Einführung in die Entwicklungspsychologie - Vorlesung 7 - PDF
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Universität Siegen
Simon Forstmeier
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This document is a handout from a lecture on development psychology, specifically focusing on emotional development in children and adolescents. It covers various topics including emotion theories, emotion development, and emotion regulation.
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Einführung in die Entwicklungspsychologie 7. Kindheit & Jugend: Emotionale Entwicklung Prof. Dr. Simon Forstmeier WS 2024/25 uni-siegen.de www.uni-siegen.de "Dieses Foto" von Unbekannter Au...
Einführung in die Entwicklungspsychologie 7. Kindheit & Jugend: Emotionale Entwicklung Prof. Dr. Simon Forstmeier WS 2024/25 uni-siegen.de www.uni-siegen.de "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-NC-ND Teilnehmer*innen gesucht! Online-Studie 1.5 VP-Std. o. Gutscheinverlosung Individuelles Feedback zur Ausrichtung der eigenen Zeitperspektive Zugang zu Trainingsmaterialien Titel der Präsentation 29. November 2024 Fragen stellen über Particify https://crs.zimt.uni-siegen.de/p/61399211 Vorlesung 7 3 Methoden der Entwicklungspsychologie Emotionstheorien Strukturalistischer Ansatz Funktionalistischer Ansatz Soziokultureller Ansatz Emotionsentwicklung Entwicklung positiver und negativer Emotionen Entwicklung von Emotionswissen Entwicklung von Emotionsregulation 4 Emotionstheorien "Dieses Foto" von Unbekannter Autor ist lizenziert gemäß CC BY-ND Emotion - Definition Emotion ist gekennzeichnet durch körperliche Reaktionen, subjektive Gefühle, mit diesen Gefühlen zusammenhängende Kognitionen (Gedanken) und dem Wunsch, etwas zu tun (Siegler et al., 2011, S. 377) Hauptfragen: Bedeutung der Kognitionen Angeboren oder erlernt 6 Theoretische Positionen in der Emotionsforschung Drei grundlegend unterschiedliche theoretische Positionen in der Emotionsforschung: Strukturalistischer Ansatz; auch Theorie der diskreten Emotionen (Basisemotionen; z.B. Izard, 2007; Tomkins, 1962) Funktionalistischer Ansatz (z.B. Campos et al., 2004) Soziokultureller Ansatz Jeder der Ansätze ist verbunden mit Spezifischen Forschungsparadigmen Verschiedenen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen 7 Strukturalistischer Ansatz: Theorie der Basisemotionen (Izard, 2007; Tomkins, 1962) Identifikation von Basisemotionen, die als universell und angeboren gelten (Izard, 1991) Acht angenommene Basisemotionen: Furcht Wut Freude Trauer Vertrauen Ekel Überraschung Neugierde 8 Strukturalistischer Ansatz: Theorie der Basisemotionen (Izard, 2007; Tomkins, 1962) Basisemotionen gehen einher mit: Spezifischen, subjektiven Erleben (dem Gefühl) Typischen physiologischen Reaktionen Abgrenzbaren Mustern des Ausdrucksverhaltens Sekundäre bzw. komplexe Emotionen Mischung aus den Basisemotionen 9 Umweltreiz Bewertung (appraisal) als motiv- oder zielrelevant Emotionsauslösung Veränderung der Handlungsbereitschaft (action readiness) Auslösung einer Handlungskonsequenz 10 Funktionalistischer Ansatz (z.B. Campos et al., 2004) Zentraler Stellenwert der Funktionen von Emotionen Umweltreiz Bewertung (appraisal) als motiv- oder zielrelevant Emotionsauslösung Veränderung der Handlungsbereitschaft (action readiness) Auslösung einer Handlungskonsequenz 11 Soziokultureller Ansatz (Lutz, 1988) Entwicklung von Emotionen durch Sozialisation geprägt Auch hier Bewertungen von Umweltreizen Kultur als Ursprung der Bewertungen Sozialisationsprozess: Situationstypen Emotionen Kulturspezifische Kopplungen von Situationen mit Emotionen sowie kulturspezifische Emotionsauffassungen (Lutz, 1988) 12 Emotions- entwicklung Emotionsentwicklung Bei Säuglingen zunächst eher undifferenzierte Lust-Unlust-Zustände Differenzierte positive und negative Emotionen entwickeln sich im ersten Lebensjahr (Sroufe, 1996) Selbstbewusste Emotionen (z.B. Scham, Schuld, etc.) in Kindheit und Vorschulalter 14 Emotionsentwicklung: Positive Emotionen bereits früh im Säuglingsalter nachweisbar Lächeln: nichtsozial sozial (6.-10.Woche) sozial, aber undifferenziert (auch mit Fremden) Mit 7 bis 8 Monaten differenziert, d.h. Fokus auf vertraute Menschen 15 Emotionsentwicklung: Positive Emotionen Auch Freude durch Kontrolle von Ereignissen (Lewis, Allessandri & Sullivan, 1990): bereits mit 2 Monaten Im Verlauf des ersten Lebensjahres vermehrter Ausdruck positiver Emotionen Ab 2. Lebensjahr: Freude am Austausch positiver Affekte 16 Emotionsentwicklung: Negative Emotionen Bereits früh auch negative Emotionen Angst Bis zum Alter von ca. 7 Monaten keine eindeutigen Angstindikatoren (im Unterschied zu anderen Emotionen) Ab ca. 8. Monat: Angst vor Fremden und Trennungsangst Aber: große Variation (Sroufe, 1995) Ab 1 Jahr Kontextinformationen beeinflussen Angst 2 -4 Jahren irrationale Ängste möglich (Monster sehen) wegen Unfähigkeit Fantasie und Realität zu trennen Im Schulalter: Anstieg sozialer und Bewertungs-Ängste 17 Emotionsentwicklung: Negative Emotionen Ärger Mittel Ziel Aktivierung des Organismus, um Hindernisse zu beseitigen Entwicklung von Ärgerreaktionen: Rudimentäres Verständnis von Mittel-Ziel- Relationen ist Voraussetzung Wutreaktion besonders im 2. Lebensjahr häufig Nach Goodenough, 1931; Aus Siegler et al., 2011; S. 384 18 Beispiel Prüfungsfragen Was ist eine Voraussetzung für die Entwicklung von Ärger? a) Aggressives Verhalten b) Grundlegendes Sprachverständnis c) Fähigkeit zu selbstbewussten Emotionen d) Verständnis für Ziel-Mittel-Relationen 19 Emotionsentwicklung: Selbstbewusste Emotionen (sekundäre Em.) Scham Schuld Stolz Verlegenheit Eifersucht Entwicklungsvoraussetzungen (Lewis & Brooks-Gunn, 1979): Objektives Selbstbewusstsein Bewusstsein für die Regeln und Normen 20 Emotionswissen Emotionswissen umfasst Identifizieren von Emotionen bei Anderen Wissen über Auslöser von Emotionen Wissen über Indikatoren des emotionalen Erlebens Wissen über Ausdrucksverhalten 21 Wichtigkeit von Emotionswissen und Emotionsregulation Emotionswissen und Emotionsregulation sagen Schulleistungen und psychisches Wohlbefinden voraus. 1. Klasse Kindergarten Trentacosta et al. (2007) 22 Emotionswissen Wissen über Emotionsauslöser Häufig über Vignetten erfasst: Kurze Geschichten mit Situationen, die ein bestimmtes Gefühl auslösen Frage an die Kinder, welches Gefühl der Akteur in der Geschichte erlebt Wissen über Emotionsauslöser – Ergebnisse Bereits mit 3 Jahren Freude (Borke, 1971) Probleme bei negativen Emotionen bis Schulalter (Denham & Couchoud, 1990; Michalson & Lewis, 1985) 23 Entwicklung des Emotionswissen https://lehrbuch-psychologie.springer.com/videos/437 Emotionswissen Wissen über Emotionsauslöser – weitere Ergebnisse Im Schulalter korrekte Identifikation der Auslöser selbstbewusster Emotionen schon im späten Vorschulalter Wissen, dass auch Kognitionen Emotionen auslösen können (z.B. Lagattuta, Wellman, & Flavell, 1997) https://de.aliexpress.com/ 25 Emotionswissen: Identifizieren von Emotionen bei Anderen Bereits Kinder im Alter von 4 - 7 Monaten können verschiedene emotionale Ausdrücke unterscheiden (Serrano, Iglesias, & Loeches, 1993) Ab 8-12 Monate: Soziales Referenzieren Erkennen von Freude mit 2 Jahren 3 – 4 Jahre erkennen von Wut und Traurigkeit Ab ca. 5 - 6 Jahren: Erkennen von Angst, Überraschung und Ekel (Eisenberg, Murphy, & Foto: bigstock Shepard, 1997) Kein Erkennen von Schuld, Scham, Stolz vor 8- 9 Jahren (Saarni et al., 2006) 26 Emotionswissen Emotionsverständnis – ambivalente Emotionen Situationen häufig mit mehr als einer Emotion verknüpft Im Vorschulalter ≠ mehrdeutige Gefühle Ab 7 Jahren: multiple Emotionen mit gleicher Valenz in einer Situation zu beschreiben (Wintre & Vallance, 1994) https://krank.de/krankheiten/ambivalenz/ ab 11 Jahren: Fähigkeit, ein Verständnis für widerstreitende Gefühle in einer Situation auszudrücken 27 Emotionsregulation Definition Der Prozess der Initiierung, Hemmung oder Modulierung innerer Gefühlszustände und der mit diesen Zuständen verbundenen physiologischen Prozesse, Kognitionen und Verhaltensweisen (Siegler et al., 2011, S. 390) 28 Emotionsregulation (nach Gross, 2007) 29 Emotionsregulation: Kindheit Intrapsychische Emotionsregulation: selbstständige Emotionsregulation Interpsychische Emotionsregulation: Emotionsregulation durch Unterstützung anderer Personen Entwicklungstrend: Interpsychisch intrapsychisch 30 Emotionsregulation: Kindheit Säuglings- und Kleinkindalter Dominanz der interpsychischen Emotionsregulation Erste Formen der intrapsychischen Emotionsregulation Ab 2 Mo: Aufmerksamkeit weglenken, Saugen an Fingern Ab 3. - 6. Monate: aktive Einforderung interpsychischer Regulation Ab Alter von 1 Jahr: intrapsychische Regulation möglich Zunehmende Nutzung sozialen Referenzierens Ab etwa 18 Monaten Zunahme Benennen emotionalen Erlebens (Sprachentwicklung) 31 Emotionsregulation: Kindheit Vorschulalter Wechsel von inter- zur intrapsychischen Emotionsregulation (z.B. Holodynski & Upmann, 2003) Fähigkeit der Emotionsregulation zum Erreichen eigener Ziele Fähigkeit, negative emotionale Folgen eines Handelns für sich und andere vorherzusehen (z.B. Nunner-Winkler & Sodian, 1988) Zunehmende Entkopplung von emotionalem Erleben und emotionalem Ausdruck Eltern weiterhin wichtige Modellfunktion 32 Emotionsregulation: Kindheit Schulalter Zunehmender Einsatz kognitiver Strategien zur Emotionsregulation Zunehmende Abstimmung der Regulationsstrategien auf die Situation (Folkman & Lazarus, 1988) Kontrollierbare Situation problemorientierte Strategie Unkontrollierbare Situation indirekte Strategie Abnahme vermeidender und aggressionsbezogener Strategien 33 Emotionsregulation: Jugend Jugend Weitere Zunahme der Vielfalt und Nutzungsflexibilität bei Emotionsregulationsstrategien (Fields & Prinz, 1997) Zunahme von Geschlechtsunterschieden beim Einsatz von Emotionsregulationsstrategien: Mädchen eher Mobilisierung von sozialer Unterstützung (z.B. Frydenberg & Lewis, 2000) Jungen eher vermeidende Strategien und Risikoverhaltensweisen (Hampel & Petermann, 2005) In stärkerem Maße internalisierende Problemverarbeitung bei Mädchen und externalisierende Problemverarbeitung bei Jungen 34 Beispiel Prüfungsfrage Welche Antwort ist richtig? A. Zur Emotionsregulation im Jugendalter suchen Mädchen eher nach sozialer Unterstützung als Jungen. B. Zur Emotionsregulation im Jugendalter suchen Mädchen und Jungen gleich stark nach sozialer Unterstützung. C. Zur Emotionsregulation im Jugendalter suchen Jungen eher nach sozialer Unterstützung als Mädchen. D. Zur Emotionsregulation im Jugendalter spielt die Suche nach sozialer Unterstützung keine Rolle. 35