi 1975/dt. 1985). Dies ist der Fall, wenn zwischen den Anforderungen einer zielbezogenen Tätigkeit und dem aktuell gegebenen Fähigkeitsniveau eine op¬ timale Diskrepanz besteht und die zu bewältigende Aufgabe weder als zu leicht noch als zu schwer empfunden wird. Studien von Harter (1978) und Dan- ner/Lonky (1981) bestätigen diese Hypothese. Andere Studien zeigen, daß positives Feedback dazu tendiert, die wahrge¬ nommene Kompetenz zu stärken und die intrinsische Motivation zu steigern (Deci 1971). Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn das Feedback auf autonomiefördernde Art gegeben wird. Mit Hilfe positiver Rückmeldungen kann die intrinsische Motivation nur dann gesteigert werden, wenn sich das Feedback auf Sachverhalte bezieht, die aus einer selbstbestimmten Handlung resultieren und wenn es darüber hinaus nicht kontrollierend wirkt (Fisher 1978; Ryan 1982; Usui 1991). In diesem Fall sprechen wir von einem infor¬ mativen Feedback. Im Gegensatz dazu führt negatives Feedback, insbesondere wenn es in einem kontrollierenden Kontext mit kritisch bewertender Absicht gegeben wird, zu einer Reduktion der wahrgenommenen Kompetenz und beeinträchtigt somit die intrinsische Motivation (vgl. Deci/Cascio 1972; Vallerand/Reid 1984). Auf autonomieunterstützende Weise erteilt, kann negatives Feedback als Her¬ ausforderung aufgefaßt und als Hilfe erlebt werden, die dem Lerner zeigt, wie er die Aufgabe künftig besser bewältigen kann. In diesem Fall wird die intrin¬ sische Motivation eher gestärkt. Eine Reihe einflußreicher Autoren hält die Fähigkeit, ein Handlungsergeb¬ nis kontrollieren zu können und die daraus resultierenden Selbstwirksamkeits¬ erwartungen für eine wichtige motivationale Bedingung; manche sehen darin sogar den entscheidenden Faktor für die Entstehung und Beeinflussung von (intrinsischem) Interesse und die Qualität des Lernens (z.B. Bandura 1977; vgl. Beitrag von Krapp in diesem Heft). Die bereits erwähnten Forschungser¬ gebnisse von Ryan (1982) und anderen Autoren haben jedoch gezeigt, daß Selbstwirksamkeitserwartungen für das Entstehen intrinsischer Motivation zwar wichtig, aber keineswegs hinreichend sind. Nur wenn Gefühle der Kom¬ petenz und Selbstwirksamkeit zusammen mit dem Erleben von Autonomie auftreten, haben sie Einfluß auf die intrinsische Motivation (Connell/Well- born 1990; Deci/Ryan 1991; Ryan in Druck). 232 Thema: Lernmotivation 2.1.3 Feldstudien Deci/Schwartz/Sheinman/Ryan (1981) haben ein Maß für Autonomieförde¬ rung im Klassenzimmer entwickelt. Es läßt erkennen, inwieweit Lehrer auf kontrollierende oder autonomiefördernde Weise zu motivieren versuchen. Dieses Maß wurde in mehreren Feldstudien eingesetzt und zeigte, daß Kinder in autonomieunterstützenden Klassen, in denen der Lehrer z.B. häufiger auf die Lebensbezüge und Interessen der Schüler einging, häufiger Neugier zeig¬ ten, mit größerer Eigenständigkeit Probleme zu bewältigen versuchten und eine günstigere Selbsteinschätzung hatten als Schüler in kontrollierenden Klas¬ sen. Ryan/Grolnick (1986) fanden darüber hinaus, daß autonomieunterstüt¬ zendeLernumgebungen positiv mit (intrinsischem) Lerninteresse und wahr¬ genommener schulischer Kompetenz korrelieren. Diese Befunde gelten nicht nur für die Schule. Grolnick/Ryan (1989) haben auf der Grundlage von Elteminterviews untersucht, wie sich ein autonomiefördernder gegenüber einem stärker kon¬ trollierenden Erziehungsstil auf die Fähigkeit der Kinder auswirkt, selbstbestimmt zu handeln und Lernergebnisse autonom zu steuern. Der autonomiefördernde Erziehungsstil zeigt sich z. B. in der Bereitschaft, Wahlmöglichkeiten anzubieten und bei Entscheidungen die Perspektive des Kindes mit zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu ist der kontrollierende Erziehungsstil dadurch ge¬ kennzeichnet, daß relativ häufig externale Maßnahmen (Belohnungen, Strafen, psychologischer Druck) eingesetzt werden, um das Kind zu motivieren. Auch hier korreliert die elterliche Un¬ terstützung mit der selbstberichteten intrinsischen Motivation der Kinder positiv. Insgesamt bestätigen also die vorliegenden Befunde aus ganz unterschiedlichen Forschungslinien unsere Vermutung, daß die Unterstützung von Kompetenz- und Autonomieerfahrungen durch die soziale Umgebung eine wichtige Bedin¬ gung darstellt, um intrinsische Motivation herzustellen und aufrechtzuerhal¬ ten. 2.2 Die Bedeutung des sozialen Kontextes für die Internalisierung extrinsischer Motivation Der psychologische Prozeß der Internalisierung kann auf der Stufe der Intro- jektion stehen bleiben oder die Stufe der Integration erreichen. Der Mensch kann sich zwar kompetent und sozial eingegliedert fühlen, wenn sein Verhalten durch introjizierte Regulationsmechanismen gesteuert wird, aber selbstbe¬ stimmtes Handeln ist erst möglich, wenn die Regulationsmechanismen inte¬ griert worden sind. Unsere Forschung hat gezeigt, daß die Prozesse der Internalisierung und Integration gefördert werden, wenn „signifikante" Erwachsene das Autono¬ miebestreben der Heranwachsenden unterstützen und ihre innere Beteiligung zum Ausdruck bringen. Grolnick/Ryan (1989) konnten z. B. nachweisen, daß autonomieunterstützende Maßnahmen und persönliche „Anteilnahme" Ein¬ fluß auf die Selbständigkeit der Kinder im Rahmen ihrer Schularbeiten hatte. Schüler Elternhäusern mit relativ hoher Autonomieunterstützung und aus per¬ sönlicher Zuwendung zeigten höhere Grade an internalisierter Motivation und wurden von ihren Lehrern als kompetenter eingestuft. Unter kontrollierenden Bedingungen verblieben sie dagegen auf der Stufe der Introjektion. Das äußert Deci/Ryan: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation 233 sich u. a. in negativen Korrelationen zwischen dem Grad an selbstbestimmter Verhaltenssteuerung und positiver Selbsteinschätzung. 3. Selbstbestimmtes Lernen Wir berichten im folgenden von Untersuchungen, die den Einfluß der ver¬ schiedenen Motivationsprozesse auf Lernen und Leistung analysieren, d. h. die Aneignung und Integration von Wissen (Information) sowie die flexible und kritische Anwendung des Gelernten. Wir gehen davon aus, daß hochqualifi¬ ziertes Lernen nur durch ein vom individuellen Selbst ausgehendes Engage¬ ment erreicht werden kann. Mit anderen Worten: Effektives Lernen ist auf intrinsische Motivation und/oder integrierte Selbstregulation angewiesen. Die gleichen sozialen Faktoren, die zur Steigerung von intrinsischer Motivation und integrierter extrinsischer Motivation beitragen, sollten deshalb auch hoch¬ qualifiziertes Lernen unterstützen. 3.1 Der Einfluß selbstbestimmter Motivation auf das Lernen Ryan/Connell/Plant (1990) baten Versuchspersonen, einen kurzen Text zu lesen. Gleichzeitig wurde das (thematische) Interesse an diesem Text erfaßt und gefragt, ob es Spaß gemacht habe, den Text zu lesen. Im Anschluß daran wurden sie unerwarteterweise über den Inhalt des Textes geprüft. Sie erfuhren davon erst nach der Lesephase und der Bearbeitung der erwähnten Fragebö¬ gen. Zwischen dem Interesse und der subjektiven Einschätzung des Textver¬ ständnisses sowie dem tatsächlich erreichten Lernerfolg ergaben sich hohe Korrelationen. Dieser Befund legt den Schluß nahe, daß die intrinsische Lern¬ motivation auf der Grundlage eines Interesses am Lerngegenstand eine wich¬ tige Bedingungsvariable des Lernens darstellt. Auch von anderen Autoren durchgeführte Untersuchungen zeigen, daß Interesse positiv mit der Verarbei¬ tung eines Textes und somit mit der Lernqualifät korreliert (vgl. zusammen¬ fassend Krapp 1992). Grolnick/Ryan (1987) stellten bei Hauptschülern fest, daß höhere Grade an Selbstbestimmung relativ eng mit (verständnisvollem) konzeptuellem Lernen verbunden war. Auch Grolnick/Ryan/Deci (1991) fan¬ den positive Korrelationen zwischen einer auf Selbstbestimmung beruhenden Motivation der Schüler und den Daten objektiven und aus subjektiven Lei¬ stungsmessungen. Dieser Befund wird von anderen Studien indirekt unterstützt. Valle- rand/Bissonnette (in Druck) haben z.B. festgestellt, daß kontrollierte Formen der Motivation (externe oder introjizierte Regulation) sehr viel häu¬ figer zu einem vorzeitigen Schulabbruch führen als autonome Formen der Motivation (intrinsische Motivation und integrierte Regulation). In einer Stu¬ die von Ryan/Connell (1989) berichteten Kinder mit introjizierter und mit identifizierter Regulation gleichermaßen, sie hätten sich Mühe gegeben. Auch nach Aussagen der Eltern waren beide Gruppen stark motiviert. Aber es zeigte sich, daß Introjektion eher mit Schulangst und unzureichender Bewältigung von Versagenserlebnissen nach Mißerfolg korrelierte, während Identifikation 234 Thema: Lernmotivation sehr viel stärker mit (fachlichem) Interesse, Freude an der Schule und guter Bewältigung von Mißerfolgen in Verbindung stand. Halten wir fest: Lernmotivation kann sowohl durch (äußere) Kontrollme¬ chanismen als auch durch selbstbestimmte Formen der Verhaltensregulation erzeugtwerden. Mit qualitativ hochwertigen Lernergebnissen ist v. a. dann zu rechnen, wenn die Motivation durch selbstbestimmte Formen der Handlungs¬ regulation bestimmt wird. 3.2 Der Einfluß von Autonomieunterstützung und Kontrolle auf die Qualität des Lernens Grolnick/Ryan (1987) haben die These aufgestellt, daß autonomieunterstüt¬ zende im Vergleich zu kontrollierenden Lernumgebungen die Bereitschaft zu einer Tiefenverarbeitung des Lernstoffs erhöhen und deshalb ein stärker inte¬ griertes Wissen und ein insgesamt höherer Kompetenzgrad erworben wird. In einer empirischen Untersuchung wurden drei situative Bedingungen miteinan¬ der verglichen. Bei der nicht direktiven Bedingung (erste Gruppe) sollten die Schüler eine Textpassage lesen, um anschließend lediglich zu berichten, wie interessant sie den Text fanden. Im Rahmen einer ersten direktiven Lernbe¬ dingung (zweite Gruppe) verhielten sich die Lehrer autonomieunterstützend und zeigten den Schülern, daß sie persönlich an ihrem Lernfortschritt interes¬ siert sind. In einer zweiten direktiven Lernbedingung (dritte Gruppe), verhiel¬ ten sich die gleichen Lehrer kontrollierend, indem sie den Schülern jeweils zu Anfang mitteilten, daß sie die Lernergebnisse prüfen und benoten würden. Nach der Lektüre des Textes wurden alle Schüler getestet. Die Ergebnisse zeigten, daß die kontrollierende Lernumgebung (dritte Gruppe) verglichen mit den beiden anderen hinsichtlich des konzeptuellen (verständnisvollen) Ler¬ nens die mit Abstand schwächsten Leistungen erbrachte. Gemessen am aus¬ wendig gelernten Wissen erzielten zwar die Schüler dieser Gruppe ebenso wie die Schüler aus der autonomieunterstützenden Lernumgebung (zweite Grup¬ pe) bessere Leistungen als die Schüler der nicht-direktiven Gruppe, aber die Vergessensrate war hier auch am höchsten: Der längerfristige Lernerfolg der kontrollierten Gruppe lag nach mehreren Wochen nur noch auf dem Niveau der nicht angeleiteten Lerngruppe. Am erfolgreichsten erwies sich die Lern¬ bedingung „Autonomieunterstützung" (Gruppe 2). Die Schüler dieser Gruppe erzielten die besten konzeptuellen Lernergebnisse und zeigten die höchste längerfristige Behaltensleistung. Drei kürzlich an japanischen Realschulen durchgeführte Experimente (Kage 1991; Kage/Namiki 1990) konnten die Befunde von Grolnick/Ryan (1987) replizieren. U. a. konnte in diesen Studien nachgewiesen werden, daß die Schüler unter kontrollierenden Lernbedingungen (Ergebnisse von fünf Zwischenprüfungen dienten der offiziellen Benotung eines wichtigen Schulfachs) weniger Interesse bekundeten, ihre fachliche Kompetenz geringer einschätzten und größere Angst ver¬ spürten als Schüler, bei denen die gleichen Zwischenprüfungen mit dem Hinweis durchgeführt wurden, daß die Ergebnisse nur der eigenen Rückmeldung dienen und keinen Einfluß auf die Benotung haben (autonomieunterstützende Lernbedingung). Die Leistung der kontrollierten Schüler war übrigens in drei der fünf Zwischenprüfungen und in einer Schlußprüfung signifikant schlechter als die Leistung der Schüler aus der autonomieunterstützenden Lernumgebung. Deci/Ryan: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation 235 Diese Befunde legen den Schluß nahe, daß benotete Leistungsprüfungen in der Schule, als die weitesten verbreiteten Mittel zur Kontrolle der Lernmoti¬ am vation, „Schüsse in den Ofen" sind. Sie rufen nicht nur negative affektive Reaktionen hervor, sondern bewirken darüber hinaus auch ein qualitativ schlechteres Lernverhalten. Amabile (1983) berichtet von Forschungsbefunden über den Zusammen¬ hang Kontrollbedingungen, intrinsischer Motivation und Kreativität. In von ihren Studien wurde die Kreativität künstlerischer Produkte auf der Grundlage einer durch Konsens hergestellten Bewertung (consensual assessment) erfaßt. Wenn Künstler ihre Werke unter kontrollierenden Bedingungen herstellen (z.B. Wettbewerbe, Preisausschreiben) wird das Ergebnis dieser Arbeiten im Durchschnitt als weniger kreativ eingeschätzt als Werke, die ohne kontrollie¬ renden Druck entstanden sind. Auch dieser Befund kann so interpretiert werden, daß die Motivation für qualitativ hochwertige Leistungen dann am höchsten ist, wenn Kontrollbedingungen minimiert und die Unterstützung der Autonomie optimiert wird. Ryan/Powelson (1991) haben Befunde zusammengetragen, die auf die Be¬ deutung der Verhaltensweisen der Eltern für das Lerngeschehen hinweisen. In einer Studie von Ryan/Stiller/Lynch (1991) erwies sich die Qualität der Be¬ ziehungen eines Schülers zu seinen Eltern und Lehrern als signifikanter Prädiktor für verschiedene Kriterien der schulischen Leistungsfähigkeit. Dar¬ über hinaus stand die wahrgenommene Beziehungsqualität in einer engen Wechselwirkung zur Einschätzung der Autonomieunterstützung durch Eltern und Lehrer und ihrer erlebten (persönlichen) Anteilnahme. Schüler, die sich darüber im unklaren waren, hatten häufiger das Gefühl, daß die Erwachsenen für sie kein Engagement aufbringen oder sie vergleichsweise stark kontrollie¬ ren. Dies deutet darauf hin, daß anteilnehmende und autonomieunterstüt¬ zende Eltern es ihren Kindern erleichtern, zu ihnen wie zu den Lehrern positive Beziehungen zu entwickeln, und daß die Qualität dieser sozialen Beziehungen auf allen Ebenen des Lerngeschehens eine wichtige Rolle spielt (Ryan/Powel- son 1991). 4. Ausblick Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation macht geltend, daß Menschen den intrinsischen (angeborenen) Wunsch haben, ihre Umwelt zu erforschen, zu verstehen und „in sich aufzunehmen" (assimilieren). Die Motivation zur akti¬ ven Auseinandersetzung mit der Umwelt ist bereits in den frühesten Stadien der Entwicklung gegeben und braucht keine Anleitungen und äußeren Zwän¬ ge. Sie ist eine wesentliche Grundlage für den Erwerb kognitiver Fähigkeiten und bestimmt zugleich die Entwicklung des individuellen Selbst (Ryan 1992). Wir sind überzeugt, daß optimales Lernen unmittelbar an die Entwicklung des individuellen Selbst geknüpft ist und gleichzeitig von der Beteiligung des Selbst abhängt. Eine Lernmotivation, die nicht den Prinzipien des individuel¬ len Selbst entspricht, z. B. weil sie von außen aufoktroyiert wird, beeinträchtigt 236 Thema: Lernmotivation die Effektivität des Lernens und behindert zugleich die Entwicklung des indi¬ viduellen Selbst. Umwelten, in denen wichtige Bezugspersonen Anteil nehmen, die Befrie¬ digung psychologischer Bedürfnisse ermöglichen, Autonomiebestrebungen des Lerners unterstützen und die Erfahrung individueller Kompetenz ermög¬ lichen, fördern die Entwicklung einer auf Selbstbestimmung beruhenden Motivation. Die Erfahrung, eigene Handlungen frei wählen zu können, ist der Eckpfeiler dieser Entwicklung. Entscheidend ist auch die eigene Wertschät¬ zung des Handlungsziels auf der Basis intrinsischer oder integrierter extrinsi¬ scher Motivation. Im Gegenzug bewirkt die engagierte Aktivität des Selbst eine höhere Lernqualität und fördert zugleich die Entwicklung des individu¬ ellen Selbst. Verantwortlich für alle diese Prozesse sind letztendlich die sozialen Bedingungen, die das Bestreben nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit unterstützen oder verhindern. Literatur Abramson, L.Y./Seligman, M.E.P./Teasdeale, I.D.: Learned helplessness in humans: Critique and reformulation. Journal of Abnormal Psychology 87 (1978), S. 49-74. Amabile, T. M.: The social psychology of creativity. New York 1983. Amabile, T. M./De Jong, W./Lepper, M.R.: Effects of externally imposed deadlines on subse¬ quent intrinsic motivation. Journal of Personality and Social Psychology 34 (1976), S. 92-98. Bandura, A.: Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review 84 (1977), S. 191-215. Connell, J. P./Wellborn, J. G.: Competence, autonomy and relatedness: A motivational analysis of self-system processes. 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Furthermore, it can be shown that the social has a positive impact environment of both school and family plays an important role in the development of self- determined motivation. In a final paragraph, the authors discuss consequences for pedagogical practice. Anschrift der Autoren Prof. Dr. Edward L. Deci & Prof. Dr. Richard M. Ryan, University of Rochester, Department of Psychology, River Station, Rochester, New York 14627, USA

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