Zusammenfassung - Rechts- und Verfassungsgeschichte PDF

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Summary

This document provides a summary of Austrian constitutional history from 1918 to 2029.  It details key developments, such as the 1920 Federal Constitution and the evolution of the Austrian government. It emphasizes the shift towards federalism and the challenges faced throughout the period.

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Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) massives Bewaffnungsverbot ausgesprochen. Es wurde auch ein relatives Anschlussverbot Österreichs an Deutschland verfügt (relativ weil es der Völkerbundrat aufheben hätte können). 1920 wurde der Völkerbund zur Friedenssicherung in Genf ge...

Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) massives Bewaffnungsverbot ausgesprochen. Es wurde auch ein relatives Anschlussverbot Österreichs an Deutschland verfügt (relativ weil es der Völkerbundrat aufheben hätte können). 1920 wurde der Völkerbund zur Friedenssicherung in Genf geschaffen. Auch Österreich wurde 1920 Mitglied. Auch ein Internationaler Schiedsgerichtshof in Den Haag wurde einberufen. Der Vertrag von St. Germain zerstörte die beiden Fiktion, dass Österreich nicht der Nachfolgestaat der Monarchie sei und, dass Österreich Teil Deutschlands werden solle. Der Vertrag wurde auch in der Verfassung berücksichtigt – die Paragrafen die auf einen Anschluss referierten wurden abgeändert und der Name war von nun an „Republik Österreich“. Die Politik blieb jedoch weiterhin bei dem Standpunkt der Diskontinuität. B) 1920-1933 1. Das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 Es kam nun zu einer Hinwendung zu einer Bundesstaatlichen Konzeption. Die Staatsregierung, welche an der Verfassung arbeitete, beauftragte Hans Kelsen mit der Ausarbeitung einer bundesstaatlichen Lösung (nachdem ein Anschlussverbot absehbar war). Es musste ein Entwurf ausgehandelt werden der einerseits für CSP und SdAP passend war. Der Plan war zuerst eine Beratung und Ausarbeitung in der Bundesregierung, dann die Einbindung der Länder und schließlich die Beschlussfassung durch die KonstNV. Es entstand unter dem Verfassungsminister Mayr mit Mitarbeit Kelsens und anderen Experten der „Privatentwurf Mayr“, welcher in zwei Länderkonferenzen verhandelt wurde. Dieser sogenannten Linzer Entwurf wurde dann in der KonstNV durch einen Verfassungsausschuss verhandelt. Es wurden verschiedene Entwürfe zusätzlich eingebracht insbesondere auch von den Parteien. Verhandelt wurde dann einerseits über den Linzer Entwurf, welchen die CSP favorisierte und den Entwurf der SdAP, welcher auch auf Kelsen zurückging und somit schon eine weitgehende Übereinstimmung im Vorhinein bestand. Uneinigkeit bestand vor allem in der Zusammensetzung des Bundesrat: Kompromisslösung, dass es eine Mindest- und Höchstzahl an Abgeordneten gab. Und auch bei der Frage nach dem Bundespräsidenten. Die SdAP wollte weiterhin die Vertretung durch den Präsidenten des Parlaments die CSP einen vom Volk gewählten BP. Kompromiss war wiederum eine Wahl durch die Bundesversammlung (Bundesrat + Nationalrat). Es blieben auch einige Fragen offen: 100 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Finanzangelegenheiten (Finanzverfassung) und im Schulwesen und der Verwaltungsorganisation (3 Bedingungen) Schaffung eines Grundrechtskatalogs Reform der Verwaltung mit Beseitigung der Doppelgleisigkeit sowie Demokratisierung der Bezirksverwaltung Uneinigkeit über die Schaffung einer Gemeindeverfassung Ungeachtet dieser offenen Punkte wurde der Beschluss der KonstNV vorgelegt und diese beschloss mit 1. Oktober 1920 einstimmig das B-VG. Für die offenen Fragen wurde ein Verfassungsübergangsgesetz (VÜG) geschaffen. Nach der Wahl des Nationalrats wurde das B-VG noch einmal kundgemacht. Es handelte sich eigentlich nur um den Torso einer Verfassung. Viele Dinge blieben ungeklärt und der bisherige Verfassungszustand musste teilweise für fortbestehend erklärt werden. Vor allem betroffen waren die Grundrechte und die Gemeindeverfassung. Die Grundrechte wurden im Zuge Des STGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger übernommen und mit Artikel 7 B-VG (Gleichheitsgrundsatz) erweitert. Auch das Reichsgemeindegesetz 1862 wurde übernommen. Bei den anderen Fragen waren provisorische Regeln notwendig. Die meisten Sachen blieben sowie sie waren bis es zu neuen Regelungen kommt. Das Regierungssystem war weiterhin extrem parlamentarisch und gewaltenverbindend. Das zentrale Organ war der Nationalrat der (mit dem Bundesrat) die Gesetzgebungskompetenz inne hatte. Er wählte des Weiteren die Regierung und hatte auch die Möglichkeit eines Misstrauensvotums. Auch war er durch das Organ der Bundesversammlung für die Wahl des BP mitverantwortlich und hatte den Oberbefehl über das Heer. Einfluss auf die Judikative übte er (wiederum mit dem Bundesrat) durch die Wahl der Richter_innen des VwGH und VfGH aus. Das B-VG orientierte sich an vier Verfassungsprinzipien: 1. Demokratische Prinzip: Dieses zog sich wie ein roter Faden durch die Bundesverfassung. So waren alle Organe zumindest indirekt über das Volk legitimiert. Vom NR über den BR über die BV oder den BP. Darüber hinaus gab es auch direkt demokratische Elemente wie das Volksbegehren oder die Volksabstimmung. Sollte es zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung kommen (Änderung eines der vier Prinzipien) war eine zwingende Volksabstimmung notwendig. 101 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) 2. Republikanische Prinzip: Es gab zwar ein auf 4 Jahre gewähltes Staatsoberhaupt, aber dieses hatte kaum Kompetenzen (Folge des Kompromisses zwischen SdAP und CSP). 3. Liberal-rechtsstaatliches Prinzip: Dies wurde insbesondere durch VfGH verkörpert der umfangreiche Kompetenzen bekommen hatte. Er besaß sämtliche Kompetenzen des Reichsgerichts und Staatsgerichtshofs als auch die Prüfungskompetenz von generellen Normen wie Gesetzen oder Verordnungen, auf deren Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit. Insbesondere konnte so auch geprüft werden ob Gesetze in Einklang mit den Grundrechten standen. Die Verwaltung wurde weiterhin vom VwGH geprüft. Es galt strikt das Legalitätsprinzip. 4. Bundesstaatliche Prinzip: Auch dieses war eher schwach ausgeprägt und wurde von der Bundesgewalt überlagert. Der Bundesrat war dem Nationalrat nicht gleichberechtigt, hatte nur ein suspensives Veto als auch nur ein beschränktes Initiativrecht. Trotz Generalklausel zu Gunsten der Länder dominierte der Bund. Die Gerichtsbarkeit war auch beim Bund monopolisiert. 2. Verfassungsentwicklung seit 1920 Die Übergabe des Burgenlands 1921 scheiterte vorerst durch den bewaffneten Widerstand durch ungarische Freischärler. Durch die Vermittlung Italiens kam letztlich doch zur Übergabe (Venediger Protokoll). Das Burgenland ist nach der Wahl von Landtag und Landesregierung seit 1. Jänner 1922 ein gleichberechtigtes Bundesland. Zur gleichen Zeit kam es zur Teilung von Wien und NÖ, welche somit auch neue Landesverfassungen bekamen (wie einige andere Bundesländer auch). 1922 wurde auch eine Finanzverfassung beschlossen. Somit war eine der drei Bedingungen für das Inkrafttreten der 1920 sistierten Kompetenzverteilung des B-VG erfüllt (die anderen beiden fehlenden Bedingungen waren die Kompetenzverteilung bzgl. Schulwesen und Verwaltungsorganisation). Aufgrund der wirtschaftlichen Notlage sah sich Österreich gezwungen Anleihen aus dem Ausland zu nehmen: Genfer Anleihen. Frankreich, GB, Italien und die CSR hafteten für die Rückzahlung, was ihnen die Möglichkeit gab Österreich weitere Souveränitätsbeschränkungen aufzulegen. Die Verwendung des Gelds wurde der Kontrolle des Völkerbundrat unterstellt und erfolgte durch einen Kommissär. Das Anschlussverbot wurde verschärft und konnte nun auch nicht mit Mitwirkung 102 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) des Völkerbundes aufgehoben werden und wurde darüber hinaus auf die wirtschaftliche wie finanzielle Unabhängigkeit ausgedehnt. Um eine rasche Sanierung bewerkstelligen zu können wurde 1922 ein spezielles wirtschaftliches Verordnungsrecht für die Bundesregierung geschaffen, welches die Kontrolle des NR zeitweise aufhob. Dieses außerordentliche Gesetzgebungsrecht wurde auf Jahresende 1924 befristet und vom neu geschaffenen Kontrollorgan „außerordentlicher Kabinettsrat“ kontrolliert. Österreich wollte möglichst schnell die Kontrolle durch den Völkerbund loswerden (deshalb Notwendigkeit der Budgetsanierung). Es durfte keine Verfassungsänderungen vorgenommen werden und Ziele waren eine stabile Währung als auch die Budgetsanierung. Die Forderungen des Völkerbunds wurden von der Bundesregierung umgehend Gegenstand eines Verfassungsreformprogramms gemacht, welche außerdem zum Inkrafttreten der Kompetenzverteilung des B-VG führen sollte. Es kam im Juli 1925 zu einer Novellierung des BVG, sowie zu Änderungen auch des VÜG 1920 und des F-VG 1922. Und es erging ein Bundesverfassungsgesetz über die Errichtung von Ämtern der Landesregierung. Mit der Novelle 1925 trat die Kompetenzverteilung in Kraft. Erst so wurde das bundesstaatliche Prinzip wirklich voll entfaltet. Es kam auch zu einer Neugestaltung der Verwaltung der Länder, die Doppelgleisigkeit der Verwaltung der Länder wurde mit der Schaffung von Ämtern der Landesregierung überbrückt, die sowohl für die mittelbare Bundesverwaltung als auch für die eigene Landesverwaltung zuständig war. Darüber hinaus wurde der Rechtsschutz durch VfGH und VwGH verstärkt und dem Legalitätsprinzip durch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) präzisiert. Es kam auch zu einer Zuständigkeitsverschiebung zu Gunsten des Bundes und einer obligatorischen Rechnungshof-Kontrolle der Länder. Damit der Urkundencharakter nicht zerstört wird wurden alle Änderungen in das B-VG integriert und dieses und das VÜG neu verlautbart. Diese Änderung machte auch deutlich wie groß die Rolle der Parteien als Entscheidungsträger war. Die innenpolitische Situation war nach 1920 sehr angespannt. Einerseits gab es die Sozialdemokratie, welche eigentlich einen Einheitsstaat anstrebte, welche an Deutschland angeschlossen werden hätte sollen um auf demokratischen Wege eine klassenlose Gesellschaft zu errichten. Auf der anderen Seite gab es die Christlich Sozialen, welche einen politische Katholizismus anhingen und die föderalistischen Strukturen unterstützen. Auf der Seite der CSP standen die Heimwehren als paramilitärische Einheiten, auf der Seite der SdAP die Schutzbünde, 103 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) welche insbesondere errichtet worden waren um die Errungenschaften in Wien zu verteidigen. Daneben gab es noch das nationale Lager, welches oft mit der CSP koalierte, aber den politischen Katholizismus ablehnte, wie auch einen Anschluss an Deutschland forderte. Zu einer Eskalation kam es 1927 als aus einer SdAP-Demonstration der Justizpalastbrand und viele Tote erwuchsen. Um die Herrschaft der Parteien zurück zu drängen wurde nun überlegt anstelle des extrem parlamentarischen gewaltenverbindenden Systems eine „gewaltenteilende Präsidentschaftsrepublik“ nach Vorbild der Weimarer Reichsverfassung zu stellen. Eine entsprechende Verfassungsreform wurde von der Regierung 1929 vorbereitet und sollte eine Stärkung der staatlichen Autorität sowie die Beseitigung der Vorherrschaft des Parlaments dienen. Weitere Forderungen konnten aufgrund des Widerstands der SdAP (welche aufgrund der 2/3 Mehrheit benötigt wurde) nicht durchgesetzt werden. Die im Dezember 1929 beschlossene Verfassungsnovelle hatte eine gemischt parlamentarischpräsidiales System zur Folge mit markanten Änderungen. So kam es zu einer massiven Aufwertung des BP. Dieser hatte nun den Oberbefehl über das Bundesheer, konnte Regierungsmitglieder entlassen, konnte auf Vorschlag der Bundesregierung mit Zustimmung des Unterausschusses des NR Notverordnungen erlassen wurde auf 6 statt 4 Jahre und zwar direkt vom Volk gewählt. Er war nun diesem und nicht mehr dem NR verantwortlich → BV konnte eine Volksabstimmung über die Absetzung veranlassen. Gleichermaßen wurde der NR geschwächt. Abgesehen von den Kompetenzübertragungen auf den BP durfte er Richter (und auch nur die Hälfte) vorschlagen, die andere Hälfte die Bundesregierung → Entpolitisierung der öffentlichen Gerichtsbarkeit. Der BP konnte den NR einberufen, vertagen oder auch auflösen. Überdies erfolgte der Ausbau des Rechtsschutzes und es kam erneut zu einer Verschiebung zu Gunsten des Bundes → weiterer Abbau des Föderalismus. Die Änderungen hatten fast die Dimension einer Gesamtänderung, jedoch wurde besonders aufgrund der angespannten Lage auf eine Volksabstimmung verzichtet. Das B-VG und VÜG wurde wiederverlautbart und das B-VG bekam den Zusatz „in der Fassung von 1929“ Die erhofften Änderungen durch die Novelle 1929 blieben in der Verfassungswirklichkeit aus. Weder der Staat noch die Gerichte konnten entpolitisiert werden. Die Aufwertung des BP trat auch nicht ein. → Schlag ins Wasser. 104 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Aufgrund der angespannten Lage wurde 1931 die Volkswahl des BP wenige Tage vor der Wahl sistiert und eine Wahl durch die BV vorgenommen. So wurde es Miklas in einer Volkswahl wäre es vermutlich Renner geworden. Durch die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre musste Österreich wieder Anleihen unter Mitwirkung des Völkerbundes aufnehmen (ein Zollunion mit Deutschland wurde untersagt). Der Abschluss der zweiten Genfer Anleihe (Lausanner Protokoll) führte zu einer schweren Regierungskrise (die GdVP stieg aus der Koalition aus weil durch den Vertrag ein Zusammenschluss mit D auf lange Sicht ausgeschlossen war). Aufgrund des erstarken der NSDAP wurde das Regieren immer schwerer und es wurde offen darüber nachgedacht ohne Parlament zu regieren wovor Renner eindringlich warnte. C) 1933 bis 1938 1. Das Ende der parlamentarischen Demokratie Am 4. März 1933 legten alle Präsidenten des NR nacheinander ihr Amt nieder um den jeweiligen Fraktionen eine Mehrheit zu verschaffen. Dies machte den NR formal handlungs- und arbeitsunfähig. Diese formale Blockade nahm die Regierung als Anlass um von einer „schweren Parlamentskrise“ bzw. der „Selbstausschaltung des Parlaments“ zu reden. Es handelte sich jedoch lediglich um einen Geschäftsordnungszwischenfall der leicht zu beheben gewesen wäre. Die Opposition aus sozialdemokratischen und groß-deutschen Abgeordneten versuchte auch eine Reaktivierung des NR. So Widerrief der dritte Präsident seinen Rückzug und berief für den 15. März eine Versammlung ein um die vom 4. März ordnungsgemäß zu schließen. Dies Versammlung wurde jedoch mit Polizeigewalt von der Regierung aufgelöst und das Parlamentsgebäude abgeriegelt. Der Bundesrat beschloss daraufhin am 17. März die Einberufung des NR, die Ausschreibung von Neuwahlen und die Aufhebung der zwischenzeitlich ergangenen KWEGVerordnungen. Die Regierung sah dies jedoch als belanglos an, weil der BR nur in Kombination mit dem NR tätig sein könne. Durch die Ausschaltung des NR war laut ihr der BR also funktionslos. Die Regierung zog nun die Kompetenz der Bundesgesetzgebung im Wege von KWEGVerordnungen an sich. Das KWEG 1917 wurde 1918 vorläufig übergeleitet und dann 1920 mit dem B-VG fixer Bestandteil der Rechtsordnung. 1929 wurde die Abschaffung diskutiert aber nicht durchgeführt. Das KWEG wurde davor schon 1923 in der Wirtschaftskrise eingesetzt, aber auch 1932 schon von der Dollfuß-Regierung beim Untergang der Creditanstalt getestet. Aufgrund der 105 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) eigenen politischen Schwäche und dem Wunsch Wahlen zu vermeiden stütze sich die Regierung immer stärker auf das KWEG. Das Notverordnungsrecht des BP wurde unter anderem wegen der Einbindung des Hauptausschusses des NR verworfen. Die Verordnungen hatten einerseits teilweise verfassungsändernde Wirkung (was illegal war), als auch oft keinen Zusammenhang mit wirtschaftlichen Maßnahmen. Schon Zeitgenossen bestritten oft die Legalität der Regierungshandlungen → Staatsstreich auf Raten. Der VfGH hätte die Kompetenz gehabt die KWEG zu kippen. Als dieser im April begann Verordnungen zu prüfen ließ die Regierung ihr nahestehende Richter abziehen und veranlasste durch eine KWEG-Verordnung, dass der VfGH nur dann tagen durfte wenn alle Mitglieder und Ersatzmitglieder anwesend sind →Gleicht einer Lahmlegung des VfGH. Die Ausschaltung der politischen Opposition begann mit der Auflösung des sozialdemokratischen Schutzbundes Ende März 1933. Ein weiterer Schlag waren die Parteiverbote der KPÖ im Mai und der NSDAP im Juni durch KWEG-Verordnungen. Später wurden auch alle anderen Parteien aufgelöst und als Sammelbecken der Regierungstreuen die Vaterländische Front (VF) geschaffen. Diese wurde am 1. Mai 1934 zum alleinigen Träger des Staatsgedankens. Bereits kurz nach der Ausschaltung des Parlaments wurde mit einer illegalen KWEG-Verordnung die Pressefreiheit eingeschränkt. Im Bereich der Justiz wurde die Schwurgerichtsbarkeit abgeschafft und die Todesstrafe wieder eingeführt. Da eine weitere Instrumentalisierung der Justiz aufgrund des Verfassungsrahmens teilweise schwierig war wurde dies in den Bereich der Verwaltung verschoben. Es wurden neue Verwaltungsstrafdelikte eingeführt und die Strafen deutlich erhöht. Der Rechtsschutz verringert und die Polizeikompetenz drastisch ausgeweitet. Alle Beamte und Richter mussten eine Treueeid auf die Regierung abgeben. Am 24. April 1934 erließt die Regierung auf Grundlage des KWEG eine neue Verfassung für den Bundesstaat Österreich. Um dies zu legitimieren veranlasste sie die Fortsetzung der am 4. März 1933 unterbrochene NR-Sitzung. Der nun wieder einberufene Nationalrat stellte in Folge der Aberkennung der Mandate der SdAP nur ein Rumpfparlament dar und beschloss am 30. April 1934 das Bundesverfassungsgesetz über außerordentliche Maßnahmen im Bereich der Verfassung → Ermächtigungsgesetz. Diesem stimmte auch der Bundesrat zu. Das Ermächtigungsgesetz ordnete die Auflösung von NR und BR an. Auf Grundlage des selbigen wurde die Verfassung 1934 neu erlassen, der Zwang einer VA bei einer Gesamtänderung aufgehoben, und die Regierung wurde ermächtigt einfache als auch Verfassungsgesetze zu erlassen. 106 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Es gab mehrere Mängel wie die Aberkennung der Mandate oder die nicht durchgeführte Volksabstimmung (die Aufhebung dieses Zwanges war ja erst danach). 2. Der „Bundesstaat Österreich“ 1934-38 Eine gängige (auch schon zeitgenössische Bezeichnung) ist die des „Austrofaschismus“ daneben existieren Begriffe wie: Regierungsdiktatur, Kanzlerdiktatur, autoritäres Regime/System bzw. autoritärer Ständestaat, halb-faschistische Diktatur, Imitations-, Konkurrenz-, oder Klerikalfaschismus. Die Verfassung 1934 wurde zweimal erlassen. Einmal auf Grundlage einer KWEG-Verordnung, was jedenfalls verfassungswidrig war, weil einerseits weit über den Ermächtigungsrahmen hinaus und andererseits keine VA. Ein zweites Mal wurde sie durch das Ermächtigungsgesetz erlassen, was jedoch auch verfassungswidrig war, weil dieses selbst verfassungswidrig war. Sie wurde am 1. Mai 1934 kundgemacht. Schon im September 1933 wurde in der Trabrennplatzrede Dolffuß‘ die Vision des Kanzlers klar. Der Parlamentarismus sollte durch einen autoritären Ständestaat erfolgen. Für diesen war eben auch eine neue Verfassung notwendig. Vorbilder für den Aufbau waren: Karl Freiherr von Vogelsang mit seiner Idee von ständischer Zwangsorganisation → katholische Soziallehre Die Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ durch den Papst → freiwillige Körperschaften öffentlichen rechts mit weitreichender Autonomie gegenüber dem Staat italienische Faschismus Die Präambel der Verfassung machte schon den religiösen Bezug offensichtlich. „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht….“. Hier wird klar, dass das Recht von Gott und nicht dem Volk ausgeht, es also somit zu einer Abkehr der Volkssouveränität kommt (erstmalig in der Geschichte von Ö). Auch der Staatsname war von nun an „Bundesstaat Österreich“. Auch der Eid des Bundespräsidenten bezog Gott ein („So wahr mir Gott helfe“). Auch das autoritäre Prinzip wird in der Verfassung stark deutlich. So hatte das Volk keinen Einfluss auf die Ernennung von Organen und die Macht war stark konzentriert. Die Exekutive hatte große Kompetenzen in der ordentlichen Gesetzgebung wie auch ein breites außerordentliches Gesetzgebungsrecht. Auch die Vorrangstellung des Kanzlers wurde stark hervorgehoben. 107 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Grundrechte konnten leicht eingeschränkt werden. Ein weiteres zentrales Merkmal waren die Berufsstände, welche jedoch staatliche Zwangsorganisation waren. Sie wurden bis zum Ende kaum realisiert und stellten für Dollfuß die wahre Demokratie dar. Die Stände sollten sich entgegen der Organisierung nach Klassen richten. Im Gegensatz zur Bezeichnung als Bundesstaat war das föderale Prinzip nicht sehr ausgeprägt. Dies stand im Widerspruch zum zentralistisch-autoritären Staatsaufbau. Dem Bundeskanzler kamen weitgehende Befugnisse im Bereich der Landesorgane, als auch Verwaltung und Gesetzgebung zu. Der Staat wurde auch weiterhin als „deutscher Staat“ propagiert. Sozusagen als zweiter ja wegen des Katholizismus besserer deutscher Staat. Dies wurde als Gegenidee zum Anschluss formuliert erfuhr jedoch kaum Widerhall. Die Gesetzgebung erfolgte nicht mehr durch demokratisch gewählte, sondern durch indirekt beschickte und ernannte Organe. Das Volk hatte nur noch durch die nicht bestehenden Berufsstände Mitwirkungsmöglichkeiten. Die ordentliche Bundesgesetzgebung funktionierten durch vier Vorberatende Organe (Staatsrat, Bundeskulturrat, Bundeswirtschaftsrat, Länderrat) und den Bundestag. Alleiniges Initiativrecht hatte die Bundesregierung, welche diese auch jederzeit zurückziehen konnte oder bei Ablehnung einer VA vorlegen konnte. Die Vorberatenden Organe erstellen Gutachten für den Bundestag der dann darüber entschied. Der Bundestag selbst war lediglich ein Ausschuss der Vorberatenden Organe und konnte den Antrag auch nicht weiter abändern. Sollten die Vorberatenden Organe den Vorschlag der Bundesregierung bereits ablehnen konnte diesen der Bundeskanzler auch direkt beim Bundestag einbringen. Neben der ordentlichen Gesetzgebung gab es auch die außerordentliche Gesetzgebung „Notrechte der Verwaltung“. Diese war aber aufgrund des Ermächtigungsgesetz kaum von Bedeutung. Auf Landesebene gab es diese Trennung in Vorberatende Organe und beschlussfassende Organe nicht. Hier gab es nur den Landtag der für beides zuständig war. Auch dieser wurde nicht vom Volk gewählt, sondern in der Verfassungswirklichkeit vom Landeshauptmann beschickt. Für alle Landesgesetze war die Zustimmung des Bundeskanzlers notwendig. In der Verwaltung gab es folgende Zentralbehörden: Bundesregierung: Sie war das absolute Machtzentrum des Staates und wurde durch den BP bestellt. Der BK hatte in der Bundesregierung darüber hinaus eine besondere Rolle. Sie war keinem Parlament verantwortlich. 108 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Bundesversammlung: Diese bestand aus allen Mitgliedern der vier Vorberatenden Organe. Sie sollte einen Dreiervorschlag für die Wahl des BP machen und hatte darüber hinaus alle Kompetenzen, welche ihr die Verfassung 1920 zuschrieb. Bundespräsident: Sollte von allen Bürgermeistern des Landes aus dem Dreiervorschlag auf 7 Jahre gewählt werden. Formal war die Position sehr aufgewertet, auch durch ein Notverordnungsrecht, was in der Verfassungsrealität jedoch nicht schlagend wurde. Rechnungshof Die Landesverwaltung wurde vom Landeshauptmann geführt, der vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des jeweiligen Landtags ernannt wurde, mit dem von ihm ernannten Landesräten. An der Spitze der Bezirkshauptmannschaften standen die vom Landeshauptmann vorgeschlagenen und Bundeskanzler abgesegneten Bezirkshauptmänner. In der Verfassung 1934 wurde an der Unabhängigkeit der Justiz festgehalten. Es kam jedoch trotzdem zu einem massiven Abbau der Rechtsstaatlichkeit. An die Stelle des VfGH und dem VwGH trat der Bundesgerichtshof. Eine Neuerung die bis heute besteht war jedoch die Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde. Zwar beinhaltete die Verfassung einen neuen Grundrechtskatalog, jedoch konnte dieser zeitweilig und örtlich suspendiert werden und gab es die Möglichkeit durch weitreichende Gesetzesvorbehalte darin einzugreifen. Grundrechtsschutz war deutlich abgebaut. Das Ermächtigungsgesetz 1934 ermöglichte der Bundesregierung die Überleitung zur neuen Verfassung zu regeln und deren Inkrafttreten zu bestimmen. Dies geschah mit dem VerfassungsÜbergangsgesetz vom 19. Juni 1934. Da dieses Gesetz das Ermächtigungsgesetz von 1934 in Kraft beließ, erfolgte die Bundesgesetzgebung sowohl durch die nach der Verfassung bestimmten Verfahren als auch weiterhin durch die Regierung. ¾ aller zwischen 1934-38 erlassenen Gesetze wurden aufgrund des Ermächtigungsgesetzes erlassen. Das V-ÜG trug somit dazu bei die Kanzlerdiktatur zu stärken und zwar über die von der Verfassung vorgesehenen Befugnisse hinaus. So wurde das autoritäre Element der Verfassung verwirklicht, aber nicht das berufsständische. Durch das V-ÜG wurde auch die Funktionsperiode des BP verlängert, sodass es bis zum Anschluss zu keiner Wahl kam. Trotz der garantierten Unabhängigkeit kam es mit dem V-ÜG zur Suspendierung der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit zunächst auf ein Jahr und später bis zum Anschluss. Auch der Bundesgerichtshof konnte seine Wirkung nicht entfalten, entzog ihm die 109 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Regierung die Möglichkeit alle bis zum 1. Juli 1934 erlassenen Verordnungen zu prüfen und entzog ihm darüber hinaus noch weitere Verordnungen, welche zur Abwehr staatsfeindlicher Bestrebungen bestimmt waren. Entsprechend der ideologischen Orientierung kam es zum Abschluss eines Konkordats 1933. Welches wieder die Privilegierung der katholischen Kirche in den Mittelpunkt stellte. Die Wichtigkeit für das Regime ist schon allein daran zu erkennen, dass es gleichzeitig mit der Verfassung 1934 in Kraft trat. Manche Teile hatten sogar direkt Verfassungsrang. Als „zweiter deutscher Staat“ gab es ein schwieriges Verhältnis zum NS-Deutschland. Als die Regierung Dollfuß die Anwesenheit des bayrischen Justizminister im Zuge einer Propagandareise als unerwünscht bezeichnete folge am 29. Mai 1933 die „1000-Mark-Sperre“, welche den Fremdenverkehr stark schädigte. Nach dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 wurde die Verfolgung der Nazis ein besonderes Anliegen insbesondere nach der Ermordung Dollfuß‘ 1934. Bis 1936 konnte Ö auch auf die Hilfe Roms setzen. 1936 kam es unter Schuschnigg zu einem Normalisierungs- und Freundschaftsabkommen (Juliabkommen), insbesondere aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen wie außenpolitischen Situation. Die Sperre wurde zurückgenommen und die Wechselseitige Souveränität und Hochachtung abgemacht. Am 12. Februar 1938 kam es zu einem neuerlichen Abkommen, dem sogenannten Berchtesgadener Abkommen, wo zwar die österreichische Unabhängigkeit wieder formal bestätigt wurde, der österreichische Kanzler jedoch massive Zugeständnisse machen musste, wie die Annahme Arthur Seyß-Inquart als Innen- und Sicherheitsminister, sowie die freie nationalsozialistische Betätigung im Rahmen der VF, sowie die Amnestie für Nazis. Dieses Abkommen brachte nicht die erhoffte Unabhängigkeit, sondern letztlich den Untergang Ö. D) 1938 bis 1945 1. Der „Anschluss“ 1938 Aufgrund des großen Drucks durch Hitler versuchte Schuschnigg die Unabhängigkeit Österreichs durch ein Plebiszit zu erreichen, welches für den 13. März angesagt gewesen wäre. Da sich Hitler nicht das gewünscht Ergebnis erwartete, marschierten die Nazi-Truppen vom 11. auf 12. März ein. Schuschnigg wies das Bundesheer an keinen Widerstand zu leisten. Es wurde propagiert, dass Ö zur Herstellung von Ruhe um den Einmarsch gebeten habe. Noch am selben Tag wurde Arthur Seyß- 110 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Inquart vom BP zum BK ernannt und am Nachmittag überschritt Hitler die Grenze. Da der Jubel derart überschwänglich war wurde auf eine Übergangsfrist verzichtet und sofort mit der sogenannten „Wiedervereinigung“ begonnen. Am 13. März wurde auf Grundlage des Ermächtigungsgesetzes von 1934 das Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung erlassen. Da Miklas dieses nicht unterzeichnen wollte trat er zurück. Die deutsche Reichsregierung erließ ein gleichlautendes Gesetz auf Grundlage des deutschen Ermächtigungsgesetz 1933. So wurde Österreich ein „Land des Deutschen Reiches“ und die Regierung von Seyß-Inquart amtierte vorerst weiter als „Österreichische Landesregierung“. Auch wurde eine VA angesetzt, welche am 10. April unter großer Beteiligung und großer Zustimmung durchgeführt wurde. Deutschland erklärte den Staat Österreich als erloschen. Dies wurde so auch dem Völkerbund mitgeteilt. Der Anschluss sollte so auch zu einem erlöschen des Konkordats führen. Die internationale Staatengemeinschaft teilte entweder ausdrücklich die Meinung, dass es sich um eine Annexion handle (Italien) oder konkludent durch die Herabstufung der diplomatischen Vertretungen zu Generalkonsulaten. Es kam zu wenig Protest, zu erwähnen ist besonders Mexiko, welches schon am 19. März Protest einlegte. Die Westmächte verfolgten eine Appeasement-Politik um eine militärische Konfrontation zu verhindern. Trotz formeller Diskontinuität gab es materielle Kontinuität. So wurde das österreichische Gesetz im „Land Österreich“ wieder in Kraft gesetzt, sofern nicht deutsches Recht als Reichsrecht in Geltung trat. 2. Die Verfassung des Deutschen Reichs a) Exkurs - Von der Machtübernahme der Nazis bis 1938: Der Versailler Vertrag von 1919 hatte herbe Verluste für D bedeutet und wurde als nationale Schande angesehen. Hinzu kam eine wirtschaftliche Krise extremen Ausmaßes, welches die Unzufriedenheit weiter schürte. Nachdem sich die Nazis 1919/20 gründeten und ein Putschversuch 1923 scheiterte, versuchten sie die Übernahme auf legalem Weg. Aufgrund der fehlenden Mehrheiten im Parlament kam es in der Verfassungswirklichkeit unter Paul von Hindenburg mit dem Notverordnungsrecht zu einem Präsidialsystem (1930). Nachdem die NSDAP immer mehr Stimmen gewinnen konnte wurde Hitler am 30. Jänner 1933 von Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. am 5. März 1933 kam es noch ein letztes Mal zu Wahlen wo 111 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) die NSDAP zwar nicht die absolute Mehrheit aber 43,9% der Stimmen bekam und mit Hilfe anderen rechtsgerichteter Parteien die Zerstörung der demokratisch-parlamentarischen Republik bewirkte. Am 28. Februar kam es mit der Reichtagsbrandverordnung zu massiven Einschränkungen der Grundrecht und nach der Wahl wurden der KPD die gewonnen Mandate aberkannt. Ein weiterer gravierender Einschnitt war die Selbstausschaltung des Parlaments durch die Erlassung des Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 1933. Dies übertrug auch der Regierung Gesetzgebungskompetenz konnte jedoch nur durchgehen weil die fehlenden KPD-Mandate als „ja“ gewertet wurden. Schon 1932 kam es zum sogenannten Preußenschlag indem Preußen dem Reich unterstellt wurde und 1933 kam es zur Entmachtung der deutschen Länder. In weiterer Folge wurde das Beamtentum gesäubert, SPD und KPD sowie freie Gewerkschaften verboten. Im Dezember 1933 wurde NSDAP alleinige Trägerin des Staatsgedanken. Mit Wahlen im November 1933 kam es zu einer 90% Mehrheit der Einheitspartei NSDAP. Es wurde das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches verabschiedet, welches die gänzliche Auflösung der föderalen Strukturen bewirkte. Die Landeshoheit wurde auf das Reich übertragen und die Landesregierung der Reichsregierung unterstellt. Zugleich wurde die Regierung mit diesem Gesetz ermächtigt Verfassungsgesetze zu erlassen, was sie nutzte um den Reichstag endgültig zu entmachten. Abschließend wurde mit dem Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs das Amt des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in Hitler dem Führer vereinigt. Charakteristika: Das Dritte Reich war eine völkischer Führerstaat in welchem es keine formelle Verfassung gab. Die materielle Verfassung wurde durch eine Vielzahl von Gesetzen – insbesondere aus der Zeit der Machtübernahme – bestimmt. Die Gesetze der Weimarer Reichsverfassung (WRV) galten als einfache Gesetze weiter sofern sie nicht derogiert wurden. Der NS-Staat war ein dezentralisierter Einheitsstaat, in welchem die Länder reine Verwaltungssprengel darstellten. Besondere Bedeutung hatte das Führerprinzip, welches extrem gewaltenverbindenden wirkte. Er war oberster Verwalter, Gesetzgeber, Richter, Heeresführer, etc. Er war unkontrolliert, unbeschränkt und umfassend. Das Führerprinzip sollte alle Staatsbereiche durchdringen, was durch eine hierarchische Gliederung bewirkt werden sollte. Das totalitäre nationalsozialistische Herrschaftssystem durchdrang alle Lebensbereiche und war stark antiindividualistisch und setzte auf die Imagination einer Volksgemeinschaft. An Stelle der Gleichheit der Staatsbürger trat die „völkische Ungleichheit“. Die „arische Rasse“ wurde zum Herrenvolk ernannt was sich auch im Staatsbürgerschaftsrecht äußerte. Alle anderen „Rassen“ hatten im Staat nur Pflichten und keine 112 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Rechte. Zentralstes Element des NS war der Antisemitismus. Durch die Nürnberger Rassengesetze 1935 wurden „Juden“ als solche definiert rechtlich ausgegrenzt. Es kam zu Enteignungen, Übergriffen etc. (Novemberpogrom 1938). Auf der Wannseekonferenz 1942 wurde die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen, welche zur Ermordung von 6 Millionen Jüd_innen führte. Jedenfalls war der NS-Staat materiell gesehen kein Rechtsstaat: kein Legalitätsprinzip, fehlende Gewaltenteilung, Abschaffung der Verfassungs- wie Verwaltungsgerichtsbarkeit, Beseitigung der Rechtsgleichheit, Abschaffung des Analogieverbotes, sowie Entrechtung und Verfolgung diskriminierter Gruppen. Der NS-Staat wird auch oft als Doppelstaat bezeichnet: 1. Normenstaat: Die Regierung wird mit extrem großen Befugnissen ausgestattet und wird zwecks Aufrechterhaltung der Herrschaft von der Rechtsordnung gestützt. 2. Maßnahmenstaat: Gleichzeitig regiert Hitler ohne Rücksicht auf Gesetze völlig frei und willkürlich in offener Abkehr von Gesetzen. Gesetzgebung: Nach dem Ermächtigungsgesetz waren Reichstag und Reichsregierung für die Gesetzgebung verantwortlich. Die Reichsregierung war jedoch lediglich Hitler – der Rest ebendieser war nur sein Beirat an die er nicht gebunden war. Die NS-Staatsrechtslehre schrieb überhaupt Hitler die alleinige Gesetzgebungskompetenz zu. Aus dem Führerprinzip entspringend war überhaupt jede Willensäußerung Hitlers relevant. Der Reichstag hatte nur noch Akklamationsfunktion und nahm besondere Gesetze unter großem Beifall an. Frauen hatte kein passives Wahlrecht mehr, gewählt wurde über eine Einheitsliste. Verwaltung: Der Führer und Reichskanzler war oberster Träger der Verwaltung und alleinige und letztgültige Entscheidungsgewalt. Er bediente sich dabei der Reichsminister, welche nur ihm verantwortlich waren. Die Polizei war ausgegliedert und stark mit der NSDAP verstrickt, die Gemeinde verlorene ebenso ihre Autonomie. Gerichtsbarkeit und Rechtspflege: Hitler war oberster Gerichtsherr und Richter. Auch die Justiz kann als Teil des Herrschaftsapparates gesehen werden. Schon 1933 war es möglich politisch unzuverlässige Richter zu entlassen. Eingriffe in die ordentliche Gerichtsbarkeit geschahen insbesondere durch Schaffung von Sondergerichten. Ab 1942/43 unterstanden Jüd_innen nicht mehr der Justiz. Die Rechtsprechung hatte im Sinn des nationalsozialistischen Gedankenguts zu urteilen. Es sollte Streit schlichten und ungewolltes ausmerzen. Es sollte keine irgendwie allgemein gültigen Rechtssätze befolgen, sondern strikt die Ideen des NS durchsetzen. 113 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) 3. Österreich im „Dritten Reich“ Verwaltung und Gesetzgebung: Mit dem Wiedervereinigungsgesetz wurden die Hoheitsrechte auf das Deutsch Reich übertragen die nun teilweise wieder Rückübertragen wurden. Seyß-Inquart wurde zum Reichsstatthalter ernannt und Chef der Landesregierung Österreich. Es gab nur noch vier Minister die allesamt dem Reichsstatthalter verantwortlich und weisungsgebunden waren. Dem Reichsstatthalter wurde auch die Gesetzgebungskompetenz übertragen, welche jedoch auf die Zustimmung des Reichsinnenminister und den zuständigen Minister gebunden war. Auch die Landeshauptleute konnten mittels Verordnung und mit Zustimmung des Reichsstatthalters Recht setzen. Am 23. April wurde ein Reichskommissar für die Wiedervereinigung eingesetzt, welcher direkt Hitler unterstand und dem alle anderen Stellen, auch der Reichsstatthalter unterstellt waren (auch waren sie an dessen Weisungen gebunden). Am 14. April 1939 wurde das Ostmarkgesetz beschlossen, welches einen neuen Aufbau der Verwaltung in der Ostmark vorsah und zwar gegliedert in Reichsgaue als dem Reich direkt unterstellte Verwaltungseinheiten. Dieses Gesetz beseitigte die Zusammengehörigkeit der bisherigen österreichischen Länder und schuf sieben voneinander unabhängige Reichsgaue als Rechtsnachfolger der Bundesländer. Die Gesamtheit ebendieser wurde als Ostmark oder später als Reichsgaue der Ostmark bezeichnet. An der Spitze der Reichsgaue stand jeweils ein Reichsstatthalter der direkt der Reichsregierung unterstellt war. Im kam im Reichsgau Verwaltungshoheit und weitgehendes Weisungsrecht zu. Unter Zustimmung des Reichsinnenministers und den zuständigen Minister konnte er auch durch Verordnungen Recht setzen (regionales Reichsrecht), sofern nicht übergeordnetes Reichsrecht im Wege stand. Ein Reichsgau gliederte sich darüber hinaus in Land- und Stadtkreise. Die Einrichtung der Reichsgaue konnte kriegsbedingt erst am 31. März 1940 abgeschlossen werden. Während dieser Phase wurden die Befugnisse durch den Reichskommissar zur Wiedervereinigung ausgeübt. Mit der Umsetzung des Ostmarkgesetz hörte auch das Land Österreich rechtlich zu existieren auf. Mit dem 1. April 1940 übernahmen die Reichstatthalter die ihnen vom Ostmarkgesetz eingeräumten Befugnisse. Die alten Ländergrenzen und Ländernamen blieben nur teilweise beibehalten. Gerichtsbarkeit und Rechtspflege: Die ordentlichen Gerichte und die Staatsanwaltschaft wurden schon am 1. Mai 1938 zu Reichsbehörden. Die Kompetenzen des Obersten Gerichtshof wurden dem Reichsgericht in Leipzig übertragen. Aufgrund der materiellen Rechtskontinuität wurde dort ein Zivil- als auch Strafsenat eingerichtet, die ihrer Judikatur das in der Ostmark geltende Gesetz 114 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) zugrunde legten. Die OLGs wurden um ein weiteres in Linz erweitert. An die bisherigen Landesund Kreisgerichte wurden einheitliche bezeichnete Landgerichte gesetzt, an die bisherigen Bezirksgerichte Amtsgerichte. Da es im NS-Staat keine Verfassungsgerichtsbarkeit gab waren beim Bundesgerichtshof lediglich reduzierte verwaltungsgerichtliche Kompetenzen geblieben. Später wurde er überhaupt in „Verwaltungsgerichtshof in Wien“. Es wurden auch Sondergerichte eingerichtet die insbesondere für Hoch- und Landesverrat zuständig waren (Volksgerichtshof). 4. Entrechtung und Ermordung Die Verfolgung und Entrechtung aus politischen wie auch „rassischen“ Gründen begann in Ö unmittelbar nach dem „Anschluss“. Neben ohnehin schon verfolgten (wie der KPÖ) wurden nun auch Vertreter des Astrofaschismus verfolgt. Auch Widerstandskämpfer (welche es Verhältnismäßig spät und auch wenige gab) wurden klarerweise auch verfolgt. In besonderem Maße betroffen waren jedoch die nach den Nürnberger Rassengesetzen gebrandmarkten „Jüd_innen“. Nach einer ersten Phase der Plünderung kam es zu staatlich gelenkten Entzug jüdischen Vermögens. Dieser erfolgte in den meisten Fällen durch Zwangsverkäufe. Seit den Novemberpogrom 1938 wurde auch eine 20% Judenvermögensabgabe eingeführt, welche bei Zwangsverkäufen zu entrichten war. Menschen die aus dem Land flüchten wollten mussten 25% ihres Vermögens als Reichsfluchtsteuer abgeben. Die Verfolgungsmaßnahmen steigerten sich von Entrechtung und Vertreibung hin zur Vernichtung. Neben den unzähligen Jüd_innen wurden auch Roma und Sinti, Homosexuelle oder vermeintlich behinderte Menschen verfolgt. Zu den Täter_innen des Regimes zählen viele Österreicher_innen. Ihre persönliche Schuld stand im Spannungsverhältnis zur von Ö proklamierten Unschuld und der sogenannten „Opferthese“. E) 1945-55 1. Wiederherstellung Österreichs Anfangs war unklar ob Österreich wieder eigenständig werden sollte oder als Teil des Deutschen Reiches bestehen bleiben sollte. Die Überlebensfähigkeit des kleinen Österreichs wurde teilweise bezweifelt. Erst mit der Moskauer Deklaration vom 1. November 1943 wurde die Annexion Österreichs für null und nichtig erklärt und das Streben nach einem freien und unabhängigen Österreich bekundet. Diese Deklaration diente einerseits als Propagandamittel im Krieg stelle aber später auch Anknüpfungspunkt für die österreichische Politik. Eine Exilregierung für Österreich 115 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) konnte nicht geschaffen werden. Erst im April 1945 entstanden wieder die politischen Parteien. Die drei wieder begründeten antifaschistischen Parteien (SPÖ, ÖVP und KPÖ) konnten gemeinsam an der Wiederherstellung des österreichischen Staats teilhaben, was dem dritten großdeutschen bzw. deutsch-nationalen Lager nicht gelang – diese blieb vorerst Handlungsunfähig. Erst 1949 entstand wieder ein Sammelbecken mit dem Verband der Unabhängigen (VdU) der ab 1956 als FPÖ antrat. Mit der Berufung auf den mehrheitlichen Willen aller Österreicher_innen und die Moskauer Deklaration 1943 erklärten die antifa Parteien in einer Proklamation am 27. April den „Anschluss“ als null und nichtig und erließen eine Unabhängigkeitserklärung. Österreich sollte in den Gesetzen von 1920 wieder eingerichtet werden. Es wurde eine Provisorische Staatsregierung unter Karl Renner eingesetzt und „vorbehaltlich der Rechte der besetzenden Mächte mit der vollen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt betraut“. Trotz der äußeren Ähnlichkeiten war die Situation gegenüber der Provisorischen Nationalversammlung 1918 völlig anders. Es war weder ein neuer Staat zu errichten, noch war eine Verfassung zu erstellen, gab es ja schon die von 1920. Zunächst wurde die Provisorische Staatsregierung nur von der Sowjetunion anerkannt. Die restlichen Alliierten befürchteten eine russisches Marionettenregierung, weshalb diese zuerst nur in den östlichen Bundesländern regieren konnte. Erst als im Mai 1945 die Provisorische Staatsregierung von den originär entstanden Provisorischen Landesregierungen auf Länderkonferenz anerkannt wurde, wurde sie auch von den Alliierten akzeptiert. 2. Verfassungs-, Rechts- und Behördenüberleitung Im Sinne der Regierungserklärung beschloss die Provisorische Staatsregierung am 1. Mai 1945 das neuerliche Wirksamwerden des B-VG in der Fassung von 1929 → 1. VerfassungsÜberleitungsgesetz. Es wurde neben dem B-VG 1920 in der Verfassung von 1929 alle übrigen Bundesverfassungsgesetze die bis zum 5. März 1933 erlassen wurden wieder in Kraft gesetzt. Manche markante Gesetze wurden extra als Aufgehoben erklärt wie etwa das Ermächtigungsgesetz 1934 als auch das Anschlussgesetz 1938. Während in Bezug auf die Verfassung mit 1933 ein Endpunkt markiert wurde, wurde mit dem Rechts-Überleitungsgesetz 1945 deutsches Recht direkt rezipiert, sofern dieses nicht einem freien Ö, einer echten Demokratie widersprach bzw. eindeutig nationalsozialistisch geprägt war. So wurden etwa die Nürnberger Rassengesetze aufgehoben, ebenso das deutsche Gemeinderecht etc. 116 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Die Behördenüberleitung funktionierte ähnlich der Verfassungsüberleitung bezog sich jedoch auf den 13. März 1938 und nicht auf 1933. Als vereinzelte Ausnahme wurde das OLG Linz beibehalten. 3. Die Vorläufige Verfassung In Anbetracht der Umstände war die Umsetzung der übergeleiteten Regelungen in der Form nicht direkt möglich, deshalb wurde eine „Vorläufige Verfassung“ eingerichtet (auch am 1. Mai 1945). Diese sah vorerst einen gewaltenverbindenden Einheitsstaat vor (wie 1918 nur das die Macht nun bei einem Exekutivorgan lag). Wie 1918 wurde zwischen oberster Verwaltungsspitze und Regierung differenziert. Ersteres war die Provisorische Staatsregierung, der die jeweiligen Staatsämter leitenden Staatssekretäre angehörten. Die Regierung lag bei dem als Staatsoberhaupt fungierenden politischen Kabinettsrat aus Staatssekretären ohne Portefeuille. Zwar nahm die Vorläufige Verfassung die Länderteilung als räumliche Grundlage des Staates an, sah aufgrund der Situation aber eine zentrale Verwaltung als notwendig an. Die Verwaltung der Länder wurde den zuständigen Staatsämtern unterstellt. Diese einheitsstaatliche Konzeption wurde nach einer Länderkonferenz mit der Verfassungsnovelle vom 12. Oktober 1945 wieder aufgegeben. Die Provisorische Landesregierung erhielt wieder Verwaltung als auch Gesetzgebungsrecht was wiederum sehr gewaltenverbindend war. Mit den Wahlen zum Nationalrat und zu den Landtagen (25.11.1945) entfiel der Grund für das Provisorium. Das 2. V-ÜG übertrug die Befugnisse der Provisorischen Organe auf jene des BVG. Es gab nur zwei Ausnahmen: Rückkehr zum Bundesrat von 1920 (ohne Ständerat) und das einmalige Absehen von einer Volkswahl zum BP aufgrund der turbulenten Verhältnisse. 4. Okkupations- und Annexionstheorie Okkupationstheorie: Österreich war in der Zeit von 1938-45 einfach Handlungsunfähig. Als es 1945 befreit wurde kam es wieder zu Handlungsfähigkeit. Es bestand also seit 1918 Kontinuität des Staatswesens. Annexionstheorie: Mit der sich durchsetzenden Okkupationstheorie wandte mensch sich von der Annexionstheorie ab, welche eine Diskontinuität Österreichs annahm. Durch den Anschluss sei es untergegangen und hätte danach neu begründet werden müssen. Durchgesetzt hat sich diese Theorie jedenfalls nicht, auch wenn sie 1938 noch von Ö und 1943 noch von den Alliierten verwendet wurde. Einzig ist der Begriff 2. Republik ein Ausfluss dieser Idee. Auch das unveränderte Staatsgebiet spricht für die Okkupationstheorie. 117 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) 5. Auseinandersetzung mit der NS-Herrschaft Wenige Tage nach der Regierungserklärung beschloss die Provisorische Staatsregierung das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz 1945), welches in weiterer Folge öfters novelliert und 1947 als Nationalsozialistengesetz seine endgültige Fassung erfuhr. Das Verbotsgesetz gilt bis heute. Die Anhänger der NSDAP mussten sich registrieren lassen und wurden in die Gruppe der „Illegalen“, „politischen Leiter“ und „Minderbelasteten“ eingeteilt. Unabhängig von individueller Schuld sollten sie durch Arbeit bzw. materielle Verluste „Sühne“ leisten. Es kam auch zum Kriegsverbrechergesetz 1945, welches verschiedene in der Vergangenheit begangene Handlungen unter schwere Strafe stellte. Diese Urteile wurden bis 1955 von Volksgerichten durchgeführt. Die Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher fanden vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 1945/46 statt. Auch für die „Opfer“ gab es – wenn auch minimal – Entschädigungsversuche. So wurde 1947 das Opferfürsorgegesetz erlassen, welches verschiedene Begünstigungen vorsah, zuerst jedoch nur für Jüd_innen und nicht für andere verfolgte Gruppen. 6. Die „Alliierte Kontrolle“ Die Verfassungsentwicklung in Österreich darf nicht isoliert betrachtet werden. Zwar galt Österreich als erstes „Opfer“ Hitlers wurde dennoch nicht als befreites Land betrachtet und in der Folge militärisch besetzt. Die Bundesländer wurden Besatzungszonen zugeteilt – Wien wurde fünf geteilt: 4 Besatzungszonen + 1 gemeinsame im 1. Bezirk („internationale Sektor“) für die Provisorische Staatsregierung und Verwaltungsstellen. Anfang Juli mit 1. Alliierten Kontrollabkommen, gingen die Alliierten noch davon aus selbst Österreich zu regieren wurde die Provisorische Staatsregierung nur von Russland anerkannt. Nach der Länderkonferenz am 12. Oktober kam es mit dem „Memorandum des Alliierten Rates“ zur Anerkennung. Die Provisorische Staatsregierung musste sich dennoch unterordnen. Nach der Durchführung von Wahlen und der Einführung der Verfassung 1920/29 kam es am 28. Juni 1946 zum 2. Kontrollabkommen der Alliierten wo deren Kontrolle wesentlich abgeschwächt wurde: Zustimmung nur noch zu Verfassungsgesetzen, bei einfach nach einem Monat Schweigen konkludente Zustimmung, keine Zustimmung zu Staatsverträgen notwendig (außer mit ihnen selbst). Die Kontrollabkommen waren Verträge zwischen den Alliierten und Österreich war somit reines Objekt und konnte nicht mitbestimmen. 118 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) 7. Der Staatsvertrag von Wien 1955 Seit 1946 bemühte sich Ö intensiv um die Erlangung der Unabhängigkeit. Jedoch standen dem verschiedene Faktoren entgegen wie der Kalte Krieg oder das ungeklärte Problem des „Deutschen Eigentums“. Zu einer Wendung kam es als Moskau ein deutschlandpolitisches Signal gegen die Einbindung in die Nato senden wollte. Im Moskauer Memorandum 1955 wurde die Bereitschaft einen Staatsvertrag zu schließen bekundet, sofern sich Ö zu Neutralität verpflichte. Danach konnte mit den anderen Alliierten Mächten ähnliche Memoranden geschlossen werden und am 15.5.1955 der Staatsvertrag geschlossen werden. Am 26. Oktober kam es zum Abschluss des Neutralitätsgesetzes. Dieser Staatsvertrag beendete die Alliierte Kontrolle. Daneben wurden auch die Kontrollbefugnisse der Genfer Anleihen (1922/32) aufgehoben und Ö verpflichtete sich zur Wahrung der Demokratie und Menschenrechte, sowie der Auflösung aller nazistischen Gesetze, das Beibehalten des Habsburgergesetz und das Anschlussverbot bleib aufrecht. Es kam auch zu materiellen Verpflichtungen gegenüber der UdSSR. 1990 kam es zu einer Obsoleterklärung worin mehrere Bestimmungen als nicht mehr geltende erklärt wurden. Die Alliierten schweigen dazu, jedoch innerstaatlich fraglich weil eigentlich eine 2/3 Mehrheit notwendig gewesen wäre. 8. Europa Der Kalte Krieg war im vollen Gange. Der Westen bildete die OEEC (Organisation for Economic Cooperation) und Russland die COMECON (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe). Darüber hinaus wurden die Truppenpräsenzen immer stärker erhöht und 1949 die NATO und 1955 als Antwort der „Warschauer Pakt“ gegründet. In Deutschland kam es aufgrund des Kalten Krieges 1949 überhaupt zur Teilung in BRD und DDR. Der französisches Außenminister entwickelte einen Plan zur Verhinderung zukünftiger Kriege den sogenannten Schuman-Plan. Dieser sah die Bildung einer Behörde vor, welche die kriegswichtigen Rohstoffe (Kohle und Stahl) kontrollieren sollten – Deutschland war dabei als gleichberechtigter Partner vorgesehen. Somit wurde 1951 zwischen D, I, F und den Benelux-Staaten die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet (EGKS). Es kam auch zur Integration der BRD in die NATO was ein vereinigtes blockfreies Deutschland auf Dauer verhinderte. 119 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) F) 1955-89 1. Das geteilte Europa Nachdem 1954 das Projekt der Europäischen Politischen Gemeinschaft scheiterte wurde sich auf die wirtschaftlich Integration konzentriert. Eine Zollunion stand vorerst noch im Widerspruch zu den Neutralitätsgeboten der Schweiz als auch Österreichs. 1957 kam es mit den Römischen Verträgen durch die EGKS Mitglieder einerseits zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), welche innerhalb von 12 Jahren eine Zollunion mit den vier Grundfreiheiten (freier Personen-, Dienstleistungs-, Waren-, und Kapitalverkehr) verwirklichen sollte, als auch auf Drängen von F zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG), welche den gemeinsamen Markt zur friedlichen Nutzung von Atomenergie regeln sollte. Es existierten gemeinsame Organe wie das Parlament oder der Gerichtshof, als 1968 auch noch Rat und Kommission der drei Gemeinschaften kombiniert wurden sprach mensch von der Europäischen Gemeinschaft (EG → in der Einzahl). Dabei handelte es sich bereits um supranationale Organisationen. Die Bestimmungen der EGKS und der EAG leiteten sich hauptsächlich aus dem Primärrecht ab, bei der EWG gab es jedoch eher allgemeine Bestimmungen, welche durch Sekundärrecht geregelt werden sollten. Aufgrund dieser Dynamik in der EWG überlagerte diese bald die anderen Teile der EG. In der EG war der Rat (aus Ministern) das wesentliche Gesetzgebungsorgan, was in der EGKS noch nicht der Fall war → Verschiebung weg von einer rein supranationalen Behörde. Beispielhaft ist an der „Politik des leeren Stuhls“ von Frankreich 1965 zu sehen wie sich die Abhängigkeit der Organisation von den Mitgliedsstaaten entwickelte. Die EWG war fast ein halbes Jahr nicht Beschlussfähig weil F niemanden entsandte. GB vereinbarte mit 6 anderen nicht-Mitgliedern 1960 eine Europäische Freihandelszone (auch mit Ö). Großbritanniens Beitrittsanfragen scheiterten zweimal an Frankreich. 1973 kam es dann zu Norderweiterung mit GB, Irland und Dänemark. 1981 folgte Griechenland, 1986 Spanien und Portugal (Süderweiterung). Die EWG wuchs auf 12 Mitglieder die EFTA schrumpfte auf 6, was auch ihre Bedeutung stark minderte. Die Zollunion konnte bis 1968 verwirklicht werden. Die Realisierung der übrigen drei Freiheit und die Schaffung eines gemeinsamen Marktes stießen jedoch auf Schwierigkeiten. 1970 einigten sich die EWG-Staaten auf eine Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) auf Grundlage des Völkerrechts außerhalb der EWG. 1979 kam es zur Einführung eines europäischen Währungssystem und die Schaffung eines einheitlichen Verrechnungssystem → Vorstufe 120 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) gemeinsame Währung. Grundsätzlich war die Phase eher von Stillstand geprägt bis es 1986 mit der Einheitlichen Europäischen Akte zu einer Revision der Verträge von Rom kam, welche die EWG und EPZ institutionell verknüpfte und die Kompetenz der EWG bedeutend ausweitete und die Stellung des Parlaments massiv stärkte. Auch wurde die Schaffung einer EU ausdrücklich in Aussicht gestellt. Angespannt blieb das Ost-West Verhältnis. Nach akuten Atomkrisen kam es 1972 zur gegenseitigen Anerkennung der deutschen Staaten was deren Aufnahme in die UNO ermöglichte. Die massiven Menschenrechtsverletzungen im Osten wollte der Westen nicht hinnehmen: Auf beidseitigen Wunsch kam es 1972-75 in Helsinki zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). In der Schlussakte wurde die Unverrückbarkeit der Grenzen und ein Bekenntnis zu den Menschenrechte abgegeben. Der Dialog wurde in Folgekonferenz fortgesetzt und Trug maßgeblich zur Wende bei. 2. Das neutrale Österreich Am 26. Oktober 1955 wurde ebendiese „immerwährende Neutralität“ beschlossen (seit 1967 Nationalfeiertag). Diese war aufgrund der Notifikation an die Staatengemeinschaft auch völkerrechtlich verbindlich. Als unvereinbar wurde der Eintritt in eine Wirtschaftsgemeinschaft bzw. Zollunion gesehen. Der Aufbau einer eigenen Verteidigung wurde als integral betrachtet. Trotzdem betrieb Ö rege Außenpolitik: 1955 Beitritt zur UNO, 1956 zum Europarat und 1960 zur EFTA. Eine Mitgliedschaft in der EG wurde hingegen als unvereinbar angesehen. Von besonderer verfassungsrechtlicher Bedeutung war der Beitritt Österreichs 1958 zu EMRK. Diese erlangte Verfassungsrang und ergänze somit den Grundrechtskatalog des STGG wesentlich. Es war immer jene Norm durch den VfGH anzuwenden, welche mehr Grundrechte einräumte (meist EMRK). Die Ideen von Neukodifikationen der Grundrechte kam somit zum Erliegen. Im Bereich der Religion wurde das Konkordat von 1933 weitergeführt, auch wenn es zu manchen Modifikationen kam. Die innenpolitische Situation war von einem hinkenden Zweiparteiensystem geprägt wodurch kaum Oppositionspolitik möglich war. Der Proporz durchdrang viele Bereiche. Insbesondere die Verwaltung, staatsnahe Betriebe und sogar große Teile des gesellschaftlichen Lebens. 1975 kam es mit dem Parteiengesetz zu einer wesentlichen Erleichterung von Parteigründungen, was auch eine gewisse Diversifizierung beförderte. 121 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) 1970/71 kam es zu einer Wahlrechtsreform, welche kleinere parlamentarische Parteien begünstigte (Verringerung der Wahlkreise auf 9). 1992 kam es zu einer weiteren Reform, welche eine Auswertung der Reststimmen brachte und somit das Porportionswahlrecht weiter verstärkte. Das erste Volksbegehren fand 1964 statt und führte 1966 zur Erlassung des Rundfunkgesetzes. 1962 fasste eine B-VG Novelle das Gemeinderecht, welches noch auf 1862 zurückging neu, wobei lediglich der Wirkungsbereich etwas vergrößert wurde. In einer zweiten Novelle wurde die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Schulwesen geändert (Aufhebung der Übergangslösung von 1918!). 1981 wird die Volksanwaltschaft eingeführt, welche formfrei Missstände in der Verwaltung aufzeigen kann. Auch schon 1975 wurde die Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit wesentlich reformiert. Nicht nur Bescheide, sondern auch verfahrensfreie Verwaltungsakte sollten vor dem VfGH und VwGH bekämpft werden können. Dies führte zu einer massiven Mehrbelastung was 1988 wiederum zur Gründung der Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) in den Ländern führte. Gegen deren Entscheidung konnte mensch sich immer noch an VfGH oder VwGH richten. G) Seit 1989 1. Das geeinte Europa Der Zusammenbruch der UDSSR hatte verschiedene Ursachen, wie etwa der Widerstand gegen die Menschenrechtsverletzung als auch die extreme Belastung durch das Wettrüsten und die schlechteren Ergebnisse durch die Planwirtschaft. Die Demokratisierung der DDR ließ die Frage nach der Deutschen Wiedervereinigung aktuell werden. Die seit 1961 bestehende Mauer zwischen Ost und West wurde am 9. November 1989 geöffnet. Im Mai 1990 kam es zu einer Wirtschafts- und Währungsunion zwischen DDR und BRD. Im August desselben Jahres wurde die Wiedervereinigung staatsrechtlich beschlossen (4+2 Verträge). Am 3. Oktober 1990 wurde sie durch den Beitritt der DDR zur BRD vollzogen. Das Erstarken Deutschlands wurde von vielen EWGStaaten mit Sorge beobachtet und führte zur verstärkten europäischen Integration. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde 1992 die EU begründet. Es kam zu den drei Säulen: 1. EWG, EAG und EGKS 2. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) als Weiterentwicklung der EPZ 122 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) 3. Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres – neue Materie Die EU fungierte sozusagen als übergeordnetes Organ dieser drei Organisationen. Parallel zu diesem Umbau kam es zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit der EFTA und so zur Gründung des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Es wurde ein Binnenmarkt geschaffen (außer Schweiz), jedoch mit großem Ungleichgewicht hin zur EWG, weshalb einige Staaten Beitrittsanfragen stellten. Im Vertrag von Korfu 1994 kam es zu den Grundlagen zum Beitritt von Ö, Finnland und Schweden mit 1. Jänner 1995. Weitere Reformen kamen vorerst ins Stocken so waren in den Verträgen von Amsterdam (1997) und Nizza (2001. nur Detailänderungen möglich, jedoch keine Gesamtreform. 2001 wurde ein „Europäischer Verfassungskonvent“ eingesetzt, welcher einen Vertrag über die Verfassung für Europa ausarbeitet. Aufgrund negativer Referenden in zwei Mitgliedsstaaten konnte dieser jedoch nicht beschlossen werden. Als Alternative kam es zu einer grundlegenden Novellierung der Gründungsverträge der EU und EG. Der entsprechende Vertrag von Lissabon wurde 2007 unterzeichnet und trat 2009 in Kraft. Die Säulenarchitektur wurde beseitigt und die EU und EG verschmolzen gänzlich zu einer juristischen Person. Die EAG blieb jedoch bestehen. Die EU bekannte sich auch ausdrücklich zum Prinzip der repräsentativen Demokratie + direkt demokratische Elemente. Es wurde auch der Austritt aus der EU geregelt. Zu erwähnen war noch die Osterweiterung von 2004, sowie 2007 Bulgarien und Rumänien, und als letzte bisher 2013 Kroatien. Die Diskussionen über eine Europäische Verfassung sind keineswegs abgeschlossen. 2012 kam es zur Gründung einer eigenen internationale Organisation dem Europäischen Stabilitätsmechanismus. 2. Österreich als Teil der EU Durch den Beitritt kam es zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung. Es wurde einerseits das gewaltenteilende Prinzip (Rat als legislativ Organ, welches aus Exekutivorganen besteht), rechtsstaatliche Prinzip (VfGH und VwGH mussten teilweise letztentscheidungs Kompetenzen abgebeben, das demokratische Prinzip (nicht derart legitimiert wie NR und BR) als auch das bundesstaatliche Prinzip (keine Mitwirkung der Länder) verletzt. Aus diesen Gründen kam es zu einer VA, über eine Bundesverfassungsgesetz, welches den Beitritt regelte. Schon 1993 wurde die Neutralität auf drei Kernelemente umgedeutet: Nichtteilnahme an Krieg, Nichtteilnahme an Militärallianzen, Verbot der Stationierung fremder Truppen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass der heutige Stand Österreichs nicht mir der immerwährenden Neutralität zu vereinen ist. 123 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Um die Vertretung der Länder in irgendeiner Form zu gewährleisten wurde 1992 im Perchtoldsdorfer Abkommen die Gründung einer Integrationskonferenz der Länder beschlossen: Dort gefasste Beschlüsse sollte für die österreichischen Vertreter im Rat der EU bindend sein → realpolitisch aber kaum Bedeutung. Die Gründung der Integrationskonferenz war eigentlich nur einer vieler Punkte in einer geplanten Bundesstaatsreform, welche jedoch aufgrund des Widerstandes der Landeshauptleute nicht kam. Schon ab den 70er Jahren kam es zu einer gewissen Renaissance des Föderalismus. Diese wurde durch manche B-VG Novellen auch Rechnung getragen und die Position der Länder gestärkt. Es kam teilweise auch zur Neuerlassung von Landesverfassungen. Es wurde nach dem Vorbild der EU ein Österreich-Konvent gegründet der eine komplett neue Verfassung ausarbeiten sollte, dieser scheiterte jedoch. Föderalismus und Grundrechte bildeten die Hauptstreitpunkte. Dennoch förderte der Konvent teilweise wertvolles Material zu Tag und führte zum Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz 2009). 2007 kam es mit einer Verfassungsreform zu einem sogenannten Demokratiepaket wo das Wahlalter gesenkt, die Legislaturperiode verlängert und das Wahlgeheimnis aufgeweicht wurde (Briefwahl). Die jahrzehntelange Tradition der Großen Koalition hatte auch großen Einfluss auf die Verfassung. So wurden sensible Materien einfach in Verfassungsrang gehoben um so einerseits nicht so schnell wieder aufgehoben werden zu können und andererseits der Prüfung durch VfGH entzogen zu werden. Dieser ging jedoch in den 1980er Jahren im Sinne der Wertungsjurisprudenz zu einer aufhebungsfreudigeren Politik über und nahm sich das Recht heraus auch Verfassungsgesetze auf den Einklang mit Verfassungsprinzipien zu prüfen. Eine große Bereinigung gelang im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes wo neben den 1988 geschaffenen UVS der Länder 1997 ein Unabhängiger Bundesasylsenat, 2002 ein Unabhängiger Finanzsenat sowie eine Reihe gerichtsähnlicher Sonderbehörden geschaffen worden war. Mit der in 2014 in Kraft getretenen Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle wurden all diese Institutionen abgeschafft und an deren Stelle Verwaltungsgerichte erster Instanz geschaffen für die der VwGH als Revisionsinstanz vorgesehen ist. Diese sind auch zum Schutz der Grundrechte verantwortlich. 124 Verfassungsgeschichte: Von 1918 bis zur Gegenwart (1790-2029) Seit 2015 reicht auch ¼ der Abgeordneten zur Einberufung eines Untersuchungsausschusses. Anhang Integration der EU: 125 126

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