Vorlesungsunterlagen Bakteriologie Antibiotikaresistenzen und Genetik PDF
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Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe
2024
Prof. Dr. habil. Sebastian Ulrich
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Diese Vorlesungsunterlagen behandeln Antibiotikaresistenzen und Bakteriengenetik. Sie beinhalten Informationen zu Resistenzmechanismen, Gentransfer, und dem Problem der Multiresistenz bei Krankheitserregern. Die Unterlagen bieten einen umfassenden Einblick in die komplexen Themen.
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Antibiotikaresistenzen + Bakteriengenetik 1 Prof. Dr. habil. Sebastian Ulrich; 25.10.2024 Antibiotika-Resistenzen und One-Health Resistenzentwicklungen Resistenzprobleme...
Antibiotikaresistenzen + Bakteriengenetik 1 Prof. Dr. habil. Sebastian Ulrich; 25.10.2024 Antibiotika-Resistenzen und One-Health Resistenzentwicklungen Resistenzprobleme und -kosten 70 Tonnen Antibiotika-Einsatz in D im Jahr 2019 670 Tonnen 339 Tonnen Antibiotikaresistenzen = „stille Pandemie“ 2 Antibiotika Angriffspunkte (drug targets): - Zellwand - Proteinbiosynthese (70S Ribosomen) - DNA-Synthese - RNA-Synthese - Stoffwechsel - Membranen 3 β-Lactam-Antibiotika Zellwand β-Lactam-Antibiotika binden und blockieren das Enzym Transpeptidase (= Penicillin-Bindungsprotein) - extrazellulärer Wirkungsort - bakteriozide Wirkung - aber nur auf sich teilende Bakterien!! 4 Resistenzmechanismen 5 Natürliche Resistenz Alle Vertreter einer Art/Gattung sind resistent gegenüber einem bestimmten Antibiotikum („angeborene“ Resistenzen). Beispiele: - Mycoplasmen besitzen keine Zellwand und sind damit resistent gegenüber β-Lactam-Antibiotika (Zielstruktur) - Gram-negative Keime sind resistent gegenüber Vancomycin - Chlamydien sind obligat intrazellulär, dorthin müssen die Antibiotika gelangen (Wirkort) - Enterokokken besitzen eine natürliche Resistenz gegenüber Cephalosporinen 6 Erworbene Resistenzen - nicht alle Vertreter einer Bakteriengruppe zeigen die gleiche Resistenz - diese Resistenzen können in der Regel übertragen werden (→ Gentransfer) 7 Antibiotika-Resistenzen Problem Multiresiste Keime: MRSA: Methicillin-resistente Staphylococcus aureus VRE: Vancomycin-resistente Enterokokken ESBL: Extended-spectrum β-Lactamasen 3MRGN/4MRGN: Multiresistente Gram-negative Keime - Breitband-Penicilline - Cephalosporine der 3. oder 4. Generation - Carbapeneme - Fluorchinolone 8 Weitere Gründe für Antibiotika-Resistenzen Biofilm: Diffusionsbarriere, tief im Biofilm teilen sich Bakterien selten Persister (small colony varients): Bakterien teilen sich selten (z.B. Streptokokken) L-Formen: besitzen keine Zellwand (z.B. Listerien) Mutator-Stämme: können unter Stress ihre Mutationsrate erhöhen und so neue, resistente Varianten hervorbringen (z.B. Salmonella) intrazelluläre Pathogene: Wirtszelle als Diffusionsbarriere (z.B. Chlamydien, Listerien, Salmonellen) 9 Resistenzgene Gene, die Faktoren kodieren, die zu einer Resistenz führen Viele Resistenzgene sind bekannt und gut untersucht 10 Nature, 2011 Die meisten Antibiotika-Resistenzgene existieren seit Tausenden von Jahren. Sie werden nur zunehmend auf pathogene Keime übertragen und breiten sich im klinischen Umfeld aus. Problem: Optimierung, Kombination und Ausbreitung von Resistenzen 11 Bakteriengenetik 12 Genom = die Gesamtheit der genetischen Information einer Zelle Replicon = sich replizierende genetische Einheit 13 Das bakterielle Genom ein Chromosom - meist zirkulär, selten linear Plasmide - variable Größe, variable Anzahl Der genetische Zoo Plasmide Integrons Genominseln Prophagen Transposons IS Elemente 15 Genetik der Bakterien Bakteriengenom = Chromosom „Kern“-Genom Transposons + Integrons / Genkassetten genomische Inseln „Flexibler Genpool“ → in E. coli ca. 30%!!! Prophagen Plasmide 16 Schnelle Anpassung der Bakterien an die Umwelt 17 Lederberg & Tatum, 1946 Horizontaler Gentransfer Weitergabe genetischer Information nicht von der Eltern- an die Nachkommengeneration, sondern zwischen „unabhängigen“ Zellen innerhalb einer Spezies oder zwischen Spezies DNA E. coli Bakterium XY 18 Tendenzen in der Entwicklung der Genomgrößen pathogener Keime - Vergrößerung durch Erwerb von Pathogenitätsfaktoren Escherichia coli K12 4,60 Mb Enterohämorrhagische E. coli 5,50 Mb - Verkleinerung durch ‚pathogene Spezialisierung‘ Obligater Parasitismus ist durch den Verlust metabolischer Fähigkeiten und durch eine drastische Reduktion der Genomgröße gekennzeichnet (Beispiele: Mycoplasmen (≥ 0,6 Mb) oder Chlamydien) 19 E. coli-Pathotypen spezielle Virulenzfaktoren: - Enterotoxische E. coli (ETEC) Adhäsion, Toxin - Enteropathogene E. coli (EPEC) Adhäsion, A/E - Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) Adhäsion, A/E, Toxin - Enteroaggregative E. coli (EAggEC) Adhäsion, Toxin - Enteroinvasive E. coli (EIEC) Invasion, intrazell. Überleben - Uropathogene E. coli (UPEC) Adhäsion, Toxin - Meningitis auslösende E. coli Adhäsion, Invasion 20 Basismodell E. coli + Extras (= Virulenzfaktoren?) EHEC 21 STEC/EHEC - Hämolysin-Plasmid - Shiga Toxin Phage - Pathogenitätsinsel - weitere chromosomale Integrationen 22 Gentransfer Transformation Konjugation Transduktion weitere mobile genetische Elemente 23 Transformation = Aufnahme und Integration freier extrazellulärer DNA durch kompetente Bakterien es sind mehr als 40 natürlich kompetente Spezies bekannt (z.B. Streptococcus) Kompetenz ist ein vorübergehender, gut regulierter Zustand, z.B. im Zusammenhang durch bestimmtes Nährstoffangebot induzierbar Verwendung in der Gentechnologie (i.d.R. als Plasmid-Aufnahme), in freier Wildbahn werden 24 Plasmide anders übertragen Gentransfer Transformation Konjugation Transduktion weitere mobile genetische Elemente 25 Konjugation F-Faktoren Fertilität = Fähigkeit zur Konjugation R-Faktoren Resistenzgene sind auf Plasmiden kodiert und werden mit diesen übertragen 26 Konjugation Sex Pilus Rezipient (F-) Donor (F+) Mob Tra blau = neu synthetisierte DNA → Mob(ilization)- und Tra(nsfer)-Faktoren (= F-Faktoren). konjugative Plasmide, konjugative Transposons 27 Plasmide frei im Zytoplasma vorliegend i.d.R. ringförmig und verdrillt Größe zwischen ca. 2 kb und > 200 kb Kopienzahlen zwischen 1 und ca. 50 (konstant für ein bestimmtes Plasmid) Vermehrung unabhängig vom Chromosom (→ Replicon) mit Genen für phänotypische Eigenschaften - Virulenzgene (Membranproteine, Toxine) - Antibiotikaresistenzgene - Stoffwechselenzyme 28 STEC/EHEC Transformation (im Labor)! Agarosegel Hämolyse 94kb 1 6 413/89-6 = spontane Variante von 413/89-1 - Plasmid - Hämolysin-Operon 29 E. coli Hämolysin-Operon Ein Operon ist eine Gruppe von Genen, die als eine mRNA gemeinsam abgelesen werden (charakteristisch für Bakterien!). Äußere Membran TolC HlyD Transkripte Innere Membran polycistronisches Operon HlyA HlyB HlyC HlyC fügt Fettsäuren an das HlyA an HlyA ist das eigentliche Hämolysin 30 Gentransfer Transformation Konjugation Transduktion weitere mobile genetische Elemente 31 Bakteriophagen/Transduktion Viren, deren Wirtszellen Bakterien sind RNA oder DNA, ds oder ss, linear oder ringförmig Aufbau der Hülle filamentös (M13), kugelig, komplex (Lambda, T-Phage) Lambda Phage M13 Phage bei vielen Bakterien bekannt Wirtsspektrum limitiert durch spezifische Rezeptoren an der Bakterienzelle Phagentherapie 32 Transduktion Vermehrungsstrategien: lytischer Phage: direkte Vermehrung temperente Phage: Prophage (Lysogenie) Prophage: Integration temperenter Phagen in die Wirts-DNA. ‚Gen-Fähre‘ 33 Transduktion Übertragung von DNA mittels Bakteriophagen: 1. Möglichkeit: - Verpackung von bakteriellen DNA- 34 Fragmenten in den Phagenkopf maximale DNA-Größe, die übertragen werden kann ≙ Phagengenom 2. Möglichkeit: - ungenaues Ausschneiden der Prophagen-DNA aus dem Genom Shiga Toxin (STEC) Die Shiga Toxin Gene liegen in einem temperenten Phagen. Temperente Phagen können sich als Prophagen in das bakterielle Genom integrieren (z.B. in EHEC). Aktivierung des Prophagen durch Stress z.B. durch Antibiotika d.h. eine antibiotische Therapie kann den Phagen aktivieren und dadurch zur vermehrten Bildung von Shiga-Toxin führen! 35 Welche Mengen an genetischem Material können übertragen werden? - Transformation wenige kb - Konjugative Plasmide ca. 100kb - Phagen ca. 40 kb ein bakterielles Gen ~ 1 kb! 36 Gentransfer Transformation Konjugation Transduktion weitere mobile genetische Elemente 37 Pathogenitätsinseln tRNA - größere, chromosomale DNA-Abschnitte - kodieren komplexe biologische Eigenschaften („Quantensprung“) - kodieren i.d.R. eigene Regulatoren - sind durch horizontalen Gentransfer übertragbar 38 Pathogenitätsinsel Spezieller Adhäsionsmechanismus Enteropathogener E. coli (EPEC) an das Darmepithel 39 In verschiedenen E. coli führt die Insertion unterschiedlicher PAIs neben der gleichen tRNA (selC) zu unterschiedlichen Virotypen. Bestimmte Phagen inserieren sich neben t-RNAs! 40 Mobile genetische Elemente DNA-Abschnitte, die durch innerhalb eines Replicons (z. B. eines Chromosoms) oder auf ein anderes Replicon (z.B. von Chromosom auf ein Plasmid) übertragen werden können („springende Gene“) Folge: Umorganisation des Genoms durch Insertion, Deletion und Inversion 41 Mobile genetische Elemente Klasse-II-Transposon –„cut & paste“ Transposon liegt als DNA vor → Transposon wird ausgeschnitten → Einbau des Transposons an anderer Stelle → oft bleibt eine genetische Narbe zurück Klasse-I-Transposon – Retrotransposon – „copy & paste“ → Transkription in mRNA → Transkription in DNA mit Hilfe der Reversen Transkriptase → Einbau der Kopie an anderer Stelle 42 Mobile genetische Elemente Transposon (Klasse II) Tn3 Transposons IR Transposase Resolvase β-Lactamase IR Inverted Repeats (IR) = Erkennungssequenzen für die Enzyme Transposase (Herausschneiden eines DNA-Abschnitts) und Resolvase (Rekombination) 43 Zusammenfassung Verschiedene Antibiotikagruppen interagieren mit verschiedenen Zielstrukturen →Wirkmechanismen „angeborene“ und erworbene Resistenzmechanismen – Veränderung der Zielstruktur – Transport weg von der Zielstruktur – Veränderung des Antibiotikums – … Gentransfer und dessen Bedeutung für Virulenz und Antibiotikaresistenz Möglichkeiten des Gentransfers - Transformation - Konjugation - Transduktion -… 44