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Aufmerksamkeit und Wahrnehmung

• Die Zuwendung von Aufmerksamkeit macht Sinneskanäle durchlässiger.
• Sensorische Informationen können mit oder ohne Aufmerksamkeit verarbeitet werden.
• Aufmerksamkeit korreliert mit der motorischen Zuwendung des Blickes, kann aber auch ohne motorische Aktion des Körpers erfolgen.
• Die Zuwendung von Aufmerksamkeit kann durch äußere Reize oder eigene Erwartungen und Ziele gesteuert werden.
• Aufmerksamkeit kann räumlich weit verteilt oder eng begrenzt sein.

Objekte der Aufmerksamkeit

• Aufmerksamkeit hebt einzelne Gegenstände hervor, wobei die Definition des Gegenstands kontextabhängig ist.
• Sie kann auch auf den eigenen Körper gerichtet werden.
• Das Körperbild ist ein komplexes Gebilde, das die Unterscheidung zwischen Teilen (z. B. links vs. rechts) ermöglicht.
• Der Außenraum kann mithilfe der linken und rechten Körperseite in eine linke und rechte Hälfte unterteilt werden.

Aufmerksamkeit im Gedächtnis und für motorische Aktionen

• Der Lichtkegel der Aufmerksamkeit kann sich über bildliche Vorstellung im visuospatialen Arbeitsgedächtnis bewegen.
• Die Aufmerksamkeit kann den motorischen Aktionen des Körpers zugewandt werden, insbesondere bei ungleichmäßigen Bewegungen oder unter schwierigen Bedingungen.

Halbseitige Vernachlässigung (Hemineglect)

• Definiert als fehlende Zuwendung von Aufmerksamkeit zur Seite des Raumes/Körpers, die der geschädigten Seite des Gehirns gegenüberliegt.
• Betroffene Patienten lassen oft gelähmte Gliedmaßen nachschleifen, stoßen gegen Türrahmen oder essen nur von einer Seite des Tellers.

Vernachlässigung von Wahrnehmungen aus einer Raumseite

• Bei bilateraler sensorischer Stimulation werden meist nur Reize von der gesunden Seite wahrgenommen.
• Die Extinktion kann modalitätsspezifisch (akustisch vs. visuell) oder modalitätsübergreifend sein, wobei z.B. das Sehen einer Berührung der gesunden Hand die taktile Wahrnehmung einer Berührung der vernachlässigten Hand löscht.
• Klinisch wird die halbseitige Vernachlässigung meist durch die Missachtung der linken Seite und Bevorzugung der rechten Seite verursacht.
• Emotional aufregende Stimuli können die halbseitige Vernachlässigung durchbrechen.
• Die Vernachlässigung betrifft nicht das visuelle Erkennen einzelner Dinge oder die Beurteilung der Symmetrie.
• Die Vernachlässigung kann objektzentriert sein (rechte Anteile links gelegener Objekte werden beachtet) oder körperzentriert (Dinge links der Körpermitte werden vernachlässigt).
• Sie kann sich auch auf die Exploration des visuospatialen Arbeitsgedächtnisses beziehen.
• Wenn Patienten sich einen bekannten Platz vorstellen, lassen sie oft die Hälfte des Bildes, die auf der vernachlässigten Seite liegt, aus.
• Das Körperbild ist verzerrt, sodass die betroffene Körperseite als geschrumpft oder abgeschnitten wahrgenommen wird.
• Die Pflege einer Körperhälfte wird vernachlässigt, wobei die Verteilung der Vernachlässigung von der momentanen Position der Körperteile abhängt.
• Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem fehlenden spontanen Einsatz einer Extremität und ihrer guten Leistung in der Kraftprüfung.
• Spontane Bewegungen der betroffenen Gliedmaßen werden unterlassen, wenn gleichzeitig die Gliedmaßen der gesunden Seite bewegt werden.
• Bei inkompletter Hemiparese wirkt sich die Vernachlässigung auf die Restfunktion/Kompensation aus.

Begleitstörungen der halbseitigen Vernachlässigung

• Patient:innen mit linksseitigen Läsionen und Vernachlässigung der rechten Seite haben oft eine Aphasie und/oder Apraxie.
• Zusätzliche Störungen können die halbseitige Vernachlässigung in der klinischen Untersuchung und im Alltag verschleiern, was eine systematische Suche notwendig macht.
• Blindheit in einem Teil des Gesichtsfeldes führt dazu, dass Patient:innen Dinge auf der betroffenen Seite übersehen.
• Vernachlässigung und Raumstörung können sich gut zurückbilden.
• Es gibt Unterschiede in der Wahrnehmung von visuellen und nicht-visuellen Reizen.
• Linienhalbierung ergibt Abweichungen zur betroffenen Seite hin.
• Läsionen verursachen nicht selten beide Störungen.
• Die Kapazität des visuospatialen Arbeitsgedächtnisses ist reduziert, korreliert mit der Schwere der halbseitigen Vernachlässigung, was zu wiederholtem Blick auf dieselben Dinge führt.
• Visuokonstruktive Störungen können durch mangelhafte Aufmerksamkeit nach links verstärkt werden oder die Symptome der Vernachlässigung verstärken.
• Bei rechtsseitigen Läsionen ist der Lichtkegel der Aufmerksamkeit zu eng; nur Teilobjekte werden beachtet, und die Zuwendung zur Außenwelt bricht jäh ab.
• Bei linksseitigen Läsionen ist der Lichtkegel der Aufmerksamkeit zu weit, wodurch Details vernachlässigt werden.
• Rechts- und linksseitige Läsionen können die Gesamtkapazität der Aufmerksamkeit reduzieren.

Anatomie der halbseitigen Vernachlässigung

• Halbseitige Vernachlässigung ist nach rechts- und linksseitigen Läsionen möglich, wobei Vernachlässigung des Außenraumes nach rechtsseitigen Läsionen häufiger auftritt.
• Links: Oberer Temporallappen, unterer Parietallappen und Insel sind involviert.
• Rechts: Hinterer Temporallappen, temporo-parietaler Übergang, Frontallappen und Parietallappen sind betroffen.
• Läsionen der subkortikalen Bahnen, die frontale mit parietalen und temporalen Regionen des Cortex verbinden, können eine wichtige Rolle spielen.

Alltagsrelevanz

• Normale Untersuchungsbefunde können mit Fehlleistungen im Alltag kontrastieren.
• Die halbseitige Vernachlässigung reduziert bei Hemiparesen die Chancen für die Besserung der Belastbarkeit des paretischen Beines.
• Die Auswirkungen der Vernachlässigung und von etwaigen Begleitstörungen summieren sich im Alltag und sind schwer voneinander abzugrenzen.

Therapie

• Bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit nach links durch ständige Erinnerung und Suchaufgaben mit Rückmeldung.
• Erhöhung der allgemeinen Aufmerksamkeit durch akustische Reize während visueller Explorationsaufgaben.
• Extern induzierte Verschiebung der Aufmerksamkeit, z.B. durch Vibration der linksseitigen Nackenmuskeln.
• Verschiebung motorischer Aktionen durch Prismen, die das Sehbild nach rechts verschieben.
• Therapieerfolge werden nicht immer in den Alltag übertragen, daPatienten im Alltag die linke Seite vergessen oderKonzentrationsschwierigkeiten haben.