Einführung in die Literaturdidaktik 4. Sitzung: Lesekompetenz PDF
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Goethe-Universität
2024
Dr. Petra Heyer
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This document is a lecture on the topic of literacy. It discusses the components of reading, difficulties encountered during the process and how it should be measured.
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Einführung in die Literaturdidaktik 4. Sitzung: Lesekompetenz Gruppe 2 Dr. Petra Heyer WiSe 2024/2025 dienstags, 12-14 Uhr 01.11.2024 Agenda Lesekompetenz: eine systematische Perspektiv...
Einführung in die Literaturdidaktik 4. Sitzung: Lesekompetenz Gruppe 2 Dr. Petra Heyer WiSe 2024/2025 dienstags, 12-14 Uhr 01.11.2024 Agenda Lesekompetenz: eine systematische Perspektive 1. Lesekompetenz aus didaktischer Perspektiv 2. Der Leseprozess – Teilleistungen bei Anfänger:innen und leistungsschwachen Leser:innen bei kompetenten Leser:innen 3. Wie lässt sich Leseverstehen messen? Modellierung von Lesekompetenz aus kognitionstheoretischer Perspektive in IGLU 4. Wie lässt sich Leseverstehen vermitteln? Modellierung von Lesekompetenz aus didaktischer Perspektive 01.11.2024 1. Lesekompetenz in didaktischer Perspektive 01.11.2024 Rank: Einführung in die Literaturdidakti 1. Lesekompetenz in didaktischer Perspektive „Lesen als konstruktiver mentaler Prozess“ „Lesen als Teil der Identität“ „Lesen als kulturelle / situative Praxis“ Das didaktische Modell macht auf mehrere relevante Dimensionen des Lesen-Könnens aufmerksam. 01.11.2024 2. Der Leseprozess – Teilleistungen 01.11.2024 Rank: Einführung in die Literaturdidakti 2. Basales Lesen „Lesen als konstruktiver mentaler Prozess“ 01.11.2024 2. Basales Lesen Basale Leseprozesse „beginnen mit der Blicksteuerung, gehen weiter zur Wahrnehmung von Graphemen und beinhalten phonologische und morphologische Prozesse, die schließlich das Erkennen von Wörtern ermöglichen“ (Fischer 2012: 71). Bei Leseanfänger:innen und leistungsschwachen Leser:innen sind diese Teilprozesse nicht automatisiert. a. Blicksteuerung: Sakkaden, Fixationen b. Wahrnehmung von Graphemen, Silben, Morphemen und schließlich ganzen Wörtern (Rekodieren und Dekodieren) c. [Gelesenes Verstehen, Konzepte abrufen] Quelle: Ute Fischer (2012): Leseförderung im Anfangsunterricht. Duisburg: Universitätsverlag Rhein-Ruhr. 01.11.2024 2. Basales Lesen Bei Leseanfänger:innen und leistungsschwachen Leser:innen sind diese Teilprozesse nicht automatisiert oder noch nicht ausgebildet. ___ g__o__ Z__ub__ __h K__p__l _n: „Ist __ w__klich so d__mm?“ f__gt_ __. Hotz__nplotz n__ckt__. „J__, m__n__t__,“ __gt__ __. Der große Zauberer sah Kasperl an. „Ist er wirklich so dumm?“ fragte er. Hotzenplotz nickte. „Ja, mindestens,“ sagte er. 01.11.2024 2. Basales Lesen Quelle: https://support.praidict.de/help/content-guideline 01.11.2024 2. Basales Lesen 1 2 3 4 5 6 Erwachsene Charakteristische Entwicklung der Augenbewegung Fixationsdauer (ms) 355 306 286 266 255 249 233 Fixationen bei 100 Wörtern 191 151 131 121 117 106 94 Anzahl der Regressionen (%) 28 26 25 26 26 22 14 Aus: Rayner, Keith et al. (2006): Eye Movement During Reading. In: Snowling, Margaret/ Hulme, Charles (Hg.): The science of reading. A handbook. 2. Aufl. Malden, Mass. Blackwell, S. 79-98, hier S. 82. 01.11.2024 2. Basales Lesen b. Wahrnehmung von Graphemen, Silben, Morphemen und Wörtern Verarbeitungsebenen der alphabetischen Schrift orientiert an Ute Fischer (2012): Leseförderung im Anfangsunterricht. Duisburg: Universitätsverlag Rhein-Ruhr, S. 39-54. 01.11.2024 b. Wahrnehmung von Graphemen, Silben, Morphemen und Wörtern Zwei-Wege-Modell des Wortlesens: Direkter Weg des Lesens: Lesen von Wörtern auf einen Blick Autofahrt Indirekter Weg des Lesens: Lesen von Wörtern entlang der Laut-Buchstaben-Beziehung Pildarucindon Anfänger:innen steht nur dieser Weg zur Verfügung, auch bei „Autofahrt“ 01.11.2024 b. Wahrnehmung von Graphemen, Silben, Morphemen und Wörtern 01.11.2024 Folie 13 2. Teilleistungen des Leseprozesses – Leseflüssigkeit Lesegeschwindigkeit Entwicklung zwischen dem 2. und 8. Schuljahr Wiener Längsschnittuntersuchung von Klicpera und Gasteiger-Klipcera (1993) 01.11.2024 Folie 14 Lesegeschwindigkeit Entwicklung zwischen dem 2. und 8. Schuljahr Wiener Längsschnittuntersuchung von Klicpera und Gasteiger-Klipcera (1993) 01.11.2024 Folie 15 Fehlerzahl Entwicklung zwischen dem 2. und 8. Schuljahr Wiener Längsschnittuntersuchung von Klicpera und Gasteiger-Klipcera (1993) 01.11.2024 Der Leseprozess bei Änfänger:innen und bei kompetenten Leser:innen Der Leseprozess bei Anfänger:innen und bei leistungsschwachen Leser:innen zeichnet sich aus durch kleine Sakkaden und häufige Fixationen häufige Regressionen Orientierung an jedem einzelnen Buchstaben Probleme beim Zusammenlauten Probleme beim Dekodieren Bei kompetenten Leser:innen (u.U. bereits ab der zweiten Klasse) laufen die Prozesse des basalen Lesens automatisch und unbewusst ab. 01.11.2024 Rank: Einführung in die Literaturdidakti 2. Teilleistungen des Leseprozesses – Leseflüssigkeit „Lesen als konstruktiver mentaler Prozess“ 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses – Leseflüssigkeit 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses – Leseflüssigkeit 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses – Leseflüssigkeit 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses Acoirdnig to a sduty at an Egnlish uinverstiy, it deson’t mttaer in waht oredr the ltteers in a wrod are. The olny iproamtnt tihng is that the frist and lsat ltteers are in the rghit pcale. The rset can be toatll gibbreish and you can sitll raed it wihotut pobelrm. Tihs is beuacse we do not raed ltteer by ltteer, but the wrods as a wolhe. Slnoé d'une étdue à une uviniserté anglaise, il n'imptroe pas dans quel odrre les lerttes sont dans un mot. La seuel choes iptromtane est que la periemre et la dernriee lrette sont à la bonen pclae. Le rsete peut être toatlmene absurde, et tu peux tuojrus le lirre sans prolèmbe. C'est pracee que nous ne liosn pas ltetre par ltetre, mais les mtos dans leur ensembe. 01.11.2024 Rank: Einführung in die Literaturdidakti 2. Teilleistungen des Leseprozesses – hierarchiehohe Prozesse „Lesen als konstruktiver mentaler Prozess“ 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses – hierarchiehohe Prozesse Das Verfahren ist eigentlich sehr einfach. Zuerst sortiert man die Objekte in verschiedene Gruppen. Natürlich könnte auch ein Haufen genügen, je nachdem, wie viel zu tun ist. Wenn man wegen fehlender Ausrüstung woanders hingehen muss, ist das der nächste Schritt, andernfalls kann es losgehen. Es ist wichtig, nichts zu übertreiben. Das heißt, es ist besser, wenige Dinge auf einmal zu tun als zu viele. Das mag auf kurze Sicht unwichtig erscheinen, aber es können sich leicht Schwierigkeiten ergeben. Ein Fehler kann auch teuer sein. Am Anfang sieht die ganze Prozedur kompliziert aus. Aber bald wird sie zu etwas, das zum Leben gehört. Es ist schwierig zu erkennen, warum diese Arbeit sofort getan werden muss, aber man kann ja nie wissen. Wenn der Vorgang beendet ist, sortiert man die Objekte wieder in verschiedene Gruppen. Dann kann man sie wieder dahin legen, wo sie hingehören. Nach einiger Zeit werden sie wieder benützt, und der ganze Zyklus muss wiederholt werden. Aber das gehört zum Leben. Bransford, J.D. & Johnson, M.K. (1972). Contextual prerequisites for understanding – some investigations of comprehension and recall. Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, 11, 717-726. 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses – hierarchiehohe Prozesse Wäsche waschen Das Verfahren ist eigentlich sehr einfach. Zuerst sortiert man die Objekte in verschiedene Gruppen. Natürlich könnte auch ein Haufen genügen, je nachdem, wie viel zu tun ist. Wenn man wegen fehlender Ausrüstung woanders hingehen muss, ist das der nächste Schritt, andernfalls kann es losgehen. Es ist wichtig, nichts zu übertreiben. Das heißt, es ist besser, wenige Dinge auf einmal zu tun als zu viele. Das mag auf kurze Sicht unwichtig erscheinen, aber es können sich leicht Schwierigkeiten ergeben. Ein Fehler kann auch teuer sein. Am Anfang sieht die ganze Prozedur kompliziert aus. Aber bald wird sie zu etwas, das zum Leben gehört. Es ist schwierig zu erkennen, warum diese Arbeit sofort getan werden muss, aber man kann ja nie wissen. Wenn der Vorgang beendet ist, sortiert man die Objekte wieder in verschiedene Gruppen. Dann kann man sie wieder dahin legen, wo sie hingehören. Nach einiger Zeit werden sie wieder benützt, und der ganze Zyklus muss wiederholt werden. Aber das gehört zum Leben. Bransford, J.D. & Johnson, M.K. (1972). Contextual prerequisites for understanding – some investigations of comprehension and recall. Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, 11, 717-726. 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses – hierarchiehohe Prozesse Er bezahlte an der Kasse 16 Euro. Sie wollte ihm acht Euro zurückgeben, aber er wollte das Geld nicht haben. So gingen sie denn zusammen hinein, und sie kaufte ihm eine große Tüte Popcorn. 01.11.2024 2. Teilleistungen des Leseprozesses Rank: Einführung in die Literaturdidaktik Wie geschieht die Integration der (vielen) Teilleistungen im Leser*innen-Bewusstsein? „Mentales Modell“ (= „Situationsmodell“, = „Textweltmodell“) = Resultat der Integration von Teilleistungen in eine analoge Repräsentation = „Ertrag“ der Lektüre Kintsch: Konstruktions-Integrationsmodell des Lesens 01.11.2024 3. Wie lässt sich Leseverstehen messen? 01.11.2024 3. Wie lässt sich Leseverstehen messen? Wie will man so etwas Komplexes wie Textverstehen überhaupt messen? 10-Jährige (am Ende des 4. 15-Jährige (am Ende der Schuljahrs) Pflichtschulzeit) 01.11.2024 Lesekompetenz Nutzung von im Text Heranziehen enthaltenen externen Wissens Informationen Unabhängige Beziehungen zwischen Über Strukturen Über Inhalte Einzelinformationen Textstellen und reflektieren reflektieren nutzen -abschnitten herstellen Lokalisieren explizit Einfache Komplexe Prüfen und bewerten angegebener Schlussfolgerungen Schlussfolgerungen von Inhalt Informationen ziehen ziehen bzw. interpretieren und Sprache und kombinieren Leseverstehensprozesse in IGLU 2021 https://ifs.ep.tu-dortmund.de/storages/ifs- ep/r/Downloads_allgemein/Handreichung_Presse_IGLU.pdf 01.11.2024 Kompetenzstufen in IGLU 2021 Text: siehe auch auf Moodle 01.11.2024 Text: siehe auch auf Moodle 01.11.2024 Aufgaben 1. Lesen Sie den Text „Erstaunliche Kraken“. 2. Schauen Sie sich die IGLU-Kompetenzstufen nochmal an. 3. Ordnen Sie die folgenden Aufgaben einer Kompetenzstufe zu: 2. Was benutzen Kraken, um Türen in ihre Höhlen zu bauen? 13. Kraken mögen es, wenn ihre Pfleger sie berühren. Was tun Kraken, um dies zu zeigen? a. Sie hüpfen auf und ab, wenn sie Hunger haben. b. Sie strecken die Arme aus und halten sich an den Armen ihres Pflegers fest. c. Sie fressen ihr ganzes Futter auf. 15. Denke an das, was du im Text gelesen hast. Meinst du, dass Aquarien gut für Kraken sind? Ja Nein Nenne einen Grund, um deine Antwort zu erklären. __________________________________________________________________ 15 Minuten Bearbeitungszeit 01.11.2024 Ein paar Ergebnisse I G Ein Viertel (25,4%) der Viertklässler kann nicht ausreichend gut lesen (gegenüber L 1/5 aller Viertklässler 2016). U Der Anteil der Viertklässler in Deutschland, die sehr gut lesen, ist ebenfalls gesunken (Stufe 5: 8,9 % gegenüber 11% in 2016). 2 Ein Viertel erreicht nicht ausreichende 0 Lesefähigkeiten (Stufe 2: 19 % (gegenüber 13,4% 2016); Stufe 1: 6% (gegenüber 5,5% 2016). 2 01.11.2024 1 Ein paar Ergebnisse 01.11.2024 Was überprüft IGLU? Lesekompetenz in didaktischer Perspektive Informationen entnehmen textbezogen interpretieren reflektieren und bewerten Die IGLU-Studien überprüfen die kognitiven Teilkompetenzen des Lesens. 01.11.2024 4. Lesekompetenz in didaktischer Perspektive Warum nicht (nur) das kognitionspsychologische Lesekompetenzmodell? 1. Die Schulleistungsstudien messen kognitive Leistungen (von Schüler:innen, Schulen, Bildungssystemen). Sie geben keine Hinweise auf 1) die Aneignung von Lesekompetenz 2) die Vermittlung von Lesekompetenz. 2. Die Schulleistungsstudien messen kognitive Leistungen. Schüler:innen sind keine „kognitiven Apparate“. Sie sind eigensinnige Subjekte ihres Lernens. 01.11.2024 Ausblick: Verfahren der Leseförderung Warum muss das Lesen gefördert werden? Die literalen Anforderungen an das Individuum sind mit der Medienentwicklung gestiegen. Die Textverstehensleistungen etlicher Schüler:innen sind, gemessen an den Anforderungen der gegenwärtigen Gesellschaft, zu schlecht. Diejenigen Schüler:innen, die in ihrer Literalitätsentwicklung auf die Schule angewiesen sind, müssen dort wirksam unterstützt werden. 01.11.2024 Was genau soll gefördert werden? Buchstaben, GPK und redundante Wort- strukturen (Silben, Morpheme) erkennen. Wörter und Wortgruppen schnell erkennen, sodass das Lesen mühelos wird. Zusammenhänge auf Satzebene und über sie hinaus herstellen, sodass realisiert wird, worum es im Text geht. Erkennen, was „zwischen den Zeilen“ ausgesagt wird. Vorwissen, Erfahrungen und Gefühle aktiv einbringen, aktiv Schlüsse ziehen. Über die Bedeutung des Textes nachdenken. Sich mit anderen über Texte austauschen. Aus Texten lernen. Interesse und Freude Texte finden und nutzen, um Probleme zu lösen. an Literatur gewinnen. 01.11.2024 4.3 Ausblick: Verfahren der Leseförderung 01.11.2024 Nächste Woche geht es um Lesediagnostik & Leseförderung. Denken Sie an die Aufgaben! Vielen Dank für Ihre Mitarbeit! 01.11.2024