Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 - PDF
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Summary
This document discusses time series and dynamic regression models in econometrics. It covers basic models used for modeling macroeconomic variables, univariate models for short-term forecasts, and models for the adapting dynamics to external changes in explanatory variables. It also delves into stochastic processes, stationarity, and related concepts.
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Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 151 4 Zeitreihen und dynamische Regressionsmodelle Wir besprechen in diesem Kapitel Basismodelle, die für die Modellierung der Dynamik makroökonomischer Variablen häu…g verwendet werden. Zunächst klär...
Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 151 4 Zeitreihen und dynamische Regressionsmodelle Wir besprechen in diesem Kapitel Basismodelle, die für die Modellierung der Dynamik makroökonomischer Variablen häu…g verwendet werden. Zunächst klären wir einige Grundbegri¤e und betrachten univariate Modelle. Diese eignen sich a) zur Verdeutlichung der wichtigsten Konzepte, und b) zur Kurzfristprognose. Danach führen wir wieder kontemporär exogene Regressoren ein und diskutieren Modelle für die Anpassungsdynamik an exogene Änderungen in den erklärenden Variablen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 152 4.1 Univariate Zeitreihenmodelle 4.1.1 Stochastische Prozesse Eine Zeitreihe ist eine Folge von Beobachtungen fy1; y2; :::; yT g Jedes yt wird als Zufallsvariable interpretiert. Daher ist eine Zeitreihe eine Folge von Zufallsvariablen, die zeitlich geordnet sind. Eine solche Folge heiß t (ex ante betrachtet) stochastischer Prozess. Die beobachtete Zeitreihe ist (ex post betrachtet) eine der möglichen Realisie- rungen dieses stochastischen Prozesses. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 153 White Noise Das einfachste Beispiel für einen stochastischen Prozess ist weiß es Rauschen (white noise). White noise ist de…niert als der stochastische Prozess yt = "t "t i:i:d:(0; 2" ) Ein solcher Prozess, der unabhängig und identisch verteilt ist mit konstanter Varianz und Mittelwert null heißt white noise oder weiß es Rauschen (oft wird weißes Rauschen auch nur durch zeitliche Unkorreliertheit statt Unabhängigkeit de…niert, was für unsere Zwecke keine wichtige Unterscheidung ist). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 154 Weißes Rauschen ist für sich genommen kein brauchbares Modell für makroöko- nomische Zeitreihen. Bei weiß em Rauschen wären aufeinanderfolgende Beobachtungen unkorreliert. Makroökonomische Variablen weisen aber deutliche Abhängigkeiten über die Zeit auf. Typischerweise weisen in Makrodaten aufeinanderfolgende Beobachtungen eine positive Korrelation auf. Das bezeichnet man auch als Persistenz (wenn in diesem Quartal eine Rezession einsetzt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie auch noch nächstes Quartal anhält, bzw. eben persistiert). Aber: white noise - Prozesse sind wichtige Bausteine für empirisch plausible Zeitreihenmodelle, wie wir unten sehen werden. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 155 4.1.2 Stationarität Die Methoden, die wir hier behandeln, sind für stationäre stochastische Prozesse geeignet. Ein stochastischer Prozess heiß t (streng) stationär, wenn seine Eigenschaften durch eine Verschiebung des Anfangszeitpunktes nicht beein‡uß t werden. Die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung ist dann unabhängig von der Zeit. Ein stochastischer Prozess yt heiß t schwach stationär (kovarianzstationär ), wenn für alle t gilt: 9 Efytg > = V ar(yt) unabhängig von t > Cov (yt; yt k ) ; Schwache Stationarität verlangt also, dass die ersten beiden Momente (Erwar- tungswert, Varianz und Autokovarianz zur Verzögerung k) Konstanten sind. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 156 Wir werden hier den Begri¤ Stationarität im Sinne von schwacher Stationarität verwenden. Intuition: die Eigenschaften eines schwach stationären Prozesses sind unabhängig von der Kalenderzeit. Eine Implikation davon ist, dass ein stationärer Prozess yt keinen Trend haben kann. Wir benötigen für das Folgende Prozesse, die entweder stationär sind oder durch eine geeignete Transformation stationär gemacht werden können. Der Grund dafür: wenn unser Datenmaterial stationären stochastischen Prozessen folgt, sind die üblichen OLS - Schätz- und Testverfahren asymptotisch korrekt. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 157 4.1.3 Trends und Stationarität Nun haben aber viele makroökonomische Zeitreihen Trends und sind daher nicht- stationär. Was tun? 20 15 10 5 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 US reales BIP, Bn. $ i.P.v. 2017 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 158 Solche Daten muss man zuvor transformieren, um Stationarität zu erzeugen. Eine Möglichkeit besteht darin, einen deterministischen Trend zu unterstellen, und diesen durch OLS zu schätzen und dann zu eliminieren. Dies hatten wir schon oben angewandt, um eine output gap - Variable zu konstruieren. Die (relativen) Abweichungen vom Trend können dann als stationär angesehen werden. Eine andere Möglichkeit ist die Bildung von ersten Di¤erenzen, bzw. Wachs- tumsraten: das Preisniveau Pt ist sicher nichtstationär, die In‡ationsrate t = ln Pt ln Pt 1 ist dagegen stationär. Wir gehen im Folgenden ohne weitere Erwähnung davon aus, dass die Daten durch solche Transformationen stationär gemacht wurden. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 159 4.1.4 Wold - Zerlegung und Impuls-Antwortfunktion Betrachten wir eine stationäre Variable yt (z.B. ein output gap oder eine In‡a- tionsrate). Die Grundidee der Zeitreihenanalyse ist, dass man yt als gewogenen Durchschnitt von white noise - Zufallsvariablen "t darstellen kann. Die formale Grundlage dafür ist das Wold Decomposition Theorem (hier leicht vereinfacht dargestellt). Ihm zufolge existieren (quadratisch summierbare) Para- meter '1;2;::: so dass yt = + "t + '1"t 1 + '2"t 2 + ::: wobei eine Konstante ist. Eine solche Darstellung heiß t moving average der Ordnung 1 , kurz MA(1). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 160 Die ökonomische Interpretation des MA - Modells ist die Sichtweise als Impuls- Antwortfunktion. Nehmen wir z.B. yt als die Konjunkturlage (z.B. gemessen als output gap), dann sind die "t die zeitlich unkorrelierten Konjunkturschocks. Die Folge der Parameter 'j gibt die zeitliche Reaktion (Anwort) der Konjunktur auf einen makroökonomischen Schock (Impuls) an. Beispiel: der Parameter '2 gibt an, wie die heutige Konjunkturlage auf einen Schock vor zwei Perioden reagiert. Impuls-Antwortfunktionen sind von zentraler Bedeutung für die empirische Ma- kroökonomik, weil sie die Simulation empirisch relevanter Szenarien ermöglichen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 161 Das Gedankenexperiment, das der Impuls-Antwortanalyse zugrundeliegt, ist fol- gendes: – In Periode t ereignet sich ein Schock (Impuls) in Höhe von "t = 1. – In keiner anderen Periode ereignet sich ein Schock, also "t k = 0 für alle k. Die Auswirkungen auf die zeitliche Entwicklung von y sieht man, wenn man die Wold - Form von yt für verschiedene Perioden schreibt: yt = + "t + '1"t 1 + '2"t 2 + ::: yt+1 = + "t+1 + '1"t + '2"t 1 + ::: yt+2 = + "t+2 + '1"t+1 + '2"t + ::: Die Reaktion von y auf einen Schock in Höhe von "t = 1 ist also die Impuls- Antwortfolge 1 '1 '2 '3 ::: Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 162 Es wäre also interessant, die Parameter '1;2;::: zu kennen. Sie geben uns die Dynamik von yt nach einem Schock an. Die Parameter der Impuls-Antwortfunktion direkt zu schätzen, ist aber nicht möglich (es sind zu viele, und "t ist unbeobachtbar). Die Zeitreihenanalyse stellt aber mehrere Modelle zur Verfügung, mit denen die Parameter '1;2;::: indirekt geschätzt werden können. Die einfachste und praktisch nützlichste Modellklasse sind autoregressive Pro- zesse. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 163 4.1.5 Autoregressive Prozesse (AR) Beginnen wir mit dem einfachsten Fall, dem autoregressiven Prozess 1. Ordnung AR(1). Der einfachen Schreibweise halber vernachlässigen wir hier eine Konstante (die man in der Praxis aber immer berücksichtigen würde). Ein AR(1) ist dann de…niert durch yt = ayt 1 + "t wobei a ein Parameter und "t weiß es Rauschen ist. Dieser Prozess ist stationär für jaj < 1, was wir im Folgenden unterstellen. (Machen Sie sich klar, was für jaj > 1 passieren würde, und warum das kein sinnvolles Modell wäre). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 164 Hier ein Ausschnitt aus einem simulierten AR(1) - Modell mit a = 0:9. Links ist die white noise - Zufallsvariable "t gezeigt, rechts sieht man die persistente Dynamik, die daraus in einem AR(1) wird. y t = 0.9 y t-1 + t t 2.5 7 2 6 1.5 5 1 4 0.5 3 0 2 -0.5 1 -1 0 -1.5 -1 -2 -2 0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100 t t Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 165 Die Impuls-Antwortfunktion bzw. MA(1) - Darstellung …ndet man durch Rück- wärts - Einsetzen: yt = ayt 1 + "t = a(ayt 2 + "t 1) + "t = a2yt 2 + "t + a"t 1 usw. Nach n - maligem Einsetzen ergibt sich nX1 yt = anyt n + aj "t j j=0 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 166 Nimmt man an, dass der Prozess vor ewiger Zeit begonnen hat, n ! 1, so ergibt sich wegen limn!1 anyt n = 0 1 X yt = aj "t j j=0 = "t + a"t 1 + a2"t 2 + a3"t 3::: Für das AR(1) - Modell sind die Impuls-Antwortkoe¢ zienten also '1 = a, '2 = a2, usw. Es ergibt sich also wegen jaj < 1 eine geometrisch fallende Impuls-Antwortfunktion. Ein Schock hat seinen größ ten E¤ekt in der Anstoß periode, danach nimmt der Schocke¤ekt um denselben Anteil pro Periode ab. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 167 Wie man sieht, hat ein Schock desto längere Nachwirkungen, je größ er a ist. Der Parameter a misst also die Persistenz des Prozesses. AR(1) Impuls-Antwortfunktion 1 0.8 a = 0.9 a = 0.5 0.6 0.4 0.2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Verzögerung j Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 168 Der AR(1) war nur ein einfaches (wenngleich nützliches) Beispiel. Die meisten makroökonomischen Zeitreihen lassen sich als Verallgemeinerung davon modellieren, nämlich als autoregressive Prozesse der Ordnung p, kurz AR(p): yt = a1yt 1 + a2yt 2 + ::: + apyt p + "t Für die Praxis wirft das zwei Fragen auf, die später beantwortet werden: – Woher weißman, wie hoch im konkreten Fall die Ordnung p des Prozesses ist? (! Modellwahl) – Wie kann man die Parameter schätzen? (!Schätzung) Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 169 Die Impuls-Antwortfunktion des AR(p) lässt sich am einfachsten iterativ ausrech- nen. Nehmen wir als Beispiel einen AR(2) yt = a1yt 1 + a2yt 2 + "t Die Impuls-Antwortfunktion ist die Dynamik von yt nach einem einmaligen Schock in Höhe von 1. Man erhält dann: Periode "t yt 0 (impact) 1 1 1 0 a1 2 0 a21 + a2 3 0 a31 + 2a1a2 4 ::: ::: Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 170 Je nach Höhe der Parameter lassen sich damit verschiedene Formen der Anpas- sungsdynamik abbilden. Beispiele: AR(2) Impuls-Antwortfunktionen 1.2 a 1 = 0.6, a 2 = -0.5 1 a 1 = 1.2, a 2 = -0.4 0.8 0.6 0.4 0.2 0 -0.2 -0.4 0 2 4 6 8 10 12 Verzögerung j Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 171 4.1.6 Schätzung von AR(p) - Modellen Nehmen wir an, wir kennen die Ordnung p eines AR - Prozesses: yt = a1yt 1 + a2yt 2 + ::: + apyt p + "t Wir können dies als eine gewöhnliche Regressionsgleichung au¤assen. Wenn "t white noise ist (zeitlich unkorreliert), ist "t mit allen Regressoren (yt 1; yt 2...) zwangsläu…g unkorreliert. Die Regressoren sind dann prädeter- miniert ( = kontemporär exogen). Unter dieser Voraussetzung können die Parameter also konsistent mit OLS ge- schätzt werden. Funktioniert nur gut in groß en Stichproben, in kleinen Stichproben sind die Er- gebnisse verzerrt. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 172 4.1.7 Modellwahl Wenn wir eine empirische Zeitreihe als AR(p) modellieren wollen, stellt sich die Frage, welches p angemessen ist. Die ökonomische Theorie ist meistens hier nicht hilfreich. Man bestimmt die Ordnung des Prozesses anhand der Daten. Zur Modellwahl gibt es mehrere Hilfsmittel. Wir betrachten hier die empiri- sche Autokorrelationsfunktion (ACF) und die partielle Autokorrelationsfunktion (PACF). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 173 Die ACF misst einfach den Stichproben - Korrelationskoe¢ zienten zwischen yt und yt k , [ (yt; yt k ) ACFk = Corr Für AR - Modelle typisch ist ein langsames geometrisches oder oszillierendes Abnehmen der ACFk für größ er werdende Verzögerung k. Ein solches Muster weist darauf hin, dass ein AR - Modell generell angemessen ist. Beispiel AR(1): im Modell yt = a1yt 1 + "t ist ACFk = ak1 , was bekanntlich bei ja1j < 1 geometrisch abnimmt. Allerdings erkennt man an der ACF nicht direkt die Ordnung des AR - Modells. Dazu dient die PACF. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 174 Die PACF zur Verzögerung k, kurz P ACFk , ist der Parameter von yt k in einer OLS - Schätzung eines AR(k) - Modells. Man geht also wie folgt vor: man schätzt jeweils mit OLS k=1: yt = a0 + a1yt 1 + "t b1 ! P ACF1 = a k = 2 : yt = a0 + a1yt 1 + a2yt 2 + "t b2 ! P ACF2 = a k = 3 : yt = a0 + a1yt 1 + a2yt 2 + a3yt 3 + "t b3 ! P ACF3 = a usw. Wenn nun das wahre Modell ein AR(p) ist, dann sollte P ACFp+1 P ACFp+2 ::: 0 sein. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 175 Man hat also die Ordnung p des AR(p) - Modells gefunden, wenn die P ACFk – für k < p ungleich null ist (d.h. statistisch signi…kant von null verschieden ist) – und bei k p gegen ungefähr null abbricht (d.h. statistisch insigni…kant von null verschieden wird). Wenn es kein p gibt, bei dem die PACF von deutlich von null verschieden zu ungefähr null wechselt, handelt es sich bei den Daten nicht um ein AR - Modell. In diesem Fall sind andere Zeitreihenmodelle vorzuziehen (hier nicht behandelt). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 176 Beispiel: In‡ationsrate t, USA (annualisierte Einquartalsrate bezogen auf den De‡ator des privaten Konsums): 0.1 0.05 0 -0.05 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 177 Hier ACF und PACF (die gestrichelten Linien sind 95% - Kon…denzintervalle): ACF PACF 1 1 0.8 0.8 0.6 0.6 0.4 0.4 0.2 0.2 0 0 -0.2 -0.2 -0.4 -0.4 -0.6 -0.6 -0.8 -0.8 -1 -1 1 3 5 7 9 11 1 3 5 7 9 11 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 178 Zusätzlich kann man die Freiheit der Residuen von Autokorrelation als Kriterium für die Modellwahl heranziehen. Idee: – Wenn man das korrekte Modell gefunden hat, sollten die Störterme white noise sein. – Wenn also ein Test signi…kante Autokorrelation in den Residuen …ndet, deutet das auf nicht korrekt modellierte Dynamik hin. – Dann sollte man ein Modell höherer Ordnung erwägen. Zur Überprüfung kann man ein AR(p) - Modell schätzen und mit dem Breusch- Godfrey-Test BG die Nullhypothese der Freiheit der Störterme von Autokorre- lation testen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 179 Im Beispiel (abhängige Variable ist t, eine Konstante war jeweils enthalten, ihr Parameter wird nicht gezeigt): Regressor# AR(1) AR(2) AR(3) AR(4) t 1 0:8134 0:6447 0:5983 0:6078 t 2 0:2084 0:0603 0:0646 t 3 0:2247 0:2515 t 4 0:0440 BG 9:47 10:69 0:74 0:02 p(BG) 0:0021 0:0011 0:3873 0:8894 Ihre Schlussfolgerung? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 180 4.1.8 Prognose Angenommen, wir kennen die Parameter eines AR - Prozesses. Verwenden wir als Beispiel einen AR(2), dann gilt also (Konstante vernachlässigt) yt = a1yt 1 + a2yt 2 + "t Desgleichen gilt, wenn man den Zeitindex nach vorne verschiebt: yt+1 = a1yt + a2yt 1 + "t+1 yt+2 = a1yt+1 + a2yt + "t+2 ::: Die optimale Prognose von yt+h ist der Erwartungswert von yt+h, gegeben die Informationsmenge, die zum Zeitpunkt t (bei Erstellung der Prognose) zur Verfügung steht. Zu dieser Informationsmenge gehören alle gegenwärtigen und vergangenen Realisationen der Variablen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 181 Wir suchen also den bedingten Erwartungswert E (yt+hjyt; yt 1; :::; "t; "t 1; :::) = Et(yt+h) Die Einschritt-Prognose (h = 1) ist im Beispiel Et(yt+1) = Et(a1yt + a2yt 1 + "t+1) = a1yt + a2yt 1 Die Zweischritt-Prognose ist Et(yt+2) = Et(a1yt+1 + a2yt + "t+2) = a1Etyt+1 + a2yt = a21 + a2 yt + a1a2yt 1 Auf diese Weise kann man iterativ Prognosen für jeden beliebigen Horizont h erstellen. Aus der Varianz des Prognosefehlers lassen sich auch Kon…denzintervalle für Prognosen erstellen (hier nicht behandelt). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 182 4.2 Dynamische Regressionsmodelle Wir betrachten jetzt wieder Modelle mit erklärenden Variablen. Die Fragestellung ist: wie können wir die Dynamik des Zusammenhangs zwischen einer abhängigen Variablen yt und einer oder mehreren Regressorvariablen xt adäquat erfassen? Dynamik bedeutet, dass es nicht nur gleichzeitige, sondern auch verzögerte Wir- kungszusammenhänge gibt. Die Wirkung einer Änderung in xt ist also über die Zeit verteilt, daher spricht man von distributed lag - Modellen. Wir nehmen hier an, dass alles Regressoren xt kontemporär exogen sind. Die Verallgemeinerung auf Fälle, in denen das nicht erfüllt ist, folgt im nächsten Kapitel. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 183 4.2.1 Endliche distributed lags Nehmen wir zur einfacheren Darstellung an, wir hätten nur eine Regressorvariable xt (Verallgemeinerung auf mehrere Regressoren ist problemlos) und schreiben die Konstante nicht mit (in der Praxis immer dabei). Die einfachste Möglichkeit, dynamische Zusammenhänge darzustellen, wäre ein Modell der Form yt = 0xt + 1xt 1::: + q xt q + "t Die Folge der Parameter 0 1 ::: q ist dann die Impuls-Antwort von yt auf eine einmalige Änderung in xt um eine Einheit. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 184 Solche Modelle können wir (für kontemporär exogenes xt) mit OLS schätzen. Der Nachteil ist, dass man q wählen muss. Damit bestimmt man einen Zeitpunkt, zu dem die Wirkung von Änderungen in xt abgeschlossen sein muss. Zur Verdeutlichung: wegen yt = 0xt + 1xt 1::: + q xt q + "t gilt @yt @yt+i = = i für i = 0; 1; :::; q @xt i @xt @yt @yt+(q+1) = =0 @xt (q+1) @xt Meistens gibt es aber keine gute Grundlage, um eine Verzögerung q zu wählen, nach der xt keinen Ein‡uss mehr hat. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 185 4.2.2 Partielle Anpassung Das einfachste Modell, das eine potenziell unendlich lange Anpassungsdauer bei Änderungen von xt zulässt, ist das partial adjustment - Modell. Nehmen Sie an, das langfristige Niveau yt der Variablen yt hänge ab von xt gemäß yt = xt + t Beispiel: Taylor - Regel. – Wenn die In‡ation um einen Punkt steigt, wird die Zentralbank längerfristig den Nominalzins um Prozentpunkte anheben. – Aber: Typischerweise wählen Zentralbanken nicht einen einzigen groß en Zins- schritt, sondern passen ihre Politik in vielen kleinen aufeinanderfolgenden Zinsschritten an. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 186 Nehmen wir also an, dass bei Änderungen von xt die Variable yt nicht sofort in einem Schritt auf das neue gewünschte Niveau gebracht werden kann, sondern eine schrittweise Anpassung erfolgt. Die schrittweise Anpassung wird modelliert als yt yt 1 = (1 )(yt yt 1) mit einem Anpassungsparameter 0 < (1 ) < 1. Pro Periode wird ein Anteil (1 ) des Abstandes zwischen gewünschtem yt und dem tatsächlichen Variablenwert der Vorperiode yt 1 geschlossen. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 187 Einsetzen liefert yt yt 1 = (1 )(yt yt 1) = (1 )([ xt + t] yt 1) bzw. yt = yt 1 + (1 ) xt + (1 ) t Leicht umparametrisiert (mit 0 = (1 ) und "t = (1 ) t ) ergibt sich also yt = yt 1 + 0xt + "t Hieraus können wir die Impuls-Antwortfunktion einer exogenen Änderung in xt ermitteln. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 188 Was passiert nach einer einmaligen (transitorischen, d.h. nur für eine Periode andauernden) Erhöhung von xt um eine Einheit ceteris paribus, d.h. wenn "t = 0 bleibt? Einmalige Änderung in xt: Periode xt yt 0 (impact) 1 0 1 0 0 2 0 2 0 3 0 3 0 ::: 0 ::: Hieran sieht man, dass die von xt angestoßene Anpassung in yt über die Zeit geometrisch abnimmt, und erst asymptotisch null wird. Aus diesem Grund nennt man das Modell auch das geometrische distributed lag - Modell. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 189 Der Anstoß multiplikator (impact multiplier) ist 0, die langfristige Reaktion von y auf eine einmalige transitorische Änderung in xt ist @yt+h lim = lim h 0 = 0 h!1 @xt h!1 wegen 0 < < 1. Das Modell yt = yt 1 + 0xt + "t ist also äquivalent zu dem unendlichen distributed lag - Modell yt = 0 xt + 0 xt 1 + 2 0xt 2 + ::: + "t 1 X = jx + "t 0 t j j=0 Intuitiv kann man die undendlich vielen Parameter dieses distributed lags nur des- halb schätzen, weil man die Restriktion einer geometrisch abnehmenden Impuls- Antwort auferlegt hat, wodurch die Zahl der freien Parameter auf ; 0 schrumpft. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 190 Betrachten wir eine permanente Änderung in xt um eine Einheit: Periode xt yt 0 (impact) 1 0 1 1 0+ 0 2 1 ( 0 + 0) + 0 3 1 [ ( 0 + 0) + 0] + 0 ::: 1 ::: Der Anstoß multiplikator einer Änderung von xt ist wieder 0, wie bei einer tran- sitorischen Änderung. Langfristig ändert sich y bei einer permanenten Erhöhung von xt um @yt+h 0 lim = 0+ 0 + 2 0 + ::: = h!1 @xt 1 Für jede Periode des Anpassungsprozesses gilt also: der E¤ekt einer permanenten Änderung ist die Summe der E¤ekte einer transitorischen Änderung. Deshalb nennt man den E¤ekt der permanenten Änderung auch den kumulativen Multiplikator. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 191 Beispiel: Taylor-Regel. Eine Version mit partieller Anpassung lautet it = + it 1 + t + yt + "t mit i dem kurzfristigen Nominalzins, einer In‡ationsrate und y einer Output- variable. Idee: Zinsglättung. – Interpretation: auf eine permanente Erhöhung der In‡ationsrate würde die Zentralbank langfristig mit der Zinsänderung =(1 ) reagieren. – Sie nähert sich diesem Ziel aber nur schrittweise an (partial adjustment), so dass der unmittelbare E¤ekt in der kurzen Frist nur beträgt. Solches partielles Anpassungsverhalten von Zentralbanken wird weithin empirisch beobachtet (die theoretische Begründung für ein solches Verhalten ist dagegen nicht ganz klar). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 192 Hier ein Beispiel, für die US-Daten ab 1980 (abhängige Variable ist die nomi- nale Federal Funds Rate it, die In‡ationsrate t ist de…niert als annualisierte Einquartalswachstumsrate des PCE - De‡ators, dyt ist die annualisierte Einquar- talswachstumsrate des realen BIP): Variable Parameter p-Wert (H0 : j = 0) const 0:0015 0:1628 it 1 0:9346 < 0:001 t 0:0912 0:0066 dyt 0:0520 0:0002 BG = 1:26 (p = 0:26) Ist hier das Taylor-Prinzip erfüllt? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 193 4.2.3 Autoregressive distributed lags Wir kennen bisher zwei Modelle, die jeweils einen Nachteil haben: – Endliche distributed lags erzwingen ein exaktes Ende für die Anpassungsdy- namik – Partial adjustment führt auf ein Modell mit unendlich vielen Verzögerungen, aber der Impuls-Antwortfunktion wird eine restriktive geometrische Form auf- erlegt. Es wäre also sinnvoll, ein Modell zu haben, das beide Nachteile vermeidet, indem es möglichst unrestringiert Anpassungsdynamik zulässt. Das allgemeinste Modell, um einen frei schätzbaren Anpassungsprozess zu mo- dellieren, ist eine ADL (autoregressive distributed lag) - Spezi…kation. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 194 Ein ADL(1,1) mit je einer Verzögerung lautet zum Beispiel (wieder ohne Kon- stante der Darstellung halber) yt = 0xt + 1xt 1 + 1yt 1 + "t Die Impuls-Antwortfunktion bei einer einmaligen transitorischen Änderung von xt ist: Periode xt yt 0 (impact) 1 0 1 0 1 0+ 1 2 0 1 ( 1 0 + 1) 3 0 2( 1 1 0 + 1) ::: 0 ::: Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 195 Die kumulative Impuls-Antwort ist wieder die Reaktion auf eine permanente Än- derung von xt : Periode xt yt 0 (impact) 1 0 1 1 1 0 + 0+ 1 2 1 1 ( 1 0 + 0 + 1) + 0 + 1 3 1 ::: ::: 1 ::: Es gilt wieder, dass der E¤ekt einer permanenten Änderung die Summe der E¤ekte einer transitorischen Änderung ist. Damit ist der langfristig kumulative E¤ekt einer permanenten Änderung in xt gegeben durch 2 0 + 1 0 + ( 0 1 + 1) + 0 1 + 1 1 + ::: = 1 1 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 196 Dieses Modell lässt sich natürlich auf beliebig viele Lags verallgemeinern: k X h X yt = j xt j + i yt i + "t j=0 i=1 Für die praktische Anwendung muss man wieder die Anzahl der Verzögerungen bestimmen (hier k und h). Dafür gibt es eine Reihe von formalen Hilfsmitteln, die hier nicht besprochen werden. Wichtig ist vor allem, eine nicht zu restriktive Spezi…kation zu wählen (k und h zu klein), um omitted variable bias zu vermeiden. Ein wichtiger Indikator dafür, ob eine Spezi…kation adäquat ist, besteht in der Freiheit der Residuen von Autokorrelation. Argument: wenn die Dynamik zu restriktiv modelliert wurde, zeigt sich dies an autokorrelierten Residuen, weil ausgelassene relevante verzögerte Variablen dazu führen, dass die Dynamik des Zusammenhangs in den Störterm verschoben wird. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 197 Beispiel: In Kapitel 3 hatten wir eine statische Gleichung für die aggregierte Güternachfrage geschätzt. Wir hatten festgestellt, dass eine statische Formulierung zur Erfassung des in Wirklichkeit dynamischen Zusammenhangs ungeeignet ist. Jetzt spezi…zieren wir eine adäquate ADL - Dynamik. Wir veranschaulichen die Vorgehensweise anhand des US-Datensatzes. Wir ver- wenden yt für den Logarithmus des realen BIP, gt für den Logarithmus des realen Staatskonsums, und rt für den ex-post-Realzins, de…niert als Di¤erenz zwischen der Federal Funds Rate und der annualisierten Einquartalsin‡ationsrate bezogen auf den PCE - De‡ator. Bekanntlich sind yt und gt nichtstationär, weil sie Trends aufweisen. Wir könnten diese Variablen vorab um den Trend bereinigen. Äquivalent dazu ist, einfach einen Zeittrend t als Regressor mit aufzunehmen (für Interessierte: dies folgt aus dem Frisch und Waugh - Theorem). Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 198 Wenn wir einen ADL mit je vier Verzögerungen wählen (ein häu…g gewählter Startpunkt bei Quartalsdaten), erhalten wir (abhängige Variable ist yt): Variable Parameter p-Wert (H0 : j = 0) const 0:17 0:13 t 0:0001 0:21 yt 1 0:90 < 0:01 yt 2 0:27 0:06 yt 3 0:06 0:73 yt 4 0:15 0:15 rt 0:10 0:04 rt 1 0:05 0:42 rt 2 0:08 0:15 rt 3 0:04 0:45 rt 4 0:07 0:16 gt 0:19 0:02 gt 1 0:18 0:12 gt 2 0:04 0:73 gt 3 0:09 0:45 gt 4 0:15 0:08 Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 199 Individuell betrachtet wirken viele Parameter insigni…kant von null verschieden. Allerdings sind die individuellen Standardfehler und t - Tests in solchen Modellen nicht sehr aussagekräftig: wir haben ja eigentlich gar keine Hypothesen bezüglich einzelner Parameter, sondern wollen die Dynamik insgesamt einfangen. Einzelne Parameter sind ohnehin kaum interpretierbar. Man könnte mit F - Tests Gruppen von Parametern auf Signi…kanz testen, und bei Insigni…kanz das Modell entsprechend verkleinern. Beispiel: – Nullhypothese: alle Parameter von gt 4, rt 4, yt 4 sind insgesamt null. – Falls die Nullhypothese nicht abgelehnt wird, könnte man die (t 4) - Ver- zögerungen weglassen. – Dies kann man dann mit den (t 3) - Verzögerungen wiederholen, etc. Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 200 Allerdings ist ein zu groß es Modell kein allzu großes Problem (schlimmstenfalls haben wir ein paar über‡üssige Regressoren, was aber keine Verzerrung bedingt). Wichtiger ist, das umgekehrte Problem zu vermeiden, also sicherzustellen, dass das Modell nicht zu restriktiv ist, d.h. genügend Verzögerungen enthält, um die Dynamik adäquat abzubilden. Hierzu untersuchen wir die Residuen auf Autokorrelation. Wir erhalten: BG = 0:002 (p = 0:97) Ihre Interpretation? Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 201 Wir können mit den geschätzten Parametern nun die Impuls-Antwortfunktionen von yt ermitteln wie oben gezeigt, und zwar je separat für eine einmalige exogene Änderung der Staatsausgaben und des Realzinses um eine Einheit. 0.2 0.15 g - Schock r - Schock 0.1 0.05 0 -0.05 -0.1 -0.15 0 2 4 6 8 Verzögerung j Angewandte Ökonometrie, Winter 2024/25 202 Mit den hier gezeigten Methoden können wir nun also dynamische Zusammen- hänge schätzen und anhand von Impuls-Antwortfunktionen verdeutlichen. Damit sind wir der empirisch adäquaten Erfassung makroökonomischer Bezie- hungen einen großen Schritt nähergekommen. Zwei Verallgemeinerungen stehen noch aus: – Kap. 6: Multivariate Modelle zur Modellierung der gemeinsamen Dynamik (bisher: eine ADL - Gleichung für yt in Abhängigkeit von xt. Kap. 6: je eine ADL - Gleichung für jede der Variablen). – Kap. 5: Wir hatten bisher angenommen, dass alle Regressoren kontemporär exogen sind, so dass OLS asymptotisch gerechtfertigt ist. Diese kritische Annahmen heben wir im nächsten Kapitel auf.