Skript Kasuistik 2023 PDF

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Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

2023

Heinz Marty

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psychological case studies report writing psychological diagnostics clinical psychology

Summary

This document is lecture notes on case studies in clinical psychology and psychotherapy. It is meant to guide students on writing reports and using psychological diagnostics. The document covers topics including report format, question development, and evaluation criteria.

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SKRIPT Vorlesungsreihe Kasuistik Handbuch zur Erstellung von Berichten! Zürich, Februar 2023 (5. überarbeitete Auflage) Heinz Marty Fachpsychologe für Klinische Psychologie und Psychotherapie FSP ii Inhaltsverzeichnis 1. ALLGEMEINES ZUR VORLESUNGSREIHE 1 1.1. NACHWEISE 1.1.1. VORLESUNG DI2...

SKRIPT Vorlesungsreihe Kasuistik Handbuch zur Erstellung von Berichten! Zürich, Februar 2023 (5. überarbeitete Auflage) Heinz Marty Fachpsychologe für Klinische Psychologie und Psychotherapie FSP ii Inhaltsverzeichnis 1. ALLGEMEINES ZUR VORLESUNGSREIHE 1 1.1. NACHWEISE 1.1.1. VORLESUNG DI2-2 „EINFÜHRUNG IN DIE BEGUTACHTUNG“ 1.1.2. VORLESUNG DI4-2 „KASUISTIK 1“ 1.1.3. VORLESUNG DI6-1 „KASUISTIK 2“ 1.1.4. BEWERTUNGSKRITERIEN 1.1.5. EMPFOHLENE LITERATUR 1 1 1 1 3 3 2. UNTERSUCHUNGSPLAN 4 3. BERICHTE VERFASSEN 5 3.1. GRUNDSÄTZLICHES 3.1.1. AUFTRAGNEHMENDE 3.1.2. AUFTRAGGEBENDE 3.1.3. BEGUTACHTETE PERSON 3.1.4. FACHGEBIETE 5 5 5 6 6 4. 7 FORMALER AUFBAU EINES BERICHTS 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6. 4.7. 4.8. 4.9. 4.10. 4.11. 4.12. 4.13. 5. ALLGEMEINES DECKBLATT SACHVERHALT FRAGESTELLUNGEN, HYPOTHESEN ANAMNESE, EXPLORATION, INTERVIEW VERHALTENSBEOBACHTUNG DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE BEANTWORTUNG DER FRAGSTELLUNGEN / BEFUND EMPFEHLUNGEN TESTAUSWAHL ANFORDERUNGEN/ANFORDERUNGSPROFIL FORMULIERUNG LITERATUR ANHANG 7 7 7 8 9 10 10 13 14 15 15 17 18 19 20 iii iv 1. Allgemeines zur Vorlesungsreihe Die Vorlesungen „Einführung in die Begutachtung“, „Kasuistik 1“ und „Kasuistik 2“ bilden eine Einheit. Sie sollen dazu befähigen, selbständig Berichte anhand von Testverfahren, Gesprächen und Anamnese zu verfassen. Dieses Skript gibt eine Anleitung für die Vorgehensweise und das konkrete Verfassen psychodiagnostischer Berichte. 1.1. Nachweise 1.1.1. Vorlesung DI2-2 „Einführung in die Begutachtung“ Am Ende der Vorlesung findet zu einem vorgegebenen Zeitpunkt eine schriftliche Prüfung statt – Multiple-Choice-Prüfung und offene Fragen. Prüfungsstoff: alle in der Vorlesung vermittelten Inhalte. An der Prüfung sind alle in der Vorlesung erarbeiteten und abgegebenen Unterlagen erlaubt – open book. Benotung: bestanden / nicht bestanden 1.1.2. Vorlesung DI4-2 „Kasuistik 1“ In der Vorlesung wird anhand eines vorgegebenen Fallbeispiels ein Bericht erarbeitet. Der Nachweis besteht in der Verfassung eines Berichts eines ebenfalls in der Vorlesung abgegebenen Fallbeispiels. Es handelt sich um einen Gruppennachweis – Gruppengrösse: vier Studierende. Es wird empfohlen, bereits die Gruppen für die Vorlesung D6-1 „Kasuistik 2“ zu bilden. Benotung: 1–6 Es gelten die gleichen Bewertungskriterien wie beim Nachweis der Vorlesung D6-1 „Kasuistik 2“ (siehe 1.1.4.). 1.1.3. Vorlesung DI6-1 „Kasuistik 2“ In der letzten Vorlesung „Kasuistik 2“ wird unter Anleitung eines Supervisors / einer Supervisorin ein Bericht bei einem selbst gesuchten Exploranden erstellt. Dieser Nachweis ist eine Gruppenarbeit – Gruppengrösse: vier Studierende. Folgende Punkte sind bei der Auswahl der Exploranden / der Explorandinnen zu beachten:  Es darf zwischen keinem der Gruppenmitglieder und dem Exploranden / der Explorandin eine persönliche Beziehung jeglicher Art bestehen.  Es muss eine klare Fragestellung formuliert werden können. 1  Keine Exploranden wählen, die psychisch erkrankt sind (Depression, Essstörungen, Substanzabhängigkeit u. a.). Sollte sich jedoch im Verlauf der Exploration derartiges zeigen, steht der Supervisor / die Supervisorin beratend zur Seite.  Der Explorand / die Explorandin muss volljährig sein.  Klinische Fragestellungen sind erlaubt, wenn sie sich auf Persönlichkeitsdiagnostik (Stärken, Schwächen usw.) beschränken.  Fragestellungen wie die Einschätzung von Fähigkeiten, Standortbestimmungen (persönlich, beruflich) und Berufs- und Studienwahl sind geeignet.  Der Explorand / die Explorandin muss damit einverstanden sein, dass die Ergebnisse der Untersuchung – in anonymisierter Form – im Plenum und in der Supervisionsgruppe vorgestellt werden. In der Vorlesung werden die Gruppen nach Themenschwerpunkten den Supervisoren/Supervisorinnen zugeteilt. Zu diesem Zweck muss vor Beginn der ersten Vorlesung eine Disposition an Heinz Marty ([email protected]) eingereicht werden, damit die Gruppeneinteilungen vorgenommen werden können. Die Disposition enthält folgende Punkte:  Alter und Ausbildungsstand des Exploranden / der Explorandin  Allenfalls Beruf des Exploranden / der Explorandin  Fragestellungen  Aus den Fragstellungen sich ergebende Hypothesen  Namen der Gruppenmitglieder  Datum Die Vorlage für das Formular „Disposition“ befindet sich auf Moodle und im Anhang. Die Einteilung in spezifische Supervisionsgruppen ermöglicht einen intensiven Austausch und bezweckt, die Kontaktstunden zu minimieren. Es sind drei Vorlesungen von je drei Lektionen zu besuchen. In der ersten Vorlesung werden die Untersuchungspläne vorgestellt und besprochen. In der zweiten Vorlesung werden die Testinterpretationen und die Integration der Ergebnisse in die Zusammenfassung besprochen. In der dritten Vorlesung werden die fertigen Berichte und die Durchführung der Auswertungsgespräche diskutiert. Bei Fragen und Schwierigkeiten sind die zuständigen Supervisoren/Supervisorinnen per Mail erreichbar. Die fertigen Berichte müssen zu einem vorgegebenen Zeitpunkt dem zuständigen Supervisor / der zuständigen Supervisorin abgegeben werden. Diese werden die Berichte benoten (Noten: 1–6). Die einzelnen Berichte werden unter den Supervisoren/Supervisorinnen besprochen. 2 1.1.4. Bewertungskriterien Der Bericht ist gemäss diesem Skript zu erstellen. Er ist in die entsprechenden Kapitel zu unterteilen. Im Anhang müssen sämtliche diagnostischen Verfahren (Originale) angehängt werden. Der Explorand / die Explorandin erhält keine schriftlichen Unterlagen. Es wird jedoch ein Auswertungsgespräch geführt. Zudem sind dem Anhang folgende Punkte beizufügen: Reflexion in der Gruppe über den Beratungsprozess und die Erstellung des Berichts mit einer selbstkritischen Beleuchtung dessen, was gut und was weniger gut gelungen ist. Beschreibung der Durchführung des Auswertungsgesprächs mit dem Exploranden / der Explorandin. Bewertet werden:  Grundsätzlicher Aufbau des Berichts (Strukturierung; Vollständigkeit; formale Kriterien; gewählte Sprachformen u.a.)  Vorgehen während der Untersuchung (Professionalität, Pünktlichkeit u.a.)  Sachverhalt (Umstände, die zur Begutachtung geführt haben; Eckdaten u.a.)  Fragestellungen (Bezug auf den Exploranden / die Explorandin; Nachvollziehbarkeit; Überprüfbarkeit u.a.)  Hypothesen (Bezug auf die Fragestellungen; psychologische Nachvollziehbarkeit; Bezug auf die psychodiagnostischen Verfahren u.a.)  Anamnese/Interview (Bezug auf die Hypothesen; Strukturierung; Sprachform u.a.)  Darstellung der Ergebnisse (Bezug auf die Verfahren; Aufführung der Verfahren; Interpretation u.a.)  Zusammenfassung der Ergebnisse (Übersichtlichkeit; formale Kriterien; Nachvollziehbarkeit u.a.)  Beantwortung der Fragestellungen (Vollständigkeit; Bezug auf die Fragestellungen; Sprachform; Bezug auf die Zusammenfassung u.a.)  Empfehlungen (Bezug auf die Fragestellungen; Nachvollziehbarkeit; mögliche Folgen der Empfehlungen u.a.)  Testauswahl (Bezug auf die Fragestellungen; sinnvolles und multimethodisches Vorgehen u.a.) 1.1.5. Empfohlene Literatur Westhoff K. & Kluck M. (2013). Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen (6. Auflage). Berlin: Springer. Proyer R. & Ortner T. (2010). Praxis der Psychologischen Gutachtenerstellung. Bern: Huber. 3 2. Untersuchungsplan Vor der eigentlichen Exploration wird ein Untersuchungsplan erstellt. Dieser zeigt den vorgesehenen Ablauf der Untersuchung auf. Er ist massgebend für die Strukturierung der Untersuchung. Der Untersuchungsplan wird in der Vorlesung dem Plenum und dem zuständigen Supervisoren / der zuständigen Supervisorin vorgestellt. Eine Vorlage befindet sich auf Moodle und im Anhang. Unter Zeitplan wird die Reihenfolge der Verfahren bestimmt – Anamnese, psychodiagnostische Testverfahren, Interviews u.a. Bei der Reihenfolge der Verfahren ist es sinnvoll, den Schweregrad des jeweiligen Verfahrens zu beachten – sowie die Konsequenzen, die das jeweilige Verfahren für den Exploranden / die Explorandin hat. Es ist beispielsweise sinnvoll, mit einem leichteren Testverfahren zu beginnen oder das Vertrauen des Exploranden in einem diagnostischen Gespräch zu gewinnen. Unter Auswahlkriterien ist aufzuführen, weshalb das entsprechende Verfahren eingesetzt wird – z.B. „Erfassen der persönlichen Neigungsschwerpunkte in beruflicher Hinsicht“ (Neigungs-Struktur-Test, NST). 4 3. Berichte verfassen 3.1. Grundsätzliches Vor der Verfassung eines Berichtes ist es sinnvoll, sich in Erinnerung zu rufen, welchen Zweck der Bericht haben soll. So könnte es beispielsweise darum gehen, dass der Empfänger eine Entscheidung aus den Resultaten des Berichts treffen muss. Diesem Umstand ist unter „Empfehlungen“ Rechnung zu tragen. Der Bericht soll eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den vom Auftraggebenden erhaltenen oder erarbeiteten Fragestellungen sein. Das bedeutet, dass der Bericht nur mit wissenschaftlich fundierten Verfahren erstellt werden soll. Zudem sind im Bericht lediglich die erhaltenen Fragestellungen zu beantworten. Weitere Beobachtungen dürfen im Bericht nur erwähnt werden, wenn sie einen direkten Bezug auf die Fragestellungen haben. Allenfalls muss zu einem späteren Zeitpunkt die Fragestellung erweitert werden. Dies jedoch nur in Ausnahmefällen. Vor der eigentlichen Untersuchung werden die Fragestellungen des Auftraggebenden ermittelt. Daraus werden psychologische Hypothesen gebildet. Diese werden benötigt, um die passenden Verfahren zu ermitteln. Es ist wichtig, vorgefasste Meinungen und Eindrücke beiseite zu stellen und möglichst neutral an die Begutachtung heranzugehen. Verfasser/Verfasserinnen von Berichten benötigen zwingend diagnostisches Fachwissen. Sie müssen über den aktuellen Forschungsstand jeweils informiert sein. Dies betrifft auch aktuelle psychodiagnostische Tests und deren Normen. 3.1.1. Auftragnehmende Personen, die Berichte verfassen, müssen über fundierte Kenntnisse in allgemeiner Diagnostik und Diagnostik anhand psychodiagnostischer Testverfahren verfügen. Bei klinischen Begutachtungen ist zusätzlich ein fundiertes psychopathologisches Wissen erforderlich. Diagnostiker/Diagnostikerinnen haben sich bezüglich der wissenschaftlichen Entwicklung und der Testentwicklung auf dem Laufenden zu halten. Kenntnisse in Gesprächsführung sind unabdingbar. 3.1.2. Auftraggebende Verschiedene Personen oder Personengruppen können Berichte in Auftrag geben. Dabei ist vom Verfasser / von der Verfasserin des Berichts zu beachten, dass auch fachunkundige Personen einen Berichtsauftrag erteilen können. Diesem Umstand ist 5 sowohl bei Hilfestellungen als auch bei der Formulierung des Berichts Rechnung zu tragen. Kommt beispielsweise der Auftrag von einem Psychiater, kann der Verfasser / die Verfasserin davon ausgehen, dass dieser mit Fachausdrücken umgehen kann. Wird der Bericht jedoch beispielsweise von einer Amtsstelle in Auftrag gegeben, muss eine klarere und direktere Formulierung gewählt werden. Ziel ist es, dass der Auftraggebende den Bericht versteht und die darin geäusserten Hypothesen nachvollziehen kann. Denn es geht vielfach um eine Kommunikation zwischen Experten und Laien (Thomae, 1967). 3.1.3. Begutachtete Person Vor der eigentlichen Untersuchung ist es wichtig, den Exploranden / die Explorandin entsprechend vorzubereiten. Sollte der Grund der Exploration dem Exploranden / der Explorandin nicht bekannt sein, ist ihm/ihr dieser mitzuteilen. Sinnvoll ist es auch, den Exploranden / die Explorandin nach seinen/ihren Vorstellungen betreffend einer psychologischen Untersuchung zu befragen. Damit können unnötige, aber auch begründete Ängste oder Befürchtungen vor der Untersuchung angegangen werden. Dem Exploranden / der Explorandin sind der Ablauf der Untersuchung, die Ziele und möglicherweise die Konsequenzen darzulegen. Unzutreffende Erwartungen müssen korrigiert werden. Bei jedem Verfahren muss erklärt werden, weshalb es eingesetzt wird und wie der Ablauf sein soll. 3.1.4. Fachgebiete Berichte können in verschiedenen psychologischen Fachgebieten verfasst werden (Proyer & Ortner, 2010)  Klinische Psychologie: Diagnostik psychischer Erkrankungen, Krankheitsverläufe, Therapieempfehlungen u.a.  Gesundheitspsychologie: Diagnostik psychischer Störungen, Entwicklungsdiagnostik, Rehabilitationsdiagnostik, neuropsychologische Diagnostik u.a.  Arbeits- und Organisationspsychologie: Berufsberatung, Personalselektion, Personalentwicklung, Teamentwicklung, Eignungsbeurteilung u.a.  Bildung: Schulreifediagnostik, Lern- und Konzentrationsprobleme, Lernbehinderung, Hochbegabungsdiagnostik u.a.  Recht: Begutachtung der Schuldfähigkeit, Risiko- und Therapieprognose, verkehrspsychologische Beurteilung u.a. 6 4. Formaler Aufbau eines Berichts 4.1. Allgemeines Ein einheitlicher Aufbau eines Berichtes gewährleistet, dass nichts Relevantes vergessen geht (Proyer & Ortner, 2010). Er erleichtert den logischen Ablauf und die Nachvollziehbarkeit. Wird ein standardisierter Aufbau verwendet, dient dies der Übersichtlichkeit. Informationen können vom Leser so schneller gefunden werden. Grundsätzlicher Aufbau eines Berichts:  Deckblatt  Sachverhalt  Fragestellungen und daraus abgeleitete Hypothesen  Eingesetzte Verfahren/Informationsquellen  Anamnese, Exploration, Interview  Verhaltensbeobachtung – allgemein und bei den einzelnen Tests  Darstellung der Ergebnisse  Zusammenfassung der Ergebnisse  Beantwortung der Fragestellungen / Befund  Empfehlungen Der Aufbau kann je nach Bericht und Fragestellung variieren. So können Kapitel weggelassen oder beigefügt werden. Die Gewichtung der Kapitel kann unterschiedlich sein. 4.2. Deckblatt Auf dem Deckblatt sollen auf einen Blick die wichtigsten formalen Angaben ersichtlich sein.  Name und allenfalls Adresse des Auftragnehmers  Auftraggeber  Ort/Datum  Fragestellungen – kurz und prägnant Das Deckblatt ist die Visitenkarte des Auftragnehmenden. Es soll sorgfältig gestaltet werden – so wie der ganze Bericht. 4.3. Sachverhalt Es geht darum, zu klären und zu beschreiben, welche Umstände zur Begutachtung geführt haben. Hier werden auch die Eckpunkte der begutachteten Person festgehalten. 7 In der Regel handelt es sich um die Informationen, die bei der ersten Kontaktaufnahme ermittelt wurden. Es geht ausschliesslich um Sachverhalte, die im Zusammenhang mit der Fragestellung stehen. So ist beispielsweise die Geschlechtspräferenz des Exploranden / der Explorandin nicht relevant, wenn es sich um eine berufsbezogene Fragestellung handelt. Der Sachverhalt ist inhaltlich von der Anamnese zu trennen. 4.4. Fragestellungen, Hypothesen Ein Bericht dient ausschliesslich der Beantwortung der Fragestellungen. Diese sind zentral bei einer Begutachtung. Sie stellen das Anliegen des Auftraggebenden dar. Deshalb ist es sehr wichtig, die Fragestellungen inhaltlich genau abzuklären. Allenfalls muss beim Auftraggebenden für eine genauere Abklärung nachgefragt werden. Oft benötigt dieser durch den Begutachtenden fachliche Hilfe bei der Formulierung der Fragestellungen. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird die Fragestellung in der wörtlichen und vollständigen Formulierung so dargestellt, wie sie zuletzt mit dem Auftraggebenden besprochen wurde (Westhoff & Kluck, 2013). Wird beispielsweise eine Intelligenzmessung in Auftrag gegeben, ist die Frage nach dem Intelligenzquotient IQ zu ungenau. Es muss daher ermittelt werden, was der Auftraggebende genau wissen möchte oder welche diesbezüglichen Fragen er hat. Zudem können Begriffe unterschiedlich verstanden werden. Beispielsweise kann der Lehrer unter dem Begriff „Konzentration“ etwas anderes verstehen als der Vater oder als die Schulpsychologin. Daher ist das jeweilige Verständnis einer Begrifflichkeit zu klären und auf einen Nenner zu bringen. Anhand der Fragestellung werden mögliche Hypothesen gebildet. Diese dienen der Auswahl psychodiagnostischer Verfahren. Im Kapitel «Zusammenfassung der Ergebnisse» werden die gebildeten Hypothesen diskutiert. Eine Fragestellung kann beispielsweise lauten: „Weshalb kann sich Peter nicht auf den Unterricht konzentrieren?“ Daraus können folgende Hypothesen abgeleitet werden:  Es bestehen körperliche Probleme wie eine Erkrankung des Zentralnervensystems oder Hirnfunktionsstörungen.  Es besteht eine familiäre Belastungssituation.  Es besteht ein psychisches Trauma.  Es besteht eine schulische Belastungssituation.  Die Konzentrationsschwierigkeiten sind simuliert, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. 8 Eine psychologische Begutachtung kann lediglich Hinweise auf körperliche Beeinträchtigungen geben. Eine medizinische oder allenfalls eine neuropsychologische oder neurologische Untersuchung sollte in solchen Fällen empfohlen werden. Alle Hypothesen sind zu prüfen. Hierzu sind Befragungen, Interviews oder die Anwendung bestimmter Tests nötig. So kann anhand eines oder mehrerer Tests die Konzentrationsfähigkeit abgeklärt werden. Ergeben sich hierbei keine Auffälligkeiten, können weitere Abklärungen sinnvoll sein, wie beispielsweise Befragungen von Angehörigen und anderes. Folgende Punkte sind bei den Fragestellungen zu beachten (Westhoff & Kluck, 2013, S. 267):  Ist die Fragestellung eindeutig formuliert?  Ist der Psychologe der zuständige Experte?  Liegt genügend Wissen zur Bearbeitung vor?  Ist die Bearbeitung der Fragestellung ethisch zu verantworten?  Ist die Fragestellung als erster Gliederungspunkt im Bericht aufgeführt?  Ist die Fragestellung wörtlich vollständig wiedergegeben? 4.5. Anamnese, Exploration, Interview Die Durchführung und das Verfassen einer Anamnese werden in einer anderen Vorlesung vermittelt. Auf jeden Fall ist es sinnvoll für das Erfassen der Anamnese oder das Führen eines Interviews, einen Gesprächsleitfaden zu verfassen. Dieser beinhaltet - strukturiert - die einzelnen Punkte, die man erfragen möchte. Enthält die Fragestellung des Auftraggebenden spezifische Fragen, wie beispielsweise nach dem Konzentrationsvermögen, müssen im Interview entsprechende Fragen gestellt werden. Man erhält damit die eigene Einschätzung des Exploranden über diese Fragen. Sehr hilfreich sind in diesem Zusammenhang die Verhaltensbeobachtungen (siehe 4.6.). Inhalte der Anamnese sind im Bericht in der Regel in indirekter Sprache wiederzugeben. Es muss deutlich werden, dass es sich um Aussagen des Exploranden / der Explorandin über sich selbst handelt und daher keine Objektivität vorliegt. In direkter Sprache werden Sachverhalte geschrieben, die objektiv erfassbar sind, wie beispielsweise der Wohnort, die Adresse, der Zivilstand u.a. Wörtliche Aussagen des Exploranden / der Explorandin sind zu kennzeichnen, indem diese in Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt werden. 9 4.6. Verhaltensbeobachtung Unter Verhaltensbeobachtung wird das sichtbare Verhalten des Exploranden / der Explorandin an den Explorationsterminen erfasst. Dies betrifft auch das Verhalten und die Herangehensweise des Exploranden / der Explorandin an die verschiedenen Tests. So kann es beispielsweise aufschlussreich sein, ob ein Explorand / eine Explorandin bei einer Intelligenzmessung nervös wird und Dinge mehrmals nachfragt - oder, ob er/sie die ganze Sache gelassen und eher gelangweilt angeht. Testsituationen sind für die meisten Leute eine besondere Herausforderung. Daher lassen sich gut die Herangehensweise, die Motivation und Emotionen erfassen. Unter Verhaltensbeobachtung werden auch sprachliche Äusserungen des Exploranden / der Explorandin aufgeführt. Verhaltensbeobachtungen geben wichtige Hinweise. Sie sollten nicht interpretiert oder zu gewichtig dargestellt werden. Testresultate dürfen durch die Beobachtungen nicht relativiert werden. Verhaltensbeobachtungen sind in den anderen Kapiteln des Berichts nur ausnahmsweise zu erwähnen. 4.7. Darstellung der Ergebnisse Zu Beginn der Ergebnisdarstellung wird die Testbatterie aufgeführt. Die Reihenfolge der Aufführung wird durch die Reihenfolge bei der Durchführung bestimmt. Beispiel:  Halbstrukturiertes Interview: - Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-5 – Persönlichkeitsstörungen (SCID-5-PD)  Testbatterie: - Trierer Persönlichkeitsfragebogen (TPF) - Grundintelligenztest Skala 2 (CFT 20-R) - Persönlichkeits-Stil- und Störungs-Inventar (PSSI) - Rorschach-Formdeuteverfahren Bei der Anwendung psychodiagnostischer Testverfahren muss man sich eng an die Anweisungen des Handbuchs des entsprechenden Tests halten. Dabei ist vor allem auf die vorgegebene Testinstruktion zu achten. Daher ist es unerlässlich, dass sich der 10 Testleiter / die Testleiterin sorgfältig mit dem Testmaterial und dem Handbuch vertraut macht. Oft ist es sinnvoll, einen Test im Selbstversuch durchzuführen. Im Bericht ist jedes angewendete Verfahren kurz vorzustellen. Es geht darum, zu beschreiben, welche Merkmale vom Testverfahren erfasst oder gemessen werden. Solche Kurzbeschreibungen findet man entweder im Handbuch des Tests oder aber auf der Webseite der Testzentrale. Werden nicht alle Untertests des Verfahrens durchgeführt, sind in der Beschreibung lediglich die durchgeführten Untertests aufzuführen. Beispiel: Die WAIS-IV ist ein Intelligenztest für Erwachsene. Es können vier Indexwerte ermittelt werden. Darüber hinaus wird ein Gesamt-IQ erfasst. Mit den vier Indizes lassen sich detaillierte Aussagen zu den Bereichen Sprachverständnis, logisches Denken, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit treffen. Diese Aufteilung ermöglicht eine differenzierte Einschätzung des Intelligenzniveaus einer Person. Weitere Analysen können auf der Untertestebene vorgenommen werden. So gelingt mit der Profilanalyse eine gezielte Aussage über Stärken und Schwächen einer Person. Zusätzlich liefern Prozessanalysen wertvolle Hinweise für fundierte Interventionen. Werden die einzelnen Untertests bei der Testinterpretation ausgeführt, ist eine Aufführung bei der Vorstellung des Verfahrens nicht unbedingt nötig. Nach der Beschreibung des Tests sind die Ergebnisse aufzuführen. Dabei ist immer ein Bezug zu den bestehenden Normen zu vollziehen. Z.B.: „Im Vergleich zu Gleichaltrigen scheidet der Explorand ...“. Zudem ist bei jedem Test anzugeben, anhand welcher Normwerte die Testergebnisse dargestellt werden – Stanine-Werte, T- Werte, IQ-Werte usw. Eine Umrechnungstabelle befindet sich im Anhang. Ebenfalls aufzuführen ist der Prozentrang, sofern dieser im Handbuch aufgeführt wird. Beispiel: Das allgemeine intellektuelle Leistungsvermögen des Exploranden ist im Vergleich mit der Normstichprobe mit einem Wert von 82 IQ-Punkten unterdurchschnittlich. Dies ergibt einen Prozentrang von 12. Das bedeutet, dass 12 und weniger Prozent der Normstichprobe gleich oder schlechter abschneiden als der Explorand. Dieser Gesamtindex-Wert beinhaltet einen Verbal-IQ von 92 und einen Handlungs-IQ von 79. Dieses Verhältnis zeigt auf, dass der Explorand in verbalen Belangen besser ist 11 als in praktischen Belangen. Der Verbal-IQ gilt als Mass für das erworbene Wissen, das schlussfolgernde verbale Denken und die Aufmerksamkeit für sprachliche Inhalte. Der Handlungs-IQ umfasst die Flüssigkeit des schlussfolgernden Denkens, das räumliche Wahrnehmungsvermögen, die Aufmerksamkeit für Details und die visuomotorische Koordination. Der Verbal-IQ ist im Vergleich mit der Normstichprobe durchschnittlich, der Handlungs-IQ ist unterdurchschnittlich. Danach werden die Ergebnisse des Tests und die Konsequenzen daraus in detaillierter Form aufgeführt. Beispiel: Das sprachliche Verständnis des Exploranden, die Wahrnehmungsorganisation und die Arbeitsgeschwindigkeit sind durchschnittlich gut. Sein Arbeitsgedächtnis ist zwar ebenfalls durchschnittlich, zeigt jedoch bei genauerer Betrachtung leichte Mängel. Das Konzentrationsvermögen bei logischen Inhalten und die Fähigkeit zur Lösung einfacher Rechenaufgaben im Kopf und unter Zeitdruck sind beim Exploranden überdurchschnittlich. Hingegen sind die akustische Merkfähigkeit, die Aufmerksamkeitsfähigkeit und das Konzentrationsvermögen bei nicht logischen Inhalten unterdurchschnittlich. Das heisst, dass es dem Exploranden nicht leicht fällt selbst eine Logik herzustellen, um sich unlogische Inhalte zu merken. Das könnte bedeuten, dass die innere Verarbeitungsfähigkeit leicht eingeschränkt ist. Die Beobachtungsgenauigkeit und die Geschwindigkeit geistiger Verarbeitungsprozesse sind beim Exploranden überdurchschnittlich. Er verfügt über einen ebenfalls überdurchschnittlichen Wortschatz und eine gute allgemeine sprachliche Entwicklung. Die Breite an erworbenem Wissen, das Langzeitgedächtnis für Faktenwissen und das Interesse an kulturspezifischen Inhalten sind beim Exploranden durchschnittlich. Dies gilt auch für das praktische Urteilsvermögen und die Kenntnis konventioneller sozialer Regeln und ihrer Bedeutung. In der visuellen Informationsverarbeitung ist der Explorand im Normbereich, ebenso wie in der Fähigkeit in visuellen Belangen, induktiv zu denken. Dabei geht es um das Erkennen visueller Analogien. Er kann durchschnittlich in verbalen Belangen schlussfolgernd und in abstrakt logischen Kategorien denken. Seine Konzeptbildungsfähigkeit in sprachlichen Belangen ist ebenfalls durchschnittlich. Der Explorand ist durchschnittlich dazu in der Lage, soziale Handlungsabläufe zu erkennen und dabei wesentliche von unwesentlichen Details zu unterscheiden. Dabei geht es um das praktische Urteilsvermögen. Die Genauigkeit der Beobachtung und die Fähigkeit vertraute Objekte zu erkennen, ist durchschnittlich ausgebildet. Knapp durchschnittlich ist 12 die räumliche Wahrnehmungsfähigkeit und die visuomotorische Koordination und somit das visuelle Kurzzeitgedächtnis. Unterdurchschnittlich gelingt es dem Exploranden, vertraute Objekte wiederzuerkennen und Beziehungen zwischen Teilen und dem Ganzen herzustellen. Testresultate können auch tabellarisch dargestellt werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Ergebnisse vollständig aufgeführt werden. Werden mehrere Verfahren verwendet, kann es zu Gunsten der Lesbarkeit des Berichts sinnvoll sein, alle Verfahren im Anhang statt im Bericht aufzuführen. Im Bericht wird das Kapitel „Darstellung der Ergebnisse“ trotzdem aufgeführt. Es enthält jedoch einen Hinweis, dass sich die einzelnen Testverfahren – Beschreibung, Ergebnisse, Interpretation – im Anhang befinden. 4.8. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Zusammenfassung der Ergebnisse stellt eine Übersicht dar, über die auf die Hypothesen bezogenen Resultate der einzelnen Ergebnisse. Dabei werden die Hypothesen weder falsifiziert noch verifiziert, sondern es wird lediglich das auf die entsprechende Hyptohese bezogene Verhalten des Exploranden / der Explorandin beschrieben. Die einzelnen Hypothesen können als Titel aufgeführt werden. Dies ist jedoch nicht zwingend nötig. Beispiel: Das aggressive Verhalten gründet auf Schwierigkeiten, andere Menschen wahrzunehmen. Der Explorand hat grosse Schwierigkeiten, sich selbst und seine Bedürfnisse wahrzunehmen, ebenso wie die Bedürfnisse und Anliegen seiner Mitmenschen. Ihm war soziales Lernen verwehrt. Das bedeutet, dass der Explorand zudem Schwierigkeiten hat soziale Situationen richtig einzuschätzen. Der Explorand hat Schwierigkeiten in der Informationsaufnahme, aber auch in der Bildung von Konzepten. Das bedeutet, dass der Explorand soziale Situationen häufig falsch einschätzt und somit falsche Konzepte bildet. Zudem scheint er unter einem recht starken inneren Affektdruck zu stehen. Das heisst, dass sich in ihm Ärger ansammelt, ohne, dass er mit anderen darüber sprechen kann. Vermutlich weiss der Explorand von seinen diesbezüglichen Schwierigkeiten, kann jedoch von sich aus kaum etwas dagegen unternehmen. 13 Es ist daher davon auszugehen, dass die Probleme mit den affektiven Verhalten des Exploranden auch mit seinen Schwierigkeiten, andere Menschen wahrzunehmen und einzuschätzen, herrührt. In diesem Kapitel werden den Aussagen nicht mehr die einzelnen Kennzahlen beigefügt, sondern es werden allgemeinere Begriffe wie „durchschnittlich“, „unterdurchschnittlich“ u.a. verwendet. Es soll ein Überblick über die gesamten Ergebnisse der Exploration gegeben werden. Wertende Bergriffe werden vermieden – „gut“, „schlecht“, „nicht genügend“ usw. Ein Bezug auf die angewendeten Verfahren wird nur noch ausnahmsweise gemacht. 4.9. Beantwortung der Fragstellungen / Befund Zur Beantwortung der Fragestellungen werden alle gewonnenen Daten und Informationen verwendet. Diese werden zusammengefasst und in Bezug auf die Fragestellungen bewertet (Proyer & Ortner, 2010). Die Informationen werden ebenfalls in Bezug auf die Fragestellungen verknüpft und, wo sinnvoll, kommentiert. Die eigentliche zusammenfassende Interpretation erfolgt somit erst in der Beantwortung der Fragestellungen. Wird ein Bezug auf eingesetzte Verfahren gemacht, muss die Quelle angegeben werden. Beispiel: Im diagnostischen Gespräch gab der Explorand an grosse Schwierigkeiten mit seiner Konzentration zu haben. Es konnten jedoch keine Auffälligkeiten festgestellt werden sowohl im Zahlen-Verbindungs-Test ZVT (Oswald & Roth, 1987), als auch in den entsprechenden Untertests der Wechsler Adult Intelligence Scale WAIS-IV (Wechsler, 2012). Hierbei sollten die Motive oder Merkmale (z.B. Selbstbild) diskutiert werden, weshalb der Explorand sich im Gespräch anders beschrieben hat. Wird ein Test im selben Kapitelt erneut erwähnt, wird lediglich die Abkürzung des Tests aufgeführt (Im WAIS-IV fällt hingegen auf …). Wenn Informationen von mindestens zwei Quellen bestätigt werden, kann von der indirekten Sprachform in die direkte gewechselt werden. Es ist bei der Beantwortung der Fragestellungen darauf zu achten, dass lediglich aus den Untersuchungsinstrumenten gewonnene Ergebnisse verwendet werden. 14 4.10. Empfehlungen Bei den Empfehlungen sind Massnahmen und Behandlungen zu benennen, die sich aus der Untersuchung ergeben haben. Es sollen Indikationen und Interventionen benannt werden, die dazu geeignet sind, den psychischen Zustand des Exploranden / der Explorandin zu verändern. Dabei muss nicht zwingend von einer psychischen Störung oder gar von einer psychischen Erkrankung ausgegangen werden. Vorschläge sollen möglichst konkret, sowie theoretisch und empirisch fundiert sein (Proyer & Ortner, 2010). Im Bericht werden Empfehlungen nur abgegeben, wenn sie vom Auftraggebenden verlangt werden – ausgenommen davon sind das Erkennen einer Suizidalität und ein Verdacht auf eine hirnorganische oder eine andere körperliche Problematik, die sich aus den Testungen ergeben. Auf jeden Fall ist bei Empfehlungen und Vorschlägen immer die Schweigepflicht zu beachten. Allenfalls wird eine Entbindung durch den Exploranden / die Explorandin benötigt. Empfehlungen und Vorschläge im Bericht (Westhoff & Kluck, 2013, S. 275):  Verlangt die Fragestellung Empfehlungen oder Vorschläge?  Verlangen Erkenntnisse aus dem Prozess der Begutachtung, dem Auftraggeber bestimmte Empfehlungen zu geben oder Vorschläge zu machen?  Sind in den Empfehlungen und Vorschlägen  die sich bietenden Verhaltensmöglichkeiten konkret beschrieben?  die Bedingungen für die Verwirklichung der verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten dargestellt?  die mit den verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten zu erreichenden Ziele angegeben?  die möglichen Folgen der verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten beschrieben?  Stehen die Empfehlungen und Vorschläge am Ende des Berichts?  Sind alle zum Verständnis notwendigen Informationen aufgeführt, bevor die Empfehlungen und Vorschläge im Befund dargestellt sind? 4.11. Testauswahl Die Wahl der Verfahren hängt von den aus den Fragestellungen erstellten Hypothesen ab, aber auch von den Fähigkeiten und Eigenschaften des Exploranden / der 15 Explorandin. Die Tests dienen ausschliesslich der Beantwortung der Fragestellungen. Dafür ungeeignete Verfahren sind auszuschliessen. So ist es beispielsweise nicht sinnvoll, einen vollständigen Intelligenztest durchzuführen, wenn die Frage lediglich nach dem Konzentrationsvermögen lautet. Zudem ist „Konzentration“ ein weiter Begriff. Geht es um die gerichtete Aufmerksamkeit, die komplexe Konzentrationsfähigkeit, eine spezifische Konzentrationsfähigkeit oder gar um Vigilanz? Es stehen für die Beantwortung von Fragestellungen bezüglich der Konzentrationsfähigkeit eine Vielzahl von Testverfahren zur Verfügung. Wichtig dabei ist, die am besten geeigneten Verfahren zu finden. Bei der Auswahl der Testverfahren sind zwingend die Gütekriterien zu beachten – Reliabilität, Validität, Objektivität usw. Zudem ist es oft nützlich, als erstes Verfahren einen Wortschatztest durchzuführen, um zu ermitteln, ob der Explorand die Fragen der Fragebogenverfahren überhaupt in einem genügenden Ausmass versteht. Fragestellungen sind dahingehend zu überprüfen, ob sie aus psychologischer Sicht im Rahmen der Begutachtung überhaupt beantwortbar sind (Proyer & Ortner, 2010). Es kommt immer wieder vor, dass Auftraggebende bestimmte Tests vorschlagen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass der Auftraggebende keine konkrete Fragestellung äussert, sondern ein bestimmtes Testverfahren verlangt. Die Auswahl der durchgeführten Verfahren muss zwingend von einer fachkundigen Person (siehe 3.1.1.) gemacht werden. Wünsche können berücksichtigt werden, wenn sie der seriösen Beantwortung der Fragestellungen dienen. Bei umfangreichen Testbatterien oder bei Beeinträchtigungen des Exploranden / der Explorandin, ist es sinnvoll, die Durchführung auf mehrere Zeitpunkte zu verlegen. Bei der Testauswahl ist eine Balance zu finden, zwischen genügenden Verfahren zur Beantwortung der Fragestellungen und der Zumutbarkeit für den Exploranden / die Explorandin. Folgende grundsätzliche Anforderungen sind bei der Testauswahl zu beachten (Proyer & Ortner, 2010. S. 60):  Sämtliche eingesetzten Verfahren beziehen sich auf das Anforderungsprofil (siehe 4.12.) und dienen der Beantwortung der Fragestellungen.  Die einzelnen Verfahren werden kurz und in verständlicher Form in Bezug auf den intendierten Informationsgewinn beschrieben. 16  Die eingesetzten Verfahren sind eindeutig bezeichnet – Name, Abkürzung, Autor, Erscheinungsjahr, Version.  Bei der Auswahl der Testverfahren wird das Prinzip des multimethodischen Vorgehens berücksichtigt.  Die Verfahren werden in der jeweils verfügbaren aktuellsten Auflage eingesetzt. Werden Tests im Bericht erwähnt, muss jeweils eine Quellenangabe gemacht werden. Bei der ersten Erwähnung wird der Name des Tests ausgeschrieben, die Abkürzung angefügt und die Quelle angegeben: Zahlen-Verbindungs-Test ZVT (Oswald & Roth, 1987). Wird derselbe Test im gleichen Kapitel nochmals aufgeführt, reicht die Abkürzung ohne Quellenangabe: ZVT. Wird der Test in einem anderen Kapitel erneut aufgeführt, muss er wieder ausgeschrieben werden: Zahlen-Verbindungs-Test ZVT (Oswald & Roth, 1987). 4.12. Anforderungen/Anforderungsprofil Beim Anforderungsprofil sind die Anforderungen zu beachten, die sich aus der Fragestellung ergeben. Lautet die Frage nach einer bestimmten Berufswahl, sind die für die Ausübung dieses Berufs erforderlichen Anforderungen zu beachten. Beinhaltet die Fragestellung beispielsweise die Frage, ob die betreffende Person in der Lage ist, ein Psychologiestudium zu absolvieren, müssen die Anforderungen gemäss dem Berufsbild „Psychologe/Psychologin“ erstellt werden. Diese könnten lauten:  Begabung im Umgang mit Menschen  Fähigkeit, vernetzt zu denken und Zusammenhänge zu erfassen  Selbständigkeit  Intelligenz  Usw. In einem nächsten Schritt ist zu überlegen, ob die Anforderungen noch genauer ausformuliert werden müssen. So muss man beispielsweise bei der Anforderung „Begabung im Umgang mit Menschen“ darüber nachdenken, was damit genau gemeint ist. Geht es um Verhandlungsgeschick, geht es um Empathievermögen oder geht es um intelligentes Vorgehen oder um anderes. Aus diesen Überlegungen müssen die Verfahren ermittelt werden, welche die entsprechende Hypothese beantworten können. Eine Hypothese könnte beispielsweise lauten: Ein Psychologe muss andere Menschen empathisch verstehen können. Also muss ein Testverfahren gesucht werden, das diese Empathiefähigkeit misst. 17 4.13. Formulierung Bei der Formulierung von Berichten ist grundsätzlich darauf zu achten, dass der Schreibstil wertschätzend gehalten wird. Man sollte nicht lediglich auf die „Schwächen“ fokussieren, sondern auch auf die „Stärken“ des Exploranden / der Explorandin. Trotzdem muss festgehalten werden, was die Ergebnisse der einzelnen Verfahren hervorbringen. Ist die untersuchte Person und der Auftraggebende dieselbe Person, empfiehlt es sich, den Text so zu formulieren, dass sie sich angesprochen fühlt. Ansonsten empfiehlt es sich, den Begriff Explorand oder Explorandin zu verwenden. Proband ist kein geeigneter Begriff in Berichten. Gemäss Duden ist ein Proband eine Testperson. Deshalb eignet sich dieser Begriff eher für Personen, die an Studien teilnehmen. Wo die direkte und wo die indirekte Sprache verwendet wird, ist in diesem Skript an mehreren Stellen beschrieben. Grundsätzlich gilt, dass die direkte Sprachform nur für gesicherte Daten verwendet wird – also Resultate aus den Verfahren, aus mindestens zwei Quellen hervorgegangene Angaben u.a. Sachverhalte, die der Explorand / die Explorandin über sich selbst erzählt, sind in indirekter Form zu formulieren. Ausnahmen hierbei sind wiederum gesicherte Angaben wie Beruf, Wohnort usw. 18 5. Literatur Aster, M., Neubauer, A. & Horn, R. (2006). Wechsler Intelligenztest für Erwachsene WIE. Deutschsprachige Bearbeitung und Adaption des WAIS-III von D. Wechsler. Frankfurt: Pearson. Becker, P. (1989). Der Trierer Persönlichkeitsfragebogen. Göttingen: Hogrefe. Fydrich, T., Renneberg, B., Schmitz, B. & Wittchen, H. (1997). Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV Achse II: Persönlichkeitsstörungen. Göttingen: Hogrefe. Kuhl, J. & Kazén, M. (2009). Persönlichkeits-Stil- und Störungs-Inventar (2. überarbeitete und neu normierte Auflage). Göttingen: Hogrefe. Lüscher, H., Annen, E. & Marty, H. (2015). Skriptum zum Rorschach Comprehensive System nach J.E. Exner. Zürich: ZHAW Vorlesungsskript Thomae, H. (1967). Prinzipien und Formen der Gestaltung psychologischer Gutachten. In K. Gottschaldt, P. Lerch, F. Sander & H. Thomae (Hrsg.). Handbuch der Psychologie in 12 Bänden (Forensische Psychologie, Bd. 11, S. 743-767). Göttingen: Hogrefe. Westhoff, K. & Kluck, M. (2013). Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen (6. Auflage). Berlin: Springer. Oswald, W. & Roth, E. (2016). Der Zahlen-Verbindungs-Test. ( 3. überarbeitete und neu normierte Auflage). Göttingen: Hogrefe. Proyer, R. & Ortner, T. (2010). Praxis der Psychologischen Gutachtenerstellung. Bern: Huber. Weiss, R. (2006). Grundintelligenztest Skala 2 CFT 20-R. Göttingen: Hogrefe. 19 Anhang 20 Vorlesung Kasuistik 2 (D6-1) Dozent: Heinz Marty Fachpsychologe für Klinische Psychologie und Psychotherapie FSP Disposition der Untersuchung Die grau unterlegten Felder sind auszufüllen. Gruppenteilnehmende 1. 2. 3. 4. Angaben zur untersuchte Person Name des Exploranden Anonymisiert Geburtsdatum Geschlecht Ausbildungsstand Schulbildung/Beruf Begutachtung Fragestellungen Hypothesen 1. 1. 2. 3. 4. Datum Das ausgefüllte Formular geht an Heinz – [email protected] 21 Vorlesung Kasuistik 2 (D6-1) Dozent: Heinz Marty Fachpsychologe für Klinische Psychologie und Psychotherapie FSP Untersuchungsplan Die grau unterlegten Felder sind auszufüllen. Gruppenteilnehmende 1. 2. 3. 4. Untersuchte Person Name des Exploranden Geburtsdatum Geschlecht Familiäre Situation Schulbildung/Beruf Anonymisiert Untersuchungstag Datum des ersten Gesprächs Name des Untersuchers Erster Eindruck über den Exploranden Begutachtung Fragestellungen Hypothesen Zeitplan Muss hier nicht nochmals aufgeführt werden 1. 1. 2. 3. 4. Verfahren Auswahlkriterien Datum Das ausgefüllte Formular geht an den zugeteilten Supervisor / die zugeteilte Supervisorin. 22 23

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