CELG-Taxonomie PDF
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Prof. Dr. Horst Otto Mayer, Prof. Dr. Johannes Hertnagel und Prof. Heidi Weber
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Summary
This book explores learning objectives, their taxonomies, and application in eLearning. It delves into various learning theories like behaviorism, cognitivism, and constructivism, relating them to operationalizing learning objectives.
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Lernzielüberprüfung im eLearning von Prof. Dr. Horst Otto Mayer, Prof. Dr. Johannes Hertnagel und Prof. Heidi Weber OldenbourgVerlag München Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeich...
Lernzielüberprüfung im eLearning von Prof. Dr. Horst Otto Mayer, Prof. Dr. Johannes Hertnagel und Prof. Heidi Weber OldenbourgVerlag München Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. © 2009 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Grafik + Druck, München Bindung: Thomas Buchbinderei GmbH, Augsburg ISBN 978-3-486-58844-6 Inhalt 1 Inhalt 1. Einleitung 4 2. Lernziele 7 2.1 Lernen, Lerntheorien und Lernziele 7 2.1.1 Richt-, Grob- und Feinziele 7 2.1.2 Lernen, eLearning und Lerntheorien 9 2.1.3 Behaviorismus 12 2.1.4 Kognitivismus 14 2.1.5 Konstruktivismus 16 2.1.6 Einwände gegen Lernziele 18 2.2 Operationalisierung von Lernzielen 20 2.3 Problem der Operationalisierung 25 3. Taxonomie von Lernzielen 28 3.1 Lernzieltaxonomie von Robert M. Gagné 28 3.2 Lernzieltaxonomie von David P. Ausubel 30 3.3 Lernzieltaxonomie nach Bloom 31 3.3.1 Kognitive Lernziele 32 3.3.2 Affektive Lernziele 34 3.3.3 Psychomotorische Lernziele 36 3.3.4 Kritik an der Lernzieltaxonomie nach Bloom 38 3.4 Das Modell von Anderson und Krathwohl 39 3.5 Wissenstypen nach John R. Anderson 43 3.6 Die Klassifikationsmatrix zum ULME-Kompetenzstufenmodell 45 3.6.1 Die Klassifikationsmatrix 45 3.6.2 Die Unterkategorien der Wissenskategorien 47 3.6.3 Die Leistungskategorien 51 3.7 Taxonomie für eine computerunterstützte Lernzielüberprüfung 54 4. Lerntheorieabhängige Operationalisierung 59 4.1 Operationalisierung und Behaviorismus 60 4.1.1 Allgemeines 60 4.1.2 Beispiele für behavioristisch orientierte Lernziele 64 4.2 Operationalisierung und kognitivistische Lerntheorien 65 4.2.1 Allgemeines 65 4.2.2 Beispiele für kognitivistisch orientierte Lernziele 67 2 Inhalt 4.3 Operationalisierung und Konstruktivismus 68 4.3.1 Allgemeines 68 4.3.2 Beispiele für konstruktivistisch orientierte Lernziele 74 4.4 Zusammenfassung 75 5. Aufgabentypen zur Lernzielüberprüfung 77 5.1 Ja/Nein-Aufgaben 78 5.2 Single/Multiple-Choice-Aufgaben 80 5.2.1 Allgemeines 81 5.2.2 Beispiele für konstruktivistisch orientierte Lernziele 84 5.3 Markierungsaufgaben 85 5.4 Reihenfolgenaufgaben 87 5.5 Zuordnungsaufgaben 88 5.6 Kreuzworträtsel 90 5.7 Textaufgaben 91 5.7.1 Lückentext 92 5.7.2 Freier Text 94 5.8 Weitere „Aufgabentypen“ 94 5.8.1 Intelligente Rückmeldung 96 5.8.2 Simulation 97 6. Aufgabentypen und Lernziele 100 6.1 Aufgabentypen und Faktenwissen 101 6.2 Aufgabentypen und Konzeptwissen 102 6.3 Aufgabentypen und prozedurales Wissen 103 6.4 Aufgabentypen und Lernziele in der CELG Taxonomietafel 104 7. Aufgabentypen und Lerntheorien 106 7.1 Lernzielüberprüfung zu Faktenwissen im Kontext von Reproduzieren 108 7.2 Lernzielüberprüfung zu Konzeptwissen im Kontext von Verstehen/Anwenden 109 7.3 Lernzielüberprüfung zu Konzeptwissen im Kontext von Reflektieren/Evaluieren 111 7.4 Lernzielüberprüfung zu prozeduralem Wissen im Kontext von Reflektieren/Evaluieren 112 7.5 Lernzielüberprüfung zu Konzeptwissen im Kontext von Erschaffen 114 Inhalt 3 8. Tools zur computerunterstützten Lernzielüberprüfung 116 8.1 Die Kriterien 116 8.1.1 Überblick 117 8.1.2 Fragetypen 119 8.1.3 Autorensystem 119 8.1.4 Testmodul 120 8.2 Beispielhafte Assessment-Tools 121 8.2.1 Hot Potatoes 121 8.2.2 Moodle (Quizzes) 123 8.2.3 Dynamic PowerTrainer 126 8.2.4 Questionmark Perception 128 8.2.5 Question Tools 131 8.2.6 Quia Web 133 8.2.7 Quizcreator 135 8.3 Der individuelle Auswahlprozess 137 9. Zusammenfassung 140 Literatur 142 Sachregister 148 1. Einleitung 5 1. Einleitung „Nicht alles, das man zählen kann, zählt. Und nicht alles, was zählt, kann man zählen.“ Albert Einstein Lernziele helfen den Lehrenden bei der Planung eines Lernprozesses, indem sie ihnen eine Unterstützung sowohl bei der Stoffauswahl als auch bei der Planung der Lehraktivitäten sowie der Evaluation der Lehre bieten. Den Lernenden wiederum dienen Lernziele zur Planung der Lernaktivitäten sowie zur Lernkontrolle. Ohne konkrete Ziele kön- nen Lehrende weder Lehrinhalte korrekt auswählen noch eine effizien- te Lehrplanung durchführen und den Lernenden ist es nicht möglich, den Lernstoff zielführend auszuwählen sowie zu überprüfen, ob ihre Lernaktivitäten erfolgreich waren. Lernziele werden hinsichtlich ihres Abstraktionsgrades in Richtziele, Grobziele und Feinziele unterteilt. Dabei besitzen Richtziele den höch- sten Abstraktionsgrad und dienen zur allgemeinen Beschreibung eines Lehrganges. Grobziele haben einen mittleren Abstraktionsgrad und beziehen sich meist auf ein konkretes Fach. Feinziele wiederum haben den geringsten Abstraktionsgrad, sie sollten eine präzise Lernzielfor- mulierung beinhalten. Feinziele dienen den Lehrenden zur Unter- richtsplanung bzw. der Evaluation des Unterrichtes und den Lernen- den zur effizienten Stoffauswahl sowie zur Kontrolle der eigenen Lernaktivitäten. Ein Feinziel sollte daher genau angeben, welches Ver- halten die Lernenden nach Abschluss eines Seminars, einer Übung, ei- ner eLearning-Einheit etc. zeigen können sollen. Ein Lernziel im Sinne eines Feinzieles ist eine festgelegte, so genau wie möglich beschriebene Kompetenz, die am Ende eines Lernprozesses von den Lernenden erreicht werden soll. Kompetenzen beinhalten in diesem Zusammenhang praktische, kognitive und affektive Fähig- keiten, die individuell oder in sozialen Gefügen durch Erfahrungen oder formale Qualifikationen erworben und zur Lösung von persönli- chen oder beruflichen Problemen herangezogen werden. Besonders in Selbstlernprozessen benötigen Lernende konkrete Lernzielvorgaben 6 1. Einleitung sowie ein qualifiziertes Feedback. Vielfach werden in eLearning- Programmen jedoch nur Multiple-Choice-Tests angeboten ohne zu ü- berprüfen, ob diese für die einzelnen Fälle auch das geeignete Mittel darstellen. Auch wird häufig nicht auf das Niveau des zu überprüfen- den Lernzieles geachtet und man begnügt sich mit der Kategorie Re- produzieren. Ausgehend von einer Taxonomie der Lernziele versuchen wir hier ein Modell auszuarbeiten, mit dessen Hilfe den unterschiedlichen Lern- zielniveaus entsprechende Kontrollaufgaben zugeordnet werden kön- nen. Dabei ist zu beachten, dass die zu erwerbende Kompetenz immer mit einem beobachtbaren Verhalten beschrieben werden muss, damit eine Lernzielüberprüfung überhaupt möglich ist. Die Beschäftigung mit dem wichtigen Bereich der Lernziele darf jedoch nicht zu einer Reduzierung des breiten Feldes der Didaktik auf den Teilaspekt Effizienz führen. Lernziele sind nur ein Aspekt im komple- xen Lehr-/Lernprozess, aber ein sehr wesentlicher, dem mit besonde- rer Sorgfalt zu begegnen ist. Auch sind nicht alle Aspekte eines Lern- zieles operationalisierbar, also messbar. Dennoch sollte dies nicht dazu führen, von einer Konkretisierung von Lernzielen per se Abstand zu nehmen und sich mit der Hoffnung abzufinden, dass im Lehr-/Lern- prozess schon alles gut gelaufen ist bzw. dass das Lernen für die kommende Prüfung schon was nützen wird. Die diesem Buch voran- gestellte Aussage von Albert Einstein „Nicht alles, das man zählen kann, zählt. Und nicht alles, was zählt, kann man zählen.“ sollte trotz der Notwendigkeit von Lernzielformulierungen nicht vergessen wer- den. Dieses Buch ist sowohl für Leser konzipiert, die Hilfe bei der Entwick- lung und Implementierung von Lernzielüberprüfungen in ihrem e- Learning-Einsatz wünschen, als auch für jene, die einen entsprechen- den theoretischen Hintergrund nachlesen möchten. Der Praktiker ü- berspringt die Kapitel 2 bis 4 und schlägt diese eventuell zu einem spä- teren Zeitpunkt nach. Der theoretisch interessierte Leser findet hier verschiedene theoretische Querbezüge, auf die die weiteren Kapitel aufbauen. 1. Einleitung 7 Abschließend möchten wir allen KollegInnen und Studierenden dan- ken, die mit ihren kritischen Hinweisen und Verbesserungsvorschlä- gen zum Gelingen des Buches beigetragen haben. Insbesondere gilt unser Dank Herrn Alfons Grabher für seine wertvolle Unterstützung sowie den Studierenden des Masterstudienganges InterMedia an der FH Vorarlberg Frau Evelyn Klingersberger, Frau Angelika Rüf, Frau Michaela Rümmele, Herrn Bruno Bereuter sowie Herrn Andreas Proksch für Ihre hilfreichen Anregungen. Für die sorgfältige Korrektur bedanken wir uns bei Frau Monika Drexel. Horst O. Mayer Johannes Hertnagel Heidi Weber 8 2. Lernziele 2. Lernziele 2.1 Lernen, Lerntheorien und Lernziele 2.1.1 Richt-, Grob- und Feinziele Bevor man mit der Planung von Lernprozessen beginnt, macht es Sinn sich zu überlegen, was das Ziel des Unterrichts, des Trainings, der Vor- lesung etc. sein soll. Was sollen die SchülerInnen, TeilnehmerInnen, StudentenInnen nach Ende des Lernprozesses konkret können? Ohne konkrete Ziele gibt es keine solide Grundlage für die Auswahl der Lerninhalte, des didaktischen Konzepts oder der Überprüfung der Zielerreichung. Wie sollen die Lernenden ihren Lernprozess planen, wenn sie nicht wissen, was das Ziel ihrer Lernaktivitäten ist, worauf sie diese ausrichten sollen? Wie können sie wissen, ob sie ein Lernziel erreicht haben, ob ihre Lernaktivitäten erfolgreich waren? Die Lernziele sind weiters die Grundlage für Lernaufgaben, die zur Si- cherung des Lernprozesses dienen. Zusätzlich können Lernaufgaben auch schon im Vorfeld ansetzen und zur Aktivierung von Lernprozes- sen beitragen. Oft wird in diesem Zusammenhang zwischen Lehrzielen und Lernzie- len unterschieden. Lehrziele sind möglichst konkrete Beschreibungen der Absicht, die Lehrende im Unterricht verfolgen (vgl. Meyer 2005, S. 347 ff.). Bei Lernzielen stehen die Ziele der Lernenden im Vorder- grund. Da es hier in diesem Buch vorwiegend um Zielüberprüfungen in Selbstlernprozessen, um Zielvorgaben mit qualifiziertem Feedback für Lernende geht, wird durchgehend der Begriff „Lernziel“ verwen- det. Bei der Entwicklung eines Lehrplanes für eine konkrete Unterrichts- einheit, eine Vorlesung, ein Seminar etc., wird entweder von sehr all- gemeinen Lernzielen eines Lehrganges, den so genannten Richtzielen oder, häufiger, von den etwas konkreteren aber immer noch allgemein gehaltenen Zielen eines Faches, den so genannten Grobzielen ausge- gangen. Auch diese Zielangaben sind für die konkrete Lehrplanung je- doch noch zu allgemein gehalten, sie müssen weiter präzisiert werden. Die so präzisierten Lernziele werden als Feinziele bezeichnet. Lernziele 2. Lernziele 9 können also in die folgenden drei Klassen gegliedert werden, wobei der Abstraktionsgrad immer mehr abnimmt (vgl. dazu Wendt 2003, S. 101 ff., Meyer 2005 sowie Möller 1973): Richtziel: höchster Abstraktionsgrad, viele Interpretationsmög- lichkeiten der Lernziele. Sie dienen als Grundlage bei der Ent- wicklung sowie zur Beschreibung der Ziele eines Lehrganges. Beispiel: Nach Beendigung des Lehrganges sollen die Lernenden eigen- ständig eLearning-Content unter Berücksichtigung lernpsychologi- scher, didaktischer sowie gestalterischer Aspekte entwickeln können. Grobziel: mittlerer Abstraktionsgrad, eingeschränkte Interpreta- tionsmöglichkeiten der Lernziele. Mit Hilfe von Grobzielen wer- den die Ziele von einzelnen Fächern eines Lehrganges beschrie- ben. Beispiel: Nach Abschluss des Faches Lernpsychologie sollen die Lernen- den die zurzeit wesentlichen Lerntheorien beschreiben können. Feinziel: niedriger Abstraktionsgrad, konkrete Angaben über das erwartete Verhalten der Lernenden (der Begriff „Verhalten“ bezeichnet beobachtbare Handlungen), höchste Präzisierung. Feinziele beschreiben die Lernziele einzelner Unterrichtseinhei- ten. Beispiel: Die Lernenden können die drei behandelten Lerntheorien ver- gleichen und Vor- bzw. Nachteile bei ihrem Einsatz im eLearning be- nennen. Richtziel Grobziel Grobziel Feinziel Feinziel Feinziel Feinziel Abb.1: Richtziele, Grobziele und Feinziele 10 2. Lernziele Aus Richtzielen können mehrere Grobziele und aus diesen wiederum unterschiedliche Feinziele abgeleitet werden (siehe Abb. 1). Feinziele müssen konkret angeben, was die Lernenden nach Beendi- gung der Lerneinheit fähig sein sollen zu tun. Nur so können die Leh- renden den Lernprozess entsprechend gestalten und die Lernenden ih- re Lerntätigkeiten zielführend anlegen. Im Weiteren werden nun Fein- ziele mit Lernzielen gleichgesetzt. Die Operationalisierung und die Ta- xonomie von Lernzielen beziehen sich ausschließlich auf Feinziele. Richtziele und Grobziele sind v.a. für die Lehrgangsentwicklung bzw. die Lehrgangsbeschreibung sowie die Beschreibung eines Faches von Bedeutung. Die Zielangabe für den konkreten Unterricht, einer Lehr- /Lerneinheit erfolgt in Form von Feinzielen. Eine hohe Bedeutung haben konkrete Lernziele v.a. für eLearning- Angebote, bedenkt man z.B. die hohen Kosten, die mit deren Entwick- lung verbunden sind. Die vielfach genannten und in eigenen Projekten für eLearning aufgewandten Kosten variieren zwar je nach Interaktivi- tät, Medieneinsatz etc. stark, sind jedoch deutlich höher als für Prä- senzseminare. Für die Entwicklung eines einstündigen eLearning- Inhaltes kann von Kosten zwischen 25.000 und 75.000 Euro ausgegan- gen werden (vgl. z.B. Mayer, Weber u. Weber 2005). Weiters ist es ins- besondere bei Lernprozessen mit Selbstlernanteil, wie es eLearning- Anwendungen ja meist darstellen, notwendig, dass die Lernenden die jeweiligen Lernziele kennen, um die Zielerreichung selbst überprüfen zu können. 2.1.2 Lernen, eLearning und Lerntheorien Die Beschäftigung mit Lernzielen erfordert es, sich mit dem Begriff „Lernen“ genauer auseinander zu setzen. Allgemein kann Lernen als ein relativ dauerhafter Erwerb einer neuen oder die Veränderung einer schon vorhandenen Fähigkeit, Fertigkeit oder Einstellung bezeichnet werden, wobei der Leistungszuwachs oder die Leistungsveränderung auf Erfahrung zurückgeht und somit weder eine Folge eines natürli- chen Reifungs- bzw. Wachstumsprozesses ist noch auf Drogeneinwir- 2. Lernziele 11 kungen beruht (vgl. Kaiser u. Kaiser 1991, Brezinka 1981 sowie Höger 1978). eLearning wiederum kann als mit Kommunikations- und Informa- tionstechnologie unterstütztes bzw. ermöglichtes Lernen oder kurz als elektronisch unterstütztes Lernen verstanden werden. Meist handelt es sich dabei um computerunterstützte Offline- (z.B. CD-ROM) bzw. On- line-Systeme (Internet). (Vgl. Mayer 2004b, S. 123) Ein Lernprozess liegt nur dann vor, wenn gegenüber einem früheren Zustand eine Veränderung (z.B. Einstellungs- oder Verhaltensände- rung, Veränderung der kognitiven Strukturen) eintritt. Die Richtung der Veränderung ist dabei beliebig. Auch bei Verhaltensänderungen im negativen Sinne kann es sich um Lernen handeln. Zum Beispiel sind Ethnozentrismus oder geringes Selbstvertrauen erlernte Einstel- lungen und führen zu bestimmten beobachtbaren Verhaltensweisen. Der Lernprozess selbst kann jedoch nicht beobachtet werden, wir schließen auf ihn durch Beobachtung des Verhaltens bzw. der Verhal- tensänderungen bei den Lernenden. Da eine direkte Beobachtung nicht möglich ist und man nur aus den Effekten – also beobachtete Einstel- lungs- oder Verhaltensänderung – auf die Ursache schließen kann, spricht man hier auch von einem hypothetischen Konstrukt. (Vgl. Gud- jons 1993, S. 197 f.) Ziel des Lernens ist eine optimale Anpassung an die vielfältigen Anfor- derungen der Umwelt. Wobei der Begriff Anpassung weit gefasst ist und auch im Sinne einer aktiven, planvollen Auseinandersetzung mit der Umwelt verstanden wird. Der Prozess des Lernens führt zum Neuerwerb oder zur Veränderung psychischer Dispositionen, d.h. zur Bereitschaft und Fähigkeit, bestimmte Leistungen zu erbringen. Im Gegensatz zu Leistung, die von momentanen Bedingungen abhängt, ist Lernen durch relativ überdauernde Veränderungen gekennzeichnet. Lernen besteht also im Erwerb von Dispositionen, d.h. von Verhaltens- bzw. Handlungsmöglichkeiten, wobei es unwesentlich ist, ob die Er- fahrungen, die zur Änderung einer psychischen Disposition führen, gezielt vorbereitet und gelenkt oder ob sie ungelenkt und ohne Absicht gewonnen werden. 12 2. Lernziele Wird Lernen als relativ dauerhafter Erwerb einer neuen bzw. relativ kontinuierlichen Veränderung einer schon vorhandenen Fähigkeit, Fer- tigkeit oder Einstellung durch Erfahrungen definiert, so beschreiben Lerntheorien Bedingungen, unter welchen sich dieser Erwerb bzw. die Veränderungen im Sinne von Lernprozessen vollziehen. Da das Lernen selbst nicht beobachtet werden kann, liefern Lerntheorien lediglich Vorstellungen, wie Lernen ablaufen könnte. Sie liefern Modelle, die Zusammenhänge zwischen Lernprozessen und der Veränderung der Erlebens-, Verhaltens- oder Handlungsmöglichkeiten erklären sollen (vgl. Lefrancois 1994, S. 8). Da es sich nur um - allerdings begründete - Vorstellungen von etwas nicht direkt Beobachtbarem handelt, existieren verschiedene, sich teil- weise widersprechende, Lerntheorien. Im Zusammenhang mit eLear- ning sind es drei grundlegende lerntheoretische Positionen, die hier ei- ne entscheidende Rolle spielen. Es sind dies die behavioristische, die kognitivistische sowie die konstruktivistische Theorie (vgl. Tulodziecki 1996, S. 42, Issing 1997, S. 197 ff. sowie Blumstengel 1998, S. 107). Die behavioristische Sichtweise akzeptiert nur beobachtbares Verhalten als Gegenstand einer wissenschaftlichen Psychologie und betrachtet dementsprechend Lernen unter dem Reiz-Reaktion-Aspekt. Kogniti- vistische Modelle beinhalten v.a. Informationsaufnahme-, Informa- tionsverarbeitungs- sowie Problemlösungsprozesse. Bei all diesen Pro- zessen spielt das Bewusstsein bzw. die Kognition eine zentrale Rolle. Der konstruktivistische Ansatz wiederum geht davon aus, dass Wissen durch eine interne subjektive Konstruktion von Ideen und Konzepten entsteht. Dabei werden die Bedeutung individueller Wahrnehmung und die Verarbeitung von Erlebnissen noch stärker betont als bei kog- nitionstheoretischen Ansätzen.1 Vielfach wird die Forderung nach Operationalisierung von Lernzielen automatisch mit einer behavioristischen Medienkonzeption gleichge- setzt. Auch wenn die Operationalisierung von Lernzielen im Kontext behavioristischer Ansätze begründet wurde, so bedeutet dies keines- wegs, dass bei der Wahl eines anderen theoretischen Ansatzes darauf 1 Eine kurze Übersicht zu den drei genannten Lerntheorien ist beispielsweise in Mayer 2004a zu finden. 2. Lernziele 13 verzichtet werden kann. Die Formulierung operationaler Lernziele stellt ein methodisches Instrument dar, um Ergebnisse von Lehr-/ Lernprozessen beschreibbar zu machen und lässt sich durchaus, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten, im Rahmen anderer Ansätze nutzen. (Vgl. Kerres 1998, S. 159) Ein Lernziel ist die sprachlich artikulierte Vorstellung von der durch einen Lernprozess zu bewirkenden beobachtbaren Verhaltensände- rung, Einstellungsänderung etc. der Lernenden (vgl. Jank u. Meyer 1993, S. 302). Als Lernziele werden Tätigkeiten oder Leistungen be- zeichnet, die Lernende zeigen können sollen, wenn sie in einem be- stimmten Bereich eine gewisse Kompetenz besitzen. Dabei ist zu be- achten, dass eine Zielbeschreibung lediglich ein beabsichtigtes Ergeb- nis eines Lernprozesses beschreibt, also die Tätigkeit oder die Leistung, die Lernende zeigen können sollen, nicht jedoch dessen Ablauf (vgl. Mager 1983, S. 5 sowie Jank u. Meyer 1993, S. 298 ff.). Lernziele werden definiert, indem man festlegt, welche Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fer- tigkeiten am Ende eines Lernprozesses von den Lernenden beherrscht werden sollen. Unabhängig davon welches Lernkonzept dem eLearning-Produkt zu- grunde liegt, sind die Angabe von Lernzielen und deren Überprüfung wichtige Hilfen für die Lernenden und die Lehrenden. Bei der Lern- zielformulierung spielen die verschiedenen Lerntheorien jedoch eine wichtige Rolle. Die Lernzielformulierung hängt entscheidend davon ab, wie man sich vorstellt, dass Lernen abläuft. Im Folgenden sollen deshalb die drei im eLearning zentralen Lerntheorien etwas ausführli- cher skizziert werden. 2.1.3 Behaviorismus Der Behaviorismus orientiert sich ausschließlich am beobachtbaren Verhalten. Demzufolge sind auch die unter diesem Gesichtspunkt for- mulierten Lernziele genau auf die Nachweisbarkeit des Verhaltens der Lernenden auszurichten. Nach dem behavioristischen Verständnis muss das zu erreichende Zielverhalten genau beschrieben werden, um Verstärkungsmechanismen festlegen zu können, die den Aufbau des 14 2. Lernziele gewünschten Verhaltens gewährleisten. Die Operationalisierbarkeit von Lernzielen stellt damit einen entscheidenden Faktor innerhalb des didaktischen Designs behavioristischer Ansätze dar. Ein vorgegebenes Lernziel soll dadurch erreicht werden, indem man bestimmte Informa- tionen und Aufgaben als Hinweisreize präsentiert und anschließend eine Belohnung von gewünschtem Lernverhalten erfolgt. Dazu sind klare Zielvorgaben notwendig, wobei der Lernweg in kleine Schritte zerlegt wird (vgl. Issing u. Klimsa 1997 sowie Mayer 2004a). Die Lernenden werden von einer bestimmten Ausgangslage des Wis- sens und Könnens durch einen vorher geplanten (programmierten) Lernprozess zu einer genau definierten Endlage gebracht. Dazu sollen die einzelnen Lernschritte gerade so groß sein, dass die Lernenden sie auf einmal verarbeiten können und sie müssen so geordnet sein, dass sie für die Lernenden in logischer Folge zum sicheren Ziel führen. Information mit Lernzielen Übungen Aufgaben Antwortanalyse Verstärkung Information mit Lernzielen Abb. 2: Aufbau eines am Behaviorismus orientierten Lernprogramms Der Lernstoff muss aktiv verarbeitet werden und die Lernenden sollen bei jedem Lernschritt die Möglichkeit zur Erfolgskontrolle haben. Das Finden der richtigen Antwort wird als Verstärkung für die Lernenden betrachtet. Fehler sollen vermieden werden, da sie einen negativen 2. Lernziele 15 Verstärker darstellen. Deshalb sind die Aufgaben so zu gestalten, dass ihre Lösung von über 90 Prozent der Lernenden erreicht wird (vgl. Kerres 1998, S. 49). Jeder Lernschritt besteht beim programmierten Unterricht aus den fol- genden drei Bestandteilen (vgl. Lipsmeier u. Seidl 1987, S. 55): 1. Einer sorgfältig ausgewählten Information mit Lernzielen. 2. Übungen, die zu aktivem Verarbeiten der Information ver- anlassen. 3. Einer Erfolgskontrolle, die zur Überprüfung des Lerner- folgs dient. 2.1.4 Kognitivismus Im Gegensatz zum behavioristischen Ansatz sind geistige Prozesse wie Aufmerksamkeit, Denken, Gedächtnis, Planen, Erwartungen, Wün- sche, Phantasien und Bewusstsein für die Kognitive Psychologie von zentralem Interesse. Der Begriff Kognition bezieht sich auf alle Prozes- se, durch die Wahrnehmungen transformiert, reduziert, verarbeitet, gespeichert, reaktiviert und verwendet werden (vgl. Neisser 1974). Lernen wird von der Kognitiven Psychologie unter dem Aspekt der In- formationsaufnahme und Informationsverarbeitung betrachtet. Dabei wird betont, dass die Person bei diesen Prozessen aktiv beteiligt ist und das Ergebnis dieser Art des Lernens Strukturen und keine isolierte Verbindungen zwischen Reizen und Reaktionen sind. Demzufolge er- folgt Lernen nach kognitivistischer Ansicht durch den Aufbau menta- ler Modelle oder Schemata und deren Einbettung in bereits vorhande- nes Wissen bzw. bereits vorhandene kognitive Strukturen. Bei den oftmals auf kognitivistischen Ansätzen basierenden tutoriellen Systemen werden die Antworten der Lernenden analysiert. Die Ler- nenden erhalten anschließend ein Feedback, das beispielsweise bei ei- ner falschen Antwort aus einer richtigen Lösung mit einem Hinweis auf den gemachten Fehler besteht. Der weitere Programmablauf hängt dann von der aus der Antwortanalyse abgeleiteten Kompetenz der Lernenden ab. (Vgl. Kerres 1998, S. 62 ff.) 16 2. Lernziele Informationen mit Lernzielen Übungen Aufgaben Antwortanalyse mit Feedback Weiter- führung ab- hängig von der Kompetenz Abb. 3: Aufbau eines am Kognitivismus orientierten tutoriellen Systems Hochadaptive Systeme, die in der Lage sind, unterschiedlichste Anfor- derungen der Lernenden an den Grad der Schwierigkeit und Unter- stützung zu erfüllen, werden als „intelligente tutorielle Systeme“ (IST) bezeichnet. Diese Systeme versuchen, das Entscheidungsverhalten von Lehrenden, bezogen auf pädagogische Interventionen, zu simulieren, und generieren angemessene Instruktionen (vgl. Schulmeister 2002a, S. 86). Die Modellierung kognitiver Prozesse von Lernenden hat sich jedoch als sehr aufwändig erwiesen. Die meisten bisher entwickelten Pro- gramme sind nicht in der Lage so hinreichend differenzierte Modelle über die kognitive Struktur des Lernenden aufzubauen, wie sie für ei- ne gezielte individuelle Unterweisung nötig wären. (Vgl. Schulmeister 2002a sowie Kerres 2002) Ebenfalls aus der Kognitiven Psychologie heraus wurde das Modell des „Entdeckenden Lernens“ entwickelt (vgl. Schulmeister 2002a, S. 71 ff.). In dem von Jerome S. Bruner in den 60er Jahren des letzten 2. Lernziele 17 Jahrhunderts wieder aufgegriffenen Konzept des entdeckenden Ler- nens werden folgende vier Aspekte besonders betont (vgl. Edelmann 1993, S. 240 ff.): 1. Die erforschende Auseinandersetzung mit Lerninhalten, 2. die Entdeckung neuer Erkenntnisse/Zusammenhänge, 3. die Assimilation der Erkenntnisse in vorhandene Wissens- strukturen sowie 4. die Generalisierung und der Transfer. Die Anwendung des entdeckenden Lernens auf computerunterstützte Lernsysteme führt zur Entwicklung reicherer Lernumgebungen mit ei- ner Vielzahl von Möglichkeiten. Das Konzept des entdeckenden Ler- nens entstammt zwar der Kognitiven Psychologie, dieser Ansatz ist aber auch gut mit konstruktivistischen Auffassungen zur Gestaltung von Lernumgebungen vereinbar (vgl. Blumstengel 1998, S. 113). 2.1.5 Konstruktivismus Lernen wird nach konstruktivistischem Verständnis als aktiver Prozess der Wissenskonstruktion verstanden und geht einher mit Veränderun- gen kognitiver Strukturen und Prozesse. Beim Lernen geht es hier nicht darum, vorgefertigte Antworten einzustudieren, sondern um den Erwerb von Methoden und Problemlösungsverfahren (vgl. Kerres 1998 sowie Mayer 2004a). Wird von behavioristisch oder kognitivistisch orientierten Lernangebo- ten explizit eine Lernzielangabe gefordert (vgl. Mayer 2004a), so neh- men Vertreter eines konstruktivistischen Konzeptes vielfach eine kriti- sche Position zur Lernzielorientierung ein. Jedoch gibt es hier eine ge- wisse Bandbreite von Vorstellungen, wobei zwischen radikalem und gemäßigtem Konstruktivismus unterschieden wird (vgl. Blumstengel 1998, s. 116). Vertreter einer radikalen Position lehnen die Formulierung von Lern- zielen grundsätzlich ab. Nach Weidenmann (1993) wird unter streng konstruktivistischer Perspektive Lernen als autonome und konstrukti- 18 2. Lernziele ve Leistung eines Individuums verstanden, als persönliche Interpreta- tion der Welt. Die Existenz von objektivierbarem Wissen wird hier ab- gelehnt, daher kann auch keine einzig richtige Struktur vorgegeben werden (vgl. Seufert u. Mayr 2002, S. 75). Eine solche Modellvorstel- lung widerspricht grundlegend einer Definition von Lernzielen. Trotz dieser kritischen Distanz zu einer klassischen Lernzielorientie- rung kommen aber auch konstruktivistische Ansätze letztendlich nicht ohne eine Formulierung von Zielen des Lernprozesses aus. Zumindest in Fällen, in denen erworbenes Wissen in irgendeiner Form nachge- wiesen werden soll und zu Berechtigungen führt, kommt man um die Formulierung von Lernzielen nicht umhin, will man nicht der Willkür Tür und Tor öffnen. Dabei wird jedoch von konstruktivistischer Seite betont, dass nicht Fer- tigkeiten wie die Effizienz der Informationsverarbeitung bzw. die Speicherung und Rückgewinnung von extern festgelegten Informatio- nen Ziele darstellen sollen, sondern Fertigkeiten bezüglich des Prozes- ses der Wissenskonstruktion und des Bewusstseins über diese Prozes- se. Die Ziele sollten unter Berücksichtigung der authentischen Anfor- derungen des jeweiligen Gebiets als Hilfe für Problemlösungen in die- sem Gebiet definiert werden. „The overarching goal of such an approach is to move the learner into thinking in the knowledge domain as an expert user of that domain might think. Hence, designers operating under these assumptions must identify the variety of expert users and the tasks they do. For example, our goal should not be to teach students geography principles or geog- raphy facts, but to teach students to use the domain of geographic in- formation as a geographer, navigator, or cartographer might do. (…) From the constructivist perspective, every field has its unique ways of knowing, and the function of analysis is to characterize this. If the field is history, for example, we are trying to discover ways that historians think about their world and provide means to promote such thinking in the learner. Our goal is to teach how to think like a historian, not to teach any particular version of history.” (Bednar u.a. 1992, S. 23 ff.) Da die Studierenden aber häufig nicht mit authentischen Aufgaben konfrontiert werden können, müssen diese vereinfacht werden. Wich- tig dabei ist jedoch, so Bednar u.a., Ziele als eine Beschreibung von 2. Lernziele 19 Aufgaben zu verstehen und nicht den Lernprozess zur Zielerreichung zu beschreiben (vgl. 1992, S. 23). Für die Lernzielüberprüfung wird aus der konstruktivistischen Per- spektive gefordert, den bei der Aufgabenbewältigung entstandenen Denkprozess zu überprüfen. Wobei die folgenden zwei Elemente dabei als wichtig erscheinen (vgl. Bednar u.a. S. 29): a) dass die von den Studierenden in der konkreten Situation entwi- ckelten Sichtweisen effektiv für die entsprechende Aufgabenbe- wältigung sind und b) dass die Studierenden ihre Meinungen begründen können. 2.1.6 Einwände gegen Lernziele Allgemein wird vielfach kritisiert, dass Lernziele oftmals zu komplex seien, um sie operationalisierbar zu machen. Wenn nun die Komplexi- tät der Lernziele eine Operationalisierung verhindern und Operationa- lisierung als „Messbar-Machen“ (vgl. z.B. Jank u. Meyer 1993, S. 303, Möller 1987, S. 67, Denz 2005, S. 23) verstanden wird, so bedeutet dies nichts anderes, als dass die Erreichung solcher Lernziele schlicht und einfach nicht überprüft werden kann. Letztendlich ist damit sowohl ei- ne Beurteilung der eigenen Lernleistung durch die Lernenden als auch eine Beurteilung der Lernleistungen durch die Lehrenden unmöglich. „Stattdessen machen wir Aussagen über sie (die Lernenden, Anm. d. Verfasser), die nicht auf nachprüfbaren Beobachtungen beruhen und deshalb willkürlich genannt werden müssen. Und wie wollen wir unse- re Erziehungshilfe zur Erreichung solcher Ziele auswählen, wenn wir nicht sagen können, woran wir erkennen wollen, dass sie mehr oder weniger erfolgreich waren?“ (Schulz 1972, S. XIV) Ein weiterer allgemeiner Einwand ist auch, dass eine starke Orientie- rung an Lernzielen die komplexe didaktische Problematik auf den Teilaspekt der Effizienz beschränkt (vgl. Gudjons 1993, S. 227). Von den AutorInnen hier wird jedoch nicht der Anspruch erhoben, ein um- fassendes didaktisches Konzept zu entwickeln, wie es beispielsweise eine lernzielorientierte Didaktik darstellt (vgl. Möller 1987), es soll 20 2. Lernziele auch keiner Reduktion des didaktischen Feldes ausschließlich auf die Effizienz das Wort geredet werden. Vielmehr geht es den AutorInnen darum, Lernziele aus der Perspektive der Unterstützung für Lehrende und Lernende zu betrachten und ausführlicher zu behandeln. Lernzie- le sind lediglich ein Teilaspekt des komplexen Lehr-/Lernprozesses bzw. ein Teilbereich des weiten didaktischen Feldes. Lernziele sind je- doch ein wesentlicher Teilaspekt, dem die notwendige Aufmerksam- keit gebührt. Ebenfalls ernst zu nehmen ist der Einwand, dass ein Beharren auf ope- rationalen Definitionen von Lernzielen zu einer Einschränkung lehrba- rer Sachverhalte führe (vgl. Kerres 1998, S. 159). Als lehrbar wird dann nur das angesehen, was sich an beobachtbaren Verhaltensänderungen niederschlägt. „Konzentrieren wir die didaktischen Bemühungen nur auf das sichtbare Verhalten, so laufen wir Gefahr, die diesem Verhalten zugrunde liegen- de Struktur zu übersehen und nicht richtig anzulegen.“ (Kerres 1998, S. 159) Ohne konkrete Ziele können Lehrende jedoch weder Lehrinhalte kor- rekt auswählen noch eine effiziente Lehrplanung durchführen und den Lernenden ist es nicht möglich, den Lernstoff zielführend auszuwählen sowie zu überprüfen, ob ihre Lernaktivitäten erfolgreich waren. Daher sollten, wenn immer möglich, tatsächlich beobachtbare Verhaltensän- derungen benannt werden, welche als Folge der Lehr-/Lernaktivitäten zu erwarten sind, ohne die didaktischen Bemühungen dabei auf opera- tiononalisierte Lernziele zu beschränken. Bei der Beschreibung von Lernzielen ist es wichtig, zwischen Inhalten einer Lehreinheit und deren Zielen zu unterscheiden. Oft werden Lern- Inhalte mit Lern-Zielen verwechselt. Eine Inhaltsangabe sagt jedoch noch nichts über das eigentliche Lernziel aus. Lern-Inhalte beschreiben keine Tätigkeiten oder Leistungen, die Lernende zeigen können sollen, sie geben lediglich an, was der Inhalt einer Lehr-/Lerneinheit ist. Auch wenn Lernzielformulierungen oftmals die folgende Form auf- weisen, handelt es sich bei diesen Beispielen um keine Lernziele, son- dern um Lerninhalte: 2. Lernziele 21 a) Die Lernenden üben die Beobachtung lebender Tieren. b) Die Lernenden üben sich in Gruppenarbeit und Wiedergabe von Gruppenergebnissen. c) Die Lernenden lesen ein Buch von Berthold Brecht als Beispiel zeitgenössischer Literatur. d) Vor dem Hintergrund aktueller Ansätze in den Cultral Studies sowie in den Gender Studies sollen Möglichkeiten alternativer Medienrezeption vorgestellt werden. e) Die Lernenden lernen ausgewählte Programmiersprachen ken- nen und beispielhaft anwenden. Lernziele verweisen nicht auf Inhalte sondern geben an, was Lernende nach Beendigung einer Lerneinheit konkret können sollen. Nicht Stoff- angaben oder die Beschreibung von Lernprozessen sind mit Lernzielen gemeint, sondern eine Beschreibung des angestrebten Verhaltens der Lernenden. Bei Lernzielen handelt es sich um eine Beschreibung von Eigenschaften, die Lernende nach einer erfolgreichen Lernerfahrung erworben haben (vgl. Mager 1972, S. 3). Lernziele im Sinne von Fein- zielen, wie sie die konkrete Lernplanung zu erstellen hat, müssen ope- rational definierte Lernziele sein. Solche operationalisierte Lernziele sind konkrete, überprüfbare bzw. messbare Verhaltensweisen der Ler- nenden (vgl. Möller 1973, S. 25 sowie Mager 1972, S. 3). 2.2 Operationalisierung von Lernzielen Lernziele müssen also eindeutig beschrieben werden. Eine eindeutige Zielbeschreibung soll laut Mager die erfolgreiche Mitteilung von Ab- sichten ermöglichen und eine möglichst große Anzahl von Missdeu- tungen verhindern (vgl. 1983, S. 19). Nach Mager können Lernzielen folgende drei Funktionen zugeschrie- ben werden (vgl. 1983, S. 5 f.): 1. Orientierungshilfe für die Planung bzw. Hilfe bei der Stoffaus- wahl, 2. Evaluationshilfe- und Kontrollhilfe für Lehrende und Lernende, 3. Grundlage zur Planung der Lernaktivitäten für die Lernenden. 22 2. Lernziele Für eLearning-Anwendungen bieten klar definierte Lernziele zusätz- lich zu den oben aufgezählten Funktionen die Möglichkeit, zumindest teilweise, die Erfolgskontrolle zu automatisieren. Um die Erreichung von Lernzielen überprüfen zu können, müssen die- se operationalisiert werden, d.h., es gilt ein äußerlich erkennbares und somit messbares Endverhalten der Lernenden zu beschreiben (vgl. Jank u. Meyer 1993, S. 303 u. Möller 1987, S. 67). Jank und Meyer defi- nieren die Operationalisierung von Lernzielen im weiten Sinne als „Kleinarbeitung einer ungenauen Lernzielangabe bis zur sprachlich möglichst eindeutigen Angabe der beobachtbaren Elemente der ge- wünschten Verhaltensdisposition des Lernenden.“ (1993, S. 303). Ein operationalisiertes Lernziel bietet Indikatoren, anhand derer das Erreichen eines Lernzieles überprüft werden kann. Um ein Lernziel zu operationalisieren, sind die folgenden drei Angaben erforderlich (vgl. Mager 1983, S. 23): 1. Ein beobachtbares Endverhalten (Tätigkeiten), das die Lernenden nach Abschluss des Lernprozesses zeigen sollen. 2. Die Bedingungen, unter denen die Lernenden das zu kontrollie- rende Verhalten zeigen sollen. 3. Kriterien, anhand deren die Qualität bzw. das Ausmaß der Ziel- erreichung beurteilt wird. Bei der Operationalisierung von Lernzielen gilt es, das Endverhalten klar zu beschreiben. Verben wie z.B. „wissen“, „meinen“, „verstehen“ etc. sind dazu nicht geeignet und sollen durch Verben wie z.B. „nen- nen“, „aufzählen“, „zusammenfassen“ etc. ersetzt werden. Die Operationalisierung von Lernzielen hängt von der dem eLearning- Produkt zugrunde liegenden lerntheoretischen Position ab. Wie bereits oben kurz dargelegt, sind operationalisierte Lernziele bei behavioristi- schen sowie kognitivistischen Ansätzen ein notwendiger Bestandteil des Lernprozesses. Bei behavioristischen Ansätzen stehen dabei jedoch die Ergebnisse von Lernaktivitäten in Form von konkretem, beobacht- barem Verhalten im Vordergrund. Sind die Ergebnisse des Lernens auf der Verhaltensebene beschrieben, so lassen sich nach behavioristi- 2. Lernziele 23 schem Verständnis die notwendigen Instruktionen theoretisch begrün- den und Verstärkungsmechanismen festlegen, die den Aufbau des ge- wünschten Verhaltens gewährleisten. Kognitivistische Ansätze wie- derum setzen an der Informationsverarbeitung der Lernenden an. „Hier gilt es, die kognitiven Operationen anzugeben, die für die Aneig- nung der Wissensinhalte notwendig sind. Dies macht eine Auseinander- setzung mit den zu vermittelnden Wissensinhalten erforderlich. Der Typ des Wissens und die Struktur der Wissensinhalte begründet dann die kognitiven Aktivitäten seitens der Lernenden.“ (Kerres 1998, S. 152). Anders bei konstruktivistischen Konzepten. Oft wird behauptet, dass eine Operationalisierung von Lernzielen mit einer konstruktivistischen Position nicht vereinbar ist. Das Planen von Lernprozessen, Lernzielen, Methoden etc. wie bei behavioristischen oder kognitivistischen Model- len, stimme mit dem konstruktivistischen Vorstellungen nicht überein. (Vgl. z.B. Jonassen u.a. 1999) Der konstruktivistische Ansatz überlässt den Lernenden möglichst vie- le Entscheidungen über Lernziele und Lernstrategien. Nimmt man auch Abschied von der klassischen Planung von Lernzielen und Lehr- methoden und geht dazu über, die Gestaltung von Lernumgebungen im Sinne von authentischen Lernszenarien ins Zentrum zu rücken (Schott, 1991, S. 196f.), so kommt man aus unserer Sicht dennoch nicht umhin zu beschreiben, was die Lernenden in dieser Lernumgebung lernen sollen. Was sollen die Lernenden nach der Auseinandersetzung mit dieser Lernumgebung konkret fähig sein zu tun? Wird jedoch Lernen als eine autopoietische, biografisch geprägte Tä- tigkeit verstanden, so fällt es schwer, Lernfortschritte objektiv und va- lide zu messen. Insbesondere dann, wenn davon ausgegangen wird, dass es so viele Seminarwirklichkeiten wie Teilnehmer gibt. Eine Eva- luation bzw. Lernzielüberprüfung im konstruktivistischen Sinne sollte daher die Autopoiesis und Selbstorganisation des Lernens mitberück- sichtigen. (Vgl. Siebert 1999, S. 171 ff.) Im Vergleich zu kognitivistischen und vor allem zu behavioristischen Ansätzen sind Operationalisierung sowie Evaluation der Lernziele bei konstruktivistischen Konzepten daher auch vielfach aufwändiger. Hier stehen in der Regel nicht richtige Antworten oder der Aufbau kogniti- 24 2. Lernziele ver Strukturen im Vordergrund, sondern die individuelle Auseinan- dersetzung mit der Aufgabe (vgl. Siebert 1999, S. 182 ff.). Es gilt hier also nicht, einzelne Tätigkeiten wie z.B. die EU-Mitglieds- staaten nennen können, die drei wichtigsten Wirtschaftszweige des Staates XY aufzählen können etc. Vielmehr sind abstraktere Kompe- tenzen zu beschreiben, denen beobachtbare Fähigkeiten zugeordnet werden können, wobei gegebenenfalls zusätzliche Aspekte wie z.B. ei- gene Erwartungen der Lernenden, ihre Überlegungen, Antizipationen im Rahmen des Lernprozesses, mit zu berücksichtigen sind (vgl. Sie- bert 1999, S. 173 f.). Auch wenn messbare Ergebnisse nicht vorrangiges Ziel eines kon- struktivistischen Lernszenarios sind und dieses auf Erfahrung und de- ren Vertiefung in komplexen Lernsituationen abzielt, so werden doch Lernergebnisse angestrebt. Diesen angestrebten komplexen Lerner- gebnissen können wiederum messbare Einzelkompetenzen zugeordnet werden, dieser Vorgang wird als Operationalisierung bezeichnet. Bei der Operationalisierung ist zu berücksichtigen, dass konkretere Lernziele zwar nicht aus abstrakteren Lernzielsetzungen deduziert (streng logisch abgeleitet) werden können, möglich ist jedoch eine Prü- fung der konkreteren Lernzielformulierung hinsichtlich ihrer Wider- spruchsfreiheit gegenüber der abstrakteren Ebene. Wie bereits erwähnt, werden Grobziele aus Richtzielen und Feinziele üblicherweise aus Grobzielen gewonnen. Dabei ergibt ein Richtziel in der Regel mehrere Grobziele und ein Grobziel unterschiedliche Fein- ziele. Einige Beispiele für Richtziele, Grobziele sowie daraus abgeleite- te und operationalisierte Feinziele zeigt die folgende Abbildung. Wurde ein Lernziel entsprechend dem zugrunde liegenden theoreti- schen Ansatz operationalisiert, so sind nach Mager noch die Bedin- gungen anzugeben, unter denen die Lernenden das angestrebte Ver- halten zeigen können sollten sowie die Kriterien, anhand derer die Qualität bzw. das Ausmaß der Zielerreichung beurteilt wird (vgl. 1983, S. 21 sowie S. 49 ff. und S. 71 ff.). 2. Lernziele 25 Richtziele Grobziele operationalisierte Feinziele Im Seminar „Kompe- In diesem Kurs ler- Nach Beendigung dieser Ein- tente Sekretärin“ er- nen Sie ein Telefon heit können Sie: werben Sie Kenntnisse zu bedienen bzw. einen Anruf weiterleiten, der Sekretariatspraxis verschiedene Einstel- den Lautsprecher aktivieren, unter Einbindung mo- lungen vorzunehmen eine neue Nachricht in das derner Bürokommuni- sowie korrekt mit Voice Mail System einspei- kationsmittel. Anrufern zu kom- chern, munizieren. Termine vereinbaren. Die SchülerInnen er- Die SchülerInnen Am Ende dieser Unterrichts- werben staatskundli- lernen demokratische einheit können die SchülerIn- che Kenntnisse und Regeln kennen und nen sind bereit, gesell- diese anzuwenden. drei Möglichkeiten der direk- schaftliche Verantwor- ten Demokratie nennen, tung zu übernehmen. die Schritte zur Einleitung eines Volksbegehrens auf- zählen, die zuständige Behörde zur Einleitung eines Volksbegeh- rens nennen. Nach Beendigung des Das Fach Lernpsy- Die Lernenden können die drei Lehrganges sollen die chologie soll den behandelten Lerntheorien ver- Lernenden eigenstän- Lernenden die zur- gleichen und Vor- bzw. dig eLearning-Content zeit wesentlichen Nachteile bei ihrem Einsatz im unter Berücksichti- Lerntheorien vermit- eLearning benennen und dies gung lerntheoretischer, teln. begründen. didaktischer sowie ge- stalterischer Aspekte entwickeln können. Abb. 4: Beispiele für Richtziele, Grobziele und Feinziele Zur klaren Beschreibung eines Lernzieles ist es gelegentlich notwen- dig, die Bedingungen zu benennen, unter denen die Lernenden zeigen sollen, dass sie das Ziel erreicht haben. Es geht hier darum, was die Lernenden benutzen dürfen bzw. was ihnen verweigert werden soll. (Vgl. Mager 1983, S. 50) Nach Mager kann der Gehalt einer Lernzielbeschreibung noch wesent- lich gesteigert werden, indem den Lernenden mitgeteilt wird, wie gut sie etwas tun können sollen. Dabei wird ein Kriterium für eine ausrei- chende Leistung angegeben. Ist ein Kriterium für die ausreichende Ausführung der Tätigkeit für jedes Lernziel festgelegt, so erhalten die 26 2. Lernziele Lernenden ein Mittel, um festzustellen, ob die Absolvierung einer Lerneinheit im Hinblick auf die zugrundeliegende Zielsetzung erfolg- reich war oder nicht. (Vgl. 1983, S. 71) 2.3 Problem der Operationalisierung Die Operationaliserung von Lernzielen stellt den Versuch dar, Ziele so genau zu formulieren, dass sie überprüfbar sind. Die Lernenden bzw. die Lehrenden sollen überprüfen können, was bereits gelernt und was noch nicht gelernt wurde. Ein gewichtiges Gegenargument besteht je- doch darin, dass verschiedene Lernziele nicht operationalisierbar sind. Ein Unterricht der sich vorwiegend oder gar ausschließlich auf opera- tionalisierte Ziele stützt, schließt in diesem Fall solche Ziele zwangs- läufig aus. Die Reduzierung auf rein beobachtbares Verhalten, so wird oftmals auch kritisiert, verkürze die Sichtweise des Unterrichts und des Lernens überhaupt.2 Solche Ansichten führen dann oft dazu, Ziele unscharf und schwam- mig zu formulieren und sich dabei darauf zu verlassen, dass „irgend- wie, irgendwas“ schon hängen bleibt. Wird Lernen jedoch als aktiver Prozess verstanden, wie es bei allen der drei oben behandelten lern- theoretischen Ansätzen der Fall ist, müssen die Lernenden konkret wissen, was sie lernen sollen und was sie schon gelernt haben. (Vgl. z.B. Mayer 2004a) Ein Nachteil der Lernzieloperationalisierung ist ihre notwendige For- derung nach beobachtbarem Verhalten, denn nur dieses ist überprüf- bar. So darf als Ziel nicht formuliert werden, dass die Lernenden eine Definition verstanden haben, sondern beispielsweise, dass sie eine De- finition in eigenen Worten mündlich oder schriftlich wiedergeben können, denn „Verständnis“ ist kein beobachtbares Verhalten. Natür- 2 An dieser Stelle soll nochmals darauf verwiesen werden, dass hier nicht der Anspruch erhoben wird, ein umfassendes didaktisches Konzept zu entwickeln. Es geht hier darum, Lernziele im Sinne der Unterstützung für Lehrende und Lernende zu behandeln. Lernziele werden als ein wichtiger Teilaspekt eines komplexen Lehr-/Lernprozesses betrachtet. 2. Lernziele 27 lich sollen die Lernenden die Definition auch verstanden haben.3 Um das in ein operationalisiertes Lernziel zu fassen, muss man ein konkre- tes Verhalten beschreiben, dass die Lernenden nur dann zeigen kön- nen, wenn sie die Definition verstanden haben. Da im Rahmen einer Operationalisierung nicht das gesamte Verhalten berücksichtigt wer- den kann, welches ein Lernziel insgesamt beinhaltet, führt dies zu ei- ner notwendigen Einschränkung seiner Bedeutung. Ein hierzu passendes Beispiel führt Mager in seinem Buch „Lernziele und Programmierter Unterricht“ an (vgl. 1972, S. 14 f.). Ein erstre- benswertes Ziel ist beispielsweise sicherlich „Musikverständnis zu entwickeln“. „Nur hat bei einer so vagen Formulierung niemand die geringste Ah- nung, was derjenige, der dieses Ziel ausgewählt hat, sich darunter vor- gestellt haben mag. Es kann durchaus ein wichtiges Ziel sein, doch ist aus der angeführten Beschreibung nicht zu entnehmen, was gemeint ist.“ (Mager 1972, S. 15) Da mit der Zielbeschreibung „Musikverständnis zu entwickeln“ kein konkretes Verhalten bestimmt wird, müsste man nach Mager jede der folgenden Verhaltensweisen als Zeichen für das Musikverständnis gel- ten lassen (vgl. 1972, S. 15): a) Der Lernende seufzt ekstatisch, wenn er Bach hört. b) Der Lernende kauft eine Hi-Fi-Einrichtung und Schallplatten im Wert von 500 Dollar. c) Der Lernende beantwortet 95 Auswahl-Antwort-Fragen zur Mu- sikgeschichte richtig. d) Der Lernende schreibt einen flüssigen Aufsatz über die Bedeu- tung von 37 Opern. e) Der Lernende sagt: „Mann, glaubt mir, ich bin Fachmann. Es ist einfach großartig.“ 3 Das ist aber ja gerade das Problem. Begriffe wie „verstehen“ sind eben nicht eindeutig und werden von Lehrenden auch unterschiedlich definiert. Da die gesamte Bedeutungsvielfalt eines Begriffes meist nicht in eine Operationalisie- rung aufgenommen werden kann, führt die Forderung nach Operationalisie- rung von Lernzielen daher automatisch zu einer Bedeutungseinschränkung des Begriffes bzw. des Lernziels. 28 2. Lernziele Diese Operationalisierung von „Musikverständnis entwickeln“ ist of- fensichtlich sehr unbefriedigend. Sicherlich gibt es eine Reihe sinnvol- lerer Möglichkeiten „Musikverständnis entwickeln“ zu operationalisie- ren. Prinzipiell sind die von Mager angeführten Verhaltensweisen je- doch mögliche Indikatoren für das hypothetische Konstrukt „Musik- verständnis entwickeln“, auch wenn es noch eine ganze Reihe zweck- mäßigere gibt. Dieses Beispiel zeigt gut auf, dass jede Operationalisie- rung den Bedeutungsgehalt von Lernzielen einschränkt und weitere Interpretationsmöglichkeiten ausschließt. Evaluation bzw. Lernziel- überprüfung konstruieren letztendlich eine eigene Wirklichkeit (vgl. Siebert 1999, S. 171 ff.). Wichtig ist, dass man sich dessen bewusst ist. Es kann also niemals der gesamte Bedeutungszusammenhang eines ab- strakten Lernziels im Rahmen einer Operationalisierung mit einge- schlossen werden. Es finden immer Ausgrenzungen statt. Im Rahmen des Operationalisierungsvorgangs kann lediglich nach einer von allen Beteiligten akzeptierten und für die jeweilige Situation zweckmäßigen Formulierung eines Lernziels gesucht werden. Die im Rahmen der O- perationalsierung nicht berücksichtigten Bedeutungsgehalte eines Lernziels müssen im betreffenden Fall eine untergeordnete Bedeutung besitzen. Die verschiedenen Probleme der Operationalisierung dürfen jedoch nicht dazu führen, grundsätzlich auf konkrete Formulierungen von Lernzielen zu verzichten, sich mit dem Gefühl zu begnügen „sie wer- den schon irgendwas gelernt haben“ und die Lernenden über ihren Lernfortschritt im Ungewissen zu lassen. Es geht hier vielmehr darum, eine für den konkreten Fall zweckmäßige Operationalisierung zu su- chen4. 4 Wobei diese Zweckmäßigkeit als eine Vereinbahrung der beteiligten Personen zu verstehen ist. 3. Taxonomie von Lernzielen 29 3. Taxonomie von Lernzielen Ziel der Lernzieloperationalisierung ist es, messbare Lernziele zu ge- winnen. Die dabei gewonnenen Lernziele haben unterschiedliche Komplexitätsgrade bzw. Lernhierarchien und sprechen unterschiedli- che Verhaltensdispositionen wie z.B. Wissen, Fertigkeiten, Einstellun- gen etc. an. Für die Planung von Lernzielen ist es nun hilfreich, diese nach gewissen Gesichtspunkten zu ordnen. Bei solchen Ordnungssys- temen spricht man auch von Klassifikationsschemata, Hierarchien bzw. Taxonomien (vgl. Möller 1987, S. 66). Mit Hilfe einer Lernzieltaxonomie wird versucht, eine nach dem Schwierigkeitsgrad geordnete hierarchische Stufung von Lernzielen bzw. eine Einteilung der unterschiedlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten etc. zu gewinnen. Wie bei allen Kategorisierungen ist auch hier zu be- achten, dass die dabei vorgenommene Vernachlässigung der Differen- zierung weniger ins Gewicht fällt, als der Gewinn an Übersichtlichkeit, Ordnung und Reduktion der Komplexität der Wirklichkeit. 3.1 Lernzieltaxonomie von Robert M. Gagné Die Lernzieltaxonomie von Robert M. Gagné basiert auf der Analyse des Begriffs „Lernen“ und bezieht sich auf verschiedene lerntheoreti- sche Modelle. Gagné hat versucht, Lernarten ausgehend vom einfa- chen Signallernen bis hin zum komplexen Problemlösen zu hierarchi- sieren. Dabei geht er davon aus, dass die jeweils niederere Lernart die Voraussetzung für die nächst höhere darstellt. Er unterscheidet fol- gende acht Typen des Lernens (vgl. Gagné 1970, S. 31 ff.): 1. Signallernen Einfaches Pawlowsches Konditionieren (klassisches Konditionie- ren). 2. Reiz-Reaktions-Lernen Lernen, auf bestimmte Reize auf spezifische Art zu reagieren (ope- rantes Konditionieren). 30 3. Taxonomie von Lernzielen 3. Kettenbildung Lernen durch Verkettung von S-R-Verbindungen. 4. Lernen verbaler Assoziationen Verkettung verbaler Stimuli. 5. Lernen multipler Diskrimination Gruppen von Stimuli können unterschiedliche Reaktionen hervor- rufen. 6. Begriffslernen Verschiedene Objekte können unter einem abstrakten Begriff zu- sammengefasst werden. 7. Regellernen Auf bestimmte klassifizierbare Reizsituationen wird mit bestimm- ten klassifizierten Regeln geantwortet. 8. Problemlösen Entwickeln flexibler Strategien mit deren Hilfe unter Anwendung von Regeln, Begriffen und Diskriminationen gegebene Probleme gelöst werden (nach Gagné die komplexeste Lernart). Das Modell von Gagné führt vom klassischen Konditionieren (Pawlow, Watson) über das operante Konditionieren (Skinner) bis hin zum Problemlernen (Bruner, Piaget). Der Gagnésche Ansatz vereinigt die drei Variablen Lernziele, Lernarten und Bedingungen für diese Lernar- ten. Er ermöglicht es, für jedes operationalisierte Lernziel eine optimale Lernart anzugeben, durch die dieses Lernziel erreicht werden kann, sowie die Bedingungen für ein wirksames Lernen zu beschreiben und Hinweise für eine oder mehrere sinnvoll erscheinende chronologische Abfolgen von Lernprozessen zu erhalten. (Vgl. Möller 1973, S. 260) Ein solches Stufenmodell veranschaulicht sicherlich gut die unter- schiedlichen theoretisch fundierten Lernformen und ihre Beziehung untereinander. Die verschiedenen Lerntheorien führen aber nur zu re- lativ formalen, die einzelnen Lerninhalte nur wenig berücksichtigende Aussagen. Zwar wird vielfach auf Gagnés Typologie des Lernens ver- wiesen, trotz seines Vorteils, der Orientierung an lernpsychologischen Theorien, findet dieses Verfahren jedoch nur geringe praktische An- wendung. 3. Taxonomie von Lernzielen 31 3.2 Lernzieltaxonomie von David P. Ausubel Verbales Lernen im kognitiven Verständnis bedeutet den Aufbau von kognitiven Strukturen, was zu einer sprachlich-symbolischen Reprä- sentation des Wissens führt. David P. Ausubel unterscheidet beim ver- balen Lernen zwischen bedeutungsvollem und mechanischem Lernen (vgl. Ausubel u.a. 1980). Beim mechanischen Lernen wird eine Infor- mation wortwörtlich und nicht inhaltlich gelernt, d.h. sie wird nicht auf das Vorwissen bezogen, weshalb sie nicht assimiliert werden kann. Diese Art des Lernens wird im Alltag Auswendiglernen genannt und z.B. zum kurzzeitigen Merken von Telefonnummern verwendet. Wich- tig für das Behalten von neuen Informationen ist jedoch, dass diese zu- fallsfrei und inhaltlich auf vorhandene kognitive Strukturen bezogen bzw. in diesen verankert werden. Ausubel bezeichnet ein solches Ler- nen als „meaningfull-learning“ (bedeutungsvolles Lernen)5. Lernen heißt für die Lernenden, die Bedeutungen des sprachlich Dar- gebotenen zu erfassen und über bereits vorhandene geeignete An- knüpfungspunkte dauerhaft in die eigene kognitive Struktur zu integ- rieren. Ausubel führte seine hierarchisch angeordnete Kategorie von Lernzielen auf die von ihm entwickelte Theorie des bedeutungsvollen Lernens zurück und kam dabei auf folgende Einteilung (vgl. Ausubel u.a. 1980): 1. Stellvertretendes Lernen (Namenslernen) 2. Begriffsbildung (induktives Begriffslernen) 3. Begriffsassimilation (deduktives Begriffslernen) 4. Satzlernen 5. Problemlösen 6. Kreativität 5 Der Begriff „meaningfull-learning“ wird im Folgenden mit „bedeutungsvollem Lernen“ übersetzt. Teil- weise findet sich auch die Übersetzung „sinnvolles Lernen“. 32 3. Taxonomie von Lernzielen Der Ansatz von Ausubel konzentriert sich allein auf den kognitiven Bereich des Lernens; externe Bedingungen sowie emotionale bzw. af- fektive Faktoren bleiben unberücksichtigt. Darüber hinaus ist anzu- merken, dass sich Ausubels Überlegungen sehr stark auf den Bereich sprachlicher Bedeutungen beziehen (vgl. Ausubel 1968). U.a. aus die- sen Gründen wird auch Ausubels Ansatz zur Kategorisierung von Lernzielen nur selten eingesetzt. 3.3 Lernzieltaxonomie nach Bloom Eine sehr häufig verwendete Taxonomie von Lernzielen ist die in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA von den behavioristisch orientierten Lerntheoretikern Benjamin Bloom, David Krathwol u.a. entwickelte und meist als Bloomsche Lernzieltaxonomie bezeichnete Einteilung (vgl. Bloom 1976, Krathwol, Bloom u. Masia 1975, Jank u. Meyer 1993, S. 305 sowie Möller 1987, S. 68 f.). Bloom unterscheidet in seiner Lernzieltaxonomie drei verschiedene Dimensionen von Lernzielen: 1. Kognitive Lernziele: beschreiben das Wissen über Fakten, Konzepte, Regeln, Prozedu- ren oder Prinzipien. 2. Affektive Lernziele: beziehen sich auf Interessen, Einstellungen und Werte. 3. Psychomotorische Lernziele: beinhalten die Beherrschung von Bewegungsabläufen. Über Gagné und Ausubel hinausgehend bezog Bloom die Bereiche des sozialen und des psychomotorischen Lernens mit ein. Alle Lernformen sollten exakt bestimmbares Verhalten umschreiben, das jeweils durch Umformung von Lernzielen in präzise Verhaltensziele erreicht werden kann. 3. Taxonomie von Lernzielen 33 Die Klassifikation von Lerninhalten nach einem kognitiven, affektiven und psychomotorischen Bereich ist theoretisch nicht fundiert und aus psychologischer Sicht nicht zwingend. „Denn affektive Lernziele, also Einstellungen, Werte, Normen etc., benö- tigen zweifelsohne ebenfalls eine kognitive Repräsentation: Der Erwerb einer Einstellung, der Aufbau von Werthaltungen oder Normen bedeu- tet den Aufbau eines kognitiven Schemas. Ebenso ist die Aneignung von Verhaltensweisen ohne den Aufbau unterschiedlich komplexer kogniti- ver Schemata nicht denkbar.“ (Kerres 1998, S. 160) Bei der Lernzielbeschreibung, aber auch bei der Lernzielüberprüfung sollten sich die Beteiligten daher immer bewusst sein, dass Lernen in seiner Komplexität stets eine ganzheitliche menschliche Verhaltens- weise beschreibt und bei dem von Bloom u.a. entwickelten Konzept ei- ne der drei Dimensionen herausgehoben wird. Betrachtet man aber die Lehrpraxis, so lässt sich unschwer erkennen, dass bei der Zielformulie- rung häufig eine einseitig kognitive Ausrichtung vorherrscht. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass eine Beurteilung kogniti- ver Leistungen als selbstverständlich erachtet wird, während es oft- mals als weniger wichtig oder gar unangebracht gesehen wird, Ler- nende für ihr Interesse, ihre Einstellungen, ihre Wertvorstellungen etc. zu beurteilen (vgl. Krathwohl, Bloom und Masia 1975, S. 15 f.). Für die drei Lernzieldimensionen werden von Bloom u.a. unterschied- liche Kriterien angelegt. In der kognitiven Dimension werden Lernziele nach dem Grad der Komplexität, in der affektiven Dimension nach dem Grad der Internalisierung und in der psychomotorischen Dimen- sion nach dem Grad der Koordination oder Komplexität unterschieden (vgl. Kerres 1998, S. 160). 3.3.1 Kognitive Lernziele Im kognitiven Bereich werden die Lernziele nach dem Grad der Kom- plexität in sechs Hauptklassen unterschieden, wobei den einzelnen Lernzielen typische Verben zugeordnet werden können (vgl. Bloom u.a. 1976): 34 3. Taxonomie von Lernzielen 1. Wissen: Informationen können aus dem Gedächtnis erinnert werden. Die Lernenden geben die vorher auswendig gelernten oder geübten Lerninhalte wieder. Typische Verben: wiedergeben, auswendig aufzählen, nennen, be- zeichnen, darstellen, reproduzieren, vervollständigen, zeigen etc. 2. Verstehen: Neue Informationen können verarbeitet und in einem größeren Kontext eingeordnet werden. Die Lernenden erklären z.B. einen Begriff, eine Formel, einen Sachverhalt etc. Das Verständnis zeigt sich darin, dass das Gelernte auch in einem anderen als dem ge- lernten Kontext präsent ist. Typische Verben: begründen, deuten, einordnen, erklären, erläu- tern, interpretieren, ordnen, präzisieren, übersetzen, übertragen, umschreiben, unterscheiden, verdeutlichen, vergleichen etc. 3. Anwenden: Regeln und Prinzipien können in definierten Situationen verwen- det werden. Die Lernenden verwenden das vorher Gelernte in ei- ner neuen Situation an. Typische Verben: anwenden, umsetzen, übertragen, modifizieren, an eine neue Situation anpassen etc. 4. Analyse: Ein Sachverhalt kann in seine Bestandteile zerlegt werden. Die Lernenden zerlegen Modelle, Verfahren etc. in deren Bestandteile. Dabei müssen sie die inneren Aufbauprinzipien bzw. inneren Strukturen entdecken und Zusammenhänge erkennen. Typische Verben: analysieren, ableiten, auflösen, beschreiben, glie- dern, isolieren, klassifizieren, interpretieren, nachweisen, untersu- chen, in Bestandteile zerlegen etc. 5. Synthese: Teile können zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Die Ler- nenden müssen Teile zusammenfügen, die sie noch nicht zusam- men erlebt oder gesehen haben. Das Neue war noch nicht in den bisherigen Erfahrungen vorhanden. Typische Verben: entwerfen, entwickeln, kombinieren, konstruieren, optimieren, organisieren, planen, zusammenstellen, anwenden in einer komplexen Situation, Verbesserungsvorschläge formulieren, 3. Taxonomie von Lernzielen 35 konstruktive Kritik anbringen etc. 6. Bewerten: Fähigkeit zu entscheiden, ob bestimmte Kriterien erfüllt sind. Die Lernenden beurteilen ein Modell, eine Lösung, ein Verfahren etc. in Hinsicht auf deren Zweckmäßigkeit. Sie erkennen beispielswei- se die Qualitätsangemessenheit eines Modells, die innere Stim- migkeit oder Funktionstüchtigkeit. Typische Verben: beurteilen, bewerten, differenzieren, entscheiden, folgern, gewichten, prüfen, qualifizieren, Expertisen erstellen etc. Die kognitive Dimension umfasst Ziele, die mit Denken, Wissen und Problemlösen zu tun haben. Organisationsprinzip ist hier der Über- gang von einfachen und konkreten Verhaltensformen zu komplexeren und abstrakteren. 3.3.2 Affektive Lernziele Affektive Lernziele sind solche, die ein Gefühl, eine Emotion oder ein bestimmtes Maß von Zuneigung oder Abneigung betonen. Sie reichen von der einfachen Beachtung bestimmter Phänomene bis zu komple- xen, aber in sich konsistenten Qualitäten des Charakters und des Be- wusstseins. In der Literatur werden solche Lernziele oftmals als Inte- ressen, Einstellungen, Wertschätzungen, Werte oder emotionale Hal- tungen dargestellt. Affektive Lernziele lassen sich nach Krathwohl, Bloom und Masia (1975) in folgende Kategorien einteilen: 1. Aufnehmen (Aufmerksam werden) 1.1 Bewusstheit Den Lernenden wird bewusst, dass in der modernen Malerei die Schattierung benutzt wird, um die Tiefe und die Hellig- keit anzudeuten. 1.2 Aufnahmebereitschaft Die Lernenden entwickeln eine Toleranz für den Gebrauch der Schattierung in der modernen Kunst. 36 3. Taxonomie von Lernzielen 1.3 Gerichtete oder selektive Aufmerksamkeit Die Lernenden suchen nach Beispielen, in denen mit Hilfe der Schattierung die Vorstellung eines dreidimensionalen Raumes geschaffen und die Helligkeit in dem Bild angedeu- tet wird. 2. Reagieren 2.1 Einwilligung ins Reagieren Die Lehrenden hängen auf Vorschlag des Lehrenden bei- spielhafte Bilder zu Hause oder im Büro auf. 2.2 Bereitschaft zum Reagieren Die Lehrenden suchen aus eigenem Antrieb nach Bildern des 20. Jahrhunderts, in denen die Schattierung zur Vorstellung eines dreidimensionalen Raumes eingesetzt wird. 2.3 Befriedigung beim Reagieren Die Lernenden zeigen eine emotionale Reaktion bei der Be- trachtung moderner Bilder. 3. Werten 3.1 Annahme eines Wertes Die Lernenden haben den Wunsch, moderne Kunst zu be- trachten. 3.2 Bevorzugung eines Wertes Die Lernenden suchen nach Beispielen moderner Kunst, um ihre Freude daran zu haben. 3.3 Bindung an einen Wert Die Lernenden vertrauen in die Kraft der modernen Kunst, tradierte Normen und Werte zu hinterfragen. 4. Wertordnung 4.1 Konzeptbildung für einen Wert Die Lernenden haben den Wunsch, Kunstwerke zu bewer- ten, die sie bewundern. 4.2 Organisation eines Wertesystems Die Lernenden räumen der Kunst eine dominante Stellung in ihrem Leben ein. 3. Taxonomie von Lernzielen 37 5. Bestimmtsein durch Werte 5.1 Verallgemeinertes Wertesystem Die Lernenden betrachten Probleme auch von ihrem ästheti- schen Aspekt her. Sie sind bereit, Urteile zu revidieren und Verhalten zu ändern, wenn neue Fakten auftauchen. 5.2 Bildung einer Weltanschauung Die Lernenden entwickeln eine konsistente Lebensphiloso- phie. Bei den affektiven Lernzielen geht es um einen Internalisierungspro- zess. Dieser stellt eine fortlaufende Verhaltensmodifikation dar und zwar vom Aufmerksamwerden des Individuums auf ein bestimmtes Phänomen bis hin zur durchgängigen Lebensanschauung, die alle Handlungen beeinflusst (vgl. Krathwohl, Bloom und Masia 1975, S. 32). Die Tatsache, dass hier der affektive Bereich getrennt vom kognitiven Bereich analysiert wird bedeutet nicht, dass zwischen beiden eine fun- damentale Trennung besteht. Menschliches Verhalten ist immer einge- bettet in eine kognitiv-emotionale-motivationale Matrix. Ziel dieser Trennung in verschiedene Komponenten ist, einzelne Dimensionen klarer zu analysieren und zu bewerten. Jedes Klassifikationsschema ist eine Abstraktion, die mehr oder weniger willkürliche Einteilungen un- ter Phänomenen vornimmt, um besondere Charakteristiken hervorhe- ben zu können. 3.3.3 Psychomotorische Lernziele Hier handelt es sich um Lernziele, die muskuläre oder motorische Fer- tigkeiten, den Umgang mit Material bzw. Gegenständen oder neuro- muskuläre Koordinationen umfassen. Diese Lernziele beziehen sich häufig auf Handschrift und Sprache, auf Leibeserziehung, auf hand- werkliche und technische Kurse. Psychmotorische Lernziele können nach Dave (1968) in folgende Kate- gorien eingeteilt werden (vgl. dazu auch Möller 1973, sowie Meyer 1974): 38 3. Taxonomie von Lernzielen 1. Imitation Die Lernenden ahmen Handlungen nach. Es sind dies beobacht- bare Handlungen mit der Fähigkeit, sie zu wiederholen. Den Handlungen fehlt jedoch die neuromuskuläre Koordination oder Steuerung, sie wirken noch grob und unvollkommen. 2. Manipulation Anweisungen befolgen, Ausführung selektiver Handlungen und Festigung des Handlungsablaufs. 2.1 Befolgen einer Anweisung Die Lernenden sind in der Lage, Handlungen nicht nur auf- grund der Beobachtung, sondern auch nach Instruktion aus- zuführen. 2.2 Selektion Die Lernenden beginnen, zwischen verschiedenen Handlun- gen zu differenzieren und das erforderliche Verhalten aus- zuwählen. 2.3 Festigung eines Handlungsablaufs Die Lernenden gewinnen eine gewisse Geübtheit in der Ma- nipulation bestimmter Geräte. Nach ausreichender Übung kommt es allmählich zu einer Festigung von ausgewählten Handlungsmustern. Die Handlungen sind zwar ziemlich si- cher, aber immer noch bewusst kontrolliert ausgeübt. 3. Präzision Genauigkeit und Maßverhältnisse werden beim Reproduzieren bedeutsam. 3.1 Reproduktion Die Beherrschung erreicht beim Reproduzieren der Hand- lung ein höheres Niveau der Verfeinerung. Genauigkeit, Maßverhältnisse und Exaktheit der Leistung gewinnen an Bedeutung. 3.2 Steuerung Die Lernenden werden von ihrem ursprünglichen, hand- lungsleitenden Vorbild unabhängig. Sie sind in der Lage, in einem festen Handlungsablauf beliebige Änderungen her- beizuführen oder Geschwindigkeiten zu verändern. Die Leistungen auf dieser Stufe sind von Vertrauen aber auch von bewusster Wachheit begleitet. 3. Taxonomie von Lernzielen 39 4. Handlungsgliederung Serie von Handlungen koordinieren und harmonisches Zusam- menwirken herstellen. 4.1 Sequenz In vielen praktischen Situationen ist es notwendig, eine Rei- he von Handlungen auszuführen und dabei verschiedene Körperpartien zu beanspruchen. Die Lernenden gelangen dazu, diese Handlungen zu strukturieren. 4.2 Harmonie Die Lernenden erwerben die Gewandtheit, eine Reihe von Handlungen gleichzeitig und in Aufeinanderfolge auszufüh- ren, um die gewünschte Übereinstimmung herzustellen. 5. Naturalisierung Automatisierung der Handlungsabläufe. 5.1 Automatisierung Die Handlung wird derart zur Routine, dass sie in eine au- tomatische und eine selbst ablaufende Reaktionsfolge über- geht. 5.2 Interiorisierung Die Handlung ist so routiniert, dass sie unbewusst ausge- führt wird. Die erste Kategorie Imitation wird von Dave (1968) noch in Imitations- impulse und in beobachtbare Wiederholungen unterteilt. Die Unterka- tegorie Imitationsimpulse beinhaltet jedoch nicht beobachtbare innere Vorgänge und ist daher für die Lernzielüberprüfung wenig hilfreich. 3.3.4 Kritik an der Lernzieltaxonomie nach Bloom Ausubel kritisierte die Bloomsche Taxonomie v.a. wegen ihrer gerin- gen psychologischen Fundierung. Diese führe zu einer Abhängigkeit der Kategorisierung von der jeweiligen Auffassung des Anwenders. Ausubel versuchte dieser Beliebigkeit entgegen zu wirken, indem er hierarchisch angeordnete Kategorien bildete, die er auf seine Lerntheo- rie des bedeutungsvollen Lernens zurückführte (vgl. Bühler 1980, S. 39 ff.). 40 3. Taxonomie von Lernzielen Die folgende Abbildung zeigt jedoch, dass die Bloomsche Taxonomie ihre Entsprechungen in der Kategorisierung von Ausubel hat. Die ein- zelnen Kategorien können also einander zugeordnet werden. Die Ob- jektivierung der hierarchischen Zuordnung der Lernziele kann durch eine ausführliche und nachvollziehbare Beschreibung noch zusätzlich gefördert werden. Ausubel Bloom 1. Stellvertretendes Lernen 1. Wissen (Namenlernen) 2. Begriffsbildung 2. Verstehen (induktives Begriffslernen) 3. Begriffsassimilation 3. Anwenden (deduktives Begriffslernen) 4. Satzlernen 5. Problemlösen 4. Analyse 6. Kreativität 5. Synthese 6. Bewertung Abb. 5: Vergleich der Taxonomien von Ausubel und Bloom Im Vergleich zu den Taxonomien von Gagné bzw. Ausubel zeichnet sich die Bloomsche Taxonomie durch ihre Breite (Berücksichtigung der kognitiven, der affektiven sowie der psychomotorischen Dimension) und ihre besondere Anwendungsfreundlichkeit aus. Dies sind v.a. die Gründe für die weite Verbreitung der Lernzieltaxonomie von Benjamin Bloom. 3.4 Das Modell von Anderson und Krathwohl Es hat immer wieder Versuche gegeben, die Lernzieltaxonomie von Bloom weiter zu entwickeln. Einer dieser Versuche führte zu „Ander- sons Taxonomietafel“, die von einer Arbeitsgruppe um Lorin W. An- derson und David R. Krathwohl entwickelt wurde (vgl. 2001). Diese Taxonomie bezieht sich auf kognitive Prozesse, wobei Anderson und 3. Taxonomie von Lernzielen 41 Krathwohl die Wissensdimension von der Leistungsdimension trenn- ten und weiter ausdifferenzierten. Bloom’sche No u n asp ect Separate Knowledge Taxonomie Dimension dimension Knowledge Remember Comprehension Understand Verb asp ect Application Apply Cognitive process Analysis Analyze dimension Synthesis Evaluate Evaluation Create Abb. 6: Erweiterung der Bloomschen Taxonomie (nach Anderson u. Krathwohl 2001) Die Leistungsdimensionen werden in Verbform beschrieben und die Kategorie „Knowledge“ erhält weitere Unterkategorien, die Wissens- dimensionen. Dadurch erlaubt diese Taxonomie eine genauere Pla- nung in Bezug auf die Wissensdimensionen und hebt die Bedeutung von Prozesswissen sowie der metakognitiven Reflexion des Lernens hervor. Wissens- Dimensionen der kognitiven Prozesse dimensionen Erinnern Verstehen Anwenden Analysieren Evaluieren Erschaffen Faktenwissen Konzeptwissen Prozedurales Wissen Meta-kogniti- ves Wissen Abb. 7: Andersons Taxonomietafel (nach Anderson u. Krathwohl 2001) 42 3. Taxonomie von Lernzielen Anderson und Krathwohl unterscheiden, entsprechend des Ansatzes von Bloom, sechs kognitive Lernzielkategorien: Erinnern, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Evaluieren und Schaffen. Diese Kategorien beschreiben die relevanten kognitiven Prozesse, welche dem zu errei- chenden Lernergebnis zu Grunde liegen. Kognitive Prozess- Untertypen und Synonyme Beispiele Kategorien (Aktivverben) Erinnern: erkennen, erinnern, identifizieren, Den 1. und 2. Hauptsatz der Relevantes Wissen aus definieren, nennen, reproduzieren, Thermodynamik nennen. dem Langzeitgedächtnis auflisten, wiederholen, darlegen, wie- abrufen. derherstellen, wiederholen … Verstehen: interpretieren, klären, paraphrasieren, Den Zusammenhang zwi- Bedeutung/ Relevanz darstellen, übersetzen, erläutern, il- schen den Hauptsätzen der von Wissen erkennen lustrieren, veranschaulichen, realisie- Thermodynamik und un- und herstellen indem ren, klassifizieren, kategorisieren, terschiedlichen Wärme- zum Beispiel neues mit subsumieren, zusammenfassen, abs- Kraft-Maschinen erläutern. altem Wissen verknüpft trahieren, generalisieren, folgern, wird. schließen, interpolieren, extrapolie- ren, voraussagen, vergleichen, kon- trastieren, abbilden, anpassen, erklä- ren, modellieren, erkennen, diskutie- ren, beschreiben … Anwenden: ausführen, benutzen, implementieren, Den 1. und 2. Hauptsatz Bestimmte Verfahren in durchführen, übertragen, der Thermodynamik auf bestimmten Situationen handhaben, umsetzen, lösen, den Dieselmotor anwen- ausführen/ demonstrieren … den. verwenden. Analysieren: differenzieren, unterscheiden, kenn- Einzelne Elemente einer Gliederung eines Mate- zeichnen, charakterisieren, auslesen, Wärme-Kraft-Maschine rials in seine konstituie- auswählen, erfassen, organisieren, unterscheiden und die Be- renden Teile und Be- auffinden, Zusammenhänge erken- ziehung der Elemente un- stimmung ihrer Interrela- nen, hervorheben, unterstreichen, tereinander erkennen. tion und/oder Relation strukturieren, beifügen, aufteilen … zu einer übergeordneten Struktur. Bewerten: überprüfen, abstimmen, ermitteln, Unterschiedliche Arten von Urteile anhand von Krite- überwachen, testen, beurteilen, evalu- Wärmeabfuhr in Bezug auf rien und Standards fällen. ieren, auswerten, schätzen … ihre Nutzleistung untersu- chen und vergleichen. Schaffen: generieren, kreieren, zusammenstel- Eine Wärme-Kraft- Elemente zu einem neu- len, zusammenführen, entwerfen, Maschine bezügliches Ab- en, kohärenten, funktio- produzieren, konstruieren … wärmenutzungen in Pro- nierenden Ganzen zu- duktionsanlagen optimie- sammenführen/ ren. reorganisieren Abb. 8: Kognitive Prozess-Kategorien (nach Universität Hannover 2004) 3. Taxonomie von Lernzielen 43 Die sechs Kategorien sind hierarchisch aufgebaut, wobei Evaluieren und Erschaffen im Vergleich zu Blooms Taxonomie die Rangplätze vertauscht haben. Die dargestellten Lernzielkategorien dienen dazu, die jeweils geforderte kognitive Leistung der Lernenden auf verschie- denen Stufen einzuordnen und die Anforderungen an sie auf diese Weise transparent zu machen. Die Wissensdimensionen entsprechen einem Kontinuum vom Konkre- ten zum Abstrakten, wobei vier verschiedene Wissenstypen unter- schieden werden. Es sind dies Faktenwissen, Konzeptwissen, prozedu- rales Wissen sowie metakognitives Wissen. Wissensdimensionen Untertypen Faktenwissen: Kenntnis der Terminologie (zum Beispiel das techni- Basiswissen, um mit einer Fachdis- sche Vokabular kennen) ziplin vertraut zu sein oder Prob- Kenntnis spezifischer Details und Elemente (zum Bei- leme in dieser Disziplin lösen zu spiel Quellen verlässlicher Informationen) können. Konzeptwissen: Kenntnis der Klassifikationen und Kategorien (zum Wissen über die Interrelationen der Beispiel die verschiedenen geologischen Zeitperioden) einzelnen Elemente des Basiswis- Kenntnis der Prinzipien und Verallgemeinerungen sens innerhalb eines größeren Zu- (zum Beispiel Theoreme, Gesetze) sammenhangs, das ein gemeinsa- Kenntnis der Theorien, Modelle und Strukturen (zum mes Funktionieren sichert. Beispiel Evolutionstheorie, DNA) Prozesswissen: Kenntnis fachspezifischer Fähigkeiten und Algorith- Wissen darüber, wie man etwas tut; men (zum Beispiel die verschiedenen Algorithmen, zur Wissen über Methoden des Nach- Lösung einer quadratischen Gleichung) forschens sowie Anwendungskrite- Kenntnis fachspezifischer Techniken und Methoden rien für Fähigkeiten, Algorithmen, (zum Beispiel die wissenschaftlichen Techniken bei der Techniken und Methoden. Problemlösungsfindung) Kenntnis der Kriterien zur Anwendung bestimmter Verfahrensweisen (zum Beispiel welche Methode zu benutzen ist, um algebraische Gleichungen zu lösen) Metakognitives Wissen: Strategisches Wissen (zum Beispiel Kenntnis der all- Generelles Wissen über den Er- gemeinen Lern-, Denk und Problemlösungsstrategien) kenntniszuwachs als auch das Be- Wissen über die kognitiven Aufgaben unter Einbezie- wusstsein und Wissen über den hung des kontextuellen und bedingten Wissen (zum persönlichen Erkenntniszuwachs. Beispiel das Arbeitsstrategien wie Zusammenfassen oder Paraphrasieren zu einem tieferen Verständnis der Materie führen können) Wissen über die eigenen Stärken und Schwächen (zum Beispiel der Studierende, der weiß, dass er bessere mul- tiplechoice Tests als freie Tests absolviert Abb. 9: Wissensdimensionen und ihre Untertypen (nach Universität Hannover 2004) 44 3. Taxonomie von Lernzielen Faktenwissen bezeichnet das notwendige Basiswissen, um mit einer Fachdisziplin vertraut zu sein oder Probleme in dieser Disziplin lösen zu können. Mit Konzeptwissen ist das Wissen über die Wechselbezie- hungen zwischen den einzelnen Elementen des Basiswissens innerhalb eines größeren Zusammenhanges gemeint, das ein gemeinsames Funk- tionieren sichert. Das prozedurale Wissen wiederum ist das Wissen über das Wie. Bei ihm steht die Methodik im Vordergrund. Das meta- kognitive Wissen schließlich bildet die Summe des gesamten Wissens, es ist das Wissen über die Erkenntnis. Mit den sechs kognitiven Lernzielkategorien und den vier Wissensdi- mensionen enthält die Taxonomietafel von Lorin W. Anderson und David R. Krathwohl 24 Zellen bzw. Kombinationsmöglichkeiten von Wissen und kognitiven Leistungen. Oft ist es jedoch notwendig, diese Komplexität zu verringern, um die Taxonomietafel als Analyseinstru- ment handhabbar zu machen. Eine weitere Kritik an der Taxonomie von Anderson und Krathwohl ist, dass Wissen nicht in die genannten Gruppen zerbrochen werden kann, denn im Rückschluss stellen die Gruppen bei der Zusammen- führung nicht mehr das ursprüngliche Wissen dar. Dieses kann von Lernenden, die lediglich die Einzelbestandteile aufnehmen, nicht wie- der hergestellt werden. Weiters ist nach konstruktivistischer Perspekti- ve, die großen Wert auf einen reichhaltigen Kontext beim Lernen legt, ein Erlernen von Faktenwissen ohne jegliche Bedeutung. (Vgl. Bednar u.a. 1992 sowie Heyer 2007) Trotz der Kritik repräsentiert die Taxonomie von Anderson und Krathwohl einen Ansatz, der es erlaubt, der Vielfalt an Contenttypen eine Struktur zu geben. Zudem geht es uns hier nicht darum, Lernsze- narien in einzelne Dimensionen zu zerlegen, sondern Lernergebnisse, in welchem Szenarium sie auch gewonnen wurden, zu analysieren. 3.5 Wissenstypen nach John R. Anderson Vielfach wird in Anlehnung an den Kognitionspsychologen John R. Anderson auch zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen un- 3. Taxonomie von Lernzielen 45 terschieden (vgl. Anderson 1996), wobei diese Einteilung oft noch durch die Kategorie „kontextuelles Wissen“ ergänzt wird (vgl. z.B. Pet- schenka u.a. 2004). Deklaratives Wissen beinhaltet Beschreibungen von Fakten, Begriffen, Objekten, Sachverhalten oder Situationen. Es handelt sich dabei um Fakten, Begriffe etc. über konkrete Ereignisse, Konzepte etc. Damit können die im Gedächtnis abgespeicherten Objekte einer Definition oder Beschreibung angegeben werden. Dies beinhaltet jedoch keines- wegs die Fähigkeit, dieses Wissen anzuwenden, da deklaratives Wis- sen nicht das Verständnis des gespeicherten Wissens impliziert. Prozedurales Wissen richtet sich wie bei Lorin W. Anderson und Da- vid R. Krathwohl auch bei John R. Anderson auf das Wie des Han- delns. Es bezieht sich auf Handlungswissen, also wie man etwas tut. Deklaratives Wissen agiert dabei als Grundlage. Das prozedurale Wis- sen enthält Verfahrens- und Vorgehensmuster für die Ausführung ei- ner Handlung und besteht aus einem Wenn-Anteil, der Anwendungs- bedingungen einer Prozedur spezifiziert sowie einem Dann-Anteil, der die Handlung repräsentiert. Prozedurales Wissen kann aus allgemei- nen Regeln zur Bewältigung einer Aufgabe bestehen oder es kann sich um spezielle Fertigkeiten handeln. Kontextuelles Wissen wiederum umfasst Problemlösungsstrategien für bestimmte Kontexte. Damit wird situatives, fallbezogenes Wissen be- zeichnet. Dies beinhaltet auch Standards und Einschätzungen der An- gemessenheit bestimmter Prozeduren und wann bzw. wo welches Wissen anzuwenden ist. Mit einfachen Aufgabentypen wird in der Regel eher der Erwerb de- klarativen Wissens (Faktenwissen im Sinne von „wissen-dass“) und mit komplexen Aufgabentypen üblicherweise der Erwerb von proze- duralem (praktischem Wissen im Sinne von „wissen-wie“) Wissen un- terstützt. (Vgl. Petschenka u.a. 2004). Obwohl immer wieder auf die Typologie von John R. Anderson ver- wiesen wird, erscheinen die Wissensdimensionen von Lorin W. An- derson und David R. Krathwoh dennoch für ein hier zu entwickelndes Modell zur computerunterstützten Lernzielüberprüfung besser geeig- 46 3. Taxonomie von Lernzielen net zu sein. Es sind zwar einige Überschneidungen zwischen den Wis- sensdimensionen von Lorin W. Anderson und David R. Krathwoh so- wie der Typologisierung nach John R. Anderson vorhanden, Lorin W. Anderson und David R. Krathwohl haben ihre Wissensdimensionen jedoch explizit zur Klassifikation von Lernzielen entwickelt. Diese Ar- beit stellt ebenfalls den Versuch dar, eine in der Praxis möglichst gut anwendbare Taxonomie der Wissensdimensionen zu entwickeln, die zudem auch die entsprechenden kognitiven Lernziele möglichst adä- quat abbildet. 3.6 Die Klassifikationsmatrix zum ULME-Kompetenzstufenmodell 3.6.1 Die Klassifikationsmatrix Im Rahmen des Projektes ULME (Untersuchungen der Leistungen, Motivation und Einstellung) an der Universität Hamburg wurde in Anlehnung an Andersons und Krathwohls Taxonomietafel eine Klassi- fikationsmatrix als Analyseinstrument zur Überprüfung des An- spruchsniveaus von Testaufgaben entwickelt (vgl. Hofmeister 2005). Die Klassifikationsmatrix ist folgendermaßen aufgebaut: Leistung Reproduzieren Anwenden/ Kritisieren/ Verstehen Reflektieren Wissen A Fakten B A Konzepte B A Prozeduren B Abb. 10: Klassifikationsmatrix nach Hofmeister 2005 Die Matrix dient bei der Testaufgabenerstellung als Hilfsmittel, zur Feststellung des mit der Aufgabe anvisierten Leistungsniveaus. Um den Zweck als Analyseinstrument zu erfüllen, musste bei der Klassifi- kationsmatrix im Vergleich zur Taxonomie von Anderson und Krath- 3. Taxonomie von Lernzielen 47 wohl auf Kategorien verzichtet werden. Auch wurden verschiedene Kategorien zusammengefasst. Da es sich bei der Zielgruppe des ULME-Projektes um SchülerInnen in Abschlussklassen der Berufsschulen handelte (vgl. Lehmann u. Seeber 2007), wurde die Kategorie „metakognitive Fähigkeiten“ nicht über- nommen. Dabei wird jedoch darauf verwiesen, dass metakognitive Fä- higkeiten einen wesentlichen Bestandteil von Kompetenz darstellen. (Vgl. Hofmeister 2005, S. 4) Die Zusammenfassung der kognitiven Leistungsdimensionen erfolgte in Anlehnung an Metzgers Taxonomie zum „kognitiven Beitrag“ (vgl. Metzger 1993). Metzger reduziert dabei die sechs Hauptklassen des kognitiven Bereichs in Blooms sowie in Andersons Taxonomie auf drei Kategorien. Es sind dies Informationserinnerung (Erinnern), Informa- tionsverarbeitung (Verstehen und Anwenden) sowie Informationser- zeugung (Analyse, Synthese und Beurteilen). Die letzten drei Kategorien Analyse, Synthese und Beurteilen stellen insofern ein gemeinsames Merkmal dar, als die Lernenden hier etwas Neues erschaffen müssen. BLOOM’sche Wieder- Wieder- Sinn- An- Analyse Beurteilen Kategorien kennen geben Erfassen wenden Synthese Kategorien Informations- Informations- Informations- nach erinnerung verarbeitung erzeugung METZGER Kriterium geringer eigenstän- mittlerer eigenstän- hoher eigenständiger kog- diger Beitrag, d.h.: diger Beitrag: nitiver Beitrag, d.h.: Merkmal gelernte Informatio- gelernte Informatio- einen Sachverhalt umfas- nen in einem unver- nen sinngemäß ab- send und systematisch änderten Umfeld bilden, bzw. gelernte untersuchen, wobei die wieder erkennen Struktur auf einen nötige Kriteriumsstruktur bzw. unverändert sprachlich neuarti- neu zu schaffen ist bzw. reproduzieren gen, aber strukturell einzelne Informationen zu gleichen Inhalt über- einem neuartigen Ganzen tragen verknüpfen Abb. 11: Taxonomie zum kognitiven Beitrag von Metzger (nach Hofmeister 2005 und Metzger 1993) 48 3. Taxonomie von Lernzielen Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass es nur schwer möglich ist, in ein gebundenes Aufgabenformat einen Sachverhalt so einzubringen, dass die Antwort etwas Neues bzw. ein von den Lernenden erarbeite- tes Produkt darstellt (vgl. Hofmeister 2005, S. 5). „Es müsste aber möglich sein, eine geschlossene Aufgabe so zu erstellen, dass die Schüler über Strukturen, Zusammenhänge, Kriterien o.ä. kri- tisch reflektieren müssen und eigene, vorhandene oder in der Situation selbst erst zu entwickelnde Kriterien einsetzen müssen, um die richtige Antwort zu wählen.“ (Hofmeister 2005, S. 5) 3.6.2 Die Unterkategorien der Wissenskategorien Die drei Wissenskategorien Faktenwissen, Konzeptwissen und Proze- durenwissen werden in der Klassifikationsmatrix des ULME-Projektes zum Teil in Anlehnung an Anderson und Krathwohl jeweils in zwei Unterkategorien geteilt. Die Wissenskategorie Faktenwissen wurde dabei in die Unterkategorie „terminologisches“ und „empirisches“ Faktenwissen unterteilt. Mit „terminologischem“ Faktenwissen sind Aussagen über spezifische verbale oder nonverbale Bezeichnungen und Symbole (Namen, Zif- fern, Zeichen, Bilder) eines Sachgebietes gemeint, die von den entspre- chenden Experten genutzt werden, um sich kurz, prägnant und un- missverständlich ausdrücken zu können (vgl. Hofmeister 2005, S. 6). Das folgende Beispiel soll diese Kategorie verdeutlichen: Was bezeichnet 20H7? Toleranzklasse einer Welle Gewindeaußenmaß Toleranzklasse einer Bohrung Gewindesteigung Abb. 12: Aufgabenbeispiel für „terminologisches“ Faktenwissen (nach Hofmeister 2005) 3. Taxonomie von Lernzielen 49 Empirisches Faktenwissen kann quantitativer (wie groß, wie schwer ist etwas, wie viele usw.), qualitativer (wie schön, bedeutend, angesehen usw.) oder struktureller (wie setzt sich etwas zusammen) Natur sein (vgl. Hofmeister 2005, S. 7 f.). Empirisches Wissen kann anhand der Realität nach seinem Wahrheitsgehalt überprüft werden. Beim folgen- den Beispiel geht es um die Zusammensetzung einer Soße. Es muss nicht gewusst werden, warum gerade diese drei Zutaten zu einer hel- len Grundsoße führen oder wie eine solche Soße hergestellt wird. Welche der folgenden Zutaten benötigt man für eine helle Grundsoße? Margarine, Brühe und Milch Margarine, Mehl und Milch Mehl, Milch und Brühe Margarine, Mehl und Zwiebel Abb. 13: Aufgabenbeispiel für „empirisches“ Faktenwissen (nach Hofmeister 2005) Die zweite Wissenskategorie der Klassifikationsmatrix für das ULME- Projekt ist das Konzeptwissen. Hier handelt es sich um komplexere Wissensstrukturen, die es erlauben, auf begrifflicher Ebene Ordnung, Struktur und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und darzus