Vergleichende Politikwissenschaft - Demokratie und Demokratisierung PDF

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University of St. Gallen

Prof. Oliver Strijbis

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comparative politics political science democracy political development

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This document is a lecture on comparative politics, focusing on the topic of democracy and democratization. The document discusses different theories and concepts related to democratization, including the role of culture and elite behavior in the process. It also includes empirical data, analysis and examples to support arguments.

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Vergleichende Politikwissenschaft Demokratie und Demokratisierung: Anwendungen Prof. Oliver Strijbis 1 Nachtrag zu letzter Vorlesung In der letzten Vorlesung haben wir… … Demokratie konzeptualisiert … Varianten von Dem...

Vergleichende Politikwissenschaft Demokratie und Demokratisierung: Anwendungen Prof. Oliver Strijbis 1 Nachtrag zu letzter Vorlesung In der letzten Vorlesung haben wir… … Demokratie konzeptualisiert … Varianten von Demokratie unterschieden … Varianten von Autoritarismus unterschieden … Theorien zum Zusammenhang von wirtschaftlicher Entwicklung und Demokratisierung gelernt … haben wir noch nicht über kulturelle und Eliten-basierte Theorie von Demokratisierung gesprochen => jetzt! 2 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (9) 2. Kultur und Demokratisierung: Die Postmaterialismustheorie betont bereits die Rolle von Kultur für Demokratisierung, Werte sind hier aber endogen zu Wohlstand Eine stärker kulturalistische Erklärung versteht Kultur als weitgehend exogen zur Wirtschaft Ein Beispiel dafür ist Huntington’s These vom Einfluss von Kultur auf Demokratisierung 3 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (10) 2. Kultur und Demokratisierung: Kultur als «Zivilisationen» (Huntington): - Zivilisationen als Kulturräume, in denen gleiche Werte geteilt werden. - Einteilung basiert stark auf Religionen. - Unterteilung von Huntington: 1. Westliche Zivilisation. 2. Lateinamerika. 3. Orthodoxe Welt: ex-Sowjetunion, ex-Jugoslawien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Rumänien. 4. Der Osten: Mischung aus: Buddhismus, chinesische Zivilisation, Hinduismus, japanische Zivilisation 5. Muslimische Welt. 6. Subsaharisches Afrika. 7. „Einzelne‟ Länder: Israel. 4 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (11) Abbildung: Zivilisationen nach Huntington 5 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (12) 2. Kultur und Demokratisierung: Wie beeinflusst die Kultur die Demokratisierung nach Huntington? - Demokratie gedeiht am ehesten in Kulturen mit historischen Erfahrungen mit Individualismus, religiösem Pluralismus und politischem Liberalismus (westliche Kulturen). - Nicht-westliche Kulturen (wie islamische oder konfuzianische Gesellschaften) stossen aufgrund von Werten, die im Widerspruch zu Demokratie stehen (z. B. Hierarchie, Kollektivismus) auf kulturelle Hindernisse bei der Demokratisierung - Bemühungen für die Demokratisierung nicht-westlicher Gesellschaften werden als Aufzwingen westlicher Werte empfunden 6 2. Wann kommt es zu Demokra>sierung? (13) Abbildung: Negativer Effekt von Anteil Muslime auf Demokratisierung, ausser man kontrolliert für Öl-Einkommen (Geelmuyden Rød, Knutsen & Hegre 2019) 7 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (15) 3. Verhalten der Eliten: Konflikt als Ursprung: Demokrage als Kompromiss Strukturelle und ökonomische Voraussetzungen für neue Demokragen sind häufig schlecht Der Transigonsprozess: - Öffnung eines autoritären Regimes (Liberalisierung) bringt einen Prozess in Gang - Demokra;sierung ist o< das Ergebnis ausgehandelter Vereinbarungen zwischen Eliten, die versuchen, ihre Interessen durch geteilte Macht zu schützen (ähnlich wie bei Ungleichheits-Theorie) - Die Präferenzen der Eliten sind exogen und müssen nicht ökonomisch determiniert sein - Modellierung des strategischen Verhaltens der Akteure basierend auf ihren Präferenzen in Verhandlungsprozessen 8 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (16) Was ist das Gegenteil von Demokra;sierung? 9 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (17) 10 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (18) Eigene Umfrage zu US-Wahlen in der Schweiz: Teil einer Online-Befragung (CAWI) Zeitraum: 12.6. – 24.6.2024 Stra3fizierte S3chprobe aus wahlberechOgter Bevölkerung in der Schweiz: Altersverteilung, Geschlecht, Sprachgruppe und Bildung entspricht in etwa der Schweizer Wahlbevölkerung. 1132 ausgefüllte Fragebögen Qualität auf Geschwindigkeit und Konsistenz überprüX Gewichtung nach soziodemographischen und poliOschen Variablen Bei einer 50:50 Antwort beträgt die Fehlermarge ca. 3% 11 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (19) Abbildung: Ist die US-Demokrage bei einer Wahl von Donald Trump in Gefahr? In Prozent (%) Überhaupt nicht in Gefahr Eher nicht in Gefahr 8 10 10 28 44 Weiss nicht Eher in Gefahr Sehr in Gefahr 0 20 40 60 80 100 Prozent 12 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (20) Abbildung: Ist die US-Demokratie bei einer Wahl von Donald Trump in Gefahr? Nach Geschlecht in Prozent (%) Frau Überhaupt nicht in Gefahr Eher nicht in Gefahr Weiss nicht Eher in Gefahr Sehr in Gefahr Mann 0 20 40 60 80 100 Prozent 13 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (21) Abbildung: Ist die US-Demokratie bei einer Wahl von Donald Trump in Gefahr? Nach Alter in Prozent (%) 18−34 Jahre Überhaupt nicht in Gefahr Eher nicht in Gefahr 35−54 Jahre Weiss nicht Eher in Gefahr Sehr in Gefahr 55−74 Jahre 0 20 40 60 80 100 Prozent 14 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (22) Abbildung: Ist die US-Demokratie bei einer Wahl von Donald Trump in Gefahr? Nach Ausbildung in Prozent (%) Primär Überhaupt nicht in Gefahr Eher nicht in Gefahr Sekundär Weiss nicht Eher in Gefahr Sehr in Gefahr Tertiär 0 20 40 60 80 100 Prozent 15 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (23) Abbildung: Ist die US-Demokratie bei einer Wahl von Donald Trump in Gefahr? Nach Sprachregion in Prozent (%) Deutschshweiz Überhaupt nicht in Gefahr Eher nicht in Gefahr Weiss nicht Eher in Gefahr Sehr in Gefahr Lateinische Schweiz 0 20 40 60 80 100 Prozent 16 2. Wann kommt es zu Demokra>sierung? (24) Abbildung: Ist die US-Demokratie bei einer Wahl von Donald Trump in Gefahr? Nach links-rechts Selbstverortung in Prozent (%) 0 1 2 3 Überhaupt nicht in Gefahr 4 Eher nicht in Gefahr 5 Weiss nicht Eher in Gefahr 6 Sehr in Gefahr 7 8 9 10 0 20 40 60 80 100 Prozent 17 2. Wann kommt es zu Demokra>sierung? (25) Abbildung: Ist die US-Demokratie bei einer Wahl von Donald Trump in Gefahr? Nach Parteipräferenz in Prozent (%) SVP SP FDP Überhaupt nicht in Gefahr Mitte Eher nicht in Gefahr Weiss nicht Grüne Eher in Gefahr Sehr in Gefahr GLP Andere Keine 0 20 40 60 80 100 Prozent 18 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (26) Ziblak and Levitskys: How Democracies Die: Demokrage ist nicht nur Insgtugonen, sondern auch Normen (Toleranz der Gegner, keine Ausreizung der Macht) Gefahr geht von extremen Parteien aus, insbesondere Populisten Entscheidend ist, ob gemässigte Parteien mit Populisten Allianz eingehen Sie stärken damit nur die Populisten und verlieren möglicherweise Kontrolle Demokragsches Backsliding durch populisgsche Führer, insbesondere durch Unterwanderung der Gewaltenteilung 19 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (27) Kriterin dafür, ob poligsche Führer eine Gefahr für die Demokrage sind: Ablehnung demokragscher Regeln (Wahlen, Verfassung) Verneinung der Legigmität der poligschen Gegner Toleranz oder Ansgmung zu poligscher Gewalt Vorhaben Grundrechte zu beschneiden (z.B. Pressefreiheit, Rechte der Opposigon, etc.) 20 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? (28) Schluss: Unterscheidung Autoritarismus vs. Demokratie Minimale Definition von Demokratie vs. drei Idealtypen von Demokratie Gibt es ein neuer Regimetypus von «Wahlautoritarismus» oder «illiberaler Demokratie» Konzeptualisierungen von Pfaden zur Demokratie Theorien der Demokratisierung Kann der demokratische Backlash mit den Demokratisierungstheorien erklärt werden? 21 Inhalte heute: 1. Demokra*e: Gibt es ein universelles Verständnis von Demokra3e? Wie sehr unterscheiden sich Demokra3en in der Realität? Gibt es eine “demokra3sche Rezession”? 2. Wann kommt es zu Demokra*sierung? Führt wirtschaPliche Entwicklung wirklich zu Demokra3e? Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? 22 Lernziele Die Studierenden verstehen den Unterschied zwischen wissenschaftlicher Konzeptualisierung und Alltagsverständnis (mit Bezug auf Demokratie). Die Studierenden verstehen den Unterschied zwischen (demokratischen) Idealtypen und empirischen Beobachtungen. Die Studierenden verstehen einen einfachen Hypothesentest zu einer Theorie der Demokratisierung. Die Studierenden verstehen die Logik der Fallauswahl bei den unterschiedlichen Anwendungen. 23 1. Demokratie Erinnerung an Konzeptualisierung von Typen von Demokratie: Wahldemokratie als minimale Demokratie Drei Idealtypen: - Liberale Demokratie - Radikale/partizipative Demokratie - Deliberative Demokratie 24 Gibt es ein universelles Verständnis von Demokra>e? (1) Gibt es einen weltweiten Konsens darüber, was mit Demokratie gemeint wird? (Chu, Williamson, and Yeung 2024): Theorie: - Das Konzept der Demokratie ist umstritten: Autoritäre Führer versuchen, es neu zu definieren. - Acht verschiedene Konzeptualisierungen von Demokratie: Wahldemokratie, liberale Demokratie, institutionelle Demokratie, populistische Demokratie, loyale Demokratie, substanzielle Demokratie, technokratische Demokratie und direkte Demokratie - Autoritäre Führer versuchen, Demokratie mit Populismus, Loyalismus, Technokratie oder effektiver Regierungsführung gleichzusetzen - Wahldemokratie, liberale/institutionelle Demokratie und direkte Demokratie entsprechen unseren Idealtypen; kein deliberativer Typ 25 Gibt es ein universelles Verständnis von Demokra>e? (2) Gibt es einen weltweiten Konsens darüber, was mit Demokratie gemeint wird? (Chu, Williamson, and Yeung 2024): Methodik - Fallauswahl: Sechs Länder mit grosser Varianz in Bezug auf Geographie und Niveau von Demokratie: Italien, Japan, USA, Indien, Ägypten und Thailand (=> MDSD!) - Sozial stratifizierte (~ repräsentative) Umfragen - Conjoint Experiment: 1. Befragten wurden zwei hypothetische Ländern vorgelegt, die Informationen zu neun Attributen enthielten, die mit den Demokratietypen (s. letzte Folie) in Verbindung stehen 2. Attribute wurden randomisiert 3. Respondenten mussten sagen, welches Land sie demokratischer finden 4. Sechs Durchgänge pro RespondentIn 26 Gibt es ein universelles Verständnis von Demokratie? (3) Abbildung: Akribute zur Messung der unterschiedlichen Verständnisse von Demokrage 27 Gibt es ein universelles Verständnis von Demokratie? (4) Abbildung: Die Menschen betrachten Wahlen und bürgerliche Freiheiten durchweg als zentrale Bestandteile der Demokrage 28 Gibt es ein universelles Verständnis von Demokratie? (5) Gibt es einen weltweiten Konsens darüber, was mit Demokratie gemeint wird? (Chu, Williamson, and Yeung 2024): Resultate - Es gibt ein globales Verständnis von Demokratie - Dieses Verständnis entspricht am ehesten einer minimalen Definition von Demokratie als Wahldemokratie - Das liberale Element der institutionellen Begrenzung durch Gewaltenteilung und Checks and Balances wird nicht als zentral wahrgenommen - Direktdemoratische Elemente ebenfalls nicht - Der Grad an Demokratie wird teilweise aufgrund der Effektivität der Regierung mit Bezug auf Wirtschaft und Gesellschaft (Gleichstellung) beurteilt («output legitimacy») 29 Inhalte heute: 1. Demokra*e: Gibt es ein universelles Verständnis von Demokra3e? Wie sehr unterscheiden sich Demokra3en in der Realität? Gibt es eine “demokra3sche Rezession”? 2. Wann kommt es zu Demokra*sierung? Führt wirtschaPliche Entwicklung wirklich zu Demokra3e? Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? 30 Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? (1) Messung von Demokratie nach V-DEM: Expertenbefragung Aggregierung von Items auf vier Abstraktionsebenen (=> Leiter der Abstraktion!) Seit französischer Revolution Alle Länder Hohe Korrelation mit anderen Demokratieindizes 31 Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? (2) Beispiel eines Items 32 Wie sehr unterscheiden sich Demokra>en in der Realität? (3) Abbildung: Welche Länder entsprechen einer Wahldemokratie? 33 Wie sehr unterscheiden sich Demokra>en in der Realität? (4) Abbildung: Welche Länder entsprechen einer liberalen Demokratie? 34 Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? (5) Abbildung: Welche Länder entsprechen einer radikalen (par]zipa]ven) Demokra]e? 35 Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? (6) Abbildung: Welche Länder entsprechen einer delibera]ven Demokra]e? 36 Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? (7) Finde den Unterschied! 37 Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? (8) Wieso korrelieren diese Indexe so stark miteinander? ! Demokratie vs. Autokratie: Allen Demokratietheorien ist Beteiligung des Volkes an Entscheidung (Volkssouveränität) gemein. ! Die Demokratietypen sind teilweise komplementär (z.B. Deliberative Demokratie mit liberaler Demokratie) ! Die Demokratieindexe entsprechen Demokratietheorien nur teilweise (Bsp. radikale/partizipative Demokratie) ! Einige Demokratietheorien sind noch nicht annähernd umgesetzt (Bsp. deliberative Demokratie) 38 Inhalte heute: 1. Demokra*e: Gibt es ein universelles Verständnis von Demokra3e? Wie sehr unterscheiden sich Demokra3en in der Realität? Gibt es eine “demokra3sche Rezession”? 2. Wann kommt es zu Demokra*sierung? Führt wirtschaPliche Entwicklung wirklich zu Demokra3e? Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? 39 Gibt es eine “demokratische Rezession”? (1) Zur Erinnerung: Was ist das Gegenteil von Demokratisierung? 40 Gibt es eine “demokra>sche Rezession”? (2) Drei Wellen der DemokraOsierung (HunOngton 1991): Erste Welle: 1828-1926: Nordamerika, Westeuropa; Rückschlag: 1922-42 Zweite Welle, 1943-62: Europa, Japan, Lateinamerika, Afrika; Rückschlag: 1958-75 Drike Welle, 1974- : Südeuropa, Lateinamerika, Afrika, Asien, Osteuropa; Rückschlag: ? 41 Gibt es eine “demokra>sche Rezession”? (3) Abbildung: Globale Durchschnittswerte für Wahldemokratie 42 Gibt es eine “demokratische Rezession”? (4) Abbildung: Erste Welle in Europa und Nordamerika 43 Gibt es eine “demokratische Rezession”? (5) Abbildung: Zweite Welle in Westuropa, Afrika (?) und Lateinamerika (?) 44 Gibt es eine “demokratische Rezession”? (6) Abbildung: Dritte Welle in Schwellen- und Entwicklungsländern 45 Inhalte heute: 1. Demokra*e: Gibt es ein universelles Verständnis von Demokra3e? Wie sehr unterscheiden sich Demokra3en in der Realität? Gibt es eine “demokra3sche Rezession”? 2. Wann kommt es zu Demokra*sierung? Führt wirtschaPliche Entwicklung wirklich zu Demokra3e? Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? 46 2. Wann kommt es zu Demokra>sierung? Abbildung: Einkommen und Grad an Demokratie (Treisman 2020) 47 Führt wirtschaftliche Entwicklung wirklich zu Demokratie? (1) Tabelle: Dutzende von Studien und keine klare Antwort (entweder positiver oder kein Effekt) 48 Führt wirtschaSliche Entwicklung wirklich zu Demokra>e? (2) Neue Reviews: Broderstad (2017) finden keinen Effekt in einer Meta-Analyse von 33 Studien Gelmuyden Rod, Knutsen und Hegre (2019) finden für 1960-2015, dass Einkommen sowohl DemokraOsierung (Effekt aber unsicher) als auch demokraOsche Stabilität erklärt. Treisman (2020) findet, dass - Ansgeg von Einkommen Demokragsierung und demokragsche Stabilität mit 10-20 Jahren Verzögerung erklärt - Es den Effekt aber nur bis etwa in die 1960 gibt (d.h. nur für 1. und 2. Welle) 49 Führt wirtschaSliche Entwicklung wirklich zu Demokra>e? (3) Abbildung: Wechsel von Führerschaft und Effekt von Einkommen auf Demokratie (Treisman 2020) 50 Inhalte heute: 1. Demokratie: Gibt es ein universelles Verständnis von Demokratie? Wie sehr unterscheiden sich Demokratien in der Realität? Gibt es eine “demokratische Rezession”? 2. Wann kommt es zu Demokratisierung? Führt wirtschaftliche Entwicklung wirklich zu Demokratie? Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? 51 Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? (1) Methode: Analyse von «Ausreissern» Für Ölstaaten quanOtaOv möglich, da mehrere Fälle Für Singapur nur Fallstudie sinnvoll (=> most likely case) 52 Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? (2) Weshalb sind viele Ölstaaten nicht demokratisch (Akhmadov 2013, u.a.)? Staat hat hohe Einnahmen ohne hohe Steuern (Gegenteil von «no taxation without representation») Hohe Einnahmen und tiefe Steuern führen auch zu grosser sozialer Ungleicheit Grosse Gefahr von Umverteilung für Eliten, erlaubt starke Repression Fehlende Industrialisierung und Einbindung von Frauen in die Arbeitswelt, wenig Investition in Bildung Nicht-demokratische Ölstaaten sind auch mehrheitlich muslimische Staaten (siehe Huntington; Scheinkorrelation zw. Öl und Demokratie) 53 Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? (3) Aber was ist mit Singapur? «Spin dictators»: Lee Kuan Yew ein neues, weniger gewalttätiges Modell der Autokratie entwickelt hat, bei dem die Amtsinhaber Informationen manipulieren, um sich die Unterstützung zu sichern (Guriev und Treisman 2023) Ein sehr starker Staat bereits vor den letzten Führungswechseln Angst vor ethnischen Spannungen bei Demokratisierung Asiatische Kultur gibt Hierarchie und Kollektivismus mehr Wert (siehe Huntington) Doch können diese Erklärungen generalisiert werden? 54 Und was ist mit Singapur und den Ölstaaten? (4) Schluss: Konzeptualisierungen von Demokratie: Politikwissenschaftlich und im Alltag In der Praxis geht es primär um mehr vs. weniger Demokratie, nicht um welche Demokratie Es scheint eine «Demokratie-Rezession» zu geben, aber ist es ein Trend? Wirtschaftliche Entwicklung hatte wohl einen Effekt auf Demokratisierung, aber heute auch noch? Was erklärt die Ausnahmen der MENA-Ölstaaten und Singapurs? Einige Hypothesen, aber es fehlt die Generalisierung 55

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