Angewandte Psychotherapie im Strafvollzug

Angewandte Psychotherapie: Behandlung im Strafvollzug

• Ulrike Köhler, Leiterin des Psychologischen Dienstes der JVA Tegel, präsentierte am 13.01.2025 Einblicke in die angewandte Psychotherapie im Strafvollzug.

Justizvollzugsanstalt Tegel - Überblick

• Die JVA Tegel wurde 1898 als Königliches Strafgefängnis eröffnet.
• Es gibt drei Zellenhäuser.
• Die JVA bietet Platz für 1.500 Gefangene in Einzelhaft und 130 in Gemeinschaftshaft.
• Es beschäftigt 121 Angestellte.
• Die JVA besteht aus vier Teilanstalten und Sicherungsverwahrung auf einem Gelände von 130.000 qm.
• Die Belegungsfähigkeit beträgt 792 im geschlossenen und 8 im offenen Vollzug der Sicherungsverwahrung.
• Es gibt 580 Mitarbeitende.
• Das Klientel umfasst Personen mit Zeitstrafen (einschließlich sehr kurzen Ersatzfreiheitsstrafen), lebenslangen Freiheitsstrafen und Sicherungsverwahrung.

Behandlung im Strafvollzug - Ziel und Grundsätze

• Das Ziel des Strafvollzugs ist die Resozialisierung.
• Inhaftierte sollen befähigt werden, ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Begehung weiterer Straftaten zu führen.
• Die Allgemeinheit soll vor Straftaten geschützt werden.
• Das Leben im Vollzug soll allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden.
• Schädliche Folgen des Freiheitsentzugs sollen entgegengewirkt werden.
• Inhaftierten soll geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.

Teilanstalt II

• Teilanstalt II verfügt über 353 Haftplätze in 13 Stationen.
• Es gibt drei Sonderbereiche.
• Hier erfolgt der Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe (31 Haftplätze).
• Es gibt einen Time-Out-Bereich (30 Haftplätze).
• Es gibt eine Sicherungsstation (8 Haftplätze).
• Der Psychologische Dienst bietet Beratung der Mitarbeitenden zur Unterstützung der Betreuung und Behandlung.
• Ziel ist die Vermeidung haftbedingter psychischer Beeinträchtigungen und die Reaktivierung stagnierender Behandlungsverläufe.
• Angeboten werden Krisenintervention und Suizidprävention bei psychisch auffälligen Inhaftierten.
• Der Psychologische Dienst betreut Inhaftierte der Sicherungsstation.

Teilanstalt V

• Teilanstalt V hat 174 Haftplätze in 12 Stationen.
• Es gibt vier Sonderbereiche: Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe (60 Haftplätze), Drogenabschirmstation (13 Haftplätze), APP-Nachsorge (13 Haftplätze) und Gefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung (30 Haftplätze).
• Der Psychologische Dienst bietet ein besonderes Behandlungsangebot für Menschen mit vornotierter oder angeordneter Sicherungsverwahrung zur Abwendung der SV.
• Es gibt einen gesetzlichen Auftrag.
• Ein 14tägiges Gesprächsangebot.
• Es wird Gesprächsfähigkeit und Therapiemotivation erarbeitet/gestärkt, um auf PTB & SothA vorzubereiten.
• Der Psychologische Dienst leistet Fachbeiträge als Teil des Vollzugsplans.
• Der Psychologische Dienst nimmt an Vollzugsplankonferenzen, Fallbesprechungen, Fallsupervisionen und gelegentlich Anhörungen vor Gericht teil.

Teilanstalt VI

• Teilanstalt VI ist baugleich mit Teilanstalt V.
• Sie verfügt über 180 Haftplätze in 12 Stationen.
• Es gibt einen Sonderbereich Drogensubstitution.
• Es gibt keinen eigenen Psychologischen Dienst.

Sozialtherapeutische Anstalt (SothA)

• SothA I verfügt über 117 Haftplätze auf 6 Stationen.
• SothA II hat 33 Haftplätze auf 3 Stationen.
• Die Stationen umfassen Diagnostik/Eingangsbereich, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, verhaltenstherapeutische Stationen und integrative Milieutherapie, sowie Freigangsbereiche.
• Es gibt einen gesetzlichen Auftrag zur Verringerung der erheblichen Gefährlichkeit bei schwerwiegenden Gewalt- bzw. Sexualstraftaten.
• Die Aufnahme erfolgt nach Indikationsstellung.
• Die Therapeut:innen übernehmen Gruppenleitungen.
• Angeboten wird delikt- und störungsspezifische Einzel- und Gruppentherapie.

Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung

• Dies erfolgt als Maßregel gemäß § 66 StGB.
• Es ist ein Behandlungsbereich mit Abstandsgebot.
• Es gibt einen gesetzlichen Auftrag.
• Es gibt 60 Unterbringungsplätze im geschlossenen und 8 im offenen Vollzug.
• Das Behandlungsteam besteht aus Sozialdienst und Psychologischem Dienst.
• Verwahrte sind häufig langjährig therapieerfahren.
• Es gibt eine umfassende Eingangsdiagnostik.
• Es erfolgt eine psychotherapeutische Behandlung der der Gefährlichkeit zugrundeliegenden Störung bzw. Persönlichkeitsstruktur.
• Angeboten wird delikt- und störungsspezifische Einzel- und Gruppentherapie.

Psychotherapeutische Beratungsstelle

• Psychotherapie ist eine Heilbehandlung äquivalent zum ambulanten psychotherapeutischen Versorgungssystem unter Schweigepflicht.
• Eine eigeninitiative Anmeldung und Indikationsstellung ist erforderlich.
• Es gibt ein 14tägiges Gesprächsangebot, bei Bedarf auch häufiger ohne Kontingent.
• Häufige Diagnosen sind Persönlichkeitsstörungen, Substanzabhängigkeiten und Anpassungsstörungen (aufgrund der Inhaftierung).
• Weitere Diagnosen sind PTBS, Psychosen, Angst, Depression, Somatisierungsstörung und sexuelle Präferenzstörung (i.d.R. Paraphilien).

Psychologischer Dienst(Aufgaben)

• Der Psychologische Dienst nimmt eine besonders gründliche Prüfung zur Frage der Zulassung zu Vollzugslockerungen vor.
• Er prüft die Flucht- und Missbrauchsgefahr bei Reduzierung der Sicherheitsmodalitäten bei Ausführungen.
• Er nimmt Stellung zum Entwicklungsstand von zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Inhaftierten.
• Er führt die Indikationsprüfung für die Einweisung in die SothA durch.
• Er begleitet die Behandlung von Inhaftierten mit vornotierter SV.
• Er leistet Diagnostik und Behandlungsberatung.
• Er dient als Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie im Berliner Strafvollzug.

Psychologische Behandlungskonzepte - Ein Auszug -

• Es werden kriminologische und störungsspezifische Behandlungen angeboten.
• Kriminaltherapie beinhaltet die Erarbeitung einer Delinquenzhypothese, die Identifikation und den Abbau kriminogener Risikofaktoren sowie die Identifikation und den Aufbau von Schutzfaktoren.
• Methoden hierbei sind Kosten-Nutzen-Analyse, Motivational Interviewing, Biographie-, Ressourcen- und Wertearbeit sowie kognitive Umstrukturierung.
• Störungsspezifische Behandlung konzentriert sich auf Persönlichkeitsstörungen, sexuelle Präferenzstörungen, Sucht und Impulskontrollstörungen.
• Weitere Modelle sind Good Lives Model (GLM), Reasoning & Rehabilitation (R & R) und Anti-Sexuelle-Aggressivitätstraining (ASAT).

Therapie im Zwangskontext - Hemmnisse und Schwierigkeiten

• Es gibt Schwierigkeiten bei der Etablierung einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung.
• Es besteht eine Doppelrolle von Therapie und Prognose.
• Es kann zur Externalisierung der Verantwortung für den Behandlungserfolg kommen, was das Vertrauen in die Wirksamkeit der Therapie und in die Selbstwirksamkeit beeinträchtigt.
• Es gibt intrinsische vs. extrinsische Therapiemotivation.
• Es kommt zu einer Spannung zwischen Anpassung vs. Veränderung.
• Kosten und Nutzen des legalen Lebens werden thematisiert.
• Die Therapie findet oft auf einer "Metaebene" statt, es fehlt ein Erprobungsraum.
• Juristische Rahmenbedingungen bzw. Entscheidungen stehen z.T. im Widerspruch zu therapeutischen Anforderungen.