Markt- und Wohlfahrtsökonomik vs. Konstitutionelle Ökonomik PDF
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This document analyzes how markets allocate resources and how efficient that allocation is. It also looks into the evaluation of market outcomes, the conditions for optimal allocation, and potential interventions in cases of market failure. This paper further discusses concepts of welfare economics, including old and new perspectives, e.g. utilitarian perspective (cardinal measurement versus ordinal measurement) and the core theorems (first and second-order theorems), relevant efficiency concepts, and the economic role of the state.
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Markt- und Wohlfahrtsökonomik vs. Konstitutionelle Ökonomik Markt- und Wohlfahrtsökonomik ALLGEMEINE DEFINITION Die Markt- und Wohlfahrtsökonomik analysiert, wie Märkte Ressourcen verteilen und wie effizient dies geschieht. Der Fokus liegt auf der Bewertung von Marktergebnissen, den Bedingungen f...
Markt- und Wohlfahrtsökonomik vs. Konstitutionelle Ökonomik Markt- und Wohlfahrtsökonomik ALLGEMEINE DEFINITION Die Markt- und Wohlfahrtsökonomik analysiert, wie Märkte Ressourcen verteilen und wie effizient dies geschieht. Der Fokus liegt auf der Bewertung von Marktergebnissen, den Bedingungen für optimale Allokationen und möglichen Eingriffen bei Marktversagen. NEOKLASSISCHE WOHLFAHRTSÖKONOMIK Ziele - Effiziente Verteilung knapper Ressourcen. - Maximierung des gesellschaftlichen Wohlergehens. Alte Wohlfahrtsökonomik (Pigou & Marshall) - Kardinale Nutzenmessung: Der Nutzen von Individuen wird direkt gemessen und miteinander verglichen. - Soziale Wohlfahrtsfunktion: Nutzen einzelner Individuen werden aggregiert (Bergson- Samuelson-Funktion). - Kritik: Annahme von kardinal messbarem und interpersonell vergleichbarem Nutzen ist unrealistisch. Neuere Wohlfahrtsökonomik - Ordinale Nutzenmessung: Individuen ordnen Präferenzen, ohne eine direkte Nutzenmessung. - Pareto-Kriterium: Eine Allokation ist effizient, wenn niemand besser gestellt werden kann, ohne andere schlechter zu stellen. - Kaldor-Hicks-Kriterium: Eine Veränderung ist wünschenswert, wenn die Gewinner die Verlierer entschädigen könnten (theoretisch). HAUPTSÄTZE DER WOHLFAHRTSÖKONOMIK Erster Hauptsatz: - Unter idealen Bedingungen (perfekte Märkte, keine Externalitäten, vollständige Informationen) sind Marktgleichgewichte automatisch pareto-effizient. - Bedeutet: Dezentrale Entscheidungen führen zu optimalen Ergebnissen, ohne dass ein zentraler Planer eingreifen muss. - Ursprung: Arbeiten von Kenneth Arrow und Gérard Debreu. Zweiter Hauptsatz: - Jedes pareto-effiziente Ergebnis kann durch eine Umverteilung der Anfangsausstattung erreicht werden, ohne Effizienzverluste zu erzeugen. - Wichtig: Diese Umverteilung muss als lump sum transfer (pauschal und nicht verhaltensabhängig) erfolgen, um Marktanreize nicht zu verzerren. Effizienzkonzepte - Diese Effizienzkonzepte stellen die Basis für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Märkten dar. Sie zeigen, unter welchen Bedingungen Märkte zu optimalen Ergebnissen führen und welche Faktoren (z. B. Marktversagen) diese verhindern können. - Tauscheffizienz ‣ Definition: Tauscheffizienz ist erreicht, wenn keine weitere Umverteilung der Güter zwischen Individuen möglich ist, die mindestens einen besserstellen würde, ohne einen anderen schlechterzustellen. ‣ Kriterium: Die Grenzrate der Substitution (MRS) im Konsum muss für alle Individuen gleich sein: MRSxyA = MRSxyB Dies bedeutet, dass Individuen bereit sind, Güter in einem bestimmten Verhältnis zu tauschen, und dieser Austausch keine Verbesserung mehr bringt. ‣ Beispiel: Zwei Individuen A und B besitzen Güter und. Durch Handel erreichen sie eine Allokation, bei der beide ihren Nutzen maximiert haben. Danach gibt es keine Anreize mehr, weiter zu tauschen. ‣ Zusammenfassung: Konsumenten maximieren ihren Nutzen durch Tausch Seite 1 von 3 - Produktionseffizienz ‣ Definition: Produktionseffizienz liegt vor, wenn keine Produktionsfaktoren mehr umverteilt werden können, um die Gesamtproduktion zu steigern. ‣ Kriterium: Die Grenzrate der technischen Substitution (MRTS) zwischen Produktions- faktoren muss in allen Unternehmen identisch sein: MRTSLX = MARSLCY Hierbei bezeichnet den Faktor Arbeit und den Faktor Kapital. ‣ Beispiel: Zwei Unternehmen produzieren Güter und mit Arbeit und Kapital. Die Faktoren sind so verteilt, dass die Produktion beider Güter nicht mehr gesteigert werden kann, ohne bei einem Gut eine Reduktion hinzunehmen. ‣ Zusammenfassung: Produktionsfaktoren sind optimal verteilt. - Globale Effizienz ‣ Definition: Globale Effizienz wird erreicht, wenn sowohl die Tauscheffizienz als auch die Produktionseffizienz erfüllt sind und zusätzlich die Grenzrate der Transformation (MRT) der Produktion mit der Grenzrate der Substitution im Konsum übereinstimmt. ‣ Kriterium: MRT = MRS Die MRT beschreibt, wie viele Einheiten eines Gutes aufgegeben werden müssen, um eine zusätzliche Einheit eines anderen Gutes zu produzieren. Dies muss mit der Bereitschaft der Konsumenten übereinstimmen, Güter gegeneinander zu tauschen (MRS). ‣ Beispiel: In einer Wirtschaft wird das optimale Gleichgewicht erreicht, wenn die Unternehmen Güter so produzieren, wie es der Nachfrage der Konsumenten entspricht. ‣ Zusammenfassung: Produktion und Konsum sind aufeinander abgestimmt. - Intertemporale Effizienz ‣ Definition: Intertemporale Effizienz liegt vor, wenn die Verteilung von Ressourcen zwischen Gegenwarts- und Zukunftskonsum optimal ist. ‣ Kriterium: Die intertemporale Substitutionsrate (wie viel Konsum in der Zukunft für heutigen Konsum geopfert wird) muss der Grenzproduktivität des Kapitals entsprechen: ISR = MPK ‣ ISR: Verhältnis, in dem Individuen bereit sind, Gegenwartskonsum gegen Zukunftskonsum zu tauschen. ‣ MPK: Zusätzliche Produktion durch eine zusätzliche Einheit Kapital. ‣ Beispiel: Investitionen in Maschinen (Kapital) heute ermöglichen eine höhere Produktion in der Zukunft. Intertemporale Effizienz ist erreicht, wenn diese Entscheidung den Präferenzen der Konsumenten entspricht. ‣ Zusammenfassung: Ressourcen sind optimal zwischen Gegenwarts- und Zukunftsnutzung verteilt. - Marginale Bedingungen für Effizienz ‣ Die Effizienzen können durch folgende mathematische Bedingungen veranschaulicht werden: Grenznutzen X Preisvon X ‣ Konsumoptimum: GrenznutzenY = PreisvonY Grenz prdukt von Arbeit Lohnsatz ‣ Produktionsoptimum: Grenz produktconKapital = Kapitalpreis Preisvon X ‣ Gesamtoptimum (Simultane Effizienz): Die Grenzrate von (MRT) = PreisvonY = Grenzrate der Substitution (MRS) KRITIKPUNKTE UND GRENZEN DER WOHLFAHRTSÖKONOMIK Marktversagen: Märkte führen nicht immer zu pareto-effizienten Ergebnissen, z. B. bei: - Externalitäten (z. B. Umweltverschmutzung) - Öffentlichen Gütern (z. B. Landesverteidigung) - Informationsasymmetrien (z. B. Akerlofs „Markt für Lemons“) - Natürlichen Monopolen (z. B. Netzindustrien wie Strom) Unrealistische Annahmen: - Perfekte Information - Preisnehmerverhalten (keine Marktmacht) - Fehlen externer Effekte Seite 2 von 3 Konstitutionelle Ökonomik ALLGEMEIN Die konstitutionelle Ökonomik betrachtet Märkte aus einer institutionellen Perspektive und hinterfragt die Voraussetzungen, unter denen Märkte überhaupt funktionieren können. WESENTLICHE BAUSTEINE Sie trennt zwischen Spielregeln („rules of the game“) und Spielzügen („choices within rules“). Die Einigung auf und Etablierung der Spielregeln samt ihrer Durchsetzung ist dem individuellen Handeln systematisch vorgelagert. Sie sieht Markt- und Politikversagen als Institutionenversagen an. Quelle des Wachstums sind Ideen (neue Produkte, Verfahren, Organisationen, Institutionen). Gute Ideen resultieren aus Wettbewerbsprozessen (funktionsfähigem Leistungswettbewerb unter adäquaten Spielregeln). Es gibt zwei Quellen für das Auftreten unerwünschter Ergebnisse: Wissensdefizite und Anreizdefizite (aufgrund defizitärer Regeln). Wenn man bessere „Interaktionsergebnisse“ erzielen will, muss man die Regeln ändern. Das gilt für den Markt wie für die Politik. Regeländerungen sind Kollektiventscheidungen (in der Demokratie). GRUNDANNAHMEN Es gibt Regeln des Spiels („rules of the game“), die vor der individuellen Handlung festgelegt werden. Institutionen (z. B. Gesetze, Normen, Verträge) schaffen die Rahmenbedingungen für Märkte und beeinflussen die Ergebnisse entscheidend. ZENTRALE UNTERSCHIEDE ZUR WOHLFAHRTSÖKONOMIK: Kollektive Entscheidungen vor Individualentscheidungen - Die Gestaltung der Institutionen (z. B. Verfassung, Marktordnung) geht individuellen Handlungen voraus. - Fokus auf die Etablierung und Durchsetzung von Regeln. Marktversagen als Institutionenversagen - Markt- und Politikversagen werden als Ergebnis unzureichender Institutionen betrachtet, z.B. fehlender Eigentumsrechte. Zentrale Rolle von Ideen und Wettbewerb - Ideen (Innovation, neue Organisationsformen) treiben Wachstum an. - Wettbewerbsprozesse fördern diese Ideen, sofern die Institutionen Anreize richtig setzen. PFADABHÄNGIGKEIT Institutionen weisen oft eine Pfadabhängigkeit auf: - Entstehungspfad beeinflusst die weitere Entwicklung. - Kleine Entscheidungen können langfristige Auswirkungen haben (z. B. Bildungssysteme, Eigentumsrechte). - Rückkehr zu alternativen Pfaden ist mit hohen Kosten verbunden. PRAKTISCHE KONSEQUENZEN: Regeländerungen (z. B. Marktregulierungen) müssen demokratisch legitimiert sein. Märkte und Politik benötigen adäquate Rahmenbedingungen, um effiziente Ergebnisse zu erzielen. FAZIT: Während die Wohlfahrtsökonomik ideale Marktmechanismen beschreibt, fokussiert die konstitutionelle Ökonomik darauf, die Institutionen zu gestalten, die diese Mechanismen erst ermöglichen. Beide Ansätze ergänzen sich, indem sie Effizienzfragen (Wohlfahrtsökonomik) und Regelgestaltungsfragen (konstitutionelle Ökonomik) behandeln. Seite 3 von 3 Homo Oeconomicus vs. Verhaltensökonomik Homo Oeconomicus (HO): Das klassische Modell ALLGEMEIN Der Homo Oeconomicus ist ein theoretisches Idealbild eines rationalen und nutzenmaximierenden Akteurs in der Wirtschaft. CHARAKTERISTIKA DES HO Individualprinzip: Der HO trifft Entscheidungen unabhängig und basierend auf seinen individuellen Präferenzen. Rationalprinzip: Handlungen sind vollständig rational, basierend auf vollständigen Informationen. Konstanz der Präferenzen: Präferenzen ändern sich nicht willkürlich, sondern sind stabil. Methodologischer Individualismus: Nur individuelles Verhalten ist entscheidungsrelevant, kollektive Phänomene werden auf individuelles Handeln zurückgeführt. Nutzenmaximierung: Ziel ist die Maximierung des individuellen Nutzens unter Berücksichtigung von Restriktionen. ZENTRALE POSITIONEN Ontologische Interpretation (Ludwig von Mises): Menschen handeln stets rational und können durch das HO-Modell beschrieben werden. Als-ob-Position (Gary Becker): Auch wenn Menschen nicht immer rational handeln, ist das HO- Modell eine nützliche Approximation für repräsentatives Verhalten. Output-Orientierung (Milton Friedman): Es zählt der Erklärungserfolg des Modells, nicht die Realistik der Annahmen. KRITIK AM HO Das Modell wird oft dafür kritisiert, die Realität zu stark zu vereinfachen, insbesondere: - Vernachlässigung emotionaler, sozialer oder psychologischer Einflüsse. - Überbetonung der Rationalität und Vernachlässigung von Fehlern und systematischen Verzerrungen. Verhaltensökonomik: Herausforderungen für den HO ALLGEMEIN Die Verhaltensökonomik (Behavioral Economics) erweitert das Modell des Homo Oeconomicus, indem sie psychologische und experimentelle Erkenntnisse integriert. VERHALTENSTHEORETISCHE HERAUSFORDERUNGEN Die Verhaltensökonomik zeigt, dass menschliches Verhalten oft von den Annahmen des HO abweicht. - Begrenzte Rationalität (Herbert Simon) ‣ Menschen handeln nicht völlig rational, sondern nach dem Prinzip der “bounded rationality” (begrenzte Rationalität). ‣ Statt die optimale Entscheidung zu suchen, wählen sie oft die erste zufriedenstellende Option (Satisficing). ‣ Entscheidungsfindung ist durch begrenzte Informationsverarbeitungskapazität eingeschränkt. - Shared Mental Models (Denzau & North) ‣ Individuen teilen mentale Modelle und kulturelle Werte, die ihre Wahrnehmung und Entscheidungen beeinflussen. ‣ Institutionen und Ideologien formen diese Wahrnehmungsfilter. - Hayeks sensorische Ordnung ‣ Menschen nehmen die Welt durch einen kulturell und individuell geprägten Wahrnehmungsfilter wahr, der durch Erfahrungen und Evolution entsteht. Seite 1 von 5 Anomalien: Abweichungen vom HO ALLGEMEIN Experimente in der Verhaltensökonomik haben eine Vielzahl von systematischen Anomalien aufgedeckt ABWECHSLUNG (SIEGEL ET AL., 1960) Beschreibung: Menschen bevorzugen Abwechslung, selbst wenn sie dadurch eine weniger optimale Wahl treffen. Der “Nutzen der Vielfalt” überlagert den Nutzen einer konsistenten Entscheidung. Beispiel: Ein Teilnehmer soll Snacks für fünf Tage auswählen - Wenn er alle Snacks auf einmal auswählt, entscheidet er sich für eine große Vielfalt (z. B. Schokoriegel, Chips, Kekse), um nicht jeden Tag dasselbe zu essen. - Wenn er täglich neu wählen darf, entscheidet er sich fast immer für seinen Lieblingssnack (z. B. Schokoriegel). ‣ Der Wunsch nach Abwechslung führt dazu, dass die Gesamtauswahl weniger optimal ist. PRÄFERENZUMKEHR (LICHTENSTEIN & SLOVIC, 1971) Beschreibung: Menschen wählen eine Option, die sie in einer anderen Entscheidungssituation als weniger wertvoll beurteilen. Beispiel: Zwei Lotterien: - Lotterie A: 80% Gewinnchance von 4€, sonst nichts. - Lotterie B: 40% Gewinnchance von 10€, sonst nichts. ‣ Menschen wählen Lotterie A beim Spielen (wegen höherer Gewinnwahrscheinlichkeit), geben aber Lotterie B einen höheren Verkaufspreis, da sie den höheren möglichen Gewinn schätzen. CERTAINTY-EFFEKT (TVERSKY & KAHNEMAN, 1974) Beschreibung: Menschen bevorzugen sichere Ergebnisse gegenüber riskanten, selbst wenn das Risiko einen höheren erwarteten Nutzen bietet. Beispiel: - Option 1: 100% Gewinn von 50€ vs. Option 2: 75% Gewinn von 80€, 25% Gewinn von 0€. ‣ Viele wählen Option 1, obwohl der erwartete Nutzen von Option 2 höher ist (80€ × 0,75 = 60€). ANCHORING (TVERSKY & KAHNEMAN, 1974) Beschreibung: Menschen orientieren sich stark an einer vorgegebenen Referenz (Anker), selbst wenn dieser irrelevant ist. Beispiel: In einem Experiment sollten Teilnehmer die letzten beiden Ziffern ihrer Telefonnummer aufschreiben und dann den Preis für eine Flasche Wein schätzen. - Teilnehmer mit höheren Telefonnummern gaben höhere Schätzungen ab, da ihre Telefonnummer als Anker diente. BASE-RATE-FALLACY (TVERSKY & KAHNEMAN, 1974) Beschreibung: Menschen ignorieren statistische Wahrscheinlichkeiten (Basisraten) zugunsten spezifischer Informationen. Beispiel: Einem Teilnehmer wird gesagt: „Ein Mann in einer Bibliothek trägt eine Brille und liest ein Buch. Ist er eher ein Bibliothekar oder ein Bauer?“ - Viele sagen „Bibliothekar“, obwohl es viel mehr Bauern gibt als Bibliothekare. KONTROLL-ILLUSION (LANGER, 1975) Beschreibung: Menschen überschätzen ihre Kontrolle über Ereignisse, die eigentlich vom Zufall bestimmt sind. Beispiel: Teilnehmer eines Experiments erhalten einen Lottoschein. - Sie sind weniger bereit, ihren Schein gegen einen anderen zu tauschen, wenn sie ihn selbst ausgewählt haben, auch wenn beide identische Gewinnchancen haben. Seite 2 von 5 SUNK-COST-EFFEKT (STAW, 1976) Beschreibung: Menschen halten an Entscheidungen fest, weil sie bereits Ressourcen (Zeit, Geld) investiert haben. Beispiel: Jemand kauft ein teures Kinoticket. Obwohl der Film schlecht ist, bleibt die Person im Kino, um das „Geld nicht zu verschwenden“. VERLUSTAVERSION (KAHNEMAN & TVERSKY, 1979) Beschreibung: Verluste wiegen psychologisch stärker als Gewinne derselben Größe. Beispiel: Ein Verlust von 50€ verursacht mehr Unwohlsein als ein Gewinn von 50€ Freude bringt. - Menschen nehmen ungern Risiken auf sich, um Verluste zu vermeiden, selbst wenn die Chance auf einen Gewinn größer ist. OPPORTUNITY-COST-EFFEKT (THALER, 1980) Beschreibung: Opportunitätskosten werden oft weniger beachtet als direkte Kosten. Beispiel: Jemand kauft ein günstiges Ticket für 10€ und gibt 50€ für Snacks aus. Er hätte die 60€ stattdessen für ein hochwertigeres Konzert ausgeben können, berücksichtigt diese Alternative aber nicht. ENDOWMENT-EFFEKT (THALER, 1980) Beschreibung: Menschen bewerten Gegenstände, die sie besitzen, höher als solche, die sie nicht besitzen. Beispiel: Teilnehmer eines Experiments erhalten eine Tasse. Wenn sie die Tasse verkaufen sollen, verlangen sie einen höheren Preis, als sie bereit wären, selbst dafür zu zahlen. REFLECTION-EFFEKT (KAHNEMAN & TVERSKY, 1982) Beschreibung: Das Risikoverhalten von Menschen ändert sich, je nachdem, ob sie Gewinne oder Verluste betrachten. Beispiel: - Gewinnszenario: Menschen sind risikoavers (sichere Option bevorzugt). - Verlustszenario: Menschen sind risikofreudiger, um Verluste zu vermeiden. ÜBERSCHÄTZUNG KLEINER WAHRSCHEINLICHKEITEN (KAHNEMAN & TVERSKY, 1984) Beschreibung: Menschen überschätzen sehr kleine Wahrscheinlichkeiten. Beispiel: Menschen kaufen Lottoscheine, obwohl die Gewinnwahrscheinlichkeit extrem gering ist, da sie die kleine Chance überbewerten. FRAMING-EFFEKT (TVERSKY & KAHNEMAN, 1986) Beschreibung: Entscheidungen hängen davon ab, wie eine Situation beschrieben wird. Beispiel: Ein Medikament wird beschrieben: - „Dieses Medikament rettet 90 von 100 Menschen“ (positives Framing). - „Dieses Medikament führt zum Tod von 10 von 100 Menschen“ (negatives Framing). ‣ Menschen bewerten die erste Beschreibung positiver, obwohl beide inhaltlich identisch sind. ESCALATION-OF-COMMITMENT-EFFEKT (STAW & ROSS, 1987) Beschreibung: Menschen investieren immer mehr Ressourcen in eine gescheiterte Entscheidung. Beispiel: Ein Unternehmen investiert weiter in ein unrentables Projekt, um frühere Investitionen zu rechtfertigen, anstatt das Projekt abzubrechen. OUTCOME-BIAS (BARON & HERSHEY, 1988) Beschreibung: Entscheidungen werden anhand ihrer Ergebnisse beurteilt, nicht nach den ursprünglichen Informationen. Beispiel: Ein Arzt trifft eine riskante Behandlungsentscheidung, die erfolgreich ist. Die Entscheidung wird gelobt, obwohl die Erfolgschance objektiv gering war. MYOPISCHES VERHALTEN (HERRNSTEIN, 1990) Beschreibung: Menschen handeln kurzfristig und ignorieren langfristige Konsequenzen. Beispiel: Jemand gibt sofort Geld für ein neues Smartphone aus, obwohl das Sparen für eine größere Investition (z. B. Auto) sinnvoller wäre. Seite 3 von 5 WINNER’S CURSE (THALER, 1992) Beschreibung: Bei Auktionen bieten Menschen über den wahren Wert hinaus, nur um zu gewinnen. Beispiel: Bei einer Auktion für ein Gemälde bietet der Gewinner 10.000€, obwohl der Marktwert nur 7.000€ beträgt. INTRINSISCHE MOTIVATION (DECI & RYAN, 1985) Beschreibung: Menschen handeln oft aus innerem Antrieb, nicht nur wegen externer Anreize. Beispiel: Jemand arbeitet freiwillig in einer Wohltätigkeitsorganisation, nicht wegen Bezahlung, sondern aus Freude am Helfen. FAIRNESS-STATT-GIER-EFFEKT Ultimatum-Spiel: Person A bietet Person B eine Geldsumme (z. B. 10€) aufzuteilen. Wenn Person B ablehnt, bekommen beide nichts. - Selbst bei unfairen Angeboten (z. B. 8€ für A, 2€ für B) lehnt B oft ab, um „fairness“ zu erzwingen. Diktator-Spiel: Person A entscheidet allein, wie eine Geldsumme aufgeteilt wird. - Viele geben freiwillig mehr als 0€ ab, obwohl es keinen Zwang gibt. Nudging: Sanfter Paternalismus DEFINITION Nudging bedeutet, Menschen durch kleine Anstöße zu besseren Entscheidungen zu lenken, ohne ihre Wahlfreiheit einzuschränken. - Beispiele ‣ Standardoptionen (z. B. automatische Eintragung in Pensionspläne). ‣ Verhaltensmanipulation durch Framing und Voreinstellungen. ZIEL Entscheidungshilfe in komplexen Situationen, bei denen Menschen systematische Fehler machen. KRITIK Nudging wird als paternalistisch kritisiert, da es auf die Manipulation von Verhaltensweisen abzielt. Nutzen vs. Glück ALLGEMEIN Die Verhaltensökonomik hinterfragt, ob Nutzenmaximierung wirklich das beste Ziel ist. GLÜCKSMESSUNG Glück (Lebenszufriedenheit) wird oft durch Umfragen erfasst: - General Social Survey (USA): Wie glücklich sind Sie insgesamt? (1-3 Skala). - Eurobarometer (Europa): Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben? (1-4 Skala). ALTERNATIVE NUTZENKONZEPTE Revealed Preferences: - Beobachtetes Verhalten zeigt die Präferenzen der Individuen. Haushaltsproduktionsfunktion (Gary Becker): - Nutzen wird durch Kombination von Zeit und Ressourcen maximiert. Seite 4 von 5 Neuroeconomics: Gehirn und Entscheidungen ALLGEMEIN Die Neuroökonomie untersucht die physiologischen Prozesse hinter Entscheidungen. ENTSCHEIDUNGSPROZESSE Kontrollierte Denkprozesse (echtes Nachdenken, bewusst, langsam). Automatische Denkprozesse (unbewusst, mühelos, schnell, parallel). Kognitive Prozesse (logisch-rational, wahr oder falsch, Beurteilung). Affektive Prozesse (emotionales entscheiden). KRITIK AM HO Der HO vernachlässigt automatische und affektive Prozesse. Nachweis durch Gehirnscans: Viele Entscheidungen basieren auf emotionalen und unbewussten Reaktionen. Fazit: Wofür eignet sich der HO noch? Der Homo Oeconomicus ist kein realistisches Menschenbild, aber ein nützliches Modell, um Grundmechanismen wirtschaftlicher Entscheidungen zu analysieren. Die Verhaltensökonomik zeigt, dass menschliches Verhalten komplexer ist, bietet jedoch keine einheitliche Alternative zum HO-Modell. Beide Ansätze ergänzen sich: Der HO bleibt für die Analyse idealer Märkte nützlich, während die Verhaltensökonomik reale Verhaltensmuster besser abbildet. Seite 5 von 5 Die Begründung von Wettbewerb und die Regeln der Wettbewerbsordnung Wettbewerb und Wohlstand (Adam Smith) ARBEITSTEILUNG UND PRODUKTIVITÄT Arbeitsteilung steigert die Produktivität erheblich. - Beispiel: Das Stecknadelbeispiel zeigt, dass ein Arbeiter allein kaum Nadeln herstellen könnte, während spezialisierte Arbeitsschritte in einer Fabrik tausende Nadeln pro Tag ermöglichen. Effizienzsteigerung: Arbeitsteilung führt zu Spezialisierung, besserer Nutzung von Fähigkeiten und Zeitersparnis. MARKT UND ANREIZE Selbstinteresse treibt Akteure im Markt an, was unbeabsichtigt auch dem Gemeinwohl dient (Metapher der „unsichtbaren Hand“). - Zitat: „Es ist nicht die Wohltätigkeit des Bäckers, die uns unser Brot gibt, sondern sein Eigeninteresse.“ AUßENHANDEL UND MARKTGRÖßE Spezialisierung und Handel: Jedes Land sollte die Güter produzieren, die es effizienter herstellen kann (absolute und komparative Kostenvorteile). Marktgröße begrenzt die Arbeitsteilung: Ein kleiner Markt bietet weniger Möglichkeiten für Spezialisierung und Handel. Freiheit und Wettbewerb (Friedrich August von Hayek) FREIHEIT ALS GRUNDLAGE Hayek definiert Freiheit als Abwesenheit von willkürlichem Zwang. Negative Freiheit: Freiheit bedeutet, dass niemand in seinen Handlungen eingeschränkt wird, solange er nicht die Freiheit anderer verletzt. Freiheit ermöglicht es Individuen, ihre Lebenspläne selbstständig zu gestalten und aus Fehlern zu lernen. WETTBEWERB ALS ENTDECKUNGSVERFAHREN Wettbewerb ist ein Mechanismus, der Innovation und Fortschritt fördert. Preise liefern Informationen über Knappheit und Nachfrage, die für Konsum- und Investitionsentscheidungen zentral sind. Effizienz: Wettbewerbsdruck eliminiert ineffiziente Unternehmen und treibt die Wirtschaft voran. Seite 1 von 2 Regeln der Wettbewerbsordnung HAYEK: NOMOS UND ERWARTUNGSSICHERHEIT Abstrakte Regeln (Nomos): Sie gelten universell, unabhängig von Zeit, Ort oder Person, und schaffen Sicherheit für langfristige Planung. Freiheit und Wohlstand entstehen nur, wenn Regeln individuelle Freiheiten schützen und wirtschaftliche Aktivitäten fördern. BUCHANAN: REGELN UND KOOPERATION Regeln stabilisieren gewünschte Handlungen (Kooperation) und verhindern unerwünschte (Defektion). - Beispiel: Gefangenendilemma zeigt, dass ohne klare Regeln egoistisches Verhalten zu ineffizienten Ergebnissen führt. EUCKEN: PRINZIPIEN DER WETTBEWERBSORDNUNG Grundsätze - Erster Grundsatz: Die Politik des Staates sollte darauf ausgerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen oder ihre Funktionen zu begrenzen - Zweiter Grundsatz: Die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates sollte auf die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft gerichtet sein, nicht auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses. Konstituierende Prinzipien - Währungsstabilität: Schutz vor Inflation. - Offene Märkte: Freier Wettbewerb auch international. - Privateigentum: Anreiz für Investitionen. - Vertragsfreiheit: Ermöglicht freiwillige Tauschgeschäfte. - Haftung: Verhindert Risiken und Externalitäten. - Konstanz der Wirtschaftspolitik: Erwartungssicherheit. Regulierende Prinzipien - Begrenzung von Marktmacht. - Internalisierung externer Effekte (z. B. Umweltschutz). Staatspolitische Prinzipien - Sozialpolitik zur Unterstützung des Marktes. MONETARISMUS UND GELDPOLITIK (MILTON FRIEDMAN) Natürliche Arbeitslosenrate - Strukturelle Arbeitslosigkeit dominiert langfristig, nicht konjunkturelle Arbeitslosigkeit. - Expansive Geldpolitik führt langfristig zu Inflation, nicht zu nachhaltigen Beschäftigungseffekten. Inflationserwartungen - Kurzfristig kann eine expansive Geldpolitik wirken, bis sich die Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer anpassen. - Langfristig kehrt die Wirtschaft zur natürlichen Wachstums- und Arbeitslosenrate zurück. Geldmengeneffekte - Eine Erhöhung der Geldmenge führt nur zu Preissteigerungen, nicht zu mehr Beschäftigung oder Wachstum. - Lag-Hypothese: Zeitliche Verzögerungen bei geldpolitischen Maßnahmen machen diese schwer kalkulierbar. k%-Regel - Friedman fordert eine regelgebundene Geldpolitik, bei der die Geldmenge konstant (z. B. um k%) wächst, um Inflation und Unsicherheit zu vermeiden. ZUSAMMENFASSUNG UND VERKNÜPFUNGEN Wettbewerb und Marktmechanismen (Smith, Hayek) schaffen Wohlstand, wenn sie durch klare Regeln (Eucken, Buchanan) geschützt werden. Geldpolitik (Friedman) sollte stabil und berechenbar sein, um langfristige ökonomische Ziele zu erreichen. Die Kombination aus Freiheit, Wettbewerb und stabilen Regeln ist der Schlüssel für nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Seite 2 von 2 Schumpeters innovativer Unternehmer als Motor und Zerstörer in der Marktwirtschaft Schumpeters innovativer Unternehmer DEFINITION Der innovative Unternehmer ist das zentrale Element in Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Er muss nicht selbst erfinden, sondern Innovationen marktfähig machen. ARTEN VON INNOVATIONEN Einführung neuer Produktionsmethoden - Technologien oder Prozesse, die effizienter oder günstiger sind als bestehende. - Beispiel: Einsatz von Robotern in der Automobilproduktion. Einführung neuer Güter oder neuer Qualitäten - Produkte, die zuvor nicht existierten, oder Verbesserungen bestehender Produkte. - Beispiel: Einführung von Smartphones. Erschließung neuer Absatzmärkte - Zugang zu Märkten, die vorher nicht genutzt wurden, sei es geografisch oder durch neue Zielgruppen. - Beispiel: Export von Gütern in Schwellenländer. Erschließung neuer Rohstoffquellen - Nutzung von Ressourcen, die zuvor unzugänglich oder unbekannt waren. - Beispiel: Fracking zur Gewinnung von Schiefergas. Neuorganisation von Märkten oder Unternehmen - Schaffung neuer Marktstrukturen oder Durchbrechen bestehender Monopole. - Beispiel: Plattformökonomien wie Amazon oder Uber. Schöpferische Zerstörung KERNIDEE Wirtschaftliche Entwicklung erfolgt durch „schöpferische Zerstörung“. Alte Strukturen und Technologien werden durch neue ersetzt. MERKMALE Getrieben von visionären Unternehmern. Großkonzerne leisten oft Widerstand gegen Veränderungen und passen sich nur langsam an. Kapitalismus ist ein Prozess endogenen Wandels: Innovationen treiben diesen Wandel voran. Das Zwei-Phasen-Modell PHASEN: Phase I: Aufschwung - Stationäres Gleichgewicht (Initialzustand) ‣ Beschreibung: Die Wirtschaft befindet sich im sogenannten „stationären Gleichgewicht“, wo keine Innovationen stattfinden. Alle Ressourcen (Arbeit, Kapital, Rohstoffe) sind voll ausgelastet und effizient verteilt. Es herrscht keine übermäßige Inflation oder Deflation. ‣ Merkmale: ‣ Volle Beschäftigung: Alle Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital) sind vollständig eingesetzt. ‣ Kein Wachstum: Es gibt keine Veränderungen im bestehenden Produktionsprozess oder in den angebotenen Produkten. ‣ Marktgleichgewicht: Angebot und Nachfrage sind im Einklang; es gibt keine Überproduktion oder -nachfrage. ‣ Zusammenfassung: Vollbeschäftigung, keine Innovationen, Markt im Gleichgewicht Seite 1 von 3 - Störung des Gleichgewichts durch Innovation (Boom-Phase) ‣ Innovation als Schock: Eine Innovation – beispielsweise eine neue Technologie oder ein neues Geschäftsmodell – stört das bestehende Gleichgewicht der Wirtschaft. Diese Innovation ist der Auslöser für die wirtschaftliche Veränderung. ‣ Kreditvergabe und Nachfrage: Um Innovationen umzusetzen, benötigen Unternehmen Kapital. Schumpeter geht davon aus, dass die Finanzierung häufig über Kredite erfolgt, die von den Banken bereitgestellt werden. ‣ Zusätzliche Nachfrage: Mit der Aufnahme von Krediten steigt die Gesamtnachfrage in der Wirtschaft. Neue Unternehmer und Unternehmen investieren in innovative Technologien und neue Produkte, was zu einem wirtschaftlichen Boom führt. ‣ Verlagerung von Ressourcen: Produktionsfaktoren (wie Arbeitskräfte und Kapital) werden von bestehenden Unternehmen abgezogen und in neue, innovative Unternehmen umgeleitet. In dieser Phase kommt es zu einem Anstieg der Produktionsgüterproduktion, da die neuen Unternehmer neue Produktionskapazitäten aufbauen. ‣ Preisanstieg und Ressourcenknappheit ‣ Da mehr Kapital in den Produktionsprozess fließt und mehr Nachfrage nach Arbeitskräften und Rohstoffen besteht, steigen die Produktionskosten. ‣ Auch die Preise für Konsumgüter steigen an, da die Nachfrage die Produktionskapazitäten der alten Unternehmen übersteigt. ‣ Zusammenfassung: Schock durch neue Innovationen, hohe Investitionen, wirtschaftlicher Aufschwung. Phase II: Abschwung - Interferenz und Anpassung (Abschwung-Phase) ‣ Überproduktion und Überkapazitäten: In dieser Phase kann es zu einem Überangebot kommen, wenn Unternehmen zu viele Ressourcen in neue Produktionsmethoden investiert haben, die letztlich nicht die erwarteten Erträge liefern. ‣ Überangebot: Der Markt kann mit den neuen Produkten oder Produktionskapazitäten nicht Schritt halten, was zu einem Überangebot führt. Dies wiederum verursacht einen Preisverfall und verringert die Erlöse. ‣ Wirtschaftliche Instabilität: Diese Störung kann zu einem Rückgang der Produktionsnachfrage und einer wirtschaftlichen Krise führen, da die Unternehmen ihre Kredite nicht mehr bedienen können und ihre Produktion zurückfahren müssen. ‣ Kreditdeflation: Die Rückzahlung von Krediten führt zu einer Deflation. Wenn die Unternehmer die aufgenommenen Kredite nicht mehr zurückzahlen können, verlieren Banken Vertrauen und reduzieren ihre Kreditvergabe, was die wirtschaftliche Aktivität weiter einschränkt. ‣ Durch wirtschaftliche Unsicherheit gekennzeichnet, und es kommt zu einer allgemeinen Rezession. Unternehmen konsolidieren sich, Marktbereinigungen finden statt, und viele Unternehmen, die auf den Boom gesetzt haben, scheitern oder müssen sich neu orientieren. ‣ Zusammenfassung: Überproduktion & Preissenkungen führen zu einer Wirtschaftskrise, Kreditdeflation und Anpassung. - Neues Gleichgewicht (Endphase) ‣ Erholung und Stabilisierung: Nachdem sich die Marktkräfte ausgeglichen haben, kehrt die Wirtschaft in einen neuen stabilen Zustand zurück. Dieser Zustand ist jedoch nicht identisch mit dem ursprünglichen Gleichgewicht, sondern stellt eine neue Normalität dar. ‣ Innovation als Grundlage: Das neue Gleichgewicht basiert nun auf den Innovationen, die die ursprünglichen Unternehmen oder Branchen ersetzt haben. Die Wirtschaft hat sich verändert, und das Wachstum wird fortgesetzt, basierend auf den neuen Technologien und Marktstrukturen. ‣ Langfristiges Wachstum: Das System hat sich an die Veränderungen angepasst, und es kann erneut zu einem Innovationsschub kommen, der den Zyklus erneut in Gang setzt. Dieser fortwährende Prozess von Schöpferischer Zerstörung führt zu langfristigem Wirtschaftswachstum, auch wenn es immer wieder Phasen der Instabilität und Marktbereinigung gibt. ‣ Zusammenfassung: Stabilisierung der Wirtschaft, auf der Basis der neuen Innovationen und Technologien. Seite 2 von 3 Das Vier-Phasen-Modell Erweiterung des Zwei-Phasen-Modells durch zusätzliche Phasen Phase I (Aufschwung): Innovationen und Investitionen treiben die Wirtschaft an. Phase II (Abschwung): Übertreibungen und Spekulation führen zu einer Blase. Phase III (Depression): Pessimistische Erwartungen und Marktbereinigungen dominieren. Phase IV (Erholung): Erste Investitionen und Innovationen leiten einen neuen Aufschwung ein. Konjunkturzyklen Schumpeter unterscheidet drei Arten von Konjunkturzyklen: Kondratieff-Zyklen (48–60 Jahre): Getrieben durch Basisinnovationen wie Dampfmaschine, Elektrizität. Juglar-Zyklen (7–12 Jahre): Geprägt durch Investitionen, z. B. in Maschinen. Kitchin-Zyklen (ca. 40 Monate): Kurzfristige Schwankungen, z. B. durch Lagerbestände. Das Scheitern des Kapitalismus GRÜNDE LAUT SCHUMPETER: Große Unternehmen werden uninnovativ und bürokratisch (Sozialismus nicht abgeneigt). Intellektuelle und Politiker bevorzugen zunehmend sozialistische Ansätze und sehen eher die Nachteile des Kapitalismus (Ausbeutung, Verteilungskämpfe) D e r S o z i a l i s m u s k a n n z u s a m m e n m i t D e m o k r a t i e f u n k t i o n i e re n , w e n n d i e Wirtschaftsentscheidungen von Technokraten entschieden werden. Seite 3 von 3 Die Wachstumsspirale (Eigentum, Zins und Wachstum: Heinsohn/Steiger, Binswanger) Eigentumstheorie des Geldes (Heinsohn/Steiger) GRUNDLAGEN: Geldentstehung: Geld entsteht durch Kreditvergabe und nicht durch bereits vorhandene Ersparnisse oder Sparguthaben. Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, wird neues Geld geschaffen, das die Wirtschaft mit Liquidität versorgt. Eigentum als Basis: Eigentum ist der Ausgangspunkt für das gesamte Wirtschaften, weil es als Sicherheit für Kredite dient und damit auch als Grundlage für die Schaffung von Geld. Ohne zertifiziertes Eigentum könnte kein Kredit vergeben werden, und ohne Kredit gäbe es keine Geldschöpfung. Zinsursache: Der Zins entsteht durch die Bindung des haftenden Eigenkapitals und der sogenannten Eigentumsprämie, nicht durch Knappheit von Sparkapital oder Verlust der Liquiditätsprämie. DIE FUNKTIONSWEISE DES KREDITPROZESSES Im Kreditprozess, der laut Heinsohn und Steiger die Geldschöpfung auslöst, geht es darum, dass Banken Geld schöpfen (nicht nur verleihen), indem sie Kredite gewähren. - Ein Kreditvertrag basiert auf der Sicherstellung durch Eigentum, das der Schuldner (Kreditnehmer) in den Vertrag einbringt. - Banken vergeben also Kredite nicht aus vorhandenen Sparmitteln, sondern schaffen durch die Kreditvergabe neues Geld. Das bedeutet, dass die Bilanz der Bank auf der linken Seite (Kredite) wächst, was auf der rechten Seite (Verbindlichkeiten) durch die Schaffung von neuem Geld (z. B. Sichtguthaben) abgebildet wird. WARUM EIGENTUM? Das Eigentum ist entscheidend, weil es als Sicherheitsleistung dient: - Ohne zertifiziertes Eigentum würde es keine Möglichkeit geben, Kredite abzusichern und daher auch kein Vertrauen in das Geldsystem zu schaffen. - Eigentum wird als potentielle Liquidität betrachtet: Es ist der Schlüssel, um in einem Kreditprozess neues Geld (Liquidität) zu generieren. Es handelt sich dabei nicht nur um physischen Besitz, sondern um das, was als "rechtlich verbrieftes" Eigentum anerkannt ist, das also auch verpfändet und belastet werden kann. DER ZUSAMMENHANG VON EIGENTUM UND ZINSEN Der Zins in der Theorie von Heinsohn und Steiger ist nicht das Ergebnis der Knappheit von Kapital oder der Liquiditätspräferenz (wie es in der traditionellen Theorie dargestellt wird), sondern die Folge der Bindung von haftendem Eigenkapital der Banken sowie der Eigentumsprämie. - Banken binden Eigenkapital, um Kredite zu vergeben. Das bedeutet, sie müssen Kapital im Falle eines Ausfalls des Kredits zur Verfügung haben. Die Bank trägt also ein Risiko. - Der Zins entsteht nicht durch einen Mangel an Sparkapital, sondern durch die Bindung des Eigenkapitals der Bank, das als Sicherheit für Kredite dient. - Der Zins ist damit ein Preis für das Risiko, das Banken bei der Kreditvergabe eingehen. KERNTHESE ZU ZINS UND GELD Zins ist nicht die Folge einer Kapitalknappheit, sondern das Ergebnis des Zwangs zur Rückzahlung von Krediten, die durch zertifiziertes Eigentum abgesichert sind. In dieser Theorie ist der Zins somit nicht einfach ein marktbestimmter Preis für Kapital, sondern eine Folge der Absicherung durch Eigentum. Wenn man Geld (in Form eines Kredits) ausleihen möchte, muss man Eigentum als Sicherheit bieten. Seite 1 von 4 DER HOMO OECONOMICUS UND DAS WIRTSCHAFTEN In der Eigentumstheorie ist der Homo Oeconomicus (der "rationale" Wirtschaftsmensch) ein Produkt des Systems, das Eigentum und Zins miteinander verknüpft. Der Mensch wird durch den Zwang zur Rückzahlung von Krediten und den Zinsdruck zu einem wirtschaftlich handelnden Individuum. Um das aufgenommene Kapital zurückzuzahlen und den Zins zu bedienen, muss der Kreditnehmer das geliehene Geld produktiv einsetzen, d.h., es muss in die Produktion oder Investitionen fließen. Andernfalls droht der Verlust des Eigentums (Insolvenz oder Zwangsvollstreckung). VERBINDUNG ZU ENTWICKLUNGSLÄNDERN Heinsohn und Steiger betonen, dass zertifiziertes Eigentum als Grundlage für das Wirtschaften in der modernen Welt essenziell ist. In Entwicklungsländern fehlt es oft an klar definierten und durchsetzbaren Eigentumsrechten, was ihre wirtschaftliche Entwicklung stark einschränkt. - In Ländern ohne zertifizierte Eigentumsrechte gibt es keine Möglichkeit, das Eigentum als Sicherheit für Kredite zu verwenden, was bedeutet, dass es keine Geldschöpfung im modernen Sinne geben kann. - Dies führt zu Wirtschaftsblockaden, weil keine effiziente Kreditvergabe und Geldschöpfung stattfinden kann. PROBLEMSTELLUNG DURCH DEN STAAT Ein weiteres Problem ergibt sich durch den Staat: - Der Staat haftet nicht direkt für die von ihm aufgenommenen Schulden. Dies führt zu einer Trennung von Handlung und Haftung, was zu inflationären Tendenzen oder Krisen führen kann, da der Staat die von ihm aufgenommenen Kredite nicht direkt begleichen muss und daher weniger diszipliniert mit Geldpolitik umgeht. ZUSAMMENFASSUNG DER SCHLÜSSELPUNKTE Geld wird durch Kredit geschaffen, nicht durch bereits bestehende Ersparnisse. Eigentum ist die Grundlage für die Schaffung von Geld, da es als Sicherheit für Kredite dient. Der Zins ist ein Preis für die Bindung von Eigenkapital durch Banken, nicht das Ergebnis einer Knappheit von Kapital. Das wirtschaftliche Handeln des Homo Oeconomicus ist durch den Zwang zur Rückzahlung von Krediten geprägt. Zertifiziertes Eigentum ist entscheidend für das Funktionieren moderner Marktwirtschaften. Fehlen diese Rechte, können Entwicklungsländer wirtschaftlich nicht aufholen. Seite 2 von 4 Wachstumsspirale (Binswanger) GRUNDANNAHMEN Die Wachstumsspirale ist eine zentrale Theorie von Hans Christoph Binswanger, die sich auf den Zusammenhang zwischen Geld, Zins und wirtschaftlichem Wachstum fokussiert. Binswanger geht davon aus, dass die moderne Wirtschaft in einem Geldsystem mit Zinsen basiert, das nicht nur die Produktion und den Konsum von Gütern beeinflusst, sondern auch einen Wachstumszwang mit sich bringt. WACHSTUMSZWANG UND GELDKREISLAUF In der Theorie von Binswanger hängt das gesamte Wirtschaftssystem mit seinem Wachstum und den Zinsforderungen vom Kredit und der Geldschöpfung ab. Diese Systematik führt zu einer Wachstumsspirale, die ständig auf Expansion angewiesen ist. UNTERNEHMEN ALS KREDITNEHMER Unternehmen sind primär Kreditnehmer in diesem System. Sie nehmen Kredite auf, die von Banken geschaffen werden, und verwenden dieses Geld, um Arbeitskraft und Produktionsmittel zu kaufen. Diese Arbeitskraft wird genutzt, um Güter und Dienstleistungen zu produzieren, die dann verkauft und von den Haushalten konsumiert werden. DAS PROBLEM DER ZINSEN UND PROFITE: Kreditgeld: Das von den Banken zur Verfügung gestellte Geld reicht jedoch nicht aus, um alle Güter und Dienstleistungen zu kaufen, da auch der Zins aus den Einnahmen bezahlt werden muss. Zinsbelastung: In einem Szenario, in dem Unternehmen vollständig fremdfinanziert sind, also alle Investitionen durch Kredite finanziert werden, bleibt nach der Produktion und dem Verkauf der Güter nicht genug Geld übrig, um sowohl die Kredite zurückzuzahlen als auch den Zins zu decken. Profit und Zinsforderungen müssen gedeckt werden: Dies bedeutet, dass die Unternehmen nicht nur die Kosten der produzierten Güter decken müssen, sondern auch den Zins und den Profit, der auf die Kredite anfällt. DIE LÖSUNG: ZUSÄTZLICHER GELDZUFLUSS Um diesen Kreislauf aufrechtzuerhalten und eine positive Summe zu gewährleisten, benötigt das System zusätzlichen Geldzufluss – und zwar in der Höhe, die ausreicht, um die Zinsen und Profite zu decken. - Zusätzliche Kredite: Damit dieses System funktioniert, muss es kontinuierlich zu einem Zufluss von Geld kommen, das die Zins- und Profitforderungen abdecken kann. Ohne diesen zusätzlichen Zufluss von neuem Geld könnte der Kreislauf zusammenbrechen, weil der Zins und Profit auf das ursprüngliche Kapital nicht vollständig aus dem Verkauf der produzierten Güter finanziert werden können. WACHSTUMSZWANG UND ZINSMECHANISMUS: Der Wachstumszwang: In diesem Zusammenhang beschreibt Binswanger den Wachstumszwang als den notwendigen Mechanismus, der immer weiter zu einem Anstieg der Produktion und des Konsums führt, um die Zinsen und Profite abzudecken. Kreislaufsystem: Der gesamte Geldfluss und damit die Produktion und Konsumtion von Gütern müssen ständig wachsen, damit das System stabil bleibt. WARUM KEIN STAGNATION MÖGLICH IST Binswanger argumentiert, dass Stagnation in einem kapitalistischen Zinswirtschaftssystem nicht möglich ist. Das System ist so aufgebaut, dass es entweder wächst oder schrumpft. Eine völlige Stagnation, bei der keine zusätzlichen Kredite und damit kein weiteres Wachstum geschaffen werden, führt zu einem Kollaps des Systems. Inflation und Schrumpfung: Wenn das Wachstum ausbleibt und keine neuen Kredite fließen, kommt es zu einer Deflation oder einer schrumpfenden Wirtschaft. Wenn jedoch zu viele Kredite fließen, entstehen Inflation und Blasen (wie etwa Immobilienblasen), die das System destabilisieren können. Seite 3 von 4 DIE ROLLE DES GELDES Metamorphose des Geldes: Nach Binswanger wird das Geld in der Wirtschaft zu einem Wert und potentiellen Produkt. Es wird nicht nur als Zahlungsmittel verwendet, sondern kann auch in reale Güter umgewandelt werden, was zu einem realen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) führt. Geld als Wertschöpfungsfaktor: Geld selbst wird so zur Treiberin der Wertschöpfung. Der Kreditmechanismus führt zu einer Verwandlung des Geldes in reale Werte, also in die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die das Wachstum antreiben. DIE STRUKTUR DER WACHSTUMSSPIRALE Geldschöpfung: Banken schaffen Geld durch Kreditvergabe an Unternehmen. Verwendung des Geldes: Unternehmen verwenden das Geld für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die sie an die Haushalte verkaufen. Zins- und Profitforderungen: Unternehmen müssen nicht nur den Kredit zurückzahlen, sondern auch Zinsen und Profite auf die aufgenommenen Kredite. Zusätzlicher Geldzufluss: Um die Zinsen und Profite zu decken, benötigt das System einen kontinuierlichen Fluss von neuem Geld. Wachstum: Der gesamte Prozess ist auf kontinuierliches Wachstum angewiesen, weil nur durch fortlaufende Expansion Zinsen und Profite abgegolten werden können. ZUSAMMENFASSUNG Wachstumszwang: In der kapitalistischen Zinswirtschaft gibt es keine Möglichkeit zur Stagnation. Entweder wächst die Wirtschaft oder sie schrumpft. Zusätzlicher Geldzufluss notwendig: Für den Fortbestand des Wirtschaftssystems ist ein kontinuierlicher Zusatzgeldzufluss erforderlich, um die Zins- und Profitforderungen zu bedienen. Metamorphose des Geldes: Geld wird nicht nur als Zahlungsmittel betrachtet, sondern auch als Produktionsfaktor, der zur realen Wertschöpfung führt. KRITIK UND IMPLIKATIONEN DER WACHSTUMSSPIRALE Nachhaltigkeit: Binswangers Theorie ist auch als eine Kritik an der unaufhörlichen Wachstumslogik des Kapitalismus zu verstehen. Sie zeigt, dass die ständige Notwendigkeit für mehr Wachstum in einem begrenzten Planeten und Ressourcenrahmen problematisch ist. Umwelt- und Ressourcenprobleme: Der ständige Druck auf Wachstum führt zu übermäßiger Ressourcennutzung, was in Binswangers anderen Arbeiten zu einem zentralen Thema wird – dem Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Ökologie. SCHLUSSFOLGERUNG: Die Wachstumsspirale nach Binswanger liefert eine tiefgehende Erklärung für den unaufhörlichen Wachstumsdrang kapitalistischer Wirtschaftssysteme. Es wird ein klarer Zusammenhang zwischen Geldschöpfung, Zinsen und dem Drang nach ständigem Wachstum hergestellt. Dabei ist der Zwang zum Wachstum nicht nur eine ökonomische Notwendigkeit, sondern auch ein systemischer Fehler, der die Grundlage für viele wirtschaftliche und ökologische Krisen darstellt. Seite 4 von 4 Keynes‘ Marktpessimismus: Diagnose und Therapie Keynes’ General Theory (Die Weltwirtschaftskrise als Ausgangspunkt) SCHWARZER FREITAG 1929 Börsencrash in den USA, ausgelöst durch massive Kreditspekulationen und Überproduktion. Folgte eine Weltwirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit und Bankenpleiten. Die USA und andere Staaten verfolgten kontraproduktive Maßnahmen wie kontraktive Geldpolitik und Sparmaßnahmen. KEYNES’ KRITIK AN DER NEOKLASSIK Ablehnung des Sayschen Theorems: Nicht jedes Angebot schafft automatisch seine Nachfrage. Effektive Nachfrage: Wirtschaftswachstum hängt von der Nachfrage und den Erwartungen der Investoren ab. Unterbeschäftigung: Keynes zeigte, dass Märkte nicht immer zur Vollbeschäftigung zurückkehren und staatliches Eingreifen notwendig ist. THEORIEBESTANDTEILE UND POLITIKEMPFEHLUNGEN Wichtige Konzepte: - Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals: Investitionen hängen von Zinsen und Zukunftserwartungen ab. - Konsum und Sparen: Konsum basiert auf dem Einkommen; Sparen ist das verbleibende Einkommen. - Liquiditätsfalle: Bei extrem niedrigen Zinsen kann Geldpolitik ihre Wirksamkeit verlieren. - Investitionsfalle: Schlechte Erwartungen können Investitionen hemmen, auch wenn die Zinsen niedrig sind. Rolle des Staates - Der Staat sollte durch expansive Fiskalpolitik (z. B. Staatsausgaben) und Geldpolitik die Nachfrage stabilisieren und Erwartungen positiv beeinflussen. - Keynes: „In the long run, we are all dead“ – Es ist nicht sinnvoll, auf langfristige Marktanpassungen zu warten. Interpretationen und Weiterentwicklungen IS-LM-MODELL (HICKS, 1937) Geldmarktgleichgewicht: Geldangebot M (exogen) gleich Geldnachfrage. Gütermarkt- oder Kapitalmarktgleichgewicht: Investitionen (zinsabhängig) gleich Sparen (einkommensabhängig). Zins und Einkommen bestimmen sich über das simultane Güter- und Geldmarktgleichgewicht Pros und Cons derHicks-Interpretation: - Eine schwierige, komplexe Materie wird auf ihren Wesensgehalt reduziert. - Die Rolle der Erwartungen und die Unsicherheit und Anfälligkeit der Investitionen geht verloren. PHILLIPS-KURVE (SAMUELSON/SOLOW, 1958) Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit. Helmut Schmidt: „Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.“ Modifizierungen: Langfristig kann die Kurve durch Inflationserwartungen beeinflusst werden. SÄKULARE STAGNATION Konzept von Alvin Hansen (1930er): Chronische Nachfrageschwäche und zu geringe Investitionen führen zu langfristigem Wirtschaftswachstum unter dem Potenzial. Wiederbelebt durch Paul Krugman (2011) und Larry Summers (2013) im Kontext schwachen Wachstums in den OECD-Ländern. Seite 1 von 2 Keynesianische Wirtschaftspolitik MAGISCHES VIERECK (STABILITÄTS- UND WACHSTUMSGESETZ, 1967) Ziele: Vollbeschäftigung, Preisstabilität, Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Der Staat soll Maßnahmen ergreifen, um Zielabweichungen zu korrigieren. RÜCKKEHR DES KEYNESIANISMUS Mit der Dotcom-Krise (2000/01), der Finanzkrise (2008) und der Corona-Krise wurden keynesianische Ansätze wieder populär. - Niedrigzinspolitik. - Staatsanleihenkäufe durch Zentralbanken. - Vermögens-undEinkommensumverteilung, - Investitions- und Nachfrageprogramme. Kritische Reflexion KRITIK AN KEYNESIANISCHER POLITIK Feinsteuerung der Wirtschaft durch den Staat ist schwierig, da Erwartungen nicht präzise steuerbar sind. Trotzdem bleibt staatliches Eingreifen in Krisenzeiten notwendig. GOVERNANCE-ASPEKTE Ordnungspolitische Regeln sind entscheidend, um exzessive Verschuldung und zukünftige Kosten zu vermeiden. Überwachung und Korrektur von Wirtschaftspolitik sollten institutionalisiert sein. Seite 2 von 2 Demokratieprobleme: Public Choice und die Bindung der Mehrheit (Eucken, Buchanan, Hayek, Friedman) Einführung in die Public-Choice-Theorie HOMO OECONOMICUS IN DER POLITIK: Politiker und Bürokraten handeln nicht nur im Sinne des Gemeinwohls, sondern verfolgen oft eigene Interessen. Ihr Verhalten wird durch Belohnungssysteme und Verfassungsregeln beeinflusst. WICHTIGE MODELLE Medianwähler-Modell (Anthony Downs): Parteien positionieren sich in der Mitte der Wählerpräferenzen, um die Mehrheit zu gewinnen. Rent-Seeking (Gordon Tullock): Wirtschaftliche Ressourcen werden verschwendet, wenn Interessengruppen Privilegien erkämpfen. Bürokratietheorie (Niskanen): Bürokraten maximieren das Budget ihrer Organisationen, nicht Effizienz oder Gemeinwohl. Stabilisierung der Wettbewerbsordnung (Walter Eucken) ZIELE Wettbewerbsordnung stabilisieren, wirtschaftliche Machtgruppen begrenzen. VORAUSSETZUNGEN Überwindung des Positivismus - Positivismus, der lediglich „ist“-Zustände beschreibt, trägt nicht dazu bei, eine bessere Ordnung zu schaffen. - Eucken fordert eine normative Orientierung der Wissenschaft, um produktive Lösungen zu entwickeln. Überwindung des Relativismus - Relativismus blockiert die Suche nach universellen Prinzipien, da er alles als subjektiv und situationsabhängig betrachtet. - Stattdessen fordert Eucken eine Suche nach allgemein gültigen Erkenntnissen, die unabhängig von Zeit und Umständen sind. Überwindung des Punktualismus - Punktualismus beschreibt die Tendenz, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Probleme isoliert zu betrachten. - Stattdessen fordert Eucken eine interdisziplinäre Sichtweise, die die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Bereichen berücksichtigt ZWEI GRUNDSÄTZE FÜR DEN STAAT Erster Grundsatz: Die Politik des Staates sollte darauf ausgerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen oder ihre Funktionen zu begrenzen. Zweiter Grundsatz: Die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates sollte auf die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft gerichtet sein, nicht auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses Seite 1 von 2 EUCKENS VORSCHLÄGE ZUR UMSETZUNG Verbreitung seiner Ideen - Eucken betont, dass Wirtschaftsordnungspolitik als einzig vernünftiger Ansatz in den Sozialwissenschaften verbreitet werden muss. - Bildung und Medien spielen dabei eine wichtige Rolle. Wissenschaftliche Diskussion - Kritische Auseinandersetzung mit alternativen Theorien ist nötig, um die Vorteile der Wettbewerbsordnung klar darzustellen. Überzeugung politischer Akteure - Politiker, Beamte und Richter müssen erkennen, dass eine stabile Wirtschaftsordnung langfristig auch in ihrem Interesse ist. - Willkürliche Eingriffe führen zu Privilegienpolitik und schaden dem Gemeinwohl. Selbststabilisierende Ordnung - Nach erfolgreicher Verbreitung der Grundsätze stabilisiert sich die Ordnung von selbst. - Politische Vorschläge, die den Wettbewerb einschränken, verlieren an Akzeptanz in der Bevölkerung. Demokratie und die Bindung der Mehrheit (James Buchanan, Friedrich Hayek) PRINZIP OF GENERALITY Politische Maßnahmen müssen diskriminierungsfrei sein, um Privilegienpolitik zu vermeiden. ZWEIKAMMERSYSTEM NACH HAYEK Eine Kammer (Parlament) entwickelt allgemeine Regeln. Die andere Kammer (Regierungsversammlung) erlässt konkrete Gesetze innerhalb dieser Regeln. Ziel: Trennung von Exekutive und Legislative, um Machtmissbrauch zu verhindern. REGELGEBUNDENE GELDPOLITIK (MILTON FRIEDMAN) k%-Regel: Zentralbanken sollten die Geldmenge nur um einen konstanten Prozentsatz erhöhen, um Inflation zu vermeiden. Schuldenbremse: Begrenzung staatlicher Verschuldung, z. B. durch Verfassungsregeln. Seite 2 von 2 Korruptionsproblem: Diagnose und Lösungen Definition und Messung von Korruption DEFINITION Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht für privaten Nutzen (Transparency International). MESSUNG Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) bewertet wahrgenommene Korruption basierend auf Umfragen. Arten und Orte der Korruption ARTEN Situative Korruption: Spontane Gelegenheit (z. B. Bestechung im kleinen Rahmen). Strukturelle Korruption: Langfristige Korruptionsnetzwerke. Systematische Korruption: Dauerhafte Netzwerkkorruption im großen Maßstab. Privilegienkorruption: entlastender Korruption) Staatskorruption: belastender Korruption) ORTE Keine Branche verschont Besonders in Bauindustrie, Grundversorgung, Immobilienwirtschaft (hohe Investitionen) Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption INSTRUMENTE Transparenz-und Dokumentationspflichten Mitarbeiterschulungen Compliance-Beauftragte, Vier- oder Mehr-Augen-Prinzip, Personalrotation, Whistleblower-Systeme (vertrauliches Hinweisgebersystem) RECHTSNACHBESSERUNGEN Organisationen und Führungsverantwortliche haftbar machen, wenn Präventionsmaßnahmen fehlen. Seite 1 von 1 Das „Good-Governance-Konzept“ der Weltbank und weitere Mess-Konzepte Good Governance nach der Weltbank INDIKATOREN Voice and Accountability: Mitspracherechte und Verantwortlichkeit Political Stability and Absence of Violence: Politische Stabilität und Abwesenheit von Gewalt. Government Effectiveness: Leistungsfähigkeit der Regierung. Regulatory Quality: Qualität staatliche Ordnungspolitik. Rule of Law: Rechtsstaatlichkeit. Control of Corruption: Korruptionskontrolle. Weitere Mess-Konzepte GLOBAL COMPETITIVENESS INDEX Misst Wettbewerbsfähigkeit: - Basisanforderungen (Institutionen, Infrastruktur, Gesundheit). - Effizienzsteigerungen (Arbeits- und Finanzmärkte, Technologien). - Innovation (Technologie und Fortschritt). RULE OF LAW INDEX Bewertet die Rechtsstaatlichkeit weltweit: - Government Powers - Absence of Corruption - Open Government - Fundamental Rights - Order and Security - Regulatory Enforcements - Civil Justice - Criminal Justice Seite 1 von 1 Spielarten des Kapitalismus mit Blick auf die Governancestrukturen (Baumol) Die Marktwirtschaft als Innovationsmaschine ALLGEMEIN Baumol sieht die Marktwirtschaft als ein System, das Innovationen systematisch fördert und dadurch wirtschaftliches Wachstum ermöglicht BEDEUTUNG DER INNOVATION Innovation als zentraler Wettbewerbsfaktor - In volkswirtschaftlich relevanten Industrien (z. B. Chemie, Maschinenbau) ist Innovationswettbewerb entscheidender als Preiswettbewerb. - Unternehmen müssen kontinuierlich neue Produkte und Verfahren entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Vom Marktprozess gesteuerte Selektion - Der Markt entscheidet, welche Innovationen erfolgreich werden (z. B. durch Konsumentenpräferenzen). - Inventionen (Erfindungen) haben ohne Marktwirtschaft weniger Bedeutung, da erst der Wettbewerb die nützlichsten Technologien hervorhebt. Dynamiken des Innovationswettbewerbs KETTENREAKTIONEN IN DER INNOVATION Sobald ein Unternehmen eine Innovation einführt, wird der Innovationsdruck auf die Branche erhöht. Andere Unternehmen müssen nachziehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies führt oft zu einem „Lauffeuer“ an Innovationen – auch über Branchengrenzen hinweg. YARDSTICK COMPETITION (MAßSTABSWETTBEWERB) Unternehmen beobachten erfolgreiche Innovationen anderer Branchen und imitieren diese. Dieser Prozess treibt die Innovation insgesamt voran. FEEDBACK-MECHANISMUS Innovationen führen zu weiteren Innovationen durch neue Technologien und gesteigerten Konsum, der zusätzliche Nachfrage erzeugt. Das "Red Queen Game" ALLGEMEIN Begriff basierend auf der Evolutionsbiologie (Leigh Van Valen) und der „Roten Königin“ aus Alice im Wunderland: - Unternehmen müssen sich ständig weiterentwickeln, um ihre Wettbewerbsposition zu behaupten. - Innovation ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Seite 1 von 4 Vorzüge des oligopolistischen Wettbewerbs THESE 1: ROLLE GROßER UNTERNEHMEN Oligopolistische Strukturen fördern Innovation, weil große Unternehmen: - Hohe Fixkosten für Forschung und Entwicklung (FuE) tragen können. - Routinisierung und Systematisierung in der Innovation einführen, was zu höherer Erfolgswahrscheinlichkeit führt. THESE 2: INNOVATIONSGETRIEBENES WACHSTUM Innovationen sind ein Positivsummenspiel: - Sie bringen kumulative Effekte (andere Unternehmen passen sich an). - Sie generieren positive Externalitäten (Wissen und Technologien diffundieren). - Sie schaffen Investitionen und Nachfrage, die wiederum weitere Innovationen ermöglichen. Probleme und Herausforderungen DILEMMA DES INNOVATIONSANREIZES Fixkosten in FuE können Unternehmen dazu verleiten, Innovationen anderer zu imitieren, anstatt selbst zu innovieren („Second-Mover-Advantage“). LÖSUNGSANSÄTZE Geistige Eigentumsrechte wie Patente schaffen Anreize für FuE, indem sie temporäre Monopole und Gewinnmöglichkeiten bieten. Unternehmerische Entscheidungen und Wettbewerb INNOVATIONEN ALS ÜBERLEBENSSTRATEGIE Unternehmen, die nicht innovieren, riskieren, langfristig vom Markt verdrängt zu werden. Innovationen sind daher für Unternehmen eine „Life-and-Death Matter“. KRITIK AN STATISCHEN WIRTSCHAFTSTHEORIEN Baumol kritisiert Standardtheorien, die Preiswettbewerb in den Vordergrund stellen. Er betont stattdessen den dynamischen Wettbewerbsprozess, bei dem Innovation eine zentrale Rolle spielt. Unternehmertum, Rent-Seeking und Rechtsstaat DEFINITION Beim Rent-Seeking versuchen Unternehmen, durch politische Einflussnahme Vorteile wie Monopole, Subventionen oder regulatorische Privilegien zu erlangen, anstatt durch echte Innovation und Wettbewerb zu bestehen. NEGATIVE AUSWIRKUNGEN Leistungswettbewerb wird ausgehöhlt: - Unternehmen, die auf politische Privilegien setzen, schaden der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft. Stagnation als Resultat - Statt wirtschaftlichem Wachstum und Innovation entsteht ein "Negativsummenspiel", bei dem die gesamtwirtschaftlichen Kosten die Vorteile einzelner übersteigen. ADAM SMITH’S KRITIK Baumol bezieht sich auf Adam Smiths „unsichtbare Hand“: Rent-Seeking zerstört die marktlichen Kräfte, die ansonsten den Konsumenten zugutekommen würden. Seite 2 von 4 Private Profite, Gier und sozialer Ertrag PRIVATE PROFITE UND EIGENINTERESSE Eigeninteresse als Antrieb - In marktwirtschaftlichen Systemen handeln Unternehmen und Individuen primär aus Eigeninteresse und Gewinnstreben. - Dieses Verhalten wird oft kritisch betrachtet, da es potenziell auf Kosten anderer gehen kann. ADAM SMITHS PERSPEKTIVE: Baumol greift Adam Smiths Idee auf, dass Eigeninteresse in wettbewerblichen Märkten zu positiven Ergebnissen für die Gesellschaft führen kann. Unsichtbare Hand des Marktes - Unternehmerisches Handeln im Eigeninteresse führt nicht intendiert dazu, dass Konsumenten und die Gesellschaft insgesamt profitieren (z. B. durch bessere Produkte oder Dienstleistungen) SECOND-MOVER-ADVANTAGE Unternehmen, die hohe Fixkosten in Forschung und Entwicklung (FuE) investieren, riskieren, dass Nachahmer ihre Innovationen zu geringeren Kosten kopieren. Diese Nachahmerstrategie kann dazu führen, dass Unternehmen Innovationen zurückstellen, um nicht die hohen Anfangskosten zu tragen. DILEMMA-SITUATION Obwohl Innovation langfristig vorteilhaft für alle ist, dominiert kurzfristig die Strategie des Abwartens und Imitierens. LÖSUNG DURCH SCHUTZ GEISTIGEN EIGENTUMS Patentrechte und geistige Eigentumsrechte: - Baumol betont, dass Patente Innovationen fördern, indem sie: ‣ Unternehmen ermöglichen, temporär Monopolgewinne zu erzielen, um FuE-Kosten zu decken. ‣ Die Verbreitung von Technologien durch Lizenzvereinbarungen erleichtern. Paradoxon der Schutzrechte - Obwohl Patente Innovationen vor Nachahmung schützen, fördern sie gleichzeitig deren Verbreitung: ‣ Unternehmen können Technologien lizenzieren oder strategische Kooperationen eingehen. ‣ Dies schafft einen Anreiz für andere Unternehmen, eigene Innovationen voranzutreiben. 5. Spielarten des Kapitalismus ALLGEMEIN Baumol, Litan und Schramm identifiziert vier Haupttypen STAATSGELENKTER KAPITALISMUS: Staat lenkt Investitionen und Wachstum. Vorteile: Kann Entwicklungsprozesse beschleunigen. Nachteile: Eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit, langfristige Ineffizienz. Beispiele - Lateinamerikanische Importsubstitutionsstrategien. - die Industriepolitik in Deutschland über die Landesbanken oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau. - Branchensubventionen in den Industrieländern (auch die Immobiliensubventionen über „Fannie Mae“ und „Freddie Mac“ in den USA). OLIGARCHISCHER KAPITALISMUS Machtkonzentration bei Eliten; häufig begleitet von Korruption. Begrenztes Wachstumspotenzial, da Innovation nicht priorisiert wird. Seite 3 von 4 KAPITALISMUS DER GROßKONZERNE: Schumpeters Sicht auf Großkonzerne - Schumpeter kritisiert die negativen Folgen der Dominanz großer Konzerne im Kapitalismus: ‣ Hohe Marktmacht ‣ Großkonzerne können den Wettbewerb durch Markteintrittsbarrieren begrenzen. ‣ Sie üben erheblichen Einfluss auf Politik und Gesetzgebung aus, was oft zu unfairen Vorteilen führt. ‣ Verminderter Innovationsdruck ‣ Aufgrund ihrer Größe und Marktdominanz verringert sich der Anreiz, kontinuierlich zu innovieren. ‣ Unternehmen neigen dazu, bürokratischer und weniger kreativ zu werden. ‣ Gefahren von Kooperationen ‣ D a u e r h a f t e K o o p e r a t i o n e n m i t Z u l i e f e re r n u n d A b n e h m e r n k ö n n e n Wettbewerbsvorteile schaffen, die andere Unternehmen ausschließen. - Schumpeter sieht in der wachsenden Bürokratisierung großer Unternehmen eine Bedrohung für die langfristige Innovationsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit dieser Firmen. Baumols Perspektive - Baumol sieht die Rolle der Großkonzerne differenzierter und hebt ihre potenziellen Vorteile hervor: ‣ Innovationskraft durch Ressourcen ‣ Große Unternehmen sind in der Lage, die hohen Fixkosten für Forschung und Entwicklung (FuE) zu tragen. ‣ Sie können systematische und routinisierte Innovationsprozesse etablieren, die den Erfolg von Innovationen erhöhen. ‣ Skalen- und Verbundvorteile ‣ Große Unternehmen profitieren von „economies of scale“ (Größenvorteilen) und „economies of scope“ (Verbundvorteilen), die sie effizienter machen. ‣ Förderung des Fortschritts ‣ Unter fairen Wettbewerbsbedingungen können Großkonzerne die treibende Kraft für technologische und wirtschaftliche Fortschritte sein. UNTERNEHMERISCHER KAPITALISMUS Hohe Innovationsrate - Kleinere Unternehmen sind oft mutiger in der Umsetzung neuer Ideen, da sie weniger durch Bürokratie und konservative Strukturen gehemmt sind. Ergänzende Rolle großer Konzerne: - Große Unternehmen sind notwendig, um kapitalintensive Projekte (z. B. in der Automobil-, Luftfahrt- oder Chemieindustrie) umzusetzen. - Sie haben die Ressourcen, um Skaleneffekte zu realisieren und grundlegende Technologien zu entwickeln. Synergien zwischen klein und groß: - Eine Mischung aus kleineren, innovativen Firmen und großen, ressourcenstarken Konzernen ist ideal: ‣ Kleine Firmen treiben disruptive Innovationen voran. ‣ Große Konzerne übernehmen die Skalierung und weltweite Verbreitung von Technologien. NORMATIVE SCHLUSSFOLGERUNGEN Förderung von Start-Ups durch geringe Markteintrittsbarrieren. Positive Anreize für produktive Aktivitäten (z. B. Eigentumsrechte). Negative Anreize gegen unproduktives Verhalten (z. B. Subventionsabbau). Wettbewerb durch internationale Märkte und klare Regeln intensivieren. KRITISCHE ANMERKUNGEN Herausforderungen kapitalistischer Systeme: - Umweltbelastung, soziale Ungleichheit, Generationengerechtigkeit. - Erfordern Maßnahmen zur Sicherung der langfristigen Akzeptanz. Seite 4 von 4 Wachstumskritik (Externalitäten, Krisen, Ungleichheit) und Alternativkonzepte (Paech und Felber) Wachstumskritik und deren Ursachen PROBLEMATIK EINES WACHSTUMSZWANGS Kreditfinanzierte Wirtschaftssysteme führen zu einem Wachstumszwang (z.B. durch Zinsforderungen). Dieser trifft auf endliche Ressourcen, was langfristig ökologische Schäden (Klimawandel, Umweltverschmutzung) und wirtschaftliche Instabilität hervorruft. ZENTRALE PROBLEME/VERSTÖßE GEGEN DIE NACHHALTIGKEIT Ökologische Übernutzung der Erde. Überschuldung. Unkalkulierbarer Wirtschaftskrisen und des wirtschaftlichen „Absturzes“ Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit. Schlussfolgerung: Nur ein Wechsel zu einer Postwachstumsökonomie kann nachhaltige Lösungen bieten. Nico Paechs Ansatz der Postwachstumsökonomie KERNIDEEN Wirtschaftlicher Rückbau: Reduktion von Konsum und Arbeit. Lokale Eigenversorgung: Weniger Abhängigkeit von globalen Märkten. Selbstbindung: Individuen verpflichten sich freiwillig, nachhaltig zu handeln. UMSETZUNG: Individuelle Überzeugung und ein „Bottom-up-Ansatz“, der gesellschaftliche Veränderungen anstößt. Paech selbst lebt seine Prinzipien, um ein Vorbild zu sein. Christian Felbers Gemeinwohlökonomie ZIELE Entwurf eines alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das die Werte zivilisierter Menschen zur Geltung bringen soll: Menschenwürde, Solidarität, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Mitbestimmung sollen belohnt werden. Ethische Unternehmen sollen besser behandelt werden als unethische – zum Wohl aller. Dasselbe soll mit ethischen Investitionen passieren. BEDINGUNGEN FÜR DIE UMSETZUNG intrinsische Motivation und Eigenverantwortung, rechtliche Anreize, einen ordnungspolitischen Rahmen sowie eine entsprechende Bewusstseinsbildung. Insgesamt gesehen „arbeitet“ der Ansatz der Gemeinwohlökonomie stärker mit Anreizen als der Postwachstums-Ansatz von Paech. Seite 1 von 3 ECKPFEILER DER UMSETZUNG Gemeinwohl-Bilanzen - Unternehmen erstellen eine Gemeinwohl-Bilanz, die ihren Beitrag zu sozialen und ökologischen Zielen bewertet. - Unternehmen mit einer positiven Bilanz erhalten Vorteile: ‣ Niedrigere Steuern. ‣ Günstigere Kredite. ‣ Vorrang bei öffentlichen Ausschreibungen. Begrenzung von Einkommen und Vermögen - Maximaleinkommen: Höchsteinkommen wird auf ein Vielfaches des Mindestlohns begrenzt (z. B. 10-fach). - Vermögensbegrenzung: Privatvermögen wird auf z. B. 10 Millionen Euro beschränkt. - Erbschaftsregelungen: Begrenzung des Erbvermögens auf z. B. 500.000 Euro pro Person. Überschreitende Beträge fließen in einen Generationenfonds zur Förderung der Chancengleichheit. Förderung von „Demokratischen Allmenden“ - Gemeinwirtschaftsbetriebe in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Energie und Kommunikation. - Diese Betriebe werden demokratisch verwaltet und dienen ausschließlich dem Gemeinwohl. Demokratisierung der Wirtschaft - Einführung von Wirtschaftsparlamenten, in denen Bürger*innen über wirtschaftspolitische Entscheidungen mitbestimmen. - Unternehmen, insbesondere Großunternehmen, sollen teilweise in den Besitz der Beschäftigten oder der Allgemeinheit übergehen. Finanzielle Maßnahmen - Der Staat finanziert sich über zinsfreie Zentralbankkredite. - Einführung von Regiogeldern als Ergänzung zur Nationalwährung. Internationale Kooperation - Schaffung einer Fair-Handelszone mit einheitlichen Gemeinwohl-Standards. - Langfristig: Globale Gemeinwohlzonen als UN-Abkommen. VORTEILE DER GEMEINWOHLÖKONOMIE Förderung sozialer und ökologischer Verantwortung: Anreize für nachhaltiges und ethisches Wirtschaften. Reduktion von Ungleichheit: Begrenzung von Einkommen und Vermögen schafft mehr Gerechtigkeit. Stärkung der Demokratie: Bürger*innen erhalten mehr Mitspracherechte in wirtschaftlichen Fragen. Nachhaltige Finanzierungsmodelle: Zentralbankkredite verhindern Spekulationsblasen und Überschuldung. KRITIKPUNKTE AN FELBERS ANSATZ Hemmschuh für Innovationen: Die Abschaffung von Wettbewerbsmechanismen könnte Innovation und Effizienz behindern. Komplexität der Umsetzung: Gemeinwohl-Bilanzen und andere Regelungen könnten zu Bürokratie und Ineffizienz führen. Gefahr von Rent-Seeking: Ein kompliziertes Belohnungssystem für ethisches Verhalten könnte Schlupflöcher für Korruption schaffen. Schwierigkeiten bei der internationalen Integration: Globale Gemeinwohl-Standards könnten schwer durchsetzbar sein, insbesondere in Regionen mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen. Eingriff in Eigentumsrechte: Die Begrenzung von Vermögen und Erbschaften könnte als Einschränkung individueller Freiheiten wahrgenommen werden. Seite 2 von 3 Kritische Betrachtung aus Sicht der konstitutionellen Ökonomik ANSATZ VON PAECH Positiv: Fokus auf Selbstverantwortung und Nachhaltigkeit. Kritik: - Konzept ist eher für kleine Gruppen geeignet als für große Gesellschaften. - Die „Vorgabe“ eines glücklichen Lebensstils widerspricht individueller Selbstbestimmung. - Risiko von Misswirtschaft und Korruption in einem stark regulierten System. ANSATZ VON FELBER Positiv: Förderung nachhaltigen Handelns durch Anreize. Kritik: - Eingriff in Marktmechanismen (z.B. durch Begrenzung von Einkommen und Vermögen) könnte Innovationen hemmen. - Hohe Komplexität und Gefahr von Rent-Seeking und Korruption. - Globale Einheitssysteme wie eine Gemeinwohlzone könnten anfällig für asymmetrische Schocks sein. RESÜMEE Nachhaltigkeitsprobleme resultieren oft aus Schwächen der Regelsetzung und -durchsetzung. Anstatt radikaler Gegenentwürfe sollte eine kluge Reform der Marktregeln angestrebt werden, um Innovationen zu fördern und Externalitäten zu reduzieren. Ansätze wie die von Paech und Felber sind inspirierend, sollten aber kritisch hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit geprüft werden. Seite 3 von 3