Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie - 2. Einheit - 17.10.2024 PDF

Document Details

LeanConnemara4437

Uploaded by LeanConnemara4437

Universität Wien

2024

Mag. Dr. Birgit Leidenfrost & Mag. Dr. Julia Riegler

Tags

psychological research ethics in research psychology educational psychology

Summary

This document contains lecture notes from a psychology class at Universität Wien, titled "VO STEOP: Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie". The session was held on October 17, 2024. It covers the topics of scientific methodology and research ethics in psychology.

Full Transcript

VO STEOP: Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Mag. Dr. Birgit Leidenfrost & Mag. Dr. Julia Riegler Photo by Aaron Burden on Unsplash (2) Forschungs- und wissenschaftsethische Grenzen der Psychologie, VO-Einhei...

VO STEOP: Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Mag. Dr. Birgit Leidenfrost & Mag. Dr. Julia Riegler Photo by Aaron Burden on Unsplash (2) Forschungs- und wissenschaftsethische Grenzen der Psychologie, VO-Einheit am 17.10.2024 Forschungsethik Entwicklung ethischer Normen in Psychologie und Wissenschaft Wissenschaftsethik 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 1 Prüfungsrelevante Literatur, VO-Einheit (2) Felnhofer, A., & Heurix, I. (2011). Eine Geschichte der Ethik in der Psychologie. In A. Felnhofer, O. D. Kothgassner, & I. Kryspin-Exner (Hrsg.), Ethik in der Psychologie (S. 34-44). UTB/Facultas. Kapitel 4 Forschungs- und Wissenschaftsethik aus Döring (2023) 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 2 Forschungs- und Wissenschaftsethik Photo by Nathan Dumlao on Unsplash Begriffsbestimmungen Ethik = Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen; reflektiert, untersucht, hinterfragt die Moral (griech. Ethos „Sitte“) → Gegenstand der Ethik ist die Moral Warum ist etwas richtig ? hinterfragt die Moral Moral = Die z. B. in einer Gesellschaft und Zeitepoche gepflegten Werte und Normen; es gibt mehrere solcher Wert- und Normensysteme ist Was richtig ? Forschungsethik: Untersuchungsteilnehmende sollen in ihrer Würde und ihrem Wohlergehen geschützt werden. Weder Menschen noch Tiere sollen für wissenschaftliche Zwecke im Zuge empirischer Studien in unethischer Weise missbraucht oder geschädigt werden. Wissenschaftsethik: Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn soll den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis folgen und überprüfbar sein. Forschungsergebnisse sollen nicht unkritisch behauptet, erfunden oder gestohlen werden. 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 4 Heinz-Dilemma Die Geschichte handelt von einem Mann namens Heinz, dessen Frau sterbenskrank ist. Der einzige Apotheker der Stadt hat ein Medikament entwickelt, das die Frau heilen könnte. Der Apotheker verkauft das Medikament für den zehnfachen Preis, den ihn die Herstellung kostet, und er ist nicht bereit, Heinz das Medikament zu einem geringeren als den veranschlagten Preis zu verkaufen. Trotz zahlreicher Bemühungen gelingt es Heinz nicht, ausreichend Geld zu beschaffen, um das Medikament kaufen zu können. Verzweifelt bricht Heinz in die Apotheke ein und stiehlt das Medikament für seine Frau. Photo by marianne bos on Unsplash 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 5 Heinz-Dilemma Hätte Heinz in die Apotheke einbrechen sollen, um das Medikament für seine Frau zu stehlen? Wieso bzw. wieso nicht? Wie würden Sie handeln? Wie würden Sie Ihr Handeln begründen? Photo by marianne bos on Unsplash 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 6 ethische Grund- prinzipien Stufentheorie der Recht auf Leben L Gesetz Moralentwicklung Gesellschaft = kognitive Entwicklungstheorie aufrecht erhalten Lawrence Kohlberg (1927-1987) Was mir wird erwartet von ! Kohlberg, L. (1995). Die Psychologie der Moralentwicklung. Suhrkamp. Eigennutzen Strafen vermeiden https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Kohlberg_Model_of_Moral_Development.svg 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 7 Welche ethischen Problemfelder psychologischer Forschung vermuten Sie? Warum braucht es in der psychologischen Forschung eine Forschungsethik? Kurzer Austausch mit Sitznachbar*in, 2 min 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 8 Notwendigkeit psychologischer Ethik Notwendigkeit anhand von vier Charakteristika der Psychologie Spezielle Methoden psychologischer Behandlung, Forschung, Diagnostik Arbeit mit vulnerablen Populationen (z.B. Kinder, ältere Menschen…) Entwicklung neuer Techniken und Anwendungen (z.B. Einbezug des Internets in Forschung und Behandlung) Berufsethos (Ausbildung einer professionsbezogenen Sprache und Identität) Verhaltenskodex > - 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 9 Ethische Problemfelder in der psychologischen Forschung Bezogen auf psychologische Forschung generell Täuschungsexperiment Induktionsexperiment: Stress, Frustration Schmerzapplikation Psychologische Experimente mit Tieren Forschung bei nicht-einwilligungsfähigen Personen (Kinder, Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung,…) … 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 10 Ethische Problemfelder in der psychologischen Forschung Speziell bezogen auf klinisch-psychologische Forschung Therapiestudie und das Kontrollgruppenproblem Placebo Vorenthalten effektiver Therapien Forschung mit traumatisierten Personen > - Es können neue Traumas auftreten Einhalten der Verschwiegenheitspflicht internet-basierte Interventionen … → Rolle von Ethikkommissionen 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 11 Welche berühmten Experimente/Studien kennen Sie, die nach heutigen ethischen Standards nicht mehr durchgeführt werden könnten? 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 12 Geschichte der Ethik in der Psychologie Felnhofer & Heurix, 2011, S. 35, Abb. 2 Meilensteine auf dem Weg zur heutigen Ethik 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 13 Little-Albert-Experiment Durchführung: John B. Watson & Rosalie Rayner, 1920, John-Hopkins-University Klassische Konditionierung emotionaler Reaktionen https://www.youtube.com/watch?v=9hBfnXACsOI Methodische Grenzen Fallbeschreibung – kein Einzelfallexperiment statistischer Nachweis fehlt systematische Kontrolle der Variablen fehlt beschränkt auf intersubjektive Beobachtungen Ethische Grenzen mangelnde Aufklärung der Mutter enorme Stressbelastung der Versuchsperson Gegenkonditionierung und fehlende Nachuntersuchung, Langzeitfolgen sehr junges Alter der Versuchsperson Watson, J. B., & Rayner, R. (1920). Conditioned emotional reactions. Journal of Experimental Psychology, 3(1), 1–14. 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 14 Little-Albert-Experiment Durchführung: John B. Watson & Rosalie Rayner, 1920, John-Hopkins-University Klassische Konditionierung emotionaler Reaktionen https://www.youtube.com/watch?v=9hBfnXACsOI Methodische Grenzen Fallbeschreibung – kein Einzelfallexperiment statistischer Nachweis fehlt systematische Kontrolle der Variablen fehlt beschränkt auf intersubjektive Beobachtungen Ethische Grenzen Forschungsethik mangelnde Aufklärung der Mutter enorme Stressbelastung der Versuchsperson Fehlende Gegenkonditionierung und Nachuntersuchung, evtl. Langzeitfolgen sehr junges Alter der Versuchsperson Watson, J. B., & Rayner, R. (1920). Conditioned emotional reactions. Journal of Experimental Psychology, 3(1), 1–14. 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 15 Milgram-Experiment der Gehorsamkeit Durchführung: Stanley Milgram (1961 und Replikationen), Yale University Ziel: Studie zu blindem Gehorsam; untersucht wurde die Bereitschaft, autoritären Anweisungen Folge zu leisten, selbst wenn sie im Widerspruch zum eigenen Gewissen stehen. Ursprüngliches Ziel: Verbrechen aus der NS-Zeit sozialpsychologisch erklären Versuchsdesign: Ein „Lehrer" (= Versuchsperson) versetzte einem „Schüler" (= Schauspieler) bei Fehlern in der Zusammensetzung von Wortpaaren jeweils einen elektrischen Schlag. Versuchsleiter (= Schauspieler) gab dazu Anweisungen. Die Intensität des elektrischen Schlages sollte nach jedem Fehler um 15 Volt erhöht werden. Ausschnitt aus dem Film "I wie Ikarus“ (1979): https://www.youtube.com/watch?v=0MzkVP2N9rw Milgram, S. (1964). Group pressure and action against a person. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 69(2), 137–143. 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 16 Milgram-Experiment der Gehorsamkeit Zentrale sozialpsychologische Erkenntnisse: Normativer sozialer Einfluss Autoritätsstrukturen: unter bestimmten Bedingungen ist der Mensch nicht bereit, seinem Gewissen zu folgen, sondern einer Autorität autoritäre Führungsstile Gehorsamkeit Durchbrechen moralischer Grenzen bei gewöhnlichen Bürger*innen 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 17 Milgram-Experiment der Gehorsamkeit Methodische Grenzen keine zufällige Stichprobe, Zeitungsinserat, Belohnung → keine gesicherte Aussage über Repräsentativität Schauspieler ist nicht wirklich authentisch: bei hohem Elektroschock hören die „Lehrer“ Schreie, kurz danach wird der nächste Erinnerungstest abgefragt und „Schüler“ antwortet mit normaler Stimme Effekte, die Experiment beeinflussen können, nicht berücksichtigt: ◦ Hawthorne-Effekt: ich weiß, es ist ein Experiment, allein dies ändert meine Einstellung und Verhalten ◦ Pygmalion-Effekt: Erwartung des VL hat unterschwelligen Effekt auf Verhalten der VP Ethische Grenzen Täuschung der teilnehmenden Personen → keine freie Entscheidung über Teilnahme möglich → erfordert „Debriefing“ nach Teilnahme Starke psychische Belastung während der Testsituation → Gefahr einer (kurzzeitigen) Traumatisierung durch die Testsituation Einschränkung der Möglichkeit, dass jederzeit abgebrochen werden kann 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 18 Stanford-Prison-Experiment Durchführung: Philip Zimbardo (1971), Stanford University Ziel: Erklärung, inwieweit situationsbezogene bzw. dispositionsbezogene Verhaltensattributionen für entsprechendes Verhalten von Bedeutung sind Erwartung: neue Erkenntnisse zur sozialen Dissonanztheorie bzw. zu Theorien direkter zwischenmenschlicher Macht und Autorität vs. Rebellion, Rollenkonformität & Kontrolle Weitere Informationen und Einblicke: https://www.youtube.com/watch?v=GePFFf5gRKo https://www.youtube.com/watch?v=uaOO8QuL9DI (Filmtrailer „Das Experiment“) https://zimbardo.socialpsychology.org/ https://www.prisonexp.org/ Haney, C., Banks, W. C., & Zimbardo, P. G. (1973). Interpersonal dynamics in a simulated prison. International Journal of Criminology and Penology, 1, 69-97. 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 19 Stanford-Prison-Experiment Methodische Grenzen Das Gefängnis ist von den Wärtern nicht als real wahrgenommen worden, und diese haben ihre stereotypen Vorstellungen vom Gefängnisleben in ihrem Verhalten umgesetzt; Reproduzierbarkeit des Experiments nicht gegeben, unter anderem wurde Solidarisierung zwischen Gefangenen und Wärtern beobachtet; Versuchsleiter war gleichzeitig als leitender Vollzugsbeamter im Rollenspiel aktiv und konnte die ihm unterstellten Wärter aktiv beeinflussen, was von Wärtern im Nachhinein bestätigt wurde: dass sie nur gespielt hätten, um die Erwartungen zu erfüllen. Ethische Grenzen Zustimmung der teilnehmenden Personen unter vollständiger Information gegeben? Mangelnder Informed Consent (z. B. Video-Aufnahmen) Vorhersehbarkeit der Eskalation der Situation Versuchsplan sieht Verletzung der Würde der Teilnehmenden (Gefangenen) vor – ethisch gerechtfertigt? Kritische Auseinandersetzung mit dem Experiment in aktueller Studie https://www.youtube.com/watch?v=KND_bBDE8RQ 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 20 Geschichte der Ethik in der Psychologie Felnhofer & Heurix, 2011, S. 35, Abb. 2 Meilensteine auf dem Weg zur heutigen Ethik 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 21 Entwicklung ethischer Normen in Medizin, Psychologie und Forschung Nürnberger Kodex (1947) 10 ethische Prinzipien, Grundlage für weitere Kodizes Präambel: „Im Gedenken an die Opfer gewissenloser Menschenversuche, des Massenmordes an psychisch kranken und behinderten Menschen und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit, deren sich deutsche Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus schuldig gemacht haben [...]“ APA Ethics Code of Condect (1952) 1964 American Psychologist publiziert sehr einflussreichen Artikel Baumrind, D. (1964). Some thoughts on ethics of research: After reading Milgram's "Behavioral Study of Obedience." American Psychologist, 19(6), 421–423. https://doi.org/10.1037/h0040128 → führt zu einer Überarbeitung der ethischen Richtlinien für die psychologische Forschung. Deklaration von Helsinki (1964) WMA–World Medical Association https://www.wma.net/policies-post/wma-declaration-of-helsinki-ethical-principles-for- medical-research-involving-human-subjects/ →Für Forschung relevant! 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 22 Aktuelle ethische Normen in Psychologie und Forschung APA Ethical Principles of Psychologists and Code of Conduct (1952/2002/2010/2016) American Psychological Association, https://www.apa.org/ethics/code DGPs & BDP Ethische Richtlinien (2002/2022) Ethische Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. und des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. https://www.dgps.de/die-dgps/aufgaben-und-ziele/berufsethische-richtlinien/ BÖP Ethikrichtlinien (2002/2020) Richtlinie des Bundesministeriums für Gesundheit, auf Grundlage eines Gutachtens des Psychologenbeirates; Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) https://www.boep.or.at/berufspolitik/ethikrichtlinien 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 23 DGPs Ethische Richtlinien 7. Psychologie in Forschung und Lehre https://www.dgps.de/die-dgps/aufgaben-und-ziele/berufsethische-richtlinien/ 7.1 Wissenschaftsfreiheit und gesellschaftliche Verantwortung 7.2 Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis 7.3 Grundsätze für Forschung und Publikation (7.3.2 bis 7.3.15 deutsche Adaptation der ethischen Richtlinien der APA, Standards 3.10 und 8.01 bis 8.15) (1) Forschung mit Menschen (2) Förmliche Bewilligungen (3) Auf Aufklärung basierende Einwilligung in die Forschung (4) Auf Aufklärung basierende Einwilligung für das Aufnehmen von Stimmen oder Bildern im Rahmen eines Forschungsvorhabens (5) Klientinnen und Klienten/Patientinnen und Patienten, Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie Psychologinnen und Psychologen unterstellte Personen als Forschungsteilnehmerinnen und – teilnehmer (6) Verzicht auf eine auf Aufklärung basierende Einwilligung in die Forschung 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 24 DGPs Ethische Richtlinien 7. Psychologie in Forschung und Lehre https://www.dgps.de/die-dgps/aufgaben-und-ziele/berufsethische-richtlinien/ (7) Anreize zur Teilnahme an Forschungsvorhaben (8) Täuschung in der Forschung (9) Aufklärung der Forschungsteilnehmerinnen und Forschungsteilnehmer (10) Verantwortungsvoller Umgang mit Tieren in der Forschung (11) Darstellung von Forschungsergebnissen (12) Plagiate (13) Kennzeichnung des Leistungsanteils an einer Forschungsarbeit in Publikationen (14) Weitergabe von Forschungsdaten zum Zweck der Überprüfung (15) Gutachterinnen und Gutachter (16) Online-Forschung (Psychologinnen und Psychologen beachten die Richtlinien 7.3.1 bis 7.3.15 auch bei Online-Forschung.) 7.4 Lehre, Fort- und Weiterbildung, Supervision 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 25 APA Ethical Principles of Psychologists and Code of Conduct Section 8: Research and Publication 8.01 Institutional Approval 8.08 Debriefing 8.02 Informed Consent to Research 8.09 Humane Care and Use of Animals in 8.03 Informed Consent for Recording Voices Research and Images in Research 8.10 Reporting Research Results 8.04 Client/Patient, Student, and 8.11 Plagiarism Subordinate Research Participants 8.12 Publication Credit 8.05 Dispensing with Informed Consent for 8.13 Duplicate Publication of Data Research 8.14 Sharing Research Data for Verification 8.06 Offering Inducements for Research Participation 8.15 Reviewers 8.07 Deception in Research 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 26 Einhaltung ethischer Richtlinien Ethikkommission - Beispiel Universität Wien Die Universität Wien bekennt sich zu verantwortungsbewusster Forschung mit Respekt vor der Würde von Mensch und Tier sowie Respekt vor der Umwelt. Die von der Universität Wien eingerichtete Ethikkommission überprüft auf Antrag der Wissenschafter*innen Forschungsprojekte vor ihrem Beginn auf mögliche ethische Problemfelder. https://www.univie.ac.at/forschung/weitere-informationen/gute-wissenschaftliche-praxis/ → https://ethikkommission.univie.ac.at/mission-statement/ Immer häufiger: Studien vorab durch eine Ethikkommission genehmigen lassen, damit überhaupt Publikation zur Studie möglich ist 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 27 Ethischer Umgang mit Untersuchungspersonen Drei Grundprinzipien Freiwilligkeit und informierte Einwilligung („informed consent“) → ausdrückliches Einverständnis zur Studienteilnahme muss gegeben werden Schutz vor Beeinträchtigung und Schädigung ◦ keine besonderen physischen/psychischen Beeinträchtigungen erleiden ◦ kurzfristig wie übliche Befindlichkeitsschwankungen im Alltag/bei Alltagsgesprächen ◦ Evtl. Benachteiligung oder Bevorzugung bei Interventions- und Evaluationsstudien relevant Anonymisierung und Vertraulichkeit der Daten ◦ Daten anonym erhoben ◦ personalisierte Rohdatenmaterial wird vertraulich behandelt, nur von autorisierten Personen zugänglich ◦ Datenaufbereitung →Anonymisierung der aufbereiteten Datensätze 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 28 Informierte Einwilligung: „Informed Consent“ Zweck der Forschung erwartete Dauer der Untersuchung und das Vorgehen Recht darauf, die Teilnahme abzulehnen/sie zu beenden, auch wenn die Untersuchung schon begonnen hat absehbare Konsequenzen der Nicht-Teilnahme oder der vorzeitigen Beendigung der Teilnahme absehbare Faktoren, von denen man einen Einfluss auf die Teilnahmebereitschaft erwarten kann, z. B. potenzielle Risiken oder mögliche anderweitige negative Auswirkungen, die über alltägliche Befindlichkeitsschwankungen hinausgehen voraussichtliche Erkenntnisgewinn durch die Untersuchung Gewährleistung von Vertraulichkeit und Anonymität sowie ggf. deren Grenzen mögliche Aufwandsentschädigung und/oder Bonus für die Teilnahme Kontaktdaten (der verantwortlichen Person) Adressen für Hilfsangebote (bei Schwierigkeiten) 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 29 Informed Consent Wann und wie? Aufklärung am Anfang (Briefing) Jedenfalls Aufklärung am Ende (Debriefing), wenn unverzerrte Ergebnisse erforderlich ◦ legitime Täuschung der Untersuchungsteilnehmenden über das Thema der Studie Aufklärungs-/Informationsbogen empfohlen Besonders genaue Aufklärung erforderlich Innovative Maßnahmen Audio-/Videoaufzeichnungen Abhängigkeitsverhältnis zu Forschenden (z. B. Patient*in) Einwilligungsfähigkeit eingeschränkt/nicht vorhanden, z. B. wg. Alter 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 30 Wann kann/darf auf die informierte Einwilligung verzichtet werden? Kurzer Austausch mit Sitznachbar*in, 2 min 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 31 Ausnahmen und Besonderheiten Legitimer Verzicht auf informierte Einwilligung bei risikolosen Studien ◦ z. B. routinemäßige anonyme Befragungen wie LV-Evaluation, Verhaltensbeobachtung an öffentlichen Orten, Sammeln öffentlicher Dokumente non-reaktive Methoden ? Legitime Täuschung der Untersuchungsteilnehmer*innen über das Thema der Studie zwecks unverzerrter Ergebnisse ◦ Über Zielsetzung im Unklaren lassen (passive Täuschung) ◦ Aktiv falsche Informationen geben (aktive Täuschung) →Nur in Ausnahmefällen, Nachteile müssen ausgeschlossen sein, Debriefing nach der Studie! Angemessene Anreize ◦ Es sollte niemand rein aus finanziellen Gründen an der Studie teilnehmen → keine echte Freiwilligkeit 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 32 Forschungsethik → Wissenschaftsethik Forschungsethik relevant, wenn Untersuchungsteilnehmer*innen einbezogen werden → empirische Primärstudien Wissenschaftsethik relevant bei JEDER wissenschaftlichen Arbeit (auch studentische Arbeiten!) 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 33 Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis Wissenschaftsethische Regeln sind bei jeder einzelnen wissenschaftlichen Arbeit von Bedeutung (gilt auch für studentische Arbeiten!) Prinzipien wissenschaftlicher Integrität und Redlichkeit ◦ „Regeln der Wissenschaft“ („state of the art“) anwenden, z. B. Einhaltung der wissenschaftlichen Gütekriterien, sonst Wissenschaftsfälschung ◦ (selbst)kritische Reflexion von Forschungsergebnissen & Peer-Review-Prozess ◦ Primärdaten sollen gesichert, mindestens zehn Jahre lang aufbewahrt werden ◦ korrekte Zitation anstelle von Plagiarismus, faire Festlegung der Autor*innenschaft von Publikationen ◦ Keine Sabotage der Forschungstätigkeit von Konkurrent*innen 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 34 Wissenschaftsethik in den berufsethischen Richtlinien (11) Darstellung von Forschungsergebnissen (a) Psychologinnen und Psychologen erfinden und fälschen keine Daten. (b) Falls Psychologinnen und Psychologen bedeutsame Fehler in von ihnen veröffentlichten Daten entdecken, unternehmen sie alle Schritte, um diese Fehler zu korrigieren, und zwar durch Berichtigung, Zurückziehen, Erratum oder andere angemessene Publikationsmittel. (c) Daten, die schon früher veröffentlicht wurden, veröffentlichen Psychologinnen und Psychologen nicht als Originaldaten. Dies schließt nicht aus, dass Daten wieder veröffentlicht werden, wenn dies durch einen entsprechenden Hinweis klargestellt wird. https://www.dgps.de/die-dgps/aufgaben-und-ziele/berufsethische-richtlinien/ 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 35 Beispiel für Wissenschaftsfälschung „I failed as a scientist“ – Diederik Stapel Sozialpsychologe Diederik Stapel, Universität Tilburg. Seit 2004 bei mindestens 30 von mehr als 150 Datensätzen nicht nur Datenmanipulation, sondern auch Erfindung von ganzer Datensätze. Er erzählte beispielsweise seinen Co-Autoren, er erhebe Daten in Schulen, die auf Diskretion bestünden und die er daher nicht nennen dürfe. Um glaubwürdig zu wirken, packte er Fragebögen und Süßigkeiten –als Belohnung für seine Versuchsteilnehmer*innen – in sein Auto. Die Versuche fanden nie statt. Anstelle dessen fertigte Stapel die Datensätze selbst an. Wurde 2011 suspendiert bis August 2013 insgesamt 54 Publikationen zurückgezogen Für Interessierte zum Weiterlesen: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/04/hochstapler-betrug-wissenschaft 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 36 Aus Stapels Autobiographie Was logisch erschien und ausgedacht war, wurde wahr. Ich machte Menschen glücklich. Ich gab ihnen, was sie von mir erwarteten. Ich zeigte ihnen, dass die Welt logisch und vorhersehbar war. Ich gab meinen Mitarbeitern mehr Stoff für einen besseren und schöneren Lebenslauf, damit sie fit waren für den Arbeitsmarkt. Ich spielte Gott und konnte nur überleben, weil ich es für mich selbst behielt und stark daran glaubte. Es war alles wahr. Ich wurde noch einsamer. Ich wurde mir selbst fremd. Ich hatte immer mehr zu verbergen und trug immer mehr Geheimnisse mit mir rum. Download der ins Englische übersetzten Autobiographie: http://nick.brown.free.fr/stapel/ 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 37 Wissenschaftsfälschungen Warum Wissenschaftsfälschung? ◦ starker Publikations- und Vermarktungsdruck ◦ mangelndes Ansehen von Replikationsstudien Siehe auch https://www.dgps.de/aktuelles/details/machtmissbrauch-in-der-wissenschaft-und-wissenschaftliches- fehlverhalten-ein-strukturelles-problem/ Wenn empirische Forschungsergebnisse bewusst in Richtung eines Wunschergebnisses manipuliert werden (z.B. gezielte Eliminierung hypothesenkonträrer Fälle oder geschönte Darstellung von Befunden; „data falsification“, „data massaging“) Wenn gar keine empirischen Daten erhoben, sondern die Ergebnisse erfunden wurden (z.B. simulierte Datensätze; „data fabrication“) Für Interessierte: https://orf.at/stories/3001761/ (Interview mit Philip Zimbardo, Artikel vom 27.09.2018) 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 38 Fragwürdige Forschungspraktiken Abzugrenzen vom gezielten und offensichtlichem Wissenschaftsbetrug Vorgehensweisen im Graubereich, die vielfach nicht als Betrug empfunden werden ◦ HARKing (Hypothesizing after results are known) ◦ Vergleichsgruppen erst im Zuge der Datenanalyse festgelegt ◦ p-Hacking & Signifikanzfischen − Z. B. nur Variablen einbezogen, die signifikante Ergebnisse liefern − So lange erheben, bis Signifikanz gefunden wurde − So lange auswerten, bis Signifikanz gefunden wurde ◦ Selection-Bias: Was überhaupt zur Publikation eingereicht wird ◦ Willkürliche Extremwertbehandlung ◦ Unvollständige Bereitstellung von Materialien und Informationen ◦ Publication-Bias: Was passiert mit Nicht-Befunden? ◦ Replication-Bias: Replikationsstudien schwer publizierbar 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 39 Abbildung aus: Brachem et al., 2022, S. 7 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 40 Wissenschaftsfälschungen + Fragwürdige Forschungspraktiken = Glaubwürdigkeitskrise der psychologischen Forschung Mögliche Lösungen Daher: →Open Science (Open Access, Open Method, Open Data) →Positive Forschungspraktiken, z. B. Poweranalyse, Preregistrierung →Replikationsstudien Für Interessierte: „Diskussionsforum: Replikationskrise, p-hacking und Open Science“ Psychologische Rundschau, Jahrgang 73, Heft 1, 2022. https://econtent.hogrefe.com/toc/pru/73/1 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 42 Wie geht es weiter? Nächste Vorlesungseinheit am 24.10.2024 „Hypothesen und ihre Überprüfung in der quantitativen Forschung. Oder: WENN nicht Psychologie, was DANN?“ 17.10.2024 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 43 VO STEOP: Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Mag. Dr. Birgit Leidenfrost & Mag. Dr. Julia Riegler Photo by Aaron Burden on Unsplash (3) Hypothesen und ihre Überprüfung in der quantitativen Forschung, VO-Einheit am 24.10.2024 Was sind Hypothesen? Hypothesenarten Hypothesenprüfung: Der Signifikanztest Probleme des Signifikanztests 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 1 Prüfungsrelevante Literatur, VO-Einheit (2) Kapitel 2.2 Das quantitative Paradigma und der Kritische Rationalismus: daraus 2.2.1, 2.2.2, 2.2.8 & 2.2.9 Kapitel 5 Forschungsthema: daraus 5.1, 5.2 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 2 WENN nicht Psychologie, was DANN? "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-NC-ND 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 3 Schritte im Forschungsprozess Entstehen eines Erkenntnisinteresses (welches Thema, welches Merkmal interessiert mich?) Sammlung verfügbaren Wissens Entwicklung einer Fragestellung/Hypothese Planung einer Untersuchung (Untersuchungsstrategie/-art, Datenerhebungsmethode, Wahl der Stichprobe) Durchführung der Untersuchung (= Erhebung der Daten) Auswertung der Daten Interpretation/ Schlussfolgerungen aus der Untersuchung Mitteilung der Untersuchung Döring, 2023, S. 27, Abbildung 1.1 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 4 Forschungs-ABC Forschungsthema = Nennung eines Untersuchungsgegenstandes Forschungsproblem = zentrale Fragestellung ◦ Inhaltliche Eingrenzung ◦ Bezug zum empirischen Forschungsstand, z. B. Forschungslücke ◦ Wahl der Theorie(n) ◦ Wahl der Methode(n) →Ableiten von Forschungshypothesen, die sich auf etablierte Theorien oder gesicherte empirische Befunde stützen →Oder ohne ausreichend gesichertes Vorwissen → Forschungsfragen 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 5 Beispiel zum Forschungs-ABC Döring, 2023, S. 153 - Tabelle 5.1 (mittleres Beispiel) 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 6 Was sind Hypothesen? Hypothese (griech.) = Unterstellung, Vermutung Eine Vermutung/Annahme ist dann als wissenschaftliche Hypothese zu verstehen, wenn sie folgende Kriterien erfüllt, (1) sich auf empirisch untersuchbare Sachverhalte beziehen (Empirie) (2) widerspruchsfrei und präzise sein (zumindest implizit die Form eines Konditionalsatzes annehmen können) (wenn-dann, je-desto) (3) durch Erfahrungen potenziell widerlegbar = falsifizierbar sein (Falsifizierbarkeit) (4) theoriegeleitete Behauptung sein, die VOR der Datenerhebung formuliert wurde 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 7 Was sind Hypothesen? (1) Realer Sachverhalt (Empirie) Gymnasiast*innen zeigen bessere Ergebnisse in einem Leistungstest als Mittelschüler*innen. (2) „wenn-dann“ Struktur (zumindest implizit) Wenn Kinder aufs Gymnasium gehen, dann zeigen sie bessere Ergebnisse in einem Leistungstest, als wenn sie in eine Mittelschule gehen. (3) Falsifizierbarkeit → Es müssen Ereignisse denkbar sein, die dem Konditionalsatz widersprechen. Gymnasiast*innen haben schlechtere Ergebnisse in einem Leistungstest als Mittelschüler*innen. 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 8 Achtung: Was ist empirisch nicht falsifizierbar? Wenn etwas nicht zur Beobachtungswirklichkeit gehört (z. B. Gott) Existenzaussagen → „Es-gibt-Sätze“ (z. B. Es gibt Kinder, die niemals weinen.) Kann-Sätze (z. B. Bei starkem Zigarettenkonsum kann es zu Lungenkrebs kommen.) Normative Aussagen (z. B. Widdergeborene sollten im Jänner auf ihre Finanzen achten.) Tautologische Aussagen (z. B. Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt, wie es ist.) Kontradiktorische Aussagen, sind immer unwahr (z. B. Wenn eine Person keinen Wein trinkt, dann trinkt sie Chardonnay.) 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 9 Beispiele für Hypothesen Je mehr Freund*innen Jugendliche haben, desto mehr Zeit verbringen Sie auf Social-Networking-Sites im Internet. Mit zunehmender Müdigkeit sinkt die Konzentrationsfähigkeit. Je schöner das Wetter ist, desto lieber gehen Wiener*innen spazieren. Kinder, die ein eigenes Fernsehgerät in ihrem Zimmer haben, schauen mehr fern als Kinder ohne eigenen Fernseher im Zimmer. Diese Behauptungen erfüllen alle genannten Kriterien; sind daher Hypothesen. 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 10 Hypothesen @ Verifikation und Falsifikation Wissenschaftliche Hypothesen in der Psychologie (generell in den Sozialwissenschaften) können nicht … … vollständig geprüft (verifiziert) werden. Falsifikationsprinzip Es ist nicht möglich, alle Fälle (Population) zu untersuchen, schon gar nicht für alle Zeiten → Untersuchungen erfolgen anhand eines Ausschnitts (Stichprobe), von dem aus auf die Population geschlossen wird. Wissenschaftliche Hypothesen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen! 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 11 Hypothesen @ Verifikation und Falsifikation Wissenschaftliche Hypothesen können nicht......durch Einzelfälle/Gegenbeispiele, die der Hypothese widersprechen, widerlegt werden (falsifiziert). Der auf dem Falsifikationsprinzip basierende Erkenntnisfortschritt besteht in der Eliminierung falscher bzw. schlecht bewährter Hypothesen (Theorien). Nicht falsifizierte Hypothesen (Theorien) sind nicht wahr, sondern gelten nur als vorläufig angenommen. Konträre Einzelfälle sind explizit zugelassen! 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 12 SRS – Hypothesenquiz 1 Gehen Sie bitte wieder auf srs.univie.ac.at Beim Raum geben Sie ein: 6274 1766 Wählen Sie aus: 2. Quiz Hypothesen 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 13 Hypothesenarten Ausgangspunkt: Voruntersuchungen, Beobachtungen, theoretische Überlegungen, Theorie 1. Forschungshypothesen: Formulieren mit Hilfe klar definierter theoretischer Konstrukte Annahmen über … Unterschiede: Zwei (oder mehr) Populationen unterscheiden sich hinsichtlich eines (oder mehrerer) Merkmale. Ausprägung ↓ Zusammenhänge: Zwischen zwei oder mehr Merkmalen besteht ein Zusammenhang. Veränderungen: Die Ausprägungen eines (oder mehrerer) Merkmale verändert sich im Laufe der Zeit. Die Merkmale werden als Variablen bezeichnet. 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 14 Beispiele für Forschungshypothesen Unterschied: Studierende der Sozialwissenschaften und Studierende der Naturwissenschaften unterscheiden sich in ihrer Arbeitshaltung im Studium. Zusammenhang: Zwischen dem Einsatz von Lernstrategien und dem Lernerfolg besteht ein positiver Zusammenhang. Veränderung: Das inhaltliche Interesse an der beruflichen Ausbildung nimmt im Verlauf der Ausbildung zu. 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 15 Hypothesenarten 2. Operationale Hypothesen: Angaben über Operationalisierung der Konstrukte (→ messbar machen der Konstrukte zur Untersuchungsplanung) Z.B. Unterschied: Sozialwissenschaften: 100 zufällig ausgewählte Studierende der Universität Wien Naturwissenschaften: 100 zufällig ausgewählte Studierende der Universität Wien Arbeitshaltung im Studium: Fragebogen XY 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 16 Hypothesenarten 3. Statistische Hypothesen: Beziehen sich wieder auf Populationen und deren Parameter! Z.B. Unterschied: „Die Population der Studierenden der Naturwissenschaften unterscheidet sich in ihrer Arbeitshaltung im Studium im Mittel von der Population der Studierenden der Sozialwissenschaften.“ (→ μ1 ≠ μ2) 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 17 Statistische Hypothesen Die statistische Hypothese… prognostiziert das Ergebnis einer empirischen Untersuchung erklärt (durch theoretischen Hintergrund) den untersuchten Effekt Statistische Hypothesen bestehen aus einem komplementären Hypothesenpaar (Neyman & Pearson, 1928): Nullhypothese (H0) Alternativhypothese (H1) 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 18 Statistische Hypothesen Alternativhypothese (H1) nennt sich die Idee, die wir beweisen wollen. Alternativhypothese: «Die neue Lernmethode XYZ ist besser als die etablierte Methode.» H1: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 > 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 Der Beweis geschieht, indem wir das Gegenteil widerlegen: Nullhypothese (H0) H0 konkurriert mit H1 und behauptet, dass ein H1-Effekt nicht existiert: «H0 ist alles, was H1 nicht ist» … 𝐻0 ≙ ¬𝐻1 H0: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 ≤ 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 19 Wir testen gegen H0! H0 ist nicht das erwartete Ergebnis (z. B. «neue Lernmethode bringt nichts»), dennoch wird von H0 vorläufig ausgegangen … bis wir H0 widerlegen = falsifizieren können … wir setzen H0 voraus und suchen Beweise gegen H0 (Status Quo) … H0 ist eine Art Baseline, gegenüber der wir abschätzen, wie plausibel H1 ist D.h. «Wie wahrscheinlich ist es, dass ich dieses Testergebnis erhalten hätte, wenn H0 zutrifft?» 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 20 Wir testen gegen H0! H0 ≙ Unschuldsvermutung vor Gericht Angeklagte*r ist un-/schuldig, aber wir kennen die Wahrheit nicht sammelt und gewichtet Beweise (entscheidet auf Grundlage von Wahrscheinlichkeiten) Beweise müssen über einen berechtigten Zweifel hinaus überzeugend sein um die Unschuldsvermutung abzulehnen ALT … ganz viele Personen, die mit der neuen Methode Häufigkeit NEU gelernt haben, schneiden besser ab … würde unsere H0 gelten («neue Lernmethode bringt nichts»), wäre so ein Ergebnis nicht sehr wahrscheinlich Lernleistung 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 21 Ungerichtete vs. gerichtete Hypothesen Je nach Erkenntnisstand kann eine ungerichtete oder gerichtete Hypothese formuliert werden: Ungerichtete Hypothese → eher wenig theoretisches Vorwissen Gerichtete Hypothese → postuliert eine Richtung des Unterschieds etc. Wichtig: H1 und H0 müssen einander gegenseitig ausschließen, d.h. alle möglichen Ergebnisse abdecken! 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 22 Ungerichtete vs. gerichtete Hypothesen Je nach Erkenntnisstand kann eine ungerichtete oder gerichtete Hypothese formuliert werden: Ungerichtete Hypothese → eher wenig theoretisches Vorwissen «Die neue Lernmethode XYZ unterscheidet sich von der etablierten Methode.» H1: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 ≠ 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 vs. H0: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 = 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 Gerichtete Hypothese → postuliert eine Richtung des Unterschieds «Die neue Lernmethode XYZ ist besser als die bisherige etablierte Methode.» H1: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 > 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 vs. H0: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 ≤ 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 «Je höher die Blutalkoholkonzentration, desto niedriger die Konzentrationsfähigkeit.» H1: 𝐾𝑜𝑛𝑧𝑉𝑖𝑒𝑙𝐴𝑙𝑘 < 𝐾𝑜𝑛𝑧𝑊𝑒𝑛𝑖𝑔𝐴𝑙𝑘 vs. H0: 𝐾𝑜𝑛𝑧𝑉𝑖𝑒𝑙𝐴𝑙𝑘 ≥ 𝐾𝑜𝑛𝑧𝑊𝑒𝑛𝑖𝑔𝐴𝑙𝑘 Wichtig: H1 und H0 müssen einander gegenseitig ausschließen, d.h. alle möglichen Ergebnisse abdecken! 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 23 Gerichtete Hypothese spezifiziert aufgrund inhaltlicher Überlegungen die Richtung des Unterschieds «Die neue Lehrmethode XYZ ist besser als die bisherige etablierte Methode.» H1: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 > 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 vs. H0: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 ≤ 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 ALT Achtung! H1 nur dann gestützt, wenn der Effekt in Häufigkeit NEU vorhergesagter Richtung auftritt (wäre die neue Lehrmethode viel schlechter als die etablierte, dann kann man nur behaupten, H1 wurde nicht gestützt, aber nicht: „Die neue ist signifikant schlechter!“) Lernleistung 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 24 Ungerichtete Hypothese postuliert nur einen Unterschied, ohne die Richtung zu spezifizieren braucht weniger Vorwissen «Die neue Lernmethode unterscheidet sich von der etablierten Methode.» H1: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 ≠ 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 vs. H0: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 = 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 ALT ALT → Zweiseitige Fragestellung: sowohl Häufigkeit positivere als auch negativere NEU NEU Ergebnisse sprechen gegen die H0 war trotz alter Lehrmethode besser als mit neuer Lernleistung Lernleistung Lehrmethode … 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 25 Unspezifische vs. spezifische Hypothesen Spezifische Hypothesen sind informationsreicher als unspezifische Hypothesen. Unspezifische Hypothese: «Studierende der Naturwissenschaften haben eine schlechtere Arbeitshaltung im Studium als Studierende der Sozialwissenschaften.» Spezifische Hypothese: «Studierende der Naturwissenschaften erreichen im Test XY um mindestens 10 Punkte weniger (= schlechtere Arbeitshaltung im Studium) als Studierende der Sozialwissenschaften.» 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 26 Hypothesen – wichtigste Begriffe Komplementäres Hypothesenpaar: ◦ Alternativhypothese H1 ◦ Nullhypothese H0 Ungerichtete vs. gerichtete Hypothese Unspezifische vs. X unspezifische Hypothese Arten von Forschungshypothesen ◦ Unterschiedshypothesen ◦ Zusammenhangshypothesen ◦ Veränderungshypothesen 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 27 SRS – Hypothesenquiz 2 Gehen Sie bitte wieder auf srs.univie.ac.at Beim Raum geben Sie ein: 6274 1766 Wählen Sie aus: 3. Quiz Hypothesen 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 28 Hypothesenprüfung: Wissenschaftstheoretischer Hintergrund Wissenschaftliche Hypothesen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen! D. h.: In der Psychologie können wir die H0 oder H1 eigentlich niemals zu 100% beweisen oder widerlegen Falsifizierbarkeit (von Popper) > - Statistische Hypothesen bzw. Wahrscheinlichkeitsaussagen sind nicht falsifizierbar. ◦ Eine Wahrscheinlichkeitsaussage lässt grundsätzlich alle Ereignisse zu ◦ Es werden nur unterschiedliche Auftretenshäufigkeiten zugeschrieben Statistische Hypothesen sind aber auch nicht verifizierbar. ◦ Es lassen sich nicht alle Elemente der Population untersuchen ◦ Festlegung eines Signifikanzniveaus = Vereinbarung eines Falsifikationskriteriums 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 29 Hypothesenprüfung: Der Signifikanztest Vier Schritte: 1. Formulierung von Null- und Alternativhypothese 2. Auswahl der statistischen Prüfgröße (Teststatistik; spezifischer Signifikanztest) → abhängig von Fragestellung (Unterschiede, Zusammenhänge etc.) 3. Festlegung des Signifikanzniveaus und (damit) des Ablehnungsbereiches 4. Berechnung der Teststatistik und Entscheidung über Akzeptanz oder Ablehnung der Nullhypothese 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 30 Hypothesenprüfung: Der Signifikanztest Der Signifikanztest ermittelt die Wahrscheinlichkeit, mit der das gefundene empirische Ergebnis sowie noch extremere Ergebnisse auftreten können, wenn die Populationsverhältnisse der Nullhypothese entsprechen = Irrtumswahrscheinlichkeit! Ist die Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner als das festgelegte Signifikanzniveau α (per Konvention p =.05 = 5% oder p =.01 = 1%), dann bezeichnet man das Stichprobenergebnis als (statistisch) signifikant. 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 31 Hypothesenprüfung: Der Signifikanztest Nicht signifikantes Ergebnis: ◦ Alternativhypothese wird nicht angenommen ◦ Nullhypothese wird beibehalten ◦ Achtung: Das heißt nicht, dass die H0 bewiesen wurde. Signifikantes Ergebnis: ◦ Nullhypothese wird abgelehnt ◦ Alternativhypothese wird (vorläufig) angenommen ◦ Achtung: Das heißt nicht, dass die H1 bewiesen wurde. 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 32 Hypothesenprüfung: Festlegen der Größe von α Beispiel: Es soll die Wirksamkeit eines neuen Medikaments getestet werden. Das Medikament hat viele Nebenwirkungen. → Kleines α-Niveau (α =.01 oder α =.001) Warum? Je kleiner α ist, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich „irrt“ und in der Stichprobe H1 angenommen wird, obwohl in der Population H0 gilt (hier: Das Medikament wirkt nicht.) 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 33 Hypothesenprüfung: ACHTUNG! Die Hypothese muss VOR der Durchführung der Untersuchung aufgestellt werden. Das Signifikanzniveau muss VOR der Durchführung der Untersuchung festgesetzt werden. Entscheidung für Größe von α ist abhängig davon, wie gravierend die fälschliche Ablehnung der H0 ist. Ein signifikantes Ergebnis sagt NICHTS über die Wahrscheinlichkeit der Hypothese aus, sondern „nur“ etwas über die Wahrscheinlichkeit des statistischen Kennwerts bei Gültigkeit der Nullhypothese (= Irrtumswahrscheinlichkeit). Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% bedeutet NICHT, dass die Alternativhypothese mit 95%iger Wahrscheinlichkeit zutrifft. 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 34 Probleme des Signifikanztests Wenn wir aufgrund der statistischen Auswertung eine Entscheidung für oder gegen H0 treffen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass wir falsch liegen. H1:«Die neue Lernmethode ist besser als die etablierte Methode.» H1: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 > 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 ; H0: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 ≤ 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 ALT → wir verwerfen H0 und nehmen H1 an NEU → «Die neue Methode ist besser!» ABER: Stichprobe der NEU-Schüler*innen bestand zufällig aus besonders leistungsstarken Schüler*innen, d.h. Unterschied hat nichts mit der neuen Lernmethode zu tun! 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 35 Probleme des Signifikanztests Man kann nie zu 100% ausschließen, dass ein Ergebnis nur zufällig zustande gekommen ist ABER es lässt sich abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass die gemessenen Ergebnisse nur aufgrund eines Zufalls auftreten Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des α-Fehlers unter der Annahme/Bedingung, dass die Nullhypothese richtig ist = Irrtumswahrscheinlichkeit →Zufälliger Fehler = Fehler 1. Art = α-Fehler →wir schließen fälschlicherweise, dass es einen Effekt gibt (dass H1 gilt), obwohl dieser in Wirklichkeit nicht vorhanden ist 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 36 Probleme des Signifikanztests Wenn wir aufgrund der statistischen Auswertung eine Entscheidung für oder gegen H0 treffen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass wir falsch liegen. H1:«Die neue Lernmethode ist besser als die etablierte Methode.» H1: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 > 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 ; H0: 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑛𝑒𝑢 ≤ 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑎𝑙𝑡 ALT → wir nehmen H0 an und verwerfen H1 NEU → «Die neue Methode bringt nichts!» ABER: Stichprobe der NEU-Schüler*innen hatte zufällig einen wirklich schlechten Tag, d.h. die neue Lernmethode bringt eigentlich etwas 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 37 Probleme des Signifikanztests Der β-Fehler ist jener Fehler, der entsteht, wenn aufgrund eines empirischen Ergebnisses (Stichprobe!) die H0 beibehalten wird, obwohl in der Population die H1 gilt. Bessere Entscheidungsgrundlage, wenn nicht nur geprüft wird, wie gut die Daten zur Nullhypothese passen (Berücksichtigung des α-Fehlers), sondern auch wie gut sich die Daten mit den Populationsverhältnissen vereinbaren lassen, die in der Alternativhypothese formuliert werden (Berücksichtigung des β-Fehlers). Für die Festlegung der kritischen Größe des β-Fehlers (β-Fehler Niveau) haben sich bisher keine eindeutigen Konventionen durchgesetzt (meistens aber 20%). Entscheidung für das kritische β-Fehler Niveau ist abhängig davon, wie gravierend die fälschliche Ablehnung einer richtigen H1 ist (und damit indirekt auch die fälschliche Annahme der H0)! 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 38 Fehler 1. Art und Fehler 2. Art Wirklichkeit H0 gilt H0 gilt nicht Psychophysik: Entscheidung 𝛽-Fehler ◦ hit (korrekt), pro H0 korrekt Fehler 2.Art ◦ false positive/alarm (Fehler 1. Art) Entscheidung 𝛼-Fehler korrekt ◦ miss (Fehler 2. Art) gegen H0 Fehler 1.Art Grundproblem: Wir wissen nicht, ob H0 zutrifft oder nicht (sonst müssten wir keine Tests durchführen) → Es ist unklar, ob ein Fehler 1. oder 2. Art passiert ist oder eine richtige Entscheidung getroffen wurde → keine vollkommene Sicherheit → können die Fehlerwahrscheinlichkeiten bestimmen 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 39 Kurzer Austausch mit Sitznachbar*in: Welcher Fehler ist schwerwiegender? Beispiel: Wenn Unschuldsvermutung vor Gericht die H0 wäre… → es braucht überzeugende Beweise, um die Unschuldsvermutung abzulehnen Fehler 1. Art: Unschuldige*r muss ins Gefängnis (false alarm) Fehler 2. Art: Schuldige*r wird frei gesprochen (miss) Beispiel: Fehler 1. Art: «Die neue Lernmethode ist besser.» → Einsatz von Trainings, neue Materialien, viele Ressourcen … (obwohl es nichts bringt) Fehler 2. Art: «Die neue Lernmethode bringt nichts.» → verpasste Möglichkeit auf besseren Unterricht (weil die Lernmethode ja besser wäre) 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 40 Fehler 1. Art und Fehler 2. Art Meist ist Fehler 2. Art nicht so schwerwiegend wie Fehler 1. Art. Es hängt aber vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand ab. https://www.statisticssolutions.com/wp-content/uploads/2017/12/rachnovblog.jpg 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 41 Schritte im Forschungsprozess Entstehen eines Erkenntnisinteresses (welches Thema, welches Merkmal interessiert mich?) Sammlung verfügbaren Wissens Entwicklung einer Fragestellung/Hypothese Planung einer Untersuchung (Untersuchungsstrategie/-art, Datenerhebungsmethode, Wahl der Stichprobe) Durchführung der Untersuchung (= Erhebung der Daten) Auswertung der Daten Interpretation/ Schlussfolgerungen aus der Untersuchung Mitteilung der Untersuchung Döring & Bortz, 2016, S. 27, Abbildung 1.1 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 42 Wie geht es weiter? Nächste Vorlesungseinheit am 31.10.2024 Untersuchungsplan und -designs im hypothesenprüfenden Zugang - Oder: Du brauchst einen Plan, sonst gerät die Wissenschaft aus der Bahn! 24.10.24 VO Einführung in wissenschaftliche Konzepte und Methoden der Psychologie Seite 43

Use Quizgecko on...
Browser
Browser