Oszillationen, Rhythmen und Chronobiologie

Oszillationen und Rhythmusarten

• Oszillationen sind systematische, rhythmische Aktivitätsunterschiede in Physiologie und Verhalten.
• Rhythmen werden nach ihrer Periodenlänge (τ) eingeteilt.
• Infradiane Rhythmen haben eine Periodenlänge von weniger als 24 Stunden, z.B. Menstruation, Vogelzug und Winterschlaf.
• Ultradiane Rhythmen treten mehrmals täglich auf, z.B. Schlafstadien, BRAC und Hormonausschüttung.
• Circadiane Rhythmen dauern etwa 24 Stunden, z.B. Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur und Cortisol, und können synchron oder phasenverschoben sein.

Chronobiologie und Chronomedizin

• Die Chronobiologie untersucht die zeitliche Organisation physiologischer Prozesse und Verhaltensweisen.
• Die Chronomedizin untersucht die klinische Relevanz dieser Rhythmen, beispielsweise das vermehrte Auftreten von Herzinfarkten am Morgen oder Probleme durch Schichtarbeit.

Zeitgeber und Biologische Uhr

• Zeitgeber sind externe Faktoren wie Licht, Temperatur oder Futterzeiten, die endogene Rhythmen synchronisieren.
• Die biologische Uhr ist ein endogener Oszillator bzw. ein interner Schrittmacher, z. B. die circadiane Uhr.
• Entrainment bezeichnet die Anpassung endogener Rhythmen an äußere Zeitgeber.
• Ein freilaufender Rhythmus entsteht in Isolation, beispielsweise in einem Bunker, und beträgt etwa 25 Stunden; es kommt zur Entkopplung verschiedener Rhythmen wie Schlaf und Körpertemperatur, weshalb diese anderen Steuerungsmechanismen unterliegen müssen.

Jürgen Aschoff und Tierstudien

• Aschoffs Isolationsexperimente belegen endogene circadiane Rhythmen.
• Normale Ratten sind nachtaktiv und haben einen klaren Rhythmus.
• Blinde Ratten haben einen ca. 25-Stunden-Rhythmus, was zeigt, dass sie eine innere Uhr ohne äußere Zeitgeber haben.
• Bei Ratten mit Hypothalamusläsionen fehlt der Rhythmus, auch bei sehenden Ratten, woraus geschlossen wird, dass der Hypothalamus wichtig ist.

Nucleus suprachiasmaticus (SCN)

• Der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) liegt im Hypothalamus, direkt oberhalb des Chiasma opticum.
• Die Zellen des SCN haben rezeptive Felder und reagieren ab 1000 Lux (entspricht einem bewölkten Tag).
• Der SCN ist die zentrale biologische Uhr.
• Eine Läsion des Nucleus suprachiasmaticus stört den Rhythmus, während die Schlafdauer gleich bleibt (Richter, 1965).
• Durch die Transplantation des SCN wird der Rhythmus des Spenders übernommen, was ein einzigartiges Beispiel für den Verhaltenstransfer durch Hirngewebetransplantation ist; außerdem wird der Schlafrhythmus vererbt (Ralph et al., 1990).
• Der Tractus retino-hypothalamicus ist ein Signalweg von der Retina (mit Melanopsin in Ganglienzellen, die auf blaues Licht reagieren) zum SCN; dieser wird durch Licht neu synchronisiert (Uhrmechanismus).
• Läsionen vor dem SCN stören den Tag-Nacht-Rhythmus.
• Läsionen nach dem SCN lassen den Tag-Nacht-Rhythmus weiterhin synchronisiert werden.

Molekularer Mechanismus der biologischen Uhr

• Clock & Cycle aktivieren die Transkription.
• Die Proteine Clock und Cycle binden an die DNA und aktivieren die Gene per und cry, wodurch die Produktion der Proteine Per und Cry angestoßen wird.
• Die mRNA von per und cry wird transkribiert und verlässt den Zellkern.
• Im Zytoplasma werden die Proteine Per (rot) und Cry (blau) synthetisiert.
• Per und Cry binden an Tau und hemmen ihre eigene Produktion.
• Sobald eine kritische Konzentration erreicht ist, wird die Transkription von per und cry gehemmt (negative Rückkopplung).
• Der Abbau des Per-Cry-Komplexes führt zum Neubeginn des Zyklus.
• Der Per-Cry-Komplex wird abgebaut, wodurch die Hemmung aufgehoben wird.
• Clock & Cycle können per und cry erneut aktivieren, wodurch der Zyklus erneut startet.
• Das selbstregulierende System führt zu einem ca. 24-Stunden-Rhythmus.
• Grundlegend für den circadianen Rhythmus ist dieser Zyklus.

Störungen circadianer Rhythmik

• Jetlag entsteht durch eine Verschiebung der inneren Uhr bei Reisen über Zeitzonen hinweg.
• Bei Reisen ostwärts kommt es zu einer Phasenvorverlagerung (schwieriger).
• Bei Reisen westwärts kommt es zu einer Phasenverzögerung (leichter, evtl. da innerer Rhythmus ≈ 25h).
• Symptome: Tagesmüdigkeit, Schlafprobleme, Leistungsabfall.
• Therapie: Anpassung von Licht, Bewegung und Essenszeiten (Experiment mit Hamstern, die zu Bewegung passend zum neuen Rhythmus gezwungen wurden).
• Schichtarbeit führt zu einer Desynchronisation, da der Zeitgeber konstant bleibt, aber das Verhalten verschoben wird.
• Mögliche Folgen von Schichtarbeit: Müdigkeit, Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
• Maßnahmen zur Reduzierung der Auswirkungen: Helles Licht, Schichtwechsel mit Ruhepausen, Phasenverzögerung.
• Beispiele für Fehler in den frühen Morgenstunden: Tschernobyl, Harrisburgh.

Chronotypen

• Morgentypen (Lerchen) vs. Abendtypen (Eulen).
• Der Chronotyp wird durch den Körpertemperaturverlauf, die genetische Disposition (Clock-Gene) und die Entwicklung beeinflusst (Kinder sind früher Chronotypen, Jugendliche später).
• Der Chronotyp kann durch den MCTQ (Munich Chronotype Questionnaire) bestimmt werden, wobei das MSF (Mid-Sleep on Free days) ermittelt wird (Uhrzeit-Mitte zwischen Einschlaf- und Aufwachzeiten).
• Laut Studien schneiden Schüler (11–18 J.) des Morgentyps vormittags bei Prüfungen besser ab als Schüler des Abendtyps.