Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 PDF
Document Details
Uploaded by AstoundedHafnium5263
TU Dortmund
Tags
Summary
This document is study material on the topic of econometrics. In particular, it focuses on regression models and time series data often encountered in macroeconomic contexts. It details various models, including simple examples and examines the issues of misspecification and endogeneity.
Full Transcript
Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 96 3 Ein erster Blick auf Regressionsmodelle mit Zeitreihendaten Für die kurzfristig orientierte Makroökonomik, d.h. die empirische Konjunktur- analyse, sind Zeitreihen die wichtigsten Daten....
Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 96 3 Ein erster Blick auf Regressionsmodelle mit Zeitreihendaten Für die kurzfristig orientierte Makroökonomik, d.h. die empirische Konjunktur- analyse, sind Zeitreihen die wichtigsten Daten. Welche speziellen Probleme müssen bei Zeitreihenmodellen berücksichtigt wer- den (bei Spezi…kation, Schätzung, Interpretation)? Wir verwenden in diesem Kapitel als theoretischen Rahmen ein einfaches mone- täres Konjunkturmodell. Es handelt sich dabei um die einfachste Version eines keynesianischen monetären Konjunkturmodells, wie es in jedem modernen Makro-Lehrbuch erklärt wird, mit einer Spezi…kation der aggregierten Güternachfrage, einer Phillipskurve, und einer geldpolitischen Regel als Beschreibung des Verhaltens der Zentralbank. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 97 Wir werden zunächst einen ‘naiven’Ansatz wählen, und dieses Modell ungeachtet spezieller Zeitreihenprobleme in genau derjenigen Form schätzen, wie es in der theoretischen Lehrbuchliteratur verwendet wird. Danach decken wir die Problematik dieses naiven Ansatzes auf. Wie wir sehen werden, bestehen insbesondere zwei Probleme: – Fehlspezi…kation durch inadäquate Modellierung von Dynamik – Endogenität von Regressoren durch mögliche Simultanität Die weiteren Kapitel der Vorlesung dienen dann der schrittweisen Lösung der auf- gedeckten Probleme (Kap. 4 behandelt Dynamik, Kap. 5 behandelt Endogenität, Kap. 6 führt beide Perspektiven zusammen). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 98 3.1 Ein einfaches monetäres Konjunkturmodell Das Modell lautet: yt = yt + 1(it e )+ + "1t (AD) t+1 2 gt = e + (ut ut ) + "2t (PC) t t (ut ut ) = (yt yt ) + "3t (OL) it = i + t + (yt yt ) + "4t (TR) Die "jt, j = 1; :::; 4 sind stochastische Fehlerterme. Die anderen Variablen er- läutern wir auf den nächsten Folien, während wir die theoretischen Überlegungen darlegen, die zu diesen Modellgleichungen führen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 99 Güternachfrage AD: yt = yt + 1(it e )+ + "1t t+1 2 gt – Gleichung AD ist eine Spezi…kation der aggregierten Güternachfrage (Aggregate Demand): yt und gt sind (in Logarithmen gemessen) Output und Staatsaus- gaben, während it der Nominalzins und t die In‡ationsrate ist; yt ist der ‘natürliche Output’(der langfristige Wachstumspfad, der in Abwesenheit von Konjunkturschwankungen realisiert würde). – Die aggregierte Güternachfrage hängt vom erwarteten Realzins it e t+1 ab; hierin ist it der nominale Zins und et+1 die für t + 1 erwartete In‡ationsrate. – Welche Vorzeichen erwarten Sie für die Parameter 1 und 2? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 100 Phillipskurve PC: = e + (ut ut ) + "2t t t – Gleichung PC ist eine Phillipskurve: die In‡ationsrate hängt ab von der für t erwarteten In‡ationsrate et und dem Überschuss der tatsächlichen Arbeits- losenquote ut von ihrem ‘natürlichen’ (d.h. hier: in‡ationsstabilisierenden) Wert ut. – Theoretischer Hintergrund ist die Überlegung (zuerst Phillips, 1958), dass die Wachstumsrate der Nominallöhne von der Anspannung des Arbeitsmarktes abhängt. Sei W Nt der durchschnittliche Nominallohnsatz, und ln W Nt = ln W Nt ln W Nt 1 seine (approximative) Wachstumsrate. Dann lautet die Phillips-Hypothese ln W Nt = (ut ut ) Welches Vorzeichen erwarten Sie für ? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 101 – Die erwartungsmodi…zierte Lohn-Phillipskurve (Phelps, 1967) ensteht, wenn man realistischerweise annimmt, dass in Lohnverhandlungen ein Ausgleich für die erwartete In‡ation gefordert werden wird. Die Hypothese lautet dann ln W Nt = et + (ut ut ) – Schließlich sei angenommen, dass Unternehmen eine Preisaufschlagskalkulati- on verfolgen. Sei > 1 der konstante Aufschlagsfaktor (wie er sich in einem Modell monopolistischer Konkurrenz auf dem Gütermarkt ergeben würde), dann gilt Pt = W Nt bzw. in Wachstumsraten ln Pt = ln Pt ln Pt 1 = t = ln W Nt – Einsetzen führt dann auf die erwartungsmodi…zierte Preis-Phillipskurve = e + (ut ut ) t t Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 102 Okun’s law OL: (ut ut ) = (yt yt ) + "3t – Gleichung OL wird als ‘Okun’s law’bezeichnet: der Überschuss der Arbeits- losenquote über ihren natürlichen Wert (ut ut ) hängt ab vom Überschuss des tatsächlichen Outputs über den natürlichen Output (yt yt ). – Man bezeichnet (yt yt ) als output gap. Was ist die ökonomische Inter- pretation des output gaps? – Welches Vorzeichen erwarten Sie für ? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 103 Taylor-Regel TR: it = i + t + (yt yt ) + "4t – Gleichung TR ist eine Politikfunktion, die das Verhalten der Zentralbank beschreibt, bekannt als ‘Taylor - Regel’(nach Taylor, 1993). – Der Nominalzins it ist das Instrument der Zentralbank, und hängt (auß er von der Konstanten i ) von der In‡ationsrate t und dem output gap (yt yt ) ab. – Was ist das Ziel von Zentralbanken? Welche Vorzeichen erwarten Sie dem- gemäßfür und ? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 104 Das Modell enthält – die endogenen Variablen yt; ut; t; it; et – und die exogenen Variablen yt ; ut ; gt (wir behandeln die Staatsausgaben gt hier zunächst als exogen, in Kap. 5 werden wir das aufheben). Die endogene Variable et und die exogenen Variablen yt ; ut sind zunächst un- beobachtbar. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 105 Bezüglich der Erwartungsbildung schließ en wir das Modell zunächst durch Wahl der einfachsten denkbaren Hypothese, nämlich derjenigen rückwärtsgewandter Erwartungen: e = t t 1 Dies ist hier nur eine Vereinfachung, die wir später aufheben. Überlegen Sie: sind vergangenheitsbezogene Erwartungen vernünftig (rational)? Wir werden in Kap. 5 erneut über Erwartungen sprechen, und dann eine kom- plexere Erwartungsbildung betrachten. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 106 Setzen wir die Erwartungshypothese ( et = t 1 ) et+1 = t) in die übrigen Modellgleichungen ein, so ergibt sich: (yt yt ) = 1 (it t) + 2 gt + "1t (AD) t = t 1 + (ut ut ) + "2t (PC) (ut ut ) = (yt yt ) + "3t (OL) it = i + t + (yt yt ) + "4t (TR) Wir benötigen noch yt ; ut. Diese …nden wir implizit, indem wir De…nitionen für (yt yt ) und (ut ut ) tre¤en. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 107 3.2 Variablende…nitionen Wir betrachten US-Daten 1960q1 - 2024q2 (Quelle: FRED, Federal Reserve Bank of St. Louis, https://fred.stlouisfed.org) und Eurozonendaten hauptsächlich ab 1999q1 (Quelle: ECB, Eurostat). Wir müssen zunächst die unbeobachtbaren exogenen Variablen yt und ut spe- zi…zieren. Bezüglich der natürlichen Arbeitslosenquote nehmen wir an, sie sei eine Konstan- te, ut = u (diese Annahme ist bei Verwendung von US-Daten generell haltbar, bei europäischen Daten erst ab Ende der 1980er Jahre). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 108 US 12 EA 9 Prozent 6 3 0 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 109 EA 12 GER 10 Prozent 8 6 4 2 0 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 110 Bezüglich des natürlichen Outputs yt nehmen wir an, dass es der Logarithmus der Trendkomponente Yt des realen BIP Yt ist. * ln Y t ln Y t * ln Y, ln Y ve rtik a le r A b s ta n d = z yk lis c h e K o m p o n e n te t Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 111 Erläuterung: wir nehmen an, es gebe eine multiplikative Zerlegung der beobach- teten Datenreihe Yt in Trendkomponente Yt und zyklische Komponente YtC : Yt = Yt YtC , t = 1; 2; :::; T Auß erdem nehmen wir an, dass Yt durch eine konstante jährliche Wachstumsrate x gekennzeichnet ist. Formal: Yt = 1+x Yt 1 ) Yt = (1 + x)Yt 1 = (1 + x)(1 + x)Yt 2 = ::: ) Yt = (1 + x)tY0 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 112 Unser Trend-Zyklus-Modell lautet damit: Yt = Yt YtC = (1 + x)tY0 YtC Um ein lineares Modell zu erhalten, nehmen wir natürliche Logarithmen: ln Yt = ln Y0 + t ln(1 + x) + ln YtC oder, wenn wir Kleinbuchstaben für Logarithmen schreiben in einfacherer Nota- tion: yt = y0 + t ln(1 + x) + ytC Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 113 yt = y0 + t ln(1 + x) + ytC Die zyklische Komponente modellieren wir als die Zufallsvariable ytC = "t mit E ("t) = 0. Der Term y0 ist eine Konstante. Für den Trendterm gilt t ln(1 + x) t x wenn x nicht allzu großist. Damit können wir die Trend-Zykluszerlegung als Standard-Regressionsmodell schreiben: yt = 0 + 1t + "t Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 114 yt = 0 + 1t + "t Wir haben also eine Regression des logarithmierten realen h BIP auf einei0Konstante und einen Zeittrend (d.h. auf den Spaltenvektor t = 1 2 ::: T ). – Der OLS-Schätzer für 1 ist dann unsere Schätzung für die Trendwachstums- rate: b =x @ ln Yt 1 @t – Die Residuen dieser Regression "bt sind unsere Schätzung für den Logarithmus der zyklischen Komponente YtC ; also "bt = ytC = ln YtC – Die …tted values sind unsere Schätzung für den Logarithmus der Trendkom- ponente Yt , also ybt = b 0 + b 1t = ln Yt Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 115 Damit haben wir ein output gap konstruiert, indem wir (yt yt ) schätzen als (yt yt ) = ln Yt ln Yt = yt ybt = yt b +b t 0 1 = "bt Die zyklische Komponente ytC = ln YtC = "bt ist also die Di¤erenz zwischen dem Logarithmus des tatsächlichen BIP ln Yt und der Trendkomponente ln Yt , was als Residuen der log-linearen Trendregression geschätzt werden kann. Interpretation: "bt misst die relativen Abweichungen des BIP vom Wachstum- strend mit konstanter Wachstumsrate. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 116 Beispiel: US reales BIP, 1960q1 - 2024q2. Eine lineare Einfachregression ergibt: yt = ln Yt = 8:28 + 0:0072 t d.h. eine mittlere Wachstumsrate von @yt @ ln Yt = = 0:0072 @t @t also 0:72% pro Quartal, entsprechend knapp 3% pro Jahr. Die Annahme einer konstanten Trendwachstumsrate ist allerdings restriktiv. Die Trendwachstumsrate kann sich selbst im Zeitverlauf ändern. Im einfachsten Fall können wir dies durch ein Trendpolynom höherer Ordnung abbilden. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 117 Beispiel quadratischer Trend: yt = 0 + 1t + 2t2 + "t Schätzergebnis: yt = 8:16 + 0:0099 t 0:0000104 t2 d.h. eine zeitabhängige (leicht abnehmende) Trendwachstumsrate von @yt @ ln Yt = = 0:0099 2 0:0000104 t @t @t Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 118 Die Residuen "bt = ytC = yt yt dieser Trendregressionen sehen wie folgt aus: 0.05 0 -0.05 -0.1 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Machen Sie sich die Interpretation der Zahlenwerte klar! Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 119 Eine analoge Trendbereinigung verwenden wir für die reale Staatsausgabenvaria- ble gt. Als nächstes müssen wir die In‡ationsrate t spezi…zieren. Sei Pt das Preisniveau im Zeitpunkt t, und pt = ln Pt dessen Logarithmus, dann ist ln Pt ln Pt 1 = pt pt 1 approximativ die Wachstumsrate des Preisniveaus, ausgedrückt als Dezimalzahl. Wir verwenden für Pt entweder einen Konsumgüterpreisindex (USA: PCE-Preisindex, Euroraum: HICP), oder den jeweiligen De‡ator des BIP. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 120 Wir verwenden Quartalsdaten, so dass die so gemessene In‡ation die quartals- weise Wachstumsrate des Preisniveaus ist. Üblicher ist die Angabe als Wachstumsrate auf Jahresbasis. Wir können dies erreichen durch die De…nition (ann:) t = 4 (pt pt 1 ) Dies gibt an, welche jährliche In‡ationsrate resultieren würde, wenn die in Quartal t gemessene quartalsweise In‡ationsrate das gesamte Jahr (die nächsten vier Quartale über) anhielte (annualisierte Einquartals-In‡ationsrate). Eine alternative Spezi…kation ist die Wachstumsrate des Preisniveaus gegen- über dem entsprechenden Wert desselben Quartals von vor einem Jahr, die Vierquartals-In‡ationsrate t = (pt pt 4 ) Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 121 Zusammenhang: wie man leicht sieht, gilt t = pt pt 4 = p t [ pt 1 + pt 1 pt 2 + pt 2 pt 3 + pt 3 ] pt 4 = (pt pt 1 ) + ( pt 1 pt 2 ) + ( pt 2 p t 3 ) + ( pt 3 pt 4 ) 1 (ann:) 1 (ann:) 1 (ann:) 1 (ann:) = + + + 4 t 4 t 1 4 t 2 4 t 3 (ann:) so dass t der Durchschnitt der vier letzten Werte von t ist. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 122 Arbeitslosenquote ut: Arbeitslosenquote im Zeitpunkt t, ausgedrückt als Dezi- malzahl, die den Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Beschäftigte plus Arbeitslose) ausdrückt. Kurzfristiger Nominalzins it: Wir verwenden für die USA die Federal Funds Rate, für die Euro-Daten den Index des kurzfristigen Zinssatzes im Euroraum aus der EAWM - Datenbank. Staatsausgaben: wir verwenden den realen Staatskonsum (Realwert der gesamt- staatlichen Ausgaben für Güter und Dienstleistungen). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 123 US-Daten: Zeitreihenplots 1960q1 - 2024q2: yc 4q-BIP-Inflationsrate 0.05 0.1 0 0.05 -0.05 -0.1 0 1960 1980 2000 2020 1960 1980 2000 2020 FFR Arbeitslosenquote 0.2 0.14 0.12 0.1 0.1 0.08 0.06 0 0.04 1960 1980 2000 2020 1960 1980 2000 2020 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 124 Eurozonen-Daten: Zeitreihenplots 1999q1 - 2024q2: c y 4q-BIP-Inflationsrate 0.05 0.06 0 0.04 -0.05 0.02 0 -0.1 2000 2010 2020 2000 2010 2020 kurzfr. Nominalzins Arbeitslosenquote 0.06 0.12 0.04 0.1 0.02 0.08 0 0.06 2000 2010 2020 2000 2010 2020 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 125 3.3 Ein erster Blick auf die Schätzung der Modellgleichungen 3.3.1 Güternachfrage Wir verwenden für die folgenden Beispiele den US - Datensatz (Quartalsdaten, maximaler Stichprobenzeitraum 1960q1 bis 2024q2). Betrachten wir die Gleichung ytc = 0 + 1rt + 2gtc + "t Wir verwenden für den Realzins rt = (it t ); mit t der Vierquartalswachs- tumsrate des BIP-De‡ators, und it der Federal Funds Rate. Die zyklische Kom- ponente ytc war oben als Abweichung des Logarithmus des realen BIP vom linear- quadratischen Trend ermittelt worden, dasselbe gilt für die Staatsausgabenvaria- ble gtc (Abweichung des Log. der realen Staatsausgaben vom linear-quadratischen Trend). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 126 Ergebnis: Variable Parameter p-Wert (H0 : j = 0) const 0:0000 0:9943 rt 0:0111 0:8622 gtc 0:3116 < 0:0001 2 R = 0:2411 Kommentar? Vorsicht: wir werden unten erklären, warum eine solche (‘naive’) statische Spe- zi…kation mit massiven Problemen behaftet und daher kaum interpretierbar ist, und dann geeignetere Vorgehensweisen darstellen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 127 3.3.2 Phillipskurve Wir schätzen die Phillipskurve t = 1 t 1 + 2(ut u ) + "t Da wir die natürliche Arbeitslosenquote als Konstante u angenommen hatten, erscheint sie in einer Regressionskonstanten: t = ( 2u ) + 1 t 1 + 2ut + "t = 0 + 1 t 1 + 2ut + "t mit 0 = 2u. Wir verwenden für t wieder die Vierquartalswachstumsrate des BIP-De‡ators. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 128 Ergebnis: Variable Parameter p-Wert (H0 : j = 0) const 0:0073 < 0:0001 t 1 0:9849 < 0:0001 ut 0:0533 < 0:0001 2 R = 0:9640 Kommentar: – Die erklärenden Variablen t 1 und ut haben jeweils das erwartete Vorzei- chen und scheinen statistisch signi…kant von null verschieden zu sein. – Der Koe¢ zient der verzögerten In‡ationsrate (als Proxy für die erwartete In‡ationsrate) ist bei einem Standardfehler von 0:0120 auf konventionellen Signi…kanzniveaus nicht signi…kant von eins verschieden. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 129 Wir können daher den Koe¢ zienten von t 1 auf 1 restringieren. Die Schätz- gleichung lautet dann t = 0 + t 1 + 2ut + "t ) t t 1 = 0 + 2ut + "t mit dem Ergebnis Variable Parameter p-Wert (H0 : j = 0) const 0:0034 < 0:0001 ut 0:0559 < 0:0001 2 R = 0:0451 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 130 Das ermöglicht die Berechnung einer in‡ationsstabilen Arbeitslosenquote (NAIRU = non accelerating in‡ation rate of unemployment) als Schätzung von u aus den Ergebnissen. Die Schätzgleichung war ja t = 0 + 1 t 1 + 2ut + "t Setzen wir den Fehlerterm auf null, können wir uns fragen: welche zeitlich stabile Arbeitslosenrate ut = u führt zu konstanter In‡ation, d.h. zu t = t 1= Aus der Gleichung ergibt sich dies als Lösung von = 0 + 1 + 2u 0 + (1 1) ) u = 2 Wenn 1, der Koe¢ zient der verzögerten In‡ation, gleich eins ist, ist die nairu von der In‡ationsrate unabhängig. Sie ergibt sich damit einfach als 0 u = 2 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 131 Die in‡ationsstabile Arbeitslosenquote ist dann unabhängig von der In‡ation. Dies bezeichnet man als ‘natural rate hypothesis’, bzw. als eine langfristig verti- kale Phillipskurve. Verwenden wir die Ergebnisse der Schätzung, in der der Koe¢ zient der verzö- gerten In‡ation auf 1 restringiert war (so dass hier die langfristig vertikale Form der Phillipskurve von vorneherein auferlegt war), so erhalten wir c c = 0 u = 0:0599 c 2 also etwa 6% (der Standardfehler dieser NAIRU - Schätzung ist allerdings schwe- rer zu ermitteln, da es sich um eine nichtlineare Funktion der geschätzten Koef- …zienten handelt, was hier nicht behandelt werden soll). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 132 Alternativ könnten wir die Phillipskurve mit dem output gap anstelle der Ar- beitslosigkeit schätzen, was ebenfalls häu…g in der empirischen Literatur gemacht wird. Für die Gleichung = + + y c+" t 0 1 t 1 2 t t erwarten (und erhalten) wir dann einen positiven Parameterschätzwert für 2. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 133 3.3.3 Taylor-Regel Für die Zinsregel schätzen wir it = 0 + 1 t + 2ytc + "t Zunächst ist wieder die In‡ationsrate gemessen als die Vierquartals-BIP-In‡ation, und der Stichprobenzeitraum ist der volle für die US - Daten verfügbare Zeitraum von 1960q1 bis 2024q2. Das Ergebnis lautet Variable Parameter p-Wert (H0 : j = 0) const 0:0117 0:0002 t 1:1094 < 0:0001 ytc 0:0189 0:7264 2 R = 0:4484 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 134 Kommentar: – Der Koe¢ zient der In‡ationsrate hat das erwartete Vorzeichen (und wirkt hochsigni…kant von null verschieden, bei einem Standardfehler von 0:0772 bei 95% Signi…kanzniveau allerdings nicht von eins), – derjenige auf das output gap hat nicht das erwartete Vorzeichen, ist aber sehr gering und nicht signi…kant von null verschieden. Die implizite Hypothese, dass das in dieser Regel ausgdrückte geldpolitische Re- gime während des gesamten Zeitraums gültig war, ist allerdings nicht haltbar. Erst mit dem Amtsantritt von Paul Volcker Ende 1979 schwenkte die US-Fed auf eine anti-in‡ationäre Zinspolitik ein, wie sie durch eine Taylor-Regel beschrieben werden kann. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 135 Begrenzen wir den Stichprobenzeitraum daher auf die Zeit ab 1980q1, so erhalten wir: Variable Parameter p-Wert (H0 : j = 0) const 0:0065 0:1143 t 1:3471 < 0:0001 ytc 0:1372 0:1248 2 R = 0:6526 Der Koe¢ zient der In‡ationsrate ist wie erwartet nunmehr deutlich höher und mit einem Standardfehler von 0:1229 bei üblichen Signi…kanzniveaus auch signi…kant von eins verschieden.. Der Koe¢ zient des output gaps ist immer noch sehr klein und nach konventio- nellen Maßstäben insigni…kant von null verschieden. Aber Achtung: dies ist immer noch nicht diejenige Spezi…kation, die man in der Praxis tatsächlich wählen würde, wie wir im folgenden Kapitel zeigen werden! Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 136 3.4 Potentielle Probleme Die oben gezeigten Schätzungen waren erste Schritte. Wir hatten bisher der Zeitreihennatur der Daten keine besondere Beachtung geschenkt. Hier zeigen wir die damit verbundenen Probleme, die in den nächsten Kapiteln schrittweise gelöst werden. Zur Erinnerung: wir hatten gesagt, dass die Verwendung von OLS - Schätzungen und die Interpretierbarkeit der Ergebnisse bestimmte Voraussetzungen bezüglich der Fehlerterme "t bzw. " = ("1; :::; "t; :::; "T )0 hat. Diese waren insbesondere Cov ("t; "t s) = 0 für alle s 6= 0 E ("jX ) = 0 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 137 In Worten: – Die erste Annahme Cov ("t; "t s) = 0 fordert, dass die Störterme unterein- ander unkorreliert sind (Freiheit von Autokorrelation der Störterme). – Die zweite Annahme E ("jX ) = 0 verlangt die Exogenität der Regressoren, d.h. ihre Unabhängigkeit vom Störterm. Beide Annahmen / Voraussetzungen sind im Zeitreihenkontext problematisch. Wir behandeln beide der Reihe nach. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 138 3.4.1 Autokorrelation des Störterms Die Freiheit von Autokorrelation der Störterme ist wichtig im Zeitreihenkontext. Sie verlangt, dass Cov ("t; "t s) = 0 für alle s 6= 0 Mit anderen Worten darf die Zufallsstörung der Periode t nicht mit den Zufalls- störungen anderer Perioden korreliert sein. Diese Annahme ist im Zeitreihenkontext ziemlich stark. Grund: die Störterme fangen konjunkturelle Schocks ein, diese sind sehr wahrscheinlich über die Zeit korreliert. Was passiert, wenn das nicht erfüllt ist? Und wie erkennt man das? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 139 Zunächst zu den Folgen: – Erstens sind die Standardfehler verzerrt, so dass Tests und Kon…denzintervalle unzuverlässig werden. Die Parameterschätzer sind aber nicht notwendigerwei- se verzerrt (wenn sonst keine Probleme auftreten). – Zweitens kann Autokorrelation des Störterms ein Indikator für eine Fehlspe- zi…kation sein. Das führt dann auf das Problem ausgelassener Variablen, hier: ausgelassener Dynamik. Das erste Problem kann man als rein statistisches Problem betrachten, und me- chanische Lösungen dafür erwägen. Die moderne Sichtweise ist aber eher die zweite: Autokorrelation des Störterms zeigt an, dass wird die Dynamik einer Beziehung falsch erfasst haben. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 140 Einfachstes Beispiel: yt = x t + "t "t = "t 1 + vt wobei vt ein Fehlerterm mit allen klassischen Eigenschaften ist. vt ist also nicht autokorreliert, dagegen ist "t mit seiner eigenen Vergangenheit korreliert: der Parameter ist der Autokorrelationskoe¢ zient (erster Ordnung) der Störterme. Hier folgt der Störterm "t einem sogenannten ‘autoregressiven Prozess’ erster Ordnung (auch AR(1) genannt). Wir werden uns im nächsten Kapitel genauer mit solchen Prozessen beschäftigen. Diese Spezi…kation ist nur ein einfaches Beispiel für einen autokorrelierten Stör- term, sie ist aber sehr relevant für makroökonomische Schätzgleichungen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 141 Die Autokorrelation des Störterms weist darauf hin, dass yt und xt in Wirklichkeit einen dynamischen Zusammenhang aufweisen, so dass eine statische Schätzglei- chung fehlspezi…ziert ist. Das sieht man wie folgt: wenn das Modell lautet yt = x t + "t mit "t = "t 1 + vt dann gilt durch Verschieben des Zeitindex yt 1 = x t 1 + "t 1 ) "t 1 = yt 1 xt 1 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 142 Einsetzen in die ursprüngliche Modellformulierung liefert yt = x t + "t = xt + "t 1 + vt = xt + (yt 1 xt 1) + vt Wir haben also eigentlich ein dynamisches Modell mit xt, xt 1 und yt 1 als Regressoren, das wir schreiben können als yt = 1xt + 2yt 1 + 3xt 1 + vt Die Schätzung als statisches Modell mit autokorreliertem Störterm unterschlägt also die Dynamik (den Ein‡uss der vergangenen Variablen yt 1 und xt 1). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 143 Autokorrelation weist also oft auf ausgelassene, aber relevante Variablen hin (ausgelassene Dynamik). Ausgelassene Variablen sind grundsätzlich ein Problem, so dass die Modellspezi…kation revidiert werden sollte. In Zeitreihenmodellen sollte man daher immer auf Autokorrelation testen, da ihre Abwesenheit ein Gütekriterium für die korrekte Spezi…kation des Modells ist. Frage: wie erkennt man nun Autokorrelation des Störterms? Antwort: in deutlichen Fällen reicht Anschauen der Residuen, ansonsten braucht man einen Test. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 144 Hier die Residuen der Nachfragegleichung. Woran erkennen Sie visuell die positive Autokorrelation? 0.05 0 -0.05 -0.1 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 145 Test auf Autokorrelation Um formal auf Autokorrelation zu testen, kann man auf verschiedene Weisen vorgehen. Eine Möglichkeit ist, einfach die Residuen "bt zu nehmen, und sie auf "bt 1 zu regressieren. Ein signi…kant von null verschiedener Koe¢ zient auf "bt 1 weist auf Autokorrelation. Ein weiterer in der Praxis häu…g verwendeter Test ist der Breusch-Godfrey-Test der Nullhypothese, die Fehlerterme seien frei von Autokorrelation. Hierbei re- gressiert man die OLS-Residuen "bt auf einen verzögerten Wert ihrer selbst "bt 1 sowie auf die ursprünglichen Regressoren x0t des Modells, und berechnet den R2 dieser Hilfsregression. T R2 aus dieser Regression ist 2 - verteilt mit einem Freiheitsgrad, ein groß er Testwert führt zur Ablehnung der Nullhypothese. Man kann damit auch Autokorrelation höherer Ordnung erkennen, wenn man zusätzlich "bt 2, "bt 3... mit aufnimmt. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 146 Als Beispiel betrachten wir die Güternachfragegleichung ytc = 0 + 1rt + 2gtc + "t Mit der in der Übung bereitgestellten Funktion erhalten wir: Breusch-Godfrey : 203:33 (p < 0:0001) Die Nullhypothese (Freiheit von Autokorrelation) wird bei jedem sinnvollen Si- gni…kanzniveau abgelehnt. Interpretation: – Nachfrageschocks haben dynamische Wirkungen, die sich über die Zeit ver- teilt ausbreiten. – Eine statische Spezi…kation wird dieser Tatsache nicht gerecht und ist daher fehlspezi…ziert. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 147 3.4.2 Exogenität der Regressoren Die zweite Voraussetzung für OLS ist die Exogenität der Regressoren E ("jX ) = 0. Sie impliziert, dass der Fehlerterm "t jeder Periode unkorreliert sein muss mit allen Regressorvariablen zu jedem Zeitpunkt: E ("jX ) = 0 ) Cov ("t; xt s) = 0 für alle s Dies bezeichnet man als strikte Exogenität. Strikte Exogenität ist im Zeitreihenkontext unrealistisch. Beispiel: – Ein Nachfrageschock "t in der Güternachfragegleichung AD verändert den Output. – Das beein‡usst die Arbeitslosigkeit und führt dazu, dass sich die In‡ationsrate über PC ändert. – Die Zentralbank wird laut TR den Nominalzins anpassen. Dies beein‡usst wie- derum den Realzins, also eine Regressorvariable in der Nachfragegleichung. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 148 Strikte Exogenität ist erforderlich für die Unverzerrtheit von OLS. Da sie bei Zeitreihen selten vorliegt, ist OLS hier regelmäß ig verzerrt. Eine mögliche Lösung: unter bestimmten Bedingungen ist OLS immerhin kon- sistent. Konsistenz ist die Eigenschaft, dass der Parameterschätzer für eine groß e Stich- probe (formal: T ! 1) gegen den wahren Wert konvergiert. (Eine formale De…nition …ndet sich in jedem Lehrbuch). Wenn also OLS konsistent ist, kann man wenigstens bei genügend groß en Stich- proben auf die Ergebnisse vertrauen (wobei unklar ist, was genau ‘groß ’heiß t). Unter welcher Bedingung ist OLS konsistent, so dass seine Verwendung im Zeitreihenkontext bei groß en Stichproben (langen Zeitreihen) gerechtfertigt wä- re? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 149 Hierfür genügt kontemporäre Exogenität (eine bedeutend schwächere Bedin- gung, als strikte Exogenität). Kontemporäre Exogenität der Regressoren liegt vor, wenn gilt Cov ("t; xt) = 0 wenn also die Störterme unkorreliert sind mit den Regressorvariablen derselben Periode. Es gilt: Cov ("t; xt) = 0 ) OLS ist ein konsistenter Schätzer für Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 150 Im Beispiel: – Ein Nachfrageschock "t in der Güternachfragegleichung verändert den Out- put, damit auch die In‡ationsrate. – Wenn die Zentralbank den Zins sofort (in derselben Periode t) ändert, ist die Zinsvariable in der Nachfragegleichung kontemporär endogen. OLS wäre inkonsistent. – Wenn die Zentralbankreaktion aber erst in Periode t + 1 oder später passiert, wäre in t die Zinsvariable kontemporär exogen. OLS wäre konsistent. Wir unterstellen im Folgenden zunächst kontemporäre Exogenität aller Regres- soren. OLS ist dann zuverlässig in genügend groß en Stichproben. Wie man vorgeht, wenn kontemporäre Exogenität nicht haltbar ist, besprechen wir in Kapitel 5.