Auszug aus Krumm-Paeßens_Einleitung_2025 PDF

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This document is an excerpt from Krumm/Paeßens, Grundsteuergesetz, 2nd edition 2025. It looks at the German Grundsteuer (property tax) as a communal tax from a legal perspective, including its history, regulations and reform.

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Auszug aus Krumm/Paeßens, Grundsteuergesetz, 2. Auflage 2025 Einleitung A. Die Grundsteuer als bundes‐ und/oder landesgesetzlich geregelte Gemeindesteuer 1 Die Gemeinden sind organisationsrechtlich Teil der Länder (BVerfG 27.5.1992 – 2 BvF 1/88 u.a., BVerfGE 86, 148 (215)), nehmen aber fina...

Auszug aus Krumm/Paeßens, Grundsteuergesetz, 2. Auflage 2025 Einleitung A. Die Grundsteuer als bundes‐ und/oder landesgesetzlich geregelte Gemeindesteuer 1 Die Gemeinden sind organisationsrechtlich Teil der Länder (BVerfG 27.5.1992 – 2 BvF 1/88 u.a., BVerfGE 86, 148 (215)), nehmen aber finanzverfassungsrechtlich eine gewisse Sonderstellung ein. Das Grundgesetz zeichnet insoweit nach, dass der Staatsaufbau zweistufig ist, der drei‐ oder mehrstufige Verwaltungsaufbau allerdings eine gesonderte, mit Selbstverwaltungsgarantie ausgestattete kommunale Ebene kennt (Waldhoff DStJG 35 (2012), 11 (17)). Von Anfang an umfasste das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, auch die Finanzhoheit. Zu dieser wiederum gehörte auch die Steuer‐ und Abgabenhoheit, die den Gemeinden erlaubt, ihre Einwohner aus eigenem Recht zu den aus der Aufgabenerfüllung resultierenden Lasten heranzuziehen (BVerfG 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 125, 141 (159) mit Nachweisen). Hieran hat der verfassungsändernde Gesetzgeber später mit Art. 106 Abs. 6 GG angeknüpft, zuerst mit der verfassungsunmittelbaren Gläubigerstellung der Kommunen für die Realsteuern (Gesetz v. 24.12.1956, BGBl. 1956 I 1077; dazu BT‐Drs. II/480) und dann mit der verfassungsrechtlichen Festschreibung des Hebesatzrechts (Gesetz v. 12.5.1969, BGBl. 1969 I 359; dazu BT‐Drs. V/2861, 47). Aus diesen Regeln soll allerdings – so das BVerfG – nicht zu folgern sein, dass das Grundgesetz den Gemeinden die Gewerbe‐ und Grundsteuer als solche garantiert. Die Ertrags‐ und Hebesatzhoheit schützen also nicht vor dem Wegfall ihres Gegenstandes (BVerfG 27.1.2010 – BvR 2185/04, BVerfGE 125, 141 (161)). Dies änderte sich erst im Jahr 1997 mit der Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG, der seitdem „klarstellt“, dass den Gemeinden eine mit Hebesatzrecht versehene wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle zusteht (Gesetz v. 20.10.1997, BGBl. 1997 I 2470). Die Regelung erfasst allerdings nur die Gewerbeertragsteuer (vgl. BVerwG 27.10.2010 – 8 C 43/09, BVerwGE 138, 89 Rn. 18). Die Grundsteuer hingegen hat bis heute keine institutionelle verfassungsrechtliche Existenzgarantie erfahren. Sie existiert, weil der einfache Bundes‐ bzw. Landesgesetzgeber es so will, und insbes. so, wie er es will. 2 Im Ausgangspunkt steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 105 Abs. 2 S. 1 GG; rückblickend auch → Rn. 13). Diese umfasst alle die Grundsteuer betreffenden Fragen (Auswahl und Ausgestaltung des Belastungsgrundes, Steuerbefreiungen, Steuerschuldner, etc). Gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG können die Länder allerdings durch Gesetz vom Bundesrecht abweichende Regelungen über die Grundsteuer treffen (sog. Abweichungsgesetzgebung, eingehend → Rn. 74 ff.). Sowohl der Bundes‐ als auch die Landesgesetzgeber sind wegen Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG freilich in zweierlei Hinsicht limitiert: Erstens ist das Hebesatzrecht verfassungsrechtlich zwingend und zweitens ist seine Ausübung durch Rechtssatz der Regelungskompetenz des Art. 105 Abs. 2 GG grundsätzlich entzogen (Seiler in DHS GG Art. 106 Rn. 173). Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass dem Gesetzgeber nicht gestattet wäre, Mindest‐ oder Höchsthebesätze vorzugeben. Die vom BVerfG insoweit in Ansehung der Gewerbesteuer aufgestellten Grundsätze (und Grenzen) (BVerfG 27.1.2010 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 125, 141 (153 ff.)) gelten auch für die Grundsteuer. Gegenwärtig kennt die Grundsteuer allerdings keine Mindesthebesätze. Entsprechendes gilt für die – der Landesgesetzgebung überantworteten (→ GrStG § 26 Rn. 3 ff.) – Höchsthebesätze. B. Historie des Grundsteuerrechts und Grundsteuerreform 2019 Literatur: Andreae in Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft, Band 2, 3. Aufl. 1980, ff.; Feld/Fritz, Das Finanzsystem der Kommunen aus ökonomischer Sicht, DStJG 35 (2012), 61; Schmehl, Kritische Bestandsaufnahme der Grundsteuer, DStJG 35 (2012), 249; J. Lang, Bestandsaufnahme der kommunalsteuerlichen Reformmodelle, DStJG 35 (2012), 307; Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 2014; Nehls/Scheffler, Grundsteuerreform: Aufkommens‐ und Belastungswirkungen des Äquivalenz‐, Kombinations‐ und Verkehrswertmodells, IFSt‐Schrift 503, 2015; Fuest/Immel/Meier/Neumeier, Die Grundsteuer in Deutschland: Finanzwissenschaftliche Analyse und Reformoptionen, 2018; Scheffler/Roith, Leitlinien für eine Reform der Grundsteuer, IFSt‐Schrift 526, 2018; Ronnecker, Bodenwertsteuer als Reformmodell für die Grundsteuer – Eine Bewertung aus kommunaler Sicht, ZKF 2018, 49; Hey, Grundsteuerreform 2019 – Gibt der Gesetzgeber die richtigen Antworten auf das Grundsteuerurteil des BVerfG vom 10. April 2018?, ZG 2019, 297; Löhr, Entwurf zum Grundsteuer‐Reformgesetz: Die große Unvollendete, DStR 2019, 1433; Seer, Reform der Grundsteuer nach dem Entwurf der Bundesregierung, FR 2019, 941; G. Kirchhof, Der Belastungsgrund von Steuern – zum verfassungsrechtlichen Auftrag, die Grundsteuer zu reformieren, DStR 2020, 1073; Löhr, Das neue hessische Landesgrundsteuer‐Modell – Königsweg oder Sackgasse?, BB 2020, 1687; Schmidt, Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer als Flächensteuer, DStR 2020, 249. 3 An den Grundbesitz anknüpfende Steuern haben eine lange Tradition (s. die Darstellung bei Andreae in Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft, Band 2, 579 ff.). Im Hinblick auf das heute geltende Grundsteuerrecht und das ein oder andere historische Traditionsargument erscheint es sinnvoll, zumindest die wesentlichen gesetzgeberischen Entwicklungsschritte der letzten hundert Jahre kurz nachzuzeichnen. Da der Gesetzgeber über lange Zeit das Konzept eines „einheitlichen Bewertungsrechts“ für verschiedene Steuerarten verfolgt hat, lassen sich die Entwicklungsschritte nur nachvollziehen, wenn man neben den Grundsteuergesetzen auch die gesetzlichen Regelungen des dergestalt vor die Klammer gezogenen Bewertungsrechts einbezieht. Denn gerade hier liegen die Probleme und damit in letzter Konsequenz auch die Anlässe für (nicht immer freiwillige) Reformen. 4 Der erste ernst zu nehmende Versuch, eine einheitliche Bewertung materiell‐rechtlich zu kodifizieren und durch einen reichseinheitlichen Vollzug abzusichern, kann wohl dem Reichsbewertungsgesetz vom 10.8.1925 (RGBl. 1925 I 899, dazu RT‐Drs. 400 Nr. 797, 23) zugeschrieben werden. Es hatte damals schon Bedeutung für die Grundsteuergesetze der Länder, allerdings blieb es den Ländern unbenommen, insoweit eigene Bewertungsvorschriften vorzusehen (Halaczinsky in Rössler/Troll BewG Einführung Rn. 3). Das änderte sich sodann mit der nächsten Reform des Bewertungsrechts durch das Reichsbewertungsgesetz vom 16.10.1934 (RBewG 1934, RGBl. 1934 I 1035, dazu RStBl. 1934, 161). Das RBewG 1934 brachte den sog. Einheitswert mit dem ehrgeizigen – und letztlich gescheiterten (→ Rn. 7 ff.) – Ziel, Gegenstände mit einem Wert einheitlich für verschiedene Steuerarten (damals fokussiert auf die stichtagsmäßig relevante Vermögensteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer) festzustellen und diesen Wert in regelmäßigen Abständen (ursprünglich: alle sechs Jahre für land‐ und forstwirtschaftliche Betriebe und viele bebaute Grundstücke, alle drei Jahre für Betriebe, s. § 46 RBewG 1934) zu überprüfen. Das RBewG 1934 setzte die Idee einer einheitlichen Bewertung nicht nur materiell‐rechtlich, sondern auch konsequent verfahrensrechtlich um („gesonderte Feststellung der Einheitswerte“, s. § 20 RBewG 1934). 5 Unmittelbar im Nachgang zum RBewG 1934 erfolgte die reichseinheitliche Regelung des Grundsteuerrechts. Das Grundsteuergesetz vom 1.12.1936 (GrStG 1936, RGBl. 1936 I 986; dazu RStBl. 1937, 717) löste eine wenig befriedigende (im Notverordnungswege bestimmte) Reichsrahmenrechtssetzung (vgl. die VO v. 1.12.1930, RGBl. 1930 I 517) und die Landesgrundsteuergesetze ab. Aus der damaligen Perspektive folgerichtig benennt die Gesetzesbegründung zum GrStG 1936 die „Verkopplung der Grundsteuer mit der Einheitsbewertung“ als das „Kernstück der Vereinheitlichung des Grundsteuerrechts“ (RStBl. 1937, 717). Das GrStG 1936 wirkt konzeptionell und auch inhaltlich in nicht unbeträchtlichem Umfang bis heute im geltenden Grundsteuerrecht fort: Dies betrifft vor allem die Steuerbefreiungen, die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft und Haftung sowie die Regelungen zu Messbetrag, Zerlegung und Hebesatz. 6 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zuerst die Landesgesetzgeber wieder aktiv. Das Grundgesetz vom 23.5.1949 sah zwar in Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 GG 1949 eine konkurrierende Bundesgesetzgebung für die Realsteuern vor (geknüpft an die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG), Art. 125 Nr. 1 GG konnte das GrStG 1936 aber nur zu fortgeltendem Bundesrecht machen, „soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen einheitlich gilt“. Eine ausnahmslose Bundeseinheitlichkeit des Grundsteuerrechts ließ sich daher nur durch ein entsprechendes Tätigwerden des Bundesgesetzgebers erreichen. Der Bundesgesetzgeber nahm 1951 daher Änderungen am GrStG 1936 vor (Änderungsgesetz v. 10.8.1951, BGBl. 1951 I 515, dazu BT‐Drs. I/1787) und machte das Grundsteuergesetz sodann neu bekannt (BGBl. 1951 I 519). Dieses GrStG 1951 galt bundeseinheitlich mit geringfügigen Ausnahmen betreffend Westberlin. Untergesetzlich wurde das GrStG 1951 – wie zuvor auch schon das GrStG 1936 – durch verschiedene Rechtsverordnungen ergänzt: die Grundsteuer‐Durchführungsverordnung (VO v. 29.1.1952, BGBl. 1952 I 79) und die Grundsteuer‐ Erlassverordnung (VO v. 26.3.1952, BGBl. 1952 I 209). Soweit die nachfolgenden Änderungsgesetze zum GrStG 1936/1951 für das Verständnis der aktuellen Rechtslage noch von Bedeutung sind, werden sie bei den jeweiligen Kommentierungen nachgewiesen. 7 Die Verwirklichung der Einheitsbewertung fiel von Anfang an schwer. Die erste Hauptfeststellung wurde auf den 1.1.1935 durchgeführt. Aufgrund des Zweiten Weltkrieges blieben die nächsten Hauptfeststellungen indes aus. Auch in der neu gegründeten Bundesrepublik änderte sich dies nicht. Es wurden lediglich noch Fortschreibungen für die bestehenden wirtschaftlichen Einheiten und Nachfeststellungen für neu entstandene Einheiten vorgenommen – beides jeweils aber immer bezogen auf den Wertfeststellungsstichtag des 1.1.1935. Rechtspraktisch war die Idee der Einheitsbewertung damit (bereits) in ihrem „ersten Versuch“ gescheitert (Dötsch in Stenger/Loose BewG Einführung Rn. 14). Das Bewertungsrechtsänderungsgesetz vom 10.12.1965 (BGBl. 1965 I 1861, dazu BT‐Drs. IV/1488, kurz: BewG 1965) hielt gleichwohl an der Idee der Einheitswertbewertung fest. Es scheiterte freilich ebenso: Die Einheitswerte des Grundvermögens sind zuletzt auf den 1.1.1964 festgestellt worden. Weitere (regelmäßige) Wertfeststellungen sind nicht erfolgt. Stattdessen arbeitete das Gesetz mit einem prozentualen Aufschlag auf den zum 1.1.1964 festgestellten Wert, um die Wertveränderungen zwischen 1964 und 1974 abzubilden (vgl. § 121a BewG, eingefügt mit Gesetz v. 17.4.1974, BGBl. 1974 I 949). Vorherrschend war die Vorstellung, dass die Besteuerung nach Verkehrswerten bei den einheitswertabhängigen Steuern die Steuerverwaltung wegen der damit verbundenen Verkomplizierung der Bewertung überfordern würde (BT‐Drs. VI/3418, 44). Dies betraf vor allem das Grundvermögen. 8 Die Reform des Bewertungsrechts war sodann auch Anlass für eine sich einige Jahre später anschließende Reform des Grundsteuerrechts. Mit dem Gesetz zur Änderung bewertungsrechtlicher und anderer steuerrechtlicher Vorschriften vom 27.7.1971 (BGBl. 1971 I 1157) bestimmte der Gesetzgeber, dass die auf den 1.1.1964 festzustellenden Einheitswerte für den Grundbesitz ab 1.1.1974 steuerwirksam werden sollen, gleichzeitig wurde jedoch die Bestimmung der anzuwendenden Besteuerungsmaßstäbe einem besonderen Gesetz vorbehalten. Dies bedeutete zugleich, dass die alten Messzahlen zum 1.1.1974 außer Kraft traten und so drohte folglich – ohne eine neue Festsetzung der Messzahlen – eine Gesetzeslücke (so BT‐Drs. 7/485, 4). Dieser Handlungsdruck führte zum Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts vom 7.8.1973 (BGBl. 1973 I 965), dessen Art. 1 das bis heute geltende Grundsteuergesetz enthielt. Das neue Grundsteuergesetz war ursprünglich integraler Bestandteil des Entwurfs eines Zweiten Steuerreformgesetzes vom 4.5.1972, wurde dann aber gut ein Jahr später – und in einer neuen Legislaturperiode – wegen des genannten Handlungsdrucks vorab eigenständig verabschiedet (erneute Einbringung mit BT‐Drs. 7/78). Die Entstehungsgeschichte ergibt sich aber nach wie vor aus den Materialien zum Entwurf des Zweiten Steuerreformgesetzes (s. BT‐Drs. VI/3418 iVm BT‐Drs. 7/485, 4). Im Vergleich zum GrStG 1936/1951 sind folgende Änderungen hervorzuheben: Die Neufassung der Befreiungsvorschriften (Überführung des § 4 GrStG 1936 in § 3 GrStG einerseits und § 4 GrStG andererseits, unter weitgehender inhaltlicher Übernahme der bekannten Befreiungstatbestände), die noch weitergehende verfahrensrechtliche Anbindung an das BewG und die Überführung vieler Regelungen aus der Grundsteuer‐Durchführungsverordnung und der Grundsteuer‐Erlassverordnung in das Parlamentsgesetz (vor allem in Bezug auf den Erlass der Grundsteuer). 9 Die sog. Einheitswertbeschlüsse des BVerfG (BVerfG 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (Vermögensteuer); 22.6.1995 – 2 BvL 552/91, BVerfGE 93, 165 (Erbschaft‐ und Schenkungsteuer)), mit denen das Gericht unter anderem auf die Verfassungswidrigkeit der Bewertung des Grundvermögens nach den §§ 138 ff. BewG erkannt hatte, leiteten eine „bewertungsrechtliche Gegenbewegung“ ein: Der Vollzugsaspekt (→ Rn. 7 aE) konnte nicht jede Ungleichbehandlung rechtfertigen. Der Gesetzgeber reagierte dergestalt, dass er zwar an dem Konzept der Einheitsbewertung festhielt, dessen Anwendungsbereich aber auf die Grundsteuer und die Gewerbesteuer begrenzte. Für die Erbschaft‐ und Schenkungsteuer schuf er hingegen mit der sog. Bedarfsbewertung ein eigenständiges Bewertungsregime (mit dem Jahressteuergesetz 1997 v. 20.12.1996, BGBl. 1997 I 2049, dazu BT‐Drs. 13/4839), das eine Entkopplung von der Bewertung für Grundsteuerzwecke erfuhr. Gleichwohl blieb vor allem der nachfolgende Zweite Erbschaftsteuerbeschluss des BVerfG aus dem Jahr 2006 (BVerfG 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1) nicht folgenlos für die Bewertung für Grundsteuerzwecke. Denn die im Kontext der Erbschaftsteuer an den Gesetzgeber adressierte Vorgabe, dass der Belastungsgrund in der Bemessungsgrundlage gleichheitskonform umgesetzt werden muss („sichtbar werden müsse“), betraf auch die Grundsteuer. Entsprechendes gilt für den späteren Beschluss des BVerfG zur Gleichheitswidrigkeit der grunderwerbsteuerlichen – wiederum nach den Vorschriften über den Einheitswert (§§ 138 ff. BewG) ermittelten – Ersatzbemessungsgrundlage (BVerfG 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, BVerfGE 139, 285). 10 Im Grunde wusste man schon seit längerer Zeit, dass die Einheitswerte kein relationsgerechtes Abbild der Grundstückswerte mehr vermittelten. Denn die Grundstückswerte hatten sich seit dem 1.1.1964 sehr unterschiedlich entwickelt und zudem wurde nach diesem Datum auch keine Alterswertminderung mehr berücksichtigt (weil alles nach 1964 ausgeblendet wurde). Die damit einhergehende Ungleichbehandlung war erheblich und im Verhältnis der einzelnen Grundstücke zueinander mitunter willkürlich. Dies alles betraf keine „Ausreißer“, sondern war systembedingt und betraf die Steuerpflichtigen in der Breite. Dementsprechend behaupteten, mutmaßten oder erahnten dann auch die meisten, dass die hieran anknüpfende Grundsteuer eine gleichheitsrechtliche Prüfung nicht bestehen können würde, wenn man – was immerhin der gesetzgeberischen Grundentscheidung entsprach (vgl. zB BT‐Drs. IV/1488, 31) – den Verkehrswert zum Vergleichsmaßstab erklärte und den Rechtfertigungsdruck ernst nahm, wie ihn das BVerfG in seinen Entscheidungen seit den Einheitswertbeschlüssen (→ Rn. 9) vorgezeichnet hatte. Der politische Reformprozess wurde immerhin angestoßen. In den letzten 15 Jahren wurden intensiv Reformvorschläge diskutiert, die sich – damals wie heute – zwischen einer Heranziehung der gesamten Immobilie oder nur einer Grundstücksfläche, und dies mal mehr, mal weniger nach Maßgabe des Verkehrswertes, der Grundstücksnutzung oder anhand ökologischer Kriterien bewegten (siehe zB die Darstellung bei Nehls/Scheffler, Grundsteuerreform: Aufkommens‐ und Belastungswirkungen des Äquivalenz‐, Kombinations‐ und Verkehrswertmodells, IFSt‐Schrift 503, 2015, 28). Die Politik war aber nicht in der Lage, einen Konsens über Belastungsgrund und Bemessungsgrundlage herbeizuführen. Daher wurde „übergangsweise“ an der Einheitsbewertung nach Maßgabe der §§ 138 ff. BewG für Zwecke der Grundsteuer festgehalten. 11 Der grundsteuerliche Sonderweg des „Übergangsrechts“ – man muss sich im Klaren sein: für die Erbschaft‐ und Schenkungsteuer galten längst neue Bewertungsregeln (reformiert mit dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer‐ und Bewertungsrechts v. 24.12.2008, BGBl. 2008 I 3018) – wurde begünstigt durch den mangelnden Rechtsprechungsdruck von außen. Denn der Bundesfinanzhof hielt den Einheitswert trotz seiner Defizite bei der Grundsteuer wegen ihrer geringen Belastungswirkung zuerst noch für hinnehmbar (BFH 21.2.2006 – II R 31/04, BFH/NV 2006, 1450; 30.7.2008 – II R 5/07, BFH/NV 2009, 7). Das änderte sich erst Mitte 2010, als der II. Senat des Bundesfinanzhofs die Verfassungswidrigkeit zwar für die Zukunft in Aussicht stellte, aber seine Begründung eigentlich schon damals die Verfassungswidrigkeit zum Stichtag 1.1.2007 belegte. Insoweit ist es bedauerlich, dass der II. Senat seiner Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht nachkam und meinte, es stattdessen bei einer Appellentscheidung belassen zu dürfen (BFH 30.6.2010 – II R 60/08, BFH/NV 2010, 1691). Bemerkenswerterweise hat gerade die Grundsteuer gezeigt, dass die Einsichtsfähigkeit des Gesetzgebers nicht sehr ausgeprägt ist und solche Appelle wenig bewirken. 12 Es waren dann auch erst vier Jahre später die Verfahren betreffend die Stichtage 1.1.2008 und 1.1.2009, die zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG führten (BFH 17.12.2014 – II R 14/13, BFH/NV 2015, 475; 22.10.2014 – II R 16/13, BStBl. II 2014, 957; 22.10.2014 – II R 37/14, BFH/NV 2015, 309) und zusammen mit verschiedenen Verfassungsbeschwerden in der Entscheidung des BVerfG vom 10.4.2018 mündeten (BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147). Die erhebliche und im Verhältnis der einzelnen Grundstücke zueinander mitunter willkürliche Ungleichbehandlung ließ sich angesichts des strukturellen Mangels, der im Festhalten am Stichtag des 1.1.1964 lag, verfassungsrechtlich nicht (mehr) rechtfertigen. Es war die objektive Dysfunktionalität des Bewertungssystems, also vor allem der Verzicht auf regelmäßige Neubewertungen zu weiteren Hauptfeststellungszeitpunkten, die dem Gesetzgeber die Rechtfertigung über den legitimen Zweck der Verwaltungsvereinfachung abschnitt. Das BVerfG gelangte daher in seinem Urteil vom 10.4.2018 zur Gleichheitswidrigkeit der Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen (jedenfalls) seit dem Jahr 2002. Es gab dem Gesetzgeber auf, bis spätestens zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen. Sofern der Gesetzgeber dem Reformauftrag fristgerecht nachkäme, dürften die (verfassungswidrigen) Regelungen längstens bis zum 31.12.2024 angewendet werden (BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 Rn. 169 ff.; zur Fortgeltung des alten Rechts → Rn. 15a). Mit dieser Entscheidung kam der unvermeidbare Handlungsdruck. 13 Ein Reformergebnis kann der Gesetzgeber seit November 2019 vorweisen: Das Grundsteuerreformgesetz vom 26.11.2019 (BGBl. 2019 I 1794, historische Nachweise → Rn. 15). Der vorangehende politische Prozess war langwierig und wechselhaft, was angesichts der Rahmenbedingungen aber absehbar war: Politisch scheute man die teilweise unvermeidbare Steuererhöhung gerade wegen ihrer Folgewirkungen für den ohnehin angespannten Mietwohnungsmarkt. Gleichwohl ist es ebenso politisch gewollt, den Gemeinden ihre stabilste – weil konjunkturunabhängige – Einnahmequelle zu erhalten. Eine Abschaffung stand nie wirklich zur Diskussion. Diese politische Ausgangslage traf wiederum auf einige nicht veränderbare Determinanten: Auf der einen Seite geht der demographische Wandel auch an der Finanzverwaltung nicht spurlos vorbei. Eine Massenvollzugsaufgabe (es sollen immerhin 36 Mio. wirtschaftliche Einheiten zu bewerten sein) muss mit möglichst wenig Personal erfüllbar sein. Auf der anderen Seite ist das verfassungsrechtliche Korsett zu nennen. Das BVerfG gesteht dem Gesetzgeber zwar einen weiten Spielraum in Ansehung des Belastungsgrundes zu, verknüpft dies sodann aber mit der Bemessungsgrundlage (insbes. den Bewertungsregeln) und fordert eine gewisse Folgerichtigkeit ein (mit freilich noch nicht abschließend geklärten Maßstäben). Und schließlich schwebte über alledem die Frage der Gesetzgebungskompetenz, die auf die materielle Ausgestaltung zurückwirkte. Es kam nämlich nach alter Verfassungsrechtslage womöglich darauf an, ob sich die Reform noch innerhalb des bestehenden Belastungskonzepts bewegt oder ob eine Neuformulierung des Belastungsgrundes vorliegt (statt vieler mit Nachweisen Schmidt NVwZ 2019, 103; Seer FR 2019, 941). 14 Die Kompetenzfrage ist durch die Änderung des Grundgesetzes mit dem Gesetz v. 15.11.2019 (BGBl. 2019 I 1546) nunmehr beantwortet (s. Art. 105 Abs. 2 S. 1 GG: konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auch für die Grundsteuer). Zugleich wurde eine Abweichungsbefugnis vorgesehen, die es den Ländern ermöglicht, gänzlich eigene Grundsteuergesetze (mit eigener Belastungsentscheidung und eigenen hierauf zugeschnittenen Maßstabsregelungen) zu erlassen. Rechtstechnisch verwirklicht wird dies durch eine Ergänzung des Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG, der auch auf anderen Rechtsgebieten bereits eine Abweichungsbefugnis der Länder kennt und den Grundsatz des ansonsten maßgeblichen Art. 31 GG umkehrt: Hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen über die Grundsteuer treffen (Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG, → Rn. 74 ff.). Beides – Kompetenzregelung wie auch Abweichungsbefugnis – ist klug. Gegenüber der Öffnungsklausel wird zwar zunehmend die Sorge vor einer Rechtszersplitterung formuliert. Das ist indes ein Argument, das man im Föderalismus gegenüber jeglicher Landesgesetzgebung ins Feld führen könnte (und in vielen Teilbereichen auch immer wieder tut). Natürlich bildet ein einheitliches Steuersystem das Rückgrat eines einheitlichen Wirtschaftsraumes. Dies gilt uneingeschränkt aber nur für Steuern, die an wirtschaftliche Vorgänge anknüpfen, also vor allem für die Einkommen‐, Körperschaft‐ und Umsatzsteuer. Bei der Erbschaft‐ und Vermögensteuer kann man sich darüber schon streiten. Bei einer örtlich radizierten Steuer wie der Grundsteuer ist dies aber gewiss nicht der Fall (aus der verfassungsrechtlichen Perspektive des Art. 72 Abs. 2 GG ebenso Hantzsch DStZ 2012, 758 (761 f.); Seer FR 2019, 941 (943 f.)). 15 […] C. Die bundesgesetzliche Regelung der Grundsteuer Literatur: Feldner/Stoklassa, Verfassungsrechtliche Fragen zur sog. Länderöffnungsklausel im Rahmen der Grundsteuerreform, DStR 2019, 2505; Hey, Grundsteuerreform 2019 – Gibt der Gesetzgeber die richtigen Antworten auf das Grundsteuerurteil des BVerfG vom 10. April 2018?, ZG 2019, 297; Löhr, Entwurf zum Grundsteuer‐Reformgesetz: Die große Unvollendete, DStR 2019, 1433; Marx, Ökonomische Analyse des Grundsteuer‐Reformgesetzentwurfs, DStZ 2019, 372; Seer, Reform der Grundsteuer nach dem Entwurf der Bundesregierung, FR 2019, 941; G. Kirchhof, Der Belastungsgrund von Steuern – zum verfassungsrechtlichen Auftrag, die Grundsteuer zu reformieren, DStR 2020, 1073; Löhr, Das neue hessische Landesgrundsteuer‐Modell – Königsweg oder Sackgasse?, BB 2020, 1687; Scheffler/Feldner, Umsetzung der Grundsteuerreform in den Bundesländern – Auswirkungen und verfassungsrechtliche Beurteilung, IFSt‐Schrift 542, 2021; Breinersdorfer, Droht neues verfassungsrechtliches Unheil bei der Grundsteuer, DStJG 44 (2022), 285; Freund, Die gerechte Grundsteuer im Lichte von Leistungsfähigkeits‐ und Äquivalenzprinzip (Diss.), 2023; Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform (Diss.), 2023. I. Systematische Einordnung und Belastungsgrund 16 Das Bundesgrundsteuerrecht bilden das GrStG und die §§ 218–266 BewG. Die Aufspaltung auf zwei Gesetze steht in der Tradition des alten Rechts, ist zwischenzeitlich aber unnötig geworden. Der gesetzliche Terminus ist nunmehr der „Grundsteuerwert“ (statt „Einheitswert“). Bewertungsziel ist nach wie vor der Verkehrswert der wirtschaftlichen Einheit. Die erste Hauptfeststellung soll auf den Stichtag 1.1.2022 erfolgen (§ 266 Abs. 1 BewG). Die nächste Hauptfeststellung soll sieben Jahre später, also auf den 1.1.2029, stattfinden (→ BewG § 221 Rn. 4). Die Anwendung der auf den 1.1.2022 festgestellten Grundsteuerwerte soll erstmals auf den 1.1.2025 erfolgen (erste Hauptveranlagung, § 266 Abs. 1 BewG und § 36 Abs. 1 GrStG). 17 Der Bundesgesetzgeber folgt – in der Tradition des alten Grundsteuerrechts (Seer in Tipke/Lang SteuerR Rn. 16.1 f.) – weiterhin dem Sollertragsgedanken, dh, er will an die durch das Grundeigentum vermittelte objektive Leistungsfähigkeit anknüpfen: „Steuerobjekt der Grundsteuer ist der Grundbesitz, an den ohne Berücksichtigung der jeweils persönlichen Verhältnisse und subjektiven Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners angeknüpft wird und den Steuerpflichtigen dadurch zu einer ertragsbringenden Nutzung anhalten soll. Auch wenn die Grundsteuer nicht an die subjektive Leistungsfähigkeit anknüpft, folgt sie als Sollertragsteuer dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Die mit dem Grundbesitz vermittelte Möglichkeit einer ertragsbringenden Nutzung, die durch den Sollertrag widergespiegelt wird, vermittelt eine objektive Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners“ (BT‐Drs. 19/11085, 84). Die Begründung zum Grundsteuerreformgesetz enthält insoweit ein klares „Bekenntnis“ (auch noch → Rn. 18) zur durch den Grundbesitz vermittelten Leistungsfähigkeit als Belastungsgrund. Anders als zB bei der Einkommensteuer soll aber nicht die subjektive Leistungsfähigkeit ermittelt werden. Die Grundsteuer belastet vielmehr das bloße Innehaben von Grundbesitz und greift damit auf die durch den Besitz sog. fundierten Einkommens vermittelte (abstrakte) Leistungskraft zu, ohne jedoch die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers, die Ausdruck seiner persönlichen Leistungsfähigkeit sein können, tatbestandlich zur Kenntnis zu nehmen (BT‐Drs. 19/11085, 84). Es werden daher beispielsweise weder das selbstgenutzte Wohneigentum verschont noch familiäre Verhältnisse (zB Anzahl der Kinder) berücksichtigt (BFH 30.6.2010 – II R 12/09, BStBl. II 2011, 48 Rn. 54; dazu auch noch aus verfassungsrechtlicher Perspektive → Rn. 132). Steuersystematisch stellt die Grundsteuer nach wie vor eine Vermögensteuer dar (Seer in Tipke/Lang SteuerR Rn. 16.1; Tipke FS Wacke, 1972, 211 (220)) und zwar eine „Sonderbruttovermögenssteuer“ auf das Grundeigentum (Hey ZG 2019, 297 (298)). 18 Unseres Erachtens hat sich der Gesetzgeber mit seiner Bezugnahme auf das Leistungsfähigkeitsprinzip unmissverständlich zu einem legitimen Belastungsgrund bekannt. Dies wird nicht von jedem so gesehen, weil sich in der Gesetzesbegründung auch vermeintlich im Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsansatz stehende Verweise auf das Äquivalenzprinzip finden. Der Belastungsgrund sei daher „unklar“ (so Feldner/Stoklassa DStR 2019, 2505 (2508); G. Kirchhof DStR 2020, 1073 (1075)). Richtig ist, dass sich in der Gesetzesbegründung in der Tat auch äquivalenztheoretische Rechtfertigungsansätze finden. Diese gehen aber nicht über den für alle Steuern geltenden Gedanken einer globalen Äquivalenz hinaus (wie hier auch Hey ZG 2019, 297 (308); ebenso FG Köln 19.9.2024 – 4 K 2189/23, EFG 2024, 1885 Rn. 34 (Rev. II R 25/24)) und sind dem Belastungsgrund vorgelagert. Natürlich ist der Äquivalenzrahmen bei der Grundsteuer „enger“ ausgeprägt als bei einer bundesweit erhobenen Steuer, weil das Verhältnis des Steuergläubigers (Gemeinde) und des Steuerschuldners (Eigentümer einer Immobilie im Gemeindegebiet) im Vordergrund steht (daher auch die starke Betonung der gemeindlichen Infrastruktur, soweit sie nicht durch Beiträge und Gebühren abgegolten wird, BT‐Drs. 19/11085, 84). Aber damit wird das Äquivalenzprinzip nicht zum Belastungsgrund der Grundsteuer nach dem Bundesgrundsteuermodell. Es spricht zwar sehr viel dafür, dass der Bundesgesetzgeber sein (Verkehrswert‐) Modell auch auf das Äquivalenzprinzip in seiner gruppenbezogenen Interpretation als Nutzenäquivalenz stützen könnte (→ Rn. 20), aber der Gesetzesbegründung kann nicht entnommen werden, dass er dies tun möchte. Vielmehr erinnert auch der gegenwärtige Gesetzgeber mit seinen äquivalenztheoretischen Ausführungen nur daran, warum es gerade die Gemeinden sind, denen die Grundsteuer als direkte Steuer der Höhe nach über den Hebesatz zur eigenverantwortlichen Einnahmenfinanzierung zusteht. Ebenso werden die Gemeinden auch daran erinnert, dass sie bei der Gestaltung ihres Hebesatzes stets im Blick behalten sollten, was sie ihren Bürgern für deren Grundsteuern bieten. Das ist eine politische Klugheitsregel, aber nicht Ausdruck eines eigenständigen Belastungsgrundes. 19 Der Maßgeblichkeit eines objektivierten Leistungsfähigkeitsansatzes lässt sich schließlich auch nicht entgegenhalten, dass dieser die bei Vermietungsimmobilien durch eine Überwälzung der Grundsteuer an den Mieter gekennzeichnete Realität ausblende (so aber Feldner/Stoklassa DStR 2019, 2505 (2508)). So stellt sich bereits die Frage, ob sich die Grundsteuer insoweit von anderen Steuern unterscheidet. Denn jede Steuer, deren Schuldner ein Marktteilnehmer ist, trägt ein Überwälzungspotenzial zulasten des Vertragspartners des Steuerschuldners in sich. Bei der Grundsteuer geschieht dies über die Nebenkosten nur recht unmittelbar und damit transparent, anders als zB bei den Ertragsteuern, die aber – jedenfalls jeder vernünftige – Kaufmann ebenso miteinkalkulieren wird. Womöglich lässt sich noch nicht einmal mit Allgemeingültigkeit die Frage beantworten, zu wessen Lasten die Grundsteuer geht. Es dürfte eine Frage des konkreten Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage sein, ob die Grundsteuer nicht uU vom Vermieter getragen wird, weil die Grundsteuerbelastung des Mieters eine höhere Miete verhindert. Man könnte die Frage auch anders stellen: Wenn die Grundsteuer abgeschafft werden würde, könnten Vermieter anlässlich der nächsten Neuvermietung eine höhere Miete verlangen, ohne dass eine Veränderung auf der Nachfrageseite zu beobachten wäre? Das ist letztlich eine empirische Frage, die hier nicht abschließend beantwortet werden kann. Dabei dürfte es von erheblicher Bedeutung sein, ob man eine Großstadt mit knappem Wohnraum betrachtet oder eine Stadt bzw. ländliche Gegend mit einem zumindest ausgeglichenen Verhältnis von Angebot und Nachfrage. 20 Der Bundesgesetzgeber hat sich nach alledem eindeutig positioniert. Es gibt nach seinem Willen nur einen und zwar am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Belastungsgrund. Ob eine solche Sollertragsteuerkonzeption steuersystematisch überzeugend ist, ist eine andere Frage. Denn ungeachtet der Überwälzungsfrage (→ Rn. 19) ist die Vorstellung von einer objektiven – nicht am Individuum anknüpfenden – Leistungsfähigkeit zweifelhaft (hier setzt vor allem die Kritik des steuer‐ und finanzwissenschaftlichen Schrifttums an, das dem Äquivalenzprinzip in seiner gruppen‐ und nutzenbezogenen Interpretation eine bessere Belastungsgrundeignung zuspricht, zB Fuest/Immel/Meier/Neumeier, Die Grundsteuer in Deutschland: Finanzwissenschaftliche Analyse und Reformoptionen, 7; Hey ZG 2019, 287 (298); Marx DStZ 2019, 372 (376); Scheffler/Roith Leitlinien für eine Reform der Grundsteuer, 25 ff.; Scheffler/Feldner Umsetzung der Grundsteuerreform in den Bundesländern, 15 ff.) und es kann zudem zur Doppelbelastung der aus der Einkunftsquelle „Grundeigentum“ fließenden (laufenden) Erträge kommen. Dies ist aber eine rechtspolitische Frage. Auf die verfassungsrechtliche Beurteilung der Grundsteuer schlägt sie nicht durch (→ Rn. 92). II. Steuergegenstand, Bemessungsgrundlage, Steuerermittlung und Steuerschuldner […] 45 Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die Grundsteuer ist der Grundsteuerbescheid. Auf dem Weg zu seinem Erlass müssen typischerweise drei Verwaltungsverfahren durchlaufen werden: (1) Auf der ersten Stufe wird der Grundsteuerwert für eine wirtschaftliche Einheit (Betrieb der Land‐ und Forstwirtschaft oder Grundstück) festgestellt. Die Feststellung erfolgt durch den sog. Grundsteuerwertbescheid. Der Grundsteuerwertbescheid enthält mindestens drei Feststellungen, die auch im Tenor des Bescheides zu unterscheiden sind: die Wertfeststellung (§ 219 Abs. 1 BewG), die Artfeststellung (§ 219 Abs. 2 Nr. 1 BewG) und die Zurechnungsfeststellung (§ 219 Abs. 2 Nr. 2 BewG). (2) Auf der zweiten Stufe wird der Steuermessbetrag durch Anwendung der Steuermesszahl auf den Grundsteuerwert oder seinen steuerpflichtigen Teil (bei teilweiser Steuerbefreiung nach §§ 3, 4 GrStG) ermittelt (§ 13 GrStG). Dies erfolgt durch den sog. Grundsteuermessbescheid. Mit ihm wird über die persönliche und sachliche Grundsteuerpflicht entschieden (→ GrStG § 16 Rn. 3). (3) Auf der dritten Stufe schließlich erfolgt die eigentliche Grundsteuerfestsetzung durch den sog. Grundsteuerbescheid (§§ 25 ff. GrStG). Die Höhe der Grundsteuer bestimmt sich nach einer Vervielfältigung des gemeindlichen Hebesatzes (festzusetzen durch Satzung, → GrStG § 25 Rn. 4 ff.) mit dem Steuermessbetrag. In den Flächenstaaten haben die jeweiligen Landesgesetzgeber von der Möglichkeit des Art. 108 Abs. 4 S. 2 GG Gebrauch gemacht und die Festsetzung (ebenso wie die Erhebung und Beitreibung, → Rn. 55 f.) der Grundsteuer den hebeberechtigten Gemeinden übertragen (→ Rn. 42 f.). Entsprechendes gilt in Bremen für die Stadtgemeinde Bremerhaven. In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sowie in der Stadtgemeinde Bremen sind hingegen die Finanzbehörden auch für die Festsetzung (sowie die Erhebung und Beitreibung, → Rn. 55 f.) zuständig und die Zuständigkeit der Finanzämter innerhalb der beiden Stadtstaaten bestimmt sich nach der Lage des Grundstücks (siehe § 22 Abs. 3 AO iVm § 22 Abs. 2 S. 2 AO; Rätke in Klein AO § 22 Rn. 5). […] 3. Automatisierungsstrategie, Mitwirkungspflichten und Kontrollbefugnisse 51 Die rechtspolitische wie auch die rechtsdogmatische Diskussion konzentrieren sich bei einer Steuer nicht selten vornehmlich auf materielle Belastungsfragen und sich hieran anschließende (Steuer‐)Gerechtigkeitsfragen. Bei der Grundsteuer ist dies anders. Der Aspekt des Steuervollzugs ist hier nie aus dem Blick geraten. Er ist ein prägendes Leitmotiv der Grundsteuer (→ Rn. 13 zu den rechtspolitischen Determinanten der Grundsteuerreform). Einer der entscheidenden Sätze der Gesetzesbegründung dürfte in diesem Zusammenhang der folgende sein: „Nach erfolgter Digitalisierung führt die Nutzung amtlicher Grundstücksinformationen und Daten des Immobilienmarkts auf elektronischem Wege im Zusammenspiel mit den Vereinfachungen des materiellen Rechts dazu, dass das Bewertungs‐ und Besteuerungsverfahren für alle Beteiligten einfach, transparent und nachvollziehbar ausgestaltet ist“ (BT‐Drs. 19/11085, 83). Das erste Mal ist ein Steuergesetz, das sich im Massenvollzug bewähren muss, an den Möglichkeiten des automatisierten Datenaustausches und den Fähigkeiten der automatisierten Datenverarbeitung ausgerichtet worden. So bestimmen §§ 229 Abs. 6 S. 1, 247 Abs. 2 BewG unscheinbar, aber doch konzeptionell prägend und zudem längst überfällig: Liegenschaftsämter, Grundbuchämter und Gutachterausschüsse sowie andere nach Bundes‐ oder Landesrecht zuständige Behörden, denen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung für die Feststellung von Grundsteuerwerten relevante rechtliche oder tatsächliche Umstände bekannt werden, müssen ihre Mitteilungen den Finanzbehörden nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle übermitteln. 52 Das ist normativ ein Meilenstein hin zur digitalen Vernetzung verschiedener Behörden: Datenübermittlung von Amts wegen, nicht erst auf Nachfrage, und vor allem nach vorgegebenen, eine automatisierte Verarbeitung ermöglichenden Standards. Perspektivisch dürfte es schließlich zugleich darum gehen, auch die Grundsteuerbewertung in das risikoorientierte Vollzugskonzept zu integrieren, damit ein nennenswerter Teil der Grundsteuerwertbescheide vollautomatisiert erlassen werden kann. Man kann von einem Paradigmenwechsel sprechen. Für die einen verbinden sich damit auch über die Grundsteuer hinaus Hoffnungen auf ein entsprechendes Erfahrungswissen und die politische wie verfassungsrechtliche Akzeptanz der Aktivierung solcher Vollzugsentlastungspotenziale. Bei anderen ruft es demgegenüber Unbehagen hervor, wenn man das „technisch Machbare“ zum Ausgangspunkt für die Gestaltung eines (bisher) sehr stark gleichheitsrechtlich vorgeprägten, aber mitunter auch überfrachteten Steuerrechts erklärt. 53 Die grundsteuerliche Automationsstrategie des Gesetzgebers hat vor allem Bedeutung für die Lebenszeit und Geld kostenden Verfahrenslasten der Steuerpflichtigen. Richtigerweise sieht das neue Bewertungsrecht – jeweils über die amtliche Schnittstelle nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch zu erfüllende – Steuererklärungs‐ und Anzeigepflichten vor (→ BewG § 228 Rn. 4 ff.). Deren Fehlen im alten Recht war ein großer Mangel, der jenseits der materiellen Bewertungsungleichheit nach Ansicht des II. Senats des Bundesfinanzhofs auch die Frage nach einem strukturellen Vollzugsdefizit aufgeworfen hatte (BFH 22.10.2014 – II R 16/13, BStBl. II 2014, 957 Rn. 74 ff.). Die Frage blieb am Ende unbeantwortet (vgl. BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 Rn. 146). Nunmehr normiert § 228 Abs. 1 BewG eine Steuererklärungspflicht, die zwar an eine Aufforderung durch die Finanzbehörde gebunden ist, allerdings kann diese Aufforderung vom Bundesfinanzministerium auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. § 228 Abs. 2 BewG wiederum verpflichtet den Steuerpflichtigen zur Anzeige aller Änderungen tatsächlicher Verhältnisse, die sich auf die Höhe des Grundsteuerwertes, die Vermögens‐ bzw. Grundstücksart oder die Zurechnung auswirken. Diese Pflichten sind allesamt mit einem Verspätungszuschlag bedroht (§ 228 Abs. 5 BewG, § 152 Abs. 2 AO, → BewG § 228 Rn. 18). 54 Sowohl aus der Sicht des Steuerpflichtigen als auch der Finanzverwaltung ist entscheidend, dass die einzelnen Rechtsanwendungsschritte „einfach“ sind. Dass Werte nach unterschiedlichen, teils komplexeren Verfahren zu ermitteln sind, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn reine Berechnungsfragen sind in Anbetracht der Datenverarbeitungsmöglichkeiten durchweg automationsfähig. Die viel entscheidendere Frage ist, ob mit einem Bewertungsverfahren, das mehr Rechenschritte vorsieht als ein anderes Bewertungsverfahren, auch mehr Vollzugsaufwand verbunden ist. Das wiederum ist eine Frage der Datengrundlage und vor allem der Datenbeschaffung. Die Frage muss daher immer lauten, mit welchem Aufwand Daten beschafft, erhoben und verifiziert werden müssen. Insoweit kann das Bundesgrundsteuerrecht für sich in Anspruch nehmen, dass der Steuerpflichtige vor allem für die Wohn‐ und Nutzfläche und das Baujahr (so beim Ertragswertverfahren) bzw. die Brutto‐Grundfläche, Angaben zur Gebäudeart iSv Anlage 42 und das Baujahr (so beim Sachwertverfahren) verantwortlich ist. Im Übrigen wird es wohl auch Angaben zur Bestimmung der Grundstücksart bedürfen. Bodenrichtwerte und Grundstücksgrößen sollen hingegen von anderen Behörden elektronisch beigestellt werden (§§ 229 Abs. 6, 247 Abs. 2 BewG). Die übrigen bewertungsrelevanten Daten ergeben sich schließlich aus dem Gesetz. Damit ergibt sich aus der Perspektive der Verwaltung ein sehr reduzierter Verifikationsbedarf in Ansehung der vom Steuerpflichtigen beizusteuernden Daten: Jedenfalls die Wohn‐ und Nutzflächen von Wohngrundstücken werden über die Jahrzehnte hinweg keiner Veränderung unterliegen, weshalb sich typischerweise nur ein Erstverifikationsaufwand ergibt. Anlässlich der ersten Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 ist dieser Idealzustand indes noch nicht erreicht worden. Das ist aber nicht entscheidend. Denn die Administrierbarkeit eines Gesetzes und die Verfahrenspflichtbelastung des Steuerpflichtigen darf man nicht in Bezug auf eine Momentaufnahme des Erstanwendungszeitpunktes beurteilen, sondern dies muss langfristig geschehen. […] 4. Fragen der Rechtsbehelfsbefugnis (insbes. in Überwälzungskonstellationen) 67 Sowohl die FGO als auch die VwGO folgen dem Grundsatz, dass nur klagebefugt ist bzw. in der Sache mit einer Klage Erfolg haben kann, wer durch den Verwaltungsakt oder eine andere Verwaltungshandlung in seinen Rechten verletzt ist. Die notwendige eigene Rechtsverletzung ergibt sich bei Grundsteuerwert‐, Grundsteuermess‐ und Grundsteuerbescheid für den Steuerpflichtigen regelmäßig daraus, dass er Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsaktes ist. Ob der Steuerpflichtige die Grundsteuer auf die Mieter umlegen kann (→ Rn. 19), ist hierfür irrelevant (aA (wohl) FG Berlin 15.1.1997 – II 370/94, EFG 1997, 723: belastet seien nur die Mieter). Eine bisher nicht geklärte Frage ist, ob auch der Mieter als faktischer Steuerträger in Ansehung von Grundsteuerwert‐, Grundsteuermess‐ und Grundsteuerbescheid rechtsbehelfsbefugt ist. In Bezug auf die Verbrauchsteuern, die ebenfalls durch eine Überwälzung der Steuer geprägt sind, ist die Frage umstritten (Beschwer verneinend FG Hamburg 22.2.1980 – IV 29/79, EFG 1980, 406; dagegen Krumm in Tipke/Kruse FGO § 40 Rn. 73). Die dort für eine Rechtsbehelfsbefugnis des Steuerträgers vorgebrachten Argumente lassen sich allerdings nicht auf die Grundsteuer übertragen. Bei den Verbrauchsteuern hat der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen nur als Gehilfen in den Steuererhebungsvorgang eingeschaltet. Die Belastung des Steuerträgers (des Nichtunternehmers, des Verbrauchers) ist das eigentliche Ziel des Gesetzgebers. Es geht um die Erfassung seiner sich im Konsum äußernden Leistungsfähigkeit. Daher lässt sich bei den Verbrauchsteuern in der Tat sehr gut begründen, dass der Steuerträger durch den an den Steuerpflichtigen adressierten Bescheid beschwert ist. Die Grundsteuer ist hingegen eine Realsteuer und soll die objektivierte Leistungsfähigkeit, die der Grundbesitz vermittelt, erfassen (→ Rn. 17). Der Mieter wird also nicht gezielt belastet. Seine Belastung ist wegen der Überwälzbarkeit nur ein Reflex und eine solche mittelbare wirtschaftliche Betroffenheit reicht für eine eigene Beschwer nicht aus (glA Morsch DStR 2024, 1972 (1973)). 68 Ist der Mieter der Meinung, dass die Grundsteuer fehlerhaft ermittelt worden ist, muss er sich daher an den Vermieter halten. Der Vermieter ist jedenfalls verpflichtet, die Besteuerungsgrundlagen zu prüfen und kann sich bei Verletzung dieser Pflicht gegenüber dem Mieter schadensersatzpflichtig machen (mit der Folge, dass der unrechtmäßige Teil der Grundsteuer vom Vermieter nicht gefordert werden kann, siehe OLG Brandenburg 5.6.2019 – 11 U 109/15, BeckRS 2019, 11255 Rn. 15, dort: Der Vermieter hat es unterlassen, dem FA die Aufnahme einer landwirtschaftlichen Nutzung durch den Mieter anzuzeigen). […] D. Abweichungen in den einzelnen Bundesländern I. Die Abweichungsbefugnis der Länder nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG 74 Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG gestattet den Ländern, vom Bundesgrundsteuerrecht – also den Regelungen im GrStG und BewG – abweichende Regelungen zu treffen (sog. Abweichungsbefugnis). Ob und inwieweit ein Land hiervon Gebrauch machen will, liegt im politischen Ermessen des jeweiligen Landesgesetzgebers (BT‐Drs. 16/813, 11; bestätigt von BVerwG 11.4.2016 – 3 B 29/15, NVwZ‐RR 2016, 484; VerfGH Bayern 29.5.2017 – Vf. 8‐VII‐16, NVwZ‐RR 2017, 673): Er darf die bundesgesetzlichen Regelungen der Grundsteuer inhaltlich vollständig ersetzen, kann sich aber auch mit Einschränkungen und Ergänzungen der Bundesregelung begnügen. Zulässig sind grundsatz‐ wie detailbezogene Abweichungen. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG grenzt keinen „abweichungsfesten Kern“ aus dem Kompetenzbereich der Länder aus und auch sonst ist der Landesgesetzgeber nicht zur Wahrung der Grundkonzeption des Bundesgrundsteuerrechts verpflichtet (so jedenfalls die zutreffende hM, siehe nur VerfGH Bayern 29.5.2017 – Vf. 8‐VII‐16, NVwZ‐RR 2017, 673; Drüen in Stenger/Loose VerfR GrStG Rn. 7; Uhle in DHS GG Art. 72 Rn. 270; Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform, 54 ff.; iErg (unausgesprochen) auch FG Baden‐Württemberg 11.6.2024 – 8 K 1582/23, EFG 2024, 1997 (Rev. II R 26/24)). Denkbar sind damit vollständige, aber auch nur punktuelle Abweichungen. Letzteres wiederum kann mit einer sog. Vollregelung umgesetzt werden (das Landesgesetz regelt die Materie vollständig, allerdings in Teilen das Bundesrecht textlich wiederholend; in Ansehung der Wiederholung stellt sich die Frage, ob eine Abweichung iSv Art. 72 Abs. 3 GG vorliegt → Rn. 75) oder durch nur punktuelle Sonderregelungen gegenüber dem ansonsten geltenden Bundesrecht. Es gibt lediglich zwei Vorgaben, die zu beachten sind. Erstens, der Regelungsgegenstand des Landesgesetzes muss eine „Grundsteuer“ iSv Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG sein. Der Begriff der Grundsteuer darf dabei nicht auf den bisher bekannten Typus der Grundsteuer reduziert werden. Anderenfalls würde die Abweichungsbefugnis weitgehend ins Leere laufen. Daher ist auch eine nur an den (unbebauten) Boden anknüpfende Grundsteuer (zu Baden‐Württemberg → Rn. 80 ff.) eine Grundsteuer iSv Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG. Ausgehend vom Wortlaut kann nur entscheidend sein, dass an ein Grundstück angeknüpft wird. Dann macht es aber keinen Unterschied, ob das unbebaute Grundstück herangezogen oder das Grundstück nebst einer etwaigen Bebauung zum Steuergegenstand erklärt wird (glA FG Baden‐Württemberg 11.6.2024 – 8 K 1582/23, EFG 2024, 1997 Rn. 65 (Rev. II R 26/24); Seer DB 2018, 1488 (1493); Breinersdorfer DStJG 44 (2022), 285 (293); Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform, 57 f.; aA Ronnecker ZKF 2018, 49 (50)). Zweitens steht das Hebesatzrecht wegen Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG als solches nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers (was auch für den Bundesgesetzgeber gilt, → Rn. 2). Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG hindert den Landesgesetzgeber allerdings nicht daran, das Hebesatzrecht zu gestalten – sei es im Sinne eines Grundsatzes der Einheitlichkeit des Hebesatzes für das gesamte Gemeindegebiet (so § 25 Abs. 4 GrStG) oder sei es im Sinne einer – wie in Nordrhein‐Westfalen, Sachsen‐Anhalt und Schleswig‐ Holstein erfolgten (→ Rn. 91a) und in Rheinland‐Pfalz geplanten (→ Rn. 91b) – Öffnung des Hebesatzrechts für eine innerhalb des Gemeindegebiets differenzierende Hebesatzpolitik der Gemeinden (zu Recht Drüen in Stenger/Loose VerfR GrStG Rn. 15). 75 Soweit ein Landesgesetzgeber von seiner Abweichungsbefugnis Gebrauch macht, liegt Landesrecht vor. Umstritten ist, ob ein Abweichen iSv Art. 72 Abs. 3 GG auch dann vorliegt, wenn der Landesgesetzgeber das Bundesrecht nur (formulierungsidentisch) wiederholt (dies verneinend Uhle in DHS GG Art. 72 Rn. 282; Kment in Jarass/Pieroth GG Art. 72 Rn. 30; bejahend hingegen Ipsen NJW 2006, 2801 (2804); Wittreck in Dreier GG Art. 72 Rn. 43; Wollenschläger in BK GG Art. 72 Rn. 434). Für eine Abweichung in Gestalt einer wiederholenden Regelung spricht, dass von Art. 72 Abs. 3 GG auch die Gestaltungsfreiheit der Länder gedeckt sein dürfte, den Status der Regelung zu verändern, also aus einer Bundesregelung eine Landesregelung zu machen. Dies allein kann bereits eine „abweichende Rechtswirkung“ haben (zutreffend Wittreck in Dreier GG Art. 72 Rn. 43; man denke nur an die Anwendung von Verfahrens‐ und Prozessrecht, → Rn. 77). Vor allem dann, wenn sich der Gesetzgeber für eine landesrechtliche Vollregelung entscheidet, die nur teilweise inhaltlich vom Bundesrecht abweicht und im Übrigen das Bundesrecht inhaltlich übernimmt, wird man insgesamt eine Abweichung iSv Art. 72 Abs. 3 GG und damit insgesamt Landesrecht annehmen müssen (Seiler in BeckOK GG Art. 72 Rn. 24.2.). Daher ist das BWLGrStG richtigerweise insgesamt ein Abweichungsgesetz und es liegt insgesamt Landesrecht vor. 76 Soweit der Landesgesetzgeber von der Abweichungsbefugnis Gebrauch macht, hat das Landesrecht Anwendungsvorrang (dh kein Geltungsvorrang und vor allem keine Nichtigkeit und kein Außerkrafttreten des Bundesrechts, vgl. BT‐Drs. 16/813, 11; ferner hM in der Literatur, zB Franzius NVwZ 2008, 492 (494); Herbst in BerlKom GG Art. 72 Rn. 140; Ipsen NJW 2006, 2801 (2804); Oeter/Krönke in Huber/Voßkuhle GG Art. 72 Rn. 130; Seiler in BeckOK GG Art. 72 Rn. 28). Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG normiert letztlich den lex‐posterior Grundsatz als Kollisionsregel bezogen auf eine konkrete Regelung (Herbst in BerlKom GG Art. 72 Rn. 143; Seiler in BeckOK GG Art. 72 Rn. 27; Uhle in DHS GG Art. 72 Rn. 304). Soweit der Landesgesetzgeber von der Abweichungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht hat, bleibt es hingegen bei der Anwendung des (Bundes‐)Grundsteuergesetzes und der §§ 218 ff. BewG (als sog. „partielles Bundesrecht“, statt vieler Oeter/Kroenke in Huber/Voßkuhle GG Art. 72 Rn. 128; Wittreck in Dreier GG Art. 72 Rn. 40). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich das Landesrecht zum Verhältnis zum Bundesrecht gar nicht äußert. Das betrifft vor allem die Regelungen zu den Betrieben der Land‐ und Forstwirtschaft. Dass die Landesgesetzgeber das Bundesrecht „im Übrigen“ für anwendbar erklären (vgl. Art. 10 Abs. 1 S. 1 BayGrStG; § 11 Abs. 1 S. 1 HmbGrStG; § 1 S. 2 NGrStG), macht die bundesgesetzlichen Vorschriften betreffend die Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft (einschließlich des im GrStG und BewG normierten Verfahrensrechts) nicht zu Landesrecht. Dies gilt grundsätzlich auch für die Regelungen betreffend die Grundstücke (einschließlich des im GrStG und BewG geregelten Verfahrensrechts). Gerade hier finden sich aber auch Abweichungen von diesem Grundsatz. Vor allem dann, wenn ein Landesgesetzgeber einzelne Vorschriften des Bundesrechts oder bestimmte Normkomplexe für „entsprechend anwendbar“ erklärt, dürften die davon erfassten Regelungen zu Landesrecht werden. Ein anschauliches Beispiel für die dadurch entstehende Gemengelage ist das HGrStG: Die in § 2 HGrStG für entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften des BewG werden zu Landesrecht (→ HGrStG § 2 Rn. 4, 7). Die Vorschriften des GrStG, für die keine landesrechtlichen Vorrangnormen existieren und zu denen sich das HGrStG auch sonst nicht verhält, werden in Hessen hingegen als Bundesrecht angewendet (zB die Vorschriften über die Steuerbefreiungen in §§ 3 ff. GrStG). […] 79 Die Abweichungsbefugnis nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG hat – jedenfalls theoretisch – eine „Schwäche“. Der Bund darf auch zeitlich nach Erlass eines abweichenden Landesgesetzes tätig werden und das spätere Bundesgesetz geht dann dem älteren Landesrecht vor (Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG). Es gibt in keine Richtung eine Sperrwirkung; Art. 72 Abs. 3 GG gewährt letztlich sowohl dem Bund als auch dem Land eine „Vollkompetenz“ (Drüen in Stenger/Loose VerfR GrStG Rn. 6; Ipsen NJW 2006, 2801 (2804); Uhle DHS GG Art. 72 Rn. 268). Daher kann es zu einer Art „Ping‐Pong“‐Spiel zwischen Landes‐ und Bundesgesetzgeber kommen (Oeter/Krönke in Huber/Voßkuhle GG Art. 72 Rn. 127). In Bezug auf den gesamten Regelungsgegenstand Grundsteuer dürfte dieses Problem indes nur theoretischer Natur sein. Es ist praktisch unvorstellbar, dass der Bund durch wiederholende Inkraftsetzungen seines Bundesgrundsteuerrechts bewusst landesrechtliche Grundsteuerkonzepte konterkariert – zumal es sich immer um ein Zustimmungsgesetz handelt. Anders verhält es sich mit Einzeländerungen, die zwecks Nachjustierung bei einem Steuergesetz praktisch unvermeidbar sind. Das zeigt exemplarisch die Änderung des § 15 GrStG durch das Grundsteuerreform‐Umsetzungsgesetz v. 16.7.2021 (→ Rn. 15), auf das der sächsische Landesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Bestätigung des Grundsteuermesszahlgesetzes v. 21.12.2021, SächsGVBl. 2022, 9 reagiert hat (→ Rn. 91), um selbst die zeitlich spätere Norm geschaffen zu haben. Entsprechendes gilt auch für Baden‐Württemberg (→ Rn. 80). Die Beispiele zeigen zugleich, dass das Risiko und der Aufwand beherrschbar sind. Denn das vom Landesgesetz abweichende (spätere) Bundesgesetz tritt nach Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG grundsätzlich erst sechs Monate nach seiner Verkündung in Kraft (sog. Karenzregelung), sofern der Bundesrat nicht einem früheren Inkrafttreten zugestimmt hat (wobei bei einem Zustimmungsgesetz die Zustimmung iSv Art. 78 GG ausreichend ist, wenn das Gesetz eine Inkrafttretensregelung enthält, die ein Inkrafttreten abweichend von der Sechs‐Monatsregelung vorsieht; exemplarisch zu § 220 Abs. 2 BewG → BewG § 220 Rn. 2). Dies gibt dem Landesgesetzgeber ausreichend Zeit, um notfalls „präventiv“ zu reagieren (trotz aller rechtstechnischen Schwächen von Art. 72 Abs. 3 S. 2 und S. 3 GG dürfte dies zwischenzeitlich allgemeine Meinung sein, s. mit Nachweisen Wollenschläger in BK GG Art. 72 Rn. 485 ff.; Uhle in DHS GG Art. 72 Rn. 298, 302). Das sog. „Ping‐Pong‐Problem“ darf daher nicht überschätzt werden (ebenso die Einschätzung bei Oeter/Krönke in Huber/Voßkuhle GG Art. 72 Rn. 130; Wittreck in Dreier GG Art. 72 Rn. 32). 79a Macht der Bundesgesetzgeber von seiner fortbestehenden Gesetzgebungskompetenz erneut Gebrauch, gilt zu Gunsten des nachfolgenden Bundesrechts (unter Beachtung der Karenzfrist bzw. des Zustimmungserfordernisses des Bundesrates, vgl. Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG; → Rn. 79) ebenfalls die lex‐ posterior‐Regel als Kollisionsregel. Auch hier gilt daher: Das mit dem jüngeren Bundesrecht kollidierende Landesrecht ist nicht nichtig bzw. tritt nicht außer Kraft, sondern bleibt wirksam, muss aber zurücktreten, soweit (!) die Kollision reicht (→ Rn. 76). Es gibt keinen Grundsatz, wonach punktuelle bundesgesetzliche Neuregelungen zur Unanwendbarkeit einer landesrechtlichen Abweichungsregelung insgesamt führen, sondern vielmehr muss im Einzelfall durch Auslegung der Anwendungsvorrang bestimmt werden (zu Recht Hahn‐Lorber, Parallele Gesetzgebungskompetenzen, 193; Herbst in BerlKom GG Art. 72 Rn. 143; Kment in Jarass/Pieroth GG Art. 72 Rn. 32; Krapp, Die Abweichungskompetenzen der Länder im Verhältnis zum Vorrang des Bundesrechts gemäß Art. 31 GG, 190 ff.; Uhle in DHS GG Art. 72 Rn. 305; Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform, 60; Wollenschläger in BK GG Art. 72 Rn. 431; iErg auch FG Baden‐Württemberg 11.6.2024 – 8 K 1582/23, EFG 2024, 1997 Rn. 54 (Rev. II R 26/24); Schmidt DStR 2020, 249 (251); aA Sannwald in SHH GG Art. 72 Rn. 118; tendenziell auch Franzius NVwZ 2008, 492 (495)). Die entscheidende Frage lautet daher: Kann die ältere landesgesetzliche Regelung neben der jüngeren bundesgesetzlichen Regelungen Anwendung finden oder ist die bundesgesetzliche Regelung für das nämliche Regelungsthema abschließend (was vor allem auch eine Frage der Regelungsabsicht und damit auch eines „Vorrangwillens“ des Bundesgesetzgebers ist, zu Recht FG Baden‐Württemberg 11.6.2024 – 8 K 1582/23, EFG 2024, 1997 Rn. 54 (Rev. II R 26/24)). Schafft der Bundesgesetzgeber zB – wie mit dem JStG 2024 geschehen (→ Rn. 15) – eine Nachweismöglichkeit für den niedrigeren gemeinen Wert (in § 220 Abs. 2 BewG), dann müssen nur solche Landesnormen zurücktreten, die sich in einer Regelungskonkurrenz mit der neueren bundesgesetzlichen Regelung befinden. Insoweit ist in Ansehung von § 2 NWGrStHsG eine solche Konkurrenzlage zu bejahen. Die Landesnorm tritt mit dem gleichen Regelungsanspruch auf, enthält aber eine etwas andere, mit § 220 Abs. 2 BewG nicht in Einklang zu bringende Lösung des nämlichen Regelungsanliegens, und muss daher zurücktreten. § 220 Abs. 2 BewG regelt die Nachweismöglichkeit daher abschließend und damit allein. Dass die Frage teils nicht immer einfach zu beantworten ist, zeigt die Veränderung der Messzahlen durch den Bundesgesetzgeber im Jahr 2021. Eine Kollision mit dem SächsGrStMG dürfte vorgelegen haben, ist aber mitnichten so zwingend wie in dem Beispiel zuvor. Der sächsische Gesetzgeber war daher gut beraten, sein Gesetz zu bestätigen (→ Rn. 79). Im Gros der Fälle ergeben sich allerdings keine Probleme: So besteht zB in Bezug auf die Hebesatzdifferenzierungsermächtigungen in § 1 NWGrStHsG, § 1 LSA GrStHsG und § 1 SHGrStHsG sowie die Messzahlermäßigungen in § 1 BlnGrStMG und § 1 BremGrStMG keine konkrete Regelungskollision mit Normen, die durch das JStG 2024 (→ Rn. 15) geändert worden sind; es gibt schlicht kein jüngeres Bundesrecht, das auch nur in den Verdacht einer Kollision mit dem älteren Landesrecht geraten könnte. II. Baden‐Württemberg (Bodenwertmodell) 80 Baden‐Württemberg hat am 4.11.2020 als erstes Land von der Abweichungsbefugnis des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG Gebrauch gemacht und ein Landesgrundsteuergesetz erlassen (BWLGrStG v. 4.11.2020, GBl. BW 2020, 974, dazu BWLT‐Drs. 16/8907; Änderung, Ergänzung und – im Hinblick auf den „lex posterior“‐Grundsatz (→ Rn. 79) – auch Bestätigung des Gesetzes sodann mit dem ÄndGLGrStG v. 22.12.2021, GBl. BW 2021, 1029, dazu BWLT‐Drs. 17/1076). Das Gesetz folgt dem Konzept einer Bodenwertsteuer (zur Bemessungsgrundlage noch → Rn. 82). In Ansehung des Belastungsgrundes nimmt der Gesetzgeber sowohl auf das Leistungsfähigkeitsprinzip (unter Rückgriff auf den auch der Bundesregelung zugrunde liegenden Sollertragsgedanken, → Rn. 17) als auch auf das Nutzenäquivalenzprinzip Bezug. Die Begründungselemente in der Entwurfsbegründung schwanken zwar mitunter zwischen beiden Belastungsgründen, aber im Großen und Ganzen kommt diese „Zweigleisigkeit“ dort ausreichend klar zum Ausdruck (glA FG Baden‐Württemberg 11.6.2024 – 8 K 1582/23, EFG 2024, 1997 Rn. 66 (Rev. II R 26/24)). Repräsentativ hierfür dürfte folgende Passage aus der Begründung sein: Mit der Heranziehung der Bodenrichtwerte wird „ein Zusammenhang mit kommunalen Infrastrukturleistungen hergestellt, die durch Beiträge und Gebühren nicht vollständig abgegolten werden können und dem Grundstückseigentümer zu Gute kommen. In Anlehnung an den Äquivalenzgedanken spiegelt sich die Teilhabemöglichkeit an der kommunalen Infrastruktur und den Ressourcen (insbesondere der Lageverfügbarkeit) in den Bodenrichtwerten wider. Durch das Abstellen auf die Bodenrichtwerte und das darin verkörperte Potenzial des Grundstücks wird aber zugleich eine Schnittstelle zur objektiven Leistungsfähigkeit hergestellt. Somit beruht die Belastungsentscheidung für die Grundsteuer zuvorderst zwar auf dem Äquivalenzgedanken, aber daneben auch auf dem Gedanken der Leistungsfähigkeit“ (BWLT‐Drs. 16/8907, 52 f.). Direkt im Anschluss hieran wird wieder auf die Grundsteuer in ihrer historischen Besteuerungsform als substanzbezogene Grundsteuer und deren verfassungsrechtliche Anerkennung durch das BVerfG hingewiesen (BWLT‐Drs. 16/8907, 53). Sodann heißt es aber wieder: „Das aus dem Bodenrichtwert abgeleitete Potenzial gibt grundsätzlich wieder, wie gut die kommunale Infrastruktur und Ressourcen für das bewertungsgegenständliche Grundstück sind und welche hieraus abgeleitet dauerhafte Ertrags‐ und Wertentwicklung zu erwarten sind“ (BWLT‐Drs. 16/8907, 55). Hier kommt der Gedanke der Nutzenäquivalenz noch einmal deutlich zum Ausdruck (bestätigend zudem BWLT‐Drs. 17/1076, 18 anlässlich des ÄndGLGrStG). Der baden‐württembergische Gesetzgeber fährt mithin zweigleisig: Der Bodenwert als Verkehrswert des (fiktiv) unbebauten Grundstücks spiegele iSd Sollertragsgedankens die Ertragsfähigkeit wider und iSd Nutzenäquivalenz lasse sich diese Ertragsfähigkeit wiederum auf den aus den kommunalen Leistungen gezogenen Nutzen zurückführen (zur Zulässigkeit einer solchen Zweigleisigkeit → Rn. 116). 81 Formal handelt es sich bei dem BWLGrStG um eine „Vollregelung“ des gesamten Grundsteuerrechts. Das Gesetz umfasst alle grundsteuerlichen Regelungsfragen und verzichtet – konzeptionell überzeugend – auf eine Aufteilung der Materie auf zwei Gesetze (anders als das Bundesgrundsteuerrecht mit GrStG und BewG). Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das BWLGrStG – von den nachfolgend noch darzustellenden Aspekten abgesehen – die Bundesregelung nachbildet: Die Steuergegenstände sind identisch und es wird insoweit die bereits bekannte Unterscheidung zwischen der sog. Grundsteuer A („Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft“) und der sog. Grundsteuer B („Grundstücke“) beibehalten. Textlich werden sodann vor allem die Regelungen des Grundsteuergesetzes zu den Steuerbefreiungen, der Steuerschuldnerschaft und ‐haftung, den besonderen Steuermesszahlermäßigungen, dem Verfahrensrecht und den Erlassvorschriften sowie die Regelungen des Bewertungsgesetzes in Ansehung der Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft weitgehend wörtlich übernommen. Gleichwohl handelt es sich insgesamt um Landesrecht (→ Rn. 75). 82 Eine Abweichung von der bundesgesetzlichen Regelung besteht insbesondere in Bezug auf folgende Aspekte: (1) Der Grundsteuerwert der Grundstücke, der auch nach dem BWLGrStG alle sieben Jahre für Grundsteuerzwecke festzustellen ist (§ 15 Abs. 1 BWLGrStG), ermittelt sich durch Multiplikation des Bodenrichtwertes mit der Grundstücksfläche. Maßgebend ist der Bodenrichtwert des Richtwertgrundstücks in der Bodenrichtwertzone, in der sich das zu bewertende Grundstück befindet (§ 38 Abs. 1 S. 2 BWLGrStG). Wenn dergestalt der Bodenrichtwert für das fiktive Richtwertgrundstück (= „Zonenwert“) für maßgeblich erklärt wird, schließt dies Anpassungen aus (→ BWLGrStG § 38 Rn. 3). Allerdings erlaubt § 38 Abs. 4 BWLGrStG den Nachweis eines niedrigeren Wertes, wenn der Wert um mehr als 30 % vom Zonenwert abweicht. (2) Es ist eine Steuermesszahl von 1,30 Promille vorgesehen (§ 40 Abs. 2 BWLGrStG). Diese Steuermesszahl ermäßigt sich um 30 %, wenn das Grundstück überwiegend Wohnzwecken dient (kurz: Wohngrundstücke), also der Anteil der Wohnnutzung an der gesamten Wohn‐ und Nutzfläche den Anteil der wohnfremden Nutzung übersteigt (§ 40 Abs. 3 BWLGrStG). Da der Grundsatz der Einheitlichkeit der Hebesätze für den Steuergegenstand „Grundstück“ gilt (§ 50 BWLGrStG), führt diese Ermäßigung der Steuermesszahl zwangsläufig zu Belastungsunterschieden zwischen den genannten „Wohngrundstücken“ einerseits und anderen Grundstücken andererseits. 83 Verfahrens‐ und prozessrechtlich werden AO und FGO für entsprechend anwendbar erklärt, der Rechtsweg in die Finanzgerichtsbarkeit eröffnet und die vollständige Revisibilität des Landesrechts durch den BFH angeordnet (→ BWLGrStG § 2 Rn. 3 ff.). III. Bayern (Flächenmodell) Literatur: Drüen, Die bayerische Grundsteuerreform im Lichte der Landesverfassung, BayVBl. 2023, 253 (Teil 1) und 289 (Teil 2). 84 Bayern hat mit dem BayGrStG v. 10.12.2021 (GVBl. 2021, 638, dazu BayLT‐Drs. 18/15755 (Gesetzesbegründung); BayLT‐Drs. 18/18893 (Haushaltsausschuss)) von der Abweichungsbefugnis des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG Gebrauch gemacht. Die Abweichung betrifft in Ansehung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens grundlegend den Belastungsgrund und die Bemessungsgrundlage. Bayern hat sich insoweit für ein (reines) wertunabhängiges Flächenmodell entschieden. Anders als bei den wertabhängigen Modellen scheidet bei einer wertunabhängigen Bemessungsgrundlage das Leistungsfähigkeitsprinzip als Belastungsgrund aus. Eine Flächensteuer behandelt zwei Grundstücke schon dann gleich, wenn beide dieselbe Größe aufweisen und – sofern nach Grundstücksnutzungen differenziert werden sollte – identisch genutzt werden. Grundstücke in schlechten Lagen mit typischerweise niedrigeren Verkehrswerten werden gemessen am Grundstückswert relativ stärker mit Grundsteuer belastet als Grundstücke in höherwertigen Lagen. Der bayerische Gesetzgeber hat sich daher für eine bewusste Abkehr vom Leistungsfähigkeitsprinzip entschieden. Stattdessen bemüht er das Äquivalenzprinzip: Die Grundstücke seien besonders mit dem örtlichen Gemeinwesen verwurzelt und die Grundsteuer solle den mangels konkreter Gegenleistungsbeziehung nicht bereits über Vorzugslasten erfassbaren Zusammenhang zwischen den öffentlichen Leistungen der Gemeinde für die Daseinsvorsorge und dem Grundstück abbilden (BayLT‐ Drs. 18/15755, 11). Damit ist noch nicht gesagt, welchem Äquivalenzansatz das BayGrStG folgen soll (Kostenäquivalenz oder Nutzenäquivalenz, zu dieser Unterscheidung s. statt vieler Scheffler/Roith Leitlinien für eine Reform der Grundsteuer, 31 mwN). Entscheidend ist: Es ist nicht möglich, beide Ansätze mit der gleichen Bemessungsgrundlage zu verwirklichen; die Kostenanlastung und der Infrastrukturnutzen lassen sich nicht gleichermaßen kosten‐/nutzengerecht mit einem einzigen Maßstab im Verhältnis der Grundstücke untereinander abbilden (zu Recht Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform, 89). Daher muss geklärt werden, welchem konkreten Äquivalenzansatz der Freistaat Bayern folgt. Betrachtet man die Gesetzesbegründung zur Bemessungsgrundlage ist dies gar nicht so einfach: „Ausgehend vom Äquivalenzgedanken bietet sich die Fläche als Anknüpfungspunkt und Maßstab der Lastenverteilung innerhalb der Gemeinde an, da den einzelnen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern in der Regel umso mehr Aufwand für bestimmte lokale öffentliche Leistungen ihrer Gemeinde (wie beispielsweise dem Schutz des Privateigentums durch Brandschutz oder Räumungsdienste, durch Infrastrukturausgaben, durch Ausgaben für Kinderbetreuung und Spielplätze, für kulturelle Einrichtungen und Ausgaben zugunsten der Wirtschaftsförderung) zuordenbar ist, je größer das zu besteuernde Grundstück (Grund und Boden einschließlich Gebäude) ist. Flächen von Grund und Boden sowie Gebäude eignen sich somit als zulässiger, realitätsgerechter und folgerichtiger Verteilungsmaßstab für die von der örtlichen Kommune erbrachten sonstigen öffentlichen Leistungen und der Intensität der jeweiligen Nutzung der kommunalen Infrastruktur“ (BayLT‐Drs. 18/15755, 11 f.). Diese Passage lässt Raum für Interpretation. Als Bezugspunkt werden dort sowohl die bei der Gemeinde anfallenden Ausgaben (Kostenäquivalenz) als auch die bei den Bürgern durch die Leistungen der Gemeinde entstehenden Vorteile (Nutzenäquivalenz) genannt. Die stärkere Betonung dürfte aber wohl auf den Ausgaben der Gemeinde und damit bei der Kostenäquivalenz liegen (so auch die bisher unwidersprochene Deutung in der Literatur, zB Arning NdsVBl. 2022, 33 (35); Bräutigam/Weber DStR 2022, 337 (338); Freund, Die gerechte Grundsteuer im Lichte von Leistungsfähigkeits‐ und Äquivalenzprinzip, 195; Seer in Tipke/Lang SteuerR Rn. 16.39; Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform, 92; wohl auch Eisele in Rössler/Troll BayGrStG Art. 1 Rn. 1; Sklareck in Stenger/Loose BayGrStG Rn. 25 ff.). Der bayerische Gesetzgeber unterstellt mithin, dass zwei Grundstücke mit gleicher Nutzungsart und identischen Flächenmerkmalen innerhalb einer Kommune vergleichbare finanzielle Leistungen der Kommune verursachen und dies weitgehend unabhängig vom Wert des Grund und Bodens oder des aufstehenden Gebäudes ist. 84a Bezüglich der Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft wird hingegen das Bundesgrundsteuermodell (und damit auch dessen Belastungsgrund → Rn. 17) übernommen (von einzelnen Abweichungen in Bezug auf die wirtschaftliche Einheit abgesehen). 85 Das BayGrStG stellt keine „Vollregelung“ des gesamten Grundsteuerrechts dar. Der bayerische Gesetzgeber hat sich auf die Regelung der Abweichungen vom Bundesgrundsteuerrecht und hiermit verbundene Ergänzungen beschränkt. Im Übrigen findet das Bundesgrundsteuerrecht als partielles Bundesrecht Anwendung (→ Rn. 76 und → BayGrStG Art. 10 Rn. 3). Die landesgesetzlichen Abweichungen betreffen in grundlegender, konzeptioneller Weise vor allem folgende Regelungsbereiche: (1) Bemessungsgrundlage für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Fläche des Grund und Bodens sowie die Wohn‐ und Nutzfläche des Gebäudes jeweils multipliziert mit sog. Äquivalenzzahlen (für den Grund und Boden grundsätzlich 0,04 EUR/qm und für das Gebäude stets 0,50 EUR/qm, → BayGrStG Art. 3 Rn. 3 ff.). Der Wert des Grundstücks ist ohne Bedeutung. (2) Auf der Ebene des Messbetragsverfahrens differenziert Art. 4 Abs. 1 BayGrStG zwischen einer Wohnnutzung und einer Nicht‐Wohnnutzung. Erstere wird mit einem Abschlag von 30 % versehen. (3) Hinsichtlich der Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft gilt auch in Bayern das Bewertungsrecht der §§ 232 ff. BewG, allerdings sieht Art. 9 BayGrStG in Einzelpunkten abweichende Regelungen zur Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit vor (→ BayGrStG Art. 9 Rn. 5 ff.). IV. Hamburg (Wohnlagemodell) 86 Während der hamburgische Gesetzgeber für die Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft das Bundesgrundsteuerrecht übernimmt, hat er sich in Bezug auf die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens in Abweichung vom Bundesgrundsteuerrecht für ein sog. wertunabhängiges Flächenmodell mit Wohnlagedifferenzierung („Wohnlagemodell“, HmbBü‐Drs. 22/3583, 7) entschieden. Maßgeblich ist das HmbGrStG v. 24.8.2021 (HmbGVBl. 2021, 600, dazu HmbBü‐Drs. 22/3583). Der hamburgische Gesetzgeber bekennt sich ausdrücklich zum Äquivalenzgedanken als prägendes Element der Lastenverteilung. Die Grundstücke seien besonders mit dem örtlichen Gemeinwesen verwurzelt und die Grundsteuer solle den mangels konkreter Gegenleistungsbeziehung nicht bereits über Vorzugslasten erfassbaren Zusammenhang zwischen den öffentlichen Leistungen der Gemeinde für die Daseinsvorsorge und dem Grundstück abbilden (HmbBü‐Drs. 22/3583, 8). Zur Bemessungsgrundlage, in der sich dieser Äquivalenzansatz widerspiegeln muss, führt die Gesetzesbegründung aus: „Im Sinne des Äquivalenzprinzips bietet sich die Fläche als Anknüpfungspunkt und Maßstab der Lastenverteilung innerhalb der Kommune an, da dem einzelnen Grundstückseigentümer in der Regel umso mehr Aufwand für bestimmte lokale öffentliche Leistungen seiner Kommune (wie beispielsweise dem Schutz des Privateigentums durch Brandschutz oder Räumungsdienste, durch Infrastrukturausgaben, durch Ausgaben für Kinderbetreuung und Spielplätze, für kulturelle Einrichtungen und Ausgaben zugunsten der Wirtschaftsförderung) zugeordnet werden kann, je größer das zu besteuernde Grundstück (Grund und Boden einschließlich Gebäude) ist. Dabei werden öffentliche Leistungen zum einen mit Rücksicht auf den Grund und Boden des Grundstücks erbracht und kommen daher ihm zugute. Zum anderen werden sie aber auch gebäude‐ und personenbezogen erbracht, weshalb als pauschaler Belastungsmaßstab die Flächen der jeweiligen Gebäude dienen. Flächen von Grund und Boden sowie Gebäude eignen sich somit als zulässiger, realitätsgerechter und folgerichtiger Verteilungsmaßstab für die von der örtlichen Kommune erbrachten sonstigen öffentlichen Leistungen und der Intensität der jeweiligen Nutzung der kommunalen Infrastruktur. Insofern ist es systemkonform und beabsichtigt, wenn für zwei Grundstücke mit identischen Flächenmerkmalen dem Grunde nach der gleiche Belastungsanteil zugerechnet wird. Beide Grundstücke verursachen in pauschalierender Betrachtung vergleichbare finanzielle Leistungen der Kommune bzw. nehmen diese in Anspruch“ (HmbBü‐Drs. 22/3583, 8). Insoweit gilt für Hamburg das Gleiche, was auch für Bayern schon festgestellt wurde: Die Formulierung ermöglicht eine Deutung sowohl im Sinne eines kosten‐ als auch nutzenäquivalenztheoretischen Ansatzes, aber beide Ansätze lassen sich nicht in einer einheitlichen Bemessungsgrundlage umsetzen; der Gesetzgeber muss sich daher für einen der beiden Ansätze entscheiden (→ Rn. 84). Mit Blick auf die vorstehende Passage aus der Gesetzesbegründung dürfte – wie auch in Bayern – die Entscheidung zugunsten der Kostenäquivalenz ausgefallen sein (so zB Bräutigam/Weber DStR 2022, 337 (338); Freund, Die gerechte Grundsteuer im Lichte von Leistungsfähigkeits‐ und Äquivalenzprinzip, 207; Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform, 93). Allerdings verhält sich der Gesetzgeber sodann auf den ersten Blick widersprüchlich, wenn er die Wohnlageermäßigung nach § 4 Abs. 2 ua auch mit einer „typisiert höheren Nutzbarkeit“ der Grundstücke in guten Lagen begründet (HmbBü‐Drs. 22/3583, 15); hier klingt nämlich sehr deutlich eine Nutzenäquivalenz an. Womöglich ist dies aber nur eine (untaugliche) Hilfsbegründung. Denn an gleicher Stelle bekennt sich der Gesetzgeber auch eindeutig zu einem Lenkungsanliegen: „Mit der Begünstigung der normalen Wohnlage werden Stadtentwicklungsaspekte berücksichtigt, um durch eine niedrigere Grundsteuer normale Wohnlagen […] attraktiver zu machen“ (HmbBü‐Drs. 22/3583, 15). Damit dürfte das einzig relevante Anliegen der Wohnlagedifferenzierung benannt sein. 87 Der hamburgische Gesetzgeber hat sich auf die Normierung von Abweichungen zum Bundesgrundsteuerrecht beschränkt. Im Übrigen findet das Bundesgrundsteuerrecht als partielles Bundesrecht Anwendung (→ Rn. 76). Abweichungen bestehen vor allem wie folgt: (1) Bemessungsgrundlage für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Fläche des Grund und Bodens sowie die Wohn‐ und Nutzfläche des Gebäudes jeweils multipliziert mit sog. Äquivalenzzahlen (für den Grund und Boden grundsätzlich 0,04 EUR/qm und für das Gebäude stets 0,50 EUR/qm, → HmbGrStG § 3 Rn. 3 ff.). Der Wert des Grundstücks ist ohne Bedeutung. (2) Auf der Ebene des Messbetragsverfahrens differenziert § 4 Abs. 1 HmbGrStG zwischen der Grundstücksfläche (100 %), den Gebäudewohnflächen (Ermäßigung der Grundsteuermesszahl auf 70 %) und den Gebäudenutzflächen (Ermäßigung auf 87 %). Sodann wird bezüglich der Wohnnutzung noch zwischen einer „normalen Lage“ und einer „guten Lage“ unterschieden (daher auch die Bezeichnung als „Wohnlagemodell“). Für die normale Lage gilt eine weitere Ermäßigung der Grundsteuermesszahl um 25 % (§ 4 Abs. 2 S. 1 HmbGrStG). Die Abgrenzung zwischen beiden Lagen soll der Senat vornehmen (zur verfassungsrechtlichen Kritik im Hinblick auf die fehlende normative Vorsteuerung dieser Differenzierung → HmbGrStG § 3 Rn. 6). (3) Hinsichtlich der Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft gilt das Bewertungsrecht der §§ 232 ff. BewG. Das hamburgische Grundsteuerrecht sieht allerdings in Einzelpunkten abweichende Regelungen zur Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit vor (→ HmbGrStG § 9 Rn. 4 ff.). V. Niedersachsen und Hessen (Flächenmodell mit Lage‐Faktor) Literatur: Löhr, Das neue hessische Landesgrundsteuer‐Modell – Königsweg oder Sackgasse?, BB 2020, 1687; Arning, Das Niedersächsische Grundsteuergesetz im Bund‐Länder‐Vergleich, NdsVBl 2022, 33; Blut, Grundsteuerreform 2025 – Das Niedersächsische GrStG zwischen Wunsch und Wirklichkeit, DStR 2023, 2756; Mandler, Grundsteuermodelle mit Lageabstufung, DStR 2024, 921; Marx, Niedersächsisches Grundsteuergesetz auf dem Prüfstand, DStZ 2023, 372. 88 Ein um einen Lage‐Faktor (in Hessen nur Faktor) modifiziertes Flächenmodell findet für Grundstücke in Hessen (HGrStG v. 15.12.2021, GVBl. 2021, 906, dazu HLT‐Drs. 20/6379) und Niedersachsen (NGrStG v. 7.7.2021, NdsGVBl. 2021, 502, dazu NdsLT‐Drs. 18/8995 (Gesetzesentwurf), NdsLT‐Drs. 18/9632 (Ausschussbericht)) Anwendung. Beiden Gesetzen ist gemeinsam, dass die Bemessungsgrundlage für die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens an die Grundstücks‐ und Gebäudefläche anknüpft, aber – insoweit abweichend vom reinen Flächenmodell – eine Lagedifferenzierung erfolgt. Als Belastungsgrund nennen beide Landesgesetzgeber das Äquivalenzprinzip und zwar iSd Nutzenäquivalenz (HLT‐Drs. 20/6379, 12; NdsLT‐Drs. 18/9632, 1, 7 f.; diese Deutung ist allgM, Schulze in Stenger/Loose HGrStG Rn. 31; Seer in Tipke/Lang SteuerR Rn. 16.40). In der Begründung zum HGrStG heißt es: „Damit liegt die Belastungsgrundentscheidung […] im hiesigen Landesmodell in der Schaffung eines Ausgleichs dafür, Nutzen aus kommunal bereitgestellter Infrastruktur ziehen zu können (z. B. kommunale Straßen, allgemeine Straßenreinigung, kulturelle Angebote, öffentliche Parks und Spielplätze), die nicht bereits individuell zugeordnet und damit durch Gebühren oder Beiträge abgegolten werden. Von deren Nutzen kann niemand ohne Weiteres ausgeschlossen werden und sie nützen typischerweise denjenigen, die am Ort ansässig sind“ (HLT‐Drs. 20/6379, 12). 89 Der Lage‐Faktor wird vom niedersächsischen Gesetzgeber im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip mit seiner Aussagekraft „für die Qualität und Quantität des kommunalen Nutzungsangebots und der Teilhabe an der Kommune“ gerechtfertigt (NdsLT‐Drs. 18/8995, 13). Weiter heißt es: „Das kommunale Infrastrukturangebot schlägt sich – typischerweise – zu einem gewissen Grad in den Grundstückspreisen und folglich in den daraus abgeleiteten Bodenrichtwerten nieder. Bei einem über dem kommunalen Durchschnitt liegenden Wert erfordert eine lastengleiche Besteuerung daher eine Erhöhung, bei einem darunterliegenden Wert eine Minderung des Ergebnisses des reinen Flächenmodells. Mit der Wertrelation des Bodenrichtwerts des einzelnen Grundstücks im Vergleich zum durchschnittlichen Bodenrichtwert der Gemeinde wird die Lagequalität in geeigneter Weise typisierend abgebildet. Das Abstellen auf die Relation zum kommunalen Durchschnitt und nicht auf die absolute Höhe des Bodenrichtwerts zeigt, dass es sich beim Flächen‐Lage‐Modell nicht etwa um ein Äquivalenzmodell mit einer gesonderten Wertkomponente (sogenanntes Mischmodell), sondern um ein reines Äquivalenzmodell handelt. Es stellt dem Flächenmodell ein weiteres sachgerechtes Indiz für das Ausmaß der möglichen Inanspruchnahme kommunaler Leistungen zur Seite. Weil nicht alle Wertdifferenzen auf Infrastrukturleistungen der Kommunen zurückzuführen sind, sondern auch andere Umstände eine Rolle spielen, folgt die Anpassung der Bemessungsgrundlage nicht in vollem Umfang den Bodenrichtwertunterschieden, sondern die Regelung bildet diese Relation gedämpft ab. Das Abbilden dieser Relation erfolgt bei bebauten und unbebauten Grundstücken gleichermaßen. Bei bebauten Grundstücken betrifft sie daher nicht nur den Boden, sondern auch das Gebäude. Dies ist durch den Äquivalenzgedanken sachgerecht, weil von guter, sich teilweise im Bodenrichtwert niederschlagender Infrastruktur auch die Nutzer und Bewohner des aufstehenden Gebäudes profitieren“ (NdsLT‐Drs. 18/8995, 13). Für das hessische Grundsteuerrecht gilt dies sinngemäß (HLT‐ Drs. 20/6379, 12 f.). 90 Weder das HGrStG noch das NGrStG stellen eine „Vollregelung“ des gesamten Grundsteuerrechts dar. Die Landesgesetzgeber haben sich auf die Regelung der Abweichungen vom Bundesgrundsteuerrecht und hiermit verbundene Ergänzungen beschränkt. Im Übrigen findet das Bundesgrundsteuerrecht als partielles Bundesrecht Anwendung (→ Rn. 76). Die landesgesetzlichen Abweichungen betreffen vor allem folgende Regelungsbereiche: (1) Angeknüpft wird – wie beim reinen Flächenmodell auch – zunächst an die Grundstücksfläche und bei bebauten Grundstücken zudem an die Wohn‐ und Nutzfläche der Gebäude. Die sich hiernach ergebenden beiden Flächengrößen werden mit den gesetzlich vorgegebenen Flächenbeträgen (Hessen) bzw. Äquivalenzzahlen (Niedersachsen) – für den Grund und Boden grundsätzlich 0,04 EUR/qm und für das Gebäude stets 0,50 EUR/qm (§ 5 HGrStG bzw. § 4 NGrStG) – und dem Lage‐ Faktor multipliziert (§ 7 HGrStG bzw. § 5 NGrStG). Der Lage‐Faktor setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Die erste Komponente ist das Verhältnis des Bodenrichtwerts für das jeweilige Grundstück zum durchschnittlichen Bodenrichtwert in der jeweiligen Gemeinde. Die Wertrelation „Zone im Vergleich zum Durchschnitt“ wird als typisierendes Indiz für die Lagequalität bemüht. Die zweite Komponente ist ein auf diese Lagerelation anzuwendender Exponent (0,3). Dieser Exponent schwächt die Lagenunterschiede, die mit der ersten Komponente eingeführt werden, sodann wieder ab (→ HGrStG § 7 Rn. 3 f. und → NGrStG § 5 Rn. 3 f.). Der Lage‐Faktor stellt keine (Verkehrs‐) Wertkomponente innerhalb der Bemessungsgrundlage dar. (2) Auf der Ebene des Messbetragsverfahrens differenzieren sowohl das HGrStG als auch das NGrStG zwischen einer Wohnnutzung und einer Nicht‐Wohnnutzung. Erstere wird mit einem Abschlag von 30 % versehen (§ 6 Abs. 2 HGrStG bzw. § 6 Abs. 1 S. 2 NGrStG). (3) Hinsichtlich der Betriebe der Land‐ und Forstwirtschaft gilt auch in Hessen und Niedersachsen das Bewertungsrecht der §§ 232 ff. BewG. In Niedersachsen sind allerdings in Einzelpunkten abweichende Regelungen zur Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit vorgesehen (→ NGrStG § 11 Rn. 5 ff.). […] VI. Berlin, Bremen, Sachsen und Saarland (Grundsteuermesszahlabweichung) 91 Berlin, Bremen, Sachsen und das Saarland haben das Bundesgrundsteuerrecht übernommen und lediglich bei den Steuermesszahlen Differenzierungen nach den Nutzungsarten vorgenommen. Das erste Abweichungsgesetz war insoweit das Sächsische Grundsteuermesszahlengesetz (maßgeblich ist gegenwärtig das SächsGrStMG v. 21.12.2021, SächsGVBl. 2022, 9, dazu SächsLT‐Drs. 7/7820; das erste SächsGrStMG v. 3.2.2021, SächsGVBl. 2021, 242, dazu SächsLT‐Drs. 7/4095 und SächsLT‐Drs. 7/5395 wurde durch die bundesgesetzliche Änderung des § 15 GrStG (→ Rn. 15) wohl „überholt“, weshalb der sächsische Landesgesetzgeber das SächsGrStMG mit dem Gesetz zur Bestätigung des Grundsteuermesszahlgesetzes noch einmal beschlossen hat, → Rn. 79). Ebenfalls 2021 wurde ferner das Saarländische Grundsteuergesetz (GrStG‐Saar v. 15.9.2021, ABl. 2021, 2372, dazu SaarLT‐Drs. 16/1653) beschlossen und im Jahr 2024 folgten dann noch Berlin (BlnGrStMG v. 27.6.2024, GVBl. 2024, 422, dazu Abgeordnetenhaus‐Drs. 19/1589, 2 ff.) und Bremen (BremGrStG v. 18.9.2024, BremGBl. 2024, 736, dazu BremBürg‐Drs. 21/688 und BremBürg‐Drs. 21/750). Anknüpfend an die Grundstücksart (und die verbindliche Artfeststellung) wird in den vier Bundesländern wie folgt unterschieden: Bebaute Grundstücke Bebaute Grundstücke Unbebaute iSv § 249 Abs. 1 Nr. iSv § 249 Abs. 1 Nr. Grunstücke iSv § 246 1−4 BewG 5−8 BewG BewG (Wohngrundstücke) (Nichtwohn‐ grundstücke) Berlin 0,31 Promille 0,45 Promille 0,45 Promille Bremen 0,31 Promille 0,75 Promille 0,75 Promille Saarland 0,34 Promille 0,64 Promille 0,64 Promille Sachsen 0,36 Promille 0,72 Promille 0,36 Promille Die Abweichungsgesetzgebung in den vier Ländern beschränkt sich damit auf eine gegenüber § 15 Abs. 1 GrStG vorrangige Landesregelung. Alle Landesgesetzgeber begünstigen die Wohnnutzung, unterscheiden sich allerdings in Bezug auf die Belastungsrelation der unbebauten Grundstücke. Solche Differenzierungen sind rechtfertigungsbedürftig (→ Rn. 124). VII. Nordrhein‐Westfalen, Schleswig‐Holstein und Sachsen‐Anhalt (Ermächtigung zur Grundsteuerhebesatzdifferenzierung zugunsten der Wohngrundstücke) 91a Nordrhein‐Westfalen (§ 1 NWGrStHsG v. 5.7.2024, GV. NRW 2024, 490, dazu NWLT‐Drs. 18/9242 und NWLT‐Drs. 18/9800), Sachsen‐Anhalt (§ 1 GrStHsG LSA v. 1.11.2024, GVBl. LSA 2024, 312, dazu LSALT‐ Drs. 8/4588) und Schleswig‐Holstein (§ 1 SHGrStHsG v. 15.10.2024, GVOBl. Schl.‐H. 2024, 748, dazu SHLT‐Drs. 20/2221) haben zugunsten der Gemeinden den Grundsatz der Einheitlichkeit der Hebesätze (§ 25 Abs. 4 GrStG) dahingehend modifiziert, dass die Gemeinden innerhalb der Vermögensart der Grundstücke beim Hebesatz zwischen Wohngrundstücken (bebaute Grundstücke iSv § 249 Abs. 1 Nr. 1–4) einerseits und Nichtwohngrundstücken (bebaute Grundstücke iSv § 249 Abs. 1 Nr. 5–8 BewG und unbebaute Grundstücke iSv § 246 BewG) andererseits zugunsten der Wohngrundstücke differenzieren dürfen (aber nicht müssen, → NWGrStHsG § 1 Rn. 8). Es existiert mithin keine unterschiedslos im ganzen Land wirkende Grundsteuerentlastung für Wohngrundstücke (so wie dies bei einer Messzahlermäßigung der Fall ist, → Rn. 91). Die Entscheidung über die Entlastung dem Grunde und der Höhe nach liegt vielmehr bei jeder Gemeinde. Der Vorteil einer solchen Hebesatzdifferenzierungsermächtigung liegt darin, dass sie die konkreten räumlich‐strukturellen Verhältnisse im jeweiligen Gemeindegebiet (Verhältnis der unterschiedlichen Grundstücksarten zueinander) in den Blick nehmen kann. Zudem stärkt sie die kommunale Selbstverwaltung (verlangt aber eben auch mehr Verantwortungsübernahme gegenüber den Gemeindebürgern). VIII. Rheinland‐Pfalz (allgemeine Ermächtigung zur Grundsteuerhebesatzdifferenzierung) 91b In Rheinland‐Pfalz befand sich bei Redaktionsschluss (Mitte Januar 2025) der Entwurf eines Grundsteuerhebesatzgesetzes (RPGrStHsG‐E) noch im Gesetzgebungsverfahren (RPLT‐Drs. 18/11049). Der Entwurf sieht eine Abweichung von § 25 Abs. 4 GrStG vor, verlagert also die Belastungsverschiebungsentscheidung auf die kommunale Ebene und folgt damit im Ausgangspunkt den Gesetzen in Nordrhein‐Westfalen, Sachsen‐Anhalt und Schleswig‐Holstein (→ Rn. 91a). Der Entwurf weicht aber auch von seinen Vorbildern ab: (1) Während den drei vorgenannten Landesgesetzgebern der Differenzierungszweck (Lenkungszweck) der Stabilisierung bzw. Reduzierung von Wohnnebenkosten klar vor Augen stand und auch mittelbar Eingang in das Gesetz gefunden hat, sieht der Entwurf in Rheinland‐Pfalz keine solche Vorprägung vor. Es fehlt vor allem eine Vorgabe, die nur die Absenkung des Hebesatzes für Wohngrundstücke ermöglicht (so in NRW, Schleswig‐Holstein und Sachsen‐Anhalt), weshalb nach dem RPGrStHsGE auch die Begünstigung der Nichtwohngrundstücke möglich ist. Allerdings verlangt der Entwurf dafür von den Gemeinden auch, dass sie hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe nachvollziehbar darlegen müssen (§ 1 Abs. 1 S. 2 RPGrStHsG‐E), was bereits ein formelles Verfahrenserfordernis darstellt (→ RPGrStHsG‐E § 1 Rn. 4). (2) Zudem erlaubt der Entwurf die Differenzierung zwischen Wohngrundstücken, bebauten Nichtwohngrundstücken und unbebauten Grundstücken. Es werden mithin vier verschiedene Regelhebesätze ermöglicht und zudem besteht die Möglichkeit, von einer erhöhten Besteuerung der baureifen Grundstücke nach Maßgabe von § 25 Abs. 5 GrStG Gebrauch zu machen. E. Materielle Verfassungsrechtsfragen Literatur: Schmehl, Kritische Bestandsaufnahme der Grundsteuer, DStJG 35 (2012), 249; Ronnecker, Bodenwertsteuer als Reformmodell für die Grundsteuer – Eine Bewertung aus kommunaler Sicht, ZKF 2018, 49; Hey, Grundsteuerreform 2019 – Gibt der Gesetzgeber die richtigen Antworten auf das Grundsteuerurteil des BVerfG vom 10. April 2018?, ZG 2019, 297; Löhr, Entwurf zum Grundsteuer‐ Reformgesetz: Die große Unvollendete, DStR 2019, 1433; Seer, Reform der Grundsteuer nach dem Entwurf der Bundesregierung, FR 2019, 941; G. Kirchhof, Der Belastungsgrund von Steuern – zum verfassungsrechtlichen Auftrag, die Grundsteuer zu reformieren, DStR 2020, 1073; Löhr, Das neue hessische Landesgrundsteuer‐Modell – Königsweg oder Sackgasse?, BB 2020, 1687; Schmidt, Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer als Flächensteuer, DStR 2020, 249; Meyering/Hintzen/Doedt, Wertunabhängiges Flächenmodell und Bewertung nach dem Sachwertverfahren idF des GrStRefG zur Bewertung von Geschäftsgrundstücken, DStR 2020, 1705; Scheffler/Feldner, Umsetzung der Grundsteuerreform in den Bundesländern – Auswirkungen und verfassungsrechtliche Beurteilung, IFSt‐Schrift 542, 2021; Breinersdorfer, Droht neues verfassungsrechtliches Unheil bei der Grundsteuer, DStJG 44 (2022), 285; Blut, Grundsteuerreform 2025 – Das Niedersächsische GrStG zwischen Wunsch und Wirklichkeit, DStR 2023, 2756; Drüen, Die bayerische Grundsteuerreform im Lichte der Landesverfassung, BayVBl. 2023, 253 (Teil 1) und 289 (Teil 2); Freund, Die gerechte Grundsteuer im Lichte von Leistungsfähigkeits‐ und Äquivalenzprinzip (Diss.), 2023; Marx, Niedersächsisches Grundsteuergesetz auf dem Prüfstand, DStZ 2023, 372; Winkler, Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform (Diss.), 2023; Mandler, Grundsteuermodelle mit Lageabstufung, DStR 2024, 921. I. Grundrechtsfester Kern der Grundsteuer 92 Die Erhebung der Grundsteuer entspricht dem Grunde nach und in ihrer wesentlichen Struktur der Verfassung. So ist der historische Verfassungsgeber vom Fortbestand einer gemeindlichen Grundsteuer ausgegangen, der verfassungsändernde Gesetzgeber des Jahres 1997 hat die Grundsteuer sodann „klarstellend“ in Art. 106 Abs. 6 GG aufgenommen (Gesetz vom 20.10.1997, BGBl. 1997 I 2470) und mit den auf die kompetenzrechtliche Verfassungsfestigkeit der neuen Grundsteuer zugeschnittenen Grundgesetzregelungen hat auch der letzte verfassungsändernde Gesetzgeber (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 15.11.2019, BGBl. 2019 I 1546) die Grundsteuer in ihrer traditionellen Struktur noch einmal in seinen Willen aufgenommen. Das bewahrt die Grundsteuer nicht vor den grundrechtlichen Anforderungen, vor denen jede staatliche Belastung bestehen muss. Es steht aber zumindest fest, dass die isolierte Erfassung von Grundbesitz eine legitime Auswahl des Steuergegenstandes darstellt und es sichert die Grundsteuer gegenüber solchen Argumenten verfassungsrechtlich ab, die gegen jede Grundsteuer ins Feld geführt werden können (BVerfG 18.2.2009 – 1 BvR 1334/07, BVerfGK 15, 89; ebenso FG Köln 19.9.2024 – 4 K 2189/23, EFG 2024, 1885 Rn. 49 (Rev. II R 25/24); Wernsmann NJW 2006, 1169 (1174); Schmehl DStJG 35 (2012), 249 (268 f.); Breinersdorfer, DStJG 44 (2022), 285 (300)). Das betrifft vornehmlich gegen das Sollertragsteuerkonzept gerichtete Einwände und damit vor allem einfache Doppelbelastungsargumente (Doppelbelastung der aus der Einkunftsquelle „Grundeigentum“ fließenden (laufenden) Erträge, → Rn. 20 aE) und das Überwälzungsargument (Überwälzung der Grundsteuer auf den Mieter, → Rn. 19). Ein grundrechtlicher Mangel muss daher seinen Grund in der konkreten Ausgestaltung der Steuer finden, zB in der Gleichheitswidrigkeit der Bemessungsgrundlage (→ Rn. 98 ff.) oder in einer freiheitsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Eigentumsbelastung (→ Rn. 128 ff.). Denkbar ist ferner eine nominale oder gemessen am Haushaltseinkommen relative Belastung (vor allem der Mieter als faktische Steuerträger), die nicht mehr erträglich ist. Allerdings stellt sich die Frage, an welcher Stelle der „Mangel“ zu beheben ist: Wenn die Grundsteuer das Wohnen als elementares menschliches Grundbedürfnis „verteuert“ – gleich ob in der eigengenutzten oder in der gemieteten Immobilie –, ist bei Erwerbstätigen das indisponible Einkommen berührt und dann wäre die Grundsteuer als Teil der „Wohnkosten“ über den (realitätsgerecht zu bestimmenden) Grundfreibetrag abzubilden. Dessen ungeachtet kann dem existenziellen Bedürfnis nach Wohnen auch durch Transferleistungen Rechnung getragen werden (zB Wohngeld uÄ). Auf welchem Weg der Gesetzgeber den Menschen ein menschenwürdiges Wohnen ermöglicht, bleibt ihm überlassen (aA Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Aufl. 2003, S. 958 f., 962 f., wohl auch Loose in Stenger/Loose GrStG Einführung Rn. 4). II. Gleichheitsrechtliche Fragen 1. Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14 u.a.) 93 Im Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Würdigung steht der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und seine bereichsspezifische Konkretisierung durch das BVerfG. Den Ausgangspunkt bildet der Grundsatz der Lastengleichheit: Die Steuerpflichtigen müssen grundsätzlich durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der Gesetzgeber hat einen tendenziell weiten Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der damit untrennbar verbundenen Belastungsentscheidung. Das galt bereits vor der Schaffung der Abweichungskompetenz des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG (→ Rn. 14), wird aber hierdurch vom verfassungsändernden Gesetzgeber noch einmal nachdrücklich bestätigt. Daher sind sowohl das tradierte Sollertragskonzept, das auf das Leistungsfähigkeitsprinzip rekurriert, als auch das Äquivalenzprinzip auf dieser Ebene nicht angreifbar (glA Drüen in Stenger/Loose VerfR GrStG Rn. 25; vor der GG‐Änderung auch bereits Schmehl DStJG 35 (2012), 249 (289 f.)). Beide Belastungsgründe existieren zudem nicht als solches, sondern sind in unterschiedlichen Interpretationen denkbar. Auch insoweit besteht ein weiter Gestaltungsspielraum. 94 Hat sich der Gesetzgeber für einen Belastungsgrund entschieden, muss er die Steuer grundsätzlich konsequent hieran ausgerichtet ausgestalten. Dies betrifft vor allem die Bemessungsgrundlage (BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 Rn. 96 f.). Wörtlich heißt es in der Entscheidung des BVerfG vom 10.4.2018: „[Der] Gesetzgeber [hat] für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange sie nur prinzipiell geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen. […]. Jedenfalls muss das […] Bemessungssystem, um eine lastengleiche Besteuerung zu gewährleisten, in der Gesamtsicht eine in der Relation realitäts‐ und damit gleichheitsgerechte Bemessung des steuerlichen Belastungsgrundes sicherstellen“ (BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 Rn. 98). Es muss also eine rationale Verknüpfung von Belastungsentscheidung und Bemessungsgrundlage geben, die erklären kann, warum in Verwirklichung der Belastungsentscheidung der eine Steuerpflichtige so und der andere Steuerpflichtige anders belastet wird. Der Belastungsgrund muss in der Bemessungsgrundlage sichtbar werden. Wörtlich heißt es: „Um beurteilen zu können, ob die gesetzlichen Belastungsregeln eine in der Relation realitätsgerechte Bewertung der erfassten Güter und damit die Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse im Einzelfall sicherstellen, muss das Gesetz das für den steuerlichen Belastungsgrund als maßgeblich erachtete Bemessungsziel erkennen lassen“ (BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 Rn. 97). 95 Schon allein angesichts der schieren Masse der Steuergegenstände (bundesweit: ca. 36 Millionen wirtschaftliche Einheiten) bedarf es nicht viel Erklärung, dass der Gesetzgeber sowohl bei Auswahl und Konkretisierung des Belastungsgrundes als auch bei der hieran anknüpfenden Auswahl und Ausgestaltung der Bemessungsgrundlagen die Vollzugsfähigkeit der Grundsteuer im Blick behalten muss. In Ansehung der Bemessungsgrundlage ist das Mittel der Wahl insoweit die Vereinfachung durch Typisierung und Pauschalierung und damit durch die bewusste Vernachlässigung des Einzelfalls. In Abhängigkeit vom konkreten Belastungsgrund können sich dabei in ihrer Qualität unterschiedlich zu bewertende Ungleichbehandlungen auftun, für die sich der Gesetzgeber rechtfertigen muss. 96 Das ist grundsätzlich möglich. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber schon seit jeher einen Typisierungsspielraum zugestanden und dies auch in der Grundsteuerentscheidung vom 10.4.2018 aufgegriffen: „Dabei darf […] sich [der Gesetzgeber] in erheblichem Umfang auch von Praktikabilitätserwägungen mit dem Ziel der Einfachheit der Steuerfestsetzung und ihrer Erhebung leiten lassen. Dies gilt in besonderem Maße bei steuerlichen Massenverfahren. Bei der Ausgestaltung des Systems zur Erfassung der Bemessungsgrundlage kann der Gesetzgeber Praktikabilitätserwägungen Vorrang vor Gesichtspunkten der Ermittlungsgenauigkeit einräumen und dabei auch beträchtliche Bewertungs‐ und Ermittlungsunschärfen in Kauf nehmen, um die Festsetzung und Erhebung der Steuer handhabbar zu halten ([…]). Begrenzt wird sein Spielraum dadurch, dass die von ihm geschaffenen Bemessungsregeln grundsätzlich in der Lage sein müssen, den mit der Steuer verfolgten Belastungsgrund in der Relation realitätsgerecht abzubilden ([…])“ (BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 Rn. 131). Der Gesetzgeber muss die widerstreitenden Zwecke mithin in einen angemessenen Ausgleich bringen und dabei gibt im Ausgangspunkt der gewählte Belastungsgrund den Rahmen vor. Die mit der Ungleichbehandlung verfolgten Ziele sind stets im Lichte des jeweiligen Belastungsgrundes zur Qualität und Intensität der Ungleichbehandlung in Beziehung zu setzen (vgl. Drüen in Stenger/Loose VerfR GrStG Rn. 30). Kein (nennenswert) abwägungsrelevanter Aspekt soll nach Ansicht des BVerfG dabei allerdings die relativ geringe Steuerbelastung der Bürger darstellen (BVerfG 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147 Rn. 140 ff.). 2. Bundesgrundsteuerrecht in der Fassung des Grundsteuerreformgesetzes vom 26.11.2019 a) Verfassungsfester Sollertragsgedanke 97 Auch das neue Bundesgrundsteuerrecht folgt dem Leistungsfähigkeitsprinzip und greift hierzu auf den sog. Sollertragsgedanken zurück (→ Rn. 17). Man kann diesen Sollertragsgedanken mit seiner Vorstellung von einer objektiven Leistungsfähigkeit und seinen unvermeidbaren inneren Widersprüchen (Zusammentreffen mit der Besteuerung der Ist‐Einkünfte und Überwälzung auf die Mieter) als solchen steuersystematisch und rechtspolitisch hinterfragen (→ Rn. 20), aber das BVerfG tut es (zu Recht) verfassungsrechtlich nicht. Bezieht man daher in die Betrachtung mi

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