M4 Sozialpsychologie - Sommersemester 2023 PDF
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This document appears to be lecture notes on Social Psychology, covering topics such as introduction to social psychology, history, cognitive dissonance, and social cognition.
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M4 Sozialpsychologie Sommersemester 2023 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung in die Sozialpsychologie...................................................................................................................................................................2 2. Geschichte der Sozialpsycho...
M4 Sozialpsychologie Sommersemester 2023 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung in die Sozialpsychologie...................................................................................................................................................................2 2. Geschichte der Sozialpsychologie.......................................................................................................................................................................5 3. Theorie der kognitiven Dissonanz......................................................................................................................................................................7 4. Soziale Kognition und Attribution......................................................................................................................................................................9 5. Attributionstheorie der Motivation.................................................................................................................................................................. 16 6. Eindrucksbildung und Personenwahrnehmung................................................................................................................................................. 18 7. Interpersonale Beziehungen.............................................................................................................................................................................22 8. Interdependenztheorie....................................................................................................................................................................................26 9. Selbst und Identität..........................................................................................................................................................................................29 10. Theorie sozialer Vergleichsprozesse..................................................................................................................................................................33 11. Einstellungen...................................................................................................................................................................................................35 12. Prosoziales Verhalten, Helfen und Altruismus...................................................................................................................................................39 13. Aggressives Verhalten......................................................................................................................................................................................42 1 1. Einführung in die Sozialpsychologie Begriffsbestimmung Definition: Untersuchung des Erlebens und Verhaltens von Personen in sozialen Situationen Situationen, in denen Kognitionen, Emotionen, Motive und Handlungen einer Person durch die tatsächliche, vermutete oder vorgestellte Anwesenheit anderer Menschen beeinflusst werden (Allport, 1954) Ziel: Entwicklung empirisch überprüfbarer Theorien und Modelle, die menschliches Erleben und Verhalten in sozialen Situationen beschreiben, erklären und vorhersagen d.h. wie sie einander wahrnehmen, Einfluss aufeinander ausüben, Beziehung miteinander gestalten Entsprechende Forschungsmethoden werden in der sozialpsychologischen Forschung verwendet: ▪ Beobachtung → um Sachverhalte zu beschreiben ▪ Experiment → um Sachverhalte zu erklären ▪ Korrelation → um Sachverhalte vorherzusagen Forschungsleitende Prämissen: 1) Menschen konstruieren aktiv ihre Realität der sozialen Umwelt 2) Verhalten → Funktion (f) von Personenfaktor (P) und Umweltfaktor (U) V = f ( P, U ) ➔ Erforschung der Wechselwirkung aus (P) und (U) (Lewin, 1951) Person und Situation Personenfaktoren (P): A - Persönlichkeit Aufbauend auf Persönlichkeitseigenschaften (→ Trait), die zeitlich überdauernde und situationsübergreifend stabile Erlebens- und Verhaltenstendenzen darstellen 5 Definitionskriterien einer Persönlichkeitseigenschaft: 1- Bezug auf Individuen (wie sie denken, fühlen, handeln) 2- Unterscheidung zwischen Individuen 3- Ausprägungsgrad eines Persönlichkeitsmerkmals als Determinante 4- Zeitlich überdauernde Eigenschaft 5- Situationsübergreifende Eigenschaft → Unterscheidung zwischen Traits und States / konzeptualisiert und spezifiziert B – Motive Motivationale Ansäte beschreiben Personen danach, welche Ziele sie verfolgen und mit welcher Intensität sie dies tun 4 Motivbegriffe, die sich im Grad der Spezifität und Bewusstheit unterscheiden: 1- Ziele spezifische und bewusst zugängliche Repräsentationen erstrebenswerter Zustände / Ereignisse 2- Motive Bezug auf breitere Klassen von Zielen ausgelegt, sie steuern und regulieren die Handlung von Personen in relevanten Situationen, nicht immer bewusst zugänglich 3- Werte Abstrakte Ziele, die als bewusst Leitlinien für Menschen gelten. Orientierungsstiftende Leitlinien sind: Universalismus, Tradition, Sicherheit 4- Bedürfnisse Konkrete Ziele, die aufgrund eines relativen Mangels auftreten und daher erlebens- und verhaltensrelevant (auch bewusst) sind C – Sonstige Personenfaktoren Emotion, Stimmung, Tagesform und weitere Kognitionen können Einfluss auf eine soziale Interaktion nehmen. Sozialpsychologische Forschung ist daran interessiert, sämtliche Faktoren aufzudecken, die das Erleben und Verhalten beeinflussen. Situationsfaktoren Es gibt keinen einheitlichen theoretischen Rahmen, was eine sozialpsychologisch relevante Situation ist Lewin (1935) schlägt eine weite Definition des Situationsbegriffs vor: Was ist Sozialpsychologie - Alle Merkmale der Umwelt eines Individuums, die einen kausalen Einfluss auf sein Erleben und Verhalten ausüben Unterscheidungen zum Einfluss einer Situation, die besonders relevant sind: ▪ Objektive vs. Wahrgenommene Merkmale Objektiv vorliegende Merkmale → Erklärung und Prognosestellung Wahrgenommene Merkmale → subjektive Bedeutung einer Situation 2 ▪ Konkrete vs. Abstrakte Situationen Konkrete Merkmale → spezifische Situation ermöglicht gute Vorhersage Abstrakte Merkmale → abstrakte Klassen von Situationen / Merkmalen ▪ Starke vs. Schwache Situationen Starke Situation → Mischel (1977): 4 Kriterien für eine starke Situation → wird Situation in ähnlicher Weise von anderen wahrgenommen? → ruft Situation sozial geteilte Erwartungen zu Verhalten hervor? → positive Anreize oder Sanktionen, um Verhalten zu zeigen? → ist Person in der Lage das Verhalten in dieser Situation zu zeigen? → Einfluss Persönlichkeit < in starken Situationen Schwache Situation → unstrukturiert und weniger Anreize für Verhalten → Einfluss Persönlichkeit > in schwachen Situationen Starke Situationen sind häufiger als schwache Situationen Einfluss von sozial geteilten Erwartungen ist daher hoch Verhalten in starken Situationen wird über Sozialisationsprozesse vermittelt Konformität / Autorität und Gehorsam / Bystander-Effekt als Beispiele für sozialpsychologische Forschung im Bereich der Situationen Forschungsbereiche Unterscheidung zwischen folgenden Forschungsbereichen: ▪ Intrapersonale Prozesse (z.B. Einstellungen) ▪ Interpersonale Prozesse (z.B. Eindrucksbildung, Beziehungsforschung) ▪ Intragruppale Prozesse (z.B. Kooperation in Gruppen, Führung) ▪ Intergruppale Prozesse (z.B. Stereotypforschung, Vorurteilsforschung) Interdisziplinäre Verbindungen Evolutions- und Natürliche Selektion Kulturpsychologische → Reproduktionserfolg bei adaptiven Verhaltensweisen (Phänotyp wird zu Genotyp) Perspektiven → soziale Umwelteinflüsse haben evolutionären Hintergrund Universalien → welchen adaptiven Wert haben sozialpsychologisch relevante Verhaltensweisen? → Ausdrucks- und Verhaltensweisen, die allen Menschen gemein sind Teilen von spezifischen Verhaltensweisen mit genetisch ähnlichen Spezies Spezifische Verhaltensweisen jedoch charakterisieren das „Mensch sein“ (z.B. Fähigkeit der Selbstregulation) Individualismus-Kollektivismus Latané (1996): Kultur sind sozial vermittelte Überzeugungen, Werte und Praktiken sowie geteilte Bräuche und Ideen Individualismus → Das Individuum steht im Fokus der Betrachtung Kollektivismus → Die Gruppe steht im Fokus der Betrachtung Je nach kultureller Zugehörigkeit (Individualismus vs. Kollektivismus) werden verschiedene Attributionsstile angewendet. In derselben Situation attribuieren Menschen auf situative oder Kontextfaktoren (kollektivistisch) oder auf Persönlichkeitseigenschaften der handelnden Person (individualistisch) 3 Grundbegriffe Hypothetische Konstrukte = psychologische Begriffe, die nicht mess- oder beobachtbar sind Begriffe lassen sich nur mit Hilfe von Indikatoren erschließen Variable = Indikator eines hypothetischen Konstrukts Operationalisierung = Prozess der Überführung eines hypothetischen Konstrukts in eine messbare Variable Konstruktvalidität = Güte, wie sehr eine Variable das zugrundeliegende hypothetische Konstrukt repräsentiert Hypothese = Aus Theorie abgeleiteter Wenn-Dann-Satz, der die Beziehung zwischen den hypothetischen Konstrukten spezifiziert ➔ je allgemeiner die Formulierung, desto größer der Gültigkeitsbereich ➔ je spezifischer die Formulierung, desto einfacher die Messbarkeit Gütekriterien ▪ wissenschaftliche Theorien müssen einer Reihe von Kriterien entsprechen Konsistenz (innere und äußere Widerspruchsfreiheit) Präzision ihrer Vorhersagen und Erklärungen Erklärungsbreite von Phänomenen Sparsamkeit von Annahmen und Prämissen ▪ Objektivität ▪ Reliabilität ▪ Validität Methoden der Sozialpsychologie Forschungsmethoden Unterscheidung naiver und wissenschaftlicher Psychologie anhand der Methodik → Wissenschaftliche Vorgehensweise ist systematisch und erfolgt auf erhobener Daten METHODEN Systematische Beobachtung Dient zur Beschreibung von Situationen Experiment Dient zur Erklärung von Phänomenen (Kausalrelation) Korrelation Dient zur Vorhersage von Phänomenen (Wenn – Dann Beziehungen) UMGEBUNG Felduntersuchung Beobachtung / Experiment findet unter natürlichen Bedingungen statt + hohe externe Validität - mögliche Konfundierung mit anderen Variablen Laboruntersuchung + hohe interne Validität (wenig Konfundierung) - wenig Generalisierbarkeit VARIABLEN Unabhängige Variable (UV) Variation der UV um die Auswirkung auf die AV zu messen Abhängige Variable (AV) Kovariation durch Wirkung der UV auf AV soll mit Hilfe von Kontrolltechniken sichergestellt werden (kausale Beziehung) Moderatorvariable Beeinflusst die Stärke des Kausaleffekts der UV auf die AV. Erklärt, wann und unter welchen Bedingungen ein Effekt der UV zu erwarten ist. Wird oft mit UV manipuliert Mediatorvariable Relevante Variable, die Kausaleffekte von UV auf AV vermittelt Sie erklärt, warum sich UV auf AV auswirkt und wird oft mit AV gemessen Störvariable Nicht gewollter bzw. beabsichtigter Einfluss durch Drittvariablen Im Rahmen des Experiments muss sie eliminiert oder kontrolliert werden RANDOMISIERUNG Experimentelle Kontrolltechnik, in der Versuchspersonen zufällig einer Kontroll- und einer oder mehrerer Experimentalgruppen zugeordnet werden Durchschnittlich befinden sich dann ähnliche Personen in allen Gruppen 4 2. Geschichte der Sozialpsychologie Grundlagen Gordon Allport (1954) datiert den Beginn der Sozialpsychologie ins Jahr 1908 Veröffentlichung eines Buches „Social Psychology“ von Edward A. Ross Im gleichen Jahr Veröffentlichung von „Introduction to Social Psychology“ von William McDougall mit trieb- und instinktgesteuerten Theorien (z.B. Herdentrieb, Mütterlichkeit, usw.) Bücher gab es allerdings schon weit vor dem Jahr 1908 (z.B. Cattaneo: psicologia sociale, 1863) Im Allgemeinen wurde die Sozialpsychologie allerdings als eher stiefmütterlich gehalten Völkerpsychologie ▪ Begriff geht zurück auf Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) Denken wird wesentlich durch Sprache bestimmt, verschiedene Völker würden demnach verschiedene Weltsichten haben (Whorf-Sapir-Hypothese) ▪ Lazarus & Steinthal (1860) ➔ Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaften Zeitschrift veröffentlichte Artikel zu kulturvergleichenden Studien ▪ Wilhelm Wundt ➔ Veröffentlichung eines 10-bändigen Werkes zu Völkerpsychologie → Unterscheidung von experimentell arbeitenden physiologischen Psychologie und → nicht-experimentell arbeitende Völkerpsychologie (beschränkt auf „Schreibtischarbeit“) Inhalte: Geschichte, Recht, Kultur, Mythos, Religion, Sprache Wundt nahm Objektivation auf kultureller Ebene an und schloss immer wieder auf die Psyche Wurzeln → Wundt erhielt wenig Resonanz aufgrund seiner theoretischen Ausarbeitung Massenpsychologie Ursprung liegt in der romanischen Massenpsychologie (90er Jahre des 19. Jahrhunderts) ▪ Scipio Sighele (1868 – 1913) → Kriminologie / Zurechnungsfähigkeit des Einzelnen in Menschenmassen Ansatz führte zu Strafrechtsreformen in Italien ▪ Gabriel Tarde (1843 – 1904) → gleichförmiges Verhalten von Menschen in Massen mittels Imitation ▪ Gustave LeBon (1841 – 1931) → Mensch mit Vernunft und kritischem Denken ggü. der kopflosen Masse Führer der Masse „knete“ sich die Masse nach seinem Vorbild / konservative Sichtweise Wenig Resonanz für weitere sozialpsychologische Entwicklung, z.T. wg. unklarer Begriffe Frühe empirische Moderne Sozialpsychologie geht auf französische und amerikanische Soziologen zurück Sozialpsychologie → Untersuchung der Umgebung sowie die Auswirkungen auf das Individuum ▪ Charles H. Cooley (1864 – 1929): Prägung des Begriffs Primary Group Primärgruppen: Zeichnen sich durch direkten Kontakt von Angesicht zu Angesicht aus; primär sind sie, weil sie für die Formung der sozialen Persönlichkeit fundamentale Bedeutung haben ▪ Entwicklung der Sozialpsychologie in den USA, weil multikulturell (soziale Normen + Gewohnheiten) In USA waren ungezwungene experimentelle Untersuchung zu sozialen Einflüssen möglich Sozialpsychologie als anwendungsbezogenes Fach, dass sich früh von Philosophie und Physiologie trennte → Erste Untersuchungen zum Einfluss anderer anwesenden Personen auf (sportliche) Leistung → Norman D. Triplett: Untersuchungen Schrittmacher-Phänomen (anregende Wirkung des Wettkampfs) → Einfluss früher Forschung auf weitere Theorien (z.B. Social-Facilitation Theory / Sportpsychologie) → psychodiagnostische Verfahren wurden in der Vergangenheit oft als „Experiment“ bezeichnet → Weitere Experimente gegen Ende des 19. JHDT zum Thema Suggestibilität und Gehorsam → Walther Moede (1888 – 1958): Experimente mit Kindern zum Einfluss anderer auf eigene Leistung → Floyd H. Allport: Stärkere Kontrolle der Störvariablen aus den Untersuchungen von Moede → Einfluss von Hugo Münsterberg / Behavioristischer Einfluss → Erklärung über Social-Facilitation (Soziale Erleichterung) → 1924: Veröffentlichung eines Lehrbuchs zu behavioristischen Sozialpsychologie → Systemisches Studium sozialer Prozesse über hohe Kontrolle und statistischer Berechnungen → Allports Untersuchungen sind weit entfernt von realen / üblichen Gruppenprozessen Erste Untersuchung von Kleingruppenforschung durch folgende Personen in den 30er Jahren: Gruppenprozessen Jakob L. Moreno (1889 – 1974) → soziometrische Befragung / Sichtbarmachung von Gruppenstrukturen Muzafer Sherif (1906 – 1988) → Bildung von sozialen Gruppennormen Kurt Lewin (1890 – 1947) → autokratische vs. demokratische Führung (politisch motiviert) William F. White (1914 – 2000) → teilnehmende Beobachtung zu Gruppendynamik von Jugendlichen Anfänge der Louis L. Thurstone (1887 – 1955) → Einstellungsforschung mittels standardisierten Einstellungsskalen Einstellungsforschung → Nützlichkeit in Vorurteils- und Stereotypforschung erprobt Adorno et al. (1950) → Untersuchung zu autokratischen Persönlichkeit → Zusammenhang autokratischer Beziehung und politischem System → Veröffentlichung aus dem Exil Herbert Hyman (1942) → Prägung des Begriffs der Referenzgruppe → soziale Vergleichsprozesse / Erwerb von Einstellungen Sozialpsychologie nach dem Kleingruppenforschung geriet erneut in den Fokus der Sozialpsychologie in den 1950er Jahren 2. Weltkrieg Robert F. Bales → Registrierung von Interaktionsprozessen Solomon E. Asch → Einfluss einer Majorität auf das Urteil eines Einzelnen Stanley Schachter → Kontakt mit anderen in bedrohlichen Situationen Leon Festinger → Soziale Vergleichsprozesse + kognitive Dissonanz Muzafer Sherif → Konfliktsituationen zwischen Gruppen und Konfliktauflösung (Robbers Cave) Fritz Heider → Zusammenhang von Einstellung und Sozialbeziehungen (Balancemodell) Kogan & Wallach → Risikobereitschaft in Gruppen vs. Einzelpersonen 5 Bavelas & Leavitt → Einfluss der Kommunikationsstruktur auf die Gruppenleistung Grundlagen Erstes Institut für Sozialpsychologie von Willy Hellpach in 1921 an der Technischen Hochschule Karlsruhe → Angewandte Psychologie / sozialwissenschaftliche Arbeitspsychologie Einschätzung amerikanischer sozialpsychologischer Forschung für Deutschland fremd. Häufige Fehleinschätzungen In den Nachkriegsjahren kam es zu Restauration der Vorkriegsverhältnisse im Hinblick auf: - Hochschulstruktur - Lehrstuhlinhaber - Lehrinhalte Entnazifizierungsprogramme führten zum Austausch von Personal und Inhalten der Lehre. Forschungsboom in DE begann erst ab den 1960er Jahren wg. neuer Psychotherapieverfahren und Forschung dazu Bibliotheken verfügten über begrenzte Mittel und so wurden kaum fremdsprachige Fachartikel abonniert Willy Hellpach - Politiker (prominentester liberaler Politiker in der Weimarer Republik) und politischer Journalist - Studierte Medizin und Psychologie (bei W. Wundt) Sozialpsychologie in Westdeutschland - Während der Nazi-Diktatur musste sich Hellpach aufgrund seine Demokratieüberzeugung zurückziehen - Seit 1926 Honorarprofessor in Heidelberg / einziger Professor, der Sozialpsychologie in seiner Stellenbezeichnung nach 1945 trug → Sozialorganismus, Betrachtung des Einflusses des Klimas, Physiognomik etc. → keine experimentelle Sozialpsychologie und kein Einbezug sozialpsychologischer Klassiker → deutsche Studierende wurden durch ihn von moderne Sozialpsychologie abgehalten Kriphal S. Sodhi - Studierte Psychologie in Indien und kam 1937 nach Berlin um bei Köhler Gestaltpsychologie zu lernen - Köhler jedoch emigrierte 2 Jahre zuvor in die USA, wodurch Sodhi in Berlin blieb - Sodhi wurde am 01.01.1959 Nachfolger von Kroh an der Freien Universität → Konformitätsforschung und soziale Wahrnehmung als Schwerpunkt seiner Arbeiten → Sodhi’s Beispiel machte deutlich wie schwer es war, die damalige Lehrmeinung zu ändern Peter R. Hofstätter - Hofstätter veröffentlichte in 1957 ein Lexikon der Psychologie und Theorie zur Gruppendynamik - Er war amerikanischer Prägung und weckte in DE entsprechendes Interesse durch seine Veröffentlichung - Hofstätter war Heerespsychologe, lehrte in Graz, an US-Universitäten und in Wilhelmshaven - Schließlich lehrte er in Hamburg Psychologie - Aufgrund seiner rechts-konservativen Ansichten handelte er sich oftmals Kritik ein (Hofstätter-Affäre) Martin Irle - 1964 Ruf einer sozialpsychologischen Professur an die Wirtschaftshochschule Mannheim - Irle war seit 1968 Sprecher des Sonderforschungsbereichs 24 „Sozialwissenschaftliche Entscheidungsforschung“, der für die westdeutsche Sozialpsychologie entscheidend sein sollte - Sonderforschungsbereich gab dutzenden Studierenden die Möglichkeit zu forschen und sich wissenschaftlich zu qualifizieren - Über 700 Publikationen im Kontext der Dissonanztheorie, die durch Irle erweitert wurde. - Mitbegründer der seit 1970 bestehenden Zeitschrift „Sozialpsychologie“ - Durch den Sonderforschungsbereich 24 bekam die Sozialpsychologie ein respektables Niveau in Forschung Sozialpsychologie in der DDR ▪ 1954 Humboldt-Universität in Ost-Berlin mit sozialpsychologischem Schwerpunkt - Kurt Gottschaldt → sozialpsychologische Forschung zum Wir-Gruppen-Konzept → Führungsstile nach Lewin - Hans Hiebsch → Assistent an der Universität Leipzig und später in Jena → marxistische Sozialpsychologie / allerdings mit westlicher Sozialpsychologie ▪ Reflexologie im Ostblock und der Sowjetunion als Konträr zum westlichen Idealismus anerkannt - Grundlage bildet der Behaviorismus (insbesondere I. Pawlow) - Während im Westen der Behaviorismus überwunden wurde, gelang dies nur schwer in Ost-Deutschland Europäische Entwicklung: European Association of Experimental Psychology (EAESP) → Großer Beitrag zur sozialpsychologischen Forschung Die EASP Aufrechterhaltung der Arbeitsbeziehung zwischen west- und osteuropäisch arbeitenden Psychologen John T. Lanzetta (Anfang der 1960er Jahre) → Treffen von Sozialpsychologen in Europa → Treffen in Sorrent mit 40 Teilnehmern, nur ein Deutscher (Hans Anger) Gründung einer europäischen Gesellschaft wurde durch das Social Science Research Council (S.S.R.C.) gefördert. Untergruppe des Committees on Transnational Social Psychology (geleitet von L. Festinger) → Einsetzen der Entwicklung sozialpsychologischer Forschung außerhalb der USA Heute sind über 1.000 Mitglieder verzeichnet, damaliger Schwerpunkt lag darin, Psychologen aus sozialistischen Staaten zu fördern 6 3. Theorie der kognitiven Dissonanz Grundlagen Beschreibung, weshalb und unter welchen Bedingungen der Zustand kognitiver Dissonanz entsteht und welche psychologischen und behavioralen Konsequenzen sich aus diesem Zustand ergeben Dissonanz Unangenehm empfundener Zustand der Spannung, der entsteht, wenn zwei Kognitionen im Widerspruch zueinanderstehen oder wenn eine Kognition und ein relevantes Verhalten psychologisch unvereinbar sind. Wichtig hierbei ist, das psychologische Empfinden der Dissonanz. Generalisierbarkeit - Erleben von Dissonanz ist ein allgemeines menschliches Phänomen - Theorie hat seit 1957 mehr als jede andere zu sozialpsychologischen Forschung angeregt - Erklärungsansätze werden in zahlreichen Nachbardisziplinen angewendet Einfluss 4.400 Einträge zum Stichwort „Cognitive Dissonance“ in EBSCO Originalformulierung Leon Festinger, 1957, A Theory of Cognitive Dissonance Hypothesen Theorie geht sparsam mit Hypothesen um: Hypothese 1 Menschen streben nach Konsonanz innerhalb ihres kognitiven Systems (Gesetz der guten Gestalt) Auftreten von Dissonanz führt zu einem aversiven Triebzustand, der Verhalten motiviert, Gleichgewicht herzustellen Hypothese 2 Bei vorliegender Dissonanz werden Situationen und Informationen aktiv vermieden, die zu einer Steigerung führen können Begriffsbestimmung Dissonanz und Konsonanz beziehen sich in der Theorie auf Beziehungen, die zwischen einem Paar von Elementen bestehen Die Elemente, auf die sich die Theorie bezieht, sind Kognitionen (d.h. Wissen über die Welt und Verhalten in Umgebung) Elemente können in einer psychologisch relevanten Beziehung zueinanderstehen (gemeinsamer Sinnzusammenhang) oder psychologisch irrelevant zueinander sein Relevante Elemente können im psychologischen Sinne (nicht logisch im kausalen Sinne) vereinbar sein (konsonant) oder unvereinbar sein (dissonant) Quellen von - Logische Unvereinbarkeit Dissonanz 1 + 1 = 3 / logisch unvereinbar, weil aus 1 + 1 folgt 2 - Individuelles Verhalten und kulturelle Normen Von der Norm abweichendes Verhalten wird als dissonant erlebt (z.B. Straftaten) - Spezifische und generelle Überzeugungen SPD-Parteiprogramm, aber abweichende Meinung zu Migrationspolitik - Aktuelle und vergangene Erfahrungen Erfahrungen passen nicht (mehr) zum aktuellen Gegenstand Ausmaß von Grundsätzlich gilt, dass wen zwei Elemente einander relevant sind sie entweder konsonant oder dissonant sein können Dissonanz - Die Stärke der Dissonanz oder Konsonanz steigt mit der Wichtigkeit oder dem Wert des Elements - Die Summe der Dissonanz zwischen zwei Gruppen von Elementen ist eine Funktion der gewichteten Anteile aller relevanten Beziehungen zwischen den zwei dissonanten Elementgruppen Reduktion von - Veränderung des eigenen Verhaltens Dissonanz Anpassung des eigenen Verhaltens an eine eigene Überzeugung - Veränderung der Überzeugung Anpassung einer eigenen Überzeugung an das eigene Verhalten - Veränderung der Wahrnehmung des Verhaltens Durch Veränderung der Situation - Veränderung kognitiver Elemente ➔ Addition neuer konsonanter Elemente ➔ Subtraktion von dissonanten kognitiven Elementen (z.B. Verdrängung, Neubewertung, Uminterpretation) Modifikation & Rolle des Selbstkonzepts (z.B. Aronson, 1969) Weiterentwicklung Selbstverpflichtung und Entscheidungsfreiheit (z.B. Brehm & Cohen, 1962) „New Look model of dissonance (z.B. Cooper & Fazio, 1984) Beispiel Cognitive Consequences of Forced Compliance Leon Festinger & James Carlsmith Zentrale Hypothesen Je größer die Belohnung, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit die eigene Meinung zu ändern Wenn eine Person, eine Meinung abgeben soll, die sie nicht vertritt, erlebt sie Dissonanz. Die Person versucht über Maßnahmen, ihre Dissonanz zu verringern. Es wird angenommen, dass je größer eine Belohnung zur Falschaussage ist, desto weniger Dissonanz erlebt sie UV + AV UV ➔ Belohnung (wurde 3-fach gestuft) / AV ➔ 4 Einschätzungen (Spaß, Lernen, wiss. Relevanz, Teilnahmewilligkeit) Quasiexperiment? Es enthält keine quasiexperimentellen Inhalte Experimentaldesign 1 x 3 Between-Subject Design (3-stufig: Kontrolle, 1$, 20$) 7 Skizze des Ablaufs 1. Cover-Story: Teilnahme und Bewertung von Erstsemestern an einer psychologischen Untersuchung 2. Bearbeitung einer monotonen Aufgabe 3. „Forced Compliance“ Manipulation 4. Messung der AVn Grund für Ausschluss - Zweifel an der Coverstory - Nicht-umsetzen der Instruktionen - Sonstige Abweichungen Statistische - Zweiseitiger t-Test Auswertungsverfahren Testergebnisse - Ergebnisse in der 1-$-Bedingungen sind statistisch signifikant - Ergebnisse b) und c) der 20-$-Bedingung sind ähnlich, jedoch statistisch auf dem.05 Niveau nicht signifikant Diskussion - Erwartung, dass VPn in der 1$-Bedingung nach Konsonanz suchen und dies damit nicht auf externe Stimuli (z.B. hohe Belohnung) attribuieren 8 4. Soziale Kognition und Attribution Schlüsselthemen Soziale Kognition → Wie gelangen Menschen zu ihrer subjektiven Konstruktion der sozialen Realität? Attribution → Nach welchen Prinzipien entwickeln Menschen Erklärungen für eigenes vs. Fremdes Verhalten Grundlagen - Menschen konstruieren ihre soziale Realität auf Basis eigener Ziele, Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen ▪ Maner et al. (2005): Stimulierung sexueller Bedürfnisse von heterosexuellen Männern → Szene eines Liebesfilms wurde gezeigt (erotische Inhalte) → anschließende Präsentation von Frauenportraits → Bewertung der Männer, dass Frauen ebenfalls sexuell erregt seien - Menschen projizieren eigene unerwünschte Emotionen oder Wünsche auf andere Personen - Menschen unterliegen dem Einfluss von Stereotypen auf die Wahrnehmung von Personen oder Ereignissen Stereotyp Sozial geteilte Überzeugung bzgl. der Attribute, Eigenschaften, Verhaltensweisen, etc., hinsichtlich derer die Mitglieder einer Gruppe einander ähneln und von Mitgliedern anderer Gruppe unterscheiden ▪ Duncan (1976): Beurteilung von Personen auf Basis eines Videos → Es wurden verschiedene Versionen eines Videos weißen VPn vorgespielt → In allen Versionen gab es eine hitzige Diskussion zwischen einem weißen und einem schwarzen Mann → In einer Version des Videos schubste am Ende der schwarze den weißen Mann, in der anderen umgekehrt ➔ Im ersten Fall beurteilten die weißen VPn das Verhalten als gewalttätiger und aggressiver ➔ Verhalten des schwarzen Mannes führten sie auf Persönlichkeitseigenschaften zurück ➔ Im zweiten Fall beurteilten die weißen VPn das Verhalten des weißen Mannes auf den Kontext bezogen ▪ Correl et al. (2002): Shooting-Bias / Einfluss der Hautfarbe bei Entscheidungsprozessen → Bewaffnete und unbewaffnete weiße vs. schwarze Personen → Aufgabe: Schieße auf bewaffnete Personen ➔ implizite negative Stereotype wirken auf die Reaktion ➔ Öfter auf unbewaffnete schwarze und öfter nicht auf bewaffnete weiße geschossen ➔ Einfluss von Stereotypen auf das Verhalten kann durch gezieltes Training verändert werden Begriffe Generalfragen der sozialen Kognitionsforschung: Wie werden soziale Informationen verarbeitet? Soziale Kognition Wie wirken sich diese Verarbeitungsprozesse auf subjektive Wahrnehmung und Interpretation sozialer Realität aus? Soziale Kognition Erwerb, Organisation und Anwendung von Wissen über sich selbst und die soziale Welt Bildung von mentalen Repräsentationen über sich selbst, über andere und über soziale Beziehungen Speicherung dieser Repräsentationen im Gedächtnis Abruf und Anwendung dieser Repräsentationen, um Urteile zu bilden und Entscheidungen zu treffen Mentale Von Menschen konstruierte Wissensstrukturen, die im Gedächtnis gespeichert sind und aus diesem zu Repräsentation unterschiedlichen Anlässen abgerufen und flexibel angewendet werden können Schema Repräsentation, die Informationen über die Attribute eines Konzepts und die Attributrelationen beinhaltet Attribute sind charakteristische Eigenschaften eines Gegenstandes Konzepte sind Grundvorstellungen oder Ideen zu Objekten, Situationen oder Ereignissen, die unter einen Begriff fallen Skript Repräsentation von Ereignissen, die Informationen über die zeitliche Abfolge beinhaltet Kategorie Repräsentation einer Klasse von Objekten, Personen oder Ereignissen mit ähnlicher Bedeutung oder Funktion Prototyp Repräsentation der idealtypischen und definitorischen Merkmale einer Kategorie Assoziatives Kognitive Struktur, in der eine Vielzahl von Konzepten durch assoziative Verbindungen miteinander Netzwerk verknüpft sind. Durch Ausbreitung der Aufmerksamkeit entlang dieser Verbindungen werden bei Aktivierung eines Konzepts benachbarte Konzepte ebenfalls aktiviert Schritte sozialer 1) Initiale Wahrnehmung Informations- - Wahrnehmung kritischer Stimulus Ereignisse / Aufmerksamkeit muss auf bestimmte Aspekte gelenkt Verarbeitung werden - Saliente Merkmale erhalten erhöhte Aufmerksamkeit, da sie besonders auffällig für den Betrachter sind Salient wird ein Merkmal dann, wenn er → sozial bedeutsam ist → im Vergleich zu anderen Stimuli im sozialen Kontext relativ selten auftritt 9 - Salienz erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stimulus nachfolgend verarbeitet wird - Aufmerksamkeit ist eine begrenzte Ressource und ist notwendigerweise selektiv → Wissen und Erwartung in einer Situation lenkt die Aufmerksamkeit auf wichtiges und ignoriert unwichtiges → Simons & Chabris (1999): Gorilla-Experiment (Ballwürfe des weißen Teams zählen / Ignorieren des Affen) 2) Enkodierung Enkodierung Prozess, der einen äußeren Stimulus in eine kognitive Repräsentation überführt, die dann im Gedächtnis gespeichert wird. Enkodierung beinhaltet, dass der externe Stimulus mit bereits vorhandenem Wissen in Verbindung gebracht wird, wodurch er informationshaltig wird und einen Sinn erhält. ▪ Erwartungen und Vorinformationen beeinflussen auch die Erinnerungsleistung ▪ Stereotyp-konsistente Merkmale werden besser erinnert als stereotyp-inkonsistente Merkmale ▪ Cohen (1981): Informationsverarbeitung bei stereotyp-(in-)konsistenten Informationen → VPn sahen ein Video eines Ehepaars → Einem Teil sagte man, die Frau sei Bibliothekarin, dem anderen Teil sie sei Kellnerin → Frage danach, ob sich VPn besser an stereotypkonsistente Inhalte erinnerten (z.B. Bibliothekarin = Wein) ➔ VPn erinnerten sich besser an konsistente als an inkonsistente Informationen ▪ Enkodierung setzt voraus, dass im Gedächtnis gespeichertes Wissen, welches für die Interpretation der Situation wichtig ist, zugänglich ist und abgerufen werden kann Zugänglichkeit Wenn ein Sachverhalt leicht aus dem Gedächtnis abgerufen werden kann, wird er als zugänglich bezeichnet. Schnell abrufbare Inhalte werden als leicht zugänglich bezeichnet. Ein Reiz, der den Abruf von Gedächtnisinhalten (z.B. Schemata, Stereotype, soziale Kategorien, etc.) erleichtert, wird als „Prime“ bezeichnet. Kategorisierung Prozess, durch den ein Objekt (Person, Situation, etc.) in eine Klasse ähnlicher Objekte (Personen, Situationen, etc.) zugeordnet wird. ▪ Kategorisierung hat als Hauptfunktion die Systematisierung → begünstigt die Interpretation des wahrgenommenen Stimulus im Hinblick auf zielorientiertes Handeln ▪ Kategorisierung hat als Nebenfunktion die Inferenz → Aus Wissen über Kategorien auf Merkmale, Verhaltensweisen und Eigenschaften schließen 3) Urteilen und Entscheiden ▪ Neue Repräsentation wird im Gedächtnis gespeichert und bietet mit anderem gespeichertem Wissen die Möglichkeit Urteile zu fällen und Entscheidungen zu treffen ▪ Urteile und Entscheidungen bestimmen die Verhaltensreaktionen ggü. einem Stimulus (Vermeidung, Annäherung, Ignorierung, etc.) ▪ Kategorisierung kann in Abhängigkeit von der verwendeten Kategorie und den assoziierten Stereotypen zu voreiligen und falschen Schlussfolgerungen führen 4) Unbewusste Einflüsse auf das Verhalten ▪ Erwartungen, Vorwissen und Erinnerungen beeinflussen die Wahrnehmung und das Verhalten ▪ Einige Verhaltensweisen werden automatisch und unbewusst mittels Primes ausgelöst ▪ Bargh et al. (1996): Untersuchung zu Sprachbeherrschung / Satzergänzungsaufgabe → tatsächlich handelte es sich um die Untersuchung der automatischen Aktivierung von Stereotype → Präsentation von Wörtern, die gezielt Stereotype über ältere Menschen aktivieren (Kontrollgr. – neutral) → AV ➔ Zeit, die VPn brauchten, um vom Labor zum Aufzug zu gehen ➔ VPn in Experimentalbedingung benötigten signifikant länger als Kontrollgruppe ▪ Laborprimes führt zu schwachen und kurzlebigen Effekten und sind nur begrenzt generalisierbar Modus der Interpretation der sozialen Realität hängt maßgeblich davon ab, auf welche Art und Weise die sozialen Informations- Informationen verarbeitet wurden. Hierzu werden drei Aspekte der Informationsverarbeitung besonders Verarbeitung hervorgehoben: 10 1) Zusammenspiel von Stimulusinformationen und Vorwissen ▪ Bottom-Up Verarbeitung / datengesteuerte Verarbeitung Überwiegend Merkmale des Stimulus oder der Situation ausschlaggebend für die Informationsverarbeitung ▪ Top-Down Verarbeitung / konzeptgesteuerte Verarbeitung Vorerfahrungen, Erwartungen und Wissen spielen bei der Informationsverarbeitung und Wahrnehmung eine Rolle 2) Menge der verarbeiteten Informationen ▪ Systematische Informationsverarbeitung Sorgfältige Sammlung, Prüfung und Abwägung von Informationen zur Urteilsbildung ▪ Heuristische Informationsverarbeitung Nutzung von Heuristiken für die Ermöglichung einer schnellen Urteilsbildung Kognitive Heuristik Entscheidungshilfe im Sinne einer Faustregel, die es Menschen ermöglicht, mit geringem kognitiven Aufwand auf Grundlage weniger Informationen Entscheidungen und Urteile zu treffen Unterscheidung von mehreren Heuristiken Verfügbarkeitsheuristik Zugänglichkeit entscheidend für die weitere Informationsverarbeitung Repräsentativitätsheuristik Typikalität des Stimulus für eine Klasse ähnlicher Stimuli Anker- / Anpassungsheuristik Ausgangswert bzw. -situation als Maßstab für Urteile und Entscheidungen Systematische vs. heuristische Informationsverarbeitung hängt von zwei Faktoren ab: ▪ Verarbeitungskapazität ▪ Verarbeitungsmotivation Persönliche Relevanz führt zur erhöhter Motivation systematische Informationsverarbeitung zu betreiben 3) relatives Verhältnis von automatischen und kontrollierten Prozessen ▪ Automatisierte Informationsverarbeitung → erfordert wenige kognitive Ressourcen → i.d.R. unbewusste Verarbeitung → müssen nicht aktiv kontrolliert werden ▪ Kontrollierte Informationsverarbeitung → benötigen erhebliche kognitive Ressourcen → aktive Regulation → i.d.R. bewusste Verarbeitung Fiske & Neuberg (1990): Einflussreichstes Modell zur Frage, wie sich Menschen Eindrücke von anderen bilden ▪ Vorangeschalteter automatischer Verarbeitungsprozess → Kategorienzugehörigkeit inkl. assoziierter Stereotype Kontinuum-Modell → Prozess läuft schnell und unwillkürlich ab ▪ Nachgelagerter kontrollierter Verarbeitungsprozess → bei Motivation und Ressourcen wird eine systematische und kontrollierte Verarbeitung vorgenommen → kategorien- und stereotypbasierte Verarbeitung wird zugunsten individualisierter Verarbeitung aufgegeben → Kategorien stellen nur noch einen Nebenaspekt neben vielen anderen Merkmalen dar ➔ Duales Prozessmodell, da zwei distinkte Modi der Informationsverarbeitung unterschieden werden Zugrundeliegende Natürliches Streben des Menschen nach v.a. drei Motiven: Motive 1) Erkenntnisbezogene Motive » Entwicklung eines angemessenen Bildes der sozialen Realität als Basis für effektive Umweltkontrolle » Ziel, ein möglichst akkurates Bild von sich und der sozialen Umwelt zu haben » Attributionstheoretische Grundlage (v.a. B. Weiner) » Akkurate Informationen sind nicht immer vorhanden bzw. erwünscht (z.B. bei Dissonanz) » Daher ist dieses Motiv keine treibende Kraft 2) Konsistenzbezogene Motive » Entwicklung eines konsistenten und stimmigen Bildes der sozialen Realität » Theorie der kognitiven Dissonanz als Grundlage (v.a. L. Festinger) » Menschen suchen Informationen, die Dissonanz reduzieren und Konsonanz herstellen » Suche nach bestätigenden Informationen über eigene Einstellungen und Meinungen » Spielt eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung von Stereotypen und Vorurteilen 11 3) Selbst(wert)bezogene Motive » Menschen streben danach den eigenen Selbstwert zu schützen bzw. zu steigern » Suche nach Informationen, die den Selbstwert steigern oder Vermeidung von Informationen, die ihn bedrohen » Menschen definieren ihr Selbst häufig über die eigene Gruppenzugehörigkeit » Auswirkungen der Selbstwerterhöhung durch Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder mitbestimmbar » Erklärung von Verhaltensweisen von Mitgliedern, damit diese konsonant mit eigenen Einstellungen sind Prospect Theory Kahnemann & Tversky (1974) → Heuristics and Bias Program → Normativ rationales Wesen handelt nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung → Menschliches Verhalten in Dilemma-Situationen wird gegen dieses Nutzenmaximierungsprinzip gehalten → Abweichung menschlichen Verhaltens von normativ-rationalem Verhalten bezeichnet die Verzerrung → Variation des Entscheidungsrahmens beeinflusst Entscheidungsprozess; Verstoß gegen das Invarianzprinzip → Unterscheidung des Rahmens in positiv und negativ ▪ Positiv geframte Bedingungen: risikoloses Verhalten (Gewinn behalten) ▪ Negativ geframte Bedingung: risikohaftes Verhalten (Verluste vermeiden) → Menschliches Verhalten weicht von folgenden drei Punkten von rationalem Entscheidungsverhalten ab: ▪ Wahrscheinlichkeitseinschätzung Kleine Wahrscheinlichkeiten werden überschätzt, große hingegen unterschätzt Extreme und unmögliche Ereignisse stimmt die subjektive Bewertung meist mit Realität überein ▪ Referenzpunkt Ausgehend von einer Referenz: Gewinne werden als positiv, Verluste als negativ empfunden Subjektives Gefühl ist jedoch nicht linear. Kleine Verluste führen zu größeren negativen Emotionen als kleine Gewinne. (z.B. Verlust von 10€ und Finden von 10€ = leichtes negatives Gefühl) ▪ Rahmung der Entscheidung Nicht die objektive Situation ist augenscheinlich, sondern die Einordnung in Gewinn und Verlust Rahmung hängt mit Gewohnheiten, der Kultur und weiteren Einflüssen zusammen Neben den drei Punkten arbeiten Menschen häufig mit den bereits o.g. Heuristiken Verfügbarkeits-, Repräsentativitäts- und Ankerheuristik Menschen nutzen häufig Heuristiken und Hinweisreize, um zu einem Urteil bzw. zu einer Entscheidung zu kommen, außerdem vernachlässigen sie bei Einschätzungen von Wahrscheinlichkeiten häufig die Basisrate. Rationalität von Entscheidungen Bounded Gerd Gigerenzer (2001): Begründung des Bounded Rationality Theorie Rationality → Kritik an dem Paradigma des „Heuristic-and-Bias-Program“, da es zu weit von der Lebenswirklichkeit ist ▪ Enge Normen: Rational sei nur Verhalten, das im Einklang mit statistisch/mathematischem Denken steht Entscheidungen jedoch sind meistens (a) ein Einzelfall und (b) in einem gewissen Kontext stehend ▪ Zugrundeliegende Prozesse: Die psychologischen Prozesse sind nicht deutlich genug herausgearbeitet und es könne zu einem Missverstehen der Aufgabensituation im Heuristics-and-Bias-Program kommen → Beschränktheit der menschlichen Verarbeitungskapazität (Zeitdruck, Aufmerksamkeit, Konzentration) ▪ Trotz geringer Kapazität soll gezeigt werden, dass Menschen dennoch rational handeln ▪ Aspiration-Adaption-Theory (Selten, 2001) → Welchem Anspruch muss eine Entscheidung genügen? → Welcher Aufwand muss für die Abwägung betrieben werden? ▪ Schnelle und sparsame Heuristiken → Je nach Anspruch, Verfügbarkeit und Wichtigkeit werden Informationen gesucht → Anspruch ist jedoch keine Konstante, sondern je nach Situation flexibel → Entscheidungsverhalten steht im Dreieck der Begriffe: ▪ Anspruchslevel ▪ Zufriedenstellung ▪ Anpassung an die Situation → Entscheidung auf Basis schneller und einfacher Heuristiken (fast & frugal), verständlich und kosteneffektiv Rational! → Entscheidungsfähigkeit ist abhängig davon: Welche Bedeutung der Umwelt für den Entscheidungsprozess zugesprochen werden soll Was in dieser Umwelt als Optimum erreicht werden soll Einfluss von → Rationalität möglich ohne Emotionen / veraltete Denkweise Emotionen und → keine einheitliche Definition des Emotionsbegriffs Stimmung EMOTION Fühlen einer körperlichen Veränderung, welche auf die Wahrnehmung eines erregenden Ereignisses folgt (William James, 1884) STIMMUNG - Gefühlszustände geringerer Intensität als Emotionen und dauern länger - Stimmungen sind nicht auf ein Objekt oder eine Person gerichtet - Ursache der Stimmung liegt nicht im Aufmerksamkeitsfokus - Ziehen keine bestimmten Reaktionen in Verhalten, Emotionen und Kognitionen nach sich 12 - Stimmungen sind informativ für die allgemeine Qualität des eigenen Zustands (Bless, 1997) Stimmung ist ein Indikator für die Verarbeitungstiefe - Einfluss auf die Analyse und Interpretation einer Situation als (un-) problematisch je nach Stimmung ➔ unproblematische Situation / gute Stimmung ➔ Person verlässt sich auf Wissensstrukturen ➔ bei problematischen Situationen / negative Stimmung ➔ genauere Problemanalyse - Qualität von Argumenten wird bei negativer Stimmung genauer analysiert - Schwache Argumente wirken bei positiver Stimmung genauso gut wie bei starken Argumenten - Gute Stimmung sorgt jedoch für Kreativität und besserer Problemlösung und Erleben auch Flow Flow Freudiges und reflexionsfreies Aufgehen in glatt laufenden Tätigkeiten, die trotz hoher Beanspruchung ständig unter Kontrolle ist - Menschen sind dazu motiviert sich eine gute Stimmung zu versetzen und schlechte Stimmung zu vermeiden (Isen, 1984) ➔ Affektbalance im Alltag - Bei Ermüdung oder allgemein sinkender Stimmung sinkt die Motivation, Lernen sollte daher möglichst so gestaltet werden, dass eine gute Stimmung daraus resultiert AIM AFFECT INFUSION MODEL ▪ Joseph Forgas (2002): Modell zur Wirkung von Stimmungen auf kognitive Prozesse ▪ Unterscheidung von vier Prozessstrategien, die Personen im Alltag anwenden können: → direkter Abruf eines bereits existierenden Verhaltens → motivierte Verarbeitung für ein bereits gesetztes Ziel → Anwendung einer Heuristik → substantielle generative Verarbeitung, um Verhalten zu planen Welche Strategie verwendet wird, hängt von der Person, der Aufgabe und der Situation ab ▪ Unterscheidung aufgrund der Anfälligkeit von Affekten → Strategie 1 + 2: Keine Planung mehr erforderlich / Abfolge der Handlung ist festgelegt → Strategie 3 + 4: Planung für künftige Handlung noch nicht festgelegt Die letzten beiden Strategien sind für Affekte empfänglich Affekte beeinflussen am wirksamsten jene Strategie mit höchstem kognitiven Aufwand Bei bloßer Ausführung entfalten Affekte keine Wirkung Begriffe Prinzipien, nach denen Menschen Erklärungen für das eigene oder das Verhalten von anderer entwickeln Attribution Subjektive Schlussfolgerungen der beobachtenden Person bzgl. der Ursache des beobachteten Verhaltens (oder eines Ereignisses). Die Zuschreibung einer Ursache eröffnet dem Menschen die Möglichkeit, Verhalten von Personen vorherzusagen und ggf. aktiv Kontrolle über die Umwelt auszuüben. Fritz Heider (1958): Umweltkontrolle ist Hauptgrund des Interesses von Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge Attributionen werden daher eher für persönlich relevante Situationen ausgelöst und Treten bei unerwarteten & negativen statt bei erwarteten & positiven Ereignissen auf Lokation Intern vs. Extern Attribution Stabilität Stabil vs. Instabil Kontrollierbarkeit Kontrollierbar vs. Unkontrollierbar Bernard Weiner (1982): Dimensionen sind relevant Spezifische Ausprägungen einer Ursachenzuschreibung hat Einfluss auf - Meinung - Bewertung - emotionalen Konsequenz Weiner et al. (1982): Zusammenhang zwischen Attribution und Affekt anhand der Attributionsdimension: Interne, stabile und kontrollierbare Attributionen verursachten bei Beobachtern Ärger Interne, stabile und unkontrollierbare Attributionen verursachten bei Beobachtern Mitleid Erklärung des eigenen (Miss-) Erfolgs wirkt auf das eigene Selbstwertgefühl Attribution auf eigene Fähigkeit bewirkt Stolz und Selbstvertrauen Attribution auf stabile Faktoren bei Misserfolg bewirkt Niedergeschlagenheit + Enttäuschung Attributionsstil Relativ zeitstabile Tendenz einer Person, über verschiedene Situationen hinweg bestimmte Erklärungsmuster zu verwenden. Attributionsprozess Vorgehen bei Attribution werden verschiedene Theorien unterschieden: 13 Korrespondierende Schlussfolgerungen Jones & Davis (1965) ▪ Frage, wie Menschen von einem beobachteten Verhalten auf Persönlichkeitsmerkmale schließen ▪ Zwei wesentliche Schritte werden dafür benötigt: Entscheidung, ob die handelnde Person (un-) absichtlich agiert hat Zufällige Handlungen haben i.d.R. keinen Informationsgehalt für zugrundeliegende Dispositionen Entscheidung, welche Dispositionen die handelnde Person dazu veranlasst hat Dispositionen werden zugesprochen unter Wahlfreiheit der Handlungsoptionen Zwang und Befehlsbefolgung unterliegen dabei nicht der Wahlfreiheit ▪ Vergleich sämtlicher Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die spezifischen Konsequenzen ▪ Spezifische Konsequenzen sind solche, die nur mit einer Handlungsalternative einhergehen (Prinzip der nicht-gemeinsamen Effekte) ▪ Nicht alle Konsequenzen sind gleichermaßen informativ! Kovariation und kausale Schemata Harold Kelley (1973) ▪ Unterscheidung von drei Arten von Attributionen Personenattribution Ursache liegt in der beobachteten Person Stimulusattribution Ursache liegt in den Eigenschaften eines Reizes / einer Umgebung Umständeattribution Ursache liegt in den spezifischen Umständen / Zeitpunkten ▪ Informationen aufgrund wiederholter Verhaltensbeobachtungen aus mehreren Informationsquellen Ermittlung der Ursache nach dem Kovariationsprinzip Beobachteter Effekt wird derjenigen Ursache zugeschrieben (Person, Stimulus, Umstände), mit der er über die Zeit hinweg kovariiert ▪ Analyse potentieller Ursache-Wirkungsbeziehungen nach dem Kovariationsprinzip aus unterschiedlichen Quellen: Konsensusinformationen Resultieren aus Beobachtung anderer Personen auf den Stimulus Distinktheitsinformationen Resultieren aus Beobachtung der Person in anderen Situationen Konsistenzinformationen Resultieren aus der Beobachtung des relevanten Verhaltens über die Zeit hinweg ▪ Attribution erfolgt auf Basis dichotomer Ausprägung (hoch vs. niedrig) in acht Informationsmuster: Personenattribution: Geringer Konsensus, geringe Distinktheit, hohe Konsistenz Stimulusattribution: Hoher Konsensus, hohe Distinktheit, hohe Konsistenz Umständeattribution: Niedriger Konsensus, hohe Distinktheit, niedrige Konsistenz ▪ Bei unzureichenden Informationen nutzen Menschen nach Kelley kausale Schemata wird als Konfigurationsprinzip bezeichnet kausale Schemata ergänzen Sachverhalte oder stellen explizite Annahmen bereit ▪ Abwertungs- und Aufwertungsprinzip: Abwertung: Wissen um Einflüsse beeinflusst Ursachenzuschreibung bei minderen Leistungen Aufwertung: Wissen um Einflüsse beeinflusst Ursachenzuschreibung bei hohen Leistungen Student schreibt schlechte Note, Prüfer weiß, dass Student sich getrennt hat (Ursache nicht in Person, sondern Situation) ➔ Abwertung Student schreibt gute Note, Prüfer weiß, dass Student sich getrennt hat (Ursache in der Person, besondere Begabung) ➔ Aufwertung Duale-Prozess-Modelle der Attribution Gilbert et al. (1988) ▪ Neuere Modelle zweifeln an der datengesteuerten und systematischen Attribution nach dem Kovariationsprinzip ▪ Attributionen erfolgen mehr oder weniger automatischen zweistufigen Prozessen (1) Verhaltensbeobachtung verursacht zunächst automatische Personenattribution unter Vernachlässigung externer Einflüsse Attribution auf Disposition wird in sozialen Situationen häufig von Erwartungen der beobachtenden Person beeinflusst (2) bei freien kognitiven Ressourcen und vorhandener Motivation wird ein systematischer, kontrollierter Attributionsprozess initiiert. Ursprüngliche personenbezogene Attribution wird durch situative Gegebenheiten modifiziert oder gänzlich ersetzt Verzerrung Menschen sind grundsätzlich bemüht akkurate Einschätzungen zu treffen. Allerdings tendieren sie auch dazu, einigen Erklärungen ggü. anderen den Vorzug zu geben: Korrespondenzverzerrung ▪ Neigung eher auf interne statt auf externe Faktoren zu attribuieren ▪ Kulturelle Unterschiede bei der Korrespondenzverzerrung: → Individualismus: dispositionale Erklärung → Kollektivismus: Situationsfaktoren / kontextbezogene Konzeption 14 Akteur-Beobachter-Divergenz ▪ Beobachter attribuieren Verhalten bei einer beobachteten Person auf internale Faktoren ▪ Akteure attribuieren ihr eigenes Verhalten auf externale Faktoren ▪ Storms (1978): Gründe für die Verzerrung Beobachter sehen Figur als handelnde Person vor dem Hintergrund der Situation Akteure sehen sich aufgrund ihrer Perspektive durch die Umstände und Situation geleitet Selbstwertdienliche Attributionsverzerrung ▪ Verzerrung spielt v.a. in Leistungssituationen eine Rolle ▪ Eigene Erfolge werden auf interne und stabile Faktoren attribuiert (im Vergleich zu anderen Akteuren) ▪ Eigene Misserfolge werden auf externe und variable Faktoren attribuiert ▪ Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden identifiziert (Dweck et al., 1986) → Frauen: aufgrund negativen Feedback attribuieren sie häufiger auf interne Faktoren → Männer: aufgrund negativen Feedback attribuieren sie häufiger auf externe Faktoren Bedingt durch traditionelle Geschlechtsrollenstereotype Soziale ▪ Kategorisierung und damit verbundene Stereotype haben Einfluss auf den Attributionsprozess Kategorisierung, ▪ Benbow & Stürmer (2017): Umgang mit Kindern von inhaftierten Müttern und Vätern Stereotype und → Fälle von Kriminalität von Eltern bzw. Misshandlung von Kindern Attributionen → Müttern räumte man im Rahmen identischer Fälle mehr Besuchsrechte ein als Vätern → Vätern attribuierte man Kriminalität eher auf Dispositionen als Müttern (eher situative Faktoren) 15 5. Attributionstheorie der Motivation Gegenstand Zwei Gegenstandsbereiche: Attributionstheorie intrapersonalen Verhaltens (v.a. Leistungsmotivation) Attributionstheorie interpersonalen Verhaltens (Helfen, Aggression, Reaktionen auf Stigma) Beide Theorien beruhen auf einer Weiterentwicklung der Erwartungs-mal-Wert-Ansätzen der Motivation ▪ Zentrale Erklärungsvariablen sind kausale Überzeugungen, deren zugrundeliegende Prozesse und ihre Verbindungen zu Emotionen ▪ Beide Gegenstandsbereiche postulieren eine Denken → Fühlen → Handeln – Sequenz (Primat der Kognition) Attributionstheorie Ausgangspunkt: Erklärung von Leistungsmotivation („Streben nach Erfolg“) Intrapersonales Verhalten Verknüpfung: E x W – Theorien (z.B. Atkinson, 1957) mit Attributionstheorien (z.B. Heider, 1958 / Rotter, 1954) → Erwartung x affektiver Anreiz Erwartung → Kontingenz eines Verhaltens und ihre Konsequenzen Wert → Bezug auf den affektiven Anreiz, der durch das Verhalten erfolgt Motivation ist umso höher, je erfolgsversprechender die Erwartung mal dem affektiven Anreiz ist → affektiver Anreiz bedingt durch Schwierigkeit der Aufgabe → Stolz bei schwierigen Aufgaben / weniger Stolz bei leichten Aufgaben → Erfolg bei schwierigen Aufgaben ➔ internale Faktoren → Erfolg bei leichten Aufgaben ➔ externale Faktoren 2x2 – Schema der Attributionsdimension Kausaler Lokus internal vs. external | Kausale Stabilität stabil vs. instabil Erwartungs- und Wert-Komponente in Attributionsdimension enthalten Erwartung → Kontingenz / Dimension der Stabilität Wert → Anreizqualität / Lokus 2x2x2 – Schema der Attributionsdimension ▪ Zentrale theoretische Weiterentwicklung ▪ Erweiterung um die Dimension der Kontrollierbarkeit ▪ z.B. Anstrengung ist ein internaler und kontrollierbarer Faktor Zentrale theoretische Weiterentwicklungen → Verbindungen zwischen kausalen Überzeugungen und Emotionen → Einschätzung / Attribution (Kognition) führt zum Erleben bestimmter emotionaler Qualitäten (z.B. Stolz, Scham, Schuld) Unterscheidung von Emotionen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Attributionen Unterscheidung von attributionsabhängigen und attributionsunabhängigen Emotionen → Antezedenzien / Vorbedingung für kausale Überzeugungen Spezifische Informationen (z.B. Normen) – s.a. Kelley Kovariationsprinzip z.B. je mehr Personen ein schlechtes Prüfungsergebnis haben, desto unwahrscheinlicher wird internal attribuiert Akteur vs. Beobachter – Perspektive Eigene Handlung wird eher external attribuiert (besonders bei negativen Ergebnissen) Beobachtete Handlung wird eher internal attribuiert Selbstwertdienliche Verzerrungen Beeinflussung der Attributionsdimension in spezifischen Situationen, um Selbstwert zu schützen oder zu verbessern 16 Attributionstheorie Interpersonales Verhalten ▪ Weiterentwickelt der Kontrollierbarkeitsdimension → Unterscheidung zwischen Kontrollierbarkeit und Verantwortlichkeit (z.B. Zwänge oder Befehle) → Innere oder äußere Umstände können Verantwortlichkeit der Handlung reduzieren (z.B. im Strafrecht) → Kontrollierbarkeit vs. Verantwortlichkeit ist eine Antezedenz der Attribution Beispiel Impact of Causal Attributions on Affective Reactions to Success and Failure Cathy McFarland & Michael Ross (1982) Ziel + Ziel → Einfluss von Leistungsrückmeldungen (Erfolg / Misserfolg) und Attribution (internal / external) auf Affekte Hypothesen in Leistungssituationen Hypothese 1 Leistungsrückmeldung („Ergebnis“) beeinflusst die Ausprägung generellen positiven oder negativen Affekts Hypothese 2 Attribution der Leistungsrückmeldung beeinflusst das Selbstwertgefühl UV + AV UV1 → Leistungsrückmeldung (2-fach gestuft) Quasiexperiment UV2 → Attribution (2-fach gestuft) Experimentaldesign Attribution wird über Konsensusinformation manipuliert (hoher Konsens = Aufgabenschwierigkeit external) AV1 → Manipulation-Checks AV2 → Affektmaße Keine quasiexperimentelle Variablen (es nahmen ausschließlich Frauen teil) Experimentaldesign: 2 x 2 between-subject Design (2x Leistungsrückmeldung + 2x Attribution) Skizze des Ablaufs (1) Cover-Story: Experiment zur Genauigkeit von Stereotypen (2) Manipulation UV1: Bogus-Feedback zur Leistung (3) Manipulation UV2: Bogus-Feedback zur Leistung anderer Teilnehmer / Hinweis auf Testschwierigkeit (4) Messung der AVn 17 Ausschluss aus der Drei Personen, die die Cover-Story anzweifelten wurden aus der weiteren Analyse ausgeschlossen Analyse Faktoranalyse Um die Distinktheit von Qualitäten der Emotionen zu gewährleisten, wurde eine Faktoranalyse durchgeführt. Durch die Faktoranalyse konnte gezeigt werden, dass es eine latente Variable gibt, die mit den Items kovariiert Statistisches 2 x 2 x 3 mixed-model Varianzanalyse mit Leistungsrückmeldung und Attribution als between-subject Faktoren. Auswertungs- Messung von positivem und negativem Affekt sowie Selbstwertgefühl als Messwiederholungsfaktor verfahren Ergebnisse zu den VPn in der Erfolgsgruppe berichteten höhere positive AV und Effekte Affekte als in der Misserfolgsgruppe Haupteffekt für die Leistungsrückmeldung (pos / neg) Interaktion zwischen Leistungsrückmeldung und Konsensus und Attribution (bei Erfolg → positiver Affekt / bei Misserfolg → negativer Affekt) Diskussion 6. Eindrucksbildung und Personenwahrnehmung Grundlagen Kontinuum-Modell von Fiske et al. (1990) unterscheidet je nach Motivationslage und Ressourcen zwischen → automatischen / kategorienbasierten Prozessen der Eindrucksbildung → kontrollierten / eigenschaftsbasierten Prozesse der Eindrucksbildung Eigenschaftsbasierte Experimentalserie von Salomon Asch (1946) Eindrucksbildung Vorlage einer Liste von Persönlichkeitseigenschaften hypothetischer Stimuluspersonen Bis auf die Variation eines Wortes waren alle Listen identisch (Variation „warm“ vs. „kalt“ bzw. „höflich“ vs. „grob“) Im Anschluss wurden Eigenschaftspaare („großzügig“ und „geizig“) vorgelegt und VPn sollten diejenigen Eigenschaften auswählen, die ihrem Eindruck der Person am ehesten entsprachen Beeinflussung durch die Worte „warm“ und „kalt“ signifikant höher als bei anderer Variation Schlussfolgerung von Asch → Eindruck ist nicht die Summe aller zugeschriebenen Merkmale einer Person. Einzelne Merkmale werden im Kontext ihrer Beziehung zu anderen Merkmalen gewichtet, interpretiert und anschließend zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck integriert. Manche Merkmale haben einen überproportional großen Einfluss auf die Eindrucksbildung. Zentrale Persönlichkeitsmerkmale ▪ Charakteristika einer Zielperson, die einen überproportionalen Einfluss auf den resultierenden Gesamteindruck ausüben Entstehung des ersten Eindrucks Periphere Persönlichkeitsmerkmale ▪ Charakteristika einer Zielperson, die einen geringen Einfluss auf den resultierenden Gesamteindruck ausüben Information-Integration-Theory Norman H. Anderson (1981) Kritik an der Einteilung in zentrale und periphere Persönlichkeitsmerkmale Befürwortung der Gewichtung von Merkmalen; Unterstreichung der Unabhängigkeit einzelner Merkmale → Alle Informationen folgen bestimmten mathematischen Regeln zur Bildung eines Gesamteindrucks → Jede Information hat einen positiven, neutralen oder negativen Wert / Einfluss und ein gewisses Gewicht → Mathematische Regeln werden als kognitive Algebra bezeichnet → Nachweis, dass es keine Interaktionseffekte verschiedener Eigenschaften auf den Gesamteindruck gibt → Frage: Additive Verknüpfung oder Mittelwert aus allen verfügbaren Informationen ➔ Lampel & Anderson → Studie „Attraktivitätseinschätzung mit / ohne Nennung von Eigenschaften“ ➔ Befunde sprechen dafür, dass vorhandene Informationen gemittelt werden Weight-Average-Modell Himmelfarb (1973) Unterstützung der Befunde für die IIT → Befunde aus Lampel & Anderson zeigen, dass Frauen (1) ungern mit unattraktiven Männern ausgehen (2) wenn sie attraktiv sind, den Persönlichkeitseigenschaften ein höheres Gewicht zukommt → Himmelfarb konnte zeigen, dass die Zugabe neutraler Adjektive einen positiven / negativen Einfluss haben → Befund ist abhängig von der Kombination → Addition und Gewichtung sind anhand des Weight-Average-Modells problemlos möglich 18 Implizite Persönlichkeitstheorien Bruner & Tagiuri (1954) Konsens, dass Gesamteindruck durch Integration und Gewichtung einzelner Informationen entsteht Einfluss impliziter Persönlichkeitstheorien auf die Bildung von Gesamteindrücken → Vorstellung darüber, welche Persönlichkeitsmerkmale i.d.R. gemeinsam auftreten / zusammengehören → wahrnehmenden Personen sind diese Verbindungen oftmals nicht bewusst (daher implizit) → handelt sich um weniger um eine wissenschaftliche, denn mehr um eine laienpsychologische Theorie → Wissen über Zusammengehörigkeit oder gegenseitigem Ausschluss erworben durch Sozialisationsprozesse Rosenberg, Nelson & Vivekananthan (1968): Annahme über Merkmalszusammenhänge auf zwei inhaltlichen Dimensionen ▪ Soziabilität / Vertrauenswürdigkeit „warmherzig“, „kontaktfreudig“, „hilfsbereit“ → indikativ für hohe Soziabilität „kalt“, „ungesellig“, „humorlos“ → indikativ für schwache Soziabilität ▪ Intelligenz / Kompetenz „intelligent“, „fleißig“, „zielstrebig“ → indikativ für hohe Kompetenz „dumm“, „leichtsinnig“, „naiv“ → indikativ für niedrige Kompetenz Auf Basis impliziter Theorien schließen Menschen demnach von wenigen beobachteten Merkmalen auf andere nicht beobachtete Merkmale Willis & Todorov (2006): Schnelligkeit der Urteilsbildung → Präsentation von Bildern neutral gekleideter Personen mit neutralen Blicken → 3-fach gestufte UV: Bilder wurden entweder so lange wie nötig, 1.000ms oder 100ms gezeigt → Einschätzung der Personen hinsichtlich verschiedener Persönlichkeitsmerkmale ➔ Eindruck entsteht bereits nach 100ms Beim ersten Begegnen sind zwei Informationen relevant (vgl. Fiske et al., 2002)): (1) Welche Absichten hat die andere Person (ggü. der eigenen Person) (2) Besitzt sie die Fähigkeiten die Absichten umzusetzen Daher sind Punkte wie Soziabilität und Intelligenz von besonderer Bedeutung bei impliziten Theorien Dimensionen sind auch bei neueren Studien zur Gesichtswahrnehmung relevant (Todorov et al., 2008) → Dimension von hoher vs. niedriger Vertrauenswürdigkeit (kindliches Aussehen)