Baustofflehre 1 - Grundlagen PDF 2024
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Hochschule 21
2024
hochschule 21
Helmut Marquardt, Holger Stehr
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This document is an introductory study material on building materials. It covers fundamental topics such as material properties, specifications and regulations. It discusses aspects like material safety, environmental concerns, and technical specifications. This is study material from hochschule 21 for 2024.
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Prof. Dr.-Ing. Helmut Marquardt , aktualisiert von Prof. Dr.-Ing. Holger Stehr hochschule 21, Buxtehude Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 ___________________________________________________________________________ 1 Einführung........................................................................
Prof. Dr.-Ing. Helmut Marquardt , aktualisiert von Prof. Dr.-Ing. Holger Stehr hochschule 21, Buxtehude Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 ___________________________________________________________________________ 1 Einführung....................................................................................................................... 2 1.1 Anforderungen an Baustoffe.................................................................................... 2 1.2 Module der Baustofflehre......................................................................................... 3 2 Grundlegende Baustoffkenngrößen.............................................................................. 5 2.1 Maßsystem und Maßeinheiten................................................................................. 5 2.2 Dichtekenngrößen.................................................................................................... 6 2.3 Gefügekenngrößen.................................................................................................. 8 2.4 Festigkeitskenngrößen........................................................................................... 10 2.5 Formänderungskenngrößen................................................................................... 16 2.6 Härte...................................................................................................................... 22 2.7 Bauphysikalische Kenngrößen............................................................................... 23 3 Technische Spezifikationen.......................................................................................... 25 3.1 Allgemein anerkannte Regeln der Technik............................................................. 25 3.2 Deutsche und europäische Technische Spezifikationen........................................ 26 3.3 Weiterentwicklung der technischen Spezifikationen............................................... 31 3.4 Baurechtliche Verwendbarkeit von Bauprodukten.................................................. 33 3.5 Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB)............................. 39 3.6 Übereinstimmungs- bzw. Konformitätsnachweis.................................................... 45 ________________________________________________________________________ Dieses Skript ist ausschließlich zum internen Gebrauch im Rahmen der Lehre an der hochschule 21 bestimmt. Insbesondere eine Veröffentlichung 3 auch in Auszügen 3 ist ausdrücklich untersagt. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -2- 1 Einführung 1.1 Anforderungen an Baustoffe An Bauprodukte (= Handelswaren, die in Bauwerke eingebaut werden) 3 das können Bau- stoffe oder Bauteile bzw. Bausätze sein 3 werden die unterschiedlichsten Anforderungen ge- stellt. Bild 1.1 zeigt die Grundanforderungen (engl. basic requirements) an eingebaute Bau- produkte gemäß EU-Bauproduktenverordnung [1.1] 3 im Spannungsfeld zwischen den Staatszielen - Schutz vor Gefahren für Leib und Leben (GG, Artikel 2 [1.2]): >Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.< - Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (GG, Artikel 20a [1.2]): >Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.< Schutz vor Gefahren für Leib und Leben Mechanische Festigkeit und Standsicherheit Sicherheit und Barriere- Brandschutz freiheit bei der Nutzung Bauprodukte Wärmeschutz und Schallschutz Energieeinsparung Hygiene, Gesundheit Nachhaltige Nutzung der und Umweltschutz natürlichen Ressourcen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Bild 1.1: Grundanforderungen an Bauprodukte im eingebauten Zustand gemäß EU-Baupro- duktenverordnung Der Beitrag der Bauprodukte (v.a. der Baustoffe) zur Erfüllung dieser Grundanforderungen soll Inhalt des Moduls :Baustofflehre 18 sein. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -3- 1.2 Module der Baustofflehre Die Baustofflehre an der hochschule 21 gliedert sich in die Module - Baustofflehre 1 (BSL1) im ersten Semester für die Studierenden aller drei Bachelorbaustudiengänge (BARC, BBAU und BWBI) sowie - Baustofflehre 2 (BSL2) i.d.R. im zweiten Semester nur für die Studierenden im Studiengang Bachelor Bauingenieurwesen (BBAU). Da nur die Studierenden im Studiengang Bachelor Bauingenieurwesen vertiefte Kenntnisse in den Festigkeitseigenschaften der Baustoffe benötigen, wird der Lehrstoff folgendermaßen aufgeteilt: - Im Modul BSL1 werden die grundlegenden Eigenschaften sowie die Auswirkun- gen auf Umwelt und Gesundheit sämtlicher üblicher Baustoffe im Überblick be- handelt, - während im Modul BSL2 speziell für die Bachelorstudierenden des Bauingenieurwesens die Festigkeits- und Formänderungseigenschaften der Konstruktionswerkstoffe Mauerwerk, Beton, Stahl und Holz vertieft 3 d.h. einschließlich praktischer Versuche im Labor 3 vorgestellt werden. Das Modul BSL1 gliedert sich in die Teile - Grundlagen (als erster Skriptteil) mit den Hauptabschnitten - Grundlegende Baustoffkenngrößen (Abschnitt 2 dieses Skriptes) und - Technische Spezifikationen (Abschnitt 3 dieses Skriptes); - Schadstoffe und Ökobilanzierung von Bauprodukten (als zweiter Skriptteil) mit u.a. den Inhalten - für Gesundheit und Umwelt schädliche Stoffe und Strahlung, - Ökobilanzen nach ISO 14040 ff. sowie - vereinfachte ökologische Beurteilung von Bauprodukten; - Mineralische Baustoffe (als dritter Skriptteil) mit u.a. den Hauptabschnitten - Gesteinskörnungen, Kalk, Zement und Beton, - Calciumsulfatbaustoffe (Gips), - Mauer-, Putz- und Estrichmörtel, Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -4- - Mineralisch gebundene Baustoffe, - Keramische Baustoffe sowie - Glasbaustoffe; - Metallische Baustoffe (als vierter Skriptteil) mit u.a. den Hauptabschnitten - Eisenwerkstoffe, - Aluminium, - Blei und Zink sowie - Kupfer; - Organische Baustoffe (als fünfter Skriptteil) mit den Hauptabschnitten - Holzbaustoffe - Systematik der organischen Chemie, - Teer und Bitumenbaustoffe sowie - Kunststoffe. Leistungsnachweis: Hausarbeiten o.ä. sind im Modul BSL1 nicht vorgesehen, den Abschluss bildet ausschließ- lich eine Klausur von 90 min Dauer (in der letzten Woche der Theoriephase) in der keine Unterlagen benutzt werden dürfen. Abgeprüft wird dabei das Erreichen der angestrebten Lernergebnisse: >Nach der Teilnahme kennen die Studierenden die die wichtigsten Baustoffe in ihrem Lebenszyklus, d.h. Produktherstellung, Produktverwendung und -verarbeitung, Nutzungsphase und Nachnutzung sowie hinsichtlich ihrer Festigkeitseigenschaften und ihres Verformungsverhaltens. Nach der Teilnahme sind die Studierenden befähigt, die wichtigsten Baustoffe hinsicht- lich ihrer Verwendbarkeit sowie ihrer Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen zu beur- teilen. Weiter können sie die erworbenen Baustoffkenntnisse in der Gruppe mittels unter Anleitung durchgeführter Laborversuche und durch selbständige Bearbeitung einer Betonerstprüfung umsetzen. Nach erfolgreicher Teilnahme sind die Studierenden in der Lage, Angaben von Bau- produktherstellern hinsichtlich der Verwendbarkeit wie auch ihrer Umwelt-/Gesundheits- aussagen sowie hinsichtlich der Festigkeits- und Verformungseigenschaften kritisch zu hinterfragen.< Zur Unterstützung der Prüfungsvorbereitung gibt es eine Beispielklausur sowie einen Fragenkatalog in Moodle. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -5- 2 Grundlegende Baustoffkenngrößen 2.1 Maßsystem und Maßeinheiten Entsprechend dem :Gesetz über Einheiten im Messwesen9 [2.1] (zitiert nach [2.2]) gilt in Deutschland das Système International d9Unités 3 das Internationale Einheitensystem 3 kurz SI-System. Die zugehörigen Maßeinheiten heißen SI-Einheiten. Die SI-Basiseinheiten nennt Tabelle 2.1, die zulässigen SI-Vorsätze nennt Tabelle 2.2. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von den SI-Basiseinheiten abgeleitete Maßeinheiten 3 z.B. neben der Basis-Zeiteinheit Sekunde [s] noch Mínute [min], Stunde [h] und Tag [d]. Tabelle 2.1: SI-Basiseinheiten [2.2] In der Baustofflehre hält man sich selbstverständlich an dieses SI-System mit den zugehörigen SI-Einheiten (s. dazu die folgenden Abschnitte in diesem Skript). Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -6- Tabelle 2.2: SI-Vorsätze [2.2] Zur Umrechnung anderer gebräuchlicher Größen und Einheiten (z.B. aus dem anglo-amerikani- schen IP-System) gibt es Umrechnungstabellen (s. z.B. [2.2][2.3][2.4]). 2.2 Dichtekenngrößen Folgende Dichtekenngrößen werden unterschieden [2.3] (teilweise mit neuen europäischen Bezeichnungen nach [2.5]): A. Die Reindichte = Dichte eines hohlraumfreien Stoffes (Bild 2.1 rechts) ermittelt sich zu: m0 m0 ù kg ù ò0 ý ý ú m3 ú (2.1) V0 Vtot ý V p û û mit m0 = Masse des hohlraumfreien Stoffes [kg] V0 = hohlraumfreies Volumen des Stoffes [m³] Vtot = Gesamtvolumen des Stoffes (Index tot = total, englische Bezeich- nungen nach [2.5]) [m³] Vp = Porenvolumen des Stoffes [m³] B. Die Rohdichte (= mass density) eines Stoffes bei einer bestimmten Feuchte (Bild 2.1 Mitte) ergibt sich zu [2.3]: m m ù kg ù ò ý ý ú m3 ú (2.2) Vtot V0 û V p û û Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -7- mit m = Stoffmasse [kg] Vtot = Gesamtvolumen des Stoffes [m³] V0 = hohlraumfreies Volumen des Stoffes [m³] Vp = Porenvolumen des Stoffes [m³] Die Rohdichte eines einzelnen Korns eines körnigen Stoffes heißt Kornrohdichte òg, (vgl. Bild 2.1 Mitte), die auf die getrocknete Stoffmasse bezogene Rohdichte heißt Trocken- rohdichte òd. C. Die Schüttdichte eines körnigen Stoffes (Bild 2.1 links) wird bestimmt zu [2.3]: m m ù kg ù òS ý ý ú m3 ú (2.3) VS V g û VH û û mit m = Stoffmasse [kg] VS = Gefäßvolumen [m³] (in Bild 2.1 links VS = A ÷ h) Vg = Kornvolumen [m³] VH = Volumen der Haufwerkporen [m³] a) b) c) Bild 2.1: Dichte- kenngrößen [2.3] Künstliche Mauersteine enthalten häufig besonders geformte Hohlräume (z.B. Lochziegel, Hohlblocksteine). Bei diesen Mauersteinen werden unterschieden [2.3] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -8- - die Steinrohdichte (Bild 2.2 links), die das Volumen des gesamten Probekörpers umfasst, und - die Scherbenrohdichte (Bild 2.2 rechts), die das Volumen der speziell geformten Hohlräume ausschließt. Bild 2.2: Stein- und Scherbenrohdichte [2.3] 2.3 Gefügekenngrößen Unter Gefüge versteht man den inneren physikalischen Aufbau eines Stoffes, der alle makro- skopischen Eigenschaften beeinflusst [2.3]. Baustoffe haben - entweder 3 wie z.B. Metalle und Glas 3 ein porenfreies Gefüge - oder 3 wie die meisten Baustoffe 3 ein poriges Gefüge (Bild 2.3). a) b) Bild 2.3: Gefügetypen porö- ser Baustoffe [2.3] a) geschlossene, nicht füll- bare Poren (Typ 1) b) offene Poren (Typ 2a = durchströmbare Poren, Typ 2b = nicht durchströmbare Poren = Sackporen) Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 -9- Bei den porösen Baustoffen unterscheidet man [2.3] - geschlossene Poren (Bild 2.3a), die bei Gasentwicklung in einer Schmelze entstehen 3 z.B. bei Basaltlava, Schaumglas oder Schaumkunststoffen 3 sowie - offene Poren (Bild 2.3b), die bei allen im Wasser entstandenen oder mit Wasser hergestellten Baustoffen 3 z.B. Sedimentgesteine, Ziegel, Beton oder Holz 3 ent- stehen. Fast alle Eigenschaften poröser Baustoffe werden von ihrer Porigkeit bestimmt, und zwar - die Rohdichte (vgl. Abschnitt 2.2), - die Festigkeiten (s. folgenden Abschnitt 2.4) - die Formänderungen (s. nachfolgenden Abschnitt 2.5), - die Wärmeleitfähigkeit (s.u. Abschnitt 2.7) sowie - die Wasseraufnahme und die Wasserdampfdurchlässigkeit (s. ebenfalls Abschnitt 2.7). Jede Pore im Baustoff verringert die Festigkeit und die Wärmeleitfähigkeit, erhöht aber auch die Formänderungen und den Verschleiß [2.3]. Bild 2.4: Beispiel einer Poren- größenverteilung (Sandstein) [2.3] Zur Beurteilung der Baustoffeigenschaften ist daher der volumenbezogene Anteil des Poren- raums 3 die Porigkeit 3 von großer Bedeutung. Aber auch die Porengrößenverteilung 3 die an Hand von zwei verschiedenen Messverfahren mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen in Bild 2.4 dargestellt ist 3 gibt wichtige Hinweise z.B. auf das Witterungsverhalten und die Frost- beständigkeit von Baustoffen. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 10 - 2.4 Festigkeitskenngrößen Die wichtigsten Arten der Beanspruchung von Baustoffen sind in Bild 2.5 zusammengestellt. Aus diesen Beanspruchungsarten ergeben sich die entsprechenden Festigkeitskenngrößen (f = material strength, englische Benennungen nach [2.5]) - Zugfestigkeit ft (Index t = tension, früher òZ), - Druckfestigkeit fc (Index c = compression, früher òD), - Biegefestigkeit fm (Index m = moment, früher òB), - Scherfestigkeit fv (Index v = (vertical) shear, früher òa) und - Torsionsfestigkeit ftor (Index tor = torsion, früher òT) Bild 2.5: Wichtigste Arten der Beanspruchung von Baustoffen [2.3] Für sämtliche Festigkeitskenngrößen wird die statische Festigkeit als Kurzzeitfestigkeit f (früher ò) an Probekörpern bei einer Belastungsdauer bis zur Höchstlast von ca. 1 min er- mittelt. Die einzelnen Festigkeiten ergeben sich aus den entsprechenden Versuchen wie folgt [2.3]: Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 11 - a) b) Bild 2.6: Zentrische Zugbeanspruchung (nach [2.3]) a) Prüfanordnung bei Stahl (links) bzw. bei Beton (rechts) b) Spannungszustand im zentrisch beanspruchten Zugstab A. Die zentrische Zugfestigkeit ft (Index t = tension, früher òZ, Bild 2.6) ergibt sich zu Ft ,max ù N ù ft ý ó t ,max ý ú mm² ú (2.4) A û û mit ót,max = größte Zugspannung [N/mm²] (vgl. Bild 2.6) Ft,max = Höchstzugkraft [N] (F = force = Kraft) A = Ausgangsquerschnitt [mm²] (A = area = Fläche) t 0 Bild 2.7: Definition der Dehnung õ [2.4] t Maßgebend für die Festigkeit f ist 3 nicht nur bei der Zugfestigkeit 3 die Höchstlast, nicht der eigentliche Bruch (Index u = ultimate limit = Bruchzustand, Bild 2.8 mit Definition der Dehnung in Bild 2.7) [2.3]. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 12 - f u f u Bild 2.8: Definition von Festigkeit, Bruchspan- u nung und Bruchdeh- nung (nach [2.3]) u Bild 2.9: Ein- fluss der Quer- dehnungs- behinderung auf die Druck- festigkeit [2.3] B. Die Druckfestigkeit fc (Index c = compression, früher òD) ergibt sich zu Fc ,max ù N ù fc ý ó c,max ý ú mm² ú (2.5) A û û mit óc,max = größte Druckspannung [N/mm²] (vgl. Bild 2.8) Fc,max = Höchstdruckkraft [N] A = Ausgangsquerschnitt [mm²] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 13 - Der Bruch bei Druckbeanspruchung tritt nicht durch ein eigentliches Druckversagen, sondern durch Querzugversagen auf 3 dementsprechend hängt die Druckfestigkeit von der Form der Querdehnungsbehinderung im Versuch und damit von der Probe- körperform ab (Bild 2.9) [2.3]. C. Die Biegefestigkeit fm (Index m = moment, früher òB, s. Bild 2.10, vgl. auch Bild 2.5) ergibt sich zu M max ù N ù fm ý ó m,max ý ú mm² ú (2.6) W û û mit óm,max = größte Biegespannung [N/mm²] (vgl. Bild 2.8) Mmax = größtes Biegemoment [N÷mm] W = Widerstandsmoment des Querschnitts [mm³] a) b) Bild 2.10: Biegebean- spruchung (nach [2.3]) a) Mögliche Prüfanord- nungen b) Spannungszustand Die Biegefestigkeit kann durch einen Drei-Punkt-Biegeversuch (Bild 2.10a links) ermittelt werden; sinnvoller ist jedoch der Vier-Punkt-Biegeversuch (Bild 2.10a rechts), da hierbei im mittleren Drittel des Versuchskörpers über eine größere Länge geprüft wird. Bei Bau- stoffen, deren Zugfestigkeit kleiner als die Druckfestigkeit ist (z.B. Mauerwerk, Beton), wird beim Biegeversuch praktisch die Biegezugfestigkeit geprüft, da die Zugzone (in Bild 2.10b unten) zuerst versagt. D. Die Scherfestigkeit fv (Index v = (vertical) shear, früher òa, vgl. Bild 2.5) ergibt sich zu Fv ,max ù N ù fv ý ô max ý ú mm² ú (2.7) A û û Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 14 - mit ômax = größte Scherspannung [N/mm²] (vgl. Bild 2.8) Fv,max = größte Abscherkraft [N] A = Ausgangs-Scherfläche [mm²] Die beim Biegeversuch auftretenden Scherspannungen werden im allgemeinen Schubspannungen genannt. E. Die Torsionsfestigkeit ftor (Index tor = torsion, früher òT) ist die höchste erreichbare Spannung bei Beanspruchung durch Verdrehen (vgl. Bild 2.5). Bei Berücksichtigung der geometrischen Verhältnisse entspricht sie der Scherfestigkeit. Sämtliche bisher genannten Festigkeitskenngrößen wurden als Kurzzeitfestigkeit f ermittelt. In der Baupraxis treten jedoch neben Kurzzeitbeanspruchungen (z.B. Wind) auch - nahezu unendlich lange statische Beanspruchungen (z.B. Eigengewicht) sowie - nahezu unendlich häufige dynamische Beanspruchungen (Schwingungen z.B. bei Brücken) auf. Bild 2.11: Beanspruchungsfälle beim Dauerschwingversuch [2.3] 3 hier noch mit den alten deutschen Bezeichnungen Die zugehörigen Festigkeiten werden als Dauerfestigkeiten bezeichnet, und zwar - als Dauerstandfestigkeiten bei statischen Beanspruchungen und - als Dauerschwingfestigkeiten bei dynamischen Beanspruchungen. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 15 - Sowohl die Dauerstand- als auch die Dauerschwingfestigkeiten sind bei nahezu allen Bau- stoffen geringer als die Kurzzeitfestigkeiten 3 besonders gering sind die Dauerschwing- festigkeiten im Wechselbereich (sog. Wechselfestigkeit, Bild 2.11 Mitte) [2.3]. Bild 2.12: Wöhlerkurve beispielhaft für Stahl [2.3] 3 hier noch mit der alten deutschen Bezeichnung óA für die Dauerschwingfestigkeit Da unendlich lange Versuche unmöglich sind, werden die Dauerstand- und die Dauerschwing- festigkeit i.d.R. mit Hilfe von asymptotisch verlaufenden Wöhlerkurven bestimmt (s. Bild 2.12 für das Dauerschwingverhalten) [2.3]. Bild 2.13: Einfluss der Prüftempe- ratur auf die Kurzzeitfestigkeit [2.3] Eine andere Abhängigkeit der Festigkeiten ist die von der Prüftemperatur (s. Bild 2.13 für die Kurzzeitfestigkeit): Alle Baustoffe zeigen bei zunehmender Temperatur eine abnehmende Festigkeit 3 bei Kunststoffen ist dies besonders ausgeprägt, bei mineralischen Baustoffen am Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 16 - geringsten. Dieses Temperaturverhalten spielt vor allem im Brandschutz eine bedeutende Rolle (s. Module :Bauphysik und Technischer Ausbau B9 sowie :Baukonstruktion 29). 2.5 Formänderungskenngrößen In der Praxis treten immer wieder Bauschäden auf, weil Bauingenieur/in und Architekt/in zwar an die Festigkeit der Baustoffe denken (vgl. Abschnitt 2.4), nicht jedoch auch an die Formände- rungen wie z.B. die Durchbiegungen der Bauteile (Bild 2.14). Bild 2.14: Mögliche Schäden an nicht tragenden Trennwänden auf sich durchbiegender Massiv- decke [2.6] Die Abhängigkeit - zwischen Spannung ó (als Festigkeitseigenschaft) - und Dehnung õ (als Formänderungseigenschaft) wird während eines Belastungsversuchs (s. Modul :Baustofflehre 29) in einem sog. Spannungs- Dehnungs-Diagramm aufgetragen. Bild 2.15 zeigt Beispiele einiger üblicher Baustoffe (vgl. auch Bild 2.8), die in ihrem Verhalten sehr unterschiedlich sind: Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 17 - Bild 2.15: Spannungs- Dehnungs-Linien ver- schiedener Baustoffe [2.3] a) b) f f Bild 2.16: Definition des Elastizitätsmoduls (E-Moduls) beispielhaft f an einem Zugversuch (nach [2.3]) a) bei einem ideal elastischen Werk- stoff wie Glas (Gera- de) und bei Stahl (Kurve) b) Definition des Tan- genten- und Sekan- tenmoduls A. Glas zeigt ein ideal elastisches Verhalten (s. auch die Gerade in Bild 2.16a z.B. für einen Zugversuch), d.h. die Spannung steigt über der Dehnung bis zur Bruchdehnung linear an. Die Neigung dieser Geraden wird durch den Elastizitätsmodul (kurz E-Modul) be- schrieben [2.3]: ó ó ÷ l0 ù N ù E ý ý ú mm² ú (2.8) õ el ôlel û û mit ó = zentrische (Zug-)Spannung [N/mm²] õel = ôlel / l0 = elastische Dehnung (vgl. Bild 2.7) Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 18 - darin l0 = Ausgangslänge [mm] ôlel = elastische Längenänderung [mm] Die mit Gl. (2.8) beschriebene Proportionalität zwischen Spannung und Dehnung wird als Hookesches Gesetz bezeichnet. fy Bild 2.17: Spannungs-Dehnungs-Diagramm für Werkstoffe mit plastischem Fließen (nach [2.3]) B. Stahl und andere kristalline Stoffe zeigen ein teilweise elastisches Verhalten (s. die andere Kurve in Bild 2.16a), d.h. die Spannung steigt bis zur Proportionalitätsgrenze = Fließgrenze fy (Index y = yield = Fließen) linear an 3 die Neigung der Geraden bis zu diesem Punkt wird ebenfalls durch den Elastizitätsmodul nach Gl (2.8) beschrieben [2.3]. Oberhalb dieser Fließgrenze (früher Streckgrenze) beginnt die plastische Verformung, das sog. Fließen, bei dem die Spannung an der Fließgrenze fy erhalten bleibt und nur die Dehnung zunimmt. Nach größerer Dehnung õ tritt oberhalb der Fließgrenze eine weitere Verfestigung ein (um ôó in Bild 2.17), nach Entlastung aus dem Fließbereich wird die Aus- gangsdehnung õ = 0 nicht wieder erreicht (rechts in Bild 2.17) [2.3]. C. Andere Baustoffe wie Beton, Mauersteine, Holz oder Kunststoffe zeigen ein visko- elastisches Verhalten (Bild 2.16b), d.h. die Verformung bei Lasterhöhung setzt sich aus elastischen und bleibenden Verformungsanteilen zusammen. Um aber auch bei solchen Baustoffen im Gebrauchsbereich 3 in dem die bleibenden Verformungen vernachlässigbar sind 3 vereinfacht mit dem Hookeschen Gesetz (Gl. (2.8)) rechnen zu können, wird der E-Modul - entweder (seltener) als Tangentenmodul - oder (häufiger) als Sekantenmodul entsprechend Bild 2.16b definiert. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 19 - Bild 2.18: Spannungs- Dehnungs-Diagramm für viskoelastische Werk- stoffe [2.3] 3 hier noch mit den alten deutschen Bezeichnungen Bild 2.18 zeigt die Spannungs-Dehnungs-Linien eines viskoelastischen Stoffs; man erkennt nach Entlastung die verbleibenden Dehnungsanteile - des Fließens õf und der bleibenden Dehnung õbl sowie - der verzögert-elastischen Dehnung õv, die zusammen als Kriechen õc bezeichnet werden (Index c = creep = Kriechen). Unabhängig von der Art der Bestimmung nennt Tabelle 2.3 die E-Moduln einiger Baustoffe. Tabelle 2.3: E-Moduln [N/mm²] einiger Bau- stoffe [2.3] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 20 - t 0 t Bild 2.19: Definition der Querdehnung õ q [2.4] Bei elastischen Stoffen ist jede Längsdehnung (z.B. beim Zug- oder Druckversuch) mit einer entgegengesetzt gerichteten Querdehnung õ q verbunden (s. Bild 2.19 für den Zugversuch); be- schrieben wird sie durch die Querdehnungszahl (Poisson-Zahl, Tabelle 2.4) [2.3][2.4] õq ý ý ý [ ý] ( 2.9 ) õ el mit õq = Querdehnung entsprechend Bild 2.19 õel = ôlel / l0 = elastische Dehnung in Kraftrichtung (vgl. Gl. (2.8) mit Bild 2.7) Tabelle 2.4: Querdehnungszahlen einiger Bau- stoffe [2.3] Alle festen Stoffe dehnen sich bei Temperaturerhöhung aus, Diese Wärmedehnung wird beschrieben durch õT ý ñ T ÷ ôT [ý] ( 2.10) mit ñT = Temperaturkoeffizient (Wärmedehnungskoeffizient) nach Tabelle 2.5 [K31] ôT = Temperaturänderung [K] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 21 - Tabelle 2.5: ñT [ô 10-6 / K] Tempe- raturkoeffi- zienten [2.7] Aus der Temperaturdehnung õT = ôlT / l0 analog zur elastischen Dehnung (vgl. Bild 2.7 und die Erläuterungen unter Gl. (2.8)) lässt sich damit die thermische Längenänderung errechnen zu ôlT ý õ T ÷ l0 [ý] [mm] (2.11) darin l0 = Ausgangslänge [mm] Die meisten nichtmetallisch-anorganischen Baustoffe sowie Holz zeigen ferner eine Feuchtedehnung õ h (Index h = humidity = Feuchte) 3 bei Feuchteerhöhung Quellen, bei Feuchteabnahme (Trocknen) Schwinden genannt (Tabelle 2.6) [2.3]. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 22 - Tabelle 2.6: Endschwindmaße õ h,max [mm/m] für einige Baustoffe [2.3] Aus dieser Feuchtedehnung õh lässt sich analog zu Gl. (2.11) die hygrische Längen- änderung errechnen zu ôlh ý õ h ÷ l0 [ý] (2.12) darin l0 = Ausgangslänge [mm] 2.6 Härte Härte ist der Widerstand eines Körpers gegen Oberflächenverformung bzw. der Widerstand, den ein Körper dem Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt [2.3]. Tabelle 2.7: Werte der Mohs- und Rosiwalhärte [2.3] Bei Gesteinen werden unterschieden (Tabelle 2.7) - die Härte nach Mohs als Widerstand gegen Ritzen und - die Härte nach Rosiwal als Widerstand gegen Schleifen. Bei Metallen werden die Eindruckhärten nach Brinell, Vickers oder Rockwell bestimmt (Bild 2.20) bzw. bei Kunststoffen die Shore-Härte [2.3]. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 23 - DIN EN ISO 6506-1 DIN EN ISO 6507-1 Bild 2.20: Härte- prüfverfahren ([2.4], modifiziert) 2.7 Bauphysikalische Kenngrößen Grundlage für die wärmeschutztechnische Einstufung von Baustoffen ist ihre Wärmeleit- fähigkeit (Bild 2.21): >Die Wärmeleitfähigkeit ü ist der Wärmestrom ö, der durch 1 m² einer 1 m dicken Schicht eines Stoffes fließt, wenn der Temperaturunterschied zwischen den beiden Oberflächen dieser Schicht 1 K beträgt" [2.4]: ö÷d ù W ù ü ý úû m ÷ K úû (2.13) A ÷ ôñ mit ö = gemessener Wärmestrom [W] d = Schichtdicke des zu prüfenden Baustoffs [m] A = Prüffläche [m²] ôñ = konstante Temperaturdifferenz [K] Je kleiner die Wärmeleitfähigkeit ü eines Baustoffs ist, desto besser ist die Wärmedämm- fähigkeit dieses Baustoffs. Bestimmt wird die Wärmeleitfähigkeit ü mit dem sog. Plattengerät; die Wärmeleitfähigkeit von Baustoffen nimmt im Großen und Ganzen mit ihrer Rohdichte ab: je mehr Luft eingeschlossen wird, desto besser dämmen die Baustoffe [2.8]. Bild 2.21 Definition der Wärmeleitfähigkeit ü für ein Bauteil von d = 1 m Dicke, A = 1 m² Fläche bei ôT = 1 K Temperaturdifferenz [2.8] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 24 - Weitere bauphysikalische Kenngrößen sind z.B. - die spezifische Wärmekapazität cp von Baustoffen, - der solare Strahlungsabsorptionsgrad ñs und die -emissivität õs von Oberflächen, - der Wasseraufnahmekoeffizient Ww von Baustoffen, - der masse- oder volumenbezogener Feuchtegehalt um bzw. uV von Baustoffen, - die Wasserdampf-Diffusionwiderstandszahl ý von Baustoffen usw. (s. Modul :Bauphysik und Technischer Ausbau A9). Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 25 - 3 Technische Spezifikationen 3.1 Allgemein anerkannte Regeln der Technik Wenn nichts Anderes im Bauvertrag vereinbart wird (eine sog. Beschaffenheitsvereinbarung geht immer vor!), sind Bauleistungen - gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) in üblicher Beschaffenheit bzw. - gemäß Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) entsprechend den allge- mein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) zu erbringen. Bauleistungen entsprechend den a.a.R.d.T. zu erbringen ist üblich, so dass sie faktisch in beiden Vertragsvarianten zu beachten sind. Was sind nun diese a.a.R.d.T.? Definiert sind sie in einem immer noch gültigen Urteil des Reichsgerichts von 1910 (zitiert nach [3.1], Spiegelstriche und Hervorhebungen nicht im Original, s. auch Bild 3.1) als >technische Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die - in der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und - feststehen sowie - insbesondere in dem Kreis der für die Anwendung der betreffenden Regeln maß- geblichen, nach dem neuesten Kenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und - auch aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.< Üblicherweise gilt 3 auch vor Gericht 3 die Vermutung, dass die gültigen Normen (DIN, DIN EN, DIN EN ISO) die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Wenn nichts ande- res vereinbart wurde, liegt deshalb in einem Mängelprozess bei ordnungsgemäßer Bauaus- führung entsprechend den gültigen Normen die Beweislast beim Bauherrn [3.2][3.3]. Bild 3.1: Vereinfachte Kriterien für die allgemein anerkannten Regeln der Technik [3.4] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 26 - 3.2 Deutsche und europäische Technische Spezifikationen Seit Jahrzehnten bilden die DIN-Normen (zusammen mit weiteren nationalen Richtlinien und Merkblättern) die technische Grundlage für das Bauen in Deutschland. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte vom Dezember 1986 wurde jedoch die Verwirklichung eines gemein- samen europäischen Binnenmarktes beschlossen. Ziel ist der freie Handel innerhalb dieses Binnenmarktes (Bild 3.2 unterstes Kästchen), welcher den Abbau sog. technischer Handelshemmnisse 3 das waren die in jedem EU-Land unterschiedlichen nationalen Normen 3 voraussetzte [3.5]. EU-Bauproduktenverordnung Grundanforderungen Grundlagendokument mit Konkretisierung der Grund- anforderungen, Stufen und Klassen Bewertung (ETA) Leistungserklärung des Herstellers Bild 3.2: Von der Bauproduktenverord- nung zum freien Handel von Baupro- dukten in der EU (deren Übereinstim- mung mit der 3 an den technischen Spezifikationen orientierten 3 Leistungs- erklärung (engl. DoP = Declaration of Performance) des Herstellers durch das CE-Zeichen dokumentiert wird, nach [3.6]) Dazu hat der Rat der Europäischen Gemeinschaften im Dezember 1988 die Bauprodukten- richtlinie (BPR) [3.7] erlassen, die am 01.07.2013 durch die Bauproduktenverordnung (BauPVO) [3.8][3.9] ersetzt wurde (Bild 3.2 oberstes Kästchen) und gemäß derer Baupro- dukte so beschaffen sein müssen, dass das Bauwerk, für welches das Bauprodukt verwen- Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 27 - det werden soll, bei ordnungsgemäßer Planung und Ausführung sowie normaler Instandhal- tung über einen wirtschaftlich angemessenen Zeitraum (vgl. Tabelle 2.8) die gemäß BPR wesentlichen Anforderungen (engl. essential requirements) 3 in der BauPVO Grund- anforderungen genannt (engl. basic requirements, Bild 3.2 zweites Kästchen von oben) 3 erfüllen kann (Tabelle 3.1 oben). Tabelle 3.1: Gegenüberstellung der Begriffe in der Bauproduktenrichtlinie von 1988 (links) und der Bauproduktenverordnung von 2011 (rechts) [3.9] Diese Grundanforderungen an Bauwerke sind in sog. Grundlagendokumenten genauer erläutert [3.10]. Die ursprüngliche Bauproduktenrichtlinie wurde 1992 als Bauprodukten- gesetz [3.11] in nationales Recht umgesetzt, die Landesbauordnungen (LBO) wurden in den folgenden Jahren entsprechend angepasst (z.B. [3.12]) 3 die Bauproduktenverordnung ist Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 28 - ohne nationale Umsetzung direkt geltendes europäisches Recht [3.13] (es gibt nur noch ein Bauprodukten-Anpassungsgesetz [3.14]). LBO, GEG Gesetze BauPG Verordnungen, Erlasse MVVTB Restnormen DIN 1045-2 DIN 4108-2 Anwendungsnormen DIN 20000 DIN 4108-10 Konformitätsnormen EN 13172 Bauproduktnormen EN 206 EN 13162 ff. EN 12390 EN 12667 Prüfnormen ISO 7345, Begriffs- und Grundnormen ISO 6946 Bild 3.3: Systematik der europäischen und nationalen Vorschriften über Bauprodukte auf Basis der europäischen Bauproduktenrichtline/-verordnung [3.15], rechts Beispiele Ziel der Bauproduktenrichtlinie bzw. -verordnung ist der o.g. freie Handel von Bauprodukten innerhalb des europäischen Binnenmarktes ohne technische Handelshemmnisse 3 darunter fallen allerdings nur handelbare Produkte, d.h. auf der Baustelle nur für den Eigenbedarf her- gestellte Baustoffe (z.B. vor Ort gemischte Baustellenmörtel) fallen nicht darunter. Zum Abbau technischer Handelshemmnisse primär erforderlich sind einheitliche technische Spezifikationen (Bild 3.2, drittes Kästchen von oben), d.h. v.a. europäische Bauprodukt- normen (Bild 3.2, viertes Kästchen links bzw. dritte Stufe der Pyramide in Bild 3.3). Vorbe- dingung dafür sind jedoch vereinheitlichte europäische Begriffs-, Grund- und Prüfnormen, da technische Kennwerte definiert werden müssen und nur bei gleichen Nachweis- und Prüf- verfahren vergleichbar sind (erste und zweite Stufe der Pyramide in Bild 3.3). Gemäß Geschäftsordnung des CEN (= Comité Européen de Normalisation) sind alle CEN- Mitglieder (EU + Schweiz, Norwegen und Island) gehalten, die EN-Normen national zu übernehmen. Häufig ist in den Normen jedoch mehr geregelt, als nach dem Mandat der EU- Kommission erforderlich: In diesem Fall regelt der Anhang ZA, welche Abschnitte einer solchen Norm für den Binnenmarkt notwendig und damit für alle CEN-Mitglieder verbindlich sind 3 man nennt diese Teile dann harmonisierte europäische Norm (hEN). Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 29 - I.d.R. wird das Verfahren der Konformitätsbescheinigung (seit 2013 Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit, vgl. Tabelle 3.1) in diesem Anhang ZA der Bauproduktnormen geregelt 3 Ausnahme: Z.B. zu den europäischen Dämmstoffnormen EN 13162 ff. gibt es eine gesonderte Konformitätsnorm EN 13172 [3.16] (vierte Stufe der Pyramide in Bild 3.3, zur Konformitätsbescheinigung s. auch Abschnitt 3.4). Weitergehender europäischer Regelungsbedarf ergibt sich aus der Bauproduktenrichtlinie bzw. -verordnung nicht, d.h. die Verantwortung für die bauliche Sicherheit mit unter- schiedlichen Sicherheits- und Schutzniveaus bleibt in der Zuständigkeit der Mitglied- staaten und wird durch sog. Anwendungsdokumente festgelegt [3.17][3.18]. Dies erfolgt i.d.R. folgendermaßen: - Häufig sind in europäischen Normen verschiedene Klassen oder Leistungsstufen definiert, die entsprechend dem nationalen Sicherheitsniveau in sog. Anwendungs- normen (fünfte Stufe der Pyramide in Bild 3.3) festgelegt werden können. - Nicht berührt von Bauproduktenrichtlinie/-verordung werden Konstruktionsregeln oder Hinweise für die Bauausführung, d.h. hierfür darf es nach wie vor nationale Normen (sechste Stufe der Pyramide in Bild 3.3) geben, die häufig als Restnormen bezeichnet werden 3 sie dürfen den europäischen Normen allerdings nicht wider- sprechen. - Darüber stehen nationale Rechtsvorschriften (siebte und achte Stufe der Pyra- mide in Bild 3.3) 3 auch sie dürfen den europäischen Normen nicht widersprechen. Die Umsetzung des beschriebenen Konzeptes erfolgt nicht in einem Schritt, sondern stufenweise, woraus sich 3 für eine Übergangszeit 3 folgende Abweichungen ergeben können [3.17][3.18]: - Eine zurückzuziehende nationale Norm dient zur Konkretisierung gesetzlicher Bestimmungen und wird dafür vom Gesetzgeber weiter benötigt (z.B. bei einge- führten Technischen Baubestimmungen bis zur bauaufsichtlichen Einführung der entsprechenden europäischen Normen, s.u. Abschnitt 3.3). - Eine zurückzuziehende nationale Norm bildet zusammen mit anderen nationalen Normen ein nicht auflösbares Bezugssystem (z.B. Bemessungsnorm mit zuge- hörigen Bauproduktnormen); in solchen Fällen werden nur komplette nationale Normungspakete durch europäische ersetzt. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 30 - Nicht nur der freie Handel von (Bau-)Produkten ist Ziel der EU, sondern auch die Dienst- leistungsfreiheit 3 dazu gehören auch Architekten- und Ingenieurtätigkeiten. Deshalb gilt seit 01.01.2013 eine neue Verordnung zur europäischen Normung, die nun auch Dienst- leistungen explizit einschließt [3.19] 3 neben europäischen Bauproduktnormen gibt es daher zunehmend europäische Planungs- und Bemessungsnormen (wie die Eurocodes). Tabelle 3.2: Rechtsbereiche im Baurecht Rechtsbereich Wirkung Privatrecht materielle Sicherung und Ersatz eines entstandenen Schadens (versicherbar) öffentliches Recht - Leben und Gesundheit der Menschen, - öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie - die natürlichen Lebensgrundlagen dürfen nicht gefährdet werden (þ Baugenehmigung) Strafrecht Ahndung eines schuldhaften Verhaltens 3 sog. Baugefährdung 3 gemäß § 319 StGB (nicht versicherbar) Die genannten Normen haben als a.a.R.d.T. vorerst nur privatrechtliche Bedeutung (Tabelle 3.2, erste Zeile). Normen und Richtlinien jedoch, die für das öffentliche Baurecht von Bedeutung sind (Tabelle 3.2, zweite Zeile) werden in Deutschland durch bauaufsicht- liche Einführung der Länder als Technische Baubestimmungen (ETB) bekannt gemacht (Bild 3.4) und dadurch allgemeinverbindlich. Bild 3.4: Hierarchie der bautechni- schen Bestimmungen [3.20] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 31 - 3.3 Weiterentwicklung der technischen Spezifikationen Wollte man nur nach den in den vorangegangenen Abschnitten 3.1 und 3.2 beschriebenen allgemein anerkannten Regeln der Technik bauen, gäbe es aufgrund der bauaufsichtlichen Einführung der meisten Regeln keine technische Weiterentwicklung mehr im Bauwesen; daher wurden folgende Instrumente zur öffentlich-rechtlichen Einführung neuer Bau- produkte und Bauarten geschaffen 3 die Regelungen auf Grund der europäischen Bau- produktenrichtlinie bzw. -verordnung sind kursiv dargestellt: A. Ein neues Bauprodukt oder eine neue Bauart wird bei der ersten (oder einzigen) An- wendung von der obersten Bauaufsicht des jeweiligen Bundeslandes 3 unter Einschal- tung fachkundiger Sachverständiger 3 geprüft; bei positivem Ergebnis wird dann eine (nationale) Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erteilt. Durch Einschaltung von Sachver- ständigen wird in diesem Fall von den gemäß Abschnitt 3.1 vom Reichsgericht ge- nannten drei Voraussetzungen für die a.a.R.d.T. nur geprüft, ob das Bauprodukt in der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt wird. B. Sind auf diese (oder andere) Weise erste Erfahrungen mit einem neuen Bauprodukt oder einer neuen Bauart gewonnen worden, kann - beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin ein Antrag auf eine Allgemei- ne bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) oder ein Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP) bzw. - bei einem der in der European Organisation for Technical Assessment (EOTA) zu- sammengeschlossenen technischen Bewertungsstellen (vgl. Tabelle 3.1) 3 das DIBt ist eine davon 3 ein Antrag auf eine Europäische Technische Bewertung = Euro- pean Technical Assessment (ETA) [3.9][3.13], vgl. Bild 3.2 rechts und Tab. 3.1) gestellt werden. Beim Antrag auf eine AbZ oder ein AbP beim DIBt werden Sach- verständigenausschüsse (SVA) zur Beurteilung eingeschaltet, so dass von den o.g. drei Voraussetzungen 3 neben einer gewissen Kurzzeiterfahrung 3 vor allem die Erkenntnisse der Wissenschaft berücksichtigt werden. Beim Antrag auf eine ETA - ist entweder noch eine Leitlinie für die Europäische Technische Zulassung = European Technical Approval Guideline (ETAG) vorhanden (s. www.eota.be) bzw. schon ein Europäisches Technisches Bewertungsdokument = European Assessment Document (EAD) [3.13], Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 32 - - oder es muss zwischen den in der EOTA zusammengeschlossenen Instituten speziell für das beantragte Bauprodukt bzw. die beantragte Bauart ein Ge- meinsamer Standpunkt über die Beurteilungskriterien = Common Under- standing of Assessment Procedure (CUAP) vereinbart werden, nach denen geprüft und 3 bei Einhaltung aller Anforderungen 3 die ETA erteilt wird. Mit einer Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (AbZ) oder einem Allgemeinem bau- aufsichtlichem Prüfzeugnis (AbP) bzw. einer Europäischen Technischen Zulassung/ Bewertung (ETA) können die Hersteller ihre Bauprodukte oder Bauarten vermarkten; praktisch werden solche zugelassenen Produkte wie genormte behandelt. Dadurch wer- den diese Bauweisen bzw. Bauprodukte bei den maßgebenden, auf dem entsprechen- den Gebiet vorgebildeten Technikern mit der Zeit bekannt und akzeptiert. Nach der er- sten wird somit auch die zweite der gemäß Abschnitt 3.1 vom Reichsgericht genannten Voraussetzungen erfüllt; die Neuentwicklung entspricht dann dem Stand der Technik. a) b) Bild 3.5: Entstehung von Normen [3.3] a) nationale DIN-Norm b) europäische EN-Norm (nach nationaler Übernahme DIN-EN-Norm) C. Nach weiterer Langzeitbewährung kann für die 3 nun nicht mehr ganz neuen 3 Bau- produkte oder Bauarten beim Normenausschuss Bauwesen (NABau) des Deutschen Instituts für Normung e.V. (DIN) ein formloser Normungsantrag gestellt werden. Sofern das Normungsvorhaben befürwortet wird und keine Stillhalteverpflichtung gegenüber dem CEN (s.u.) besteht, erfolgt die nationale Normung auf dem in Bild 3.5a dargestellten Weg. Nach Veröffentlichung der entsprechenden DIN-Norm steht zu vermuten, dass das Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 33 - Bauprodukt oder die Bauart dann den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) entspricht (vgl. Abschnitt 3.1) [3.4]. In ähnlicher Form können vom europäischen Komitee für Normung = Comité Européen de Normalisation (CEN) europäische Normen erstellt werden (Bild 3.5b), die vom Deutschen Institut für Normung (DIN) mit der Bezeichnung >DIN EN" oder >DIN EN ISO< auf Deutsch veröffentlicht werden [3.3]. Wenn es sich um europäische harmonisierte Normen gemäß Bauproduktenrichtlinie bzw. -veordnung handelt (s. jeweils Anhang ZA der Norm), müssen entgegenstehende nationale Normen bis zum Ende der im Vorwort der Norm genannten Koexistenzperiode zurückgezogen werden. 3.4 Baurechtliche Verwendbarkeit von Bauprodukten Die in Abschnitt 3.3 unter C. genannten Normen sind von einem eingetragenen Verein (DIN e.V.) erstellt und haben als a.a.R.d.T. nur privatrechtliche Bedeutung (vgl. Tabelle 3.2 erste Zeile). Normen und Richtlinien, die bauaufsichtliche Belange berühren (vgl. Tabelle 3.2, zweite Zeile) werden in Deutschland durch bauaufsichtliche Einführung der Länder (in Niedersachsen gemäß § 83 NBauO 2012 Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) als Technische Baubestimmungen (ETB) bekannt gemacht 3 sie dienen zur Präzisierung bauaufsichtlicher Anforderungen, erhalten jedoch durch die Einführung nicht den Charakter von Rechtsnormen (vgl. Bild 3.4). Bis 2018 wurden dabei unterschieden: - Technische Regeln für Bauprodukte: Sie wurden gemäß § 17 MBO 2002 [3.23] in der Bauregelliste (BRL) A oder B des DIBt veröffentlicht; dabei wurde auch der notwendige Verwendbarkeitsnachweis für die Bauprodukte geregelt (Bild 3.7). - Technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen: Sie wurden gemäß § 3 MBO 2002 [3.23] von der Obersten Bauaufsichts- behörde des jeweiligen Bundeslandes in der Liste der technischen Baubestim- mungen (LTB) bekannt gemacht (i.d.R. entsprechend Muster-Liste des DIBt [3.24]). Sonderfall: Eine Vielzahl von Normen zum Wärmeschutz und zur Technischen Gebäu- deausrüstung wurde durch Verweis in der Energieeinsparverordnung (EnEV) [3.25] allgemein verbindlich gemacht (s. Modul :Bauphysik und Technischer Ausbau A9). Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 34 - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Oktober 2014 die Bundesrepublik Deutschland verurteilt wegen Verstoßes gegen die Bauproduktenrichtlinie, woraufhin die Bauregelliste B Teil 1 zum 16.10.2016 zurückgezogen wurde, woraus sich folgende Herausforderung ergab: Die Verantwortung für die jetzt fehlenden - zusätzlichen Anforderungen an ein Bauprodukt (bisher vollständig durch ein Ü-Zeichen dokumentiert) und/oder - bestimmte Einschränkungen der Verwendung aus der alten Bauregelliste B Teil 1 liegt nun bei Planern und Ausführenden [3.26][3.27], d.h. - bei Planung und Ausschreibung müssen die Bauprodukte vollständig spezifiziert werden, da mit dem CE-Zeichen i.d.R. nur ein Teil der erforderlichen Eigenschaften bestätigt wird; - dies ist bei Kalkulation und Einkauf zu berücksichtigen und - bei der Wareneingangskontrolle auf der Baustelle zu prüfen! Dies ist von der unteren Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Bau- abnahme zu kontrollieren [3.27]. Als Folge ist 2016 der Entwurf einer neuen Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (E MVV TB) [3.28] erschienen, die auf Basis der ebenfalls 2016 überarbeiteten Muster-Bauordnung (MBO) [3.23] zusammenfasst - die bisherige Bauregelliste und - die bisherige Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen [3.29]. Mit Einführung der MVV TB gibt es für europäisch harmonisierte Bauprodukte zusätzliche nationale Regelungen nur noch für die Anwendung (abG und vBG, Bild 3.6 links); national geregelte Bauprodukte bleiben davon unberührt (Bild 3.6 rechts) [3.30]. Bild 3.6: Neue Anwen- dungsregeln für euro- päisch harmonisierte Bauprodukte durch die MVV TB (links), die Anwendung von national geregelten Bauprodukten (rechts) bleibt unver- ändert [3.30] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 35 - Die EU-Kommission hat dieses Vorgehen allerdings sehr genau geprüft mit dem Ziel, eine Umgehung des o.g. EuGH-Urteils durch nationale Regelungen in Deutschland zu verhindern [3.31] 3 entsprechend lange hat das Verfahren gedauert: Am 31.08.2017 schließlich wurde die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) vom DIBt veröffentlicht [3.32]. Die bisherigen Landesbauordnungen (LBOs) mussten vor Inkrafttreten der VV TB auf Basis der letzten Änderung der MBauO von 2016 [3.23] novelliert werden, vergleiche zum Beispiel die NBauO 2012, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juni 2024 Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Wie stellen sich nach der Einführung im jeweiligen Bundesland die bauaufsichtlich ge- forderten Nachweise dar? Bild 3.7 zeigt die grundsätzlichen Anforderungen, die im Detail aber problematisch sein können: - Wenn mit der Leistungserklärung zum CE-Zeichen (bzw. der zugrundeliegenden hEN) nur ein Teil der notwendigen Produktleistungen deklariert wird (Bild 3.8 links), darf nach o.g. EuGH-Urteil national nicht nachgeregelt werden, d.h. bei Planern und Ausführenden liegt die Verantwortung, die Bauprodukte vollständig zu spezifi- zieren, und die untere Bauaufsicht hat die Aufgabe, dies zu kontrollieren (s.o.). - Wenn eine technische Regel für die Bauart fehlt (Bild 3.8 rechts), greift das EuGH- Urteil nicht, d.h. es können mit Hilfe der VV TB national Bauwerksanforderungen ge- stellt werden. Bild 3.7: Nur wenn die erklärte Produktleistung nach europäischer BauPVO (links) und die Bauwerksanforderung nach LBO und VV TB (rechts) zusammenpassen, darf ein Bauprodukt verwendet werden [3.33]. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 36 - Bild 3.8: Bauaufsichtliche Behandlung von Bauprodukten mit CE-Kennzeichen nach BauPVO [3.33] Aus Sicht der deutschen Bauaufsichtsbehörden sind die Leistungserklärungen von min- destens 84 Gruppen von Bauprodukten unvollständig. Für diese Fälle hat das DIBt als Hilfe für Planer, Ausführende und Bauaufsicht eine sog. Prioritätenliste veröffentlicht [3.34] (Auszug s. Tabelle 3.3, Aktualisierung vgl. [3.35]), in der >ausgewählte verwendungsspezifische Leistungsanforderungen zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen< aufgeführt sind 3 das sind Leistungen, die derzeit nicht nach einer hEN erklärt werden können, die aber für die Erfül- lung der Bauwerksanforderungen möglicherweise erforderlich sind [3.33]. Tabelle 3.3: Auszug aus der sog. Prioritätenliste des DIBt [3.34] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 37 - Bild 3.9: Möglichkeiten zur Erklärung der fehlenden Leistung gemäß MVV TB [3.33] Eine Möglichkeit zur Erklärung der fehlenden Leistung gemäß Spalte 4 der Prioritätenliste bietet ein sog. DIBt-Gutachten, das regelmäßig von den Bauaufsichtsbehörden als Nachweis an- erkannt wird. Solche DIBt-Gutachten als prüffähige technische Dokumentation (Bild 3.9) können seit Ende 2017 beim DIBt beauftragt werden [3.33] 3 die qualifizierten Stellen finden sich im Verzeichnis der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen (sog. PÜZ-Verzeichnis) des DIBt [3.36]. Den Ablauf dieses Verfahrens zeigt der Leitfaden in Bild 3.10 am Beispiel von Gesteins- körnungen nach EN 12620 3 hier ist gemäß Prioritätenliste zusätzlich der Widerstand gegen Alkali-Kieselsäure-Reaktivität durch eine gesonderte technische Dokumentation unter Ein- schaltung einer im PÜZ-Verzeichnis genannten Stelle gesondert nachzuweisen. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 38 - Bild 3.10: Leitfaden für Bauunternehmen, Entwurfsverfasser und Bauherren [3.33] Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 39 - 3.5 Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) Bauprodukte dürfen baurechtlich nur verwendet werden, wenn ihre Verwendbarkeit nach- gewiesen ist 3 die entsprechenden bauaufsichtlichen Regelungen finden sich in der Verwal- tungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) des jeweiligen Bundeslandes, basie- rend auf der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) des DIBt [3.32], die im Folgenden näher betrachtet werden soll. Die MVV TB [3.32] besteht aus folgenden Teilen: - Teil A enthält >Technische Baubestimmungen, die bei der Erfüllung der Grund- anforderungen an Bauwerke zu beachten sind< (einen Ausschnitt zeigt Tabelle 3.4) 3 er entspricht der früheren Liste der Technischen Baubestimmungen). Neu ist allerdings die Gliederung entsprechend den Grundanforderungen der BauPVO (vgl. Bild 1.1 und Tabelle 3.1) - Mechanische Festigkeit und Standsicherheit, - Brandschutz, - Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, - Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung, - Schallschutz, - Wärmeschutz; nicht aufgeführt ist die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 40 - Tabelle 3.4: Ausschnitte aus der MVV TB [3.32], Teil A Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 41 - Tabelle 3.4 (Fortsetzung): Ausschnitte aus der MVV TB [3.32], Teil A - Teil B enthält >Technische Baubestimmungen für Bauteile und Sonderkonstruk- tionen, die zusätzlich zu den in Abschnitt A aufgeführten Technischen Baubestim- mungen zu beachten sind< (einen Ausschnitt zeigt Tabelle 3.5). Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 42 - Tabelle 3.5: Ausschnitt aus der MVV TB [3.32], Teil B - Teil C enthält >Technische Baubestimmungen für Bauprodukte, die nicht die CE- Kennzeichnung tragen, und für Bauarten< (einen Ausschnitt zeigt Tabelle 3.6) 3 er entspricht der früheren Bauregelliste A (vgl. Bild 3.7a). Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 43 - Tabelle 3.6: Ausschnitte aus der MVV TB [3.32], Teil C Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 44 - - Teil D enthält >Bauprodukte, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen< (einen Ausschnitt zeigt Tabelle 3.7) 3 er entspricht der früheren Liste C der Bau- regelliste (vgl. Bild 3.7a). Dieser Teil enthält Bauprodukte, an die nur unterge- ordnete Sicherheitsanforderungen gestellt werden und für die es weder tech- nische Baubestimmungen noch anerkannte Regeln der Technik gibt. Für diese Bau- produkte gibt es kein CE- oder Ü-Zeichen 3 nur die brandschutztechnische Min- destanforderung, dass Bauprodukte nicht leicht entflammbar sein dürfen, muss eingehalten sein (s. Modul :Bauphysik und Technischer Ausbau B8). Tabelle 3.7: Ausschnitt aus der MVV TB [3.32], Teil D Marquardt , Aktualisierung Stehr: Baustofflehre 1 3 Grundlagen 3 - 45 - Tabelle 3.8: Nachweise der Verwendbarkeit in Abhängigkeit von Bauprodukt oder Bauart [3.37] 3.6 Übereinstimmungs- bzw. Konformitätsnachweis Für alle baurechtlich relevanten Bauprodukte ist - entweder ein europäischer Konformitätsnachweis = Bewertung und Über- prüfung der Leistungsbeständigkeit (dokumentiert durch des CE-Zeichen nach Bild 3.7b) - oder ein nationaler Übereinstimmungsnachweis (dokumentiert durch das Ü-Zeichen nach Bild 3.7c) zu führen (Tabelle 3.8 links): A. Gemäß MVV TB Teil C wird für alle national geregelten Bauprodukte eine Über- einstimmungsbestätigung gefordert (vgl. Tabelle 3.6, Text oben bzw. rechte Spalte), d.h. - eine Übereinstimmungserklärung des Herstellers ÜH, - eine Übereinstimmungserklärung des Herstellers nach vorheriger Prüfung des Bauproduktes durch eine anerkannte Prüfstelle ÜHP oder - ein Übereinstimmungsnachweis ÜZ = >Übereinstimmungszertifikat durch eine anerkannte Zertifizierungsstelle